Samstag, 12. August 2017 AUS DER REGION TS Nummer 185 27
Familienbetrieb in Grafetstetten für Zukunft gerüstetHofbesuch, Folge 3: Die Familie Wolferstetter führt einen modernen Milchviehbetrieb und legt größten Wert auf das Wohlergehen ihrer Tiere
Familie Wolferstetter in ihrem Milchviehstall in Grafetstetten (von links): Sohn Michael, der den Betrieb einmal weiterführen wird, sein Vater Franz und dessen Frau Elfriede sowie der jüngste Sohn Christian. Flofhund Leo wollte unbedingt auch mit aufs Bild. - Fotos: Klaus Oberkandier
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Der stattliche Bauernhof in Grafetstetten, nordöstlich von Palling, steht auf geschichtsträchtigem Boden. Rechts: Aufgrund des Chips, den jede Kuh um den Fiais trägt, stellt sich der Melkcomputer automatisch auf das Euter der jeweiligen Kuh ein
Von Klaus Oberkandier
Palling. Die Milcherzeugung ist der wichtigste Produktionszweig der Landwirtschaft im Landkreis Traunstein. In der heutigen zweiten Folge unserer Serie „Hofbesuch“ stellen wir einen Vorzeigebetrieb vor, der nach neuesten Erkenntnissen mit kerngesunden Tieren aus eigener Aufzucht und modernsten technischen Hilfsmitteln mit großem Erfolg Milch produziert. Dabei nimmt die Familie Wolferstetter auch hinsichtlich des Tierwohls eine Vorbildfunktion ein. Wir besuchten sie auf dem schmucken Bauernhof in Grafetstetten, nordöstlich von Palling.
Es ist geschichtsträchtiger Boden, auf dem das stattliche Anwesen steht. Vor fast 400 Jahren ist die Liegenschaft erstmals urkundlich erwähnt. Ein Wolfgang Gra- fetstetter wird als Besitzer geführt. Seither ist das Anwesen in Familienbesitz. Der heute 60-jährige Landwirtschaftsmeister Franz Wolferstetter hat es 1989 von seinem gleichnamigen Vater übernommen und bewirtschaftet es mit seiner Frau Elfriede, seinem Sohn Michael und einem Auszubildenden.
Von den beiden Töchtern hat die Ältere auf einen Hof in Traunstein-Traunstorf eingeheiratet. Die jüngere arbeitet im Landwirtschaftsamt in der Großen Kreisstadt. Sohn Michael (22) absolviert gerade die Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister und wird den Hof übernehmen. Nur Christian (16) schlägt aus der Art und will nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zum Mechatro- niker absolvieren.
Vom Selbstversorger zum erfolgreichen Spezialisten
Franz Wolferstetter hat noch erlebt, wie seine Eltern nach dem Zweiten Weltkrieg traditionelle Landwirtschaft betrieben haben: Hühner, Ferkel, Milchkühe, Bullenmast, Kartoffelanbau - Bauern verstanden sich damals noch vielerorts als Selbstversorger, ehe sie mit der zunehmenden Spezialisierung der Landwirtschaft gezwungen wurden, sich auf weniger Betriebszweige zu beschränken. Wie so viele Bauern in der Region entschieden sich die Wolferstetters für die Milchviehwirtschaft. Das haben sie bis heute nicht bereut.
„Schau Dir mal die Fesseln unserer Kühe an“, fordert Michael den Berichterstatter beim Rundgang durch den licht- und luftdurchfluteten modernen Kuhstall auf. Auf den fragenden Blick klärt er auf: „Bei uns findest Du keine Kuh, die an den Fußgelenken wund ist, weil sie beim Aufstehen auf glattem Boden ausgerutscht ist.“ Vater Franz deutet auf die ge
räumigen Liege boxen mit dicker Stroheinstreu: „Das ist eigentlich Luxus. Aber unsere Kühe fühlen sich auf den Strohlagern sauwohl“, berichtet er stolz.
Derweil stehen zwei der rund Hundert Kühe an einer Vorrichtung, wie man sie aus Autowaschanlagen kennt. Es sind Walzenbürsten , die zu rotieren beginnen, sobald die Tiere sie berühren. Das tut den Kühen vor allem bei Hitze sichtlich gut. Noch besser wäre
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freilich eine kühle Dusche. „Ist schon in Planung“, sagt Elfriede Wolferstetter, die mit dem täglichen Betriebsablauf genauso vertraut ist wie ihr Mann und Sohn
Michael. Sie schaut auf die Herde, in der jedes Tier ein Fußband sowie ein Halsband mit Chip und einer gut lesbaren dreistelligen Zahl trägt: „Aber einen Namen haben sie immer noch alle bei uns“, sagt die Bäuerin.
Gemolken wird, wann immer die Kuh es will
Hals- und Fußband müssen sein, damit der Melkroboter jedes Tier erkennen kann. Im Mai letzten Jahres haben die Wolferstetters die vollautomatische Melkanlage installiert. Was sie gekostet hat, wollen sie nicht gerne sagen; aber im Computerzeitalter bekommt man jede Frage beantwortet, wenn man seinen Rechner bedienen kann. Dort kann man nachlesen: Ein Roboter ohne Milchtank kostet gegenwärtig etwa 135 000 Euro, die Doppelboxenanlage ist natürlich erheblich teurer. Aber diese Investition in modernste Technik musste man tätigen, um fit für die Zukunft zu sein, ist Michael überzeugt.
Er führt uns in die Schaltzentrale, von der aus man einen Blick auf die Melkboxen hat. Jede Kuh, die ihn betritt, bekommt ein „Leckerli“ in Form einer extra Portion besonders schmackhaften Futters. Ein halbes Dutzend Kühe stehen an den beiden Melkständen geduldig an. Es ist mittags, halb zwölf Uhr. „Ich dachte, Kühe werden früh und abends gemolken?“, fragt der Berichterstatter. Franz Wolferstetter klärt auf: „Die kommen, wann sie wollen und das Bedürfnis haben, gemolken zu werden.“ Und wie oft ist das? Im Schnitt 2,4 mal pro Tag, ergänzt der Junior und zeigt Daten, Tabellen und Kurven auf dem Computer.
Der Rechner weiß, wie viel Milch die Kuh, die er gerade im Stand hat, theoretisch geben müsste. Das Gerät richtet sich danach. Angezeigt wird auch, wieviel Milch aus welcher Zitze gekommen ist. Weichen die Zahlen von der Norm ab, zum Beispiel weil eine Zitze entzündet ist, wird das protokolliert, und der Bauer kann bei der täglichen Prüfung
nachschauen, ob dem Iler etwas fehlt.
Am alten Melkstand waren zwei Personen in der Früh und am Abend jeweils zwei Stunden beschäftigt, ehe alle Here gemolken waren. Die neue Technik spart nicht nur Zeit. „Es ist auch körperlich nicht mehr so anstrengend,“ sind sich Franz und Elfriede einig: „Wir sind ja nicht mehr Zwanzig.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass man nicht mehr starr an die Melkzeiten gebunden sei und deshalb mehr Freiraum habe.
Und wie hat die große Herde auf die neue Technik reagiert? „Sehr gelassen“, freut sich der Senior. Er legt größten Wert darauf, dass die Tiere „pflegeleicht“ sind. Wenn eine Kuh das ganze Jahr über nicht auffällt, ist es ihm am liebsten - auch wenn sie vielleicht ein paar Liter Milch weniger gibt. Das gilt auch für Jungkühe in der sogenannten ersten Laktation. „Bei uns kriegt jede eine zweite Chance. Und meistens haben wir es nicht bereut.“
Dass das keine leeren Worte sind, beweist ein Statistikblatt des
Landeskuratoriums der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern: Die Kühe in Grafetstetten geben in der Erstlaktation im Schnitt fast 9400 Kilo Milch; im Landkreisdurchschnitt sind es nur 6800 Kilo. Das Durchschnittsalter der bei ihnen lebenden Kühe ist höher, und die durchschnittliche Nutzungsdauer länger als im Landkreisdurchschnitt. Mit einer durchschnittlichen Gesamtleistung von fast 24000 Liter übertreffen die Tiere im Stall in Grafetstetten den Kreisdurchschnitt um mehr als 5000 Kilogramm.
In den letzten Jahren hat die Familie vier Mal Auszeichnungen für Kühe bekommen, die eine Lebensleistung von über 100 000 Kilogramm Milch erbracht haben. Nur damit man eine Vorstellung hat, was das bedeutet: Im gesamten Landkreis werden pro Jahr etwa drei bis fünf Tiere mit einer so hohen Gesamtleistung registriert und ausgezeichnet. Und hier gleich vier auf einem einzigen Hof!
Gutes Futter ist das A und O
„Immer dran bleiben, damit wir bei den Besseren dabei sind“ will der künftige Hoferbe. Dazu gehört auch, das Futter selber anzubauen und den Tieren ein ausgewogenes Nahrungsgemisch anzubieten. Von den 45 Hektar Grund, die zum Anwesen gehören, sind gut 20 Prozent Wald. Auf 35 Hektar eigenem Grund sowie auf dazugepachteten Flächen bauen die Wolferstetters Mais, Gras und Getreide an, aus denen sie das Futter für ihre Tiere mischen. Der Rindernachwuchs wird ebenfalls mit selbst hergestelltem und gemischten Futter großgezogen.
Alle Kuhkälber, die auf dem Hof geboren werden, behält man derzeit selber und zieht sie groß, um den Milchviehbestand nach und nach zu erneuern und behutsam zu vergrößern. Die männlichen Kälber werden für die Mast verkauft.
Dass die Wolferstetters dem Autor dieses Beitrages und der Heimatzeitung so freundlich und aufgeschlossen begegnet sind, ist keinesfalls selbstverständlich. Unsere Bauern werden von vielen Seiten kritisiert und schlecht gemacht. Selbst ernannte Tierschützer und sogar unsere Bundesumweltministerin stellen sie immer wieder an den Pranger. Der Hof in Grafetstetten ist das beste Beispiel dafür, dass das in den meisten Fällen zu Unrecht so ist.
ÿ In der nächsten Folge besuchen wir Marianne und Hubert Mayer auf ihrem Hofbauemanwesen in Pullachbei Seebruck.
3. AUGUST 1993 - ein schwarzer Tag für Grafetstetten:Grafetstetten am 3. August
1993: Mit dem Gebläse transportieren die Wolferstetters Heu in den Speicher über dem Kuhstall. Erst zu Ostern sind die Rinder in den Neubau umgezogen. Kälber, Färsen und Kühe fühlen sich in dem neuen Stall pudelwohl, und die Bauern sind zuversichtlich, das Gebäude in den nächsten zehn Jahren abbezahlen zu können.
Von einer Sekunde auf die andere ist aber alles anders: Funkenflug, vermutlich ausgelöst durch ein paar Steinchen im Gebläse, setzt das Heu in Brand. Das Feuer breitet sich rasend schnell aus. Als die ersten Feuerwehren anrücken, brennt der neue Stall lichterloh. Verzweifelt versucht man, die Tiere ins Freie zu treiben. Dramatische Szenen spielen sich ab.
Um diese Zeit war ich mit meinem damals zwölfjährigen Sohn beim Schwammerlsuchen an einem Waldrand nahe Traunstein. Wir sahen die riesige Rauchsäule in weiter Feme aufsteigen, und da es Nachmittag und noch nicht Redaktionsschluss war, sah ich die Chance, in der Zeitung vielleicht noch einen Bericht über das unterzubringen, was da in der Feme gerade passiert. Wir fuhren los , und waren nach einer Viertelstunde in Grafetstetten. Erst zwei oder drei Feuerwehrautos waren da; mehr als ein Dutzend rückten in der nächsten halben Stunde noch an, und als ich meine journalistische Arbeit am Unglücksort verrichtet hatte, kamen mir immer noch Einsatzfahrzeuge entgegen, um zu löschen.
Meinem Sohn und mir sind die Bilder jener Katastrophe für im
mer ins Gedächtnis gebrannt: die verzweifelten Menschen, die fast hilflos Zusehen mussten, wie der neue Stall niederbrannte; die mutigen Helfer, die versuchten, die Tiere ins Freie zu treiben; die entsetzten Feuerwehrleute, die wussten, dass man diesen Stall nicht retten kann und sich auf das Sichern von Wohnhaus und Remise beschränken muss.
Ich sog die Eindrücke in mir auf, machte Fotos und war schon wieder auf dem Rückweg: Es gab keine Handys, kein E-Mail. Vom nächsten Bauernhof aus rief ich in den Redaktion an, wo man alles vorbereitete, dass ich den Bericht über die Feuerkatastrophe noch unterbringen konnte. So traurig der Anlass war: Am Ende war man doch zufrieden, über das traurige Ereignis zeitnah umfassend berichtet zu haben. - ko
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Bilder, die man nicht vergessen kann. Bei einem verheerenden Großbrand am 3. August 1993 wurde der nagelneue Kuhstall der Wolferstetters ein Raub der Flammen. - Foto: ko
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