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Die Erde bei Nacht

Redaktion

Rund 300 GW setzt die Menschheit ein, um Stadte, Dorfer, StraQen, Wohnhauser, Fabriken und Biiros zu beleuchten. So wird vielerorts die Nacht zum Tage, manchmal wird sogar von ,,Light-Pollution" gesprochen: Uber jeder Stadt wolbt sich nachts ein diffuser, milchig- weii3er Schleier, der die Sterne kaum mehr zu erkennen gestattet und der beobachtende Astronomen zur Verzweiflung treiben mug. Andererseits sind unsere beleuchteten Stadte von oben, z.B. aus dem Flugzeug betrachtet, oft faszinierende Objekte. Entfernen wir uns weiter von der Erde und betrachten sie mit Sa- tellitenaugen, so konnen wir ganze Erdteile iiberblicken. Wandern wir mit der Nacht iiber den Globus hinweg, konnen wir viele Spuren menschlicher Aktivitaten an uns voriiber zie- hen lassen und aufzeichnen.

Diese Idee hatte wohl W. T. Sullivan 111, Pro- fessor an der University of Washington, als er nachtliche, von Satelliten aus geschossene Teil- portraits unserer Erde in minutioser Arbeit zu einer Gesamtschau zusammenstellte (Abb. 1). Die rund 40 Einzelphotos wurden aus einer

Die Erde bei Nacht Aus den nachtlichen Leuchterscheinungen auf unserer Erde konnten Besucher aus dem All wichtige Hinweise auf zivilisatorische Aktivitaten erhalten.

Hohe von etwa 800 km im Zeitraum von 1974 bis 1984 aufgenommen und in digitaler Form zur Erde ubertragen. Der Zusammenbau erfor- derte GroQen- und Belichtungskorrekturen so- wie die Auswahl giinstiger Mondphasen und wolkenfreier Nachte.

Beginnen wir ganz links im Bild: Die beiden grogten Flecke an der Westkuste der USA sind die Einzugsgebiete von Los Angeles und San Francisco. An der dichtbesiedelten Ost- kiiste leuchtet das Boston-New York-Washing- ton-Gebiet besonders deutlich. An der Siid- Ostkiiste Siidamerikas sind die Ballungszen- tren von Rio und Buenos Aires klar zu sehen. Weiter ostlich leuchtet England fast ebenso hell wie Zentraleuropa.

Die Wiiste Afrikas ist vergleichbar schwarz wie das Himalaya-Gebiet, die Mongolei und die Weite der Ozeane. Kairo und das Niltal erschei- nen wie ein kleiner Drachen mit Lichter- schwanz. Weit im Osten trim die gebogene Form Japans klar hervor. Die Ostkiiste Austra- liens ist durch die Lichter von Sydney markiert.

Viele helle Flecke sind nicht als Stadte zu iden- tifizieren: In den Tropen sind die meisten derar- tigen Lichtquellen kontrollierte Gras- oder Waldbrande. An anderen Stellen wird Erdgas abgefackelt, das bei der Olproduktion anfallt; so z. B. in Indonesien, im Tashkent-Gebiet, Sibirien, im Mittleren Osten, in Nord- und West-Afrika sowie im Nordwesten Siidameri- kas. Knapp westlich von Japan verrat sich eine riesige Fischereiflotte, die mit ihren Lichtern die Meerestiere anlockt.

Die einzig natiirliche Lichtquelle ist die Aurora nordlich von Gronland - wie drama- tisch hat der Mensch die Erde verandert!

Abb. 1. ,Earth at Night", ein nachtliches Portrait unserer Erde (0 1985, W. T. Sullivan 111, Dept. of Astronomy FM-20, Univ. of Washington, Seattle 98195, USA). Ein Poster dieses Bildes ist uber das Hansen Planeta- rium, 1098 South 200 West, Salt Lake City, UT 84101, USA zum Preis von 6 $ (plus 3.90 $ bzw. 12 $ fiir Bodenpost, bzw. Luftpost- Porto) erhaltlich.

Physik in tw2serer Zeit / 20. Jahrg. 1989 / Nr. 2 0 VCH Vwlagsgesellscbaji mbH, 0-6940 Weinheim, 1989 0031-92J2/89/0203-00JJ $ 02.50/0

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