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Der Unterschied des Residenzmodells

mit erweitertem Umgang zum

Wechselmodell in Bezug auf die Arbeit

eines Beistands

Eine Handlungsanleitung für die Beistandschaft

des Main-Kinzig-Kreises

Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung

Fachbereich Verwaltung

Thesis

vorgelegt von Luisa Ziegler

Studiengruppe 2-2014-01

Abteilung Mühlheim

Forschungspartner Main-Kinzig-Kreis

Erstgutachterin Prof. Dr. Karin Metzler-Müller

Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung

Zweitgutachterin Alegra Moll

Main-Kinzig-Kreis

Abgabedatum 29.05.2017

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Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis IV

Abbildungsverzeichnis VI

Tabellenverzeichnis VI

1 Einleitung 1

2 Unterhaltsrechtliche Beratung und Beistandschaft 2

2.1 Begriffsbestimmungen und Unterscheidung 3

2.2 Kindesunterhalt im gesetzlichen Regelfall 6

2.2.1 Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs im Residenzmodell 7

2.2.2 Auswirkungen des Residenzmodells auf den Kindesunterhalt 8

2.2.3 Beispielberechnung des Unterhalts 10

2.2.4 Unterhaltstitel 15

3 Residenzmodell mit erweitertem Umgang und Wechselmodell 16

3.1 Begriffsbestimmungen 16

3.2 Unterscheidung und Vergleich zum gesetzlichen Regelfall 17

3.3 Anspruch auf Beratung und Unterstützung/Beistandschaft 19

4 Handlungsanleitung 21

4.1 Residenzmodell mit erweitertem Umgang 22

4.1.1 Voraussetzungen des erweiterten Umgangs 23

4.1.2 Auswirkungen des erweiterten Umgangs auf den Unterhalt 23

4.1.3 Beispielberechnung des Unterhalts 29

4.1.4 Unterhaltstitel 33

4.2 Wechselmodell 34

4.2.1 Voraussetzungen des Wechselmodells 34

4.2.2 Auswirkungen des Wechselmodells auf den Unterhalt 37

4.2.3 Beispielberechnung des Unterhalts 42

4.2.4 Unterhaltstitel 49

5 Fazit 50

Literatur- und Quellenverzeichnis 53

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Anhang 56

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Abkürzungsverzeichnis

Abs. Absatz

Alt. Alternative

Anm. Anmerkung

Az. Aktenzeichen

BeckOK Beck’scher Online-Kommentar

Beschl. Beschluss

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

BGH Bundesgerichtshof

BMFSFJ Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und

Jugend

DIJuF Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V.

EStG Einkommensteuergesetz

f. folgende

ff. fortfolgende

FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den

Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

FamR Familienrecht

FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

FK Frankfurter Kommentar

gem. gemäß

Hrsg. Herausgeber

i.d.R. in der Regel

i.H.v. in Höhe von

i.V.m. in Verbindung mit

JAmt Das Jugendamt – Zeitschrift für Jugendhilfe und

Familienrecht

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- V -

jurisPK juris Praxiskommentar

jurisPR juris Praxis Report

MKK Main-Kinzig-Kreis

MüKo Münchner Kommentar

NJW Neue Juristische Wochenschrift

Nr. Nummer

NZFam Neue Zeitschrift für Familienrecht

OLG Oberlandesgericht

Rn. Randnummer

S. Satz, Seite

SFK 3 Ständige Fachkonferenz 3

SGB VIII Achtes Buch Sozialgesetzbuch

TG Themengutachten

zit.: zitiert

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 - Berechnung des monatlichen Nettoeinkommens 11

Abbildung 2 - Berechnung des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens 12

Abbildung 3 - Berechnung des bereinigten monatlichen Nettoeinkommens 14

Abbildung 4 - Unterscheidung zwischen Pendel- oder Doppelresidenzmodell und

Nestmodell 17

Abbildung 5 - Unterscheidung der Betreuungsmodelle 19

Abbildung 6 - Beispielberechnung des Verpflegungsaufwands pro Monat 28

Abbildung 7 - Berechnung des täglichen Verpflegungsaufwands 32

Abbildung 8 - Berechnung des Verpflegungsaufwands für vier Tage 32

Abbildung 9 - Berechnung der monatlichen Unterhaltszahlung 32

Abbildung 10 - Gegenüberstellung: Unverzichtbare Voraussetzungen –

Ausschlussgründe 36

Abbildung 11 - Formel für die Berechnung der Haftungsanteile 41

Abbildung 12 - Berechnung des monatlichen Nettoeinkommens 44

Abbildung 13 - Berechnung des gesamten bereinigten Nettoeinkommens pro Monat 45

Abbildung 14 - Berechnung des Gesamtbedarfs 45

Abbildung 15 - Berechnung des gesamten einzusetzenden Einkommens 46

Abbildung 16 - Berechnung der Haftungsanteile der Eltern 46

Abbildung 17 - Berechnung der um Eigenleistungen bereinigten Haftungsanteile 47

Abbildung 18 - Berechnung der Ausgleichszahlung 48

Abbildung 19 - Berechnung der Haftungsanteile nach der Methode des BGH 48

Abbildung 20 - Berechnung der hälftigen Differenz der beiden Haftungsanteile 49

Abbildung 21 - Berechnung der Ausgleichszahlung nach der Methode des BGH 49

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 - Höhe der Verpflegungsaufwände pro Monat und in € 29

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1 Einleitung

Nach Trennungen oder Scheidungen von Paaren bzw. Ehepartnern, die bereits gemein-

same Kinder haben, stellt sich häufig die Frage nach der zukünftigen Betreuung der Kin-

der. Häufig wird die Betreuung des Kindes von einem Elternteil übernommen und das

Kind hat seinen Lebensmittelpunkt bei diesem Elternteil.1 In Deutschland wird das sog.

Residenzmodell überwiegend praktiziert und wird daher mit einem Anteil von 85 – 95 %

aller Betreuungsvarianten als Regelfall angesehen.2

Jedoch hat sich das klassische Residenzmodell in seiner üblichen Form in den letzten

Jahren zunehmend verändert. Insbesondere durch die Veränderungen in der Gesell-

schaft werden mehr Modelle für die Betreuung der Kinder gesucht, die eine geteilte Ver-

antwortung der Eltern einschließen. Dies ist mittlerweile der Fall, da sich das Konzept

der „Hausfrauen-Ehe“ vermehrt verabschiedet und Frauen häufiger einer Berufstätigkeit

nachgehen wollen.3 Während die Mütter mehr am Erwerbsleben teilnehmen möchten,

hat sich auch die Rolle der Väter verändert, indem sie an der Betreuung des Kindes

beteiligt werden wollen.4

Für diese Fälle gibt es geeignete Betreuungsmodelle, die vom klassischen Residenzmo-

dell abweichen. Hierzu zählt zum einen die Betreuung im Wechselmodell. Bei diesem

Modell sind beide Elternteile zu annähernd gleichen Teilen an der Betreuung des Kindes

beteiligt. Zum anderen kommt das Residenzmodell mit erweitertem Umgang als Misch-

modell in Frage. Hierbei wird die überwiegende Betreuung weiterhin von einem Elternteil

übernommen, jedoch bringt sich der andere Elternteil mehr in die Betreuung ein. Vor

allem in den letzten Jahren ist die Zahl dieser Betreuungsmodelle stark angestiegen,

was sich auch an der steigenden Zahl der Gerichtsverfahren ableiten lässt.5 Schätzun-

gen zur Folge wird das Wechselmodell derzeit mit einem Anteil zwischen 2,4 % und

16 % aller Fälle in Deutschland praktiziert.6

Da die beiden Betreuungsmodelle zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist davon aus-

zugehen, dass sich die Ausweitung dieser Modelle zukünftig auch auf die Sachbearbei-

tung der Beistandschaft des MKK auswirken wird. Hierdurch entstehen für die Beistände

neue Herausforderungen in Bezug auf den Kindesunterhalt minderjähriger Kinder, denn

die jeweiligen Betreuungsmodelle haben verschiedene Auswirkungen auf den Kindes-

unterhalt. Dies schließt auch die Berechnung des Kindesunterhalts und dessen Geltend-

machung mit ein.

1 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 14. 2 Damljanovic, 35. 3 Weber, NZFam 2016, 829. 4 Damljanovic, 38 f. 5 Interview mit Frau Diehl, Richterin am OLG, Anhang 2, Frage 2, S. 63. 6 Damljanovic, 23.

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Das übergeordnete Ziel der Bachelorthesis ist es daher, zu erarbeiten, welche Voraus-

setzungen für die beiden Modelle gegeben sein müssen und wie sich diese auf den Kin-

desunterhalt und dessen Berechnung auswirken. In diesem Zusammenhang wird eine

Handlungsanleitung für die Beistände des MKK erstellt, welche die zukünftige Bearbei-

tung der Fälle, bei denen die Betreuung des Kindes in Form eines Residenzmodells mit

erweitertem Umgang oder eines Wechselmodells wahrgenommen wird, erleichtern wird.

Im Folgenden wird zunächst eine Einführung in die Arbeit eines Beistands gegeben, in-

dem die unterhaltsrechtliche Beratung von der Beistandschaft abgegrenzt wird und der

Kindesunterhalt im gesetzlichen Regelfall dargestellt wird. Anschließend wird auf die Be-

griffsbestimmung des Residenzmodells mit erweitertem Umgang und des Wechselmo-

dells eingegangen und der Unterschied der beiden Modelle dargelegt. Zudem wird ein

Vergleich der beiden Modelle zum gesetzlichen Regelfall gezogen. Es wird auch darauf

eingegangen, bei welchem Modell ein Sachbearbeiter7 der Beistandschaft lediglich eine

unterhaltsrechtliche Beratung durchführen darf und unter welchen Bedingungen eine

Beistandschaft eingerichtet werden kann.

Die Handlungsanleitung, die zunächst auf das Residenzmodell mit erweitertem Umgang

und anschließend auf das Wechselmodell eingeht, beinhaltet zunächst die Vorausset-

zungen, die erfüllt sein müssen, sodass das jeweilige Modell gegeben ist. Anschließend

werden die Auswirkungen der Modelle auf den Kindesunterhalt und dessen Berechnung

dargestellt. Zum besseren Verständnis werden die Berechnungsmethoden des Kindes-

unterhalts der beiden Modelle jeweils mit einem Beispiel veranschaulicht. Abgeschlos-

sen wird die Handlungsanleitung mit Ausführungen zu der Schaffung eines Unterhaltsti-

tels in beiden Modellen.

Für die Ausarbeitung der Bachelorthesis wurde zudem ein Experteninterview mit Frau

Gretel Diehl, vorsitzende Richterin des vierten Familiensenats am OLG Frankfurt am

Main, durchgeführt. Dies ermöglichte der Verfasserin, tiefer in die Materie einzusteigen

und komplexere Fragen zu klären.

2 Unterhaltsrechtliche Beratung und Beistandschaft

Wird ein Kind nicht miteinander verheirateter Eltern in Deutschland geboren, erhält das

Jugendamt vom zuständigen Standesamt eine Information darüber (§ 52a Abs. 4

SGB VIII). Daraufhin werden der Mutter des Kindes zwei Möglichkeiten des Jugendam-

tes für die Unterstützung im Bereich der Realisierung des Kindesunterhalts angeboten.

Zum einen kann die Unterstützung in Form einer unterhaltsrechtlichen Beratung nach

§ 52a SGB VIII und zum anderen in Form einer Beistandschaft nach § 1712 BGB erfol-

7 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher

Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.

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gen. Bei beiden Varianten werden die Aufgaben durch die Sachbearbeiter der Beistand-

schaft wahrgenommen, die dem Sachverhalt entsprechend den Weg für den weiteren

Verlauf vorschlagen.8

2.1 Begriffsbestimmungen und Unterscheidung

Unter einer unterhaltsrechtlichen Beratung wird die Beratung und Unterstützung zum

Thema Kindesunterhalt durch die Beistandschaft des Jugendamtes verstanden. Dies

geht aus § 52a Abs. 1 S. 1 SGB VIII hervor. Nachdem das zuständige Standesamt dem

Jugendamt die Mitteilung über die Geburt eines Kindes, dessen Eltern nicht miteinander

verheiratet sind, weitergegeben hat, hat die Beistandschaft des Jugendamtes unverzüg-

lich der Mutter des Kindes die Beratung und Unterstützung u.a. für die Geltendmachung

von Kindesunterhaltsansprüchen anzubieten (§ 52a Abs. 1 SGB VIII). Auch nach § 18

Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII besteht für alleinerziehende Mütter oder Väter ein Anspruch auf

eine unterhaltsrechtliche Beratung. Dieser Anspruch ist dann gegeben, wenn Mütter o-

der Väter die alleinige rechtliche oder tatsächliche Sorge für ein Kind haben (§ 18 Abs. 1

Nr. 1 SGB VIII). Der Unterschied zwischen den beiden Gesetzesnormen liegt darin, dass

§ 52a SGB VIII lediglich die Beratung für Mütter mit Kindern nicht miteinander verheira-

teter Eltern direkt nach der Geburt erfasst, während § 18 Abs. 1 und 2 SGB VIII alle

alleinerziehenden Elternteile einschließt.9

Eine unterhaltsrechtliche Beratung erfolgt in Form eines persönlichen Gesprächs, was

auf Wunsch der Mutter auch in ihrem persönlichen Umfeld stattfinden kann (§ 52a Abs. 1

S. 3 und 4 SGB VIII). Bei einem solchen Gespräch können Fragen zum Thema Kindes-

unterhalt geklärt werden und der alleinerziehende Elternteil erhält Informationen zur wei-

teren Vorgehensweise bei der Geltendmachung des Kindesunterhalts. D.h. die Sachbe-

arbeiter der Beistandschaft informieren den Unterhaltsberechtigten bzw. dessen gesetz-

lichen Vertreter zu den rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten der Einziehung

des Unterhalts und zeigen Lösungsansätze zu den gegebenen Problemen auf.

Für eine unterhaltsrechtliche Beratung liegt nach der gesetzlichen Grundlage (§ 52a

SGB VIII) grundsätzlich kein Antragserfordernis vor. Allerdings wird es speziell bei der

Beistandschaft des MKK so gehandhabt, dass auch bei einer unterhaltsrechtlichen Be-

ratung ein Formularblatt „Antrag auf unterhaltsrechtliche Beratung und Unterstützung“

aufgenommen wird, der in erster Linie dem Zweck dient, die Daten der Beteiligten und

den Sachverhalt für die spätere Bearbeitung des Falls zu erfassen.

Eine Beistandschaft ist eine besondere Art der gesetzlichen Vertretung eines minderjäh-

rigen Kindes (§ 55 Abs. 3 SGB VIII). Die Sachbearbeiter des Jugendamtes, denen ein-

zeln nach § 55 Abs. 2 SGB VIII vom Jugendamt die Aufgaben als Beistand übertragen

wurden, übernehmen gem. § 1712 Abs. 1 BGB die gesetzliche Vertretung der Kinder –

8 Birnstengel/Katzenstein, JAmt 2015, 230. 9 Hoffmann/Proksch in: FK-SGB VIII, § 52a, Rn. 3.

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u.a. für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen - gegen den zum Unterhalt ver-

pflichteten Elternteil. Damit verbunden ist auch die anschließende Verfügung über die

Ansprüche. D.h. ein Beistand hat die Aufgabe, den Unterhalt für das Kind sicher zu stel-

len, den der Unterhaltspflichtige seinem Kind schuldet.10

Nach § 1712 Abs. 1 BGB wird das Jugendamt durch einen schriftlichen Antrag eines

Elternteils Beistand des Kindes. D.h. das Jugendamt tritt kraft Gesetzes als Beistand des

Kindes ein11 und übernimmt die gesetzliche Vertretung des Kindes, nicht die des Eltern-

teils.12 Die Beistandschaft beginnt ab dem Zeitpunkt, an dem der schriftliche Antrag dem

Jugendamt zugegangen ist (§ 1714 S. 1 BGB) und endet auf schriftlichen Antrag des

Antragsstellers oder wenn die Voraussetzungen für eine Beistandschaft nicht mehr er-

füllt werden (§ 1715 Abs. 1 und 2 BGB). Eine Beistandschaft kann gem. § 1713 Abs. 1

S. 1 BGB auch schon vor der Geburt eines Kindes errichtet werden.

Die Einrichtung einer Beistandschaft kann nur erfolgen, wenn die hierfür erforderlichen

Voraussetzungen erfüllt sind. Gem. § 1713 Abs. 1 S. 1 BGB kann ein Antrag für eine

Beistandschaft nur von dem Elternteil gestellt werden, der die alleinige elterliche Sorge

besitzt. Teilen sich die Eltern die Sorge für das gemeinsame Kind, kann der Elternteil

den Antrag stellen, in dessen Obhut13 sich das Kind befindet (§ 1713 Abs. 1 S. 2 BGB).

Weiterhin muss das zu vertretende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland

haben, damit eine Beistandschaft eingerichtet und geführt werden kann (§ 1717 S. 1

BGB).

Haben alleinerziehende Elternteile Probleme mit dem Kindesunterhalt, bspw. weil der

zum Unterhalt verpflichtete Elternteil keinen oder zu wenig Unterhalt zahlt, können sich

diese an die Beistandschaft des Jugendamtes des MKK wenden. I.d.R. erfolgt vor der

Einrichtung einer unterhaltsrechtlichen Beratung und Unterstützung oder einer Beistand-

schaft ein persönliches Beratungsgespräch mit dem unterhaltsberechtigten Elternteil.

Hierbei wird eruiert, welche Erfolgsaussichten die einzelnen möglichen Vorgehenswei-

sen zur Realisierung des Unterhaltsanspruchs von der Berechnung über die Titelschaf-

fung bis zur Zwangsvollstreckung haben und ob es von vornherein sicher ist, dass eine

gerichtliche Verfolgung der Ansprüche ausgeschlossen werden kann oder nicht. Soweit

aus dem Gespräch ersichtlich ist, dass eine außergerichtliche Einigung hinsichtlich des

Unterhaltsanspruchs wahrscheinlich ist, wird i.d.R. auf die Einrichtung einer Beistand-

schaft verzichtet und die Unterhaltsberechnung im Rahmen einer unterhaltsrechtlichen

Beratung in Auftrag gegeben. Dies kann als sog. „kleine Beistandschaft“ bezeichnet wer-

den, da eine unterhaltsrechtliche Beratung als Vorstufe der Beistandschaft angesehen

10 Birnstengel/Katzenstein, JAmt 2015, 232. 11 MüKo BGB/Tillmanns, § 55 SGB VIII, Rn. 4. 12 Walther in: Wiesner, § 55 SGB VIII, Rn. 7. 13 Unter dem Begriff der Obhut wird die direkte Betreuung und Versorgung eines Kindes verstanden. D.h.

die bedeutenden Bedürfnisse des Kindes werden durch den betreuenden Elternteil befriedigt.

Knittel/Birnstengel, DIJuF TG-1139, Rn. 2.

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werden kann.14 In dieser Vorstufe versuchen die Sachbearbeiter, die Unterhaltsansprü-

che des Kindes außergerichtlich geltend zu machen, ohne eine Beistandschaft einrich-

ten zu müssen. Sie nehmen dabei die gleichen Aufgaben wahr, die sie als Beistände

auch wahrnehmen würden, aber versuchen zunächst eine Einigung zwischen allen Be-

teiligten herbeizuführen, um gerichtliche Verfahren zu vermeiden.

Die Unterstützung der Sachbearbeiter der Beistandschaft umfasst zunächst das Sam-

meln von erforderlichen Informationen über den Unterhaltspflichtigen, sodass die Aufga-

ben der Sachbearbeiter erfüllt werden können. Hierzu gehört auch die schriftliche Kon-

taktaufnahme zum unterhaltspflichtigen Elternteil zu dem Zweck, dass dieser Auskunft

über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erteilt, denn diese stellen die

Grundlage für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs dar. Mit dem sog. Erstschreiben

wird der Unterhaltspflichtige außerdem in Verzug gesetzt. D.h. er ist bereits ab dem Zeit-

punkt, in dem ihm das Schreiben zugeht, zur Zahlung des Unterhaltsbetrags, der sich

aus seinen Einkommensverhältnissen ergibt, verpflichtet (§ 1613 Abs. 1 BGB). Weiter-

hin werden notwendige Informationen, soweit nicht bekannt, wie z.B. Aufenthalt, Arbeit-

geber oder Krankenkasse, über den zum Unterhalt verpflichteten Elternteil ermittelt.15

Dies ist wichtig für den Fall, dass der Unterhaltspflichtige seiner Pflicht zur Auskunftser-

teilung nach § 1605 BGB nicht nachkommt. Der zum Unterhalt verpflichtete Elternteil

wird außerdem zur Zahlung des Unterhalts aufgefordert. Anschließend, wenn Unter-

haltszahlungen geleistet werden, wird überprüft, ob die Zahlungen regelmäßig und in

voller Höhe erfolgen.16

Während einer unterhaltsrechtlichen Beratung soll die Möglichkeit aufgezeigt werden,

dass ggf. eine Beistandschaft auf Antrag eingerichtet werden kann.17 Eine Beistand-

schaft wird grundsätzlich dann eingerichtet, wenn zu erwarten ist, dass die Unterhalts-

ansprüche des Kindes gerichtlich geklärt werden müssen. Durch die Einrichtung einer

Beistandschaft können die Unterhaltsansprüche des Kindes durch gerichtliche Maßnah-

men geltend gemacht werden.18 D.h. durch eine eingerichtete Beistandschaft wird ein

Beistand des Jugendamtes gesetzlicher Vertreter des Kindes und kann dieses ggf. auch

vor Gericht vertreten.19 Bei einer unterhaltsrechtlichen Beratung dagegen wird versucht,

eine außergerichtliche Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen und die Unter-

haltsansprüche des Kindes auf einem friedlichen Weg geltend zu machen.20 Eine unter-

haltsrechtliche Beratung schließt im Gegensatz zur Beistandschaft eine Vertretung vor

Gericht aus.21 Denn bei einer unterhaltsrechtlichen Beratung gem. § 18 SGB VIII können

14 Kunkel/Leonhardt/Kemper in: Kunkel/Kepert/Pattar, § 52a SGB VIII, Rn. 2. 15 Schindler in: Münder/Wiesner/Meysen, Rn. 26. 16 Schindler in: Münder/Wiesner/Meysen, Rn. 26. 17 Birnstengel/Katzenstein, JAmt 2015, 230. 18 Herzberg, JAmt 2016, 579. 19 Kunkel in: Kunkel/Kepert/Pattar, § 18 SGB VIII, Rn. 7. 20 www.bmfsfj.de, 6. 21 Kunkel in: Kunkel/Kepert/Pattar, § 18 SGB VIII, Rn. 7.

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die Sachbearbeiter die Unterhaltsberechtigten weder rechtlich vertreten, noch sind sie

dazu ermächtigt, Prozesse in die Wege zu leiten und zu führen.22

Generell empfehlen die Sachbearbeiter der Beistandschaft zunächst keine Einrichtung

einer Beistandschaft, sondern unterbreiten vorab das Angebot einer unterhaltsrechtli-

chen Beratung. Erst, wenn erhebliche Probleme bei der Geltendmachung der Unter-

haltsansprüche auftreten, sollte eine unterhaltsrechtliche Beratung in eine Beistand-

schaft überführt werden.23 Die unterhaltsrechtliche Beratung wird auch von den Sachbe-

arbeitern der Beistandschaft durchgeführt, denn so können die Aufgaben auf unkompli-

zierte Weise erledigt und miteinander verknüpft werden.24

2.2 Kindesunterhalt im gesetzlichen Regelfall

Das Gesetz geht gem. § 1606 Abs. 3 BGB von einem sog. Residenzmodell als Regelfall

unter verschiedenen Betreuungsmodellen nach einer Trennung oder Scheidung aus. Bei

über 80 % der Fälle wird dieses Modell angewendet, wenn die Eltern getrennt oder ge-

schieden sind.25

Bei einem Residenzmodell übernimmt ein Elternteil die alleinige Betreuung eines min-

derjährigen unverheirateten Kindes und somit auch dessen Pflege und Erziehung

(§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB). Das minderjährige Kind hat den Lebensmittelpunkt bei einem

Elternteil und pflegt ggf. lediglich Umgangskontakte mit dem anderen Elternteil, bspw.

an den Wochenenden und in den Ferien.26 Durch die Rechtsprechung hat sich entwi-

ckelt, dass ein Umgangskontakt als üblich angesehen wird, wenn sich das Kind alle vier-

zehn Tage für ein Wochenende bei dem umgangsberechtigten Elternteil aufhält und

auch die Schulferien hälftig bei diesem Elternteil verbringt. Der BGH sieht dabei einen

Umgangsumfang von ca. fünf bis sechs Tagen pro Monat als üblich an.27

Der Elternteil, der die Betreuung des minderjährigen Kindes übernimmt, kommt gem.

§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Kind durch

dessen Pflege und Erziehung nach und wird somit von seiner Barunterhaltsverpflichtung

befreit. Unter dem sog. Barunterhalt wird die Bereitstellung des Unterhalts in Form von

Geld verstanden.28 Der betreuende Elternteil leistet den sog. Betreuungsunterhalt. Die-

22 Schindler in: Münder/Wiesner/Meysen, Rn. 27. 23 Herzberg, JAmt 2016, 579. 24 Schindler in: Münder/Wiesner/Meysen, Rn. 27. 25 Damljanovic, 22. 26 Sünderhauf, 56. 27 BGH, Urteil vom 28.02.2007, Az.: XII ZR 161/04, NJW 2007, 1882, Rn. 25. 28 Sünderhauf, 500.

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ser wird als Teil des Naturalunterhalts angesehen, welcher das Bereitstellen von Dienst-

leistungen und Gütern beinhaltet.29 Hierzu gehören bspw. die Verpflegung, die Unter-

kunft und die Bekleidung des Kindes.30 Der andere Elternteil, der entweder keinen Um-

gangskontakt zu seinem Kind hat oder lediglich übliche Umgangskontakte mit seinem

Kind pflegt, ist zum Barunterhalt verpflichtet, da er keine Betreuung des Kindes wahr-

nimmt. 31

Somit wird der Betreuungsunterhalt des einen Elternteils mit dem Barunterhalt des an-

deren Elternteils gleichgestellt und der zu leistende Barunterhalt gleicht die fehlende Be-

treuung des unterhaltspflichtigen Elternteils aus. Die Gleichstellung des Betreuungs- und

Barunterhalts besteht allerdings nur, solange die Minderjährigkeit des Kindes gegeben

ist. Wird das Kind mit Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig, haben beide Eltern-

teile die Pflicht, Barunterhalt für das gemeinsame Kind zu zahlen, auch wenn dieses

noch bei einem der Elternteile lebt und von diesem betreut wird. Es wird davon ausge-

gangen, dass mit Volljährigkeit des Kindes die Betreuung nicht mehr erforderlich ist und

der Betreuungsunterhalt durch einen größeren Bedarf an Barunterhalt ersetzt wird.32

2.2.1 Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs im Residenzmodell

Ein Kind hat einen Anspruch auf Unterhalt im Residenzmodell, wenn hierfür die notwen-

digen Voraussetzungen gegeben sind. Der Unterhaltsanspruch des Kindes entsteht

nach § 1613 Abs. 1 S. 2 BGB mit seiner Geburt und besteht solange, bis eine Unter-

haltsbedürftigkeit des Kindes gem. § 1602 BGB nicht mehr gegeben ist.

Damit ein Unterhaltsanspruch des Kindes besteht, muss zunächst ein Bedarf des Kindes

gegeben sein.33 Das Maß des zu gewährenden Unterhalts, also der Bedarf des Kindes,

bestimmt sich gem. § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen und

umfasst den gesamten Lebensbedarf (§ 1610 Abs. 2 BGB). Demnach wird von einem

angemessenen Unterhalt gesprochen, wenn der Bedarf des Kindes gedeckt ist. Aller-

dings orientiert sich der Bedarf von minderjährigen Kindern an den Einkommensverhält-

nissen der Eltern, die zum Kindesunterhalt verpflichtet sind, da das Kind noch in Abhän-

gigkeit von den Eltern lebt und folglich keine selbstständige Lebensstellung besitzt. Da

das Kind im Residenzmodell nur von einem Elternteil betreut wird und der andere Eltern-

teil dagegen zum Barunterhalt verpflichtet ist, richtet sich der Bedarf des Kindes lediglich

nach den Einkommensverhältnissen des zum Unterhalt verpflichteten Elternteils.34

Weiterhin hat das Kind gem. § 1602 Abs. 1 BGB nur dann einen Anspruch auf Unterhalt,

wenn es außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. D.h. es muss eine Bedürftigkeit des

29 Sünderhauf, 500. 30 Damljanovic, 116. 31 Damljanovic, 21 ff. 32 Damljanovic, 117. 33 Ehinger in: Ehinger/Griesche/Rasch, 4. 34 Ehinger in: Ehinger/Griesche/Rasch, 4.

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Kindes gegeben sein. In den meisten Fällen ist bei minderjährigen Kindern eine Bedürf-

tigkeit gegeben, da sie überwiegend noch kein eigenes Einkommen erzielen. Wird aller-

dings z.B. durch eine Ausbildung Einkommen erzielt, muss dieses nach der unterhalts-

rechtlichen Bereinigung zur Hälfte für den Unterhalt verwendet werden, solange das Kind

minderjährig ist.35 Zudem ist auch das Kindergeld gem. § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB hälftig

zur Deckung des Barbedarfs des minderjährigen Kindes zu verwenden.

Des Weiteren muss der zum Kindesunterhalt verpflichtete Elternteil leistungsfähig sein.36

Besteht keine Leistungsfähigkeit des Elternteils, entfällt die Unterhaltspflicht, denn nach

§ 1603 Abs. 1 BGB ist ein Elternteil dann nicht unterhaltspflichtig, wenn dieser - unter

Berücksichtigung sonstiger Verpflichtungen - nicht in der Lage ist, den Unterhalt für sein

Kind zu leisten, ohne den eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden.37 Allerdings

hat dieser eine verstärkte Unterhaltspflicht.38 D.h. er ist gegenüber seinem Kind verpflich-

tet, die gesamten Mittel, über die er verfügt, für sich und sein Kind zu verwenden (§ 1603

Abs. 2 S. 1 BGB).

Durch die gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern ergibt sich, dass von dem zum Unter-

halt verpflichteten Elternteil ein außerordentlicher Einsatz bei der Erwerbstätigkeit erwar-

tet wird. Wird durch eine Erwerbstätigkeit in Vollzeit nicht genügend Einkommen erzielt,

sodass der Mindestunterhalt nicht bezahlt werden kann, könnte eine Nebentätigkeit zum

Erhöhen des Einkommens in Frage kommen, wenn diese als zumutbar gilt. Für den Fall,

dass der Unterhaltspflichtige arbeitslos ist, wird von diesem ein bedeutendes Engage-

ment im Hinblick auf eine Erwerbstätigkeit gefordert. Dabei kann ihm auch eine Erwerbs-

tätigkeit in einem ungelernten Beruf oder ein notwendiger Wohnortwechsel zugemutet

werden.39 Die Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit müssen vom Unterhaltspflichtigen

unter der Darlegung von Tatsachen vorgewiesen werden. Dies beinhaltet auch die Dar-

stellung der erfolgten Bewerbungen mit den Angaben über den Zeitpunkt, den Inhalt und

deren Ergebnisse.40

2.2.2 Auswirkungen des Residenzmodells auf den Kindesunterhalt

Wie unter Punkt 2.2 bereits aufgeführt, übernimmt im Falle eines Residenzmodells nach

§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB ein Elternteil die eindeutig überwiegende bzw. alleinige Betreu-

ung des minderjährigen Kindes und kommt somit seiner Unterhaltsverpflichtung durch

den sog. Betreuungsunterhalt nach. Der andere Elternteil, der ggf. lediglich Umgangs-

kontakte mit seinem Kind pflegt, muss seiner Unterhaltsverpflichtung durch die Zahlung

35 Ehinger in: Ehinger/Griesche/Rasch, 14 f. 36 Ehinger in: Ehinger/Griesche/Rasch, 15. 37 Sind Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kinder zum Unterhalt verpflichtet, gilt der notwendige Selbst-

behalt i.H.v. 1.080,00 € als Untergrenze der Inanspruchnahme.

Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 21.2. 38 Ehinger in: Ehinger/Griesche/Rasch, 16. 39 Ehinger in: Ehinger/Griesche/Rasch, 16 f. 40 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 9.

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von Barunterhalt nachkommen. Der betreuende Elternteil ist dann von seiner Verpflich-

tung zum Barunterhalt befreit.41 Allerdings kann eine solche Befreiung von der Pflicht

des betreuenden Elternteils entfallen, wenn dessen Einkommens- und Vermögensver-

hältnisse bedeutend höher sind als die des barunterhaltspflichtigen Elternteils.42 Hiervon

kann ausgegangen werden, wenn das verfügbare Einkommen des betreuenden Eltern-

teils etwa dreifach so hoch wie das des unterhaltspflichtigen Elternteils ist.43 Die Befrei-

ung der Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt kann in Ausnahmefällen eben-

falls entfallen, wenn eine Leistungsfähigkeit des zum Unterhalt verpflichteten Elternteils

nicht besteht und der betreuende Elternteil die Bedürfnisse des Kindes ohne Gefährdung

des eigenen Selbstbehaltes durch Barunterhalt befriedigen könnte.44 Dies könnte der

Fall sein, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil zur Zahlung des Kindesunterhalts nicht

fähig ist, weil er bspw. anzuerkennende Schulden hat und ihm durch die Zahlung des

Mindestunterhalts weniger als der notwendige Selbstbehalt i.H.v. 1.080,00 €45 bleiben

würde.46

Zu wie viel Unterhalt der Unterhaltspflichtige monatlich verpflichtet ist bzw. in welcher

Höhe ein Anspruch des Kindes auf Unterhalt besteht, ist durch eine Berechnung zu er-

mitteln.

Wird die Beistandschaft des Jugendamtes im MKK mit der Aufgabe betraut, den Unter-

haltsanspruch für ein Kind zu ermitteln, wird von dem jeweiligen Sachbearbeiter der Bei-

standschaft der Kindesunterhalt berechnet. Da sich der Bedarf bzw. der Unterhaltsan-

spruch des Kindes nach den Einkommensverhältnissen des Elternteils richtet, der zum

Unterhalt verpflichtet ist, werden für die Berechnung des Unterhalts entsprechende Aus-

künfte über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen

benötigt. Hierfür werden gem. § 1605 BGB persönliche Angaben zur Person, zum Beruf

und zu den monatlichen Einkünften und Ausgaben angefordert. Dazu gehören i.d.R. die

Gehaltsabrechnungen der letzten zwölf Monate und der Steuerbescheid bzw. die Steu-

erbescheide mit dem Steuerguthaben, das im zu überprüfenden Zeitraum dem Unter-

haltspflichtigen zugegangen ist bzw. mit den Steuernachzahlungen, die der Unterhalts-

pflichtige für diesen Zeitraum nachzuzahlen hat. Die Steuerbescheide sind einzureichen,

falls der Unterhaltspflichtige Steuererklärungen abgegeben hat. Denn der Unterhalts-

pflichtige besitzt gem. § 1605 Abs. 1 S. 1 BGB die Verpflichtung, auf Verlangen seine

Einkünfte und sein Vermögen offen zu legen, soweit dies erforderlich ist, um den Unter-

haltsanspruch des Kindes bzw. die Unterhaltsverpflichtung zu ermitteln. Weigert sich der

Unterhaltspflichtige, Auskunft über seine Verhältnisse zu erteilen, können gerichtliche

41 Viefhues, jurisPR-FamR 2/2015, Anm. 1. 42 Damljanovic, 116. 43 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 12.3 b). 44 Damljanovic, 116 f. 45 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 21.2. 46 Klinkhammer in: Wendl/Dose, 575.

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Maßnahmen eingeleitet werden, um Auskünfte über persönliche und wirtschaftliche Ver-

hältnisse des zum Unterhalt verpflichteten Elternteils zu erlangen (§ 235 i.V.m. § 236

FamFG).

Bei der Berechnung des Kindesunterhalts wird zunächst von dem Bruttoeinkommen des

Unterhaltspflichtigen, bezogen auf ein Kalenderjahr, ausgegangen.47 Da sich die Be-

darfssätze der Düsseldorfer Tabelle allerdings an dem bereinigten Nettoeinkommen des

unterhaltspflichtigen Elternteils orientieren, muss das Bruttoeinkommen um Steuern und

Vorsorgeaufwendungen reduziert und somit das Nettoeinkommen berechnet werden.48

Bei den Vorsorgeaufwendungen handelt es sich um Aufwendungen der gesetzlichen

Kranken- und Pflegeversicherung, der Arbeitslosen- und der Rentenversicherung. Auch

eine angemessene private Kranken- und Altersvorsorge kann dabei berücksichtigt wer-

den.49 Zu den Steuern gehören die Lohnsteuer, die Kirchensteuer und der Solidaritäts-

zuschlag.

Anschließend wird ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen aus den letzten zwölf

Monatsnettogehältern berechnet. Zu diesem durchschnittlichen Monatsnettoeinkommen

wird das anteilige monatliche Steuerguthaben hinzugerechnet oder die anteiligen mo-

natlichen Steuernachzahlungen abgezogen, die sich ggf. aus dem vorgelegten Steuer-

bescheid bzw. den vorgelegten Steuerbescheiden ergeben. Danach findet eine Bereini-

gung des durchschnittlichen Monatsnettoeinkommens um abzugsfähige Aufwendungen

statt.50 Wurde das bereinigte Nettoeinkommen ermittelt, wird die Einstufung in die Ein-

kommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle und damit die Festsetzung des Unterhaltsan-

spruchs des Kindes vorgenommen.

2.2.3 Beispielberechnung des Unterhalts

Die Berechnung des Kindesunterhalts im gesetzlichen Regelfall soll anhand einer Bei-

spielberechnung deutlich gemacht werden.

Folgender Sachverhalt liegt vor: Herr und Frau Müller51 sind seit kurzer Zeit geschieden

und ihre gemeinsame achtjährige Tochter lebt bei der Mutter. Frau Müller leistet daher

für ihr Kind den sog. Betreuungsunterhalt, indem sie die Pflege und Erziehung des Kin-

des wahrnimmt. Herr Müller dagegen nimmt keine Betreuung des Kindes wahr, sondern

pflegt lediglich einen üblichen Umgangskontakt mit seiner Tochter. Sie besucht ihn alle

vierzehn Tage am Wochenende, alle zwei Wochen einen Tag unter der Woche und ver-

bringt die Hälfte der Ferien bei ihm. Dies entspricht ca. sechs Tagen im Monat, die sie

bei ihrem Vater verbringt. Dabei wird die Ferienregelung nicht mitgezählt. Die restliche

47 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 1.1. 48 Palandt/Brudermüller, § 1361 BGB, Rn. 45. 49 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 10.1. 50 Palandt/Brudermüller, § 1361 BGB, Rn. 48. 51 Alle in der Thesis aufgeführten Namen und Personen sind frei erfunden.

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Zeit verbringt die Tochter bei der Mutter. Diese erhält auch das Kindergeld für ihre Toch-

ter i.H.v. 192,00 €. Da ein Residenzmodell mit üblichem Umgangskontakt vorliegt, ist

Herr Müller zur Zahlung des Barunterhalts für seine Tochter verpflichtet.

Herr Müller ist in dem Unternehmen M. als Architekt angestellt und hat ein monatliches

Bruttoeinkommen i.H.v. 4.215,00 €. Davon zahlt er monatlich an Steuern: den Solidari-

tätszuschlag (31,07 €), die Lohnsteuer (778,16 €) und die Kirchensteuer (50,85 €), da

Herr Müller einer Kirche angehörig ist. Weiterhin hat er folgende monatliche Vorsorge-

aufwendungen: 394,10 € für die Rentenversicherung, 354,06 € für die Krankenversiche-

rung, 63,23 € für die Arbeitslosenversicherung und 53,74 € für die Pflegeversicherung.

Zu Beginn muss das Bruttoeinkommen pro Monat um monatliche Steuer- und Vorsorge-

aufwendungen gemindert werden, sodass ein monatliches Nettoeinkommen für die Un-

terhaltsberechnung vorliegt.

4.215,00 € monatliches Bruttoeinkommen

Steuern pro Monat

- 31,07 € Solidaritätszuschlag

- 778,16 € Lohnsteuer

- 50,85 € Kirchensteuer

Vorsorgeaufwendungen pro Monat

- 394,10 € Rentenversicherung

- 354,06 € Krankenversicherung

- 63,23 € Arbeitslosenversicherung

- 53,74 € Pflegeversicherung

= 2.489,79 € monatliches Nettoeinkommen

Abbildung 1 - Berechnung des monatlichen Nettoeinkommens52

Wurde das Bruttoeinkommen um die Vorsorge- und Steueraufwendungen reduziert, ist

das monatliche Nettoeinkommen des Herrn Müller gegeben. Dieses beträgt, wie in Ab-

bildung 1 berechnet, 2.489,79 € im Monat. Da i.d.R. nicht alle Unterhaltspflichtigen ein

konstantes Nettoeinkommen pro Monat haben, sondern auch häufig Schwankungen

zwischen den monatlichen Nettoeinkommen auftreten, wird ein durchschnittliches Mo-

52 Eigene Darstellung.

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natsnettoeinkommen aus den monatlichen Einkommen der letzten zwölf Monate berech-

net.53 Hierbei werden vor allem auch Leistungen, die nicht monatlich anfallen, wie z.B.

das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, berücksichtigt.54 Da Herr Müller allerdings ein kon-

stantes Nettoeinkommen im Monat hat, wird lediglich das Nettoeinkommen auf ein Jahr

bzw. die letzten zwölf Monate hochgerechnet, sodass Urlaubs- und Weihnachtsgeld be-

rücksichtigt und auf ein Jahr umgelegt werden können. Anschließend wird aus der Jah-

ressumme ein durchschnittliches Nettoeinkommen pro Monat gebildet.

Im Juni des Jahres bekommt Herr Müller zusätzlich zum monatlichen Nettoeinkommen

ein Urlaubsgeld i.H.v. 1.244,90 € und im November des Jahres ein Weihnachtsgeld i.H.v.

2.489,79 €. In der folgenden Abbildung 2 wird die Berechnung des durchschnittlichen

Nettoeinkommens pro Monat dargestellt.

12 Monate

x 2.489,79 € monatliches Nettoeinkommen

= 29.877,48 € jährliches Nettoeinkommen

+ 1.244,90 € Urlaubsgeld

+ 2.489,79 € Weihnachtsgeld

= 33.612,17 € jährliches Nettoeinkommen

÷ 12 Monate

= 2.801,01 € durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen

Abbildung 2 - Berechnung des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens55

Sofern der Unterhaltspflichtige Steuererstattungen erhalten hat, sind diese dem Jahr an-

zurechnen, in dem sie tatsächlich zugeflossen sind.56 Herr Müller hat keine Steuererstat-

tungen erhalten, weshalb das durchschnittliche Nettoeinkommen pro Monat 2.801,01 €

beträgt.

53 Ehinger in: Ehinger/Griesche/Rasch, 31. 54 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 1.2. 55 Eigene Darstellung. 56 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 1.7.

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Anschließend muss das berechnete durchschnittliche Monatsnettoeinkommen um ab-

zugsfähige Aufwendungen bereinigt werden.57 Herr Müller hat in den eingereichten Un-

terlagen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse folgende monatliche

Aufwendungen aufgeführt:

- Berufsbedingte Fahrtkosten i.H.v. 90,00 € monatlich für die Fahrt zur Arbeits-

stätte mit den öffentlichen Verkehrsmitteln,

- Vermögenswirksame Leistungen in Form eines Bausparvertrages i.H.v. 120,00 €

im Monat,

- Monatliche Warmmiete i.H.v. 500,00 € plus Stromkosten i.H.v. 35,00 € und

- Monatliche Kosten für eine Hausratsversicherung i.H.v. 12,00 €.

Als abzugsfähige Aufwendungen können die berufsbedingten Fahrtkosten und die mo-

natlichen Aufwendungen der vermögenswirksamen Leistungen in Betracht kommen.58

Die monatlichen Kosten für die Warmmiete, die monatlichen Stromkosten und auch die

Kosten für die Hausratsversicherung pro Monat können nicht vom durchschnittlichen

Monatsnettoeinkommen abgezogen werden, denn diese zählen zu den Kosten der all-

gemeinen Lebensführung und sind daher bereits durch den notwendigen Selbstbehalt

i.H.v. 1.080,00 €59 abgedeckt. Diese Aufwendungen sind somit nicht als abzugsfähig an-

zusehen.60

Bei den Fahrtkosten handelt es sich um berufsbedingte Aufwendungen und nicht um

private Lebenserhaltungskosten.61 Die Kosten für die Fahrt zur Arbeitsstätte werden nur

in Höhe der Kosten öffentlicher Verkehrsmittel berücksichtigt, wenn die Benutzung der

öffentlichen Verkehrsmittel als zumutbar gilt. Nur wenn schlechte Verkehrsmittelverbin-

dungen oder sonstige Gründe entgegenstehen, wird die Benutzung eines PKW als an-

gemessen angesehen. Dann erfolgt ein Abzug der Fahrtkosten in Höhe einer Kilometer-

pauschale. Diese beträgt derzeit 0,30 € pro gefahrenem Kilometer.62

Da Herr Müller mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeitsstätte fährt, sind die be-

rufsbedingten Fahrtkosten i.H.v. 90,00 € als angemessen anzusehen. Die Benutzung

der öffentlichen Verkehrsmittel für die Fahrt zur Arbeitsstätte sind im vorliegenden Fall

als zumutbar anzusehen, da die Verkehrsmittelverbindungen gut ausgebaut sind. Daher

sind die Fahrtkosten in voller Höhe vom monatlichen Nettoeinkommen abzuziehen. Die

monatlichen Aufwendungen der vermögenswirksamen Leistungen in Form eines Bau-

sparvertrages i.H.v. 120,00 € können vom Monatsnettoeinkommen abgezogen werden,

57 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 10.2 ff. 58 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 10.2.2 und Punkt 10.6. 59 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 21.2. 60 Ehinger in: Ehinger/Griesche/Rasch, 29. 61 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 10.2. 62 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 10.2.2.

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wenn die vermögenswirksamen Leistungen bei guten Einkommensverhältnisse als an-

gemessen anzusehen sind.63 Dies muss im Einzelfall dem Sachverhalt entsprechend

entschieden werden. Da 120,00 € im Monat für einen Bausparvertrag bei einem monat-

lichen Nettogehalt von 2.801,01 € des Herrn Müller als angemessen gelten, sind sie ab-

zugsfähig. In der folgenden Abbildung 3 wird das Nettoeinkommen des Herrn Müller um

die abzugsfähigen Aufwendungen bereinigt.

2.801,01 € durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen

- 90,00 € monatliche Fahrtkosten

- 120,00 € monatliche vermögenswirksame Leistungen

= 2.591,01 € bereinigtes monatliches Nettoeinkommen

Abbildung 3 - Berechnung des bereinigten monatlichen Nettoeinkommens64

Nach Abzug der unterhaltsrechtlich relevanten Aufwendungen beläuft sich das berei-

nigte monatliche Nettoeinkommen des Herrn Müller auf 2.591,01 €. Mithilfe dieses Er-

gebnisses erfolgt die Einstufung in die entsprechende Einkommensgruppe der Düssel-

dorfer Tabelle.65 Nach dem bereinigten Nettoeinkommen i.H.v. 2.591,01 € ist Herr Müller

in die vierte Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (2.301 € - 2.700 €) einzustu-

fen. Das bedeutet, die achtjährige Tochter von Herrn Müller hat einen Unterhaltsan-

spruch i.H.v. 115 % des Mindestunterhaltes66 der zweiten Altersstufe (sechs – elf Jahre).

Die jeweiligen Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle gelten für den Fall, dass der zum

Unterhalt Verpflichtete zwei Unterhaltsberechtigten Unterhalt gewähren muss. Hat der

Unterhaltspflichtige allerdings nur eine oder mehr als zwei unterhaltsberechtigte Perso-

nen, ist die Einkommensgruppe i.d.R. durch Auf- oder Abstufung anzupassen. Bei nur

einer unterhaltsberechtigten Person muss ein Zuschlag durch die Einstufung in die

nächst höhere Einkommensgruppe, bei mehr als zwei unterhaltsberechtigten Personen

ein Abschlag durch die Einstufung in die nächst niedrigere Einkommensgruppe vorge-

nommen werden.67

Da Herr Müller lediglich gegenüber seiner achtjährigen Tochter zum Unterhalt verpflich-

tet ist, wird eine Einstufung in die nächst höhere Einkommensgruppe vorgenommen.

Herr Müller wird daher in die fünfte Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle einge-

stuft. Das bedeutet, die achtjährige Tochter von Herrn Müller hat einen Unterhaltsan-

spruch i.H.v. 120 % des Mindestunterhaltes der zweiten Altersstufe. Dies entspricht ei-

nem monatlichen Unterhaltsanspruch i.H.v. 472,00 €, wovon gem. § 1612b Abs. 1 S. 1

63 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 10.6. 64 Eigene Darstellung. 65 Düsseldorfer Tabelle, Anhang 1. 66 Als Mindestunterhalt gelten die Bedarfssätze der ersten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle. 67 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 11.2.

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Nr. 1 und S. 2 BGB das hälftige Kindergeld i.H.v. derzeit 96,00 € in Abzug zu bringen ist.

Somit beläuft sich der monatlich zu zahlende Unterhaltsbetrag nach der derzeit gültigen

Düsseldorfer Tabelle vom 01.01.2017 auf 376,00 €.68

2.2.4 Unterhaltstitel

Wurde die Höhe des Unterhaltsanspruches festgelegt, hat das unterhaltsberechtigte

Kind ein Recht auf Absicherung des Unterhaltsanspruchs durch eine Titulierung.69 D.h.

der Unterhaltsanspruch des Kindes wird in Form einer Unterhaltsurkunde bzw. eines

Unterhaltsbeschlusses oder -vergleiches festgeschrieben. Das unterhaltsberechtigte

Kind bzw. dessen gesetzlicher Vertreter hat hierbei das Wahlrecht, ob der zu zahlende

Tabellenunterhalt in einem statischen oder dynamischen Unterhaltstitel festgeschrieben

werden soll. Bei einem statischen Unterhaltstitel wird der Kindesunterhalt mit einem fes-

ten Betrag festgesetzt. Bei einem dynamischen Unterhaltstitel dagegen wird der Unter-

halt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts erfasst. D.h. der Unterhaltstitel

muss nicht den Altersstufen und möglichen Änderungen der Tabellenbeträge der Düs-

seldorfer Tabelle oder einer gesetzlichen Änderung des Kindergeldes entsprechend an-

gepasst werden, sondern er entwickelt sich durch die Festsetzung des Unterhalts in Pro-

zentsätzen in seiner Höhe mit.70

Kommt es nach der Unterhaltsberechnung zu einer Einigung zwischen allen Beteiligten,

kann die Verpflichtung zum Unterhalt freiwillig durch eine vollstreckbare Urkunde besie-

gelt werden.71 U.a. kann eine solche Urkunde durch das Jugendamt geschaffen werden

(§ 59 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 60 SGB VIII). Hierbei handelt es sich i.d.R. um eine kostenlose

Beurkundung der Verpflichtung zum Kindesunterhalt, mit der sich der Unterhaltspflich-

tige der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Die Unterhaltsverpflichtung kann

auch durch eine notarielle Urkunde festgeschrieben werden. Hierbei handelt es sich al-

lerdings um keine kostenfreie Titulierung des Unterhalts.72

Kommt es allerdings zu keiner Einigung und ist der Unterhaltspflichtige nicht zu einer

Beurkundung der Unterhaltsverpflichtung bereit, wird das Kind durch einen Sachbear-

beiter des Jugendamtes als Beistand bei einem gerichtlichen Verfahren zur Geltendma-

chung der Unterhaltsansprüche vertreten.73

68 472,00 € - 96,00 € = 376,00 €. 69 BGH, Urteil vom 01.07.1998, Az.: XII ZR 271/97, Juris.de. 70 Ehinger in: Ehinger/Griesche/Rasch, 90 f. 71 www.familien-wegweiser.de. 72 Rasch in: Ehinger/Griesche/Rasch, 576 f. 73 www.familien-wegweiser.de.

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3 Residenzmodell mit erweitertem Umgang und Wechsel-

modell

Abweichend vom gesetzlichen Regelfall gibt es weitere Betreuungsmodelle, bei denen

nicht nur ein Elternteil die alleinige Betreuung des Kindes nach der Trennung oder Schei-

dung der Eltern wahrnimmt, sondern beide Elternteile an der Betreuung des gemeinsa-

men Kindes beteiligt sind. Als solche Betreuungsmodelle kommen das Residenzmodell

mit erweitertem Umgang und das Wechselmodell in Betracht.

3.1 Begriffsbestimmungen

Übt ein zum Unterhalt verpflichteter Elternteil nach der Trennung oder Scheidung seine

Umgangskontakte mit seinem Kind in einem größeren Umfang als üblich aus und nimmt

dieser Elternteil daher einen Teil der Betreuung des Kindes wahr, liegt das Residenzmo-

dell mit erweitertem Umgang vor.74 Es wird von einer Residenzmodellbetreuung mit er-

weitertem Umgangskontakt gesprochen, wenn die Betreuung durch den unterhaltspflich-

tigen Elternteil mehr als ca. fünf bis sechs Tage pro Monat beträgt. Dann liegt ein mehr

als üblicher Umgangskontakt vor. Bei dem Modell mit erweitertem Umgang ist, wie bei

dem Residenzmodell mit üblichem Umgang auch, ein offensichtlicher Schwerpunkt bei

einem der beiden Elternteile gegeben und das Kind hat seinen festen Wohnsitz bei dem

überwiegend betreuenden Elternteil.75

Unter einem Wechselmodell wird eine Form der Betreuung verstanden, bei dem die Kin-

der abwechselnd durch beide Elternteile betreut werden.76 Es wird dann von einer Be-

treuung im Wechselmodell gesprochen, wenn der Umfang der Betreuungszeit der Eltern

annäherungsweise gleich aufgeteilt und kein Schwerpunkt in der Betreuung durch einen

Elternteil erkennbar ist.77 Im Unterhaltsrecht liegt demnach ein Wechselmodell vor, wenn

sich die Betreuungszeiten der Eltern an eine 50 % zu 50 % Aufteilung annähern. Es kann

daher auch noch von einem echten Wechselmodell ausgegangen werden, wenn die Be-

treuung des Kindes zu 49 % zu 51 % auf die Eltern aufgeteilt ist. Allerdings ist es fraglich,

ob bei einer Aufteilung von 55 % zu 45 % noch von einem echten Wechselmodell aus-

gegangen werden kann.78

Der Wechsel zwischen der Betreuung durch den einen Elternteil und der Betreuung

durch den anderen Elternteil kann in unterschiedlichen Abständen stattfinden. Ein mo-

natlicher, zweiwöchiger, wöchentlicher oder sogar täglicher Wechselrhythmus ist mög-

lich.79

74 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 40. 75 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 36. 76 Sünderhauf, 61. 77 Weber, NZFam 2016, 829. 78 Interview mit Frau Diehl, Richterin am OLG, Anhang 2, Frage 8, S. 65. 79 Salzgeber, NZFam 2014, 921.

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Ein Wechselmodell kann zwischen einem sog. Pendel- oder Doppelresidenzmodell und

einem sog. Nestmodell unterschieden werden. Ein Pendel- oder Doppelresidenzmodell

liegt vor, wenn das Kind zwischen den beiden Wohnungen der Eltern pendelt und ab-

wechselnd bei beiden Elternteilen in deren Wohnungen lebt. Von einem Nestmodell wird

dagegen dann gesprochen, wenn das Kind seinen festen Wohnsitz in einer Wohnung

hat und die Eltern im Wechsel die Betreuung des Kindes in dieser Wohnung überneh-

men. In diesem Fall pendeln die Eltern zwischen den jeweiligen Wohnungen und ziehen

zur Betreuung des Kindes abwechselnd ein.80 In Abbildung 4 wird die Unterscheidung

der beiden Modelle zusammengefasst.

Abbildung 4 - Unterscheidung zwischen Pendel- oder Doppelresidenzmodell und Nestmodell81

Ein solches Nestmodell kommt in der Praxis seltener vor, da es ein sehr kostenintensives

Modell ist. Wenn kommt es häufig nur direkt nach der Trennung vor, wenn beide Eltern-

teile noch in der gemeinsamen Wohnung leben und auch beide die Betreuung des Kin-

des wahrnehmen. Sobald dann ein Elternteil auszieht, endet i.d.R. dieses Modell, da

viele nicht über ein entsprechendes Einkommen verfügen, um mehrere Wohnungen un-

terhalten zu können und der ständige Wechsel der Wohnungen zudem als zu mühsam

angesehen wird.82

3.2 Unterscheidung und Vergleich zum gesetzlichen Regelfall

Wie bereits unter Punkt 2.2 aufgeführt, nimmt bei einem Residenzmodell ein Elternteil

die Betreuung des Kindes und dessen Pflege und Erziehung wahr, während der andere

80 Weber, NZFam 2016, 829 f. 81 Eigene Darstellung. 82 MüKo BGB/Hennemann, § 1671, Rn. 24.

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Elternteil lediglich Umgangskontakte mit dem Kind ausübt. Bei dem Residenzmodell mit

erweitertem Umgang dagegen behält das Kind den Lebensmittelschwerpunkt zwar bei

dem überwiegend betreuenden Elternteil, jedoch nimmt der zum Unterhalt verpflichtete

Elternteil einen über das Maß hinausgehenden Umgang mit dem Kind wahr und nähert

sich daher einer Mitbetreuung des Kindes an.83 Der übliche Umgangskontakt zwischen

dem unterhaltspflichtigen Elternteil und seinem Kind beträgt ca. fünf bis sechs Tage pro

Monat. Dabei werden die Umgangskontakte in den Ferien nicht berücksichtigt. Wird der

Umgang in den Ferien eingerechnet, kann von einem üblichen Umgang bis einschließ-

lich zehn Tage pro Monat ausgegangen werden.84 Ist der Umfang des Umgangs mit dem

Kind höher als ca. fünf bis sechs Tage im Monat, liegt ein Fall des erweiterten Umgangs

vor. Dies kann Auswirkungen auf die Höhe des Barunterhalts haben, denn bei dem ge-

setzlichen Regelfall sind die Umgangskosten in den Bedarfssätzen der Düsseldorfer Ta-

belle bereits enthalten. Die Umgangskosten bei einem erweiterten Umgang sind dage-

gen in diesen Sätzen nicht enthalten, da sie einen größeren Umfang haben und sich für

den betreuenden Elternteil dadurch Ersparnisse ergeben.85

Im Vergleich übernehmen bei einem echten Wechselmodell beide Elternteile zu gleichen

Teilen die Betreuung des Kindes, während bei einem Residenzmodell lediglich ein El-

ternteil die alleinige Betreuung des Kindes wahrnimmt und bei einem Residenzmodell

mit erweitertem Umgang der Betreuungsschwerpunkt weiterhin bei einem Elternteil

bleibt, obwohl der andere Elternteil mehr Umgangskontakte mit seinem Kind wahrnimmt.

Ein erweiterter Umgang ist daher i.d.R. gegeben, wenn der Umgangskontakt zwischen

dem Unterhaltspflichtigen und seinem Kind einen größeren Umfang als üblich hat, aber

noch nicht die zeitlichen Voraussetzungen für ein Wechselmodell erfüllt sind.

Die Unterschiede zwischen dem Residenzmodell, dem Residenzmodell mit erweitertem

Umgang und dem Wechselmodell werden in Abbildung 5 nochmals aufgegriffen und in

komprimierter Form dargestellt.

83 Viefhues in: juris-PK-BGB, § 1612, Rn. 16. 84 SFK 3-DIJuF, JAmt 2014, 556. 85 Viefhues in: juris-PK-BGB, § 1612, Rn. 41.

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Abbildung 5 - Unterscheidung der Betreuungsmodelle86

3.3 Anspruch auf Beratung und Unterstützung/Beistandschaft

Nach einer Trennung oder Scheidung der Eltern kommt es häufig zu dem Fall, dass sich

beide Elternteile nicht über die Höhe der Unterhaltszahlungen für das gemeinsame Kind

einigen können und das Jugendamt die Berechnung des Unterhalts und ggf. die Gel-

tendmachung der Unterhaltsansprüche für das Kind übernimmt. Dabei stellt sich die

Frage, ob im Falle eines Residenzmodells mit erweitertem Umgang oder im Falle eines

Wechselmodells ein Anspruch auf Beratung und Unterstützung und/oder auf die Einrich-

tung einer Beistandschaft besteht.

Grundsätzlich besteht gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII ein Anspruch auf Beratung und

Unterstützung für die Elternteile, die die alleinige Versorgung und Pflege des Kindes

wahrnehmen und gegen den jeweils anderen Elternteil Unterhaltsansprüche geltend ma-

chen wollen. Dieser Anspruch setzt voraus, dass sich ein Elternteil alleine rechtlich oder

86 Eigene Darstellung.

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tatsächlich um das Kind sorgt.87 Treten Probleme bei der Geltendmachung der Unter-

haltsansprüche auf und sollen gerichtliche Schritte in die Wege geleitet werden, muss

eine Beistandschaft nach § 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB beantragt bzw. eingerichtet werden.

Eine Beistandschaft kann gem. § 1713 Abs. 1 S. 1 BGB dann von einem Elternteil be-

antragt werden, wenn dieser die alleinige elterliche Sorge für das Kind hat. Haben beide

Elternteile die gemeinsame Sorge für das Kind, kann der Antrag von demjenigen gestellt

werden, in dessen Obhut sich das Kind befindet (§ 1713 Abs. 1 S. 2 BGB).

Auch bei einem Residenzmodell mit erweitertem Umgang hat demnach derjenige Eltern-

teil einen Anspruch auf unterhaltsrechtliche Beratung gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII,

der für das Kind alleine sorgeberechtigt ist. Sind beide Elternteile gemeinsam sorgebe-

rechtigt, hat derjenige den Anspruch, der die tatsächliche Sorge für das Kind wahrnimmt.

Da der zum Unterhalt verpflichtete Elternteil nur einen mehr als üblichen Umgang mit

seinem Kind ausübt und die tatsächliche Alleinsorge trotzdem bei dem anderen Elternteil

verbleibt, besteht nur für den alleinsorgenden Elternteil der Anspruch auf Beratung und

Unterstützung.

Hat ein Elternteil die Alleinsorge für das gemeinsame Kind, kann er auch im Residenz-

modell mit erweitertem Umgang nach § 1713 Abs. 1 S. 1 BGB eine Beistandschaft be-

antragen. Sind allerdings im Falle des erweiterten Umgangs beide Elternteile rechtlich

sorgeberechtigt, so kann gem. § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB nur von demjenigen eine Bei-

standschaft beantragt werden, in dessen Obhut sich das Kind befindet. Hierfür muss bei

einem der beiden Elternteile ein deutlich festzustellender Schwerpunkt der tatsächlichen

Betreuung gegeben sein.88 Bei einem Residenzmodell mit erweitertem Umgang liegt,

wie unter Punkt 3.1 bereits erwähnt, ein deutlicher Schwerpunkt bei einem Elternteil,

daher kann der überwiegend betreuende Elternteil auch eine Beistandschaft gem.

§ 1713 Abs. 1 S. 2 BGB beantragen.

Wird ein Kind durch die Eltern im Wechselmodell betreut, obwohl ein Elternteil die Al-

leinsorge des Kindes besitzt, so hat dieser Elternteil einen Anspruch auf Beratung und

Unterstützung nach § 18 Abs. 1 Alt. 2 Nr. 1 SGB VIII. Der Anspruch nach § 18 Abs. 1

Alt. 2 Nr. 1 SGB VIII ist dementsprechend nicht gegeben, wenn beide Elternteile im

Wechselmodell die gemeinsame Sorge für das Kind haben. Allerdings kann auch das

Wechselmodell unter die in § 18 Abs. 1 SGB VIII vorausgesetzte Alleinsorge gefasst

werden. Demnach haben beide Elternteile bei einer wechselseitigen Betreuung einen

Anspruch auf Beratung und Unterstützung, denn beide Elternteile sorgen im Wechsel für

das gemeinsame Kind und tragen daher jeweils für einen gewissen Zeitraum die tatsäch-

liche Alleinsorge. Durch die Betreuung im Wechselmodell muss ein gewisser Zusam-

87 DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2015, 549. 88 Knittel/Birnstengel, DIJuF TG-1086, Rn. 8.

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menhalt der Eltern gegeben sein. Daher erweist es sich als sinnvoll, ein Beratungsge-

spräch mit beiden Elternteilen gemeinsam durchzuführen, wenn diese damit einverstan-

den sind.89

Die Beantragung bzw. Einrichtung einer Beistandschaft bei einer Betreuung im Wech-

selmodell, wenn beide Elternteile die gemeinsame Sorge für das Kind besitzen, ist im

Gegensatz zur Beratung nicht möglich, da das Kind durch die paritätische Betreuung der

Eltern seinen Lebensmittelschwerpunkt bei keinem der beiden Elternteile und kein El-

ternteil somit die alleinige Obhut über das Kind hat. Liegt bereits eine Beistandschaft

beim örtlich zuständigen Jugendamt vor und einigen sich die Eltern währenddessen auf

ein Wechselmodell, so ist die Beistandschaft nach § 1715 Abs. 2 BGB beendet, da mit

einem Wechselmodell die notwendigen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt werden kön-

nen.90

Die Beistandschaft des Jugendamtes kann daher bei einem Wechselmodell, in dem

beide Elternteile gemeinsam sorgeberechtigt sind, lediglich unterhaltsrechtlich beraten

und unterstützen.91 Müssen die Unterhaltsansprüche des Kindes jedoch durch gerichtli-

che Maßnahmen geltend gemacht werden, gibt es zwei Möglichkeiten, wie dies erfolgen

kann. Zum einen kann durch den Elternteil, der den anderen Elternteil als unterhalts-

pflichtig ansieht, ein Ergänzungspfleger für das Kind bestellt werden, der die Vertretung

des Kindes für die Geltendmachung der Unterhaltsansprüche übernimmt.92 Ein Ergän-

zungspfleger wird in einem gesonderten Verfahren von dem zuständigen Gericht be-

stellt. Hierfür bedarf es durch den Elternteil, der den Unterhalt geltend machen möchte,

einer Mitteilung an das Gericht, dass die Bestellung eines Ergänzungspflegers für erfor-

derlich gehalten wird. Für diese Mitteilung muss sich der Elternteil nicht durch einen An-

walt vertreten lassen.93 Zum anderen kann durch den Elternteil ein Antrag beim zustän-

digen Familiengericht gestellt werden, dass ihm gem. § 1628 BGB die alleinige Entschei-

dung für die Geltendmachung der Unterhaltsansprüche übertragen wird.94 Erst wenn ein

Ergänzungspfleger bestellt wurde oder ein Elternteil die alleinige Entscheidungsmacht

übertragen bekommen hat, können Unterhaltsansprüche im Wechselmodell gerichtlich

geltend gemacht werden.

4 Handlungsanleitung

Das Ziel der Thesis besteht in erster Linie darin, auf Grundlage der erfolgten Recherchen

und des durchgeführten Experteninterviews mit Frau Gretel Diehl, Richterin am OLG

89 DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2015, 549. 90 Knittel/Birnstengel, DIJuF TG-1086, Rn. 11. 91 Knittel/Birnstengel, DIJuF TG-1086, Rn. 11. 92 Knittel/Birnstengel, DIJuF TG-1086, Rn. 9. 93 Interview mit Frau Diehl, Richterin am OLG, Anhang 2, Frage 14, S. 67 f. 94 Knittel/Birnstengel, DIJuF TG-1086, Rn. 9.

Page 28: Der Unterschied des Residenzmodells mit …...Der Unterschied des Residenzmodells mit erweitertem Umgang zum Wechselmodell in Bezug auf die Arbeit eines Beistands Eine Handlungsanleitung

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Frankfurt am Main, eine Handlungsanleitung zur Vorgehensweise bei einem Residenz-

modell mit erweitertem Umgang und einem Wechselmodell für die Sachbearbeiter der

Beistandschaft des MKK zu erstellen. Diese Handlungsanleitung soll eine Arbeitsgrund-

lage bzw. Hilfestellung für die Sachbearbeiter darstellen, anhand derer sie die kommen-

den Fälle der beiden genannten Betreuungsmodelle bearbeiten können. Durch das

Praktikum in der Beistandschaft und auch durch vorab geführte persönliche Gespräche

mit den Sachbearbeitern der Beistandschaft wurde vor der Bearbeitung der Thesis er-

mittelt, auf welche Schwerpunkte eingegangen und welches Ergebnis für die berufliche

Praxis erzielt werden soll.

In erster Linie wurde dabei der Wunsch geäußert, dass eine Handlungsanleitung entwi-

ckelt werden soll, die dazu dient, dass die Fälle des erweiterten Umgangs und des Wech-

selmodells in Bezug auf die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen der Kinder

durch die Sachbearbeiter der Beistandschaft bearbeitet werden können. Daher wird im

Folgenden eine ausführliche Handlungsanleitung herausgearbeitet, die die nötigen Er-

klärungen bzw. Erläuterungen und ggf. Empfehlungen für die Sachbearbeiter der Bei-

standschaft enthält. Im Anhang wird eine komprimierte Form der Handlungsanleitung als

Handreichung für die Beistände des MKK beigefügt, die die wichtigsten Informationen

für die Sachbearbeiter bereithält.95 Zudem umfasst die Handreichung eine Checkliste,

anhand derer überprüft werden kann, ob alle Unterlagen für die Berechnung der Kindes-

unterhaltsansprüche im jeweiligen Modell vorliegen. Weitere Erläuterungen können die

Sachbearbeiter im Hauptteil dieser Arbeit nachlesen.

In der folgenden Handlungsanleitung wird insbesondere darauf eingegangen, welche

Voraussetzungen erfüllt sein müssen, dass das jeweilige Betreuungsmodell vorliegt,

welche Auswirkungen beide Modelle auf den Kindesunterhalt, dessen Berechnung und

die Titulierung der Unterhaltsansprüche haben und welche Folgen diese Modelle mit sich

bringen. Dabei werden die Berechnungsmethoden bei beiden Modellen durch Beispiel-

berechnungen deutlicher dargestellt.

4.1 Residenzmodell mit erweitertem Umgang

Wird nach einer Trennung oder Scheidung der Eltern die Betreuung des Kindes in einem

Residenzmodell mit erweitertem Umgang praktiziert, könnte sich der erweiterte Umgang

auf die Unterhaltspflicht des umgangsberechtigten Elternteils mindernd auswirken.96 Da-

her bedarf es vor der Berechnung des Kindesunterhalts einer genauen Prüfung, ob ein

solches Betreuungsmodell gegeben ist.

95 Handreichung, Anhang 3, S. 70. 96 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 10.7.

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4.1.1 Voraussetzungen des erweiterten Umgangs

Ein Residenzmodell mit einem erweiterten Umgang zwischen dem umgangsberechtig-

ten Elternteil und seinem Kind liegt nur vor, wenn hierfür die folgenden Voraussetzungen

erfüllt sind.

Der zum Unterhalt verpflichtete Elternteil muss in erster Linie einen größeren Umgangs-

umfang mit seinem Kind als üblich wahrnehmen. Da ein Umgang von ca. fünf bis sechs

Tagen pro Monat ohne die Umgangsregelung in den Ferien als üblich angesehen wird97,

muss der Unterhaltspflichtige mehr als ca. fünf bis sechs Tage für die Betreuung des

Kindes sorgen. D.h. der Unterhaltspflichtige muss sich einer Mitbetreuung des Kindes

annähern.98

Allerdings muss in einem Residenzmodell mit erweitertem Umgang noch ein offensicht-

licher Schwerpunkt der Betreuung bei einem Elternteil erkennbar sein.99 Hierzu gehört

auch, dass das Kind noch einen festen Wohnsitz bei einem der beiden Elternteile besitzt

und somit dort seinen Lebensmittelschwerpunkt hat.100 Für das Modell mit erweitertem

Umgang dürfen allerdings noch nicht die Voraussetzungen für ein Wechselmodell erfüllt

sein. D.h. der Elternteil darf noch nicht zu einem Anteil von ca. 46 -50 % an der Betreu-

ung des Kindes beteiligt sein.

4.1.2 Auswirkungen des erweiterten Umgangs auf den Unterhalt

Ist nach einer genauen Prüfung festzustellen, dass ein Modell des erweiterten Umgangs

vorliegt und im jeweiligen Einzelfall noch nicht von einem Wechselmodell ausgegangen

werden kann, findet § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB erneut seine Anwendung. Dementspre-

chend kommt der Elternteil, der einen größeren Anteil der Betreuung des Kindes wahr-

nimmt, seiner Unterhaltsverpflichtung durch den sog. Betreuungsunterhalt nach. D.h. er

leistet seine Unterhaltsverpflichtung durch die Pflege und Erziehung des Kindes und wird

somit von seiner Barunterhaltspflicht befreit. Der andere Elternteil, der sich durch den

erweiterten Umgang einer Mitbetreuung des Kindes annähert, ist zur Zahlung von Bar-

unterhalt verpflichtet, wie es bei einem Residenzmodell mit üblichem Umgangskontakt

der Fall ist.101 Das bedeutet, solange der Betreuungsschwerpunkt bei einem Elternteil

liegt und dieser die Hauptverantwortung für das Kind trägt, bleibt der andere Elternteil

barunterhaltspflichtig, auch wenn dieser erhöhte Leistungen für die Betreuung und Ver-

sorgung des Kindes im Rahmen des erweiterten Umgangs aufbringt.102

97 Damljanovic, 21. 98 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 40. 99 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 36. 100 Viefhues in: juris-PK-BGB, § 1612, Rn. 16. 101 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1610, Rn. 185. 102 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1606, Rn. 17.

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Bei einem üblichen Umgang zwischen dem nicht betreuenden Elternteil und seinem Kind

werden die Kosten bereits in den Bedarfssätzen der Düsseldorfer Tabelle berücksich-

tigt.103 Dagegen sind die im Falle eines erweiterten Umgangs entstehenden Kosten nicht

in den Bedarfssätzen der Düsseldorfer Tabelle enthalten. Da bei einem ausgedehnten

Umgang zusätzliche Kosten entstehen, müssen diese bei der Berechnung des Unter-

haltsanspruchs des Kindes berücksichtigt werden, sofern sie berücksichtigungsfähig

sind.104

Zu der Frage, wie sich die Kosten des erweiterten Umgangs auf den Kindesunterhalt

und dessen Berechnung auswirken, hat sich der BGH schon des Öfteren geäußert und

auch in der Literatur wurde sich bereits mit alternativen Berechnungsmodellen auseinan-

dergesetzt. Nach herrschender Meinung wird die Methode des BGH als die vorzugswür-

digste angesehen, da in der Praxis mit dieser Methode am besten verfahren werden

kann. Durch sie werden Streitigkeiten in Bezug auf die Höhe der Umgangskosten und

den konkreten Mitbetreuungsumfang vermieden und der unterhaltspflichtige Elternteil

hat die Möglichkeit, die Unterhaltspflicht zu mindern, wenn er die bedarfsdeckenden Auf-

wendungen konkret darlegen kann.105

Welche Kosten des erweiterten Umgangs bei der Berechnung des Kindesunterhaltsan-

spruchs berücksichtigt werden können, muss im Einzelfall geprüft und festgelegt wer-

den.106 Bei einer solchen Prüfung muss zunächst zwischen den Kosten, die als reiner

Mehraufwand für die Ausübung des Umgangs anzusehen sind und den Kosten, die eine

teilweise Bedarfsdeckung des Kindes und eine Entlastung des betreuenden Elternteils

darstellen, differenziert werden.107

Der BGH hat er in seinem Beschluss vom 12.03.2014 erstmalig entschieden, dass die

in Folge eines mehr als üblich wahrgenommenen Umgangsrechts getätigten Aufwen-

dungen, die einen reinen Mehraufwand im Rahmen des erweiterten Umgangs darstellen,

durch eine Eingruppierung in eine niedrigere Einkommensgruppe der Düsseldorfer Ta-

belle Berücksichtigung finden können.108

Zu den Kosten, die einen reinen Mehraufwand des erweiterten Umgangs darstellen, ge-

hören vor allem Fahrtkosten und Kosten, die für das Vorhalten und die Ausstattung eines

Kinderzimmers anfallen. Dabei können sowohl die Fahrtkosten des Kindes für die Fahr-

ten zum nicht betreuenden Elternteil, als auch die Fahrtkosten des Elternteils für die

Fahrten zum Abholen und Bringen des Kindes berücksichtigt werden.109 Die Fahrt- und

Unterbringungskosten werden nicht als Aufwendungen, die eine teilweise Deckung des

103 BGH, Beschl. vom 12.03.2014, Az.: XII ZB 234/13, NJW 2014, 1958, Rn. 39. 104 SFK 3-DIJuF, JAmt 2014, 556. 105 Damljanovic, 138. 106 SFK 3-DIJuF, JAmt 2014, 555. 107 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 37. 108 BGH, Beschl. vom 12.03.2014, Az.: XII ZB 234/13, NJW 2014, 1958, Rn. 37. 109 Schürmann, jurisPR-FamR 19/2014, Anm. 1.

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Bedarfs herbeiführen, angesehen, da sie nicht den eigentlichen Unterhaltsbedarf des

Kindes reduzieren. Die entstandenen Fahrt- und Unterbringungskosten können generell

nicht vom Einkommen des zum Unterhalt verpflichteten Elternteils abgezogen werden,

wenn er nach dem Abzug noch über ein hinreichendes Einkommen verfügen kann. Al-

lerdings können die reinen Mehraufwendungen, insbesondere Fahrt- und Unterbrin-

gungskosten, bei der Bestimmung des Kindesunterhalts nach den Tabellenwerten der

Düsseldorfer Tabelle durch eine abgeänderte Eingruppierung in die entsprechende Ein-

kommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle berücksichtigt werden. Das bedeutet, wenn

ein Unterhaltspflichtiger durch die Wahrnehmung eines erweiterten Umgangs Mehrbe-

lastungen insbesondere durch erhöhte Fahrt- und Unterbringungskosten aufbringen

muss, kann der Unterhaltsbedarf des Kindes um eine oder mehrere Einkommensgrup-

pen herabgestuft werden oder es kann von einer eigentlich angebrachten Hochstufung

in eine höhere Einkommensgruppe abgesehen werden. Ob diese Kosten berücksichtigt

werden können und ob eine Herabstufung bzw. ein Verzicht auf eine Hochstufung als

angemessen gilt, wird im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung kontrolliert.110

Wann bzw. ab welcher Kostenhöhe eine Herabstufung in eine niedrigere Einkommens-

gruppe vorgenommen wird, ist nicht mit Zahlen festgeschrieben und daher auch nicht

rechnerisch lösbar, sondern es muss dem jeweiligen Einzelfall entsprechend entschie-

den werden. Ob der Unterhaltspflichtige um eine oder mehrere Einkommensgruppen

herabgestuft bzw. nicht hochgestuft wird, hängt regelmäßig auch davon ab, was dem

Unterhaltspflichtigen an Einkommen verbleibt. Jedoch ist i.d.R. die erste Einkommens-

gruppe, der sog. Mindestunterhalt, die Untergrenze.111

Mit der Einstufung in eine Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle ist der Unter-

haltsanspruch des Kindes zunächst festgesetzt. Dieser Anspruch kann jedoch weiterhin

gemindert werden, wenn eine teilweise Deckung des Unterhaltsbedarfs des Kindes vom

barunterhaltspflichtigen Elternteil auf andere Weise als durch die Zahlung von Unterhalt

in Form von Geldleistungen erfolgt.112 Der Unterhaltsbedarf kann schon allein deswegen

gemindert werden, weil sich durch den ausgeübten erweiterten Umgang Ersparnisse im

Haushalt des überwiegend betreuenden Elternteils, insbesondere durch nicht benötigte

Verpflegung, Energie- und Wasserkosten, ergeben.113

Da der überwiegend betreuende Elternteil in erster Linie im Bereich der Verpflegung

entlastet wird, könnte der Unterhaltsbedarf um Mehraufwendungen des umgangsbe-

rechtigten Elternteils für die Verpflegung des Kindes gemindert werden. Allerdings kön-

nen die Verpflegungskosten für das Kind nur dann als bedarfsdeckend angerechnet wer-

den, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil zum einen seine Aufwendungen für die Ver-

pflegung und zum anderen die Ersparnisse des überwiegend betreuenden Elternteils

110 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 38 ff. 111 Interview mit Frau Diehl, Richterin am OLG, Anhang 2 Frage 9, S. 65. 112 Damljanovic, 125. 113 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 41.

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tatsächlich darlegen und beweisen kann.114 D.h., wenn der Unterhaltspflichtige seine

Unterhaltsverpflichtung im Rahmen des erweiterten Umgangs aufgrund von Mehrauf-

wendungen mindern möchte, trägt er die Darlegungs- und Beweislast.115

Für die Bestimmung des Tabellenunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle muss zu-

nächst das bereinigte Nettoeinkommen berechnet werden. Diese Berechnung erfolgt wie

zuvor unter Punkt 2.2.3 bereits aufgeführt. Mit dem bereinigten monatlichen Nettoein-

kommen erfolgt die Einstufung in eine der Einkommensgruppen der Düsseldorfer Ta-

belle. Dabei werden die Mehraufwendungen, die aufgrund des erweiterten Umgangs zu-

sätzlich anfallen, berücksichtigt und es erfolgt ggf. eine Herabstufung um eine oder meh-

rere Einkommensgruppen oder es wird auf eine gebotene Hochstufung verzichtet. Der

festgelegte Kindesunterhaltsanspruch kann zudem nochmals gemindert werden, wenn

der Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch die Zahlung in Form von

Geldleistungen gedeckt wird und sich hierdurch Ersparnisse im Haushalt des überwie-

gend betreuenden Elternteils ergeben. Diese bedarfsdeckenden Aufwendungen können

abgezogen werden, wenn der umgangsberechtigte Elternteil sie nachweisen kann. Da-

bei sollen die Aufwendungen und Ersparnisse so aufgeführt werden, dass eine Schät-

zung realisierbar ist.116

Die bedarfsdeckenden Aufwendungen für die Verpflegung des Kindes könnten ggf.

durch Kassenbelege oder sonstige Belege dargelegt werden. Durch die Vorlage von

Kassenbelegen ist jedoch nicht bewiesen, dass es sich bei den gekauften Produkten um

Produkte für die Verpflegung des Kindes handelt. Weiterhin kann die Darlegung, welche

Ersparnisse sich im Haushalt des anderen Elternteils während der Abwesenheit des Kin-

des ergeben, nur schwer erfolgen. Die getätigten Aufwendungen und die sich daraus

ergebenden Ersparnisse können daher nur schwerlich vorgetragen werden. Zudem wäre

eine Nachprüfung für die Sachbearbeiter der Beistandschaft mit einem enormen Arbeits-

aufwand verbunden. Daher könnten mithilfe einer Berechnung, die an den Beschluss

des OLG Düsseldorf117, angelehnt ist, die Ersparnisse im Haushalt des überwiegend be-

treuenden Elternteils bestimmt werden.

Der Beschluss des OLG Düsseldorf besagt, dass eine Ersparnis des überwiegend be-

treuenden Elternteils nicht an den konkreten Verpflegungskosten des umgangsberech-

tigten Elternteils festgemacht werden kann, sondern diese anzunehmende Ersparnis

muss sich vielmehr am Tabellenunterhalt orientieren. Es vertritt zudem die Meinung,

dass der Verpflegungsaufwand für das Kind des einen Elternteils und die dadurch ent-

stehenden Ersparnisse im Haushalt des anderen Elternteils nur schwer im Einzelnen

dargelegt werden können. Daher wurde vom OLG Düsseldorf eine Berechnung vorge-

nommen, mithilfe derer eine Entlastung des überwiegend betreuenden Elternteils durch

114 Damljanovic, 127. 115 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1610, Rn. 189.1. 116 Damljanovic, 127. 117 OLG Düsseldorf, Beschl. vom 18.05.2015, Az.: II-7 UF 10/15, JAmt 2016, 169.

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das erweiterte Umgangsrecht des anderen Elternteils berechnet werden kann.118 Da dies

auch eine Vereinfachung für die Berechnung des Kindesunterhalts bei einem erweiterten

Umgang für die Beistände des MKK darstellt, wurde diese Berechnung des OLG Düs-

seldorf übernommen.

In dem bereits genannten Beschluss des OLG Düsseldorf wird von einem Verpflegungs-

aufwand von etwa 150,00 € bei einem Unterhaltsanspruch i.H.v. 257,00 €119 ausgegan-

gen.120 In dieser Arbeit wird angenommen, dass in den verschiedenen Einkommens-

gruppen und Altersstufen der Düsseldorfer Tabelle nicht generell von einem Verpfle-

gungsaufwand i.H.v. 150,00 € ausgegangen werden kann. Denn es ist annehmbar, dass

mit steigendem Alter des Kindes auch der Verpflegungsaufwand für das Kind zunimmt,

da sich bspw. ein größerer Bedarf an Essen und Trinken entwickelt. Außerdem bestimmt

sich der Unterhaltsbedarf des Kindes nach der Lebensstellung des Unterhaltspflichtigen,

welche sich aus dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ergibt.121 Daraus

könnte resultieren, dass mit einem steigenden Unterhaltsanspruch des Kindes auch der

Verpflegungsaufwand steigt, da ein Unterhaltspflichtiger mit guten Einkommens- und

Vermögensverhältnissen möglicherweise bessere und teurere Produkte z.B. in Bioläden

statt in Discountern für sein Kind kauft oder auch des Öfteren Restaurants aufsucht. Es

wird die Auffassung vertreten, dass sich der Verpflegungsaufwand an den einzelnen Be-

darfssätzen der Düsseldorfer Tabelle orientieren sollte und nicht von einem pauschalen

Verpflegungsaufwand i.H.v. etwa 150,00 € im Monat ausgegangen werden kann. Von

einer solchen Pauschale kann allein schon deswegen nicht ausgegangen werden, weil

eine regelmäßige Veränderung der Düsseldorfer Tabelle gegeben ist und sich die Be-

darfssätze erhöhen. Als Lösungsvorschlag wird in der vorliegenden Arbeit daher die pro-

zentuale Ermittlung des Verpflegungsaufwands angewandt. Daher ist der prozentuale

Anteil des Verpflegungsaufwands am Unterhaltsbedarf am Beispiel des Beschlusses

des OLG Düsseldorf zu ermitteln. Demnach muss der Verpflegungsaufwand von

150,00 € durch den Unterhaltsbedarf von 257,00 € geteilt werden und mit 100 multipli-

ziert werden. So ergibt sich aufgerundet ein prozentualer Verpflegungsaufwand von

58,4 %122 des Unterhaltsbedarfs.

Mit diesem Prozentsatz kann der Verpflegungsaufwand eines Bedarfssatzes der jewei-

ligen Einkommensgruppe und Altersstufe ausgerechnet werden, indem der Bedarfssatz

der jeweiligen Altersstufe und der entsprechenden Einkommensgruppe der Düsseldorfer

Tabelle mit den 58,4 % multipliziert wird. Anhand des folgenden Beispiels soll die Be-

rechnung eines Verpflegungsaufwands verdeutlicht werden.

118 OLG Düsseldorf, Beschl. vom 18.05.2015, Az.: II-7 UF 10/15, JAmt 2016, 169. 119 Dritte Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle vom 01.01.2015, erste Altersstufe. 120 OLG Düsseldorf, Beschl. vom 18.05.2015, Az.: II-7 UF 10/15, JAmt 2016, 169. 121 Ehinger in: Ehinger/Griesche/Rasch, 4. 122 (150,00 € / 257,00 €) x 100 = 58,36 %, aufgerundet auf 58,4 %.

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Beispiel: Es wurde eine Einstufung in die erste Einkommensgruppe der Düsseldorfer

Tabelle (Mindestunterhalt) vorgenommen. Da das Kind der ersten Alters-

stufe (0-5 Jahre) zugeordnet wird, beläuft sich der Unterhaltsanspruch auf

342,00 €. Wird hiervon das hälftige Kindergeld abgezogen, verbleibt ein Un-

terhaltsanspruch i.H.v. 246,00 €. Ausgehend vom diesem Wert ist nun der

Verpflegungsaufwand wie folgt zu berechnen.

246,00 € monatlicher Unterhaltsanspruch

x 58,4 % anteiliger Verpflegungsaufwand des monatlichen

Unterhaltsanspruchs

= 143,66 € monatlicher Verpflegungsaufwand

Abbildung 6 - Beispielberechnung des Verpflegungsaufwands pro Monat123

Kaufmännisch auf volle Euro gerundet, ergibt das einen Verpflegungsaufwand i.H.v.

144,00 €. Nach den Bedarfssätzen der Düsseldorfer Tabelle ab dem 01.01.2017 erge-

ben sich die in Tabelle 1 aufgeführten kaufmännisch auf volle Euro gerundeten Verpfle-

gungsaufwände.

123 Eigene Darstellung.

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Bereinigtes

Nettoeinkommen

Verpflegungsaufwand

(58,4 % vom Bedarfssatz) %

1. Altersstufe

(0-5 Jahre)

2. Altersstufe

(6-11 Jahre)

3. Altersstufe

(12-17 Jahre)

1 Bis 1.500 144 173 213 100 %

2 1.501 – 1.900 154 185 226 105 %

3 1.901 – 2.300 164 197 239 110 %

4 2.301 – 2.700 174 208 253 115 %

5 2.701 – 3.100 184 220 266 120 %

6 3.101 – 3.500 200 238 288 128 %

7 3.501 – 3.900 216 256 310 136 %

8 3.901 – 4.300 232 275 331 144 %

9 4.301 – 4.700 248 293 353 152 %

10 4.701 – 5.100 264 311 374 160 %

Tabelle 1 - Höhe der Verpflegungsaufwände pro Monat und in €124

Bei einem erweiterten Umgang ergeben sich für die Tage, die das Kind zusätzlich bei

dem umgangsberechtigten Elternteil verbringt, d.h. die Anzahl der Tage, die über die

üblichen fünf bis sechs Tage hinausgehen, Ersparnisse im Haushalt des anderen Eltern-

teils. Diese können bedarfsdeckend angerechnet werden. Mithilfe des ermittelten Ver-

pflegungsaufwands können die Ersparnisse im Haushalt des betreuenden Elternteils be-

rechnet werden. Um die Ersparnisse ausrechnen zu können, muss der Verpflegungs-

aufwand eines Tages berechnet werden und auf die Tage hochgerechnet werden, die

das Kind mehr als üblich bei dem umgangsberechtigten Elternteil lebt. Das Ergebnis wird

dann als Ersparnis des überwiegend betreuenden Elternteils berücksichtigt und kann

von dem festgesetzten Unterhaltsbedarf abgezogen werden. Daraus ergibt sich der vom

Unterhaltspflichtigen geschuldete Unterhalt.125

4.1.3 Beispielberechnung des Unterhalts

Wie sich ein Residenzmodell mit erweitertem Umgang konkret auf den Kindesunterhalt

auswirkt, soll nun an folgendem Beispiel deutlich gemacht werden. In Abwandlung zu

dem unter Punkt 2.2.3 geschilderten Ausgangsfall, liegt nun folgender Sachverhalt vor:

124 Eigene Darstellung. 125 OLG Düsseldorf, Beschl. vom 18.05.2015, Az.: II-7 UF 10/15, JAmt 2016, 170.

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Herr Müller nimmt mittlerweile einen über das übliche Maß hinausgehenden Umgang mit

seiner Tochter wahr. Vorher hat er seine Tochter an jedem zweiten Wochenende, zwei-

wöchentlich an einem Tag unter der Woche und die Hälfte der Ferien betreut. Das ent-

sprach sechs Tagen im Monat. Nun ist es der Fall, dass Herr Müller die Betreuung für

seine Tochter jede zweite Woche an drei Tagen unter der Woche, an jedem zweiten

Wochenende und hälftig die Ferien übernimmt. Da hier ein Umgang von zehn Tagen pro

Monat gegeben ist, liegt kein üblicher Umgangskontakt (ca. fünf bis sechs Tage pro Mo-

nat), sondern ein erweiterter Umgang vor.

Herr Müller hat statt einer für sich ausreichenden Zweizimmer-Wohnung eine Dreizim-

mer-Wohnung angemietet, sodass seine Tochter ein eigenes Zimmer bei ihrem Vater

hat. Hierfür ergeben sich zusätzliche Wohnkosten i.H.v. ca. 100,00 €. Weiterhin hat Herr

Müller durch den erweiterten Umgang monatliche Fahrtkosten i.H.v. 40,00 €, die auf-

grund des erweiterten Umgangs anfallen.

In der Abwandlung des Ausgangssachverhalts nimmt Herr Müller ausgedehnte Um-

gangskontakte mit seiner acht Jahre alten Tochter wahr und ist daher an der Betreuung

des Kindes beteiligt. Da jedoch der Betreuungsschwerpunkt weiterhin bei der Mutter liegt

und das Kind seinen festen Wohnsitz dortbehält, findet, wie bereits unter Punkt 4.1.2

aufgeführt, § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB erneut seine Anwendung, wie es auch bei einem

Residenzmodell mit üblichem Umgangskontakt der Fall ist. Demnach leistet Frau Müller

wie zuvor den Betreuungsunterhalt für ihre Tochter und Herr Müller ist weiterhin zur al-

leinigen Zahlung des Barunterhalts verpflichtet.

Die ersten Schritte der Berechnung des Kindesunterhaltsanspruchs bei einem Residenz-

modell mit erweitertem Umgang erfolgen genau wie bei der unter Punkt 2.2.3 aufgeführ-

ten Beispielberechnung des Unterhalts in einem Residenzmodell mit üblichem Umgang.

Demnach hat Herr Müller ein bereinigtes Nettoeinkommen i.H.v. 2.591,01 € und wird

daher in die vierte Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle eingestuft. Das bedeu-

tet, die Tochter von Herrn Müller hat einen Unterhaltsanspruch i.H.v. 115 % des Min-

destunterhaltes der zweiten Altersstufe (sechs – elf Jahre). Jedoch wurden hierbei noch

nicht die Mehraufwendungen, die im Rahmen des erweiterten Umgangs, insbesondere

die Fahrtkosten von 40,00 € und die Kosten für zusätzlichen Wohnraum i.H.v. 100,00 €,

berücksichtigt.

Die jeweiligen Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle gelten für den Fall, dass der zum

Unterhalt verpflichtete Elternteil zwei Kindern Unterhalt gewähren muss. Hat der Unter-

haltspflichtige allerdings nur ein Kind, erfolgt eine Hochstufung in die nächst höhere Ein-

kommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle.126 Für Herrn Müller bedeutet das, dass er in

die fünfte Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle hochgestuft wird und er seiner

Tochter Unterhalt i.H.v. 120 % des Mindestunterhalts der zweiten Altersgruppe zahlen

muss.

126 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 11.2.

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- 31 -

Allerdings können die durch den erweiterten Umgang anfallenden Mehraufwendungen,

wie in diesem Fall die zusätzlichen Wohn- und Fahrtkosten, so berücksichtigt werden,

dass von einer Hochstufung in die fünfte Einkommensgruppe abgesehen wird. Das be-

deutet, Herr Müller verbleibt in der vierten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle,

was einem Unterhaltsanspruch von 115 % des Mindestunterhalts entspricht. Seine

Tochter, die der zweiten Altersgruppe (sechs –elf Jahre) zugeordnet wird, hat demnach

einen Unterhaltsanspruch i.H.v. 452,00 €. Davon ist gem. § 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und

S. 2 BGB das hälftige Kindergeld i.H.v. 96,00 € in Abzug zu bringen. Somit beläuft sich

der monatlich zu zahlende Unterhaltsbetrag nach der Düsseldorfer Tabelle vom

01.01.2017 auf 356,00 €.

Der Unterhaltsbedarf des Kindes kann, wie bereits unter Punkt 4.1.2 erläutert, weiterhin

gemindert werden, wenn der Bedarf des Kindes teilweise gedeckt wird und sich hier-

durch Ersparnisse im Haushalt des überwiegend betreuenden Elternteils ergeben. Durch

die Kosten von Herrn Müller für die Verpflegung des Kindes, können sich Ersparnisse

im Haushalt von Frau Müller während der Zeit, in der sich die gemeinsame Tochter im

Rahmen des erweiterten Umgangs bei ihrem Vater aufhält, ergeben. Diese Kosten kön-

nen allerdings nur als bedarfsdeckend angerechnet werden, wenn Herr Müller seine kon-

kreten Kosten und die Ersparnisse von Frau Müller zum einen darlegen und zum ande-

ren auch beweisen kann. Da eine solche Darlegung nur schwer möglich ist, können die

durch den erweiterten Umgang entstandenen Ersparnisse mithilfe der unter Punkt 4.1.2

aufgeführten Berechnung festgesetzt werden.

Ausgehend von dem berechneten Unterhaltsbetrag i.H.v. 356,00 € muss zunächst der

Verpflegungsaufwand berechnet werden. In der Tabelle 1 werden die bereits berechne-

ten Verpflegungsaufwände der einzelnen Einkommensgruppen und Altersstufen aufge-

führt, sodass eine Berechnung nicht mehr erforderlich ist. Gem. der Tabelle 1 ist in der

vierten Einkommensgruppe der zweiten Altersstufe ein Verpflegungsaufwand i.H.v.

208,00 €127 bei einem Gesamtunterhaltsbedarf von 356,00 € gegeben.

Anhand des monatlichen Verpflegungsaufwands können nun die Ersparnisse errechnet

werden, die sich aufgrund der Ausübung der erweiterten Umgangskontakte im Haushalt

von Frau Müller während der Abwesenheit ihrer Tochter ergeben. Zunächst muss der

Verpflegungsaufwand für einen Tag im Monat berechnet werden.

127 356,00 € x 58,4 % = 207,90 €, kaufmännisch auf volle Euro gerundet: 208,00 €.

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208,00 € monatlicher Verpflegungsaufwand

÷ 30 Tage

= 6,93 € täglicher Verpflegungsaufwand

Abbildung 7 - Berechnung des täglichen Verpflegungsaufwands128

Kaufmännisch gerundet auf volle Euro, ergibt sich für einen Tag ein Verpflegungsauf-

wand i.H.v. 7,00 €. Da Herr Müller den üblichen Umgangskontakt von sechs Tagen im

Monat auf einen erweiterten Umgangskontakt von zehn Tagen im Monat erhöht hat,

muss der Verpflegungsaufwand für vier Tage berechnet werden, die die Tochter zusätz-

lich zum üblichen Umgang bei ihrem Vater verbringt.

7,00 € täglicher Verpflegungsaufwand

× 4 Tage

= 28,00 € Verpflegungsaufwand für vier Tage

Abbildung 8 - Berechnung des Verpflegungsaufwands für vier Tage129

Der Verpflegungsaufwand für vier Tage im Monat beträgt 28,00 €. Das bedeutet, an die-

sen vier Tagen, die die Tochter zusätzlich zu dem üblichen Umgang bei ihrem Vater

verbringt, ergeben sich Ersparnisse i.H.v. 28,00 € im Haushalt der Mutter, da sie an die-

sen Tagen ihre Tochter nicht verpflegen muss. Abschließend kann von dem festgesetz-

ten Unterhaltsbedarf des Kindes i.H.v. 356,00 € der errechnete Verpflegungsaufwand

des Vaters i.H.v. 28,00 € abgezogen werden.

356,00 € monatlicher Unterhaltsbetrag

- 28,00 € monatlicher Verpflegungsaufwand

= 328,00 € monatliche Unterhaltszahlung

Abbildung 9 - Berechnung der monatlichen Unterhaltszahlung130

128 Eigene Darstellung. 129 Eigene Darstellung. 130 Eigene Darstellung.

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Insgesamt ist Herr Müller zur Zahlung des Unterhalts für seine Tochter i.H.v. 328,00 €

verpflichtet. Im Vergleich zu einer Betreuung des Kindes im Residenzmodell mit übli-

chem Umgang reduziert sich die Unterhaltsverpflichtung bei einer Betreuung im Resi-

denzmodell mit erweitertem Umgang um 48,00 €.

4.1.4 Unterhaltstitel

Nach der Berechnung des Kindesunterhalts in einem Residenzmodell mit erweitertem

Umgang stellt sich die Frage, ob der Unterhaltsanspruch in Form einer Urkunde bzw.

eines Titels festgehalten werden kann, wie es bei einem Residenzmodell mit üblichem

Umgang der Fall ist.

Bei einem Residenzmodell mit erweitertem Umgang kann ebenfalls wie bei einem Resi-

denzmodell mit üblichem Umgang ein Unterhaltstitel geschaffen werden, denn der über-

wiegend betreuende Elternteil, bei dem das Kind lebt und seinen gewöhnlichen Wohnsitz

hat, ist weiterhin dazu befugt das Kind zu vertreten.131 Jedoch wird die Auffassung ver-

treten, dass sich die Titulierung des Unterhaltsanspruchs des Kindes in dynamisierter

Form schwieriger gestalten könnte. Zwar werden die Kosten des erweiterten Umgangs

durch eine Umgruppierung in eine niedrigere Einkommensgruppe der Düsseldorfer Ta-

belle berücksichtigt, jedoch kann der festgesetzte Tabellenbetrag weiterhin um Aufwen-

dungen, die den Bedarf des Kindes teilweise decken, gemindert werden, sodass der

Unterhaltsanspruch nicht durch einen Prozentsatz festgesetzt werden könnte. Allerdings

könnte ein dynamischer Unterhaltstitel mit dem festgesetzten Prozentsatz nach der Düs-

seldorfer Tabelle geschaffen werden mit dem Zusatz, dass der dem Prozentsatz ent-

sprechende Unterhaltsanspruch um das hälftige Kindergeld und den anteilig berechne-

ten Verpflegungsaufwand für X Tage zu mindern ist. Ein Unterhaltstitel in statischer Form

kann zudem problemlos geschaffen werden. Dieser würde dann den festen monatlichen

Unterhaltsbetrag enthalten.

Gem. § 59 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII i.V.m. § 60 SGB VIII können Unterhaltsurkunden beim

Jugendamt mit der enthaltenen Verpflichtung zur Zahlung des Unterhalts für minderjäh-

rige Kinder geschaffen werden. Diese Urkunden können allerdings nur geschaffen wer-

den, wenn der Unterhaltspflichtige freiwillig zustimmt. 132 Ist dies nicht der Fall, muss der

Unterhaltstitel gerichtlich erwirkt werden. Dann kann das Kind ebenfalls wie bei einem

Residenzmodell mit üblichem Umgang durch einen Sachbearbeiter des Jugendamtes

als Beistand bei einem gerichtlichen Verfahren zur Erwirkung eines Unterhaltstitels ver-

treten werden.133

131 Interview mit Frau Diehl, Richterin am OLG, Anhang 2, Frage 13, S. 67. 132 www.familien-wegweiser.de. 133 www.familien-wegweiser.de.

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4.2 Wechselmodell

Bezeichnen geschiedene oder getrenntlebende Eltern das Modell, indem sie ihr Kind

betreuen, als Wechselmodell, hat dies keine besondere Bedeutung. Entscheidend ist

nur, wie die tatsächliche Betreuung geregelt ist.134 Ein Wechselmodell liegt nur dann vor,

wenn auch die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Daher bedarf es vor der Berechnung

des Kindesunterhalts einer Überprüfung, ob die jeweiligen Voraussetzungen gegeben

sind.

4.2.1 Voraussetzungen des Wechselmodells

Bei einer Betreuung des Kindes im Wechselmodell müssen zunächst beide Elternteile

zu annähernd gleichwertigen Anteilen an der Betreuung des gemeinsamen Kindes be-

teiligt sein, sodass kein Betreuungsschwerpunkt bei einem Elternteil gegeben ist.135 Wie

bereits unter Punkt 3.1 angesprochen, liegt im Unterhaltsrecht nach der Vorgabe des

BGH dann ein echtes Wechselmodell vor, wenn beide Elternteile annähernd 50 % der

Kindesbetreuung wahrnehmen. Auch bei einer Aufteilung der Betreuung von 49 % zu

51 % wird noch von einem Wechselmodell ausgegangen, da es einer annähernd glei-

chen Aufteilung entspricht. Eine Betreuungsaufteilung von 55 % zu 45 % ist allerdings

kritisch, da hier schon nicht mehr von einer gleichwertigen Betreuung gesprochen wer-

den kann.

Bei der zeitlichen Aufteilung spielt es zudem eine große Rolle, ob sich das Kind auch zu

annähernd gleichen Teilen in den Nächten bei beiden Elternteilen aufhält. Ein Fall des

Wechselmodells wurde am OLG Frankfurt verneint, weil sich das Kind zwar sieben von

vierzehn Tagen bei dem Vater aufhielt, aber lediglich vier der vierzehn Nächte bei dem

Vater schlief. Folglich müssen bei einem echten Wechselmodell nicht nur die Betreu-

ungszeiten an den Tagen berücksichtigt werden, sondern auch die in den Nächten.136

Die annähernd gleiche zeitliche Aufteilung der Betreuung spielt eine wichtige Rolle, doch

die Beurteilung, ob von einem Wechselmodell gesprochen werden kann, beschränkt sich

nicht allein darauf. Es muss auch eine Aufteilung der organisatorischen Aufgaben auf

beide Elternteile gegeben sein. Zu diesen Aufgaben zählen bspw. das Kaufen notwen-

diger Kleidung und Schulmaterialien oder die Organisation der Teilnahme an Aktivitäten

außerhalb der Schule wie Musikunterricht oder die Ausübung einer Sportart.137

Weiterhin müssen sich beide Elternteile auch die Verantwortung für das Kind und dessen

Betreuung gleichmäßig aufteilen. Das bedeutet, dass beide Elternteile für schulische,

gesundheitliche und andere Angelegenheiten verantwortlich sind. Wird das Kind zwar

nach den zeitlichen Anteilen in einem Wechselmodell betreut, übernimmt aber nur ein

134 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 21. 135 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1610, Rn. 182. 136 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 25. 137 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1610, Rn. 182; Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 22.

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Elternteil zum größten Teil die Verantwortung für die Erziehung, kann nicht mehr von

einer Betreuung im Wechselmodell gesprochen werden.138 Dabei ist auch entscheidend,

dass die Betreuung des Kindes sichergestellt ist und dass beide Elternteile für diese

Sicherstellung gleichermaßen Verantwortung übernehmen.139

Um herauszufinden, ob die Betreuung des Kindes in Form eines Wechselmodells prak-

tiziert wird, müssen beide Elternteile zu der Betreuung des Kindes befragt werden. Diese

müssen vortragen, wie das gemeinsame Kind von ihnen betreut wird.140 Zum einen muss

von beiden Elternteilen angeben werden, wann und in welchem Umfang der jeweilige

Elternteil die Betreuung des Kindes wahrnimmt. Dabei sollte beachtet und hinterfragt

werden, ob das Kind auch die Nächte zu annähernd gleichen Teilen bei beiden Eltern-

teilen verbringt. Zum anderen müssen diese auch vortragen, wer welche organisatori-

schen Aufgaben übernimmt und ob eine gleichmäßige Verteilung dieser Aufgaben ge-

geben ist. Zuletzt sollten beide befragt werden, ob die Verantwortung für die Kindeser-

ziehung auch zu gleichen Teilen von beiden Elternteilen übernommen wird und die Be-

treuung des Kindes sichergestellt ist. Anhand des Vorgetragenen der Eltern kann eine

Prüfung vorgenommen werden, ob alle Voraussetzungen für ein echtes Wechselmodell

gegeben sind.

Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, liegt grundsätzlich ein Wechselmodell vor.

Liegen die Voraussetzungen allerdings nicht vor, dann ist ein Residenzmodell mit übli-

chem oder erweitertem Umgang gegeben.141 Jedoch gibt es noch weitere Voraussetzun-

gen, die für eine Betreuung des Kindes in einem Wechselmodell unverzichtbar sind, so-

dass dieses gut gelingen kann. Deshalb sollten diese ebenfalls erfüllt sein.142

Zunächst sollte die Haltung beider Elternteile zum Kind, die als emotionale Grundhaltung

zum Kind erfasst wird, von Liebe, Zuneigung, Fürsorge und Zugewandtheit geprägt sein.

Dazu gehört auch, dass beide von Anfang an eine intensive abwechselnde Betreuung

des Kindes wahrnehmen möchten.143 Eine weitere Voraussetzung stellt die Wohnortdis-

tanz dar. Damit eine Betreuung im Wechselmodell nicht dem Kindeswohl entgegensteht,

sollte keine zu große Wohnortdistanz beider Elternteile gegeben sein. Die jeweiligen An-

forderungen können je nach Kindesalter, Betreuung durch Dritte und Wechselfrequenz

zwischen beiden Elternteilen verschieden ausfallen.144 Bei Babys spielt dies noch keine

große Rolle, da Fahrten keine große Belastung für sie darstellen. Jedoch müssen Klein-

kinder, die bereits in einer Einrichtung betreut werden oder Kinder, die die Schule besu-

chen, diese von beiden Wohnorten der Eltern ohne größere Belastung erreichen können.

Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, kann die Wohnortdistanz ein Ausschlussgrund

138 MüKo BGB/Hennemann, § 1671, Rn. 23. 139 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 22. 140 Interview mit Frau Diehl, Richterin am OLG, Anhang 2, Frage 8, S. 65. 141 MüKo BGB/Hennemann, § 1671, Rn. 24. 142 Sünderhauf, 145. 143 Sünderhauf, 94. 144 Sünderhauf, 145.

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für das Wechselmodell sein, besonders, wenn ein häufiger Wechsel zwischen beiden

Wohnorten stattfindet.145 Zuletzt sollten sich beide Elternteile zu der Erziehung des Kin-

des eignen. D.h. beide sollten ohne große Einschränkungen psychisch als auch physisch

gesund sein und eine pädagogische Eignung besitzen. Eine grundlegende Kommunika-

tionsbefugnis wird ebenfalls davon eingeschlossen. 146

Zudem kann es auch Ausschlussgründe geben, die gegen eine Praktizierung des Wech-

selmodells sprechen. In erster Linie sollte das Kind eine Betreuung im Wechselmodell

befürworten. Wenn das Kind allerdings ein solches Modell ablehnt, liegt ein Ausschluss-

grund für eine Praktizierung des Wechselmodells vor. Dies ist auch der Fall, wenn das

Kind die Betreuung durch einen der beiden Elternteile konsequent ablehnt. Ein weiterer

Ausschlussgrund könnte vorliegen, wenn eine nachweisliche Alkohol- und/oder Drogen-

abhängigkeit eines Elternteils besteht, denn bei einer solchen Abhängigkeit kann auf

eine mangelnde Erziehungseignung geschlossen werden. Zuletzt sollte auch bei akuter

häuslicher Gewalt innerhalb der Familie ein Wechselmodell ausgeschlossen werden,

bspw. wenn physische Gewalt zwischen beiden Elternteilen vor dem Kind oder Gewalt

gegen das Kind angewendet wird. In Abbildung 10 werden zur besseren Veranschauli-

chung die unverzichtbaren Voraussetzungen den Ausschlussgründen gegenüberge-

stellt.147

Abbildung 10 - Gegenüberstellung: Unverzichtbare Voraussetzungen – Ausschlussgründe148

145 Sünderhauf, 97. 146 Sünderhauf, 145. 147 Sünderhauf, 145. 148 Eigene Darstellung.

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Zudem sollten weitere Kriterien erfüllt sein, dass eine Betreuung im Wechselmodell in

Betracht gezogen werden kann. Sind die einzelnen Kriterien nicht erfüllt, wird eine solche

Betreuung erschwert. Es ist dann zu überlegen, ob das Wechselmodell als Betreuungs-

form überhaupt in Frage kommt. Zu den Kriterien zählt u.a., dass beide zu einer Betreu-

ung im Wechselmodell zustimmen und von diesem auch überzeugt sind. Lehnt ein El-

ternteil das Modell ab, kann es in der Betreuung des Kindes zu Schwierigkeiten kommen.

Dazu zählt auch, dass beide Elternteile bereit sind, ihre eigenen Bedürfnisse hinten an-

zustellen, um das Wohl des Kindes sicherzustellen. Weiterhin sollte eine gute Kommu-

nikation und Kooperation zwischen den Eltern gegeben sein, sodass keine Missver-

ständnisse entstehen und Probleme schnell und einfach gelöst werden können. Dabei

sollten beide Elternteile auch eine gewisse Flexibilität und Großzügigkeit besitzen, so-

dass immer eine Betreuung des Kindes gewährleistet ist und bspw. in Notfallsituationen

der jeweils andere Elternteil die Betreuung übernehmen kann. Zuletzt sollte zwischen

den Eltern keine zu hohe Konflikthäufigkeit gegeben sein. Zudem zählt auch, dass das

Kind nicht in diese Konflikte einbezogen wird.149

Es wird daher die Auffassung vertreten, dass generell einer Betreuung des Kindes im

Wechselmodell nichts entgegensteht, wenn die Voraussetzungen erfüllt werden und

keine Ausschlussgründe vorliegen. Werden zudem die genannten Kriterien beachtet,

kann dies sehr begünstigend für ein solches Wechselmodell sein.

4.2.2 Auswirkungen des Wechselmodells auf den Unterhalt

Liegt ein Wechselmodell vor, übernehmen beide Elternteile in einem annähernd gleichen

Umfang die Betreuung des gemeinsamen Kindes. Daher ist die Anwendung des § 1606

Abs. 3 S. 2 BGB, der bei einem Residenzmodell seine Anwendung findet, nicht möglich.

150 Dieser besagt, dass der Elternteil, der das Kind betreut, seiner Verpflichtung zum

Unterhalt des Kindes beizutragen, durch die Pflege und Erziehung des Kindes nach-

kommt und daher von der Barunterhaltsverpflichtung befreit wird. Da sich beide Eltern-

teile die Betreuung des Kindes teilen, müssten sie nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB beide

von der Barunterhaltsverpflichtung gegenüber ihrem Kind befreit sein. Jedoch wird bei

einem echten Wechselmodell keiner der beiden Elternteile von der Pflicht zur Zahlung

von Barunterhalt befreit, da sonst nur der Bedarf des Kindes an Betreuung gedeckt wäre.

Daher haften beide Elternteile gemeinsam für den Barunterhalt ihres Kindes.151

Der Bedarf des Kindes richtet sich in einem Wechselmodell nach den Einkommens- und

Vermögensverhältnissen beider Elternteile. So wird bei der Feststellung des Unterhalts-

bedarfs des Kindes zunächst von den zusammengerechneten Einkünften der Eltern aus-

gegangen, weil sich danach die Lebensstellung des Kindes ausrichtet.152 Nach Ansicht

149 Sünderhauf, 145. 150 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1610, Rn. 179 f. 151 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 28 f. 152 MüKo BGB/Born, § 1606, Rn. 35.

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des BGH wird der Bedarf des Kindes aus den bereinigten Nettoeinkommen beider El-

ternteile ermittelt. Aus beiden bereinigten Nettoeinkommen wird eine Summe gebildet

und anhand dieser erfolgt die Einstufung in eine Einkommensgruppe der Düsseldorfer

Tabelle. Der Altersstufe des Kindes entsprechend kann dann der Unterhaltsanspruch

festgesetzt werden.153

Aus den zusammengerechneten Einkünften der Eltern bemisst sich zunächst der Grund-

bedarf des Kindes.154 Zu dem Unterhaltsbedarf werden aber auch angemessene Mehr-

kosten gezählt, die durch die beidseitige Betreuung der Eltern im Wechselmodell entste-

hen und somit einen Mehrbedarf des Kindes darstellen. Zu den Mehrkosten können ins-

besondere Fahrtkosten und Unterkunftskosten zählen, die im Rahmen der Betreuung im

Wechselmodell höher ausfallen. Denn der im Bedarfssatz der Düsseldorfer Tabelle ent-

haltene Anteil von 20 %, der den Wohnbedarf des Kindes decken soll, ist ggf. nicht aus-

reichend für jeweils ein Kinderzimmer in beiden Wohnungen der Elternteile. Zu dem Be-

darf können weiterhin auch Kindergarten- und Hortkosten und z.B. Kosten für einen

Tanzkurs oder ähnliches zählen.155 Es werden allerdings nur die Kosten berücksichtigt,

die dem Bedarf des Kindes und nicht dem des Betreuenden angerechnet werden kön-

nen.156

Wird das Wechselmodell in Form eines sog. Nestmodells praktiziert, bei dem das Kind

in einer Wohnung lebt und die Eltern für dessen Betreuung abwechselnd in die Wohnung

einziehen, können sich bei der Unterhaltsberechnung Veränderungen ergeben, denn

das Kind hat in einem Nestmodell geänderte Bedarfe. In diesem Modell ergibt sich ein

anderer Wohnbedarf des Kindes und die durch das Wechselmodell entstandenen Fahrt-

kosten entfallen. In einem Nestmodell können wie in einem üblichen Wechselmodell nur

die Mehrbedarfe des Kindes und nicht die der Eltern berücksichtigt werden. Jedoch

könnten die elternbedingten Mehrbedarfe eventuell vorab bei der Bereinigung des Ein-

kommens in Abzug gebracht werden, sodass sich ein niedriger Unterhaltsbedarf des

Kindes ergibt.157

Nach Ansicht des BGH sollte die Unterhaltsverpflichtung der Eltern anteilig nach ihren

Einkommens- und Vermögensverhältnissen bemessen werden, da auch der Betreu-

ungsunterhalt anteilig geleistet wird. Für den Fall, dass beide Elternteile etwa gleich gut

verdienen, somit ein gleich hohes Einkommen besitzen und auch zu annähernd gleichen

Teilen die Betreuung des Kindes wahrnehmen, ist eine Berechnung des Kindesunter-

halts nicht erforderlich. Denn dann sind beide zu gleichen Teilen zur Zahlung des Unter-

halts nach der Düsseldorfer Tabelle verpflichtet und es bedarf keines Ausgleichs des

Grundbedarfs zwischen beiden Elternteilen. Lediglich der Ausgleich des Kindergeldes

und auch der Mehrbedarf des Kindes müssen noch berücksichtigt werden. Der Elternteil,

153 Weber, NZFam 2016, 831. 154 BeckOK BGB/Reinken, § 1606, Rn. 17c. 155 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 29 f. 156 BeckOK BGB/Reinken, § 1606, Rn. 17d. 157 Interview mit Frau Diehl, Richterin am OLG, Anhang 2, Frage 15, S. 68.

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der das Kindergeld empfängt, muss das hälftige Kindergeld an den anderen Elternteil

auszahlen und auch der Mehrbedarf des Kindes muss von beiden getragen und ausge-

glichen werden. Schwieriger gestaltet sich die Berechnung des Kindesunterhalts im

Falle, dass beide Elternteile ein unterschiedlich hohes Einkommen besitzen. Denn in

diesem Fall nehmen zwar beide die Hälfte der Betreuung wahr, sind aber aufgrund der

unterschiedlichen Einkommenshöhe anteilig nach den Einkommensverhältnissen zur

Zahlung des Barbedarfs verpflichtet. 158

Im Laufe der Jahre haben sich unterschiedliche Methoden ergeben, wie die Berechnung

des Kindesunterhalts, für den Fall, dass beide Elternteile unterschiedlich hohe Einkom-

men haben, erfolgen kann. Dabei unterscheiden sich diese Methoden u.a. in der Hin-

sicht, wie das Kindergeld anzurechnen und auszugleichen ist. Im Hinblick darauf wurden

zwei Methoden zur Berechnung des Kindesunterhalts ausgewählt, die den Ausgleich

des Kindergeldes zwischen den Eltern auf unterschiedliche Weise berücksichtigen, aber

dennoch auf das gleiche Ergebnis kommen. Im Folgenden wird die Berechnungsme-

thode nach Bausch/Gutdeutsch/Seiler, die für die Berechnung des Kindesunterhalts in

einem Wechselmodell als geeignet gilt und die sich als vorzugswürdig herausgestellt

hat159, angewandt. Zudem wird eine vom BGH angesehene Methode zur Berücksichti-

gung des Kindergeldes dargestellt.

Nach der Methode von Bausch/Gutdeutsch/Seiler muss zunächst der Regelbedarf, auch

Grundbedarf des Kindes genannt160, bestimmt werden. Dieser bestimmt sich aus den

zusammengerechneten Einkommen der Eltern. In einem Wechselmodell wird die Fest-

legung des Grundbedarfs durch die Einstufung in eine Einkommensgruppe der Düssel-

dorfer Tabelle anhand der zusammengerechneten bereinigten Nettoeinkommen beider

Elternteile vorgenommen, denn im Unterhaltsrecht ist dieses hierfür immer maßgeb-

lich.161 Daraus folgt, dass jeweils das bereinigte Nettoeinkommen berechnet werden

muss.

Für die Berechnung der bereinigten Monatsnettoeinkommen beider Elternteile gelten

ebenfalls wie bei einem Residenzmodell die unter Punkt 2.2.3 aufgeführten Erläuterun-

gen. Wurden die bereinigten Monatsnettoeinkommen beider Elternteile ermittelt und die

Summe aus beiden Einkommen gebildet, kann die Einstufung in die Einkommensgruppe

der Düsseldorfer Tabelle und die Festsetzung des Unterhaltsanspruchs des Kindes der

Altersstufe entsprechend vorgenommen werden. Der festgesetzte Tabellenbetrag stellt

den Grundbedarf des Kindes dar.

Von dem bereits festgesetzten Unterhaltsbedarf wird die Hälfte des Kindergeldes abge-

zogen, wobei § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Anwendung kommt.162 Denn das Kindergeld

158 Damljanovic, 141. 159 Damljanovic, 172. 160 BeckOK BGB/Reinken, § 1606, Rn. 17c. 161 Interview mit Frau Diehl, Richterin am OLG, Anhang 2, Frage 10, S. 66. 162 Damljanovic, 145.

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in seiner vollen Höhe bedarfsmindernd anzurechnen, erscheint nicht gerechtfertigt, da

von § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB in erster Linie die Fälle erfasst werden, die keine Betreu-

ung durch die Eltern vorsehen. Allerdings entspricht auch ein kompletter Verzicht auf die

Anrechnung und den Ausgleich des Kindergeldes nicht den Grundsätzen im Unterhalts-

recht.163

Anschließend ist der um das hälftige Kindergeld bereinigte Unterhaltsbedarf um den

Mehrbedarf des Kindes zu erhöhen. Hierzu gehört zum einen der übliche Mehrbedarf

und zum anderen der Mehrbedarf, der infolge des Wechselmodells gegeben ist.164 So

wird der Mehrbedarf, der von den Eltern konkret dargelegt werden muss, dem Grundbe-

darf hinzugerechnet und es ergibt sich ein Gesamtbedarf des Kindes. Für diesen ermit-

telten Gesamtbedarf müssen beide Elternteile nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig

nach deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen aufkommen.165 D.h. wurde ein

Gesamtbedarf ermittelt, richtet sich die Quote der anteiligen Haftung am Unterhaltsbe-

darf des Kindes nach dem Einkommen und Vermögen des jeweiligen Elternteils.166 Im

nächsten Schritt sind daher die Haftungsanteile der Eltern zu berechnen.

Um die anteilige Haftung der Eltern ermitteln zu können, muss die erforderliche Quote

gebildet werden. Dies erfolgt, indem jeweils vom bereinigten Nettoeinkommen der Eltern

der derzeitige angemessene Selbstbehalt i.H.v. 1.300 € abgezogen wird, sodass sich für

beide Elternteile ein einzusetzendes Einkommen ergibt. Kann der Bedarf nicht mit dem

Einkommen gedeckt werden, das den Selbstbehalt von 1.300 € übersteigt, so ist der

Selbstbehalt auf das Notwendigste zu kürzen.167 Dies würde dem notwendigen Selbst-

behalt i.H.v. 1.080 € entsprechen.168 Die daraus ermittelten Beträge werden addiert und

anschließend einzeln zu dem gesamten einzusetzenden Einkommen ins Verhältnis ge-

setzt. Daraus ergibt sich die Quote, mit der der jeweilige Elternteil anteilig am Gesamt-

bedarf des Kindes haftet.169 Mit dieser Quote kann nun der Haftungsanteil des jeweiligen

Elternteils ausgerechnet werden, indem der Gesamtbedarf mit der jeweiligen Quote mul-

tipliziert wird. Die Haftungsanteile können auch durch die Verwendung der folgenden

Formel berechnet werden.

163 Damljanovic, 172. 164 Damljanovic, 145. 165 BeckOK BGB/Reinken, § 1606, Rn. 17e. 166 Heiß/Heiß in: Heiß/Born, Rn. 720d. 167 Weber, NZFam 2016, 832. 168 Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt, Punkt 21.2. 169 Weber, NZFam 2016, 832.

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Gesamtbedarf

x Einsatzbetrag eines Elternteils

(= Einkommen eines Elternteils - Selbstbehalt)

÷ Gesamteinsatzbetrag

(= Einkommen beider Elternteile – Selbstbehalt für beide Elternteile)

= Haftungsanteil eines Elternteils

Abbildung 11 - Formel für die Berechnung der Haftungsanteile170

Sind die Haftungsanteile am Unterhaltsbedarf für beide Elternteile gegeben, muss das

volle Kindergeld dem Haftungsanteil des Elternteils, der es empfängt, hinzugerechnet

werden.171 Derzeit entspricht das Kindergeld gem. § 66 Abs. 1 EStG einem Betrag von

192,00 €. Von dem jeweiligen Haftungsanteil sind die zu leistenden Aufwendungen bei-

der Elternteile abzuziehen. Jedoch können nicht alle Leistungen beider Elternteile von

den Haftungsanteilen abgezogen werden.172 Es können nur die Eigenleistungen in Ab-

zug gebracht werden, die ausschließlich von einem Elternteil geleistet werden. Bspw.

können die entstehenden Fahrtkosten oder auch Kosten für eine Tagesbetreuung ange-

rechnet werden, solange sie lediglich von einem der beiden Elternteile aufgebracht wer-

den. D.h. der Bedarf des Kindes erhöht sich zwar um den Mehrbedarf, insbesondere

durch höhere Wohnkosten, zusätzliche Fahrtkosten und durch Kosten, die infolge dop-

pelter Anschaffungen entstehen, jedoch werden die Haftungsanteile der Eltern nicht um

alle Kosten reduziert.173 Diese können insbesondere nicht um die erhöhten Wohnkosten

der Eltern reduziert werden und auch die Kosten beider Elternteile für doppelte Anschaf-

fungen wie Spielzeug, Kleidung und anderes finden keine Berücksichtigung, da zum ei-

nen die Wohnkosten und zum anderen auch die Kosten für entsprechende Anschaffun-

gen für einen Haushalt bereits in dem Bedarfssatz der Düsseldorfer Tabelle enthalten

sind.174

Abschließend sind die um Eigenleistungen reduzierten Haftungsanteile zwischen den

Eltern auszugleichen. So besteht für den Elternteil, der den höheren Haftungsanteil am

Gesamtbedarf des Kindes hat, eine Pflicht zum Ausgleich. D.h. der Elternteil mit dem

geringeren Haftungsanteil hat gegenüber dem anderen Elternteil einen Ausgleichsan-

spruch in Höhe der Hälfte der errechneten Differenz zwischen beiden Haftungsantei-

len.175 Dementsprechend muss der niedrigere Haftungsanteil vom höheren abgezogen

werden. Die Summe muss durch zwei geteilt werden, sodass sich die hälftige Differenz

170 Eigene Darstellung basierend auf Damljanovic, 146. 171 Damljanovic, 146. 172 Damljanovic, 146. 173 Damljanovic, 172. 174 Damljanovic, 146. 175 Damljanovic, 146.

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ergibt. Das Ergebnis entspricht dem Ausgleichsanspruch, den der schlechter verdie-

nende Elternteil gegenüber dem besser Verdienenden hat.

Nach der Entscheidung des BGH, bezüglich der Behandlung des Kindergeldes in der

Berechnung des Kindesunterhalts bei einem Wechselmodell, ist die eine Hälfte des Kin-

dergeldes von dem nach den Einkommensverhältnissen der Eltern festgesetzten Grund-

bedarf des Kindes, der sich durch die Eingruppierung in eine Einkommensgruppe der

Düsseldorfer Tabelle ergibt, abzuziehen. Dies ist auch bei der Berechnungsmethode

nach Bausch/Gutdeutsch/Seiler der Fall. Jedoch unterscheiden sich die beiden Metho-

den darin, dass nach dem BGH die andere Hälfte des Kindergeldes beiden Elternteilen

hälftig zugerechnet werden soll, da auch beide die Betreuung annähernd zur Hälfte über-

nehmen.176 D.h. der Anteil, der auf die Betreuung des Kindes entfällt, ist hälftig zwischen

den Eltern auszugleichen.177 Nach dieser Methode ist zunächst dem Haftungsanteil des

Elternteils, der das Kindergeld empfängt, lediglich die Hälfte des Kindergeldes (96,00 €)

zuzuweisen. Anschließend, nachdem die Ausgleichszahlung, die an den schlechter ver-

dienenden Elternteil ausgezahlt werden muss, bestimmt wurde, wird die Hälfte des auf

die Betreuung entfallenden hälftigen Kindergeldes178 von der Ausgleichszahlung des ei-

nen Elternteils an den anderen Elternteil abgezogen.179

Beide Methoden zur Berechnung des Kindesunterhaltsanspruchs nehmen eine unter-

schiedliche Behandlung des Kindergeldes vor, kommen aber am Ende auf das gleiche

Ergebnis. Die Methode nach Bausch/Gutdeutsch/Seiler stellt eine vereinfachte Berech-

nung dar, weshalb die Auffassung vertreten wird, dass diese anzuwenden ist.

Für das Kindergeld sind grundsätzlich beide Elternteile empfangsberechtigt, jedoch wird

es gem. § 64 Abs. 1 EstG nur einem Berechtigten ausgezahlt. Bei getrennt lebenden

oder geschiedenen Eltern wird das Kindergeld an denjenigen gezahlt, der das Kind in

seinen Haushalt aufgenommen und somit die Obhut über das Kind hat (§ 64 Abs. 2 S. 1

EStG). Bei einem Wechselmodell müssen die Eltern der Familienkasse einen Berech-

tigten nennen, der das Kindergeld für das Kind empfängt. Werden sich die Eltern dabei

nicht einig, muss unter analoger Anwendung des § 64 Abs. 2 S. 3 EStG ein Empfangs-

berechtigter vom Familiengericht bestimmt werden.180

4.2.3 Beispielberechnung des Unterhalts

Wie sich die Praktizierung eines Wechselmodells konkret auf den Kindesunterhalt aus-

wirkt, soll an folgendem Beispiel deutlich gemacht werden. In Abwandlung zu dem unter

Punkt 2.2.3 geschilderten Ausgangsfall, liegt nun folgender Sachverhalt vor.

176 BeckOK BGB/Reinken, § 1606, Rn. 17f. 177 BGH, Beschl. vom 11.01.2017, Az.: XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437. 178 Bei einem derzeitigen Kindergeldbetrag i.H.v. 192,00 € entspricht die Hälfte des hälftigen Kindergeldes

einem Betrag von 48,00 € (192,00 € ÷ 2 = 96,00 €; 96,00 € ÷ 2 = 48,00 €). 179 BGH, Beschl. vom 11.01.2017, Az.: XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 438. 180 BeckOK BGB/Reinken, § 1606, Rn. 17i.

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Herr und Frau Müller betreuen ihre Tochter mittlerweile in Form eines Wechselmodells.

Dabei wechselt das Kind alle vierzehn Tage seinen Wohnsitz von seinem Vater zu seiner

Mutter oder umgekehrt. Die Tochter verbringt daher i.d.R. die Hälfte des Monats bei ih-

rem Vater und die andere Hälfte bei ihrer Mutter, wonach von einer annähernden Be-

treuungsaufteilung von 50 % zu 50 % ausgegangen werden kann. Sie verbringt nicht nur

die Tage hälftig bei den Eltern, sondern auch die Betreuung in den Nächten ist zwischen

den Eltern ausgeglichen. Herr und Frau Müller verstehen sich trotz der Trennung gut

und das Wohl des Kindes steht bei beiden im Vordergrund, weshalb es auch selten zu

Konflikten kommt. Eine gute Kommunikation und Kooperation ist ebenfalls zwischen bei-

den gegeben, weshalb auch alle organisatorischen Angelegenheiten und Aufgaben gut

und gleichmäßig zwischen beiden verteilt sind.

Wird nun davon ausgegangen, dass alle Voraussetzungen für ein Wechselmodell vor-

liegen, kann die Unterhaltsberechnung für die Tochter von Herrn und Frau Müller erfol-

gen. Da beide Elternteile, wie bereits unter Punkt 4.2.2 erläutert, in einem Wechselmo-

dell anteilig nach ihrem bereinigten Monatsnettoeinkommen für den Gesamtbedarf des

Kindes haften, muss zunächst das bereinigte Nettoeinkommen beider errechnet werden.

Diese Berechnung erfolgt wie bei einem Residenzmodell. Daher kann das bereits unter

Punkt 2.2.3 bereinigte Nettoeinkommen von Herrn Müller für die Berechnung des Unter-

halts im Wechselmodell zugrunde gelegt werden. Dieses beträgt 2.591,01 €.

Bei Frau Müller wird die gleiche Berechnungsmethode angewandt. Sie ist in einem grö-

ßeren Unternehmen als Industriekauffrau angestellt und hat ein monatliches Bruttoein-

kommen i.H.v. 2.850,00 €. Davon zahlt sie monatlich an Steuern: den Solidaritätszu-

schlag (18,99 €), die Lohnsteuer (345,33 €) und die Kirchensteuer (31,07 €), da sie einer

Kirche angehörig ist. Weiterhin hat sie folgende monatliche Vorsorgeaufwendungen:

266,48 € für die Rentenversicherung, 239,40 € für die Krankenversicherung, 42,75 € für

die Arbeitslosenversicherung und 43,46 € für die Pflegeversicherung.

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2.850,00 € monatliches Bruttoeinkommen

Steuern pro Monat

- 18,99 € Solidaritätszuschlag

- 345,33 € Lohnsteuer

- 31,07 € Kirchensteuer

Vorsorgeaufwendungen pro Monat

- 266,48 € Rentenversicherung

- 239,40 € Krankenversicherung

- 42,75 € Arbeitslosenversicherung

- 43,46 € Pflegeversicherung

= 1.862,52 € monatliches Nettoeinkommen

Abbildung 12 - Berechnung des monatlichen Nettoeinkommens181

Nach Abzug der Steuer- und Vorsorgeaufwendungen ergibt sich für Frau Müller ein mo-

natliches Nettoeinkommen i.H.v. 1.862,52 €. Da sie weder Urlaubs- noch Weihnachts-

geld erhält und auch das monatliche Einkommen nicht schwankt, beträgt auch das

durchschnittliche Nettoeinkommen pro Monat 1.862,52 €. Frau Müller hat zudem keine

Steuererklärungen beim Finanzamt abgegeben, sodass kein Steuerguthaben angerech-

net bzw. keine Steuernachzahlungen abgezogen werden können. Abschließend muss

das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen um abzugsfähige Aufwendungen be-

reinigt werden. Frau Müller hat lediglich berufsbedingte Fahrtkosten i.H.v. 50,00 € mo-

natlich für die Fahrt zur Arbeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, die in Abzug gebracht

werden können. Nach Abzug der Fahrtkosten beträgt das bereinigte Einkommen von

Frau Müller 1.812,52 €.

Aus den beiden bereinigten Monatsnettoeinkommen von Herrn und Frau Müller muss

eine Summe gebildet werden, denn anhand der zusammengerechneten Einkommen der

beiden Elternteile wird der Bedarf des Kindes durch Einstufung in eine Einkommens-

gruppe der Düsseldorfer Tabelle festgesetzt.

181 Eigene Darstellung.

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2.591,01 € bereinigtes monatliches Nettoeinkommen des Vaters

+ 1.812,52 € bereinigtes monatliches Nettoeinkommen der Mutter

= 4.403,53 € Summe bereinigtes monatliches Nettoeinkommen

Abbildung 13 - Berechnung des gesamten bereinigten Nettoeinkommens pro Monat182

Durch die ermittelte Summe des bereinigten monatlichen Nettoeinkommens i.H.v.

4.403,53 € erfolgt eine Einstufung in die neunte Einkommensgruppe der Düsseldorfer

Tabelle und das Kind von Herrn und Frau Müller, das mit acht Jahren zu der zweiten

Altersstufe gehört, hat somit einen Grundbedarf i.H.v. 598,00 €. Von diesem Betrag ist

das hälftige auf den Barunterhalt entfallende Kindergeld, was derzeit einem Betrag von

96,00 € entspricht, abzuziehen. Dadurch ergibt sich ein Unterhaltsbedarf i.H.v. 502,00 €.

Der sog. Grundbedarf von 502,00 € ist um den Mehrbedarf der Tochter zu erhöhen. Herr

Müller hat durch das Wechselmodell erhöhte Wohnkosten i.H.v. 100,00 € und zusätzli-

che Fahrtkosten von 30,00 € monatlich. Die Fahrtkosten sind nun geringer als bei der

Praktizierung des erweiterten Umgangs, da durch einen geringeren Wechsel zwischen

den beiden Wohnungen weniger Fahrten zum Abholen und Bringen des Kindes nötig

sind. Frau Müller hat dagegen erhöhte Wohnkosten i.H.v. 80,00 € und Kosten für eine

Nachmittagsbetreuung von 60,00 € monatlich.

502,00 € Grundbedarf der Tochter

+ 100,00 € erhöhte Wohnkosten des Vaters

+ 80,00 € erhöhte Wohnkosten der Mutter

+ 30,00 € zusätzliche Fahrtkosten des Vaters

+ 60,00 € Kosten für die Nachmittagsbetreuung, die sich für die Mutter

ergeben

= 772,00 € Gesamtbedarf der Tochter

Abbildung 14 - Berechnung des Gesamtbedarfs183

Im nächsten Schritt müssen die Haftungsanteile der Eltern, die sich nach den Einkom-

mensverhältnissen richten, berechnet werden. Hierfür müssen zunächst die bereinigten

Nettoeinkommen beider Elternteile um den Selbstbehalt von 1.300 € gekürzt werden,

sodass sich ein einzusetzendes Einkommen ergibt.

182 Eigene Darstellung. 183 Eigene Darstellung.

Page 52: Der Unterschied des Residenzmodells mit …...Der Unterschied des Residenzmodells mit erweitertem Umgang zum Wechselmodell in Bezug auf die Arbeit eines Beistands Eine Handlungsanleitung

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Einzusetzendes Einkommen des Vaters Einzusetzendes Einkommen der Mutter

2.591,01 € bereinigtes monatli-

ches Nettoeinkommen

1.812,52 € bereinigtes monatliches

Nettoeinkommen

- 1.300,00 € angemessener Selbst-

behalt

- 1.300,00 € angemessener Selbst-

behalt

= 1.291,01 € einzusetzendes Ein-

kommen

= 512,52 € einzusetzendes Ein-

kommen

1.803,53 € einzusetzendes Einkommen gesamt

Abbildung 15 - Berechnung des gesamten einzusetzenden Einkommens184

Mit dem berechneten Einkommen können mithilfe der unter Punkt 4.2.2 aufgeführten

Formel die Haftungsanteile beider Elternteile ausgerechnet werden. Die Eltern haften

nach den Anteilen des jeweilig einzusetzenden Einkommens am Gesamteinkommen für

den Gesamtbedarf des Kindes. Aus Gründen der Vereinfachung wird hierfür die Formel

genutzt.

Haftungsanteil des Vaters Haftungsanteil der Mutter

772,00 € Gesamtbedarf der

Tochter

772,00 € Gesamtbedarf der

Tochter

x 1.291,01 € Einsatzbetrag x 512,52 € Einsatzbetrag

÷ 1.803,53 € Gesamteinsatzbetrag ÷ 1.803,53 € Gesamteinsatzbetrag

= 552,62 € Haftungsanteil = 219,38 € Haftungsanteil

Abbildung 16 - Berechnung der Haftungsanteile der Eltern185

184 Eigene Darstellung. 185 Eigene Darstellung basierend auf Damljanovic, 146.

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Sind die Haftungsanteile am Unterhaltsbedarf für beide Elternteile gegeben, muss das

volle Kindergeld dem Haftungsanteil der Mutter hinzugerechnet werden, da sie das Kin-

dergeld i.H.v. derzeit 192,00 € empfängt. Weiterhin sind von den Haftungsanteilen bei-

der Elternteile die Eigenleistungen, die ausschließlich von einem Elternteil geleistet wer-

den, abzuziehen. Daher können nicht die erhöhten Wohnkosten in Abzug gebracht wer-

den, jedoch die Fahrtkosten des Vaters und die Kosten für die Nachmittagsbetreuung,

die von der Mutter erbracht werden.

Haftungsanteil des Vaters Haftungsanteil der Mutter

552,62 € Haftungsanteil 219,38 € Haftungsanteil

- 30,00 € zusätzliche Fahrtkos-

ten

+

-

192,00 €

60,00 €

Kindergeld

Kosten für die Nachmit-

tagsbetreuung

= 522,62 € Haftungsanteil = 351,38 € Haftungsanteil

Abbildung 17 - Berechnung der um Eigenleistungen bereinigten Haftungsanteile186

Abschließend sind die um Eigenleistungen reduzierten Haftungsanteile zwischen den

Eltern auszugleichen. So besteht für Herrn Müller, der den höheren Haftungsanteil am

Gesamtbedarf des Kindes hat, eine Pflicht zum Ausgleich. D.h. Frau Müller hat gegen-

über dem Vater des Kindes einen Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte der errechne-

ten Differenz zwischen beiden Haftungsanteilen. Dementsprechend muss der niedrigere

Haftungsanteil vom höheren abgezogen werden. Die Summe muss durch zwei geteilt

werden, sodass sich die hälftige Differenz ergibt.

186 Eigene Darstellung.

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522,62 € Haftungsanteil des Vaters

- 351,38 € Haftungsanteil der Mutter

= 171,24 € Differenz der beiden Haftungsanteile

÷ 2

= 85,62 € Ausgleichszahlung (hälftige Differenz der beiden

Haftungsanteile)

Abbildung 18 - Berechnung der Ausgleichszahlung187

Das errechnete Ergebnis i.H.v. 85,62 € entspricht dem Ausgleichsanspruch, den Frau

Müller als schlechter verdienender Elternteil gegenüber Herrn Müller hat. D.h. Herr Mül-

ler ist zur monatlichen Zahlung dieses Ausgleichs verpflichtet.

Würde die Methode des BGH zur Berücksichtigung des Kindergeldes bei der Berech-

nung des Ausgleichsanspruchs angewendet werden, müsste dem Haftungsanteil der

Mutter, die das Kindergeld empfängt, statt dem vollen Kindergeld von 192,00 € nur das

hälftige Kindergeld i.H.v. 96,00 € hinzugerechnet werden. Demnach würden sich fol-

gende Haftungsanteile der Eltern ergeben.

Haftungsanteil des Vaters Haftungsanteil der Mutter

552,62 € Haftungsanteil 219,38 € Haftungsanteil

- 30,00 € zusätzliche Fahrtkos-

ten

+

-

96,00 €

60,00 €

Kindergeld

Kosten für die Nachmit-

tagsbetreuung

= 522,62 € Haftungsanteil = 351,38 € Haftungsanteil

Abbildung 19 - Berechnung der Haftungsanteile nach der Methode des BGH188

Nach dieser Methode hätte Frau Müller einen Haftungsanteil i.H.v. 255,38 €. Die Haf-

tungsanteile beider Elternteile sind wie gehabt auszugleichen, indem der höhere Haf-

tungsanteil um den niedrigeren gemindert wird. Die sich daraus ergebende Differenz ist

ebenfalls durch zwei zu teilen, sodass sich die hälftige Differenz ergibt.

187 Eigene Darstellung. 188 Eigene Darstellung.

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522,62 € Haftungsanteil des Vaters

- 255,38 € Haftungsanteil der Mutter

= 267,24 € Differenz der beiden Haftungsanteile

÷ 2

= 133,62 € hälftige Differenz der beiden Haftungsanteile

Abbildung 20 - Berechnung der hälftigen Differenz der beiden Haftungsanteile189

Anschließend, nachdem die Ausgleichszahlung, die an den schlechter verdienenden El-

ternteil, hier Frau Müller, ausgezahlt werden muss, bestimmt wurde, wird die Hälfte des

auf die Betreuung entfallenden hälftigen Kindergeldes von der Ausgleichszahlung des

Herrn Müller an Frau Müller abgezogen.

133,62 € hälftige Differenz der beiden Haftungsanteile

- 48,00 € Hälfte des hälftigen Kindergeldes

= 85,62 € Ausgleichszahlung von Herrn Müller an Frau Müller

Abbildung 21 - Berechnung der Ausgleichszahlung nach der Methode des BGH190

Somit ergibt sich eine Ausgleichszahlung i.H.v. 85,62 € des Herrn Müller an Frau Müller.

Bei beiden aufgeführten Methoden, die bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs

die Anrechnung des Kindergeldes unterschiedlich berücksichtigen, wurden die gleichen

Ergebnisse ermittelt.

4.2.4 Unterhaltstitel

Die Schaffung eines Unterhalstitels im Wechselmodell ist grundsätzlich möglich. Jedoch

kann der Unterhalt nicht in Form eines dynamischen Titels festgeschrieben werden, da

es hierbei um den Haftungsanteil eines Elternteils am Gesamtbedarf des Kindes zuzüg-

lich Mehrbedarf geht und dies nicht durch einen Prozentsatz ausgedrückt werden kann,

wie es bei den Bedarfssätzen der Düsseldorfer Tabelle der Fall ist.191 Daraus folgt für

die Verfasserin, dass ein statischer Unterhaltstitel geschaffen werden kann mit der Fest-

setzung einer Ausgleichszahlung, die der besser verdienende Elternteil an den jeweils

anderen zu zahlen hat.

189 Eigene Darstellung. 190 Eigene Darstellung. 191 Interview mit Frau Diehl, Richterin am OLG, Anhang 2, Frage 12, S. 66.

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Es wird daher die Meinung vertreten, dass die Unterhaltsverpflichtung beider Elternteile

einschließlich der Ausgleichszahlung des einen Elternteils an den anderen in Form einer

Urkunde festgehalten werden kann. Diese Beurkundung der Unterhaltsverpflichtung

muss allerdings auf freiwilliger Basis erfolgen, da bei einem Wechselmodell keine Bei-

standschaft eingerichtet, sondern lediglich eine unterhaltsrechtliche Beratung vorgenom-

men werden kann. Ist dies auf freiwilliger Basis nicht möglich, muss gerichtlich vorge-

gangen werden, um einen Titel zu schaffen. Für dieses Vorgehen muss allerdings ein

Elternteil gem. § 1628 S. 1 BGB einen Antrag beim zuständigen Familiengericht stellen,

dass diesem hierfür die alleinige Entscheidung übertragen und er so gegen den anderen

Elternteil einen Titel gerichtlich erwirken kann.192

Jedoch sollten sich die Eltern einigen, dass ein Wechselmodell überhaupt gut funktio-

nieren kann. Als Alternative könnten beide Elternteile ein gemeinsames Konto für ihr

Kind einrichten, auf das jeder Elternteil seinen Haftungsanteil am Gesamtbedarf des Kin-

des einzahlt. Von diesem Konto können die Kosten des Kindes, wie z.B. Kosten für Klei-

dung, Schulutensilien und weiteres, gedeckt werden.193

Wurde die Betreuung des Kindes im Wechselmodell einvernehmlich zwischen beiden

Elternteilen geregelt, wird empfohlen, alle Vereinbarungen zur Betreuung und den be-

rechneten Unterhalt in Form einer Elternvereinbarung festzulegen. Ist zu Beginn der

Praktizierung eines Wechselmodells zwischen den Eltern noch alles friedlich, kann es

mit der Zeit zu vermehrten Konflikten kommen.194 Durch die Regelung der Angelegen-

heiten in einer Elternvereinbarung, können diese Konflikte vermieden werden. Weiterhin

kann auch der Kindesunterhalt fest geregelt werden, sodass auch in dieser Hinsicht eine

gerichtliche Geltendmachung der Unterhaltsansprüche erspart werden kann. So können

auch die berechneten Haftungsanteile am Gesamtbedarf des Kindes und der sich dar-

aus ergebende Ausgleichsanspruch eines Elternteils in der Elternvereinbarung festge-

schrieben werden.195

5 Fazit

Das übergeordnete Ziel der Thesis bestand darin, zu erarbeiten, welche Voraussetzun-

gen für eine Betreuung im Residenzmodell mit erweitertem Umgang und im Wechsel-

modell gegeben sein müssen und wie sich die Modelle auf den Kindesunterhalt und

seine Berechnung auswirken. Daher sollte eine Handlungsanweisung für die Sachbear-

beiter der Beistandschaft des MKK erarbeitet werden, die die Arbeit der Beistände in

Bezug auf die Geltendmachung der Unterhaltsansprüche erleichtert. Dieses Ziel wurde

von der Verfasserin erreicht, indem die Handlungsanweisung mit den Erläuterungen zu

192 Interview mit Frau Diehl, Richterin am OLG, Anhang 2, Frage 12, S. 66. 193 Interview mit Frau Diehl, Richterin am OLG, Anhang 2, Frage 12, S. 66. 194 Damljanovic, 186. 195 Damljanovic, 187 f.

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den Voraussetzungen der beiden Betreuungsmodelle und den Auswirkungen beider Mo-

delle auf den Kindesunterhalt mit Beispielberechnungen erstellt wurde.

Im Nachhinein wird deutlich, dass die genannten Betreuungsmodelle unterschiedliche

Auswirkungen auf den Kindesunterhalt und die Berechnung des Unterhaltsanspruchs

des Kindes haben. Es erweist sich dabei sehr deutlich, dass das Wechselmodell im Ver-

gleich zu dem Residenzmodell wesentlich kostenintensiver ist, da die Eltern in einem

Wechselmodell einen deutlich höheren Bedarf des Kindes abdecken müssen.196 Jedoch

kann durch die Praktizierung der Betreuung im Residenzmodell mit erweitertem Umgang

oder im Wechselmodell das Wohl des Kindes enorm gefördert werden. Denn wenn beide

Elternteile eine enge Bindung während des Zusammenlebens zu ihrem gemeinsamen

Kind aufgebaut haben, wäre es nicht sehr förderlich für das Kind, wenn es nach einer

Trennung der Eltern nur noch durch einen der beiden Elternteile betreut werden würde.

Durch eine geteilte Betreuung beider Elternteile können die Bindungen zwischen den

Eltern und ihrem Kind aufrecht erhalten bleiben und das Kind hat weiterhin einen regel-

mäßigen Bezug zu Mutter und Vater.197

Eine Betreuung im Wechselmodell wird für sinnvoll erachtet, sobald sich die Eltern aus-

reichend gut verstehen und zwischen den Eltern kein zu großes Konfliktpotenzial gege-

ben ist. Zudem sollte eine gute Kommunikation und Kooperation zwischen beiden vor-

handen sein. Kommt es jedoch häufiger zu Konflikten und die Eigenschaften für ein ge-

lingendes Wechselmodell sind nicht gegeben, sollte die Betreuung des Kindes im Resi-

denzmodell mit einem erweiterten Umgang vorgezogen werden.

Die entstehenden unterhaltsrechtlichen Fragen bei Betreuungsmodellen mit geteilter

Verantwortung, wie das Residenzmodell mit erweitertem Umgang und das Wechselmo-

dell, können mittlerweile durch gefestigte Literatur und Rechtsprechung zum Teil beant-

wortet werden. Es bestehen jedoch auch noch allgemeine Unklarheiten. Dies betrifft u.a.

die Berechnung des Kindesunterhalts in beiden Modellen. Insbesondere im Wechselmo-

dell gibt es zur Berechnungsmethode unterschiedliche Ansätze und daher viele Unstim-

migkeiten, welche Methode angewandt werden sollte. Es wäre daher wünschenswert,

wenn die Rechtsprechung noch expliziter auf die Anforderungen eines Wechselmodells

eingehen und dabei auch eine vollständige Berechnungsmethode für allgemeingültig er-

klären würde.198

Bisher wurden nur klarstellende Regelungen zum Kindesunterhalt bei einer Betreuung

im Residenzmodell getroffen. Hingegen wurden noch keine Regelungen im Familien-

recht festgelegt, die sich den gesellschaftlichen Änderungen angepasst haben. Durch

die zunehmenden Betreuungsmodelle, die eine geteilte Verantwortung der Eltern bein-

196 Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1612, Rn. 29. 197 MüKo BGB/Hennemann, § 1671, Rn. 40. 198 Weber, NZFam 2016, 833.

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halten, werden genaue Regelungen im Unterhaltsrecht verlangt. Dies betrifft insbeson-

dere das Residenzmodell mit erweitertem Umgang und das Wechselmodell. Die gesell-

schaftlichen Veränderungen verlangen, dass auch für diese Modelle entsprechende Be-

rechnungsmethoden und Legaldefinitionen in den Regelungen des BGB gesetzlich ver-

ankert werden.199 Zumindest sollten genaue Regelungen zu den beiden Modellen in die

unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte aufgenommen werden.

199 Damljanovic, 175.

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Viefhues Kein Elternteil beim echten Wechselmodell vom Barunter-halt für das Kind befreit, Anmerkung zum Beschluss des BGH 12. Zivilsenat vom 05.11.2014, jurisPR-FamR 2/2015, Anm. 1

Weber Unterhalt beim Wechselmodell, NZFam 2016, 829 ff.

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- 55 -

Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis,

Die neueste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

und die Leitlinien der Oberlandesgerichte zum Unterhalts-

recht und zum Verfahren in Unterhaltssachen, 9. Auflage

2015

(zit.: Bearbeiter in: Wendl/Dose)

Wiesner (Hrsg.) SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, 5. Auf-

lage 2015

(zit.: Bearbeiter in: Wiesner)

Sonstige Quellen

OLG Düsseldorf Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.01.2017, als PDF auf:

http://www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldor-

fer_tabelle/Tabelle-2017/20161207_Duesseldorfer-Ta-

belle.pdf (Abrufdatum: 14.03.2017), (zit.: Düsseldorfer

Tabelle)

OLG Frankfurt am Main Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt am Main,

Stand: 01.01.2017, als PDF auf: https://olg-frankfurt-

justiz.hessen.de/irj/OLG_Frankfurt_am_Main_Internet?ci

d=1af1f1b1b98cb41926c8f5e6a0545327 (Abrufdatum:

14.03.2017), (zit.: Unterhaltsgrundsätze-OLG Frankfurt)

Internetquellen

(Der Zitiervorschlag befindet sich in der linken Spalte.)

www.bmfsfj.de BMFSJ, Die Beistandschaft, Hilfen des Jugendamtes bei

der Feststellung der Vaterschaft und der Geltendma-

chung des Kindesunterhalts, 2008, online:

https://www.bmfsfj.de/blob/94492/c51c5c14b1943dd4b97

de464bf387113/prm-10481-broschure-die-neue-beistand-

sch-data.pdf (Abrufdatum: 21.03.2017)

www.familien-

wegweiser.de

Beistandschaft - Unterstützung vom Jugendamt, o.J.,

online: http://www.familien-wegweiser.de/wegwei-

ser/stichwortverzeichnis,did=110542.html

(Abrufdatum: 21.03.2017)

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Anhang

Anhang 1 Düsseldorfer Tabelle, Stand: 01.01.2017 57

Anhang 2 Experteninterview mit Frau Gretel Diehl, Richterin am OLG 63

Anhang 3 Handreichung für die Beistände des Main-Kinzig-Kreises 70

Anhang 4 Ermittlungsbogen zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs

des Kindes

87

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Anhang 1 Düsseldorfer Tabelle, Stand: 01.01.2017

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Anhang 2 Experteninterview mit Frau Gretel Diehl, Richterin am OLG

Experteninterview mit Frau Gretel Diehl, vorsitzende Richterin des

4. Familiensenats am Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Thema: Kindesunterhalt im Falle des erweiterten Umgangs und des

Wechselmodells

Fragende: Luisa Ziegler, Duale Studentin an der Hessischen Hoch-

schule für Polizei und Verwaltung, Fachbereich Verwaltung

Befragte: Gretel Diehl, vorsitzende Richterin des 4. Familiensenats

am OLG Frankfurt am Main

Allgemeine Fragen

1. Wie viele gerichtlich anhängige Fälle des erweiterten Umgangs und des

Wechselmodells in Bezug auf Kindesunterhalt lagen am OLG Frankfurt

am Main bereits vor?

Richterin Diehl: Ich kann nur Angaben zu den Fällen des 4. Familien-

senats machen. Echte Wechselmodellfälle: 2, diese wur-

den aber nicht entschieden, sondern durch Vergleich be-

endet.

Erweiterter Umgang: geschätzt ca. 10 Fälle. Auch hier

wurden die Fälle verglichen.

In welchem Zeitraum lagen diese Fälle vor?

Richterin Diehl: Zeitraum: 2 Jahre

2. Nehmen die Fälle zum Thema Kindesunterhalt bei einem erweiterten Um-

gang und bei einem Wechselmodell zu?

Richterin Diehl: Ja, dies war früher kein Thema. Erst in den letzten Jahren

sind vor allem die Fälle mit erweitertem Umgang stark ge-

stiegen bei den Amtsgerichten und damit auch in der 2.

Instanz.

3. Werden Statistiken am OLG Frankfurt am Main geführt?

Wenn ja, gibt es Statistiken über die Fälle am OLG?

Richterin Diehl: Ja, aber dort werden nur die Anzahl der Verfahren und

der Verfahrensgegenstand erfasst, also Kindesunterhalt.

Nicht zu ersehen ist, ob ein Wechselmodellfall oder ein

erweiterter Umgang betroffen ist.

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4. Findet am OLG Frankfurt am Main ein Austausch mit anderen Oberlandes-

gerichten statt?

Richterin Diehl: Zunächst findet ein Austausch zwischen den Familiense-

naten statt und dies führt zu den Unterhaltsgrundsätzen

des Oberlandesgerichts Frankfurt/ Main. Dann findet auch

ein Austausch mit anderen Oberlandesgerichten bundes-

weit statt, z.B. durch die Zusammenarbeit in der Unter-

haltskommission des deutschen Familiengerichtstages

aber auch durch gemeinsame Fortbildungen.

5. Kann bei den Fällen des erweiterten Umgangs oder des Wechselmodells

in verschiedene Altersgruppen differenziert werden?

Wenn ja, gibt es mehr gerichtlich anhängige Fälle bei Kindern im Alter von

0-5 Jahren, bei Kindern im Alter von 6-11 Jahren oder bei Kindern bzw.

Jugendlichen im Alter von 12-17?

Richterin Diehl: Nein, die bisherigen Fällen betrafen Kinder aus den ver-

schiedensten Altersgruppen.

6. Gibt es bestimmte regionale Bereiche des Bezirks des OLG Frankfurt am

Main, in denen deutlich mehr Fälle des erweiterten Umgangs und des

Wechselmodells vorliegen als in anderen regionalen Bereichen?

Richterin Diehl: Nein, auch im ländlichen Bereich kommt dies verstärkt

vor.

7. Gibt es in Städten mehr Fälle des erweiterten Umgangs und des Wechsel-

modells als in ländlicheren Bereichen?

Wenn ja, liegen Ihnen Erkenntnisse vor, woran dies liegen könnte?

Richterin Diehl: Durch die Mobilität der Bevölkerung und die hohen Miet-

kosten in den Ballungsräumen sind viele Eltern aufs Land

gezogen, sodass auch dort die Fälle mit erweitertem Um-

gang und Wechselmodell vorkommen. In den Ballungs-

zentren ist es schon deshalb nicht der Normalfall, weil

auch nach Trennung größere Wohnungen beim Wechsel-

modell oder beim erweiterten Umgang vorgehalten wer-

den müssen und dies für viele zu teuer ist.

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Spezielle Fragen

8. Anhand welcher Kriterien wird festgestellt, dass ein Fall des erweiterten

Umgangs oder ein Fall des Wechselmodells vorliegt?

Wie müssen z.B. die Betreuungszeiten zwischen beiden Elternteilen auf-

geteilt sein?

Richterin Diehl: Im Unterhaltsrecht ist die Vorgabe des BGH annähernd

50:50,dh. 49 zu 51 geht auch noch beim echten Wechsel-

modell aber schon 55:45 wird kritisch.

Wie finden Sie heraus, welches Modell im Einzelfall vorliegt?

Richterin Diehl: Die Eltern müssen dies vortragen.

Findet auch eine Anhörung der Kinder im gerichtlichen Verfahren statt?

Richterin Diehl: Nicht im Verfahren betreffend den Unterhalt, wohl aber im

Verfahren betreffend Umgang und elterliche Sorge.

Wenn ja, ab welchem Alter findet die Anhörung statt?

Richterin Diehl: In den Kindschaftsverfahren ohne jede Altersbeschrän-

kung.

9. Nach welchem Maßstab bzw. ab welcher Höhe der Kosten erfolgt bei ei-

nem Fall des erweiterten Umgangs eine Herabstufung in eine niedrigere

Einkommensgruppe?

Richterin Diehl: Nach Billigkeit. Dies lässt sich nicht mit Zahlen festma-

chen und auch nicht rechnerisch lösen. Entscheidend ist

immer der Einzelfall. Es wird im Grunde überlegt, was

dem Unterhaltspflichtigen noch verbleibt. Die Untergrenze

ist allerdings regelmäßig der Mindestunterhalt.

Wann erfolgt eine Herabstufung um mehrere Einkommensgruppen?

Richterin Diehl: Siehe vorstehend Ausführungen.

Liegt dies im Ermessen der Beistandschaft?

Richterin Diehl: Nein, nur im Ermessen des Gerichts.

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10. Müssen bei der Berechnung des Kindesunterhaltes im Falle eines Wech-

selmodells ebenfalls die Einkommen beider Elternteile um Aufwendun-

gen, wie z.B. berufsbedingte Fahrtkosten, bereinigt werden?

Richterin Diehl: Ja, denn maßgeblich ist im Unterhaltsrecht immer das un-

terhaltsrechtlich bereinigte Einkommen.

11. Muss im Falle eines Wechselmodells auch alle zwei Jahre die Überprü-

fung der Einkommensverhältnisse gemäß § 1605 BGB beider Elternteile

erfolgen?

Wenn nein, wie wird es in diesem Fall gehandhabt?

Richterin Diehl: Da es beim Wechselmodell keine Beistandschaft gibt, ist

der Beistand hierzu nicht verpflichtet. Die Eltern sind gut

beraten, alle 2 Jahre ihre aktuellen Einkommensunterla-

gen auf freiwilliger Basis auszutauschen. Wenn sich einer

weigert, muss der andere zunächst die Legitimation vom

Familiengericht erhalten, die Auskunft des anderen vor

Gericht erstreiten zu dürfen für den Kindesunterhalt ge-

mäß § 1628 BGB.

12. Kann in einem Wechselmodell nach der Unterhaltsberechnung ein dyna-

mischer oder statischer Unterhaltstitel geschaffen werden?

Wenn ja, was ist hierfür erforderlich und was muss beachtet werden?

Richterin Diehl: Zunächst muss ein Elternteil die Legitimation bekommen,

den Kindesunterhalt allein geltend zu machen, da in der

Regel die Eltern beim Wechselmodell gemeinsam sorge-

berechtigt sind. Daher ist ein Vorgehen nach § 1628 BGB

erforderlich. Der Elternteil, der das Recht hat, kann dann

gegen den anderen Elternteil gerichtlich vorgehen, um ei-

nen Titel zu schaffen. Dies ist im vereinfachten Verfahren

nicht möglich, wohl aber vor dem Richter. Ein dynami-

scher Titel wird nicht möglich sein, weil es um den Anteil

des anderen Elternteils am Gesamtunterhalt einschließ-

lich Mehrbedarf geht und dies nicht bzw. Kaum mit einer

dynamischen Anknüpfungsgröße ausgedrückt werden

kann.

Wenn nein, wie erfolgt die Absicherung des Unterhaltsanspruchs eines

Kindes?

Richterin Diehl: Sinnvollerweise sollten die Eltern sich aber einigen und

z.B. ein gemeinsames Kinderkonto einrichten auf den je-

der Elternteil seinen Anteil am Unterhalt einzahlt und von

dem dann laufende Kosten des Kindes, wie Kindergarten,

Kleidung, Schulsachen usw. gezahlt werden.

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13. Kann bei einem Fall des erweiterten Umgangs ein dynamischer oder stati-

scher Unterhaltstitel geschaffen werden?

Wenn ja, was muss hierbei beachtet werden?

Richterin Diehl: Natürlich können hier Titel geschaffen werden und zwar

relativ problemlos, denn die Vertretungsberechtigung des

Elternteils, bei dem das Kind seinen gewöhnlichen Auf-

enthaltsort hat ist ja nicht beeinträchtigt. Allerdings wird

die Höhe des Unterhaltes durch den erweiterten Umgang

beeinflußt, d.h. es gibt weniger Unterhalt. Üblicherweise

wird dies durch Herabstufungen in der Tabelle erreicht,

aber man kann auch unter den Mindestunterhalt gehen.

Leider gibt es dafür keine festen Regeln, es wird nach Bil-

ligkeit entschieden.

14. Sollen Unterhaltsansprüche im Wechselmodell geltend gemacht werden,

muss entweder ein Ergänzungspfleger bestellt werden oder das Gericht

überträgt einem Elternteil die alleinige Entscheidung in der Sache.

Wird der Ergänzungspfleger vom zuständigen Gericht bestellt?

Richterin Diehl: Ja, denn in der Regel sind die Zuständigkeiten identisch

für den Unterhalt und die Pflegerbestellung. Es geschieht

aber in einem gesonderten Verfahren und dieses sollte

vor dem Unterhaltsverfahren abgeschlossen sein, denn

ansonsten kann das Unterhaltsverfahren nicht betrieben

werden und wird wohl ausgesetzt werden.

Muss von dem jeweiligen Elternteil, der den Unterhalt geltend machen

möchte, ein Antrag gestellt werden, dass ein Ergänzungspfleger bestellt

wird?

Richterin Diehl: Ja, denn das Gericht macht dies nicht von Amts wegen,

wenn keine Veranlassung besteht. Es ist kein förmlicher

Antrag, sondern nur die Mitteilung an das Gericht, dass

eine Ergängungspflegerbestellung erforderlich wird. Es

kann auch von Amts wegen erfolgen, wenn das Unter-

haltsverfahren läuft und man feststellt, keiner kann vertre-

ten, aber das ist gefährlich, denn das Gericht muss das

nicht tun, es kann auch den Antrag zurückweisen.

Muss ein Anwalt den Elternteil hierfür vertreten bzw. besteht hierfür ein

Anwaltszwang?

Richterin Diehl: Nein, es besteht kein Anwaltszwang.

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Wenn nein, wie erfolgt die Bestellung eines Ergänzungspflegers?

Richterin Diehl: Das Gericht prüft, ob es einen Anlass gibt, was beim

Wechselmodell gegeben ist, und such dann einen Ergän-

zungspfleger aus, dieser wird bestellt und gegebenenfalls

bestallt und muss dann tätig werden.

15. Wirkt es sich anders auf den Kindesunterhalt aus, wenn das Wechselmo-

dell in Form eines Nestmodells praktiziert wird?

Richterin Diehl: Ja, denn dann entstehen andere Bedarfe.

Wenn ja, wie und wo liegen die Unterschiede?

Richterin Diehl: Die Bedarfe des Kindes verändern sich. Der Wohnbedarf

wird anders berechnet, es entfallen die Wechselmodellbe-

dingten Fahrtkosten für das Kind usw.

Können bei der Berechnung des Kindesunterhalts auch Fahrtkosten und

Kosten für eine zweite Wohnung der Eltern berücksichtigt werden?

Richterin Diehl: Nein, das sind ja keine kindbedingten Mehrbedarfe, son-

dern Elternbedingte. Ich würde sie nicht anerkennen. Viel-

mehr müssen das die Eltern selber regeln. Aber eventuell

kann diese elternbedingte Mehrbedarf vorweg vom Ein-

kommen abgezogen werden und dann bleibt weniger für

das Kind.

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Anhang 3 Handreichung für die Beistände des Main-Kinzig-Kreises

Berechnung des Kindesunterhalts im Falle eines Residenzmodells mit

erweitertem Umgang oder eines Wechselmodells

- Handreichung für die Beistände des Main-Kinzig-Kreises –

Stand: 29.05.2017

I. Residenzmodell mit erweitertem Umgang

Unterhaltspflichtiger Elternteil nimmt üblichen Umgangskontakte mit seinem Kind

in einem größeren Umfang als üblich wahr

Offensichtlicher Schwerpunkt der Betreuung ist weiterhin bei einem Elternteil ge-

geben

Annäherung an eine Mitbetreuung des Kindes durch unterhaltspflichtigen Eltern-

teil

1. Voraussetzungen

Wahrnehmung eines mehr als üblichen Umgangsumfang des Unterhaltspflichti-

gen mit seinem Kind

Erweiterter Umgang: mehr als ca. fünf bis sechs Tage pro Monat, ohne Ferien-

regelung

Offensichtlicher Schwerpunkt der Betreuung bei einem Elternteil

Kind muss festen Wohnsitz bei Elternteil haben

Voraussetzungen für Wechselmodell dürfen nicht erfüllt sein

Umgangsberechtigter Elternteil darf nicht zu einem Anteil von ca. 45 –

50 % an Betreuung des Kindes beteiligt sein

2. Auswirkungen auf den Unterhalt

§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB findet erneut seine Anwendung, da Betreuungsschwer-

punkt weiterhin bei einem Elternteil gegeben ist

Überwiegend betreuender Elternteil kommt Unterhaltsverpflichtung durch

Betreuungsunterhalt (Pflege und Erziehung des Kindes) nach; Befreiung

von Barunterhaltspflicht

Anderer Elternteil, der erweiterten Umgang wahrnimmt, ist weiterhin zur

Zahlung von Barunterhalt verpflichtet

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Durch erweiterten Umgang entstehende Kosten sind nicht in Bedarfssätzen der

Düsseldorfer Tabelle enthalten

Berücksichtigung bei Berechnung des Unterhaltsanspruchs

Prüfung welche Kosten des erweiterten Umgangs berücksichtigt werden können

Unterscheidung zwischen den Kosten:

Kosten, die reinen Mehraufwand für

die Ausübung des erweiterten Um-

gangs darstellen

Kosten, die zum Teil Bedarf des Kindes

decken und Entlastung für überwie-

gend betreuenden Elternteil darstellen

o Insbesondere Fahrtkosten und Kosten

für zusätzlichen Wohnraum und Aus-

stattung des Kinderzimmers

o Zu den Fahrtkosten zählen:

Fahrtkosten des Kindes zu dem

umgangsberechtigten Elternteil

Fahrtkosten des Elternteils für das

Abholen und Bringen des Kindes

o Mehraufwendungen können bei Be-

stimmung des Unterhalts durch geän-

derte Eingruppierung in Einkommens-

gruppe der Düsseldorfer Tabelle be-

rücksichtigt werden

Entweder durch Herabstufung

um eine oder mehrere Einkom-

mensgruppen

Oder durch Verzicht auf ange-

brachte Hochstufung in höhere

Einkommensgruppe

o Insbesondere Kosten für Verpflegung

des Kindes während dem Aufenthalt

bei umgangsberechtigten Elternteil

o Bedarfsdeckende Mehraufwendungen

des umgangsberechtigten Elternteils,

durch die Ersparnisse bei anderem El-

ternteil entstehen, können festgesetz-

ten Unterhaltsbedarf weiterhin min-

dern

Unterhaltspflichtiger Eltern-

teil trägt für Mehraufwendungen

Darlegungs- und Beweislast

Bedarfsdeckender Mehr-

aufwand für Verpflegung des Kin-

des kann mit einer Berechnung

ermittelt werden

Berechnung des Unterhaltsanspruchs des Kindes:

a. Monatliches Bruttoeinkommen des Unterhaltspflichtigen wird um Steuer-

und Vorsorgeaufwendungen gemindert

b. Berechnung des durchschnittlichen Nettoeinkommens pro Monat

Monatliches Nettoeinkommen wird auf ein Jahr hochgerechnet

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Ggf. Berücksichtigung von Weihnachts- und Urlaubsgeld

Nettoeinkommen pro Jahr wird für einen Monat ausgerechnet

c. Ggf. Hinzurechnung anteiliges monatliches Steuerguthaben/ Abziehen antei-

lige monatliche Steuernachzahlung

d. Bereinigung des durchschnittlichen Nettoeinkommens pro Monat um ab-

zugsfähige Aufwendungen, wie z.B. berufsbedingte Fahrtkosten

e. Einstufung in eine Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle nach dem

bereinigten Nettoeinkommen

Berücksichtigung der Mehraufwendungen des erweiterten Umgangs

Wann Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen vorgenom-

men bzw. wann auf gebotene Hochstufung verzichtet werden kann, muss

dem Einzelfall entsprechend entschieden werden

Abhängig davon, was Unterhaltspflichtigen an Einkommen verbleibt

Mindestunterhalt ist die Untergrenze

f. Festsetzung des Unterhaltsbedarfs des Kindes

Der Unterhaltsbedarf des Kindes wird durch die ermittelte Einkommens-

gruppe und anhand der jeweiligen Altersstufe des Kindes nach der Düssel-

dorfer Tabelle festgesetzt

g. Minderung des festgesetzten Unterhaltsbedarfs um Verpflegungsaufwand

für die Tage, die zusätzlich zum üblichen Umgang (ca. 5-6 Tagen) wahrge-

nommen werden

Berechnung des Verpflegungsaufwands:

Anhand des monatlichen Verpflegungsaufwands kann der Verpflegungsaufwand

pro Tag ausgerechnet

Monatlicher Verpflegungsaufwand kann der folgenden Tabelle, die wie die Düs-

seldorfer Tabelle aufgebaut ist, entnommen werden:

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Bereinigtes

Nettoeinkommen

Verpflegungsaufwand

(58,4 % vom Bedarfssatz) %

1. Altersstufe

(0-5 Jahre)

2. Altersstufe

(6-11 Jahre)

3. Altersstufe

(12-17 Jahre)

1 Bis 1.500 144 173 213 100 %

2 1.501 – 1.900 154 185 226 105 %

3 1.901 – 2.300 164 197 239 110 %

4 2.301 – 2.700 174 208 253 115 %

5 2.701 – 3.100 184 220 266 120 %

6 3.101 – 3.500 200 238 288 128 %

7 3.501 – 3.900 216 256 310 136 %

8 3.901 – 4.300 232 275 331 144 %

9 4.301 – 4.700 248 293 353 152 %

10 4.701 – 5.100 264 311 374 160 %

Berechnung Verpflegungsaufwand pro Tag:

Monatlicher Verpflegungsaufwand

÷ 30 Tage

= Verpflegungsaufwand pro Tag

Verpflegungsaufwand pro Tag wird auf die Tage hochgerechnet, die zusätzlich

zu den Tagen des üblichen Umgangs wahrgenommen werden

Berechnung Verpflegungsaufwand für zusätzliche Tage über üblichen Umgang hinaus:

Verpflegungsaufwand pro Tag

× Anzahl der Tage, die über üblichen Umgangskontakt hinausgehen

= Verpflegungsaufwand für X Tage

Berechneter Verpflegungsaufwand für X Tage stellt die Ersparnis im Haushalt

des überwiegend betreuenden Elternteils dar und wird von festgesetztem Unter-

haltsbedarf des Kindes abgezogen

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Berechnung monatliche Unterhaltsverpflichtung des Unterhaltspflichtigen:

Festgesetzter Unterhaltsbedarf des Kindes

- Verpflegungsaufwand für X Tage

= Monatliche Unterhaltsverpflichtung des Unterhaltspflichtigen

3. Benötigte Unterlagen für die Unterhaltsberechnung

Ausgefüllter Ermittlungsbogen zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs des

Kindes/der Kinder (Anhang 4) mit Angaben zu den Personalien und Einkom-

mens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen

Ermittlungsbogen wurde zur besseren Erfassung der Daten von Sachge-

biet der Beistandschaft erstellt

Ausfüllen des Ermittlungsbogens ist nicht zwingend erforderlich, Angaben

zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen können auch ohne Er-

mittlungsbogen eingereicht werden

Alle Gehaltsabrechnungen der letzten zwölf Monate

Alle Steuerbescheide, die dem Unterhaltspflichtigen im zu überprüfenden Zeit-

raum zugegangen sind

Nachweise für monatliche Aufwendungen, um die das Nettoeinkommen berei-

nigt werden könnte (z.B. berufsbedingte Fahrtkosten)

Nachweise für monatliche Aufwendungen, die durch erweiterten Umgang ent-

stehen (z.B. zusätzliche Fahrtkosten, erhöhte Unterbringungskosten)

4. Beispielberechnung des Unterhalts

Sachverhalt: - Betreuungsschwerpunkt liegt bei der Mutter

- Betreuung des achtjährigen Kindes durch Vater an zehn Ta-

gen im Monat, ohne Ferienregelung

Erweiterter Umgang, da vier Tage mehr als bei einem

üblichen Umgang wahrgenommen werden

- Bereinigtes monatliches Nettoeinkommen des Vaters:

2.591,01 €

- Kosten des Vaters, die durch erweiterten Umgang entstehen

Erhöhte Unterbringungskosten i.H.v. ca. 100,00 € und

zusätzliche Fahrtkosten i.H.v. 40,00 € monatlich

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Berechnung Unterhaltsanspruch des Kindes:

Die Berechnung des bereinigten monatlichen Nettoeinkommens (die oben unter Buch-

stabe a. – d. aufgeführten Schritte) erfolgt wie unter Punkt 2.2.3 der Bachelorthesis auf-

geführt.

e. Einstufung in eine Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle nach dem

bereinigten Nettoeinkommen des Vaters

Nach bereinigtem monatlichen Nettoeinkommen i.H.v. 2.591,01 € erfolgt Einstu-

fung in vierte Einkommensgruppe, zweite Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle

(115 % des Mindestunterhalts)

Vater hat nur ein Kind, müsste in fünfte Einkommensgruppe der Düsseldorfer

Tabelle hochgestuft werden

Mehraufwendungen des erweiterten Umgangs i.H.v 140,00 € gesamt müssen

berücksichtigt werden

Absehen von gebotener Hochstufung in fünfte Einkommensgruppe, Vater ver-

bleibt in vierter Einkommensgruppe

f. Festsetzung des Unterhaltsbedarfs des Kindes

Vierte Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle entspricht einem Unterhalts-

anspruch von 115 % des Mindestunterhalts, achtjähriges Kind ist zweiten Alters-

stufe zuzuordnen

Demnach besteht Unterhaltsanspruch i.H.v. 452,00 €, abzüglich hälftigem Kin-

dergeld (96,00 €) besteht Unterhaltsanspruch i.H.v.356,00 €

g. Minderung des festgesetzten Unterhaltsbedarfs um Verpflegungsaufwand

für die vier Tage, die zusätzlich zum üblichen Umgang wahrgenommen wer-

den

Nach der oben aufgeführten Tabelle beträgt der monatliche Verpflegungsauf-

wand 208,00 € bei einem Unterhaltsanspruch von 356,00 €

Berechnung Verpflegungsaufwand pro Tag:

208,00 € Monatlicher Verpflegungsaufwand

÷ 30 Tage

= 6,93 € Verpflegungsaufwand pro Tag

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Kaufmännisch auf volle Euro gerundet, entspricht das einem Verpflegungsaufwand

von 7,00 € pro Tag.

Berechnung Verpflegungsaufwand für vier Tage:

7,00 € Verpflegungsaufwand pro Tag

× 4 Tage

= 28,00 € Verpflegungsaufwand für 4 Tage

Berechnung monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters:

356,00 € Festgesetzter Unterhaltsbedarf des Kindes

- 28,00 € Verpflegungsaufwand für 4 Tage

= 328,00 € Monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters

Vater ist verpflichtet seinem Kind monatlich Unterhalt i.H.v. 328,00 € zu zahlen

5. Unterhaltstitel

Unterhaltstitel kann geschaffen werden, da überwiegend betreuender Elternteil

Vertretungsbefugnis besitzt

Schaffung eines Titels in dynamischer Form problematisch, da Unter-

haltsanspruch nicht durch Prozentsatz festgesetzt werden kann

Unterhaltstitel in statischer Form möglich

Urkunde kann auf freiwilliger Basis des Unterhaltspflichtigen geschaffen werden

Keine freiwillige Beurkundung der Unterhaltsverpflichtung gegeben, muss

Titel gerichtlich erwirkt werden

Beistand kann Kind vor Gericht vertreten und Titel erwirken

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II. Wechselmodell

Beide Elternteile nehmen hälftige Betreuung wahr

Annähernd gleiche Aufteilung der Betreuungszeit zwischen Eltern (50 % zu

50 %)

Kein Betreuungsschwerpunkt bei einem Elternteil

Unterscheidung Wechselmodell in Pendel- oder Doppelresidenzmodell und

Nestmodell:

1. Voraussetzungen

Beteiligung beider Elternteile zu annähernd gleichwertigen Anteilen an Betreuung

des Kindes

Annäherung an 50 %:50 % Aufteilung der Betreuung an Tagen und in

Nächten

Aufteilung der Betreuung von 55 % zu 45 % wird kritisch

Aufteilung organisatorischer Aufgaben

Z.B. Kaufen notweniger Kleidung, Schulutensilien oder Organisation der

Teilnahme an außerschulischen Aktivitäten

Gleichmäßige Aufteilung der Verantwortung für das Kind und dessen Betreuung

Verantwortung für schulische, gesundheitliche, etc. Angelegenheiten

Sicherstellung der Betreuung

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Voraussetzungen, die für gelingendes Wechselmodell unverzichtbar sind und

Ausschlussgründe, die gegen Praktizierung des Wechselmodells sprechen:

Gegenüberstellung: Unverzichtbare Voraussetzungen – Ausschlussgründe

Weitere Kriterien, die eine Betreuung im Wechselmodell begünstigen können:

Zustimmung beider Elternteile zu Betreuung im Wechselmodell

Eigene Bedürfnisse müssen hinten angestellt werden für das Wohl des

Kindes

Ablehnung eines Elternteils kann zu Schwierigkeiten führen

Gute Kommunikation und Kooperation zwischen Eltern

Keine Entstehung von Missverständnissen

Einfache Lösung der Probleme

Flexibilität und Großzügigkeit der Eltern sollte gegeben sein

Gewährleistung der Betreuung

Keine hohe Konflikthäufigkeit

Kinder von Streitigkeiten fernhalten

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2. Auswirkungen auf den Unterhalt

Keine Anwendung des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB bei einem Wechselmodell, da

beide Elternteile Kindesbetreuung übernehmen

Beide Elternteile haften für Barunterhalt des Kindes

Keine Befreiung der Barunterhaltsverpflichtung

Grundbedarf des Kindes richtet sich nach Einkommens- und Vermögensverhält-

nissen beider Elternteile

Unterhaltsbedarf wird anhand der bereinigten Nettoeinkommen beider El-

ternteile zusammen festgesetzt

Zusätzlich zum Grundbedarf wird Mehrbedarf addiert, der durch Betreuung im

Wechselmodell entsteht (=Gesamtbedarf)

Für Gesamtbedarf des Kindes haften Eltern anteilig nach den Einkommens- und

Vermögensverhältnissen

Haftungsanteile der Eltern am Gesamtbedarf sind auszugleichen

Ausgleichszahlung des Elternteils mit höherem Haftungsanteil an Eltern-

teil mit niedrigerem Haftungsanteil

Berechnung des Unterhaltsanspruchs des Kindes:

(Aus Gründen der Vereinfachung wird die Berechnungsmethode nach Bausch/Gut-

deutsch/Seiler angewandt.)

a. Monatliche Bruttoeinkommen der beiden Elternteile werden um Steuer- und

Vorsorgeaufwendungen gemindert

b. Berechnung der durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen beider El-

ternteile

Monatliche Nettoeinkommen werden auf ein Jahr hochgerechnet

Ggf. Berücksichtigung von Weihnachts- und Urlaubsgeld

Nettoeinkommen pro Jahr werden für einen Monat ausgerechnet

c. Ggf. Hinzurechnung anteiliges monatliches Steuerguthaben/ Abziehen antei-

lige monatliche Steuernachzahlung beider Elternteile

d. Bereinigung der durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen beider El-

ternteile um abzugsfähige Aufwendungen, wie z.B. berufsbedingte Fahrtkos-

ten

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Durch Praktizierung eines Nestmodells ggf. entstandenen elternbedingte

Mehraufwendungen könnten bei Bereinigung des Nettoeinkommens berück-

sichtigt werden

e. Ermittlung Grundbedarf des Kindes durch Einstufung in Einkommensgruppe

der Düsseldorfer Tabelle

Bildung einer Summe aus bereinigten Nettoeinkommen der Eltern

Anhand Summe erfolgt Einstufung in Einkommensgruppe der Düsseldorfer

Tabelle

Nach Altersstufe des Kindes wird Unterhaltsanspruch und somit Grundbe-

darf des Kindes festgesetzt

f. Abzug hälftiges Kindergeld von Grundbedarf des Kindes

g. Erhöhen des Grundbedarfs um Mehrbedarf, Berechnen des Gesamtbedarfs

Mehrbedarf, der durch Betreuung im Wechselmodell entsteht, insbesondere

Fahrtkosten und Unterbringungskosten

Durch Nestmodell ergeben sich geänderte Bedarfe, z.B. anderer Wohnbe-

darf, Fahrtkosten des Kindes entfallen

Weiterer Mehrbedarf des Kindes, z.B. Kindergartenkosten

Mehrbedarf muss von Eltern konkret dargelegt werden

Mehrbedarf wird dem Grundbedarf hinzugerechnet, ergibt Gesamtbedarf

des Kindes

h. Berechnung der anteiligen Haftung des jeweiligen Elternteils am Gesamtbe-

darf des Kindes

Gesamtbedarf

x Einsatzbetrag eines Elternteils

(= Einkommen eines Elternteils - Selbstbehalt)

÷ Gesamteinsatzbetrag

(= Einkommen beider Elternteile – Selbstbehalt für beide Elternteile)

= Haftungsanteil eines Elternteils

i. Hinzurechnen des vollen Kindergelds (derzeit 192,00 €) dem Haftungsanteil

des Kindergeldempfängers und Abzug der zu leistenden Aufwendungen von

Haftungsanteilen der Eltern

Nur Abzug von Eigenleistungen, die ausschließlich von einem Elternteil ge-

leistet wurden

Z.B. Fahrtkosten, Kosten für Betreuung, etc., solange diese nur von einem

Elternteil geleistet wurden

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Keine Reduzierung der Haftungsanteile um erhöhte Wohnkosten oder Kos-

ten aufgrund doppelter Anschaffungen

j. Ausgleich der Haftungsanteile beider Elternteile

Elternteil mit geringerem Haftungsanteil hat Ausgleichsanspruch in Höhe der

hälftigen Differenz zwischen Haftungsanteilen gegenüber Elternteil mit hö-

herem Haftungsanteil

Höherer Haftungsanteil eines Elternteils

- Geringerer Haftungsanteil des anderen Elternteils

= Differenz der Haftungsanteile

÷ 2

= Ausgleichszahlung (hälftige Differenz der Haftungsanteile)

3. Benötigte Unterlagen für die Unterhaltsberechnung

Ausgefüllter Ermittlungsbogen zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs des

Kindes/der Kinder (Anhang 4) mit Angaben zu den Personalien und Einkom-

mens- und Vermögensverhältnisse beider Elternteile

Ermittlungsbogen wurde zur besseren Erfassung der Daten von Sachge-

biet der Beistandschaft erstellt

Ausfüllen des Ermittlungsbogens ist nicht zwingend erforderlich, Angaben

zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen können auch ohne Er-

mittlungsbogen eingereicht werden

Alle Gehaltsabrechnungen der letzten zwölf Monate beider Elternteile

Alle Steuerbescheide, die den beiden Elternteilen im zu überprüfenden Zeit-

raum zugegangen sind

Nachweise für monatliche Aufwendungen, um die das Nettoeinkommen berei-

nigt werden könnte (z.B. berufsbedingte Fahrtkosten)

Bei Praktizierung des Nestmodells: Nachweise der Eltern über elternbe-

dingten Mehraufwand, wie z.B. erhöhte Wohnkosten für zusätzliche Woh-

nung oder zusätzliche Fahrtkosten

Nachweise für Mehrbedarf des Kindes, z.B. erhöhte Wohnkosten oder erhöhter

Wohnbedarf

Nachweise für Eigenleistungen der Eltern, z.B. Fahrtkosten oder Kosten für Be-

treuung in Tageseinrichtung, die von einem Elternteil geleistet werden

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4. Bespielberechnung des Unterhalts

Sachverhalt: - annähernde Betreuungsaufteilung von 50 % zu 50 % zwi-

schen Mutter und Vater des achtjährigen Kindes

- Voraussetzungen werden erfüllt

- Bereinigtes monatliches Nettoeinkommen des Vaters:

2.591,01 €

- Bereinigtes monatliches Nettoeinkommen der Mutter:

1.812,52 €

- Mutter ist Kindergeldempfänger (192,00 €)

- Kosten des Vaters durch Praktizierung des Wechselmodells:

Erhöhte Wohnkosten i.H.v. ca. 100,00 € und zusätzliche

Fahrtkosten i.H.v. 30,00 € monatlich

- Kosten der Mutter durch Praktizierung des Wechselmodells:

Erhöhte Wohnkosten i.H.v. 80,00 € und Kosten für

Nachmittagsbetreuung des Kindes i.H.v. 60,00 € mo-

natlich

Berechnung Unterhaltsanspruch des Kindes:

Die Berechnung der bereinigten monatlichen Nettoeinkommen beider Elternteile (die

oben unter Buchstabe a. – d. aufgeführten Schritte) erfolgt wie unter Punkt 2.2.3 der

Bachelorthesis aufgeführt.

e. Ermittlung Grundbedarf des Kindes durch Einstufung in Einkommensgruppe

der Düsseldorfer Tabelle

Bildung einer Summe aus bereinigten Nettoeinkommen der Eltern

2.591,01 € bereinigtes monatliches Nettoeinkommen des Vaters

- 1.812,52 € bereinigtes monatliches Nettoeinkommen der Mutter

= 4.403,53 € Summe bereinigtes monatliches Nettoeinkommen

Anhand Summe erfolgt Einstufung in neunte Einkommensgruppe der Düsseldor-

fer Tabelle

Durch Zuordnung der zweiten Altersstufe hat Kind Unterhaltsanspruch i.H.v

598,00 €, was Grundbedarf des Kindes entspricht

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f. Abzug hälftiges Kindergeld von Grundbedarf des Kindes

598,00 € Grundbedarf des Kindes

- 96,00 € hälftiges Kindergeld

= 502,00 € Grundbedarf des Kindes

g. Erhöhen des Grundbedarfs um Mehrbedarf, Berechnen des Gesamtbedarfs

Mehrbedarf des Kindes wird dem Grundbedarf von 502,00 € hinzugerechnet,

ergibt Gesamtbedarf des Kindes

502,00 € Grundbedarf der Tochter

+ 100,00 € erhöhte Wohnkosten des Vaters

+ 80,00 € erhöhte Wohnkosten der Mutter

+ 30,00 € zusätzliche Fahrtkosten des Vaters

+ 60,00 € Kosten für die Nachmittagsbetreuung, die sich für die Mutter

ergeben

= 772,00 € Gesamtbedarf der Tochter

h. Berechnung der anteiligen Haftung des jeweiligen Elternteils am Gesamtbe-

darf des Kindes

Kürzen des bereinigten Nettoeinkommens beider Elternteile um angemessenen

Selbstbehalt (1.300,00 €), sodass sich jeweiliges einzusetzendes Einkommen

der Eltern ergibt

Bildung der Summe aus beiden einzusetzenden Einkommen der Eltern

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Einzusetzendes Einkommen des Vaters Einzusetzendes Einkommen der Mutter

2.591,01 € bereinigtes monatli-

ches Nettoeinkommen

1.812,52 € bereinigtes monatliches

Nettoeinkommen

- 1.300,00 € angemessener Selbst-

behalt

- 1.300,00 € angemessener Selbst-

behalt

= 1.291,01 € einzusetzendes Ein-

kommen

= 512,52 € einzusetzendes Ein-

kommen

1.803,53 € einzusetzendes Einkommen gesamt

Berechnung der Haftungsanteile der Eltern mithilfe der Formel

Haftungsanteil des Vaters Haftungsanteil der Mutter

772,00 € Gesamtbedarf der

Tochter

772,00 € Gesamtbedarf der

Tochter

x 1.291,01 € Einsatzbetrag x 512,52 € Einsatzbetrag

÷ 1.803,53 € Gesamteinsatzbetrag ÷ 1.803,53 € Gesamteinsatzbetrag

= 552,62 € Haftungsanteil = 219,38 € Haftungsanteil

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i. Hinzurechnen des vollen Kindergelds (derzeit 192,00 €) dem Haftungsanteil

der Mutter, die das Kindergeld empfängt und Abzug der zu leistenden Auf-

wendungen von Haftungsanteilen der Eltern

Haftungsanteil des Vaters Haftungsanteil der Mutter

552,62 € Haftungsanteil 219,38 € Haftungsanteil

- 30,00 € zusätzliche Fahrtkos-

ten

+

-

192,00 €

60,00 €

Kindergeld

Kosten für die Nachmit-

tagsbetreuung

= 522,62 € Haftungsanteil = 351,38 € Haftungsanteil

j. Ausgleich der Haftungsanteile beider Elternteile

Mutter mit geringerem Haftungsanteil hat Ausgleichsanspruch in Höhe der hälfti-

gen Differenz zwischen Haftungsanteilen gegenüber Vater mit höherem Haf-

tungsanteil

522,62 € Haftungsanteil des Vaters

- 351,38 € Haftungsanteil der Mutter

= 171,24 € Differenz der beiden Haftungsanteile

÷ 2

= 85,62 € Ausgleichszahlung (hälftige Differenz der beiden

Haftungsanteile)

Mutter hat Ausgleichsanspruch i.H.v. 85,62 € gegenüber Vater

5. Unterhaltstitel

Schaffung eines Titels im Wechselmodell grundsätzlich möglich

Keine dynamische Form des Titels möglich, da Haftungsanteile der Eltern

plus Mehrbedarf nicht durch Prozentsatz ausgedrückt werden können

Daher nur statischer Titel möglich

Nur auf freiwilliger Basis kann Urkunde geschaffen werden

Für gerichtliche Erwirkung kann Beistandschaft nicht eingerichtet werden

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Elternteil, der Titel erwirken möchte, muss Antrag bei Gericht stellen, dass

ihm alleinige Entscheidung für Schaffung des Titels übertragen wird

Alternative: Einrichtung eines Kinderkontos

Haftungsanteile beider Elternteile werden eingezahlt

Von Konto können laufende Kosten des Kindes gedeckt werden

Vereinbarungen zur Betreuung und Unterhalt sollte in Form einer Elternvereinba-

rung festgehalten werden

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Anhang 4 Ermittlungsbogen zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs des Kindes

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Erklärung

Ich erkläre, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne Benutzung anderer als

der angegeben Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Werken wörtlich oder sinn-

gemäß übernommenen Gedanken sind unter Angabe der Quellen gekennzeichnet. Ich

versichere, dass ich bisher keine Prüfungsarbeit mit gleichem oder ähnlichem Thema

bei einer Prüfungsbehörde oder anderen Hochschule vorgelegt habe.

Gelnhausen, den 26.05.2017

________________________

(Luisa Ziegler)