Die Bewertung der Luftschalldämmungnach Sollkurven
F 1644
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Fraunhofer Institut für BauphysikStuttgart
Amtlich anerkannte Prüfstelle für die Zulassung neuer Baustoffe, Bauteile und Bauarten
Institutsleiter: Prof. Dr. F. P. Mechel
BS 43/80
DIE BEWERTUNG DER LUFTSCHALLDÄMMUNG
NACH SOLLKURVEN
N.Kiesewetter, F.P.Mechel
FRAUNHOFER-INSTITUT FUR BAUPHYSIKStuttgart
Untersuchungen durchgeführt im Auftrag
des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Az.: B II 5 - 80 01 73 - 6
Fraunhofer nstitut für BauphysikStuttgart
Amtlich anerkannte Prüfstelle für die Zulassung neuer Baustoffe, Bauteile und BauartenInstitutsleiter: Prof. Dr. F. P. Mechel
BS 43/80
DIE BEWERTUNG DER LUFTSCHALLDÄMMUNG
NACH SOLLKURVEN
N.Kiesewetter, F.P.Mechel
FRAUNHOFER-INSTITUT FUR BAUPHYSIKStuttgart
Untersuchungen durchgeführt im Auftrag
des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Az.: B II 5 - 80 01 73-6
1. Einleitung
2. Subjektive Beurteilung von schmalbandigen Unterschreitungenin Schalldämm-Kurven
2.1 Versuchsaufbau
2.2 Versuchsdurchführung
2.3 Versuchsergebnisse
3. Beurteilung von schmalbandigen Unterschreitungen durchBerechnung der Lautstärke nach dem Zwicker-Verfahren
4. Beurteilung von schmalbandigen Unterschreitungen nach demZwicker-Verfahren in Abhängigkeit von der Art des Anregungs-geräusches
5. Schlußfolgerungen und Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
11 Seiten Text
7 Abbildungen
Sachbearbeiter: Institutsleiter:
Dr.-Ing. N.Kiesewetter Prof. Dr. F. .Mechel
Stuttgart, den 25. März 1980
DIE BEWERTUNG DER LUFTSCHALLDÄMMUNG
NACH SOLLKURVEN
FRAUNHOFER-1NSTITUT FÜR BAUPHYSIK, STUTTGARTInstitut der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V.
Zusammenfassung
Die Ermittlung einer Einzahlangabe für das bewertete Schalldämmaß
eines Bauteils in ISO (R 717) und in DIN (52 210) benützt zwar den-
selben Frequenzverlauf der Bezugskurve, jedoch können größere Un-
terschiede entstehen bei Frequenzkurven des Schalldämmaßes mit
schmalen, tiefen Einbrüchen, da ISO solche Einbrüche starker ge-
wichtet als DIN. Es sollten deshalb solche schmalbandigen Unter-
schreitungen auf ihre gehörmäßige Relevanz untersucht werden.
Dazu wurden ansonsten der Bezugskurve folgende Frequenzkurven bei
tiefen und bei hohen Frequenzen mit schmalen Unterschreitungen ver-
änderlicher Tiefe versehen und für verschiedene Lärmspektren gehör-
mäßig mit Frequenzkurven ohne Unterschreitungen verglichen. Der
Vergleich erfolgte einmal an direkten Hörversuchen und ferner durch
Lautheitsberechnungen der Durchlaßgeräusche nach Zwicker.
Es zeigte sich, daß bei Breitbandgeräuschen beide gehörmäßigen Beur
teilungen näher an der Bewertung nach DIN liegen als an der Bewer-
tung nach ISO.
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR BAUPHYSIK, STUTTGARTInstitut der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V.
- 1 -
BS 43/80
DIE BEWERTUNG DER LUFTSCHALLDÄMMUNG NACH SOLLKURVEN
1. Einleitung
Die Luftschalldämmung von Bauteilen wird in Abhängigkeit von der
Frequenz gemessen. Für viele Anwendungszwecke ist eine Gesamtbewer-
tung der Schalldämmung eines Bauteils über den festgelegten Fre-
quenzbereich in Form einer Einzahl-Angabe nötig. Zu diesem Zweck
wurde auf Vorschlag von L.Cremer [1] in DIN 52 210 das Verfahren
der Sollkurven eingeführt. Die Sollkurve ist eine in Abhängigkeit
von der Frequenz festgelegte Schalldämmkurve, die ungefähr der
Schallddmmung einer 22 cm dicken Ziegelwand entspricht. Der Verlauf
der Bezugskurve trägt der unterschiedlichen Empfindlichkeit des
menschlichen Ohres für verschiedene Frequenzen Rechnung. Nach
DIN 52 210 wird das Luftschallschutzmaß LSM eines Bauteils durch
Vergleich der Meßkurve mit der Bezugskurve ermittelt. Dazu wird
die Bezugskurve gegenüber der Meßkurve in Ordinatenrichtung um
ganze dB so weit parallel verschoben, daß die mittlere Unterschrei-
tung der Bezugskurve durch die Meßkurve so groß wie möglich wird,
jedoch nicht mehr als 2 dB beträgt. Der Betrag, um den die Soll-
kurve verschoben wird, ist das Luftschallschutzmaß LSM® Bei einer
Verschiebung nach oben ist das Luftschallschutzmaß positiv, bei
einer Verschiebung nach unten negativ.
Das bewertete Schalldämmaß Rw des Bauteils steht bekanntlich mit
dem Luftschallschutzmaß LSM in dem festen Zusammenhang
R , 52 LSM dB.
K.Gösele [2] zeigte, daß bei Anregung einer Wand mit rosa Rauschen
im wesentlichen nur diejenigen Frequenzen zum A-bewerteten Gesamt-
schallpegel auf der Empfangsseite beitragen, bei denen die Schall-
dämmkurve die zugehörige Bezugskurve unterschreitet. Die überschrei-
tungen der Bezugskurve haben dagegen nur wenig Einfluß auf die Höhe
FRAUNHOFER-INSTITUT FOR BAUPHYSIK Blatt 2
BS 43/80
des Gesamtschallpegels. Außerdem ergab sich für Unterschreitungen,
die auf ein Frequenzgebiet von mehr als zwei Terzen verteilt sind,
daß der A-bewertete Gesamtschallpegel nur von der Summe der Unter-
schreitungen in den einzelnen Terzbereichen und nicht wesentlich
von ihrer spektralen Verteilung abhängt.
Die Luftschall-Sollkurvenbewertung nach DIN 52 210 stellt somit
eine Mittelwertbildung der frequenzabhängigen Schalldämmwerte in
dem Sinne dar, daß der Gesamtschallpegel in dB(A) auf der Empfangs-
seite für gleichwertig beurteilte Wände gleich groß sein soll,
sofern die Unterschreitungen nicht zu schmalbandig sind.
Ist die Unterschreitung in der Schalldämm-Kurve auf ein oder zwei
Terzen konzentriert, so erhält man auf der Empfangsseite ein schmal-
bandiges Geräusch mit einem hohen Pegel-Maximum, dessen Gesamtschall-
pegel wesentlich größer ist als bei einer gleichwertigen Wand mit
breitbandiger Unterschreitung [2]. Eine Möglichkeit, die Forderung
nach gleichem Gesamtschallpegel auch bei schmalbandigen Unterschrei-
tungen zu erfüllen, besteht in der Begrenzung der maximalen Unter-
schreitung. In DIN 52 210 wurde jedoch darauf aus Gründen der ein-
fachen Handhabung des Verfahrens verzichtet. In der ISO Recommendation
R 717 wird dagegen neben der Forderung, daß die Schalldämm-Kurve die
zugehörige Sollkurve im Mittel um nicht mehr als 2 dB unterschreitet,
die maximale Unterschreitung auf 8 dB begrenzt. Wenn diese zusätz-
liche Bedingung vorgeschrieben wird, werden viele Wandausführungen,
die heute noch zulässig sind, in Zukunft nicht mehr den akustischen
Anforderungen genügen. In ISO R 717 soll mit der Begrenzung der
maximalen Unterschreitung auf 8 dB gewährleistet werden, daß die
Forderung nach gleichem Gesamtschallpegel in dB(A) auf der Empfangs-
seite für gleichbewertete Wände auch bei sehr schmalbandigen Unter-
schreitungen näherungsweise erfüllt ist.
Vorläufige rechnerische Überlegungen auf der Grundlage von [2] spre-
chen jedoch dafür, daß dann eine etwas größere Unterschreitung als
8 dB zulässig sein sollte, nämlich ungefähr 10 bis 12 dB.
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR BAUPHYSIK 3Blatt
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Man muß sich jedoch bei der Bewertung der Schalldämmung von Wänden
grundsätzlich fragen, ob das Prinzip des gleichen Gesamtschall-
pegels bei gleichbewerteten Wänden nicht durch die subjektive Be-
urteilung der Lautstärke des durchgelassenen Geräusches ersetzt
werden soll. Versuche von R.Feldtkeller und E.Zwicker [3] bei kon-
stant gehaltenem Gesamtschallpegel und variabler Frequenz-Bandbreite
ergaben, daß die Lautstärke mit der Bandbreite ansteigt, wenn die
Bandbreite größer als die Breite einer Frequenzgruppe ist, die im
mittleren und hohen Frequenzbereich ungefähr gleich der Terzband-
breite ist. Bei gleichem Gesamtschallpegel hat also ein Geräusch mit
einer Bandbreite von ein oder zwei Terzen eine kleinere Lautstärke
als ein Geräusch, das sich über eine größere Anzahl von Terzen er-
streckt. Obwohl der Gesamtschallpegel auf der Empfangsseite bei
einer Wand mit sehr schmalbandigen Unterschreitungen höher ist als
bei einer nach DIN 52 210 gleichbewerteten Wand mit breitbandiger
Unterschreitung, erscheint es daher möglich, daß die Schalldämmung
der beiden bezüglich Rw (oder LSM) gleichbewerteten Wände auch sub-
jektiv als gleichwertig beurteilt wird. Dieser Effekt der für die
Beibehaltung des Verfahrens nach DIN 52 210 in seiner jetzigen Form
sprechen würde, soll in dieser Arbeit näher untersulat werden.
2. Subjektive Beurteilung von schmalbandigen Unterschreitungen
in Schalldämm-Kurven
Oft treten in Schalldämm-Kurven von Wänden schmalbandige Einbrüche
auf, die verschiedene Ursachen haben können, wie z.B. Koinzidenz-
effekt, Resonanzen bei mehrschaligen Strukturen u.s.w. Hier sollte
durch Hörversuche untersucht werden, wie sich schmalbandige Ein-
brüche in einer Schalldämm-Kurve, deren Form ungefähr der Sollkurve
entspricht, auf die Beurteilung der Lautstärke auswirken.
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR BAUPHYSIK 4Blatt
BS 43/80
2.1 Versuchsaufbau 1)
Regt man eine Wand, deren Schalldämm-Kurve die Form einer Soll-
kurve hat, auf der Sendeseite mit rosa Rauschen an, so erhält man
auf der Empfangsseite ein Geräusch, dessen Frequenzverlauf einer
invertierten Sollkurve entspricht. Ein solches Geräusch wurde elek-
tronisch durch Filtern eines Breitbandrauschens näherungsweise her-
gestellt. Fig. 1 zeigt den Frequenzverlauf dieses Geräusches, das
im folgenden Normalgeräusch N genannt wird. Das Normalgeräusch N
wird von Versuchspersonen mit dem Beurteilungsgeräusch B verglichen,
das sich vom Normalgeräusch N durch eine schmalbandige Überschrei-
tung mit dem in Fig. 2 gezeigten Frequenzverlauf unterscheidet.
Außerdem kann das Beurteilungsgeräusch B durch ein Dämpfungsglied
in seiner Pegelhöhe gegenüber dem Normalgeräusch N verschoben wer-
den (Fig. 1). Die Inversion des Beurteilungsgeräusches B entspricht
einer Schalldämm-Kurve, die in einem schmalen Frequenzbereich einen
tiefen Einbruch hat und sonst sollkurvenähnlich verläuft.
Die Hörversuche wurden in einem reflexionsarmen Raum durchgeführt,
so daß die Versuchsperson einem ebenen Schallfeld ausgesetzt war.
Der Abstand zwischen Lautsprecher und Versuchsperson betrug ca. 4 m.
Fig. 3 zeigt den Versuchsaufbau.
2.2 Versuchsdurchführung
An den Hörversuchen nahmen ca. 10 Personen im Alter zwischen 16
und 40 Jahren teil. Die Zahl der Versuchspersonen mag etwas gering
sein, insbesondere in Anbetracht des Umstandes, daß von den Test-
personen keine audiometrischai Untersuchungen vorliegen (da die
Hörversuche bereits vor einigen Jahren durchgeführt wurden, ließen
sich diese nicht nachholen). Bei jeder Beurteilung hielt sich nur
eine Person im Versuchsraum auf. Die Steuerung, Kontrolle und Aus-
wertung der Hörversuche wurde außerhalb des Testraumes vorgenommen,
1) .Die Hörversuche wurden von Herrn Pine durchgeführt.
Testbogen,von Versuchs-personen aus-gefüllt
BeurteilungTestreihenfolge
1 ^ 3 4 6 7 8 9 1011B ist lauter x x x X X X
gleich laut x
B ist leiser x
0 100 200 400 800 1500 3200 Hz
Fre quenz f
Bei dem Test wurden die Pegel-abstände _,L der beiden Geräu-sche N und B wie folgt variiert:
Testreihen-folge
1 5 6 7 8 9 1011
Pecrelabst.Lin 013 0` 3 3 -3 -2 -3 -1 1 3
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR BAUPHYSIKB latt 5BS 43/80
so daß die Versuchsperson dadurch nicht beeinfluß wurde. Die Ge-
räusche N und B wurden in alternierender Reihenfolge mehrmals
hintereinander gesendet. Die Geräuschdauer betrug 2 - 3 sec,
während zwischen den beiden Geräuscharten jeweils eine Pause von
einer Sekunde lag. Durch ein Dämpfungsglied kann eine Pegeldiffe-
renz AL zwischen den Geräuschen N und B eingestellt werden, d.h.
die beiden Geräuscharten können in Ordinatenrichtung gegeneinander
parallel verschoben werden. Die Versuchsperson beurteilte für die
einzelnen Überschreitungen in Abhängigkeit von der Pegeldifferenz AL,
ob das Geräusch B lauter als, gleichlaut wie oder leiser als das
Normalgeräusch N ist.
Tabelle 1 zeigt als Beispiel für die Beurteilung eines Geräusches B
mit einer Überschreitung von U = 24 dB bei 1000 Hz einen von einer
Versuchsperson ausgefüllten Testbogen.
Tabelle 1
FRAUNHOFER-INSTITUT FOR BAUPHYSIK 6Blatt
BS 43/80
Tabelle 2 zeigt wieder für das Beispiel U = 24 dB bei 1000 Hz
die Auswertung der von den Versuchspersonen ausgefüllten Testbogen.
Versuchs-personNr.
Beurteilung
Peg elab sta nd AL in dB N und Bgleichlautbei
-4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5
1
B ist lauter
gleich laut
B ist leiser x x
x
x x x x x x x
-3 dB
2
B ist lauter
gleich laut
B ist leiser x x x
x
x x x x x x x
-2 dB
3
B ist lauter
gleich laut
B ist leiser x x
x x X X x
-3,5 dB
4
B ist lauter
gleich laut x x
x x x X X x x x
-3,5 dB
B ist leiser
5
B ist lauter
gleich laut x x x
x x X X x x x
-3 dB
B ist leiser
Tabelle 2
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR BAUPHYSIK 7Blatt
BS 43/80
Der Mittelwert aus den Pegelabständen AL, bei denen die Versuchs-
personen die Geräusche N und B als gleich laut beurteilten, wird
ALB genannt. Der Betrag von AL H gibt also in Abhängigkeit von der
Uberschreitungshöhe U an, um wieviel dB das Geräusch B gegenüber dem
Geräusch N zu tieferen Pegelwerten hin verschoben werden muß, damit
beide Geräusche in Hörversuchen als gleich laut beurteilt werden.
In unserem Beispiel, bei U = 24 dB und 1000 Hz, ist AL H = - 3dB.
Durch Kontrollversuche wurde festgestellt, daß die beim Test ge-
wählte Reihenfolge der Pegelabstände AL (siehe Tabelle 1) keinen
wesentlichen Einfluß auf das Ergebnis der Beurteilung hatte.
2.3 Versuchsergebnisse
Fig. 4 zeigt den Pegelabstand AL H , bei dem die beiden Geräusche N
und B als gleich laut beurteilt werden, in Abhängigkeit von der
Uberschreitungshöhe U. Der Frequenzverlauf der Uberschreitungen
ist in Fig. 2 wiedergegeben. Die hier für ALB gefundenen Werte
entsprechen ungefähr den Ergebnissen einer ähnlichen Untersuchung,
die von D.M. Clark durchgeführt wurde [4].
Invertiert man den Frequenzverlauf der Geräusche N und B, so erhält
man zwei fiktive Schalldämmkurven, von denen die eine einen schmal-
bandigen Einbruch hat. Der Pegelabstand ALB gibt nun an, um wieviel
dB diese beiden Kurven gegeneinander verschoben werden müssen, damit
in der subjektiven Beurteilung der Einfluß des Einbruchs kompensiert
wird.
Es stellt sich nun die Frage, wie der schmalbandige Einbruch in der
Schalldämm-Kurve nach DIN 52 210 und ISO R 717 beurteilt wird. Dazu
wird die Differenz A LSM des Luftschallschutzmaßes zweier Schall-
dämmkurven gebildet, deren Frequenzverlauf der Inversion der Geräu-
sche N und B entspricht. Außerhalb des Bereiches der Unterschreitung
seien die Schalldämm-Werte beiden Kurven gleich. Die Werte von
ALSMDIN bzw. ALSMISO geben dann an, um wieviel die beiden Schall-
dämmkurven gegeneinander verschoben werden müssen, damit nach
DIN 52 210 oder ISO R 717 das gleiche Luftschallschutzmaß erreicht
wird. ALSMDIN und ALSMISO sind in Fig. 4 in Abhängigkeit von der
Uberschreitungshöhe aufgetragen.
FRAUNHOFER-INSTITUT FOR BAUPHYSIK Blatt 8
BS 43/80
Der Vergleich mit AL H zeigt, daß ein schmalbandiger Einbruch in
einer Schalldämm-Kurve durch das Sollkurven-Verfahren nach DIN52 210
etwas ungünstiger beurteilt wird als durch Hörversuche. Bei der
Bewertung nach dem Sollkurven-Verfahren mit der zusätzlichen Be-
schränkung der maximalen Unterschreitungshöhe auf 8 dB, wie sie
nach ISO R 717 vorgeschrieben wird, ist der Einfluß einer schmal-
bandigen Unterschreitung auf die Beurteilung wesentlich ungünstiger
als nach den beiden erstgenannten Verfahren.
Es sei hier nochmals vermerkt, daß die zu beurteilenden Schall-
dämm-Kurven aus den Kurven N und B, die den Geräuschen auf der
Empfangsseite einer Wand entsprechen, unter der Annahme konstruiert
wurden, daß auf der Sendeseite mit rosa Rauschen angeregt wird.
3. Beurteilung von schmalbandigen Unterschreitungen durch
Berechnung der Lautstärke nach dem Zwicker-Verfahren
Während im letzten Kapitel der Einfluß eines schmalbandigen Ein-
bruchs in der Schalldämm-Kurve auf die Schalldämmung einer Wand
durch Hörversuche beurteilt wurde, soll hier die Beurteilung durch
die Berechnung der Lautstärke nach dem Zwicker-Verfahren erfolgen.
Dieses Verfahren wurde auf der Grundlage von psychoakustischen
Untersuchungen entwickelt und gestattet die Ermittlung eines Laut-
stärkepegels aus objektiven Messungen [5].
Fig. 5 zeigt die Pegeldifferenz AL z , die angibt, um wieviel dB
die Geräuschkurven N und B in Ordinatenrichtung gegeneinander ver-
schoben werden müssen, damit sich nach Zwicker die gleiche Laut-
stärke ergibt. Der Vergleich mit den Differenzen A LSMDIN des nach
DIN 52 210 berechneten Luftschallschutzmaßes der entsprechenden
Schalldämm-Kurven zeigt, daß durch die beiden Verfahren schmal-
bandige Unterschreitungen bei 1000 Hz ungefähr gleich bewertet
werden. Bei 200 Hz wird der Einfluß der Unterschreitung durch das
Zwicker-Verfahren etwas stärker betont.
Anregungsart AL
Oktavbandrauschen200 - 400 Hz
8 dB
rosa Rauschen -2 dB
Meßkurve A (Haustrennwand):
Anregungsart AL s
rosa Rauschen -1 dB
Straßenlärm -2 dB
Fluglärm 0 dB
Oktavbandrauschen500 - 1000 Hz 6 dB
Meßkurve B (Wohnungstrennwand):
FRAUNHOFER-INSTITUT FOR BAUPHYSIKBlatt 9
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4. Beurteilung von schmalbandigen Unterschreitungen nach dem Zwicker-
Verfahren in Abhängigkeit von der Art des Anregungsgeräusches
Als Ergebnis unserer bisherigen Untersuchung stellte sich heraus,
daß durch das Sollkurven-Verfahren nach DIN 52 210 auch solche
Wände richtig beurteilt werden, deren Schalldämm-Kurve einen tiefen,
schmalbandigen Einbruch aufweist. Sicherlich ist dies nicht mehr der
Fall, wenn die Anregung hauptsächlich in demjenigen Frequenzbereich
erfolgt, in dem die Schalldämm-Kurve einen Einbruch hat. Dies sollte
an dem Beispiel zweier Wände, deren Schalldämm-Kurve aufgrund von
Resonanzeffekten tiefe, schmale Einbrüche aufweist (siehe Fig. 6),
näher untersucht werden. Dabei wird die Anregung durch rosa Rauschen,
Fluglärm, Straßenverkehrslärm und Oktavband-Rauschen betrachtet.
Typische Kurven für die Geräuschspektren von Flug- und Straßenverkehrs-.
lärm sind in Fig. 7 aufgetragen [6]. In Abhängigkeit von der Anre-
gungsart wurde dann für die gemessene Schalldämm-Kurve mit Sollkurven-
Verlauf die Lautstärke im Empfangsraum nach Zwicker berechnet. Die
Differenzen
Tabelle 3
AL s = Ls (Meßkurve) - L s (Sollkurvenverlauf)
sind für die einzelnen Anregungsarten in Tabelle 3 aufgeführt.
FRAUNHOFER-INSTITUT FOR BAUPHYSIK Blatt 10
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5. Schlußfolgerungen und Zusammenfassung
Im Vergleich zur DIN 52 210 mißt der ISO-Vorschlag schmalbandigen
Einbrüchen in der Frequenzkurve der Luftschalldämmung eines Bau-
teils ein großes Gewicht bei. Es war zu prüfen, welches der beiden
Bewertungsverfahren in solchen Fällen der gehörmäßigen Beurteilung
solcher Bauteile besser entspricht.
Dazu wurden an Frequenzkurven der Schalldämmung, welche ansonsten
dem Verlauf der Bezugskurve entsprechen, einzelne Einbrüche ver-
änderlicher Tiefe angebracht - und zwar da, wo sie bei realen Bau-
teilen am häufigsten auftreten: bei tiefen Frequenzen infolge
Doppelschalenresonanz (200 Hz) und bei hohen Frequenzen infolge
Koinzidenz (hier 1000 Hz).
Für Anregung mit rosa Rauschen wurde das Durchgangssignal einem
Hörversuch unterworfen und die gehörmäßige Verschlechterung der
Luftschalldämmung infolge des schmalbandigen Einbruchs ermittelt.
Die Testpersonen in diesem Hörversuch beurteilten die schmalbandi-
gen Unterschreitungen sogar noch schwächer als die Auswertung von
Rw nach DIN 52 210.
Da die Aussagefähigkeit dieser bereits vor einigen Jahren durchge-
führten Hörversuche wegen der geringen Zahl der Testpersonen und
fehlender audiometrischer Daten derselben eventuelle Zweifel an
der Quantität der Aussage aufkommen lassen könnte, wurden anschlies-
send dieselben Frequenzkurven der Luftschalldämmung sowie tatsäch-
liche Meßbeispiele einer rechnerischen Ermittlung der Lautheit der
Durchgangssignale nach Zwicker unterworfen. Dies wurde nun nicht
nur für rosa Rauschen als Anregungssignal, sondern auch für Straßen-
verkehrsgeräusche, für Fluglärm und für Oktavbandrauschen durchge-
führt.
Die Lautstärke-Beurteilung des Durchgangssignals nach Zwicker er-
gibt eine etwas stärkere Gewichtung der Einbrüche bei tiefen Fre-
quenzen als nach der DIN-Bewertung und kommt zu derselben Bewertung
wie das DIN-Verfahren bei hohen Frequenzen.
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR BAUPHYSIK 11 Blatt
BS 43/80
Beide gehörmäßige Beurteilungen von schmalbandigen Unterschreitungen
der Bezugskurve der Luftschalldämmung stimmen weitaus besser mit
der DIN-Bewertung überein als mit der ISO-Bewertung.
Dies wird nur anders bei schmalbandigen Anregungsgeräuschen, wenn
deren Frequenz bei den Einbrüchen liegt. Dies war auch nicht
anders zu erwarten - hier versagt aber von vornherein jede frequenz-
mäßige Bewertung eines schalldämmenden Bauteils.
Literaturverzeichnis
[1] L.Cremer: Schallschutz von BauteilenVerlag W. Ernst u. Sohn, Berlin, 1960
[2] K.Gösele: Zur Bewertung der Schalldämmung von Bauteilennach Sollkurven.Acustica 15, 5, 264-270 (1965)
[3] R.Feldtkeller und E.Zwicker: Das Ohr als Nachrichten-empfänger.S.Hirzel Verlag, Stuttgart, 1956
[4] D.M. Clark: Subjective Study of the Sound-TransmissionClass System for Rating Building Partitions.JASA 47, 3, 676-682 (1970)
[5] DIN 45 631: Berechnung des Lautstärkepegels aus dem Geräusch-spektrum. Verfahren nach E.Zwicker.
[6] K.Gösele und G.Schupp: Zur Messung und Bewertung derSchalldämmung von Fenstern.FBW-Blätter, Folge 3 - 1972
BS 43/80
50
dB
40
ci
30
D.-0_c
20
10
0 100 200 400 800 1600 3200 Hz
Frequenz f
Fig. 1 Frequenzverlauf des Normalgeräusches N
und des Beurteilungsgeräusches B mit einer
Uberschreitung von U = 24 dB her 1000 Hz
200 Hz
30
dB
20
-C
(f) 10
D
0
1000 Hz
BS 43/80
30
dB
20C
-4-,—(1)
10(Y)w_aD
0100 200 400 Hz
Frequenz f
400 800 1600 3200 Hz
Frequenz f
Fig. 2 Frequenzverlauf der Uberschreitungen U
Geräusch Geräusch
AbschwächungAL
Schalter
///, ///////, /////////////////‚ 7Lautsprecher
4*)Versuchsperson
Reflex ionsarmerRaum
Fig. 3 Versuchsanordnung für die Hörversuche
200 Hz
A LSM ISO
0
20
dB
16
12
1000 Hz
//
A I-SM DIN V,.
ALH
n
20
dB
16
12
BS 43/80
0 5
10 15 20 dB 25Überschreitung bzw. Unterschreitung
0 5 10 15 20 dB 25Überschreitung bzw. Unterschreitung
Fig. Beurteilung von schmalbandigen Unterschreitungen
durch Hörversuche und Norm-Verfahren
N
dB
8
1000 Hz12
dB
8
BS 43/80
12
5 10 15 20 dB 25Überschreitung bzw. Unterschreitung
5 10 15 20 dB 25Überschreitung bzw. Unterschreitung
Fig. 5 Beurteilung von schmalbandigen Unterschreitungen nach
dem Zwicker-Verfahren (ebenes Schallfeld) und nach
DIN 52 211
70
dB
60
50
40
Meßkurve A
(Haustrennwand)
30
20125 250 500 1000 2000 Hz
Frequenz f
•
20125 250 500 1000 2000 Hz
Frequenz f
i
1-e
I
1 d'esN, /NII
,y e
,•
! •
1!1
I
.......,
70
dB
60
50
40
30Meßkurve B
(Wonnun9strehnwand)
BS 4:3/60
Fiq. 6 Schalldämm-Kurven mit schmalbandigem Einbruch
10 dB
BS 43/30
10 dB
100 200 400 800 1600 3200 Hz
Frequenz f
Innerstädtischer Straßenverkehr
100 200 400 800 1600 3200 HzFrequenz f
Flugverkehr
Fig. 7 Frequenzverteilung von Anregungsgeräuschen
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