Download - Geheimnis im Goldpokal - Spieler-info.at – spieler-info 12... · 2017-03-08 · überwacht und Automaten computergesteuert manipuliert haben. D er Mann wirkt wie das Wirtschafts-wunder

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Deutschland

GLÜCKSSPIEL

GeheimnisimGoldpokalFahnder nehmen Deutschlandsgrößtes Spiel-Imperiumins

Visier.Der Verdacht:Das Unternehmen soll Zockerüberwacht und Automaten computergesteuert manipuliert haben.

Der Mann wirkt wie das Wirtschafts-wunder in Person: Paul Gausel--mann, 72, hat es vom Ein-Mann-

Unternehmer zum Chef eines Konzernsmit 5600 Mitarbeitern gebracht. Jederzweite in Deutschland verkaufte Spiel-automat kommt aus seinen Fabriken, seineMerkur-Spielotheken bilden die größteSpielhallenkette in DeutscWand.

Der Bundespräsident hat Gauselmannschon vor Jahren mit dem Bundesver-dienstkreuz Erster Klasse ausgezeichnet,SPD-VizeKurt Beck dekorierte ihn 2004mit dem Innovationspreis seiner Partei,und Ehrenbürger seiner Heimatstadt Es-pelkamp ist Gauselmann natürlich auch.

Längst gilt der Multimillionäraus West-falen als einer der reichsten Männer desLandes, und auch als einer, der andere anseinem Reichtumteilhaben lässt- Politikerzum Beispiel:Gauselmannhat mit anderenDaddelfürsten eine Firma ins Leben geru-fen, die Parlamentarier zu Spielturniereneinlädt,Anzeigenin Parteipostillenschaltetund teure Präsentationenorganisiert,wennsich CDU, SPD,FDP oder Grüne auf Par-teitagen treffen - was durch die Standmie-ten reicWichGeldin dieParteikassenbringt.

Eine derartige Pflege der politischenLandschaft zahlt sich offenbar aus. Wäh-rend die Politik ansonsten vorgibt, dieSpielsuchtbekämpfen zu wollen, lässt eineneue Spielverordnung,an der Gauselmannund seine Kollegen kräftig mitgewirkt ha-ben, die Automatenbranche froWocken.Erlaubt sind nun noch mehr Geräte, höhe-re Einsätze und schnellere Spiele.

Gauselmanns Firma hat es freilich inletzter Zeit ein wenig schwer, und Schulddaran sindFahnder.Die StaatsanwaltschaftAugsburgsah es als erwiesen an, dass in al-len 180 Spielhallen der Kette illegalesGlücksspielmit manipulierten Automatenbetrieben wurde. Tausende Geräte warenmit Zusatzplatinen bestückt und so unter-einander vernetzt, dass sie vom Spielhal-lenpersonal und via Internet von Compu-tern beeinflusst werden konnten.

Seit September vergangenen Jahres er-mittelt nun auch die StaatsanwaltschaftBielefeldwegen des gleichenVorwurfsge-gen Manager des Gauselmann-Imperiums.Interne Unterlagen zeigen, mit welch du-biosen Methoden operiert wurde - und sie

Gauselmann-Spielhalle (In Hamburg)"Abweichende Funktionalität"

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lassen auch die Kontrollbehörde, die Phy-sikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB),in zweifelhaftem Licht erscheinen.

Ins Rollen gebracht hat die Affäre derAugsburger Spielhallenbetreiber PeterEiba. Der hatte von Kunden gehört, dass inder Merkur-Spielothek nebenan das Glückscheinbar gezielt die Runde machte. Ver-dächtig oft hätten dieselben Personen enor-me Jackpots abgeräumt und das meistdann, wenn der Laden voll gewesen seiund so besonders viele Kunden das berau-schende Zockerglück miterleben konnten.

Im Sommer 2004 beauftragte Eiba denSachverständigen Markus Deringer, die selt-samen Glückssträhnen bei der Konkurrenzzu erforschen. Der Ingenieur daddelte sichinkognito durch Spielotheken in Augsburgund Bamberg, ein Fazit: "Diverse Geld-spielgeräte gleicher Bauartzulassung weisenin den begangenen Spielhallen abweichendeFunktionalität gegenüber Geräten andererLokalitäten auf." Im Klartext: Von Gausel-mann produzierte Geräte funktionierten inden konzerneigenen Spielotheken seltsa-merweise anders als bei der Konkurrenz.

So konnten beim Spielen mit der Mer-kur-Kundenkarte - dem sogenannten Gol-denen Schlüssel - Sonderspiele und Ge-winne gutgeschrieben und zwischen ver-schiedenen Geräten transferiert werden.Deringer beschlichbald der Verdacht,dasses eine geheimeVernetzung zwischen denGeräten und dem Jackpot-System derSpielhöllengeben müsse.

Die Vermutung, dass es beim Zockenmitnichten nur um Glück oder Pech ging,stützt jedenfalls ein internes Gauselmann-Papier mit dem Titel "Die Welt der ver-netzten Daten, Partner Konzept". Dortheißt es, beim Jackpot habe "der Gast, derin der Vergangenheit durch den Besuchder Spielstätte mehrere Lose auf seinemKonto verbuchen konnte", auch die höhe-re Gewinnmöglichkeit.

Für Eiba ist klar: "Es ging darum, Dau-erzockern einen Jackpot zuzuschanzen,um sie bei der Stange zu halten und an-dere Spieler anzufüttern." Ein Vorwurf,den Gauselmann zurückweist: "Es war zukeinem Zeitpunkt möglich,einzelnen Spie-lern den Sondergewinn zuzuweisen."

Eine interne Anleitung für Merkur-Mit-arbeiter zeigt, dass Stammkunden, dieetwa den Goldenen ScWüsselhaben, be-sonders betreut wurden. Selbstder "Spitz-name", das "bevorzugte Getränk" oderdie "Zigarettenmarke" der Daddler konn-ten registriert werden.

Im August2004legteEibasAnwaltThors-ten Junker das Gutachten der AugsburgerStaatsanwaltschaftvor und erstattete An-zeigewegen des Verdachtsdes unerlaubtenGlücksspiels mit frisierten Maschinen.

scher Unzulänglichkeiten" ge-kommen, ein Zusammenwirkenvon Hersteller und Aufstellerbestehe nicht- "trotz teilweiserIdentität der verantwortlichenPersonen der beteiligten Fir-men".

Die PTB-Expertenim Labor,die als Gutachter für die Augs-burger Kripotätigwaren, hattendies noch ganz anders gesehen:Die Platinenseienderartperfektinstalliertworden,dassdies"nurmit dem beim Hersteller vor-handenen Fachwissen vorge-nommen worden sein" könne.

Warum die PTB-Verantwort-lichen das Votumihrer eigenen

Fachleuten beiseiteschoben, steht dahin.Sicher ist: Der für das entlarvende Gut-achten zuständigeund erfahrene LeiterdesFachbereichswurde versetzt. Gauselmannkann sich freuen, schließlichhatte er überdas Gutachten geschimpft:"Da hat sichei-ner 30 Jahre Frust über die Automaten-branche von der Seele geschrieben."

Die StaatsanwaltschaftAugsburg stelltedas Verfahren gegen einen Gauselmann-Manager nach Zahlung einer Geldbußevon insgesamt 6500 Euro ein - auch weildiese "gütliche Einigung mit der PTB ge-funden" worden sei. Darin verpflichtetensich Gauselmanns adp und die anderenUnternehmen, rund 17000dubiose Gerätebinnen Jahresfrist umzurüsten.

Die Frist ist mit dem Jahreswechsel ab-gelaufen, doch die verlangte Um- und Ab-rüstung ist noch immer nicht abgeschlos-sen. Dies betreffe jedoch nur Geräte, dienicht in konzerneigenen Daddelhallen ste-hen, sagt Gauselmann-Sprecher Hess.

Für diesen Rest erhielt die Unterneh-mensgruppe Gauselmann großzügigerwei-se sechs Monate Aufschub. Und den hatder neue PTB-FachbereichsleiterDieter R.gewährt. Dass R. den Multimillionärmag,ist in der Branchebekannt. Schonauf Gau-selmanns 70. Geburtstag fiel er mit einersehr freundlichen Rede auf. Er überreich-te sogar ein Geschenk:eine historischeUr-kunde. Ganz offiziellund "in Abstimmungmit der Leitung der PTB", heißt es nun inder Behörde.

Die Umsetzung der Vereinbarung kon-trolliert nun nicht die PTB, für die Über-wachung aufgestellter Automaten sindnämlich die Ordnungsämter in den Kom-munen zuständig. Deren Beamten aller-dings könnte es womöglich so gehen wieden AugsburgerPolizisten.Die bemerkten,dass etwaige Beweismittelwährend ihrerRazzia verschwanden: "Es wurde nachge-wiesen", heißt es in einem Polizeibericht,"dass während der Durchsuchung von ei-nem externen RechnerDaten des Rechnersder Spielothek gelöschtwurden." Gausel-manns Manager allerdingsbestreiten, wasdie Beamten gesehen haben.

MICHAEL FRÖHLINGSDORF, GUNTHER LATSCH

Fahnder durchsuchten die vomGutachterbenannten Spielothe-ken und beschlagnahmtenSpiel-geräte und Computer. "Schonvor Ort wurde dabei festgestellt,dass sich die vom Anzeigeer-statter beanstandeten Sachver-halte weitgehend bestätigenließen", notierte der zuständigeKriminaloberkommissar. Wasmanch ein Ermittler zu Anfangfür ein Geplänkel unter Kon-kurrenten gehaltenhatte, wurde ~nun zu einem bundesweiten:Wirtschaftskrimi. ~

Auch Beamte des Bayeri- ischen Landeskriminalamts SPD-VizeBeck,UnternehmerGauselmanm*:Geldfür Parteien(LKA)stellten bei Merkur-Au-tomaten "abweichendes Spielverhalten"fest. Darüber hinaus fanden die LKA-Fahnder auf einembeschlagnahmtenCom-puter des SpielhallenpersonalsVerdächti-ges: nicht zugelassene Steuerungspro-gramme für die Daddelkisten. Auf demRechner entdeckten sie auch "die Proto-kollierungvon 41verschiedenen IP-Adres-sen, die über das Internet auf die Geld-automaten zugegriffenhaben".

Damit lag der Verdacht nahe, dass dieGeräte sogar von außerhalb der Spiel-hallen -:-womöglichaus der Gauselmann-Firmenzentrale - gesteuert werden konn-ten, was das Unternehmen bestreitet.Nicht zuletzt deshalb baten die bayeri-schen Ermittier die PTB in Berlin um eineigenes Gutachten. Schließlich ist dieBehörde für die Zulassungder Automatenzuständig.

Die PTB-Experten bestätigten die Er-kenntnisse der Bayern: Die Gauselmann-Maschinen seien untereinander und mitComputern vernetzt, selbst "die Fernein-stellung gewisser Funktionen" via Inter-net sei möglich gewesen.

Dergleichenist etwa für Wartungsarbei-ten zwar erlaubt - aber ein auf den be-schlagnahmten Rechnern installiertesSteuerungsprogramm war, wie die Prüfermonierten, "der PTB nicht in der derzeiti-gen Version vorgestellt worden". Gausel-mann-SprecherRobert Hessbestreitet jedeUnregelmäßigkeit. "Eine Fernwirkungaufden geschützten Spiel- und Gewinnplan"sei zu keinem Zeitpunkt möglichgewesen.

Zumindest jedoch war das Treiben inder Spielhalleunter Kontrolle. In einer in-ternen Anleitung zur Bedienung der Soft-ware "Filialmonitor"in GauselmannsSpie-lotheken ist zu lesen: Mit dem Programmkönne "eine optimaleÜberwachungsowiezum Teil auch aktive Steuerung und Ein-flussnahme auf das Geschehen in derSpielstätte gewährleistet werden".

Nicht gerade vertrauenerweckend wa-ren auch die Geheimnisse,die Spezialistender PTB in den Automaten "Goldpokal","Rondo" und "Mistral" fanden: zusätzlichinstallierte "Platinen mit elektronischenBauteilen". Dadurch war es möglich, sodie PTB-Experten,dass Kunden, die wert-volle Sonderspiele gewannen und spei-cherten, diese später womöglich"in einemniedriger auszahlenden Spielsystem zuEnde spielen" mussten - ein klarer Ver-stoß gegen den Spielerschutz.

Doch trotz solcher Untersuchungs-ergebnissenahm der Falleine überraschen-de Wende. Statt die Zulassungfür Gausel-manns Geldmaschinen umgehend zu kas-sieren, schlossdie PTB noch während deslaufendenErmittlungsverfahrenseinen Ver-

- tragmit der "adp GauselmannGmbH" und~ drei weiteren Firmen aus dem Umfeld desg Spielhöllen-Imperiums.~ Darinheißtes, zu den Merkwürdigkei-~ ten sei es wohl "auf Grundorganisatori-<'"

~ .Mit dem von der SPD gestifteten Innovationspreis in~ Berlin 2004.

DER SPIEGEL 7/2007 49