Szenarien für die Abfallplanung
Nachhaltige Bewirtschaftung von mineralischen Rückbaustoffen
Schlussbericht
Juli 2007
Titelfoto: Bildarchiv ETH-Bibliothek Zürich. ETH/EMPA (alte), Leonhardstrasse und Aussenstation Schlieren. Frostprüfung an Backsteinen.
Mitglieder des Projektteams
ETH-UNS:
Prof. Dr. Claudia R. Binder (neu: Universität Zürich)
Dr. Daniel J. Lang
Andy Spörri
AWEL:
Dr. Elmar Kuhn
Dr. Beat Stäubli
Rolf Wagner
Anschrift des Autors
Andy Spörri
ETH Zürich
Institut für Umweltentscheidungen (IED)
Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften (UNS)
CHN J74.1, Universitätstrasse 22, CH-8090 Zürich
Telefon ++41 44 632 54 53
Fax ++41 44 632 10 29
Email [email protected]
Internet www.nssi.ethz.ch
Inhalt
1 VORWORT..........................................................................................................................2
2 DAS PROJEKT .....................................................................................................................3
3 BAUWIRTSCHAFT IM KANTON ZÜRICH HEUTE .....................................................................4
4 VORGEHEN.........................................................................................................................6
4.1 FORMATIVE SZENARIOANALYSE (FSA)........................................................................................................6 4.2 PRAKTISCHE ILLUSTRATION ..........................................................................................................................7
5 SZENARIEN IM ÜBERBLICK ...............................................................................................11
6 BESCHREIBUNG DER SZENARIEN .......................................................................................12
6.1 PRIMÄRRESSOURCEN SCHONENDE BAUWERKSERNEUERUNG................................................................... 12 6.2 ERNEUERUNG DES BAUWERKS AUF KOSTEN VON PRIMÄRRESSOURCEN ................................................. 14
7 INTERPRETATION/DISKUSSION ..........................................................................................15
7.1 INTERPRETATION DER SZENARIEN ............................................................................................................. 15 7.2 METHODISCHE ASPEKTE............................................................................................................................. 16
8 FAZIT...............................................................................................................................17
APPENDIX: DEFINITIVE KONSISTENZMATRIX .........................................................................19
DANKSAGUNG.......................................................................................................................20
Szenarien für die Abfallplanung
2 Juli 2007
1 Vorwort
Infolge von Rückbau und Sanierung des Bauwerks fielen 2004 im Kanton Zürich etwas mehr als 1.5 Mio.
Tonnen Bauabfälle an. Damit ist die Bauwirtschaft mit einem Anteil von beinahe 50% am gesamten
Abfallaufkommen der mengenmässig bedeutendste Abfallverursacher1. Neben der Vermeidung von Bauabfällen
stellt deren stoffliche Wiederverwertung nach dem gezielten Rückbau von Gebäuden einen viel versprechenden
Ansatz dar, um dem Abbau von Primärmaterial zur Herstellung von Baurohstoffen (BRS) entgegenzuwirken. Im
Weiteren kann dadurch auf das Auffüllen knappen Deponievolumens verzichtet werden.
Im Kanton Zürich wurden in den vergangenen 5 Jahren durchschnittlich 90% der Bauabfälle (1.45 Mio. Tonnen)
einer stofflichen Wiederverwertung zugeführt1. Der bedeutende Anteil (ca. 70%) der dadurch gewonnenen
Rückbaustoffe (RBS) wurde im Tiefbau eingesetzt, während der Hochbau mit 30% nur einen geringen Anteil
nachfragte2.
Diese hohe Recyclingquote ist allerdings aus verschiedenen Gründen mittel- bis langfristig nicht gewährleistet.
Einerseits wurde der Einsatz von Rückbaustoffen im betrachteten Zeitraum durch verschiedene
Grossbauprojekte begünstigt. Andererseits wird infolge von gesellschaftlichen Entwicklungen (z.B.:
energetische Optimierung des Bauwerks im Zuge der Klimapolitik, zunehmender Wohnflächenbedarf pro
Person, wirtschaftliche Konjunktur) eine Zunahme der Bauabfallmengen3 erwartet. Weniger Tiefbau-
Grossprojekte in Zukunft weisen gleichzeitig auf eine Nachfrage-Verschiebung vom Tief- in den Hochbau hin2.
Da die stoffliche Wiederverwertung einen funktionierenden Markt für die daraus entstehenden Rückbaustoffe
voraussetzt und es das Ziel ist, die Recyclingquote auch in Zukunft auf dem gegenwärtigen Niveau zu halten,
müssen Wege gefunden werden, um eine ausreichende Nachfrage nach Rückbaustoffen auch in Zukunft zu
gewährleisten4,vgl.5.
1 Stäubli, B., Wymann, A., Morf, L. & Bosshard, F. (2004). Statistik.info: Daten, Informationen, Analysen: Abfall im
Kanton Zürich. Zürich: Statistisches Amt des Kantons Zürich.
2 Brunner, F., Montalvo, D. & Ott, D. (2006). Mineralische Sekundärresourcen. Potentiale von Recyclingprodukten aus
Mischabbruchfraktionen. Semesterarbeit am Departement Bau, Umwelt und Geomatik (D-BAUG) der ETH Zürich. Bestätigt anhand einer mündlichen Mitteilung von Herrn Hansruedi Eberhard.
3 Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft, AWEL (2007). Abfall- und Ressourcenwirtschaft Planung 2007-2010. Zürich: Baudirektion des Kantons Zürich.
4 Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft, AWEL (2005). Kies für Generationen. Strategie zur Förderung des Einsatzes
von Recyclingbaustoffen. Zürich: Baudirektion Kanton Zürich.
5 Weil, M, Jeske, U. & Schebek, L. (2006). Closed-loop recycling of construction and demolition waste in Germany in view of stricter environmental threshold values, Waste Management & Research, 24,197-206.
Nachhaltige Bewirtschaftung von mineralischen Rückbaustoffen
Juli 2007 3
2 Das Projekt
Das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich (AWEL) hat seine Abfallplanung als
umfassendes Führungssystem definiert, das eine kontinuierliche, rollende Planung zulässt. Hierbei sollen
“Umfeldbeobachtung – Umfeldentwicklung” und das “Planen mit Szenarien” eine wichtige Rolle spielen. Im
Projekt „Szenarien für die Abfallplanung“ soll ein Beitrag zu dieser Form der Planung am Beispiel der
mineralischen Rückbaustoffe6 (RBS) geleistet werden. Innerhalb von diesem Projekt wird erarbeitet, wie sich das
gesellschaftliche und ökonomische Umfeld im Bezug auf diese Rückbaustoffe im Kanton Zürich entwickeln
könnte und welche potentiellen Auswirkungen diese Entwicklungen für den Umgang mit diesen Ressourcen
haben. Die erarbeiteten Szenarien sollen als Grundlage für die strategische Planung verschiedener Akteure
(AWEL, Unternehmer, Architekten, etc.) dienen.
Das Projekt wird gemeinsam vom AWEL und der Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften
(UNS) der ETH Zürich (ETH-UNS) durchgeführt. Innerhalb des Projekts wurde ein Experten-Workshop zur
Bestimmung der Einflussmatrix durchgeführt, um das Wissen und die unterschiedlichen Perspektiven
verschiedener Interessensgruppen (Behörden, Verbände, Industrie, Wissenschaft) in die Beurteilungen
einfliessen zu lassen.
Der Inhalt des vorliegenden Schlussberichts stützt auf dem Zwischenbericht zur Systemanalyse ab. Die
Beschreibung und Interpretation der ausgewählten Szenarien steht dabei im Vordergrund. In der Darstellung der
Methode und der konkreten Vorgehensweise wird vorwiegend auf diejenigen Schritte eingegangen, die im
Anschluss an die Systemanalyse (vgl. Zwischenbericht) durchgeführt wurden.
6 Bauabfälle, die nach dem Rückbau über einen Aufbereitungsprozess in Sekundärbaustoffe überführt worden sind, werden als Rückbaustoffe (RBS) bezeichnet.
Szenarien für die Abfallplanung
4 Juli 2007
3 Bauwirtschaft im Kanton Zürich heute
In Tabelle 1 sind die System beschreibenden Einflussvariablen, deren Masseinheiten bzw. Messgrössen und die
entsprechenden Ist-Zustände dargestellt. Für die qualitativ erfassten Einflussvariablen ist zusätzlich die
verwendete 3-er Skala angegeben, deren Niveaus zugleich auch die Ausprägungen darstellen (vgl. Tabelle 2).
Tabelle 1. Übersicht über alle Einflussvariablen mit entsprechenden Masseinheiten bzw. Messgrössen und
Ist-Zuständen
Einflussvariable Masseinheit/Messgrösse Skala (qualitativ) Ist-Zustand
Menge Bauabfall
t
a
- 1.6 – 1.8 Mio. (2004)
Anteil RBS Tiefbau % - 48% (2004)
Anteil RBS Hochbau % - 9% (2004)
Image RBS relativ zu BRS (1) schlechter
(2) gleich (3) besser
schlechter
Schadstoffpotential RBS relativ zu BRS (1) schlechter (2) gleich (3) besser
schlechter
Gesetze & Normen Fördernder Einfluss auf Einsatz von RBS
(1) neutral (2) fördernd (3) stark fördernd
fördernd
Aufwand (Rückbau & Aufbereitung)
CHF
t
- 35 – 50
Kiespreis
CHF
t
- 10 – 20
Deponiepreis
CHF
t
- 25 – 35
Energiepreis
CHF
t
- 625
Distanzverhältnis
(Aufbereitung vs. Deponie)
Distanzverhältnis
Aufbereitungsanlage vs. Deponie
(1) näher (< 1)
(2) gleich (1) (3) weiter (> 1)
näher
Techn. Innovation Effizienz relativ zu Optimierungs-potential
(1) gering (2) mittel (3) hoch
gering
Kommunikation Häufigkeit & Qualität (1) ungenügend
(2) ausreichend (3) umfassend
ungenügend bis
ausreichend
Verantwortungsbewusstes
Verhalten Bauherren
Bereitschaft zu
verantwortungsvollem Baustoffeinsatz
(1) gering
(2) mittelmässig (3) hoch
gering
Nachhaltige Bewirtschaftung von mineralischen Rückbaustoffen
Juli 2007 5
Gegenwärtig fallen im Kanton Zürich etwas mehr als 1.5 Mio. Tonnen Bauabfälle an. Dieser Menge steht eine
jährliche Gesamtnachfrage nach Baustoffen von knapp 7.5 Mio. Tonnen gegenüber7.
Mit insgesamt 2.2 Mio. Tonnen gelangen 30% der Baustoffe8 in den Tiefbau, während im Hochbau die
restlichen 70% bzw. 5.2 Mio. Tonnen Verwendung finden. Die anfallenden Bauabfälle aus dem Rückbau von
Bauwerken werden heute zu einem Anteil von über 90% der stofflichen Aufbereitung zugeführt und
anschliessend in Form von Rückbaustoffen wieder auf dem Baustoffmarkt angeboten. Die resultierenden 1.45
Mio. Tonnen Rückbaustoffe gelangen zu 70% (1.05 Mio. Tonnen) in den Tiefbau, was einem Anteil von knapp
50% an der Gesamtnachfrage nach Baustoffen durch den Tiefbau entspricht. Die übrigen 0.4 Mio. Tonnen
Rückbaustoffe finden ihren Absatz im Hochbau und machen einen Anteil an der Gesamtnachfrage von knapp
10% aus.
Die Preise von Baurohstoffen und Rückbaustoffen sind heute praktisch auf demselben Niveau. Unter dieser
Voraussetzung werden heute, vor allem im Hochbau, Baurohstoffe bevorzugt. Rückbaustoffe sind heute noch
mit dem negativen Begriff „Abfall“ behaftet9 und werden im Vergleich zu Baurohstoffen grundsätzlich als
qualitativ minderwertig betrachtet, dies sowohl bezüglich den Schadstoffgehalten (PAK, PCB, Phenole,
Chromat, Asbest, etc.) wie auch bezogen auf bauphysikalische Eigenschaften. Diese Skepsis wird durch
unzureichende Qualitätsrichtlinien an Rückbaustoffe in Abhängigkeit ihres Einsatzes zusätzlich verstärkt
(Haftungsrisiko), was ein Hemmnis für Innovationen (fehlende Zielgrössen) zur Steigerung der Effizienz
(Qualität, wirtschaftlicher Aufwand) von Rückbau- und Aufbereitungstechnologien darstellt.
Diese Faktoren führen unter Anderem zu einem schlechten Image von Rückbaustoffen und folglich zu einer
geringen Bereitschaft von Bauherren, Rückbaustoffe vermehrt in Hochbau-Projekten einzusetzen. Aus diesen
Gründen werden Rückbaustoffe, im Gegensatz zu Primärbaustoffen, oft für einen minderwertigen Einsatz
vorgesehen, was auch deren überwiegenden Einsatz im Tiefbau erklärt.
7 Kind, E., Müller, E., Vogt, L. & Suter, B. (2006). Kieshaushalt Schweiz. Eine ökonomische Betrachtung. Semesterarbeit
am Departement Bau, Umwelt und Geomatik (D-BAUG) der ETH Zürich.
8 Sammelbegriff für Baurohstoffe (BRS) und Rückbaustoffe (RBS, Sekundärbaustoffe). 9 Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft, AWEL (2005). Kies für Generationen. Strategie zur Förderung des Einsatzes
von Recyclingbaustoffen. Baudirektion des Kantons Zürich.
Szenarien für die Abfallplanung
6 Juli 2007
4 Vorgehen
Das Vorgehen beruht auf der im Zwischenbericht kurz beschriebenen Formativen Szenarioanalyse (FSA) 10. Im
folgenden Kapitel wird ein kurzer Überblick über den Ablauf der FSA gegeben, bevor auf das konkrete
Vorgehen im Rahmen des Projekts eingegangen wird. Wie bereits erwähnt, wird auf die Darstellung der Schritte
bis und mit Systemanalyse verzichtet, da dies bereits im Zwischenbericht geschildert wurde.
4.1 Formative Szenarioanalyse (FSA)
Abbildung 1 zeigt den Ablauf der FSA. Die ersten zwei Phasen wurden im Zwischenbericht behandelt. Nach
einem vertieften Einblick in das systemische Wirkungsgefüge (Systemanalyse) wird der Blick nun in die Zukunft
gerichtet. In der Projektion werden die Szenarien konstruiert, bevor diese schließlich ausgewählt, beschrieben
und interpretiert werden (Auswahl).
Abbildung 1. Die Phasen der FSA und die entsprechenden Schritte.
10 Scholz, R.W. & Tietje, O. (2002). Embedded Case Study Methods. Integrating Quantitative and Qualitative Knowledge.
Thousand Oaks: Sage Publications.
Nachhaltige Bewirtschaftung von mineralischen Rückbaustoffen
Juli 2007 7
4.2 Praktische Illustration
Die Illustration des Vorgehens orientiert sich an obiger Abbildung, indem der Reihe nach auf die letzten beiden
Phasen und die entsprechenden Schritte eingegangen wird.
Phase 3: Projektion
Im Anschluss an die Analyse des heutigen Zustands steht in der Projektion die Konstruktion der Szenarien im
Zentrum. Dazu werden für die Einflussvariablen Ausprägungen definiert. Auf der Grundlage von
Konsistenzurteilen zwischen den Ausprägungen von Einflussvariablen wird schliesslich ein umfangreicher Pool
von Szenarien errechnet (Auswertung der Konsistenzmatrix).
Schritt 5: Ausprägungen der Einflussvariablen
Auf der Basis von quantifizierten Ist-Zuständen der Einflussvariablen wurden für jede der 14 Einflussvariablen 3
Ausprägungen (möglicher Zukunftszustand der Variablen, hier: 2020) erarbeitet. Die Ausprägungen wurden
derart festgelegt, dass diese eine Trendfortsetzung und zwei unterschiedliche Extrementwicklungen der
Einflussvariablen abbilden.
Dabei werden folgende drei Vorgehensweisen unterschieden:
- Literaturanalyse
- Zeitreihenanalyse
- Gezielter Einbezug von Experten
In Tabelle 2 sind die Ausprägungen aller Einflussvariablen dargestellt inklusive deren Kurzdefinitionen.
Schritt 6: Bestimmung der Konsistenzen (Konsistenzanalyse)
Mittels der Konsistenzanalyse werden die Kennzahlen für die „innere Stimmigkeit“ (Konsistenz) der Szenarien
bestimmt. Als Grundlage für die Berechnung der Konsistenzwerte dient die Konsistenzmatrix. In der
Konsistenzmatrix wird das gleichzeitige Auftreten zweier Ausprägungen von Einflussvariablen bewertet. Die
Bewertung basiert auf den folgenden Konsistenzwerten:
-1: Inkonsistenz Die beiden Ausprägungen können nicht miteinander auftreten.
0: Koexistenz Die beiden Ausprägungen treten unabhängig voneinander auf.
1: Unterstützung Das Auftreten der einen Ausprägung wird durch das Auftreten der anderen
Ausprägung gefördert.
2: Bedingung Das Auftreten der einen Ausprägung hängt notwendig mit dem Auftreten der
anderen Ausprägung zusammen.
Die Konsistenzmatrix wurde von den Mitgliedern des Projektteams und einer hinzugezogenen Expertin (Dr.
Christina Seyler-Jahn, ETH Zürich, D-BAUG) einzeln ausgefüllt. Anschliessend wurden diese individuellen
Matrizen einem definierten Auswertungsverfahren11 unterzogen und so in eine definitive (für die
Szenarienkonstruktion verwendete) Version (vgl. Appendix 1) übergeführt.
11 Das Auswertungsverfahren für die Überführung mehrerer individueller in eine repräsentative Konsistenzmatrix(zen)
basierte auf so genannten Dissensregeln. Dissens bestand dann, wenn: (i) leicht unterschiedliche Einzelbeurteilungen in knappem Mehrheitsverhältnis vorlagen (hier: 3:2); (ii) sich mindestens zwei Einzelbeurteilungen um mehr als 1 (0,2) unterschieden; (iii) mindestens eine Inkonsistenzbeurteilung (“-1”) und eine andere Beurteilung (0,1,2) zusammen auftraten.
Szenarien für die Abfallplanung
8 Juli 2007
Tabelle 2. Übersicht über die Einflussvariablen mit Kurzdefinition und entsprechenden Ausprägungen
Ausprägungen Einflussvariable Kurzdefinition
Extrem 1 Trend Extrem 2
Menge Bauabfall Im Kanton Zürich anfallende Bauabfall-Menge pro Jahr
1.6 Mio. t 2.7 Mio. t. 4.5 Mio. t.
Anteil RBS Tiefbau Anteil RBS an Baustoff-Nachfrage im Tiefbau
47% 100% 100%
Anteil RBS Hochbau Anteil RBS an Baustoff-Nachfrage im Hochbau
8% 12% 43%
Image RBS Gesamtheit der Einstellungen ggü. RBS von Bauherren
schlechter gleich besser
Schadstoffpotential RBS
Schadstoffkonzentration (va. PCB, PAK, Chromat) von RBS
schlechter gleich besser
Gesetze & Normen Alle rechtlichen Erlasse (Gesetze, Verordnungen) und Richtlinien, welche den Umgang mit Baustoffen tangieren
neutral fördernd starkfördernd
Aufwand (Rückbau & Aufbereitung)
Kosten des Rückbau von Bauwerken und anschliessender Aufbereitung
25 45 60
Kiespreis Preis pro Tonne Primärkies 5 13 30
Deponiepreis Annahmegebühr pro Tonne auf Inertstoffdeponie
10 25 60
Energiepreis Preis pro Tonne Rohöl 110 725 2000
Distanzverhältnis (Aufbereitung vs. Deponie)
Verhältnis zwischen mittlerer Distanz vom Ort des Rückbaus zur
Aufbereitungsanlage bzw. zur Inertstoffdeponie
näher gleich weiter
Technologische Innovation
Effizienzsteigerungen von
Technologien zum Rückbau von Bauwerken und Aufbereitung von Bauabfällen
gering mittel hoch
Kommunikation Häufigkeit und Qualität der Informationsverbreitung durch
Behörden rund um die Wiederverwertung von Bauabfällen
ungenügend ausreichend umfassend
Verantwortungs-
bewusstes Verhalten Bauherren
Bereitschaft der Bauherren zu einem
verantwortungsvollen Umgang mit Baustoffen
gering mittel hoch
Nachhaltige Bewirtschaftung von mineralischen Rückbaustoffen
Juli 2007 9
Schritt 7: Auswertungen der Konsistenzmatrix
In diesem Schritt werden nun die Szenarien12 generiert. Eine Konsistenzmatrix mit 14 Einflussvariablen mit
jeweils 3 Ausprägungen führt zu theoretisch möglichen 4'782'696 (=314) Szenarien. Im folgenden
Auswahlverfahren (Schritt 8) wurden allerdings nur diejenigen Szenarien berücksichtigt, die folgende
Minimalanforderungen an die Konsistenz erfüllten:
- Anzahl tolerierter Inkonsistenzen: Da in der Konsistenzmatrix relativ wenige Inkonsistenzen („-1“-
Beurteilungen) auftraten, wurde die Anzahl der in einem Szenarium tolerierten Inkonsistenzen zwischen
zwei Ausprägungen auf Null gesetzt, d.h. alle Szenarien, die eine „-1“ in irgend einem Einzelvergleich
2er Ausprägungen von Einflussvariablen aufweisen, wurden aufgrund unausreichender Stimmigkeit
ausgeschlossen; dies unabhängig von der Höhe des additiven Konsistenzwertes.
- Minimaler additiver Konsistenzwert (Stimmigkeit): Die Höhe des additiven Konsistenzwertes13, den ein
Szenarium aufweisen muss, um ins folgende Auswahlverfahren zu gelangen, wurde auf 30 festgelegt.
Dies führte zu 21'254 Szenarien, welche im Auswahlverfahren mitberücksichtigt wurden. Die Konsistenzwerte
liegen zwischen 30 und 52 (maximale, additive Konsistenz eines Szenariums).
Phase 4: Auswahl
Das Kernstück der letzten Phase ist die Auswahl eines kleinen, möglichst konsistenten und heterogenen sowie
für die Fragestellung möglichst repräsentativen Sets einiger weniger Szenarien. Anschliessend werden die
ausgewählten Szenarien beschrieben und in Bezug auf die Fragestellung interpretiert.
Schritt 8: Auswahl der Szenarien
Für die Auswahl der definitiven Szenarien werden im Groben zwei Vorgehensweisen unterschieden:
- Daten-getrieben, bottom-up, induktiv: Hier werden die definitiven Szenarien auf Basis eines formalen
Vorgehens ausgewählt. Diese Auswahl stützt sich auf folgende Bestimmungen:
o Die Szenarien sollen möglichst hohe additive Konsistenzwerte aufweisen
(Konsistenzkriterium)
o Die Szenarien sollen sich hinreichend voneinander unterscheiden (Diversitätskriterium14).
- Konzept-getrieben, top-down, deduktiv: Auf Basis von Hypothesen über den zukünftigen Zustand des
Systems werden so genannte „Schlüssel-Einflussvariablen“ definiert. Anschliessend wird der
Szenarienpool aufgrund von unterschiedlichen Ausprägungskombinationen dieser Schlüssel-Variablen
(3,3;3,2;…;1,1) gruppiert:
Im vorliegenden Fall der Bauwirtschaft wurden dafür die Menge Bauabfälle und der Nachfrageanteil von
RBS im Hochbau als Schlüssel-Variablen festgelegt (vgl. Vorwort).
12 Ein Szenarium stellt eine mögliche Kombination von Ausprägungen aller 14 Einflussvariablen dar.
13 Der additive Konsistenzwert eines Szenariums ist die arithmetische Summe aus den einzelnen Konsistenzbeurteilungen zwischen den jeweiligen Ausprägungen aller 14 Einflussvariablen.
14 Der Unterschied (Diversität) zwischen zwei Szenarien entspricht der Anzahl unterschiedlicher Ausprägungen aller 14 Einflussvariablen.
Szenarien für die Abfallplanung
10 Juli 2007
Um dem Spektrum möglicher Szenarien (Diversität) bestmöglich gerecht zu werden, wurden die beiden
Verfahren kombiniert. In einem ersten Schritt wurde eine induktive Auswahl vorgenommen. Das resultierende
Set von Szenarien wurde anschliessend gezielt ergänzt, indem „fehlende“ Szenarien (mit möglichst hoher
Konsistenz) aus dem deduktiven Verfahren hinzugezogen wurden.
Diese Vorgehensweise führte zur Auswahl von 7 definitiven Szenarien; davon 5 aus dem induktiven bzw. 2 aus
dem deduktiven Vorgehen.
Schritt 9 & 10: Beschreibung und Formulierung bzw. Interpretation der Szenarien
Schliesslich wurden die 7 Szenarien auf Basis des Wissens vom Projektteam und den Einblicken aus der
Systemanalyse beschrieben, formuliert und schliesslich in Bezug auf die Fragestellung interpretiert.
Nachhaltige Bewirtschaftung von mineralischen Rückbaustoffen
Juli 2007 11
5 Szenarien im Überblick
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über alle ausgewählten Szenarien. Gezeigt ist das Set von
Einflussvariablen, die Daten zum aktuellen Zustand, die Ausprägungen der Einflussvariablen in den Szenarien
inklusive der qualitativen Veränderung bezogen auf den heutigen Zustand.
Tabelle 3. Übersicht über die ausgewählten Szenarien mit den 14 Einflussvariablen, deren Ist-Zustände,
den Ausprägungen (1: Extrem 1; 2: Trend; 3: Extrem 2) und den qualitativen Änderungen gegenüber
heute in Klammern
Einflussvariablen Ist-Zustand Szenarien
Typ 1 Typ 2 Typ 3 Typ 4
1-1 1-2 1-3 2-1 3-1 3-2 4-1
Menge Bauabfall 1.6 – 1.8 Mio.
t
a 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 2 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 2 ( )
Anteil RBS Tiefbau 48% 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 1 ( ) 3 ( )
Anteil RBS Hochbau 9% 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 2 ( ) 1 ( ) 1 ( ) 1 ( )
Image RBS schlechter 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 1 ( ) 1 ( ) 1 ( )
Schadstoffpotential
RBS schlechter 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 1 ( ) 1 ( ) 1 ( )
Gesetze & Normen fördernd 3 ( ) 3 ( ) 2 ( ) 3 ( ) 2( ) 2 ( ) 2 ( )
Aufwand (Rückbau &
Aufbereitung) 35 – 50
CHF
t 1 ( ) 1 ( ) 1 ( ) 2 ( ) 3 ( ) 1 ( ) 1 ( )
Kiespreis 13
CHF
t 3 ( ) 3 ( ) 1 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 1 ( ) 1 ( )
Deponiepreis 25 – 35
CHF
t 3 ( ) 1 ( ) 1 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 1 ( ) 1 ( )
Energiepreis 625
CHF
t 3 ( ) 3 ( ) (1) 2 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 2 ( )
Distanzverhältnis (Aufbereit. vs. Dep.)
näher 1 ( ) 1 ( ) (1) 1 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 1 ( )
Techn. Innovation gering 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 2 ( ) 2 ( ) 2 ( )
Kommunikation ungenügend 3 ( ) 3 ( ) 2 ( ) 2 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 3 ( )
Verantwortungsbew.
Verhalten Bauherren gering 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 3 ( ) 1 ( ) 1 ( ) 1 ( )
Szenarien für die Abfallplanung
12 Juli 2007
6 Beschreibung der Szenarien
Das folgende Kapitel zur Beschreibung der Szenarien unterscheidet zwischen denjenigen Szenarien, in denen die
Bauwerkserneuerung vorwiegend auf dem Einsatz von Rückbaustoffen (hohe Recyclingquoten, vgl. 6.1) bzw.
von Baurohstoffen basiert (tiefe Recyclingquoten, vgl. 6.2). Innerhalb dieser zwei Oberklassen gibt es
verschiedene Typen, die sich in Bezug auf das Ausmass der Bauwerkserneuerung ( Menge Bauabfälle)
unterscheiden. Für jeden dieser Typen werden einerseits die allgemein gültigen Charakteristiken beschrieben,
bevor anschliessend auf die Eigenheiten der einzelnen, in den Typen zusammengefassten Szenarien eingegangen
wird.
6.1 Primärressourcen schonende Bauwerkserneuerung
Typ 1: Umfassende Bauwerkserneuerung
Infolge des intensiven Umbaus und Sanierung des Bauwerks
fallen im Kanton Zürich im Jahr 2020 umfangreiche Mengen an
Bauabfällen an. Damit einhergehend üben die gesetzlichen
Regelungen eine stark fördernde Wirkung auf die
Wiederverwertung dieser Abfälle aus. Dies indem
beispielsweise ein minimaler Marktpreis für Kies
vorgeschrieben wird, um die aus Gründen des Grund- und Trinkwasserschutzes wertvolle Ressource Kies zu
schonen. Weiter hat die Festsetzung klarer Qualitätsrichtlinien an Rückbaustoffe die Erforschung und
Umsetzung technologischer Innovationen im Rückbau- und Aufbereitungsprozess gefördert. Dies hat die
Schadstoffkonzentrationen in Rückbaustoffen so weit reduziert, dass diese ohne jegliche Vorbehalte verwendet
werden, obwohl der Aufwand des Rückbau- und Aufbereitungsprozesses gering ist. Die kantonalen Behörden
informieren umfassend rund um das Thema der Bauabfallproblematik, um deren Wiederverwertung zu fördern.
Das gute Image von Rückbaustoffen und damit einhergehend die hohe Bereitschaft zum Einsatz dieser Baustoffe
bewirken eine starke Zunahme in der Nachfrage. Im Tiefbau wird 2020 der gesamte Baustoffbedarf über
Rückbaustoffe gedeckt; im Hochbau wird der bedeutende Rest (2.5 Mio. Tonnen) abgesetzt. Die Quote der
Wiederverwertung der 4.5 Mio. Tonnen Bauabfälle liegt wie heute bei 90%.
Spezifische Charakteristiken der einzelnen Szenarien
Szenarium 1-1: Starke Preisregulierung
Der Energiepreis ist auf dem gleichen Niveau wie heute. Die hohe Bauwerkserneuerung ist auf gesellschaftliche
Entwicklungen, wie z.B. Verdichtung urbaner Zentren, gute Konjunkturlage oder Erhöhung der Wohnfläche pro
Person zurückzuführen. Kies- und Deponiepreise sind über Mindestpreise staatlich reguliert, um den Anreiz für
die Aufbereitung von Bauabfällen und den Einsatz von Rückbaustoffen zu erhöhen und damit die Versorgung
der Bauwirtschaft mit Primärmaterial zu reduzieren.
Szenarium 1-2: Energiepreis als treibende Kraft
Die teure Energie ist die treibende Kraft für Bauwerkserneuerungen und damit für das Anfallen grosser
Bauabfallmengen. Der Kiespreis ist über Mindestpreise staatlich reguliert. Die Annahmegebühren auf
Inertstoffdeponien sind auf tiefem Niveau.
Nachhaltige Bewirtschaftung von mineralischen Rückbaustoffen
Juli 2007 13
Szenarium 1-3: Kreislaufschliessung als Selbstläufer
Die hohe Erneuerungsrate ist nicht auf die Höhe des Energiepreises, sondern auf andere gesellschaftliche
Entwicklungen (Verdichtung urbaner Zentren; Erhöhung der Wohnfläche pro Person, Konjunkturlage, etc.)
zurückzuführen. Die Wiederverwertung der Bauabfälle funktioniert auch ohne aktive, staatliche Preispolitik
(Kies- und Deponiepreise) vorbildlich; der nachhaltige Umgang mit Ressourcen ist gesellschaftlich „normal“.
Ergänzende Bemerkungen:
Andere Szenarien weisen darauf hin, dass fehlende staatliche Preisregulationen auch dazu führen können, dass
im Hochbau aufgrund von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nach wie vor weitgehend auf den Einsatz von
Rückbaustoffen verzichtet wird. Eine derartige Entwicklung hätte die Abnahme der Wiederverwertungsquote
von heute 90% auf knapp 50% zur Folge und hängt vorwiegend davon ab, inwieweit sich Nachhaltigkeit als
gesellschaftlicher Wert etabliert hat.
Typ 2: Trendfortschreitung der Bauwerkserneuerung
Aufgrund der hohen Übereinstimmung mit den vorherigen
Szenarien des Typs 1 beschränken wir uns im Folgenden nur
noch auf die wesentlichen Unterschiede:
In diesem Szenarium hat die Bauabfallmenge entsprechend der
Fortsetzung des heutigen Erneuerungstrends auf 2.7 Mio.
Tonnen zugenommen. Die Nachfrage nach Rückbaustoffen im
Tiefbau hat die Sättigung erreicht und diejenige im Hochbau ist ebenfalls angestiegen; allerdings nicht in dem
Masse, als dass der ganze Rest der Bauabfälle wiederverwertet werden kann. Die daraus resultierende
Wiederverwertungsquote liegt bei etwas mehr als 80%.
Szenarien für die Abfallplanung
14 Juli 2007
6.2 Erneuerung des Bauwerks auf Kosten von Primärressourcen
Typ 3: Umfassende Bauwerkserneuerung
Durch den starken Anstieg des Energiepreises ist der Anreiz für
Energie bezogene Sanierungs- und Umbauprojekte gestiegen,
was zu einer starken Zunahme der Bauabfallmengen führte. Die
kantonalen Behörden informieren umfassend rund um das
Thema der Bauabfallproblematik, um die Wiederverwertung
von Bauabfällen zu fördern. Die gesetzlichen Grundlagen üben
eine fördernde Wirkung auf das System aus; jedoch ist es
versäumt worden, klare Qualitätsvorschriften für Rückbaustoffe und deren unterschiedliche Einsatzgebiete
festzulegen. Damit einhergehend sind technologische Innovationen zur Effizienzsteigerung des Rückbau- und
Aufbereitungsprozesses, trotz den grossen Abfallmengen, nur teilweise ausgeschöpft. Die
Schadstoffkonzentrationen in Rückbaustoffen liegen nach wie vor über denjenigen von Primärbaustoffen. So
sind Rückbaustoffe im Vergleich zu den Primärbaustoffen nach wie vor mit einem negativen Image behaftet.
Die minderwertige Qualität hält den Hochbau davon ab, Primärbaustoffe durch Sekundärmaterial zu ersetzen
(der Nachfrageanteil von Rückbaustoffen liegt bei bescheidenen 8%). Im Tiefbau ist die Nachfrage nach
Rückbaustoffen aufgrund tieferer Ansprüche an die Verwendung weniger stark an die Schadstoffkonzentrationen
gebunden. Die Entwicklung des Nachfrageanteils im Tiefbau hängt vor allem von den Baustoffpreisen ab (vgl.
unten).
Spezifische Charakteristiken der Szenarien
Szenarium 3-1: Keine Erschliessung der Hochbau-Nachfrage
Der hohe Kies- und Deponiepreis macht den Einsatz von Primärbaustoffen wirtschaftlich wenig attraktiv. Diese
Marktsituation führt, trotz des schlechten Images von Rückbaustoffen, zu einer Zunahme des Nachfrageanteils
von Rückbaustoffen im Tiefbau auf 100% (1.48 Mio. Tonnen). Unter Berücksichtigung des Hochbaus ergibt
sich eine Wiederverwertungsquote von 43%.
Szenarium 3-2: Preismonopol der Kiesindustrie: Zusammenbruch des Baumaterial-Kreislaufs
Das tiefe Niveau des Kies- und Deponiepreises hat dazu geführt, dass die im Tiefbau eingesetzten
Rückbaustoffmengen stagniert haben (1.5 Mio. Tonnen). Dies entspricht einem Nachfrageanteil von 71%, weil
die Gesamtnachfrage nach Baustoffen im Tiefbau im Vergleich zu heute schwach abgenommen hat. In diesem
Szenarium wird gerade noch ein Drittel der Bauabfälle der Aufbereitung zugeführt; der Rest wird zu geringen
Kosten deponiert.
Typ 4: Trendfortschreitung der Bauwerkserneuerung
Dieses Szenarium unterscheidet sich vorwiegend in der Menge
der jährlich anfallenden Bauabfallmengen, die entsprechend der
Fortsetzung des heutigen Trends in einem Umfang von 2.7 Mio.
Tonnen anfallen. Wird diese Menge der Nachfrage nach
Rückbausstoffen gegenübergestellt, so ergibt sich eine
Wiederverwertungsquote von 70%.
Nachhaltige Bewirtschaftung von mineralischen Rückbaustoffen
Juli 2007 15
7 Interpretation/Diskussion
7.1 Interpretation der Szenarien
Zur Konsistenz (Stimmigkeit) der Szenarien
Es wurde kein in sich stimmiges Szenarium identifiziert, das von einer stagnierenden Bauabfallmenge ausgeht.
Dies deutet darauf hin, dass dies eine ziemlich unwahrscheinliche Entwicklung darstellt.
Es wurden nur wenige Szenarien identifiziert, die von einer starken Abnahme der Wiederverwertungsquote auf
unter 50% ausgehen. Diese scheinen im Vergleich mit anderen Szenarien weniger stimmig zu sein
(Konsistenzwerte), bilden aber dennoch interessante, und vor allem mögliche Zukunftszustände ab (vgl. S.16:
Methodische Diskussion).
Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass aufgrund fehlenden Deponievolumens ein system-inhärenter Zwang
zur Wiederverwertung besteht, der hier in den Konsistenzbeurteilungen und damit in den resultierenden
Szenarien zum Ausdruck kommt. Allerdings werden ja heute auch verstärkt wieder grenzüberschreitende
Entsorgungslösungen gefördert, sofern diese ökologisch vergleichbar und ökonomisch vorteilhaft sind15. In
diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Transporte bei steigendem Energiepreis teurer werden, was
bei den massenmäßig bedeutenden Bauabfällen wirtschaftlich stark ins Gewicht fallen kann.
Inhaltliche Interpretation
Die stoffliche Wiederverwertung hängt von der Nachfrage nach Rückbaustoffen ab (angeboten wird so viel, wie
auch abgesetzt werden kann). Dabei ist das Preisverhältnis von Rück- zu Primärbaustoffen (inklusive des Preises
der Entsorgung von Bauabfällen) eine der entscheidenden Größen16 (vgl. z.B.: Szenarium: Preismonopol der
Kiesindustrie: Zusammenbruch des Baumaterials-Kreislaufs).
Findet in der Gesellschaft aber ein „nachhaltiger“ Wertewandel statt (vielleicht reicht bereits der Wegfall
des Anhängsels „Abfall“ und eine begriffliche Gleichstellung), so kann die Verwendung von
Rückbaustoffen zum „courant normal“ werden, dies unabhängig von der Höhe des Kies- und
Deponiepreises (Rückbaustoffe als Selbstläufer). Dies natürlich nur dann, wenn die Qualität der
Rückbaustoffe mit derjenigen von Baurohstoffen vergleichbar ist.
Auf Preisdifferenzen zurückzuführende, unzureichende Nachfragemengen sind über staatliche
Preisregulationen effektiv steuerbar.
Ebenfalls zentral im Zusammenhang mit der Nachfrage nach Baustoffen, ist die Frage nach deren Qualität
bezogen auf Schadstoffkonzentrationen und bauphysikalische Eigenschaften. Sind die in Rückbaustoffen
enthaltenen Schadstoffe höher als diejenigen in Baurohstoffen oder sind die bauphysikalischen
Eigenschaften für gewisse Verwendungen unzureichend, so spielen wirtschaftliche Anreize für den Einsatz
15 Hanser, C., Kuster, J., Gessler, R. & Ehrler, M. (2006). Nachhaltige Rohstoffnutzung und Abfallentsorgung. Grundlagen
für die Gestaltung der zukünftigen Politik des Bundes. Umwelt-Wissen Nr. 0612. Bern: Bundesamt für Umwelt (BAFU).
16 Loughlin, D.H. & Barlaz, M.A. (2006). Policies for Strengthening Markets for Recyclables: A Worldwide Perspective. Critical Reviews in Environmental Science and Technology, 36, 287-326.
Szenarien für die Abfallplanung
16 Juli 2007
von Rückbaustoffen für den Hochbau aufgrund der hohen Qualitätsanforderungen eine untergeordnete
Rolle.
Wichtig für die Kreislaufschließung sind klare Richtlinien, welche die Einsatzgebiete von
Rückbaustoffen (vor allem bezogen auf den Hochbau) in Abhängigkeit ihrer Qualität eindeutig
festlegen. Diese führen zur Erforschung und Umsetzung von technologischen Innovationen, die für die
Reduktion der Schadstoffkonzentrationen und des finanziellen Aufwands (und damit des Preises von
Rückbaustoffen) maßgebend sind, und zur Klärung der Haftungsfrage. Das dadurch verbesserte Image
führt schließlich zu einer verstärkten Hochbaunachfrage nach Rückbaustoffen.
Im Tiefbau ist die Nachfrage weniger stark an die Qualität gebunden; es stehen vorwiegend
Wirtschaftlichkeitsüberlegungen im Vordergrund.
Die Informationsverbreitung zur Förderung der Wiederverwertung ist im Vergleich zu Preisdifferenzen und
der Qualitätsfrage von untergeordneter Bedeutung. Sie kann aber dabei helfen, „irrationale“ Vorurteile
gegenüber Rückbaustoffen aus dem Weg zu räumen und, in sehr begrenztem Masse, gesellschaftliche Werte
zu beeinflussen.
7.2 Methodische Aspekte
Konsistenzanalyse
Es ist unklar, inwieweit bei den Konsistenzbeurteilungen bereits Erwünschtheiten von
Ausprägungskombinationen unbewusst miteinbezogen wurden. Dies ist eine mögliche Erklärung dafür, dass die
Konsistenzwerte und die Wiederverwertungsquoten positiv miteinander korrelieren (vgl. S.15: Zur Konsistenz
der Szenarien).
Auswahlverfahren
Das Kriterium der Konsistenz ist geeignet für die induktive Auswahl von Szenarien. Wenn es aber mehr darum
geht, mögliche anstatt wahrscheinliche Zukunftszustände zu erarbeiten, ist die Ergänzung durch ein deduktives
Vorgehen zu empfehlen, um das gesamte Möglichkeitsspektrum abzudecken.
So wäre beispielsweise das Szenarium „Preismonopol der Kiesindustrie: Zusammenbruch des Baumaterial-
Kreislaufs“ durch das induktive (streng Konsistenz gewichtete) Vorgehen aufgrund des Konsistenzfilters gar
nicht in der Auswahl erschienen. Dennoch zeigt es eine interessante, mögliche Entwicklung auf, die in der
Auswahl mitberücksichtigt werden sollte.
Nachhaltige Bewirtschaftung von mineralischen Rückbaustoffen
Juli 2007 17
8 Fazit
Im Folgenden wird noch ein kurzes Fazit in Form von strategischen Orientierungen gegeben. Abbildung 2 zeigt
das aus der Studie ableitbare Systembild des Baustoffmarktes im Kanton Zürich und des entsprechenden
Kontexts. Die Blitzpfeile symbolisieren Interventionen, die darauf abzielen, das Recycling auch bei einer
signifikanten Zunahme der Bauabfall-Mengen zu gewährleisten.
Abbildung 2. Systembild der Bauwirtschaft im Kanton Zürich. Die Blitzpfeile symbolisieren verschiedene
Interventionsmöglichkeiten (die Nummern entsprechen denjenigen aus der folgenden Aufzählung).
Um das System gezielt zu beeinflussen, stehen die folgenden Interventionsmöglichkeiten zur Verfügung17,18:
1) Informationskampagnen
a. Vermittlung nachhaltiger Werte (Nachhaltige Lebensstile/Konsummuster) in der Gesellschaft
b. Weg vom Begriff „Abfall“ (Rückbaustoffe/keine begriffliche Unterscheidung)
c. Gezielte Wissensverbreitung über die Performanz von RBS
17 Poon, C.S. (2007). Management of construction and demolition waste, Waste Management, 27, 159-160.
18 Rao. A., Jha, K.N. & Misra, S. (2007). Use of aggregates from recycled construction and demolition waste in concrete, Resources, Conservation & Recycling, 50, 71-81.
Szenarien für die Abfallplanung
18 Juli 2007
2) Qualitätssicherung bei Rückbaustoffen
a. Verbesserung der Triage bei Abbrüchen19
b. Festsetzung eindeutiger Qualitätsstandards (bauphysikalische Eigenschaften, Schadstoffe) für
RBS in Abhängigkeit der Verwendung basierend auf umfassenden Risikoabschätzungenvgl.20
3) Technologisches Innovationspotential
a. Ausreizung des bestehenden technologischen Potentials im Rückbau- und
Aufbereitungsprozess (Erhöhung der Ökoeffizienz)
b. Förderung der Forschung zur Erschliessung neuer technologischer Verbesserungspotentiale
4) Gesetzliche Regulationen21
a. Besteuerung des Primärmaterials (Kies)
b. Erhöhung der Deponie-Annahmegebühren (Mindestpreis)
c. Vorschriften zum verpflichtenden Einsatz von RBS in Hochbauprojekten (z.B. Quoten
festlegen)
Werden Rückbaustoffe aufgrund begründeter Vorbehalte gegenüber deren Qualität in bestimmten Bereichen
nicht eingesetzt, so stellen die Ausreizung des bestehenden und die Erschliessung neuer technologischer
Potentiale wie auch eine verbesserte Triage auf der Baustelle die einzigen Interventionsmöglichkeiten dar, um
die Nachfrage nach Rückbaustoffen zu fördern. Die übrigen Interventionsmöglichkeiten beziehen sich auf die
Situation, in welcher auf den Einsatz von Rückbaustoffen aufgrund irrationaler Vorbehalte (1a-1c), bestehender
Unklarheiten über die Qualität von Rückbaustoffen (2a & 2b) oder wirtschaftlichen Überlegungen (vgl. 4a-4c)
verzichtet wird.
19 Angst, Ch., Kronig, M., Cassina, E., Plüss, P. & Suter, J. (2002). Stoffliche Zusammensetzung und Beurteilung der
langfristigen Umweltverträglichkeit von Sekundärbaustoffen. Zürich: Sieber Cassina + Partner AG.
20 Lawson, N., Douglas, I., Garvin, S., McGrath, C., Manning, D & Vetterlein, J. (2001). Recycling construction and demolition waste – a UK perspective, Environmental Management and Health 12(2), 146-157.
21 Die Steuerung über gesetzliche Regulationen sollte soweit wie möglich vermieden werden; erzielen die übrigen Interventionen aber nicht die gewünschte Wirkung, so stellen sie eine Art “Notfall-Massnahmen” dar.
Nachhaltige Bewirtschaftung von mineralischen Rückbaustoffen
Juli 2007 19
Appendix: Definitive Konsistenzmatrix
Abbildung 3. Definitive Einflussmatrix, die auf der Basis einer Regel geleiteter Abgleichung von mehreren
Einzelmatrizen entstanden ist.
Ein
fluss
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Einflussvariablen Ausprägungen
Zunahme auf 71% 1 0 0
Zunahme auf 100% 0 1 1
Zunahme auf 100% 0 1 1
Leichte Abnahme auf 8% 0 0 0 0 0 0
Leichte Zunahme auf 12% 0 0 0 0 0 0
Starke Zunahme auf 43% -1 -1 0 0 0 0
schlechter 0 0 0 0 1 1 1 0 -1
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besser 0 0 0 1 1 1 -1 1 1
schlechter 0 0 0 0 1 1 1 0 -1 2 0 -1
gleich 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 0
besser 0 0 0 1 0 0 0 1 2 -1 0 1
neutral 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 0 0
fördernd 0 0 0 0 1 1 0 1 1 0 1 1 0 1 1
stark fördernd 0 0 0 -1 1 1 -1 1 2 -1 0 1 -1 1 2
Abnahme auf 25 CHF/t 0 0 1 1 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0
Zunahme auf 45 CHF/t 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Zunahme auf 60 CHF/t 1 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0
Abnahme auf 5 CHF/t 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 -1
Gleichbleibend (13 CHF/t) 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Zunahme auf 30 CHF/t 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 1 0 1 2
Abnahme auf 10 CHF/t 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 -1 0 0 0
Gleichbleibend (25 CHF/t) 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Zunahme auf 60 CHF/t 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 1 0 0 0
Abnahme um 80% 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0
Zunahme um 16% 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0
Zunahme um 220% 0 1 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 1 0 0 1 0 0 0
näher 0 0 0 0 1 1 0 1 1 0 0 1 0 0 0 0 1 2 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0
gleich 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
weiter 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 -1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0
gering 0 0 0 0 0 0 0 0 -1 1 0 0 0 0 -1 0 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0 1 0 -1 0 0 0
mittel 0 1 0 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 0 0
hoch 0 1 1 0 0 0 -1 1 1 -1 0 1 -1 0 2 0 1 1 1 0 -1 0 0 0 0 0 0 0 1 2 1 0 0
ungenügend 0 0 0 0 0 0 -1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 -1 0 0 0 -1 0 0 -1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
ausreichend 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1
umfassend 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 1 2 0 0 0 0 1 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1
gering 0 0 0 1 0 0 1 0 -1 2 0 -1 0 0 0 0 0 -1 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0
mittelmässig 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
hoch 0 0 0 0 1 1 -1 1 1 -1 0 1 0 0 0 0 1 1 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 1 0 1 1
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Gesetze & Normen
Aufwand
(Rückbau & Aufbereitung)
Kiespreis
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Energiepreis
Distanz-Verhältnis
(Aufbereitung vs. Deponie)
Technologische Innovation
(Rückbau & Aufbereitung)
Kommunikation
kantonaler Behörden
Verantwortungsbewusstes
Verhalten der Bauherren
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Schadstoffpotential
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Szenarien für die Abfallplanung
20 Juli 2007
Danksagung
An dieser Stelle möchten wir uns bei all denjenigen bedanken, die zum Gelingen dieses Projekts beigetragen
haben. Insbesondere sind dabei die Personen zu erwähnen, die an der Workshop-Veranstaltung im Rahmen der
Systemanalyse teilgenommen und auf diese Weise ihr Fachwissen ins Projekt eingebracht haben:
Althaus, Hansjörg (EMPA); Bonaldi, Ronald (KIBAG); Diggelmann, Walter (KIBAG); Eberhard, Heinrich
(Eberhard Recycling AG); Gugerli, Heinrich (Amt für Hochbauten der Stadt Zürich); Hertz, Jürg (Amt für
Umwelt, Thurgau); Jacobs, Frank (Technische Forschung und Beratung für Zement und Beton, TFB); Kuhn,
Elmar (AWEL); Morgan Kurt (KIBAG); Oetjen, Lucia (ETH-IRL); Preisig, Hansruedi (Architekturbüro H.R.
Preisig); Rubli, Stefan (Wertstoff-Börse GmbH), Stäubli, Beat (AWEL); Suter, Bruno (ARV); Wagner, Rolf
(AWEL); Weder, Martin (Dachverband der Schweizerischen Kies- und Betonindustrie); Widmer, Heinrich
(Cemsuisse).
Weiter sei an dieser Stelle Christina Seyler-Jahn vom Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH
Zürich (ETH-IRL) für ihre Mitwirkung in der Konsistenzanalyse gedankt.
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