ERLÄUTERUNGEN ZUM EUROCODE 3: DIN EN 1993-1-8 MIT NATIONALEM ANHANG I EINLEITUNG
I-1
I Einleitung
Die europäische Norm DIN EN 1993 Eurocode 3 „Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten“ besteht
aus insgesamt 20 einzelnen Teilen, die sich in Grundlagen (die zwölf Teile DIN EN 1993-1) und
Anwendungsteile (DIN EN 1993-2 bis DIN EN 1993-6) aufgliedern, vgl. Bild I–1. Zentrum ist neben dem Teil
1-1 der hier behandelte Teil 1-8 mit dem Titel „Bemessung von Anschlüssen“. Alle anderen Teile beziehen
sich auf beide Teile und geben ergänzende Regeln an. Dies unterstreicht die Bedeutung der Norm DIN EN
1993-1-8, die in diesem Band für die Anwendung in der Praxis in Abschnitt II als Volltext abgedruckt, in
Abschnitt III im Detail erläutert und kommentiert und schließlich in Abschnitt IV durch Beispielrechnungen
veranschaulicht wird.
Bild I–1: Übersicht über die Normenteile von Eurocode 3 Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten: Grundlagenteile 1-1 bis 1-12 und Anwendungsteile Teil 2 bis Teil 6
Für den normalen Stahlhochbau gilt, dass für viele Aufgaben die Kenntnisse von Teil 1-1 „Allgemeine
Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau“ und Teil 1-8 „Bemessung von Anschlüssen“ ausreichen,
und der Anwender nur für Einzelfragen wie Sprödbruch oder Beulen auf die dafür spezialisierten
Normenteile zugreifen muss.
II-90
II ANSCHLÜSSE MIT H- ODER I-QUERSCHNITTENKONSOLIDIERTE FASSUNG DIN EN 1993-1-8 EINSCHLIESSLICH NATIONALER ANHANG
tigung der Interaktion mit der Schubbeanspruchung darf die Schubfläche Avc des Stegs nur auf den Wert angehoben werden, der auch bei der Erhöhung der Schubtragfähigkeit zulässig ist, siehe 6.2.6.1(6).
Stützensteg mit Beanspruchung durch Querzug
(1) Die Tragfähigkeit eines nicht ausgesteiften Stützenstegs für Beanspruchung durch Quer-zug wird in der Regel wie folgt bestimmt:
eff,t,wct,wc,Rd
wc y,w
c
M0
b t fF
w
g (6.15)
Dabei i st
w der Abminderungsbeiwert zur Berücksichtigung der Interaktion mit der Schubbe-anspruchung im Stützenstegfeld.
(2) Bei einer geschweißten Verbindung wird in der Regel die wirksame Breite beff,t,wc der Komponente Stützensteg mit Querzug wie folgt ermittelt:
beff,t,wc = tfb + 2 3==2 ab + 5(tfc + s) (6.16)
Dabei ist – bei einer Stütze mit gewalztem I- oder H-Querschnitt: s = rc
– bei einer Stütze mit geschweißtem I- oder H-Querschnitt: s = 3==2 ac
ac und rc wie in Bild 6.8 und ab wie in Bild 6.6 angegeben.
(3) Bei einer geschraubten Verbindung wird in der Regel die wirksame Breite beff,t,wc der Komponente Stützensteg mit Querzug mit der wirksamen Länge des äquivalenten T-Stum-mels für den Stützenflansch gleichgesetzt, siehe 6.2.6.4.
(4) Der Abminderungsbeiwert w zur Berücksichtigung der Interaktion mit der Schubbean-spruchung im Stützenstegfeld ist in der Regel nach Tabelle 6.3 mit dem Wert beff,t,wc nach 6.2.6.3(2) oder 6.2.6.3(3) zu ermitteln.
(5) Die Tragfähigkeit des Stützensteges für Querzug kann durch Stegsteifen oder zusätzli-che Stegbleche vergrößert werden.
(6) Die Stegsteifen können als Quersteifen und/oder entsprechend angeordnete Diagonal-steifen ausgebildet werden, um die Tragfähigkeit des Stützensteges für Querzug zu vergrö-ßern.
ANMERKUNG Bei geschweißten Anschlüssen liegen üblicherweise die Quersteifen in der Achse der Trägerflansche.
(7) Schweißnähte zwischen Diagonalsteifen und Stützenflansch sollten als voll durchge-schweißte Nähte mit Kapplage ausgeführt werden, damit die Schweißnahtdicke gleich der Steifendicke ist.
(8) Wird ein nicht ausgesteifter Stützensteg durch zusätzliche Stegbleche entsprechend 6.2.6.1 verstärkt, so hängt die Tragfähigkeit für Querzug von der Dicke der Längsnähte ent-lang der zusätzlichen Stegbleche ab. Die wirksame Dicke des Stegs tw,eff wird in der Regel wie folgt bestimmt:
– sind die Längsnähte durchgeschweißte Stumpfnähte der Nahtdicke a ö ts gilt: – bei einseitigem zusätzlichem Stegblech: tw,eff = 1,5 twc (6.17) – bei beidseitigen zusätzlichen Stegblechen: tw,eff = 2,0 twc (6.18)
– sind die Längsnähte Kehlnähte der Nahtdicke a ö ts/ 3==2 gilt sowohl für einseitige als auch für beidseitige zusätzliche Stegbleche:
– für die Stahlgüten S 235, S 275 oder S 355: tw,eff = 1,4 twc (6.19a) – für die Stahlgüten S 420 oder S 460: tw,eff = 1,3 twc (6.19b)
(9) Bei der Berechnung des Abminderungsbeiwerts w zur Berücksichtigung der Interaktion mit der Schubbeanspruchung darf die Schubfläche Avc des durch zusätzliche Stegbleche ver-stärkten Stegs nur auf den Wert angehoben werden, der auch bei der Erhöhung der Schub-tragfähigkeit zulässig ist, siehe 6.2.6.1(6).
6.2.6.3
II-91
KONSOLIDIERTE FASSUNG DIN EN 1993-1-8 EINSCHLIESSLICH NATIONALER ANHANGII.6 ANSCHLÜSSE MIT H- ODER I-QUERSCHNITTEN
Stützenflansch mit Biegebeanspruchung
Nicht ausgesteifter Stützenflansch und geschraubte Verbindung
(1) Die Tragfähigkeit und die Versagensform eines nicht ausgesteiften Stützenflansches, der in Verbindung mit Schrauben mit Zugbeanspruchung auf Biegung beansprucht wird, sind in der Regel mit Hilfe des äquivalenten T-Stummelflansches für folgende Fälle zu ermitteln, siehe 6.2.4:
– jede einzelne Schraubenreihe ist für die Übertragung der Zugkräfte erforderlich;
– jede Gruppe von Schraubenreihen ist für die Übertragung der Zugkräfte erforderlich.
(2) Die Maße emin und m für die Ermittlung nach 6.2.4 sind Bild 6.8 zu entnehmen.
(3) Die wirksame Länge des äquivalenten T-Stummelflansches sollte für die einzelnen Schraubenreihen und die Schraubengruppe nach 6.2.4.2 mit den Werten ermittelt werden, die in Tabelle 6.4 für die einzelnen Schraubenreihen angegeben sind.
a) Geschweißtes Stirnblech schmaler als der Stützenflansch
b) Geschweißtes Stirnblech breiter als der Stützenflansch
c) Flanschwinkel
Bild 6.8: Maße für e, emin, rc und m
6.2.6.4
6.2.6.4.1
ERLÄUTERUNGEN ZUM EUROCODE 3: DIN EN 1993-1-8 MIT NATIONALEM ANHANG III.3 SCHRAUBEN-, NIET- UND BOLZENVERBINDUNGEN
III-44
<1.3> Einseitig mit drei und mehr Schrauben angeschlossener Winkel
Bereits in [63] war das unterschiedliche Tragverhalten gegenüber einseitigen Anschlüssen mit zwei Schrau-
ben besonders bei kleineren Schraubenabständen berücksichtigt worden. Auf der Grundlage dieser Er-
kenntnisse erfolgte eine getrennte Auswertung.
Zur Unterscheidung wurde in das für die Kalibration an Versuchsergebnissen benutzte Nachweisformat für
den Grenzzustand der Beiwert β3 eingeführt
2
3
M
unetRd,u
fAN
(III.3-47)
Dieses Bemessungsmodell wurde an insgesamt 80 Versuchen kalibriert. Sensitivitätsanalysen wurden für
die geometrischen Bezugsgrößen e2/d0, e1/d0 und p1/d0, die Zugfestigkeit der Winkel und die Winkelbreite
durchgeführt, die alle zu einer Bestätigung des Modells führen.
Zwischen den in Bild III.3-33 angegebenen β3-Werten kann linear interpoliert werden.
Bild III.3-33: β3-Werte
Bild III.3-34: Sensitivitätsdiagramm eines Winkelanschlusses mit drei Schrauben im Anschluss in Abhängigkeit
von e2/d0
Bild III.3-35: Sensitivitätsdiagramm eines Winkelanschlusses mit drei Schrauben im Anschluss in Abhängigkeit
von e1/d0
ERLÄUTERUNGEN ZUM EUROCODE 3: DIN EN 1993-1-8 MIT NATIONALEM ANHANG III.3 SCHRAUBEN-, NIET- UND BOLZENVERBINDUNGEN
III-45
Bild III.3-36: Sensitivitätsdiagramm eines Winkelanschlusses mit drei Schrauben im Anschluss in Abhängigkeit
von p1/d0
III.3.11. Abstützkräfte
Abstützkräfte können zum Beispiel in einem T-Stoß von Zugstäben auftreten, wie in Bild III.3-37 dargestellt.
Bild III.3-37: Zusätzliche Beanspruchungen infolge von Abstützkräften
Die Abstützkräfte vergrößern die Zugbeanspruchungen der Schauben und müssen bei der Bemessung be-
rücksichtigt werden. Ob sich Abstützkräfte einstellen, hängt von den Abmessungen der Stirnplatte und der
Schrauben ab. Bei Vorverformungen wie im rechten Teilbild skizziert, stellen sich keine Abstützkräfte ein.
Zur Vereinfachung der Berechnung sind die Abstützkräfte in dem T-Stummel-Modell nach Abschnitt 6.2.4,
mit dem in der Komponentenmethode die Tragfähigkeit von auf Biegung beanspruchten Komponenten wie
Stirnplatten oder Stützenflansch bestimmt wird, implizit berücksichtigt.
III.3.12. Kräfteverteilung der Verbindungsmittel im Grenzzustand der Tragfähigkeit
Für die Annahme vereinfachender plastischer Kraftverteilungsmodelle, Bild III.3-38, ist eine ausreichende
Verformungsfähigkeit der Komponenten erforderlich, die in der Regel bei Kategorie A- Verbindungen vor-
liegt, wenn Lochleibungsversagen maßgebend ist. Die Modelle gelten auch für Kategorie B-Verbindungen
aufgrund plastischer Verteilungen durch Rutschungen im Grenzzustand der Tragfähigkeit. Eine linear elasti-
sche Verteilung der Beanspruchungen liegt stets vor bei Kategorie C-Verbindungen und bei Kategorie A-
und B-Verbindungen, wenn das Abscherversagen der Schrauben maßgebend ist. Bei Stoß- oder Schwing-
beanspruchung, Lastumkehr und bei hochfesten Stählen oberhalb S460, siehe DIN EN 1993-1-12, ist eben-
falls eine lineare Verteilung anzunehmen.
ERLÄUTERUNGEN ZUM EUROCODE 3: DIN EN 1993-1-8 MIT NATIONALEM ANHANG III.7 ANSCHLÜSSE MIT HOHLPROFILEN
III-148
Bild III.7-10: Durchstanzmodell für RHP-Y-Anschluss unter Streben-Normalkraft
Beim Durchstanzmodell für RHP-Gurtstäbe und Strebenaxialkräfte wird von um den Strebenumfang un-
gleichmäßig verteilten Scherspannungen ausgegangen. Für T-, Y- und X-Anschlüsse wird der größte Teil
der Strebenkraft an den Längsseiten h1 / sin 1 nahe der Gurtseitenwand übertragen. Über die Breiten b1
findet eine Entlastung statt, wenn sich der Gurtflansch durch Biegung einer Kraftübertragung entzieht. Dies
hängt von der Gurtflanschschlankheit b0/t0 ab. Deshalb wirkt der Gurtflansch nicht über die gesamte Stre-
benbreite b1 mit, sondern nur über die wirksame Breite be,p (Index p für engl. „punching shear“).
Der beim Durchstanzen von T-, Y- oder X-Anschlüssen nach Tabelle 7.11 wirksame Umfang des Gurtflan-
sches setzt sich aus 2 reduzierten Breiten be,p und 2 voll mitwirkenden Längsseiten h1 / sin 1 zusammen.
Seitenwandtragfähigkeit des Gurtstabes (Modell (3)) (zu Tabelle 7.11, 5. Zeile)
Für T-, Y- und X-Anschlüsse mit großen Breitenverhältnissen = 1 kann das Versagen der Gurtstabseiten-
wand durch Fließen, Quetschen, Krüppeln oder örtliches Beulen maßgebend werden, siehe z.B. Wardenier
[153] und Davies & Packer [38]. Für derartige Versagensformen könnten die Ansätze zur Berechnung des
Stegversagens bei anderen Profilen übernommen werden. Hohlprofilseitenwände sind allerdings schlanker
als Gurtstege, so dass es bereits von Anfang an eigenständige Berechnungsmodelle dafür gab (Wardenier
[153]). Auf Grund umfangreicher Versuchsreihen konnte man für RHP-Gurte der Querschnittsklassen 1 oder
2 auch vieles vereinfachen.
ERLÄUTERUNGEN ZUM EUROCODE 3: DIN EN 1993-1-8 MIT NATIONALEM ANHANG III.7 ANSCHLÜSSE MIT HOHLPROFILEN
III-149
Bild III.7-11: Gurtseitenwandtragfähigkeit
Die Last verteilt sich auf 2 Seitenwände und dort von der Aufstandslänge h1 / sin 1 ausgehend unter einem
beidseitigen Winkel von 1:2,5 (plastische Verteilung) auf die mitwirkende Gurtseitenwandlänge von bE = (h1 /
sin 1 + 5 t0), vgl. Bild III.7-11. Wirksam sind auch nur die orthogonalen Komponenten der Last N1. Damit
ergibt sich eine Grenztragfähigkeit für die Gurtseitenwand von N1 ∙ sin 1 = fy0 ∙ t0 ∙ 2 bE für Strebenzuglasten
und einen sonst unbelasteten Gurtstab.
Bei noch zusätzlich vorbelasteten Gurtstäben ist die Seitenwandtragfähigkeit mit dem Abminderungsfaktor kn
für die Gurtauslastung nach Gleichung (III.7-26) abzumindern.
Für den Fall von Strebendruckkräften wird in Tabelle 7.11, 5. Zeile in der Tragfähigkeitsgleichung für Sei-
tenwandversagen nicht die Fließspannung fy0, sondern eine „Knickspannung“ fb verwendet. Für Strebenzug-
kräfte gilt fb = fy0. Für Strebendruckkräfte wird der Abminderungsbeiwert nach der maßgebenden
Knickspannungslinie des Gurtquerschnitts (a0, a oder c) nach DIN EN 1993-1-1: 2010-12, Abschnitt 6.3.1
ermittelt. Angedacht war ursprünglich, die Knickspannungslinie „a“ zu verwenden, siehe Wardenier [153].
Das ist jedoch im Eurocode bis heute nicht klar herausgearbeitet. Die für das „Knicken“ maßgebende RHP-
Seitenwand-Modell-Schlankheit beträgt nach Gleichung (III.7-27):
10
0
10
00 12463
1
12
1
2
θsint
h ,
θsint
th
i
lλ
b
(III.7-27)
Dabei handelt es sich um die Schlankheit eines beidseitig gelenkig gelagerten Ersatzstabes mit der Quer-
schnittsfläche (t0 ∙ bE) und der Knicklänge lb = (h0 – 2t0). Es ist möglich, die Stabilität von RHP-
Gurtseitenwänden genauer zu modellieren, wobei jedoch komplizierte Ausdrücke entstehen, die keine we-
sentlich bessere Übereinstimmung mit den Versuchsdaten zeigen, vgl. Yu [173].
Für T- und Y-Anschlüsse gilt: fb = ∙ fy0. Für beidseitig, potentiell höher beanspruchte X-Anschlüsse wird
eine zusätzliche Reduktion auf 80 % vorgenommen, bei größeren Strebenneigungen wird die Interaktion
zwischen Knicken und Abscheren durch den Faktor sin i berücksichtigt, so dass gilt: fb = 0,8 ∙ fy0 ∙ sin 1.
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978-3-433-03089-9 Eurocode 3 Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten, Band 2: Anschlüsse; Bauforumstahl (Hrsg.)
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