Gemeinnützigkeit und Beihilferegularien im EU-
Recht
Referat zur Mitgliederversammlung der LAG Arbeit
Rheinland-Pfalz e.V. in Mainz am 21. November 2007
von Joachim RockGrundsatz- und Europareferent
des PARITÄTISCHEN Gesamtverbandes e.V.
Was ist neu für gemeinnützige Träger ?
Eine sehr kurze Einführung in das
Europarecht
Das europäische Beihilfenrecht:
Grundsätze
Ausnahmen
Praxisrelevanz: Steuervorteile und Bürgschaften
Die Europäische Dienstleistungsrichtlinie
Zusammenfassung und Ausblick
Was ist neu für gemeinnützige Träger?
Deutschland hat ein wettbewerbliches
System
Die Regulierung durch die EU wächst.
Eine weitere Liberalisierung ist politisch
gewollt.
Eine sehr kurze Einführung in das EG-Recht:
Die EG ist eine supranationale Organisation.Im Bereich der ihr übertragenen Kompetenzen kann sie selbständig Recht setzen.Dieses Recht genießt Anwendungsvorrang vor jeglichem nationalen Recht.Das EG-Recht zielt auf die Herstellung des freien Wettbewerbs.
Der Anwendungsbereich des EG-Rechts:
Das Beihilfenrecht gilt für alle UnternehmenUnternehmen ist „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“ (funktionaler Unternehmensbegriff).Gemeinnützige Träger haben keine Sonderstellung.
Was ist eine Beihilfe ?Es gibt keine europarechtliche Definition.Alle staatlichen Begünstigungen könnenBeihilfen sein. Beispiele sind:
ZuschüsseVerträgeSteuerbefreiungenBeschäftigung von „Zivis“ u.a.m.
Was will das Beihilfenrecht?Art. 87 EGV untersagt Beihilfen, wenn sie
Unternehmen / Bereiche begünstigen,den Wettbewerb verfälschen können undden Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.
Es besteht kein Beihilfenverbot,aber ein Überprüfungsrecht.
Das Verfahren der BeihilfenaufsichtBei laufenden Beihilfen prüft die Kommission die Vereinbarkeit, bei neuen oder geänderten Beihilfen sind die Mitgliedstaaten meldepflichtig (Notifizierung).Das Verfahren endet mit einer Feststellung der Kommission (keine Beihilfe / zulässige Beihilfe / verbotene Beihilfe).Im Fall einer unzulässigen Beihilfe, die auch nicht durch den Rat zugelassen wird, ist eine Rückforderung zwingend.
Legalausnahmen (Art. 87 II EGV)Grundsätzlich mit dem Europarecht vereinbarsind Beihilfen
sozialer Art an Verbraucher;zum Ausgleich von Katastrophenschäden;zum Ausgleich teilungsbedingter Lasten.
Diese Ausnahmenhaben nur noch geringe Praxisrelevanz.
Ermessensausnahmen (Art. 87 III EGV)Ausgenommen werden können Beihilfen
zur Förderungder wirtschaftlichen Entwicklungvon Vorhaben im europ. Interessevon Wirtschaftszweigen oder –gebietender Kultur undsonstige Beihilfen auf Beschluss des Rates.
Ausnahmen per Verordnung:Für typische Beihilfearten bestehen vierGruppenfreistellungsverordnungen, in denenAusnahmen von der
Notifizierungspflichtformuliert sind. Dies betrifft:
De-minimis-Beihilfen;KMU-Beihilfen;Ausbildungsbeihilfen;Beschäftigungsbeihilfen.
Die Altmark-Trans-Entscheidung des EuGH (2003)
Nach Rechtsprechung des EuGH liegt keine Beihilfe vor, wenn:
ein Unternehmen mit der Erfüllung klar definierter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut ist unddie Parameter, nach denen der Ausgleich bemessen wird, zuvor objektiv und transparent aufgestellt wurden undder Ausgleich nicht über das hinausgeht, was durch die Verpflichtungen an Mehrkosten entsteht. Erfolgt die Betrauung nicht nach dem Vergabeverfahren, so ist hypothetisch anhand der entsprechenden Kosten eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens zu prüfen, ob der Ausgleich angemessen ist.
Das Monti-Paket der Kommission (2005):Das sog. Monti-Paket besteht aus:
einer Änderung der Transparenz-Richtlinie,einem Gemeinschaftsrahmen für Beihilfen undeiner Gruppenfreistellungsverordnung, nach der bestimmte Beihilfen von einer Notifizierungspflicht befreit werden können.
Praxisbeispiel Gemeinnützigkeit:Steuervorteile können Beihilfen sein.Derzeit läuft ein Beschwerdeverfahren mit Präzedenzcharakter (Familienerholungsstätte AWO/SANO).Steuervorteile für gemeinnützige Organisationen stehen (noch) nicht grundsätzlich zur Disposition.
Beispiele für besondere Leistungen:a) Familien mit geringem Einkommen
keine Zuschläge für Familien während der bundesweiten Schulferien soziale Preisstaffelung (etwa Ermäßigungen im Bereich Unterkunft und Verpflegung für Gäste, die nachweislich
unter den gesetzlich festgeschrieben Einkommensgrenzen nach § 53 AO liegen sowie für Senioren über 75 Jahren)
spezielle familienfreundliche Verpflegungsangebote (z.B. Getränke in Großpackungen) investive Kosten mit Auswirkungen einer niedrigen Preisgestaltung für Selbstversorger (z.B. Wasch- und
Gemeinschaftsküchen)
b) Familien mit behinderten bzw. pflegebedürftigen Angehörigen investive Kosten zur Herstellung von Barrierefreiheit erhöhte Personalkosten aufgrund von speziellen Integrationsleistungen
c) Integration von Familien mit sozial ausgegrenzten Angehörigen z.B. Kosten für dementsprechend ausgebildetes Personal (etwa der Fachrichtungen Heilpädagogik, Sozialarbeit)
d) kostenlose Zusatzangebote für Familien in belastenden Familiensituationen unentgeltliche Bereitstellung von erhöhtem Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit Beratungs- und
Betreuungsleistungen im Vorfeld der Buchung (z.B. Aufwendungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Individualzuschüssen)
Bereitstellung leicht und bundesweit zugänglicher Informationsunterlagen mit ausführlichen Angaben zu den für die einzelnen Zielgruppen relevanten Dienstleistungen bzw. thematischen Angeboten
in diesem Zusammenhang auch Berücksichtigung von Einnahmeverlusten, die sich ergeben aus: § 53 Nr. 1 u. 2 AO: Verpflichtung zur 2/3 Belegung mit Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind oder wirtschaftlich hilfsbedürftig sind.
Was ist zu tun?Die Wettbewerbssituation ist zu berücksichtigen. Die Anmeldepflicht liegt auf öffentlicher Seite.Die Buchführung muss transparent sein und eine Zuordnung von Leistungen ermöglichen.Rechtsunsicherheiten sind möglichst zu minimieren.Besondere Leistungen sind zu profilieren.Die Problematik „im Hinterkopf“ behalten.
Praxisbeispiel Bürgschaften:Bürgschaften galten bis in die 90er nicht als Beihilfen.Bis 2006 waren Bürgschaften bis zu 20 Millionen Euro unproblematisch.Neue Rechtslage seit 2007: nur Bürgschaften bis 1,5 Millionen Euro fallen unter die De-Minimis-Regelung.Im Einzelfall bestehen höhere Grenzen (für Investitionen schon jetzt, für Betriebsmittel bald, für Kommunalbürgschaften jedoch noch nicht).Die Rechtslage ist „im Fluß“.
Was ist zu tun?Mit der Umsetzung ist immer häufiger zu rechnen.Bei Überschreiten der Grenze sind Bürgschaften „marktüblich“ einzuholen.Im Ernstfall: mit dem öffentlichen Partner verhandeln.Professionellen Rat suchen.
Dienstleistungsfreiheit – Abgrenzung:Die Niederlassungsfreiheit gilt u.a. für dauerhafte, selbständige Tätigkeiten.Das Entsendegesetz gilt für unselbständige, vorübergehende Arbeiten: es gilt das Günstigkeitsprinzip.Die DienstleistungsRL gilt für vorübergehende, selbständige Tätigkeiten.
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie…ist in Kraft seit dem 27.12.2006
…muss bis zum 28.12.2009 umgesetzt werden
Prinzipiell nicht berührt werden u.a.:- das nationale Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht;- nicht-wirtschaftliche Dienste;- Gesundheitsdienstleistungen, soweit
reglementiert;- soziale Dienstleistungen, wie gemeinnützige oder
staatliche Integrationsmaßnahmen.
Konsequenzen für die PraxisDie Richtlinie bindet bislang nur Mitgliedstaaten.In der Umsetzung erfolgt eine systematische Prüfung des Rechts und der Verfahren.Gemeinnützige Dienste können sich auch nach der Umsetzung nicht darauf berufen.Der Wettbewerb wird zunehmen.Die Debatte um Mindestlöhne hat durch die DienstleistungsRL an Dynamik gewonnen.
Zusammenfassung und Ausblick:Die Stellung gemeinnütziger Träger ist (noch) nicht gefährdet.Der Wettbewerb in Europa wird zunehmen.Alleinstellungsmerkmale sind hervorzuheben.Mit der Öffnung nach Außen können sich neue Marktchancen ergeben.
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