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Freitag, 15. Mai 2015 Schweiz 5

Kantone vor Einigung im NFA-StreitIm Poker um Kürzungen beim Finanzausgleich (NFA) zeichnet sich in letzter Minute doch noch ein Kompromiss ab.Vertreter der Nehmer wollen, dass sich die Kantone zusammenraufen. Grosse Geber wie Zug sind skeptisch.

TOBIAS GAFAFER

BERN. Die Fronten im Streit umdie Anpassung des Finanzaus-gleichs sind verhärtet. Es gehtum viel Geld: Bundes- und Na-tionalrat wollen die Geberkan-tone im Ressourcenausgleich ab2016 um 134 Millionen Frankenentlasten, der Bund will seineBeiträge um 196 Millionen kür-zen. Allein der Ostschweiz dro-hen Ausfälle von 61 Millionen.Der Ständerat lehnt die Entlas-tung der reichen Kantone ab. Inder Juni-Session des Parlamentsdürfte es einen letzten Versuchgeben, die Vorlage zu retten.

Nun zeichnet sich ab, dasssich die Kantone im Vorfeld dochnoch auf einen Kompromiss ei-nigen könnten. Das zeigen Re-cherchen unserer Zeitung. DieKonferenz der Kantonsregierun-gen (KdK) hat eine Begleitgruppezum NFA eingesetzt. Laut mitdem Dossier vertrauten Perso-nen sieht der Kompromissvor-schlag vor, dass die Summe derNFA-Kürzungen von 330 Millio-nen Franken halbiert werdensoll. Dem Vernehmen nach istnoch offen, ob tatsächlich genug

Kantone mitmachen. Gemein-same Stellungnahmen benöti-gen ein Quorum von 18 Kanto-nen – und von denen sind17 Nehmer und neun Geber.

Sogar Bern für Kompromiss

KdK-Präsident Jean-MichelCina bestätigt auf Anfrage, dassdie Frage einer Lösung des NFA-Streits bei den Kantonsregierun-gen hängig ist. Eine allfällige

Einigung solle bis Ende nächsterWoche präsentiert werden.

Vertreter von Nehmerkanto-nen setzen sich für einen Kom-promiss ein. Der Thurgauer Fi-nanzdirektor Jakob Stark (SVP)etwa, der im März noch die«aggressive Kampagne» der Ge-berkantone Schwyz und Zugscharf kritisiert hatte, schlägtnun konziliantere Töne an. «Essteht für alle zu viel auf dem

Spiel», der NFA sei das Gegen-stück zum Föderalismus. «DieKantone sollen das Heft in dieHand nehmen und im Interessedes Ganzen einen Schritt ma-chen.» Ein Kompromiss zwi-schen den Positionen des Natio-nal- und des Ständerats sei mög-lich, alles andere realitätsfremd.Auch der St. Galler Finanzdirek-tor Martin Gehrer (CVP) sprichtvon einem gutschweizerischenKompromiss. «Die Kantone soll-ten die Frage nicht dem Parla-ment überlassen.» Eine Einigungstärke sie. Selbst Beatrice Simon,Finanzdirektorin (BDP) des Kan-tons Bern, der am meisten Gelderhält, plädiert für eine Kompro-misslösung. «Ein Verharren aufden bisherigen Positionen könn-te das Jahrhundertwerk NFA unddamit den Zusammenhalt imLand gefährden.»

Warnung vor «Basar-Lösung»

Kritisch reagiert dagegenPeter Hegglin, Finanzdirektordes Kantons Zug (CVP), der proKopf der grösste Geber ist. «DerKürzungsvorschlag des Bundes-rats ist bereits ein Kompromiss.»Selbst danach sei der Ressour-

cenausgleich noch immer um150 Millionen überdotiert. «Seitder Einführung des NFA 2008 hatZug 1,9 Milliarden Franken ein-bezahlt!» Die Nehmerkantonesollten die versprochenen Re-geln einhalten. Zur Erinnerung:Die finanzielle Ziele des NFAwurden erreicht. Ins selbe Hornstösst Nationalrätin Petra Gössi(FDP/SZ): Die NFA-Zahlungensollten sich nach dem Gesetzrichten, schreibt sie im Internet.«Ein Kompromiss tut dies abernicht und ist eine Basar-Lö-sung». Die Nehmer offeriertenquasi ein Zückerchen.

Drohkulisse von Gebern

Mehr noch: In Schwyz undZug drohen die Parlamente mitdem Kantonsreferendum, solltedas Parlament nicht auf die Liniedes Bundesrats einschwenken.Für das höchst selten genutzteInstrument müssten acht Kan-tone mitmachen. Bisher kamdieses nur einmal zustande(2003). Selbst wenn es wider Er-warten so weit kommen sollte,wären die Erfolgschancen be-schränkt. Denn die Mehrheit derKantone sind Nehmer.

Ressourcenausgleich Unterschiedezwischen den Kantonen ausgleichenDer Ressourcenausgleich ist dasKernstück der Neugestaltungdes Finanzausgleichs und derAufgaben zwischen dem Bundund den Kantonen (NFA). Derfür 2015 mit 3,8 Milliarden Fran-ken dotierte Topf soll die finan-ziellen Unterschiede zwischenden Kantonen ausgleichen. Ersetzt sich aus dem von den rei-chen Kantonen finanziertenhorizontalen Ausgleich unddem vom Bund finanziertenvertikalen Ausgleich zusam-

men. Ziel ist, dass jeder Kantonpro Einwohner eigene Ressour-cen von mindestens 85 Prozentdes Durchschnitts hat, über dieer frei verfügen kann. Zum NFAgehören zwei weitere Töpfe:Der vom Bund finanzierte Las-tenausgleich entschädigt dieKantone für Sonderaufgaben,etwa wegen ihrer Lage oderBevölkerungsstruktur. Zudemfedert der Härteausgleich dieAuswirkungen des NFA in einerÜbergangsphase ab. (tga)

Härtefallklausel für «leichte Fälle»Einschlägig vorbestrafte Pädosexuelle sollen nie mehr mit Kindern arbeiten dürfen. Mit einerHärtefallklausel soll der Konflikt mit der Verhältnismässigkeit aber teilweise entschärft werden.

BERN. Die im Mai 2014 angenom-mene Pädophilen-Initiative ver-langt, dass Personen, die wegenSexualdelikten an Kindern oderabhängigen Personen verurteiltwurden, nie mehr eine beruf-liche oder ehrenamtliche Tätig-keit mit Minderjährigen oderAbhängigen ausüben dürfen −unabhängig von den Umständendes Einzelfalls.

Gegen die Verfassung

Bei der Präsentation der Ver-nehmlassungsvorlage erinnerteJustizministerin Simonetta Som-maruga am Mittwoch daran,dass dies der Verhältnismässig-keit widerspricht. Dieser Verfas-sungsgrundsatz gelte auch nachAnnahme der Initiative. Der

Bundesrat sieht sich daher mitdem gleichen Problem konfron-tiert wie bei der Umsetzung derAusschaffungs-Initiative derSVP: Das Volk schreibt einenAutomatismus in die Verfassung,dieser verträgt sich aber nichtmit rechtsstaatlichen Grundsät-zen. Eine Härtefallklausel solldas Dilemma nun auch bei derPädophilen-Initiative auflösen.

In «leichten Fällen» soll dasGericht auf die Anordnung ei-nes Tätigkeitsverbots verzichtenkönnen, «wenn ein solches Ver-bot offensichtlich weder notwen-dig noch zumutbar ist». KeineAusnahme ist möglich, wenn derTäter wegen Menschenhandels,sexueller Nötigung, Vergewalti-gung, Schändung oder Förde-

rung der Prostitution verurteiltwurde.

Zum Beispiel Jugendliebe

Als mögliche Anwendungsfäl-le nannte Sommaruga die imAbstimmungskampf viel disku-tierte Jugendliebe, den jungenMann, der dem noch nicht16-Jährigen ein Sexvideo aufdem Handy zeigt, oder die Kiosk-verkäuferin, die einem Minder-jährigen ein Sexheftli verkauft.Ob es sich dabei um Pädophilehandle, solle ein Richter abklä-ren können, sagte Sommaruga.

Denn auf Pädophile hättendie Initianten mit ihrer Initiativenach eigenen Angaben gezielt.Die Justizministerin erinnerteauch daran, dass diese vor der

Abstimmung selber einen Um-setzungsvorschlag vorgelegt hät-ten. Darin regten sie an, dasskein lebenslanges Berufs- oderTätigkeitsverbot ausgesprochenwerden soll, wenn dieses unver-hältnismässig wäre.

Offen diskutieren

Eine Umsetzung mit Härte-fallklausel ist die einzige für denBundesrat vertretbare Variante.Trotzdem schickt er auch eineVersion ohne Ausnahme in dieVernehmlassung. So könne dieDiskussion über den Umgangmit diesem Dilemma offen ge-führt werden. Dann werde auchklar, dass fundamentale Rechts-prinzipien über Bord geworfenwürden. (sda)

Überwachungs-Technik: Strengerbeim ExportBERN. Der Export von Gütern zurInternet- und Mobilfunküber-wachung soll strenger kontrol-liert werden. Besteht Grund zurAnnahme, dass die Überwa-chungstechnologie als Repres-sionsmittel eingesetzt wird, ver-weigert das Staatssekretariat fürWirtschaft SECO neu die Aus-fuhrbewilligung. Der Bundesrathat die entsprechende Verord-nung am Mittwoch per sofort inKraft gesetzt. Die neue Regelungist vorerst auf vier Jahre befristet.

Wie Recherchen unserer Zei-tung ergeben hatten, wollten Fir-men Überwachungstechnik ausder Schweiz auch an undemo-kratische Länder exportierenund hatten entsprechende Ge-suche eingereicht.

Für Güter, die sowohl für zivileals auch für militärische Zweckeverwendet werden können,braucht es in der Schweiz seit2012 eine Export-Bewilligung.Obwohl auch Güter zur Internet-und Mobilfunküberwachung indiese Kategorie gehörten, sei esaber nur beschränkt möglich,entsprechende Gesuche abzu-lehnen, schreibt der Bundesratin einer Mitteilung. Deshalb wer-de dies nun in der Verordnungpräzisiert. (sda/red.)

Ohne Zentrumfür GesundheitBERN. Der Bundesrat will dieQualität in der Gesundheitsver-sorgung erhöhen und die Zahlder medizinischen Zwischenfällesenken. Nachdem ein nationalesGesundheitszentrum in der Ver-nehmlassung stark kritisiertworden war, präsentierte Ge-sundheitsminister Alain Berseteinen neuen Vorschlag. Statt aufein Zentrum will der Bundesratauf ein Netzwerk setzen. In die-sem sollen bestehende Aktivitä-ten besser koordiniert und aus-gebaut werden. Diverse Ver-nehmlassungsteilnehmer hattenkritisiert, ein nationales Gesund-heitszentrum erhalte zu vielMacht und gefährde bestehendeInstitutionen. Im nun vorge-schlagenen Netzwerk sollen diebereits in der Qualitätssicherungaktiven Akteure deshalb stärkereinbezogen werden. (sda)

Neuer Anlauf fürdie AmtshilfeBERN. Die Schweiz könnte künf-tig auch auf Basis gestohlenerBankkundendaten Amtshilfeleisten. Der Bundesrat will einenneuen Anlauf für die nötigenGesetzesänderungen nehmen.Bisher war der Widerstand da-gegen gross.

Der Bundesrat habe sich amMittwoch mit dem Thema be-fasst und dabei beschlossen,dem Parlament eine «Klärungder rechtlichen Situation» vorzu-schlagen, schreibt das Staats-sekretariat für internationale Fi-nanzfragen (SIF). Nach dessenAngaben erhält die Schweiz imSchnitt jährlich rund 1500 Amts-hilfeersuchen, so viele wie kaumein anderes Land weltweit. DieBehandlung von Gesuchen, dieauf gestohlenen Daten basieren,sei für die Schweiz eine beson-dere Herausforderung. Amtshilfeauf dieser Basis ist bis dato ver-boten. Es sind etliche Fälle be-kannt, in welchen die Schweiznicht auf die Amtshilfebegehreneingehen konnte. (sda)

Juden rufenzum Dialog aufBASEL. Der Schweizerische Israe-litische Gemeindebund (SIG)ruft die Mitglieder aller Religio-nen zum Dialog auf. Die zuneh-mende Skepsis gegenüber ver-schiedenen Glaubensgemein-schaften lasse sich nur im Ge-spräch untereinander abbauen.Der interreligiöse Dialog sei an-spruchsvoll, aber wichtig, teilteder SIG gestern nach seinerzweitägigen Delegiertenver-sammlung mit.

Das Gespräch sei gerade inschwierigen Zeiten besondersangezeigt, sagte Präsident Her-bert Winter vor den rund 350Gästen, darunter Delegierte derjüdischen Gemeinden, Reprä-sentanten anderer Religionenund Politiker. Anschläge aufJuden in Europa hätten vieleSchweizer Juden verunsichert,sagte Winter. Neben verstärkterSicherheitsmassnahmen fordertder SIG deshalb den Dialog mitanderen Religionen − sowohl aufinstitutioneller als auch auf ganzpersönlicher Ebene. (sda)

Bild: fotolia/alswart

Viel Geld steht auf dem Spiel: Jetzt liegt ein neuer Kompromissvorschlag für den Finanzausgleich zwischen Kantonen auf dem Tisch.