Geriatrie in der Neurologie
-
Chancen bei Demenz
Dr. Angela Rosenbohm
Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm
Klinik für Neurogeriatrie und neurologische Rehabilitation
2. Ulmer Pflegemanagementkongress07. Juli 2017
Demenz im Krankenhaus ist häufig – Tendenz steigend,
zumeist als Nebendiagnose
Prävalenzrate 3,4% – 43%*
RKU 2014: 7% (davon Hauptdiagnose 1%, Nebendiagnose 6%)
*Pinkert & Holle, ZGG, 2012
Hessler et al., Epidem. and Psych. Sci. 2017
2014
Bei knapp zwei Dritteln der Patienten
mit Demenz ist die Diagnose zum
Zeitpunkt der stationären Aufnahme
nicht bekannt. GHost-Studie
Gute Gründe
„Nebendiagnose Demenz“ abzuklären und
die Diagnose Demenz in den Mittelpunkt zu stellen:
1. Kognitive Beeinträchtigung kann verschiedene Ursachen haben.
2. Demenz erhöht das Delirrisiko.
3. Demenz beeinflusst Vorgehen bei Komorbiditäten.
4. Verhalten bei Demenz kann herausfordern und bedeutet oft mehr
Aufwand.
5. Spezifische therapeutische Konsequenzen können ergriffen
werden.
Claudia H. Kawas et al. Neurology 2015© 2015 American Academy of Neurology
Bei hochaltrigen (90+) zeigen sich bei klinischer Demenz
häufig Mischpathologien
Median: 97,3 Jahre
n=98
Pathologische Diagnosen
Zusatzdiagnostik – Ausschlussdiagnostik:
Neuropsychologische Untersuchung
Laborausschlussdiagnostik
Morphologische Bildgebung
(Fremd-) Anamnese
Kognitiver Kurztest
Neurostatus
Psychopathologie
Depression
Delir
Etc.
Diagnose: V.a. Demenz-Syndrom
mit Schweregradeinschätzung
Erweiterte Diagnostik - ätiologische Zuordnung:
Liquor
Funktionelle Bildgebung (FDG-PET, Amyloid-PET)
Genetische Diagnostik
Leitliniengerechte Demenzdiagnostik sinnvoll
Kognitive
Beeinträchtigung
S3-Leitlinie
Demenz 2016
Potentiell
reversibel
Gute Gründe
„Nebendiagnose Demenz“ abzuklären und
die Diagnose Demenz in den Mittelpunkt zu stellen:
1. Kognitive Beeinträchtigung kann verschiedene Ursachen haben.
2. Demenz erhöht das Delirrisiko.
3. Demenz beeinflusst Vorgehen bei Komorbiditäten.
4. Verhalten bei Demenz kann herausfordern und bedeutet oft mehr
Aufwand.
5. Spezifische therapeutische Konsequenzen können ergriffen
werden.
Delir Ursache
von kognitiver Beeinträchtigung
Einflussfaktoren, die Entstehung eines Delirs begünstigen
DelirMedikamente
Alkohol
Vergiftungen
Kardiale Erkrankungen
Entzug
InfektionenAnämie
Trauma
EndokrinologischeProbleme
Schlafentzug
OperationenOrtswechsel
Neurologische Erkrankungen (M.
Parkinson)
Demenz
AlterSensorische
Beeinträchtigung
Niereninsuffizienz
Mobilitäts-einschränkung
Review: Inouye et al., Lancet, 2014
Demenzpatienten mit Delir
weisen schnellere Progression auf.
Fong TG et al., Arch Intern Med. 2012
Information-
Memory-
Concentration
(IMC) section of the
Blessed Dementia
Rating Scale
Gerade bei Patienten mit vorbestehender kognitiver Beeinträchtigung wird ein Delir bei stationärer Aufnahme nicht erkannt
• Ätiologie Delir (in 80% behandelbare Ursache)► Infektiös
► Akut-metabolisch
► Hypoxisch
► Nutritiv
► Endokrin
► Entzugsbedingt
► Pharmakogen
► „Umweltbedingt“ Langfristige, komplette sensorische Deprivation
► Traumatisch/ postoperativ
► Immunogen
► Raumfordernd
• oft Vorbote / Ausdruck eines medizinischen Notfalls
• Mortalität liegt bei 10-26%
• Gerade bei geriatrischen Patienten oft einziges offensichtliches
Symptom (Herzinfarkt, Pneumonie, etc.)
Verwirrtheit bei Demenz kann viele Ursachen haben
Patienten mit Alzheimer Demenz haben ein erhöhtes Risiko für
epileptische Anfälle
In familiärer AD (PSEN, APP Duplikationen) bis zu 32%.
Zusammenhang mit Amyloid vermutet.
Bei sporadischer AD ca. 6-10%.
Zunehmend bei Progredienz der Demenz.
In der Regel gut mit Antiepileptischer Medikation (AED)
kontrollierbar.Zarea et al, Neurology 2016
Um et al, Nature Neurosc 2012
Friedman et al., CNS Neuroscience Ther 2012
• Analgetika
• Antibiotika (Gyrasehemmer)!
• Antiarrhythmika
• Antiepileptika
• Betablocker
• Calcium-Antagonisten
• Herzwirksame Glykoside
• Diuretika
• H2-Blocker
• Kortikosteroide
• Theophyllin
Hohes Risiko
Risiko hängt vom anticholinergen Potential
ab.
Medikamente die das Entstehen deliranterSymptome begünstigen können
• Anticholinergika !!!
• Antidepressiva
• Antihistaminika
• Benzodiazepine
• Lithium
• Neuroleptika
• Parkinson-Medikamente
Häufig
paradoxe
Reaktionen
Ein Fall aus der Geriatrie zum Abschluss
♀, R.H., 83 Jahre, bisher selbstversorgend, leichte Gedächtnisstörungen
Vor 6 Monaten: Akut verwirrt>> frische Ischämie
Aktueller Grund der Aufnahme: fluktuierende Bewusstseinslage>> komplex-fokaler Anfall
Bei Übernahme: Pat. reagiert nicht adäquat>> Batterie im Hörgerät wurde gewechselt
Im Verlauf: Pat. zunehmend müde, verlangsamt>> VPA-Spiegel erhöht
Nachts: Verwirrtheitsepisode mit fehlender Responsivität>> Fraktur re. OSG > OP > 6 Wochen Vollentlastung
Bei Rück-Übernahme: zunehmend somnolent, nicht adäquat>> Pneumonie
Gute Gründe
„Nebendiagnose Demenz“ abzuklären und
die Diagnose Demenz in den Mittelpunkt zu stellen:
1. Kognitive Beeinträchtigung kann verschiedene Ursachen haben.
2. Demenz erhöht das Delirrisiko.
3. Demenz beeinflusst Vorgehen bei Komorbiditäten.
4. Verhalten bei Demenz kann herausfordern und bedeutet oft mehr
Aufwand.
5. Spezifische therapeutische Konsequenzen können ergriffen
werden.
Demenz beeinflusst diagnostisches und
therapeutisches Vorgehen
1. Diagnostik oft durch Verhalten der Patienten erschwert
– Ablehnung von Untersuchungen
– Mitwirkung eingeschränkt
– Schmerzdiagnostik deutlich erschwert
2. Therapien bei Demenz beeinträchtigt
– Kooperation schwierig (Ziehen von „Schläuchen“)
– Zentrale Nebenwirkungen häufiger
– Adhärenz oft Problem
Gute Gründe
„Nebendiagnose Demenz“ abzuklären und
die Diagnose Demenz in den Mittelpunkt zu stellen:
1. Kognitive Beeinträchtigung kann verschiedene Ursachen haben.
2. Demenz erhöht das Delirrisiko.
3. Demenz beeinflusst Vorgehen bei Komorbiditäten.
4. Verhalten bei Demenz kann herausfordern und
bedeutet oft mehr Aufwand.
5. Spezifische therapeutische Konsequenzen können ergriffen
werden.
Geriatrische Behandlungseinheiten an Akutkrankenhäusern – Neu auf der Landkarte
Agaplesion Bethesda
Neurogeriatrie RKU
Alb-Donau-Klinik Ehingen
www.sozialministerium.baden-wuerttemberg.de
Geriatriekonzept Ba-Wü
Schaffung eines neuen Bereiches und Entwicklung eines spezifischen Konzepts
Neurogeriatrische Station mit Fokus auf Menschen mit Demenz
► Neurologie-spezifische diagnostische und therapeutische Kompetenzen und Qualitätsstandards
► Schnittstelle zwischen Akutneurologie, Geriatrie und Rehabilitation
16 Betten
Entwicklung eines spezifischen Betreuungs- und Behandlungskonzepts
Entwickelt im interprofessionellen Team in enger Kooperation von Pflege, Ärzten und Therapeuten.
u.a. wurde der Ansatz der Selbsterhaltungstherapie (SET) zugrunde gelegt.
Die Implementierung des Konzepts SET wurde von der Autorin des Konzeptes, Frau Dr. Romero, begleitet.
Folgende vier Schwerpunkte wurden erarbeitet:
►Risikominimierung,
►Wohlbefinden,
►Kontakte mit Angehörigen,
►Nachhaltigkeit.
Romero B. (2014) Psychosoziale Interventionen bei Demenz. Neuroreha, 6, 175 – 180
Romero B., Zerfaß R. (2013) Demenz. Erkrankungen. In: Herpertz S, Schnell K, Falkai P (Hrsg.) Psychotherapie in der Psychiatrie
Romero B. (2004) SET: Konzept, klinische Praxis und bish. Ergebnisse. ZfGP 17,119-134
Entwicklung eines spezifischen Betreuungs- und Behandlungskonzepts
Entwickelt im interprofessionellen Team in enger Kooperation von Pflege, Ärzten und Therapeuten.
u.a. wurde der Ansatz der Selbsterhaltungstherapie (SET) zugrunde gelegt.
Die Implementierung des Konzepts SET wurde von der Autorin des Konzeptes, Frau Dr. Romero, begleitet.
Folgende vier Schwerpunkte wurden erarbeitet:
►Risikominimierung,
►Wohlbefinden,
►Kontakte mit Angehörigen,
►Nachhaltigkeit.
Romero B. (2014) Psychosoziale Interventionen bei Demenz. Neuroreha, 6, 175 – 180
Romero B., Zerfaß R. (2013) Demenz. Erkrankungen. In: Herpertz S, Schnell K, Falkai P (Hrsg.) Psychotherapie in der Psychiatrie
Romero B. (2004) SET: Konzept, klinische Praxis und bish. Ergebnisse. ZfGP 17,119-134
► Sicherungssystem Armbändchen –
(z.B. Hinlauftendenz).
► Sensormatten.
► sicheres Zurechtfinden auf Station.
► Medikamentensicherheit
Risikominimierung
durch technische Hilfsmittel und
Prozeßoptimierung
► Tagesstrukturierung
► Milieugestaltung & Biografiearbeit
► Kunsttherapie, Kommunikations- und
Bewegungsgruppe.
► Identifikation von individuellen
Ressourcen –
Stärken des Selbstwertgefühls
Wohlfühlen
durch räumliche Konzepte und
Tagesstrukturierung
stationäre Aufenthalt auch als Chance,
das Leben von an Demenz erkrankten Menschen und deren Angehörigen
im häuslichen Umfeld bestmöglich zu gestalten.
► Sicherungssystem Armbändchen –
(z.B. Hinlauftendenz).
► Sensormatten.
► sicheres Zurechtfinden auf Station:
► Medikamentensicherheit
Risikominimierung
durch technische Hilfsmittel und
Prozeßoptimierung
► Tagesstrukturierung
► Milieugestaltung & Biografiearbeit
► Kunsttherapie, Kommunikations- und
Bewegungsgruppe.
► Stärken des Selbstwertgefühls –
Identifikation von individuellen
Ressourcen
Wohlfühlen
durch räumliche Konzepte und
Tagesstrukturierung
► schriftliche Therapieempfehlungen
► Planung der weiteren Versorgung und
der sozialen Teilhabe
Nachhaltigkeit
► Einladung & frühzeitige
Kontaktaufnahme
► Einbezug in Therapien
► Niederschwellige Beratungs-
angebote
Kontakte mit Angehörigen und
„Kümmerern“
Erste Daten
Geschlecht Ø Alter %
NeurogeriatrieM 77,8 56,1%
W 81,4 43,9%
Altersgruppe Fälle %
65-74 15,8%
75-84 59,7%
> 84 22,8%
Ø
Mini Mental Status Test
(MMSE)17,7
Geriatric Depression Score
(GDS)5,22
9%
49%
33%
9%
Schweregrad der Demenz
schwer dement
mittelgradig
leicht
keine Demenz
n=57
Neuropsychiatrische Auffälligkeiten sind häufig
9
8
11
16
7
1
16
5
8
5
10
15
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18
WAHNVORSTELLUNGEN
HALLUZINATIONEN
ERREGUNG/AGGRESSION
DEPRESSION/DYSPHORIE
ANGST
EUPHORIE
APATHIE/GLEICHGÜLTIGKEIT
ENTHEMMUNG
REIZBARKEIT/LABILITÄT
ABWEICHENDES MOT. VERHALTEN
SCHLAFSTÖRUNGEN
APPETIT UND ESSSTÖRUNGEN
Welche Diagnosen und Diagnostik… ?
Diagnosen:► Alzheimer Demenz► Andere neurodegenerative Demenzen (Parkinson, FTLD,…)► Schlaganfall (Ischämie und Blutung)
Inkl. vaskulärer Demenz► Mischdemenz► Symptomatische Epilepsie► Delir bei Demenz► Gangstörungen (Myopathien/Neuropathien)
Diagnostik:► Kernspintomographie / CT (100%)► Neuropsychologische Diagnostik (100%)► Liquordiagnostik bei 1/3 der Patienten► EEG
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
…und an das ganze Team Neurogeriatrie
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