SAP R/3 und Mitbestimmung Ergebnisse a~s Arbeitsplatzanalysen und Folgewirkungen
Dr.-Ing. Ahmet E. <;:akir ERGONOMIC Institut für Arbeits- und Sozialforschung Soldauer Platz 3, 14055 Berlin Tel.: +49-(0)30-302 10 50 Fax: +49-(0)30-301 98 40/301130 86 e-mail: a.cakir@bigmac;b.shuttle.de
Vorwort
SAP R/3 gehört ohne jeden Zweifel zu den wichtigsten EDVProdukten der 90er Jahre, nicht nur für EDV-Fachleute. Für betriebliche Entscheidungsträger kann ihre Bedeutung sogar größer sein, da sich die Software weder an der innerbetrieblichen Aufbauorganisation orientiert noch an den Betriebsgrenzen. Vielmehr geht sie vom Geschäftsprozess aus, dessen rationelle Abwicklung sie gewährleisten soll. Diese wenigen Worte können kaum den dramatischen Wandel in einer vorhandenen Organisation hinreichend betonen, der mit der Einführung von SAP R/3 verbunden sein kann. Die Probleme, die aus einer Unterlassung eines solchen Wandels entstehen, können hier erst recht nicht deutlich genug erwähnt werden.
Dieser Beitrag beruht auf Erfahrungen von Arbeitsplatzanalysen, die mehr als ein Jahr zurückliegen. Seinerzeit waren wir sehr überrascht davon, daß die ergonomische Beurteilung von SAP R/3 sehr zu wünschen übrig ließ, da sich der Hersteller zur Realisierung von Software-Ergonomie größte Mühe gegeben hatte. Mittlerweile hat aber selbst sein Vorstand vor der Presse eingestehen müssen, daß die Benutzerführung "kompliziert" sei ("Wir müssen mehr als Iines of Code auf einer CD verkaufen', Hasso Plattner in Information Week, Oktober 1998). Die Computer Zeitung hatte bereits im September verkündet "R/3 soll den An wendem zukünftig Spaß machen", was so viel bedeutet wie, daß es denen derzeit keinen Spaß bereitet. Etwa "psychische Belastungen' gemäß Bildschirmarbeitsverordnung? Dieser Beitrag zeigt, daß auch betriebliches Handeln gefragt ist.
SAP R/3 und Mitbestimmung
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ERGONOMIC Zu Ebenen der Mitbestimmung und SAP R/3 2
1 Zu Ebenen der Mitbestimmung und SAP R/3
1.1 Mitbestimmungsebenen
Integration -Lösung oder KonAikt?
"Mitbestimmung" im weitesten Sinne stellt die in Deutschland praktizierte geregelte Form der Einflußnahme der Arbeitnehmer auf die Arbeitswelt dar. über die geregelte Form hinaus gibt es weitere Mechanismen wie z.B. die Arbeitnehmerbeteiligung am Betriebskapital, die jedoch intern geregelt werden. über den Gesamtgegenstand der Mitbestimmung gibt es naturgemäß Auffassungsunterschiede zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen, jedoch nicht über die Ebenen, die für die Anwendung einer Software wie SAP R/3 im Unternehmen direkt relevant wären.
Die relevanten Ebenen sind die Tarifvertragsebene und die Betriebsebene. Tarifverträge sind - meist - überbetriebliche Vereinbarungen auf der Basis der Tarifautonomie, die nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland Rechtsnormen sind. Die unterste Ebene der Mitbestimmung ist die Betriebsebene, die der Gesetzgeber wohlweislich von anderen sorgfältig getrennt hat. Hiermit soll angestrebt werden, daß die betrieblichen Akteure der Mitbestimmung (Arbeitgeber und Betriebsrat) im Sinne des Betriebs agieren und entscheiden sollen. Sie sind allerdings gesetzlich verpflichtet, im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen und unter Beachtung der geltenden Tarifverträge zu arbeiten (BetrVG §2).
1.2 Bezug zu SAP R/3
SAP R/3 ist ein sog. "integriertes System", das unternehmensweit die gesamte Datenverarbeitung in einem Arbeitssystem über alle Fachgrenzen und auch Betriebsgrenzen hinweg vereinigen kann bzw. soll. Technisch gesehen beseitigt sie damit die unerwünschten Barrieren, die durch die sog. "Insel-Lösungen" entstehen bzw. zementiert werden. Gerade diese Fähigkeit ist aber geeignet, Konflikte in der Mitbestimmung zu schaffen, da die Software eben über Betriebsgrenzen hinweg wirksam wird und somit über die unterste Mitbestimmungsebene hinaus.
Solche Konflikte sind so selten nicht. Daher sehen die Regelwerke zur Mitbestimmung (z.B. BetrVG, BPersVG) die geeigneten Gremien wie den Gesamtbetriebrat oder Konzernbetriebs-
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Was heißt REAlTIME?
Kauft man Software oder Organisation?
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rat vor, für europaweit tätige Unternehmen werden "EuroBetriebsräte" gegründet. Dennoch weist das SAP R/3-System hinsichtlich des Konfliktpotentials eine neue Qualität auf, die auf der Philosophie des Systems beruht: Die Integration von Daten, die nur ein Mal und möglichst an ihrem Entstehungsort unmittelbar in das System eingespeist werden. Sie dient, zumindest in der Theorie, der Datenintegrität Diese Philosophie greift allerdings in jedem Fall in die Arbeitsgestaltung ein und schafft somit Konflikte mit den möglicherweise vorhandenen Freiheiten der Arbeitsgestaltung in einzelnen Unternehmensteilen. So müssen zuweilen Außendienstleute Aufgaben der Verwaltung übernehmen oder Lagerarbeiter die Rolle des Buchhalters. Naturgemäß kann die Philosophie zuweilen zur Beseitigung von eventuell vorhandenen Konflikten beitragen, was im Alltag allerdings weniger häufig auffallt und problematisiert wird als das Schaffen neuer Konflikte.
Wesentlich wichtiger ist indes eine Eigenschaft von SAP R/3, die sich hinter dem Namen der Software versteckt: R wie realtime (Echtzeit). Dieser Fachbegriff fällt selbst Fachleuten nicht als Konfliktauslöser ein, da er im Gewande eines technischen Begriffs daherkommt: Realtime heißt in Klartext, daß ein System auf anfallende Daten "sofort" reagiert. Das Problem ist, was denn "sofort" heißt. In technischen Prozessen läßt sich diese Frage eindeutig beantworten: Schnell genug, um den Prozess hinreichend sicher zu beherrschen; manchmal muß der Rechner in Tausendstelsekunden reagieren, manchmal eben in Milliardstelsekunden. Was ist aber Realtime in einem Verbund von Betrieben, die über ganz Deutschland verteilt sind? Es lohnt sich, darüber nachzudenken.
Obwohl Konflikte in der Arbeitswelt zum täglichen Brot gehören, stellt ein Sachverhalt wie ein unternehmensweites System dennoch besondere Anforderungen an die betrieblichen Akteure, da es geeignet ist, vorhandene Handlungsfreiheiten einzuschränken. Das besondere Problem des SAP R/3 besteht darin, daß es als "Software" bezeichnet und angesehen wird, obwohl es in Wirklichkeit ein Organisationskonzept für das Unternehmen und somit auch für die Arbeit in dem Unternehmen darstellt. Daher sind Probleme dort zu erwarten, wo die Natur des Systems nicht erkannt bzw. nicht hinreichend berücksichtigt wird. Man hatte in der Arbeitswissenschaft zwar schon fast vor zwei Jahrzehhten das Motto ausgegeben" Softwaregestaltung ist Arbeitsgestaltung', jedoch blieb die Erkenntnis wohl bis heute den Praktikern weitgehend verborgen.
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Grundsälze des ArbSchG
Warum Software-Ergonomie?
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Der Bezug der Mitbestimmung zu SAP R/3 rührt nicht nur vom §87/6 BetrVG her, das eine besondere Bedeutung für EDV-Einrichtungen im allgemeinen besitzt. Neu hinzugekommen sind Regelungen zum Arbeitsschutz in Gesetzen, insbesondere im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und deren Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV), sowie in der Arbeitsmittelbenutzungsverordnung. Diese regeln, anders als das frühere deutsche Arbeitsschutzrecht, nicht nur den Unfallschutz i.S. des technischen Arbeitsschutzes, sondern alle Aspekte der "Sicherheit und Gesundheit" einschließlich Arbeitsorganisation und Software-Gestaltung.
Der Bezug zwischen Arbeitssystemen mit SAP R/3 und dem Arbeitsschutz ist bereits durch die Grundsätze des ArbSchG vorgegeben:
"§4
Allgemeine Grundsätze
Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen: ...
3. bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliehe Erkenntnisse zu berücksichtigen;
4. Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen; ... "
1.3 Bezug zur Software-Ergonomie
Praktisch alle Arbeitsplätze, an denen SAP R/3 eingesetzt wird, fallen in den Geltungsbereich der BildscharbV als Arbeitsschutzvorschrift. Diese konkretisiert diejenigen Gefahren, denen an solchen Arbeitsplätzen besondere Beachtung gewidmet werden muß:
"§ 3 Beurteilung der Arbeitsbedingungen Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen."
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ERGONOMie
Keine Analyse ohne vereinbartes Verfahren!
Gut - schlecht oder geeignet - ungeeignet?
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Ergonomische Eigenschaften der Software gehören zu den zu überprüfenden Arbeitsbedingungen, die wiederum im Anhang der BildscharbV wie folgt vorgeschrieben werden:
"Zusammenwirken Mensch -Arbeitsmittel 20. Die Grundsätze der Ergonomie sind insbesondere auf die
Verarbeitung von Informationen durch den Menschen anzuwenden.
21. Bei Entwicklung, Auswahl, Erwerb und Änderung von Software sowie bei der Gestaltung der Tätigkeit an Bildschirmgeräten hat der Arbeitgeber den folgenden Grundsätzen insbesondere im Hinblick auf die Benutzerfreundlichkeit Rechnung zu tragen:
21.1 Die Software muß an die auszuführende Aufgabe angepaßtsein.
21.2 Die Systeme müssen den BenutzemAngaben über die jeweiligen Dialogabläufe unmittelbar oder aufVerlangen machen.
21.3 Die Systeme müssen den Benutzern die Beeinflussung der jeweiligen Dialogabläufe ermöglichen sowie eventuelle Fehler bei der Handhabung beschreiben und deren Beseitigung mit begrenztem Arbeitsaufwand erlauben.
21.4 Die Software muß entsprechend den Kennmissen und Erfahrungen der Benutzer im Hinblick auf die auszuführende Aufgabe angepaßt werden können.
22. Ohne Wissen der Benutzer darfkeine Vorrichtung zur qua-litativen oder quantitativen Kontrolle verwendet werden."
Wie diese Vorschriften in der Praxis geprüft werden sollen, wurde bislang vom deutschen Gesetzgeber nicht geregelt. Es gibt bisher auch keine genormten Verfahren. Wenn es sie denn gibt, werden diese Verfahren nicht das prüfen, was sich die Betriebe wünschen. Man wird daher auch künftig genötigt sein, für den betrieblichen Einsatz eine Methode zu vereinbaren. Für die nachfolgend teilweise beschriebenen Untersuchungen hatten wir Vereinbarungen mit dem jeweiligen Betrieb getroffen. Gemäß dieser Vereinbarungen wurde der Prüfung die in Teilen bereits als DIN-Norm erschienenen bzw. vorgesehenen Normen der Reihe ISO 9241 zugrundegelegt. Einen gewissen Bereich deckt die Norm DIN EN ISO 9241 Teil 10 ab, die sieben Grundsätze der Dialoggestaltung beschreibt.
Die Prüfung dieser Grundsätze ist nur unter Zugrundelegung der Tätigkeit und der Benutzer an den zu prüfenden Arbeitsplätzen sinnvoll möglich, da eine Software absolut weder gut
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ERGONOMIC
Kein Zertifikat als Nachweis
für die Erfüllung der BildscharbV
mängelfreie Software nicht möglich,
Mängelbeseitigung schon ...
neue Norm gibt Hilfestellung ...
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noch schlecht sein kann, sondern für die jeweilige Arbeitsaufgabe geeignet oder nicht.
Der Hersteller einer Software kann zwar bestimmte Merkmale seiner Software vorsehen bzw. garantieren, jedoch nicht ihre Eignung nach der BildscharbV nachweisen. So kann sich der Hersteller nur zertifizieren lassen, daß er die nötigen Vorkehrungen getroffen hat, um die notwendigen ergonomischen Eigenschaften seiner Software realisieren zu können (z.B. Qualifizierung der Mitarbeiter). Die hier angeführte Vergehensweise ist im Bereich der Qualitätssicherung nach ISO 9000 ff allgemein üblich und beabsichtigt: Es wird die Organisation der Qualitätssicherung zertifiziert und nicht die Qualität der Produkte. Ein solches Zertifikat sagt über die tatsächliche Produktqualität genausowenig aus wie ISO 9000 über Qualität: Nämlich nichts. Ein von den Betrieben gewünschtes Zertifi.kat, die Bescheinigung der Erfüllung der Bildschirmarbeitsverordnung durch eine Software, wird auch künftig kein Hersteller vorweisen können.
Allerdings kann sich kein seriös organisierter Hersteller mehr hinter der Allgemeinklausel verstecken, daß eine mängelfreie Software leider nicht möglich ist, auch nicht in der SoftwareErgonomie: Die zweifelsohne richtige Feststellung, daß ein von Menschenhand realisiertes Objekt immer mit Fehlern behaftet sein wird, wurde in der Normung für Qualitätssicherung entsprechend berücksichtigt: Nach der gerade erschienenen DIN EN ISO 9000-3 "Leitfaden für die Anwendung von ISO 9001:1994 auf Entwicklung. Lieferung. Installierung und Wartung von Computer-Software' muß der Hersteller nicht nur die Benutzer in der Entwicklung seiner Software angemessen beteiligen, sondern auch Vorkehrungen treffen, um die betrieblichen Erfahrungen in die "Wartung" seines Produktes Zurückzuspeisen.
Den Betriebsräten fallen daher zweierlei Aufgaben bei der Mitbestimmung hinsichtlich der Software-Ergonomie zu. Zum einen sollten sie darauf drängen, daß bereits bei der Einführung die gesetzlich vorgeschriebenen Belange hinreichend berücksichtigt werden. Zum anderen sollten sie bereits vor der Einführung darauf bestehen, daß der Betrieb die Voraussetzungen dafür schafft, daß die Erfahrungen der Mitarbeiter in die Fortentwicklung der Software und der Anwendungen einfließen.
Auch bei bereits eingeführten Anwendungen sollte man die Möglichkeiten ausnutzen, die ISO 9000-3 neuerdings bieten.
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Ergonomische Bewertung von SAP R/3 7
2 Ergonomische Bewertung von SAP R/3
2.1 Zur Bewertungsmethode
Die Bewertung wurde anband des Fragebogens ISOMETRICS (Hamborg, Gediga, 1995) vorgenommen. Dieser Fragebogen wurde als Instrument für die Bewertung der Software-Ergonomie nach der Norm DIN EN ISO 9241-10 entwickelt. Er erfaßt mit Hilfe von 90 Skalen das Urteil des Benutzers zu den sieben Dialoggrundsätzen, die den Hintergrund der Vorschriften der BildscharbV zur Mensch-Maschine-Schnittstelle bzw. zum "Zusammenwirken Mensch-Arbeitsmittel" bilden. Der Fragebogen kann mit Genehmigung der Autoren weitergegeben werden (bei Interesse bitte Fax oder e-mail an den Autor).
Zu jeder Frage muß angegeben werden, ob und ggf. welche Bedeutung diese für die Tätigkeit des Befragten hat. Damit kann vermieden werden, daß die Bewertung durch unbedeutsame Eigenschaften beeinflußt wird.
Der Fragebogen läßt sich auf dreierlei Weise einsetzen: Als normaler Fragebogen, auszugsweise mit den sieben wichtigsten Skalen als Kurzfragebogen und als Interviewleitfaden für einzelne Personen oder Gruppen. Im letzteren Fall muß der Befragte nicht nur eine Bewertung abgeben, sondern seine Bewertung anband von Beispielen begründen.
Die nachfolgenden Bewertungen sind Ergebnis des Einsatzes des Fragebogens in allen Varianten. Hierbei wurde zunächst durchgängig mit dem Kurzfragebogen ermittelt, ob und ggf. welche Probleme bei welchen Modulen vorhanden sein können. Im Anschluß daran wurden ausgewählte Arbeitsplätze im Interviewverfahren untersucht. Sofern diese Untersuchung Anhaltspunkte dafür geliefert hatte, daß bestimmte Probleme vorliegen, die mit der Software zusammenhängen, wurden weitere Benutzer der gleichen Module befragt. ln einem Fall hatte eine Gruppe von Benutzern des gleichen Moduls eine Gruppenbewertung erarbeitet. Das Ergebnis wich allerdings nur geringfügig von dem ab, was einzelne Personen angegeben haben.
Sofern Probleme gefunden wurden, wurden ihre technischen bzw. organisatorischen Ursachen gesucht. Diese sind iA betriebsspezifisch und werden daher hier nicht dargestellt.
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2.2 Zu den Ergebnissen
Gebrauchstauglichkeit als Meßstab
Kann Software ohne Arbeitsaufgabe
beurteilt werden?
Wie aus der obigen Darstellung entnommen werden kann, handelt es sich bei den hier dargestellten Ergebnissen um die subjektive Beurteilung von R/3-Modulen anhand vorhandener Arbeitsaufgaben durch Arbeitnehmer. Dies entspricht dem Ziel der durchgeführten Untersuchungen: Sie sollten feststellen, ob die Software an bestimmten Arbeitsplätzen der Arbeitsaufgabe und dem Kenntnisstand der dort beschäftigten Mitarbeiter genügt. Falls nein, sollte festgestellt werden, welche Ursachen dafür in Frage kommen. Das Ziel der Untersuchung bestand in der Feststellung, wie der Betrieb die festgestellten Probleme beseitigen bzw. mildem kann.
Da SAP R/3 weitestgehend "customizable" ist, d.h. an Anwenderbedürfnisse anpaßbar bzw. anpassungsbedürftig, reflektieren die Ergebnisse den in dem jeweiligen Betrieb erreichten Stand, jedoch nicht die Qualität von SAP R/3 als solche. Der Grund hierfür wird in DIN EN ISO 9241-11 erläutert, wonach eine Software und ihre Gebrauchstauglichkeit nur in einem bestimmten Umfeld (Nutzungskontext), für bestimmte Aufgaben und für bestimmte Benutzer beurteilt werden können. Dies ist mit ein Grund dafür, daß der Hersteller nicht garantieren und ein Prüfer nicht feststellen kann, ob eine Software die BildscharbV erfüllt.
Gebrauchstauglichkeit ist ein Qualitätsmaßstab für die Eignung eines Objekts für die Ziele des Benutzers (Eignung für Verwendungszweck) und daher für logische Betrachtungen als Denkmodell gar nicht fremd.
Eine absolute Bewertung von Software ohne Bezug zur Tätigkeit ist nur teilweise möglich und wird z.B. von Computerzeitschriften gerne durchgeführt. Mangels Beurteilungsgrundlage führen diese Tests nicht selten dazu, daß die Software mit den meisten Funktionen bevorzugt wird. Ob eine Software, die mehr kann als andere, auch ergonomisch besser ist, sollte stets überlegt sein. Viele Benutzer und manche Autoren sehen darin zuweilen auch einen Mangel.
In erfolgreichen Fällen von Bewertung handelt es sich um Spezialsoftware für eine bestimmte Aufgabe (z.B. Bildretousche), deren Eignung der Kenner der Aufgabe gut prüfen kann. Im Gegensatz hierzu handelt es sich bei SAP R/3 um eine betriebswirtschaftliche Software, die alle Geschäftsprozesse von Unternehmen abbilden kann. Ob sie in ihrer Gesamtheit ergono-
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Was Analysen nicht erfassen ...
Wer ist mit dem Standard glücklich?
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misch gut oder schlecht sei, ist für das einzelne betriebliche Geschehen unerheblich. Daher sind die in diesem Vortrag angeführten Ergebnisse als Hinweis für bestimmte Problempunkte gedacht, die in einem spezifischen Betrieb vorkommen können, aber nicht müssen. Für einen Betrieb aus der Energiewirtschaft ist es auch unerheblich, ob SAP R/3 für Aufgaben in Versicherungsunternehmen "ergonomisch'' ist.
Naturgemäß enthält die Darstellung keinen Hinweis auf Probleme, die durch den Einsatz von SAP R/3 endgültig aus der Welt geschaffen worden sind, so z.B. Inselanwendungen mit nicht koordinierten Datenbeständen oder Sammelsurien von Einzelanwendungen für eine bestimmte Aufgabenstellung, von denen jede eine andere Oberfläche aufweist. Die Auswirkungen derartiger Probleme kann man ggf. in Betrieben studieren, die SAP R/3 nicht einsetzen.
3 Bei Betriebsprojekten festgestellte Probleme
Die nachfolgend dargestellten Probleme wurden zwar nur an verhältnismäßig geringer Zahl von betrieblichen Arbeitsplätzen (ca. 50) festgestellt, sie können aber mit einiger Sicherheit an einer Vielzahl von Arbeitsplätzen vorkommen. Nach Angaben des Manuals des eingesetzten Verfahrens reicht die Zahl für einen zuverlässigen Einsatz aus.
3.1 AufgabenangemessenheU
Die ·~ufgabenangemessenheit'' ist relativ gering und wesentlich geringer als bei anderen allgemeinen Anwendungen wie z.B. WORD. Die Abweichung von dem wünschenswerten Zustand fällt von Modul zu Modul unterschiedlich aus. Die letztere Aussage ist von erheblicher Bedeutung: Die beste Eignung der Software geben Personen an, die im Finanzwesen arbeiten, wo der Hersteller einst seine ersten Sporen verdient hatte und wo sicherlich die bestgeschulten Benutzer sitzen.
Die Ursache für die unterschiedliche Beurteilung dürfte häufig in der mangelnden Anpassung zwischen dem (Standard-) System und der jeweiligen betrieblichen Anwendung liegen. Dies war an einer Vielzahl von untersuchten Arbeitsplätzen der Fall. Dort, wo die Funktionalität des Systems der Aufgabenstellung der Benutzergruppe gut paßte, wurde die Aufgabenangemessenheit gut bewertet. Umgekehrt haben Benutzer, die durch
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Qualitätssicherung auch Für Software-Ergonomie
anderer Name Für das gleiche Problem ...
Problem durch Aufgabenverschiebung ...
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das System neue Aufgaben zugewiesen bekommen haben, die nicht ihrer Qualifikation entsprach, schlechte Noten vergeben.
Angesichts der vielfältigen Anpassungsmöglichkeiten von SAP R/3 wird sich die Frage, wie das Problem zu lösen sei, zunächst an den Allwender richten. Ob dieser eine befriedigende Antwort finden kann, ist schwer zu beantworten, da der Hersteller es dem Allwender nicht gerade leicht macht, seine betriebsspezifischen Allpassungen über die nächste Änderung der Software zu retten.
Betriebsräten sei daher angeraten, DIN EN ISO 9000-3 unter die Lupe zu nehmen, womit sie nicht nur den von ihnen vertretenen Kollegen helfen können, sondern eventuell auch dem Betrieb.
Was bei unseren Untersuchungen als "mangelnde Aufgabenangemessenheit" erscheint, nennt sich in umfangreicheren EDV-Studien "unzureichender Abdeckungsgrad" der Unternehmensprozesse. Nicht zufällig dort, wo solche Studien den höchsten Abdeckungsgrad nachweisen, dem Finanzwesen, wird die Aufgabenangemessenheil am besten bewertet. Daher scheint das Ergebnis generalisierbar.
Man kann das Ergebnis der Analysen ganz gut verstehen, wenn man den Namen der Software mitberücksichtigt R wie realtime wie Echtzeit. Zumindest im Hinterkopf hatten die Entwickler wohl ein bestimmtes Ziel, auf das sie hin gearbeitet haben: Auf Knopfdruck alle für die Finanzen wichtigen Daten bereithalten.
Ebenfalls generalisierbar ist wohl das sehr schlechte Abschneiden des Moduls MM (Materialwirtschaft), wofür vermutlich die Software nur mittelbar verantwortlich ist. Die software-bedingte Ursache besteht darin, daß Unternehmensdaten möglichst dort erfaßt werden sollten, wo sie anfallen, wogegen man schwer ein vernünftiges Argument finden kann. Ein betriebliches Problem entsteht dann, wenn die Personen und die Organisation an der betreffenden Stelle nicht die nötige Qualifikation besitzen. Der Kern des Problems liegt in der Verlagerung von Aufgaben und Kompetenzen irrfolge der Integration des Systems, auf die der Betrieb angemessen reagieren muß. Solche Verlagerungen kommen nicht etwa irrfolge von Organisationsmängeln vor. Sie sind vielmehr häufig beabsichtigt. Nicht selten stellen sie sogar das eigentliche Motiv für die Einführung von SAP R/3 dar.
Die Aufgabenverschiebung hält sich weder an die Grenzen der Aufbauorganisation, noch an die des Betriebs. Das System
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"erwartet" von jedem Mitarbeiter, daß er sich als Dienstleister für den Rest der Unternehmung fühlt. Was das heißt, können Betriebsräte erfahren, wenn sie Seminare besuchen, die nicht für sie organisiert worden sind.
3.2 Steuerbarkeit
Hangeln durch leere Masken ...
Gefahr Für Datenintegrität
Was ist die Ursache?
Die Steuerbarkeit des Systems ist überraschend ungünstig ausgefallen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die Benutzer an den von uns untersuchten Arbeitsplätzen teilweise nicht einmal die Freiheiten hatten, die sie vor zehn Jahren beim Großrechner gern in Anspruch genommen haben, z.B. "Kellern" eines Auftrags, den man bereits angefangen hat, aber nicht zu Ende führen konnte, weil einige Daten fehlen. Man muß entweder die Bearbeitung unter Verlust aller bereits vorgenommener Arbeitsschritte abbrechen oder zu der fragwürdigen Methode greifen, Pseudodaten einzugeben.
Während die Ursache für das oben beschriebene Problem in der Systemgestaltung liegt, kommt ein weiterer Punkt hinzu, der durch eine mangelhafte Anpassung der Anwendung auf die jeweilige Arbeitsaufgabe verursacht wird: Passen der Informationsbedarf und das vom System vorgesehene Angebot nicht zueinander, muß sich der Benutzer von (fast leerer) Maske zu (fast leerer) Maske hangeln, bis er die gesuchten Daten zusammengefunden hat, ein störendes Unterfangen und fehleranfa!lig obendrein.
Auch hier schneidet das Modul MM ungünstig ab, während HR (Personalwirtschaft) besonders gut abschneidet. (Anm.: Dies könnte daran liegen, daß SAP dieses Modul gründlich überarbeitet hat.)
In der Praxis sollte gerade diesem Aspekt größte Aufmerksamkeit gewidmet werden, da die durch geringe Steuerbarkeit des Systems geweckte "Kreativität" der Mitarbeiter- und wohl einzelner Betriebe im Firmenverbund - dem Hauptzweck der Integration, die Datenintegrität sicherstellen, zuwiderläuft.
Bei der Planung von eventuellen Abhilfemaßnahmen sollte berücksichtigt werden, daß eine geringe Steuerbarkeit sowohl eine Folge von bestimmten Softwareeigenschaften sein kann als auch durch organisatorische Vorgaben bedingt. Diese wiederum können teilweise durch den Allwender gewollt bzw. unbeabsichtigt verursacht worden sein und teilweise durch die Natur der Arbeitsaufgabe und die damit möglicherweise ver-
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Enjoy SAPkünftig möglich!
Pseudodaten eingeben, um weiter zu kommen ...
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bundenen rechtlichen Vorkehrungen bedingt. Hier sei auf die Datenschutzgesetze verwiesen, deren Wirkung sich vornehmlich als Verhinderung einer unerwünschten "Navigation'' bestimmter Benutzer bemerkbar macht. Diese Wirkung führt ebenso zu einer verminderten Steuerbarkeit wie die betriebliche Vergabe von Zugangsberechtigungen. Allerdings muß man immer im Hinterkopf behalten, daß bei einem integrierten System ein ungünstiges Berechtigungskonzept die Software sehr schlecht erscheinen lassen kann. Angesichts der Tatsache, daß das Erstellen von guten Berechtigungskonzepten eine anspruchsvolle Aufgabe darstellt, die manche Fachleute übertrieben mit einer Doktorarbeit vergleichen, darf man sich über manches betriebliche Problem nicht wundern.
So muß mancher die ihm nicht zugänglichen Daten vom Kollegen ausdrucken lassen. Während er auf den Druck wartet, kann das System seinen Rechner abwerfen, entweder aus Sicherheitsgründen oder weil der "Gebührenzähler" tickt. Hierbei gehen alle bereits getätigten Eingaben verloren, manchmal die Arbeit von einer halben Stunde oder mehr. Sicherlich ein Verstoß gegen den Dialoggrundsatz Steuerbarkeit, aber zuweilen ein aus betrieblicher Sicht wohlbegründeter.
Ob begründet oder nicht, die Benutzer scheren sich nicht darum. So berichtete Information Week Ende Oktober 1998, "Die Software R/3 eine- wenn auch weit verbreitete- Anwendung für gut geschulte Spezialisten. . . . In einer Initiative mit dem vielsagenden Namen 'Enjoy SAP' will der Marktführer ... spezielle grafische Oberflächen je nach Arbeitsplatzprofil in verschiedenen Branchen liefern." In Klartext: Sie sind noch nicht geliefert!
3.3 Erwartungskonformität
Die im Schnitt beste Beurteilung von SAP R/3 wurde für die Erwartungskonformität festgestellt, die beste ergonomische Beurteilung für ein SAP R/3-Modul überhaupt für HR. Allerdings gab es bei keiner anderen Beurteilung größere Unterschiede zwischen den Modulen.
Das Ergebnis bedeutet zum einen, daß viele Benutzer vom System etwas anderes "erwarten'' als sie erleben. So wurde die schlechteste Beurteilung bei der Aussage abgegeben "Die Ausführung einer Funktion führt immer zu dem erwarteten Ergebnis.", was für Software-Ergonomen nicht gerade einen Anlaß zur Freude bietet. Zum anderen bedeutet die Unterschiedlich-
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Eine Software nur für Experten?
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keit der Beurteilung, daß es gruppenbezogene Anpassungsprobleme zwischen den Benutzervorstellungen und den Softwareeigenschaften gibt. In welchem Ausmaß dies durch die Software bedingt ist, läßt sich nicht allgemein beantworten. Es dürfte jedoch nicht allzu gering sein, wie folgende Beispiele zeigen:
• "Bestimmte Masken, in die man hinreichend viele Daten eingegeben hat, müssen mit Pseudodaten aufgefüllt werden, damit die 'echten' Eingaben vom System akzeptiert werden."
• "Die Abfolge von Bildschirmdarbietungen ist zwar immer gleich, aber von den Arbeitsaufgaben her gesehen nicht nachvollziehbar."
Softwarebedingte ergonomische Probleme hinsichtlich des Grundsatzes "Erwartungskonformität" können unterschiedlichsten Ursprungs sein, z.B.:
• Der Software-Standard ist ungünstig.
• Die Anpassung der Software an die Aufgabe ist ungenügend.
• Die Software begünstigt eine falsche Erwartungshaltung des Benutzers.
Betriebliche Maßnallmen zur Abhilfe können nur dann sinnvoll durchgeführt werden, nachdem die tatsächliche Ursache ermittelt wird.
Ein möglicher Grund könnte in der vom Hersteller selber getroffenen Feststellung zu finden sein: "Das bisherige GUI, so die Erkenntnis der R/3-Architekten, ist nicht mehr zeitgemäß und zu kompliziert in der Bedienung. 'Die Anwender wollen so viele Informationen wie möglich auf dem Bildschirm - und die wichtigsten zuerst' beschreibt SAP-Vorstandssprecher Hasso Plattner ... " (Computer Zeitung 39, September 1998). Was bedeutet das für den Betrieb? Das liest sich in einer anderen Zeitung so: "Die Manager nutzen das System nicht, und die gelegentlichenAnwender auch nicht." (Information Week 20, Oktober 1998). Dabei war das ein Ziel der Software-Ergonomie, daß alle Beteiligten im Betrieb ein System nutzen sollen, so wie z.B. das Telefon.
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Das Kreuz mit den Fehlermeldungen ...
Fehlerrobust, Mensch oder System?
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3.4 Fehlerrobustheit
Die Bewertung der Fehlerrobustheit des Systems an den untersuchten Arbeitsplätzen zeigte zwar nur verhältnismäßig geringe Unterschiede zwischen den einzelnen Modulen, fiel aber unerwartet ungünstig aus.
Einige Probleme der Benutzer lassen sich eindeutig der Software zuordnen. Beispielsweise werden Fehlermeldungen in der Meldezeile des Windows-Fensters dargestellt, die erstens weniger als eine Zeile lang ist und zweitens nur schlecht lesbare Zeichen darstellt (zu kleine Schrift, abgeschnittene Unterlängen, schlechter Kontrast) Aufgrund des beschränkten Raums kommen dann kryptische Meldungen wie "Beleg nicht vorhanden' zustande. Zuweilen dürfte daher das Entziffern der Fehlermeldung schwerer fallen als den Fehler selber zu suchen und zu entdecken. Wenn der Anwender sich beim Customizing nicht große Mühe gegeben hat, wird der Benutzer zudem nicht selten mit Standard-Fehlermeldungen abgespeist, die nichtssagend sind.
Der Umgang mit dem Fehler scheint eine der Hauptprobleme dieser Software zu sein. Nur wenige Benutzer wollten das Statement "Eingegebene Information gehen selbst bei einer Fehlbedienung nicht verloren." bejahen. Bei Interviews führten sie stattdessen vor, wie das System eher Fehler provoziert, z.B. indem es sie zwingt, Pseudodaten einzugeben, oder bei bestimmten Zwischenspeicherungen sich die Belegnummer zu merken etc. Zuweilen gibt es unvollständig abgebildete Feldbezeichnungen (wenn z.B. der Text zu lang für das Feld ist, wird der überschüssige Teil abgehackt) oder auch unfertige Fehlermeldungen (was nicht in die Zeile paßt, wird ebenfalls abgehackt, bei Fehlermeldungen häufig das Verb).
Kann man Managern und Selten-Benutzern veriibeln, daß sie ungern mit R/3 arbeiten, wenn sich erfahrene Benutzer mit solchen Methoden über die Masken retten?
Die hinter dem Begriff "Fehlerrobustheit" stehenden Sachverhalte besitzen eine außerordentliche Bedeutung für den ordnungsgemäßen Betrieb eines Systems. Deswegen sollte nicht nur der Ursachenanalyse besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, sondern auch der Behebung. Wie die Erfahrung mit vielen anderen Anwendungen zeigt, erreicht man das Ziel erst nach mehreren Schritten. Der Betrieb muß daher einen langen Atem haben.
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3.5 Individualisierbarkeit
lndividualisierbarkeit, wo bereits Anpassung an den
Betrieb nicht einfach geht ...
Bei Problemen die wahre Ursache
suchen ...
Nicht überraschenderweise schnitt SAP R/3 bei dem Grundsatz "Individualisierbarkeit" am schlechtesten ab. Hier stellt sich aber die Frage, ob ein System mit den globalen Zielsetzungen von SAP R/3 überhaupt nach einem solchen Grundsatz beurteilt werden kann bzw. sollte.
Die "Individualisierbarkeit" entspricht in der Arbeitsplatzebene der Anpaßbarkeit einer Software auf spezifische betriebliche Anforderungen in der Betriebsebene. Wenn Unternehmen zuweilen nicht einmal das letztere vornehmen wollen bzw. nicht sollen, damit das integrierte System eben integriert bleibt, wieviel Aufwand würden sie sich für die "Individualisierbarkeit" leisten? Es scheint, daß sowohl in den Köpfen der Allwender als auch in denen der Entwickler ein solches System einem Zahnradgetriebe entspricht - alle Räder drehen sich im erzwungenen Takt. Ein nennenswert individualisierbares System hingegen gleicht eher dem Modell eines Reibradgetriebes, bei dem zwar sich alle Räder in die gewünschte Richtung drehen, aber gewisse zeitliche Abweichungen haben dürfen, einen "Schlupf". Welches Modell paßt eher der Arbeitswelt?
Nach Aussagen des Herstellers ist R/ 3 nicht nur etwa in der Konzernebene anpaßbar, sondern bis hin zur Arbeitsplatzebene, d.h. von der technischen Ausstattung her gesehen, ist die Individualisierbarkeit gegeben. Daher muß man bei einer Analyse dieses Grundsatzes im Betrieb mehr als bei allen anderen Grundsätzen sorgfältige Ursachenforschung betreiben. Läßt sich die mangelnde Individualisierbarkeit z.B. auf die Arbeitsaufgabe selbst zurückführen, ist Abhilfe entweder nicht möglich oder aber nur durch organisatorische Maßnahmen. Ist das Problem allerdings auf die vom Betrieb vorgenommene Anpassung zurückzuführen, ist eine Abhilfe am leichtesten zu finden.
Schwieriger wird es hingegen, wenn Abweichungen vom "SAPStandard" nötig werden sollten. Jede Änderung muß der Allwender selbst "weiterpflegen", was im Klartext Kosten bedeutet, wenn nicht zusätzlich Ärger, wenn irgendetwas nicht funktioniert. Der Hersteller wird die Ursache in erster Linie bei den Änderungen des Betriebs suchen. Ein solches Verhalten kann man ihm schwerlich verübeln: Kann denn ein Hersteller von einem komplizierten Objekt jemals Herr über Änderungen an diesem werden, die er nicht beeinflussen kann?
Der Hersteller sucht das Problem offensichtlich nicht nur woanders: Das Frame-Konzept soll dem Benutzer "unter-
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Arbeitsschutz mit Software· entwicklung verbinden
Wie analysiert man eigene Probleme im Betrieb 16
Infonnationen darbieten und der Navigation dienen. Der Benutzer klickt sich durch die Infonnationen und erreicht einen immer höheren Grad an Spezialisierung ... "(CZ, September 1998). Die Erkenntnis ist ebenso erfreulich wie alt, weil man sie bereits in den 70er Jahren kannte (Management Informations-Systeme). Man kann mit Fug und Recht behaupten, daß die Vordenker der Software-Ergonomie gerade die mangelnde Navigation (Steuerbarkeit) der alten Systeme zum Anlaß für ihre Überlegungen genommen hatten. Daher wundert nicht die Erkenntnis, sondern der Zeitpunkt der Bekenntnis.
4 Wie analysiert man eigene Probleme im Betrieb
Die obige Darstellung sollte das Augenmerk auf bestimmte Probleme lenken, deren Auftreten in einem Betrieb zumindest nicht unwahrscheinlich ist. In der Realität wird man möglicherweise andere Probleme erleben. Deswegen scheint es sinnvoll, die ohnehin gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsplatzanalysen so zu planen und auszuführen, daß das Ergebnis nicht nur eine Pllichtübung für den Arbeitsschutz bleibt, sondern der Weiterentwicklung des Systems dient. Hierbei sollte man berücksichtigen, daß auch eine perfekte Software betriebliche Probleme verursachen kann, wenn sie nicht den Aufgaben genügt bzw. wenn die Mitarbeiter nicht hinreichend geschult sind. Ebenso muß jeder Betrieb berücksichtigen, daß auch eine gute Software verbessert werden kann, bzw. muß.
4.1 Interviewähnliche Verfahren
Bei einem Interview bzw. einem interviewähnlichen Verfahren wird ein Benutzer bzw. eine Benutzergruppe anhand eines Leitfadens befragt.
Das bekannteste solcherVerfahren ist "walk-through'', bei dem Interviewer und Interviewte Schritt für Schritt durch eine Aufgabe gehen, daher die Bezeichnung. Der Interviewer ermittelt bei jedem Schritt die auftretenden Probleme und weist sie dem jeweiligen Dialogprinzip zu. Das Ergebnis gilt dann genaugenommen für die jeweils geprüfte Aufgabe. Wenn das Interview von einem erfahrenen Entwickler begleitet wird, kann aber unmittelbar festgestellt werden, ob es sich um eine Marginalie handelt oder um ein echtes Problem.
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ERGONOMIC
Befragung als Einstieg
Wie analysiert man eigene Probleme im Betrieb 17
Das Manual des von uns benutzten IsoMETrues-Verfahrens beinhaltet zwei Interviewmethoden, eine für Gruppen und eine für Einzelbenutzer. Beide Vergehensweise haben spezifische Vor- und Nachteile, so daß man anstreben sollte, sie kombiniert anzuwenden.
Mit den bislang angeführten Methoden lassen sich Problempunkte bzw. Hinweise auf solche ermitteln, die einer Analyse unterzogen werden müssen, damit man daraus Handlungsziele ableitet. Ansonsten hätte man eine Reihe von positiven und negativen Aussagen, jedoch keine Vorstellungen, was man daraus machen sollte.
Den nächsten Schritt kann man nach dem Konzept des "Usability-Review" durchführen, das ebenfalls in dem IsoMETRies Manual dargestellt ist. Daran beteiligen sich unter der Leitung eines Moderators zwei Entwickler, der Ergonomie-Beauftragte und ein Benutzervertreter. Ziel dieses Vorgehens ist, zuvor festgestellte Probleme zu bewerten und eventuelle Handlungsmöglichkeiten zu diskutieren. Die Beteiligung von Entwicklern nützt nicht nur dem bearbeiteten Projekt, sondern auch künftigen: Wer sich an einem solchen Reviewprozeß beteiligt, versteht die Benutzerprobleme besser und handelt bei späteren Situationen sicherer. Zudem lernen die Benutzervertreter und der Ergonomie-Beauftragte die Motivation und Handlungsweisen der Entwickler besser verstehen.
Das beschriebene Vorgehen hat nichts mit der formalen Mitbestimmung gemein. Vielmehr dient es der Vorbereitung von Maßnahrnenkatalogen, die im Rahmen der Mitbestimmung diskutiert bzw. beschlossen werden können. Nach unseren Erfahrungen lassen sich Anwendungsprobleme mit diesem Verfahren sehr erfolgreich analysieren, wobei das Ergebnis nicht nur dem Arbeitsschutz nützt.
4.2 Fragebogenmethoden
Sowohl IsoMETRies als auch der Fragebogen ISONORM 9241/10 von Prümper und Anft können im Rahmen einer Fragebogenaktion eingesetzt werden. Der Vorteilliegt darin, daß Befragungen zeitökonomischer sind und daher mit großen Benutzerzahlen durchgeführt werden können. Daraus folgt wiederum ein weiterer Vorteil, die Anonymität der Befragten. Diese läßt sich bei Interviewverfahren nicht immer garantieren.
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ERGONOMIC
Nicht Software prüfen, sondern ihre Anpassung
an die Aufgabe und den Benutzer
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Der Nachteil der Fragebogenmethode besteht darin, daß sie nur Bewertungen liefert, jedoch weniger Anhaltspunkte für die Ursachen. Dennoch können Fragebogenmethoden zumindest als Einstieg empfohlen werden. Erfahrene Entwickler können die Ergebnisse auch ohne tiefere ergonomische Kenntnisse recht schnell und zuverlässig deuten.
4.3 Andere Methoden
Im deutschsprachigen Raum existiert eine Vielfalt von Analyseund Bewertungsmethoden für die Software-Ergonomie. Noch größer ist die Vielfalt an englischer Literatur zum Thema "usability''.
Den meisten Verfahren und Methoden ist aber gemeinsam, daß sie Software nicht gegen die Anforderungen einer Arbeitsaufgabe prüfen. Eine Prüfung, die sich nicht auf die Aufgabe und den Benutzer bezieht, ist aber für die Mitbestimmung ziemlich unnütz, da die Basis der Mitbestimmung über die Softwaregestaltung durch das ArbSchG wie folgt festgelegt worden ist: "Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik,Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen; ... ". Im übrigen sehen auch die derzeit gültigen bzw. künftigen Normen zur Software-Ergonomie die Bewertung einer Software nur in Bezug aufbestimmte Aufgaben, bestimmte Benutzer und bestimmte Arbeitsumgehungen vor. Wie sollten sie denn anderes vorgeben? Kann es Sinn machen, ein Werkzeug für eine andere Aufgabe zu beurteilen, als es deren Zweck entspricht?
4.4 Über die Software-Ergonomie hinaus ...
Wer sich einmal mit einem Einführungsprozeß eines Systems mit ähnlichen Auswirkungen wie SAP R/3 befaßt hat, wird sofort erkennen, daß die betroffene Ebene wesentlich höher liegt als die Ebene, in der man software-ergonomische Problerne behandelt. Bei der Bewertung der Problerne amArbeitsplatz wird ja die dort vorhandene Arbeitsgestaltung nicht in Frage gestellt. Sie kann aber die eigentliche Ursache sein, gegen die andere Faktoren relativ unwichtig sind. Systeme wie SAP R/3 bezwecken durch ihre "work flow"-Bestrebungen nichts anderes als Arbeitsgestaltung im großen Rahmen, während ihre Wirkung im kleinen Rahmen z.B. durch die Festle-
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ERGONOMie Wie analysiert man eigene Probleme im Betrieb 19
gung von Reihenfolgen von Masken zustandekornmt, denen ein Benutzer schwer entrinnen kann.
Eine erfolgversprechende Mitbestimmung im Sinne der Mitarbeiter und des Betriebs setzt in der jeweils bedeutsamen Ebene an. Die rechtliche Basis dafür hat das neue Arbeitsschutzgesetz gelegt. Eine Lehre aus nicht gelungenen bzw. gescheiterten Projekten ist, daß das Unternehmen das Projekt in solchen Fällen nicht in der relevanten Ebene plaziert hat. Dasselbe gilt für die Mitbestimmung.
"Softwaregestaltung ist Arbeitsgestaltung'- ein recht alter Spruch, der angesichts der Hauptziele von SAP R/3 aktueller ist denn je!
Literatur beim Verfasser
SAP R/3 und Mitbestimmung
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