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Doch dieses düstere Kapitelgriechischer Geschichte istlange vorbei. Heute nimmtdas winzige Eiland vor allemzivilisationsmüde Städter „ge-fangen“ – und das ganz ohneZwang. Die Grafikerin JuliaBalaska-Galayaki kam vor 20Jahren aus dem stickigenAthen, um sich zu erholen.

Trotz ihrer Kargheit war diezwischen Lesbos und Limnosgelegene Insel Liebe auf denersten Blick. Kurz entschlos-sen kündigte Julia ihren auf-reibenden Job bei einer Tages-zeitung und siedelte sich hiermit ihren zwei Kindern an.„Agios Efstratios ist mein Pa-radies“, sagt die 45-Jährigeund fängt an zu strahlen. „Esgibt wenige Plätze auf derWelt wie diese“, schwärmt dieblonde Frau. Verglichen mitdem hektischen und lärmen-

den Athen erscheint das 49Quadratkilometer große Insel-chen mit seinen 300 Einwoh-nern wie ein anderer Planet.

Wer ursprüngliches grie-chisches Leben abseits vonRummel und touristischenAnimationen liebt, der wirddem spröden Charme der In-sel rasch verfallen. Das Desig-ner-Outfit kann getrost zuHause bleiben, denn auf mo-disches Auftreten legt hierniemand Wert. Auch die Kre-ditkarte ist nutzlos, eine Bankoder einen Automaten suchtman nämlich vergebens.

Zweifellos gibt es aufregen-dere Flecken als Agios Efstra-tios. Zunächst wirkt das von

der Sonne ausgedörrte, hüge-lige Eiland nicht besonderseinladend. Doch der Charmeder Insel erschließt sich erstauf den zweiten Blick. Im In-neren gedeihen kleine Ei-chenwälder, in abgelegenenGrotten aalen sich die meis-ten Seehunde der ganzen Ägä-is. Zahlreiche Strände, die zu-meist nur über holprige Pfadezu erreichen sind, verteilensich entlang der Küste. Werstundenlange Fußmärsche inKauf nimmt, kann sich füh-len wie Robinson Crusoe.Denn außerhalb der Saison –im Juli und August – sindMaultiere und Ziegen meistunter sich.

Das Leben der Bewohnerdes einzigen Ortes läuft inüberschaubaren Bahnen ab.Abwechslung gibt es kaum,außer der Ankunft der Fährenoder den Reizen der bulgari-schen Kellnerin Mimi in derHafentaverne, die beim Bedie-nen tiefe Einblicke gewährt.Doch das bringt die gleich-mütigen Männer nicht ausder Ruhe. Ihr Interesse giltvor allem dem Backgammon.Schon morgens geben sie sichauf der Terrasse lautstark demBrettspiel hin.

Stress kennen die Einheimi-schen kaum – und so werdenviele von ihnen steinalt. Da-rüber zu berichten wissen nurdie Großstädter, die sich aufder Insel von Lärm und Hetzeerholen. Einmal im Monatflieht Babis Manikakis ausAthen für einige Tage nachAgios Efstratios. „Ich mussmeine Batterien auftanken“,erzählt der 48-Jährige. Diegriechische Metropole ist ihmein Graus. „Die Stadt ist einDschungel. Zu viele Men-schen, zu viele Autos“, findetder Steuerberater.

Besser getroffen hat es derLehrer Spiros Harissiadis. Erverließ die Hauptstadt undlehrt nun Physik an der Insel-schule mit ihren 35 Kindern.Kino und Theater vermisst ernicht, stattdessen trifft sichHarissiadis abends im Hafen-café, wo zur Freude der Gäste

die Enten über die Terrassewatscheln. Gerade einmalzwei Minuten zu Fuß brauchter von seiner Wohnung in sei-ne Schule. Dort genießt ertraumhafte Arbeitsbedingun-gen. In der Oberstufe unter-richten zehn Lehrer 14 Schü-ler, in manchen Klassen sitztnur ein Kind.

Der Tourismus spielt bishernur eine geringe Rolle. KeinReiseveranstalter hat die Inselim Programm, daran dürftesich auch so schnell nichts än-dern. Nur 70 Betten stehenGästen zur Verfügung, die imHochsommer meist schnellbelegt sind. Als ideale Reisezei-ten gelten der Herbst oder dasFrühjahr. Die wohl schönstenZimmer vermietet Julia Balas-ka-Galayaki, die oberhalb desDorfes eine liebevoll einge-richtete Pension betreibt.

Von ihrer Terrasse schaut

sie hinab auf den Ort mit sei-nem kleinen Hafen und denbunten Fischerbooten und be-obachtet die Delfine, die sichvor der Küste tummeln.

AGIOS EFSTRATIOS: Griechische Insel lädt Großstädter zum Entspannen ein

Von Ulrich Willenberg

Einst Gefängnis, jetzt ParadiesFür Tausende von politi-schen Gefangenen warAgios Efstratios die Höl-le. Bis zu 6000 Men-schen waren hier inter-niert, darunter auchGriechenlands berühm-tester Komponist MikisTheodorakis. Sie kam-pierten in Zelten undHütten in den Tälern ab-seits des Dorfes.

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FULDAER ZEITUNG · HÜNFELDER ZEITUNG · KINZIGTAL-NACHRICHTEN · SCHLITZER BOTE / Samstag, 11. Oktober 2008

Blick auf den Fischerhafen von Agios Efstratios: Die griechische Insel liegt zwischen Lesbos und Limnos. Fotos: Ulrich Willenberg

Eine der schönsten Pensionen der Insel Agios Efstratiosbetreibt Julia Balaska-Galayaki.

Im Inneren des Eilands gedeihen Eichenwälder.

Anreise: zum Beispielmit Olympic Airwaysnach Athen oder Thessa-loniki, Weiterflug mitOlympic Airways zur In-sel Limnos, von Limnosper Autofähre nachAgios Efstratios.

Informationen: Grie-chische Zentrale fürFremdenverkehr, NeueMainzer Straße 22, 60311Frankfurt, Telefon (069)25 78 270, www.eot.gr.

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