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Auch in dieser letzten Ausgabe des Verbandsjahres wird die Kulturförderung eines Zentralschweizer Kantons vorgestellt: Im Gespräch mit Aldo Caviezel hat sich Mischa Camenzind des Kantons Zug angenommen und skizziert neben harten Fakten ein politisches Stimmungsbild. Zudem berichten Anita Zumbühl und Paul Lipp eindrücklich von ihren Aufenthalten im Atelier Cité Paris der visarte zentralschweiz. Das Porträt über Ursula Bucher – mit ihrer Arbeit «BankkundInnen» (2015) und einem feinfühligen Text von Max Renggli – rundet dieses Feuilleton ab.
Uns steht ein spannendes Vereinsjahr 2017/18 bevor: Die Wechsel im Präsidium, in der Geschäftsstelle und im Vorstand versprechen eine neue Dynamik. Der
Strategiewechsel der Aus stellungsgruppe eröffnet unseren Aktivmit gliedern innovative Ausstellungsmöglichkeiten. Die geplanten Veranstaltungen aus der Reihe «Beruf Künstlerin/Künstler» bewegen sich am Puls der Zeit und stellen dementsprechend brisante Themen in Aussicht. Zudem bietet uns die frisch lancierte Webseite neue Gestaltungsfreiheiten. All diese Entwicklungen nutzen wir, um die Professionalisierung unseres Berufsverbandes voranzutreiben. Konkrete Einblicke in das vergangene und Ausblicke in das kommende Vereinsjahr geben wir an unserer GV. Die Einladung wird in den nächsten Wochen verschickt. Wir freuen uns auf zahlreiches Erscheinen und auf ein aktives, gemeinsames 2017/18!
HANDEL, KUNST UND KIRSCHEN Mischa Camenzind
So viel vorneweg: Die Kulturförderbeiträge im Kanton Zug werden im Vergleich zu früheren Jahren nicht gekürzt, obwohl laut Aldo Caviezel, dem Leiter des Amtes für Kultur, der Druck seitens der Politik auch im reichsten Kanton der Schweiz gross ist.
Als Konsequenz dieser Zwänge werden auch in Zug immer mehr Gelder aus dem Lotteriefonds genommen. Diese Lastenverteilung komme aber irgendwann an ihre natürlichen Grenzen, da diese Ausschüttungen nicht zunehmen, sich aber immer mehr davon bedienen würden, erklärt Caviezel. Denn schliesslich sind die Gelder des Lotteriefonds per Gesetz unter anderem für die Unterstützung kultureller und künstlerischer Vorhaben bestimmt.Trotz allem: Zug, das Scharnier zwischen Zürich und der Innerschweiz, leistet sich ein angemessenes kulturelles Fördersystem. So betreibt der Kanton mit anderen Innerschweizer Kantonen zusammen das Atelier in New York und amtet dafür als
Geschäftsstelle, daneben unterhält Zug auch noch ein eigenes Studio in Berlin.Im letzten Jahr unterstützte man Kunstprojekte (vor allem Ausstellungen) und spartenübergreifende Projekte mit Bezug zur bildenden Kunst mit über einer halben Million Schweizer Franken.Die wirkungsvollsten Massnahmen, um Kunstschaffende direkt zu unterstützen, sind aber die jährlichen Werkankäufe von 90 000 Franken und die Förderbeiträge im ähnlichen Umfang, die jedes Jahr von einer externen Jury neu vergeben werden. Das Zuger Werkjahr, die höchste kulturelle Auszeichnung des Kantons, wird spartenübergreifend vergeben und ist mit einem einmaligen Zuschuss von 50 000 Franken dotiert.Und so bleibt zu hoffen, dass sich die Politik des Kirschenkantons auch in Zukunft auf Grundlegendes besinnt und er sich neben internationalem Handel und tiefen Steuern auch weiterhin ein ansprechendes Kulturbudget leistet.
BERICHT ATELIER CITÉ PARIS — ANITA ZUMBÜHL (Juli–Dezember 2016)
Die vergangenen sechs Monate in Paris waren für mich eine intensive und wert -volle Zeit. Das neue Umfeld, die unendli-chen Ressourcen und vor allem auch das Wohn-Atelier in der Cité erlaubten mir eine konsequente Konzentration auf meine Arbeit. Neben der Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit konnte ich auch eine Zusammenarbeit mit Anna Hilti realisieren. Der Atelieraufenthalt erlaubte mir, die Publikation zur Ausstellung «News from Nowhere» im Nidwaldner Museum (erschienen im November 2016) sorgfältig zu konzipieren und auszuarbeiten. In Zusammenarbeit mit Patrizia Keller, Kuratorin des Nidwaldner Museums, und dem Grafikbüro Hi, Megi Zumstein und Claudio Barandun, entstanden zehn doppelseitig mit Texten und Foto grafien bedruckte Poster. Zusammen mit Anna Hilti realisierte ich «Das Bündnis», eine mehrteilige textile Werkgruppe, die zurzeit im Nidwaldner Museum ausgestellt ist. Das Konzept und erste Materialproben konnten wir gemeinsam hier im Atelier in der Cité entwickeln; in den folgenden Wochen haben wir örtlich getrennt, aber in regem Austausch daran weitergearbeitet. In diesen textilen Stücken konnte ich das Färben mit Naturmaterialien und die zeich nerische Praxis verbinden. Auch meinem Interesse für die Beziehung des Menschen zur Natur konnte ich nachgehen. Auf unzähligen Ausflügen habe ich kleinere und grössere Parkanlagen besucht und mich teilweise auch in deren Geschichte und Hintergründe eingelesen. Diese Eindrücke konnte ich in meine zeichnerische Praxis aufnehmen.Ein wichtiger Aspekt dieses Aufenthalts
ist auch der Austausch und das Knüpfen von Kontakten. Ich lernte schnell andere Kunstschaffende in der Cité kennen, was zu einem schönen Austausch und gemeinsamen kulturellen Exkursionen führte. Ich bin sicher, dass einige der neu geknüpften Kontakte über den Aufenthalt hinaus weiterbestehen werden.Das vielschichtige und hochkarätige kulturelle Angebot in Paris ist einfach überwältigend. Die vielen Ausstellungsbesuche waren sehr anregend und ich konnte einige für mich interessante Positionen eingehend studieren. Für meine Arbeit am relevantesten war die Vertiefung mit Arbeiten von Tino Sehgal, der von Oktober bis Dezember 2016 den gesamten Palais du Tokyo bespielte. Die starke Auseinandersetzung mit anderen künstlerischen Positionen führte auch dazu, meine eigene künstlerische Praxis neu zu befragen. Der Atelieraufenthalt in Paris hat mich persönlich und künstlerisch äusserst bereichert und aufgeladen. Ich konnte auf verschiedenen Ebenen profitieren und durch die produktiven Arbeitsbedingungen meine Arbeit gezielt vorantreiben. Für diese einzigartige Möglichkeit möchte ich mich bei der visarte zentralschweiz herzlich bedanken!
INTERRUPTION — BERICHT ATELIER CITÉ PARIS — PAUL LIPP (Januar–Juni 2016)
Alles einmal reduzieren und etwas Neues ausprobieren. Sich nichts Konkretes vor-nehmen. Nach Paris gehen und sehen, was passiert. Kleine Formate malen, zeichnen oder sich mehr inhaltlich mit der Malerei auseinandersetzen. Sich wieder einmal mit den jungen und den toten Malern beschäf-tigen. Ich wusste von Anfang an, dass das schwierig werden würde, wollte es aber versuchen.Als Erstes kaufe ich im Baumarkt Material, um alles abzudecken, was aus den Sechzigern von diesem schönen Atelier noch übrig ist. Somit ist der Raum zum Malen eingerichtet. Ich kaufe Acrylfarbe, da ich hier mit Ölfarbe nicht arbeiten kann. Auch ein Zeich nungsblock liegt im Einkaufskorb, habe mir ja vorgenommen, das Feld ein wenig zu erweitern. Dies ist vielleicht noch das Einzige, was von meinen ersten Ideen übrig bleibt. Vorerst will ich die Bilderformate klein halten und mir Gedanken machen über Bildinhalte und neue Möglichkeiten. Etwas, das mir in letzter Zeit schwergefallen ist, da die Malerei flüssig ist und man ständig damit beschäftigt ist, das Material herumzuschieben, sobald es auf die Fläche trifft. Die kleinen Flächen füllen sich mit Farbe und wie immer ist der Anfang wunder schön. Dann kommt das Warten. So lange warten, bis man nicht mehr kann, um dann alles Aufgestaute in schnellen Bewegungen auf die Fläche zu bringen. Dies ist meine gewohnte Vorgehensweise. Doch der Unter schied liegt in der Acrylfarbe. Sie eröffnet mir neue Möglichkeiten im Tempo und im Bildaufbau. Aber ich bin mit der Qualität der Farbe noch nicht zufrieden. Dann halt mal alle auffindbaren Produkte testen. Ich kaufe mir diverse Marken: das Rot von
Liquitex, das Weiss von Lukas, das Gelb von Amsterdam – ja, das funktioniert. Schon bald habe ich meine Produktepalette zusammengestellt. Die ersten Bilder ent stehen, doch ich möchte auf grösseren Leinwänden arbeiten. Schon bald bin ich froh über diesen Entscheid, denn nun stellt sich die Frage nicht mehr, ob ich einen Transport in die Schweiz organisieren muss oder ob ich die Bilder mit dem Zug nach Hause nehme. In der nächsten Zeit arbeite ich parallel an den grossen und den kleinen Bildern. Boom! Die ersten drei Monate vergehen wie im Flug und zum Glück folgen noch mal drei weitere Monate. Ein Treffen mit Patricia, JeanClaude und Cécile von der Galerie Sobering, sie wollen eine Ausstellung mit den entstandenen Arbeiten machen. Die Vernissage ist Mitte Juni. Dann folgt noch eine Ausstellung mit Freunden im Ausstellungsraum der Cité des Arts. Auch die letzten Wochen vergehen schnell. Ich lasse alle Bilder in der Galerie Sobering in der Rue de Turenne und reise Ende Juni mit dem Zug wieder zurück in die Schweiz.
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Ursula Buchers Interesse gilt vor allem der Holzskulptur, meist Frauenfiguren, die in der Grösse den Meter nicht über-treffen. Sie stehen, sitzen und lassen die Beine baumeln oder liegen auf einem Sockel, bäuchlings oder seitwärts. Wenn die Künstlerin an ihrem Arbeitstisch steht, neben ihr ein fahrbares Tablar mit unzähligen Meisseln verschiedenster Grössen und vor ihr ein Block aus Lindenholz, erfüllt sich, was sie schon als Mädchen wusste: Sie würde ein Handwerk erlernen und mit ihren Händen etwas gestalten. Im Vorkurs an der damaligen Kunstgewerbeschule Zürich machte sie ihre ersten Erfahrungen mit der Holzbearbeitung und seither hat die Begeisterung für dieses Material nicht nachgelassen. Ausgangspunkt für eine Skulptur ist die Idee einer spezifischen Körperhaltung, die zeichnerisch festgehalten wird. Während der Bearbeitung mit dem Meissel erlaubt sich die Künstlerin dank ihrer grossen Erfahrung, von der vorgesehenen Körperhaltung auch abzuweichen. «Im Arbeitsprozess beweglich zu bleiben, ist meist mit einem Glücksgefühl verbunden.» Ursula Bucher faszinieren Begegnungen mit Menschen. Dies war auch der Grund, weshalb sie nach der Schule für Gestaltung eine Ausbildung zur Malpäda gogin machte. Im Kontakt mit verschiedensten Menschen zu stehen und deren schöpfer ische Möglichkeiten zu wecken und zu begleiten, dies prägt ihr Leben. Menschen waren auch das Thema einer Ausstellung 2013, in der sie kleine Porträts von Freundinnen und Bekannten zeigte, die sie aufgrund von Fotografien gemalt hatte. In der genauen Beobachtung der Aufnahmen und der malerischen Umsetzung seien ihr die Personen noch vertrauter geworden. Die Gabe der präzisen Beobachtung und
das Gespür für differenzierte Bewegungsabläufe finden ihren Ausdruck in den Holzskulpturen. Aus dem rohen LindenholzBlock entstehen in sorgfältiger Kleinstarbeit Figuren, die den Betrachter nicht unberührt lassen. Ein Gesicht, das eine Prise Schalk mit einem Staunen verbindet, eine Hand, die in der Manteltasche etwas Unbekanntes vermuten lässt, Arme, die ausladend eine innere Erregung auszudrücken scheinen, oder ein leicht angewinkeltes Bein, das eine gewisse Verlegenheit ahnen lässt: Dies sind die Feinheiten, die mit der sensiblen Bemalung die Figuren zu kleinen Persönlichkeiten machen, die Bewegungen und Gesten von uns Menschen aufnehmen, aber ihre Herkunft aus dem Lindenholz nicht verleugnen. Es sind stimmige, lebendige Skulpturen, deren Präsenz im Raum nicht zu übersehen ist. Neben der physisch anstrengenden Arbeit mit dem Holz setzt sich Ursula Bucher wieder vermehrt mit der Malerei auseinander. In kleinen Porträts hält sie Zwiesprache mit ihren Holzfiguren und setzt malerisch die Suche in dem imaginären Raum zwischen «Holz und Wirklichkeit» fort.
Ursula Bucher, 1965 in Thalwil geboren, besuchte den Vorkurs an der Kunstgewerbeschule Zürich und hospitierte drei Jahre lang an der Schule für Gestaltung Luzern und am Bath College of Higher Education, Faculty of Art, GB. Ausstellun-gen seit 1988. Sie arbeitet und lebt in Kulmerau.
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Foto: Jutta Vogel
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