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Haiti - Voodoo

Ingo Kranz Entstehung des Kultes Die Verwurzelung des Voodoo liegen hauptsächlich in Haiti, obwohl heute auch Spuren in Brasilien, Thaiti, Russland, Ungarn und in verschiedenen anderen Ländern zu finden sind. Der Begriff ,,Voodoo" stammt aus der Sprache der Ewe-Fon im afrikanischen Staate Benin und bedeutet Gottheit, Lebensprinzip, Schöpfungskraft oder Geist. Benin wurde auch die Sklavenküste genannt, da man zwischen dem 18. Und 19. Jahrhundert von dort mehr als eine Millionen Sklaven auf englischen, französischen und portugiesischen Schiffen in die Neue Welt brachte. Es war einer der größten Wanderungsströme der Weltgeschichte. Die meisten Sklaven landeten in Brasilien, Haiti und anderen lateinamerikanischen Ländern. Mit ihnen zog ihr Glaube auf die Zuckerrohrfelder und Plantagen ein und legte den Grundstein für Voodoo in Haiti, Santeria in Kuba und Cancomble in Brasilien.

Der Glaube der Sklaven wurde beim täglichen Kampf ums Überleben ein wichtiger Teil der Überlebensstrategie, zu einem Code, den weder die Sklavenhändler, noch die Herrscher der Neuen Welt verstanden. Wiederholt versuchten europäische, nordamerikanische und selbst haitianische Geistliche den Voodoo-Glauben zu verstören, aber stets ohne Erfolg. Die Religion war stärker, denn wo Sklaven unterschiedlichster Glaubensvorstellungen,

Herkunft, Sprache und politischer Systeme fern ihrer Heimat überleben mußten, wurde der Glaube zu einer gemeinsamen Klammer. Erst über die Jahrhunderte hinweg nahm Voodoo Gestalt an. Selbst nach der Unabhängigkeit Haitis 1804, nachdem die Nachfahren der afrikanischen Sklaven die Zucker- und Kaffeeplantagen übernommen hatten, verlor der Glaube nicht an Kraft. Voodoo ist eine animistische Religion, deren Anhänger an eine von Göttern beseelte Natur glauben. Mittels Trance treten sie zu ihren Göttern in Kontakt, dabei nehmen die Götter oder Geister ihrer Ahnen von ihnen Besitz. Sie schlüpfen in die Körper und sprechen durch diese. Die Zeremonien - sie können mehrere Tage dauern- sind einzigartig. Sie folgen zwar Ritualen und beginnen meist mit Begrüßung der Götter, aber keine Zeremonie gleicht exakt der anderen.

Dazu ein Auszug aus einem Gespräch mit einem Voodoo-Priester über die Technik des Heilens:

,,In Voodoo gibt es nie zwei gleiche Fälle. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Zwei Leute brechen sich einem Arm. In der westlichen Welt weiß jeder, wie es zu einem gerochenen Arm kommt, und wer immer sich einen Arm gebrochen hat, es gibt eine Technik, in solch einem Fall zu helfen und zu heilen.Für uns im Voodoo gibt es aber immer einen individuellen Faktor, der uns sehr wichtig ist, weil er Geist und Körper verbindet. Wenn Du Dir hier an dieser Stufe das Bein brichst, so liegt das nicht daran, daß diese Stufe zu hoch oder zu niedrig für dich wäre. Der Grund wäre der, daß Du nicht im Gleichgewicht warst, als Du darüber gingst. Das Brechen eines Beines ist für uns eine Folge eines Ungleichgewichts. Es reicht also nicht aus, die Knochen wieder zusammenzufügen, um dich als geheilt ansehen zu können. Zuerst müßte man dich in dein Gleichgewicht zurückbringen. Das ist die Grundlage jeder Technik des Heilens im Voodoo. Warum erkältest du dich in einem bestimmten Moment? Warum steckst Du Dich in einem bestimmten Moment mit Tuberkulose an? In einem Zustand der Stärke und des Gleichgewichts passiert das nicht. Deine Erkältung ist nicht dasselbe wie meine Erkältung, deine Tuberkulose ist anders als die meine. Auf diese individuelle Technik führen wir unsere hohe Erfolgsquote in der Behandlung zurück. Wir können die Probleme schneller lösen, und wenn die Behandlung abgeschlossen ist, sind wir sicher, daß diese Person tatsächlich geheilt ist und weniger Chancen hat, diese Krankheit noch einmal zu bekommen."

Dazu eine Interpretation eines Wissenschaftlers: Die Voodoo-Zeremonie ist eine Beichte, die nicht gesprochen, sondern gespielt wird; eine Bewegungskur, in der alle Muskeln mitspielen, anstelle der horizontalen Kur der Couch des Psychaters; eine Atmosphäre der Freude und des Feierns anstelle der düsteren Umgebung der Klinik."

Es gibt keine Voodoo-Bibel. Die Riten werden von Generation weitergereicht, angereichert und im Laufe der Jahre verändert. Die Zeremonien bestehen zumeist aus Tänzen, einem Altar mit heiligen Gegenständen oder Kultobjekten sowie Trommeln. Durch den stundenlangen Trommelschlag versetzen sich die Teilnehmer in die Ekstase.

Aussage eines Voodoo-Priesters: ,,Unsere Trommeln sprechen. Wir hatten Besuch aus Afrika, und alle waren überrascht, wie wir die Sprache der Trommeln bewahren konnten. Die wunderten sich, wie es möglich ist, daß unsere afrikanische Sprache nicht mehr beherrscht wird, aber wir diese Sprache mit

den Trommeln bewahrt haben.Unsere Trommeln sprechen Komplette Sätze, verständlich für jeden aus der entsprechenden Religion in Afrika."Hierbei wird das oben schon angedeutete einigende Band der Voodoo-Anhänger deutlich. In ihrer Kultur- und Religionsausübung haben sie ihre Wurzeln über Jahrhunderte lang bewahren können.

Der betörende Effekt der Trommeln wird verstärkt durch bewußtseinsverändernde Mittel, Drogen, sehr oft Schnaps. Barbancourt, ein exzellenter Rum, oder der feurige Clairin, ein billiger Schnaps werden eingenommen, jedoch ist nicht Trunkenheit der Beweggrund. Alkohol ist nur ein Bestandteil des Lebens und der Religion auf Haiti. Wie schon gesagt, sind Trommeln die Grundlage der Zeremonien. Ihre treibenden Rhythmengeben der Zeremonie das Grundgerüst.

Hierzu ein haitianisches Gedicht:

,,drei Trommelndrei Trommlerdie Trommeln werden geschlagendie Trommeln sprechendie Trommeln rufen die Götter ansingen und tanzenschweißnasse Köpper zucken in Trancedie ersten Manifestationennackte Füße im Feuer Stimmen, die in fremden Zungen redenZähne, die in glühend rote Holzscheite beißenIn brennende KohleIn Glasin den hals einer weißen TaubeBlutopferOpfer für die GötterDie die Trommeln erhört habenUnd in dieser Nacht gekommen sind."

Opferhandlungen gehören zum Alltag des Voodoo-Glaubens. Geschockte Europäer rückten mit ihren blutigen Reiseberichtendie Voodoo-Anhänger in den Ruch des Kannibalismus. Es werden Tauben, Hühner, Ziegen und Schweine geschlachtet. Diese werden vorher gut gefüttert, denn, so ein Voodoosi, die Götter wären beleidigt, wenn man ihnen magere Tiere offerierte. Die Tiere erhalten ein reinigendes Bad; Ziegen werden mit Blumen geschmückt, und ihr Bart wird geschnitten. Die toten Tiere werden dann über dem Verver (Zeichnung) ausgelegt und ihre Innereien dem Iwa (Gott) angeboten.

Vielerorts wird Voodo deshalb wohl auch mit ,,schwarzer Magie" in Verbindung gesetzt. Zahlreiche Schauermärchen finden sich in der Sensationspresse wieder. Allerdings existieren auch im Volksglauben Haitis Legenden über böse Zauberer, sogenannte Bokor, welche Kinder töten, weil sie deren Blut für magische Riten benötigen. Krankheit und Not werden in Haiti meist als Wirkung böser Mächte interpretiert. Schwarze Magie, so behaupten die Anhänger, widerspräche zwar dem friedlichen Geist der Religion, sie wird

jedoch in Anspruch genommen, um Feinde zu verhexen. Mit Hilfe von weißer Magie hingegen kann man Glück, Liebe oder Reichtum finden. Sie wird von den Bokos, den guten Zauberern praktiziert. Selbst die Existenz von ,,Zombies" ist keine reine Erfindung der Filmindustrie. Es soll Fälle gegeben haben, bei denen Menschen vorgeblich für tot erklärt wurden und später als ,,lebendige Tote" im Gewahrsam eines Zauberers wieder auftauchten. Dies geschah in geistiger Umnachtung nach der Einnahme von bewusstseinsverändernden Mitteln, die angeblich für eine bestimmte Zeit zu einer Art Gehirnstillstand führten. Einer der verbreitetsten Voodoo-Zauber ist die Voodoo-Puppe. Sie wird aus meistens aus Ton angefertigt, aber man kann sie auch aus Stoff herstellen. Mit ihr soll man Liebe, Gesundheit und Geschehnisse beeinflussen können Die Voodoo-Puppen werden für jeden Zauber auf die gleiche weise hergestellt. Sie werde geformt, mit allem, was der Mensch so hat, werden angezogen, am Besten mit Stoff, die der Person gehört, die man beeinflussen möchte. Zum Schluß wird der puppen der Name der zu beeinflussenden Person eingeritzt oder ihr ein Namensschild umgehängt. Wichtig sei nur, daß man sich auf die Person beim Anfertigen konzentriere.

Eine typische Zeremonie für Legba, den Herrn der Kreuzwege, einem freundlichen Gott, der für Fruchtbarkeit steht und Ziegen und Hähne zu schätzen weiß, tröpfelt der Houngan (Priester) Rum auf den Boden. Er zündet eine Kerze an und zeichnet ein Vever, eine Zeichnung, mittels Asche, Kalk oder Mehl auf den Fußboden. Dann treten die Hounsis, die weiblichen Assistentinnen, in Aktion (siehe Abbildung 1). Unter Trommelschlägen tanzen und beten sie die weißbekleideten Frauen und stellen eine Verbindung unter den Teinehmern her. Die Gebete finden in Kreol, der haitianischen Umgangssprche (ein simplifiziertes Französisch), oder in einer anderen Sprache statt, die nur die Iwas, die Götter verstehen.

Voodoo als einigendes Band- die afrikanischen Wurzeln

Voodoo ist unter anderem die Weiterführung des aus Benin stammenden Schlangenkultes, wobei die Schlangengöttin Damballah verehrt wird.

Sie gibt den Voodooanhängern Kraft und Leben und hilft zu überleben. Als ich mich fragte, warum sich der Voodoo aus dem Damballah-Kult heraus entwickelte, stieß ich auf folgendes Zitat eines Soziologen:

,,Voodoo ist eine Überlebensstrategie. Die Kraft des Voodoo folgt aus einer Trance, in der jeder, und sei er noch so arm und elend, ein mächtiger Gott sein kann."

Durchschnittlich verdient ein Haitianer 190 US-Dollar im Jahr. Die Lebensverhältnisse sind schlecht, nur 20 Prozent aller Menschen dort können schreiben, nur 12 Prozent haben Zugang zu sauberen Wasser; Haiti ist das ärmste Land der Karibik und eines der 25 ärmsten der Welt. Die Situation der Haitianer ist also nach ihren Existenz als Sklaven zwar frei, aber durch die Armut im Land ist das Leben fast ebenso schwierig als früher. Dazu ein Arzt und Intellektueller aus der Hauptstadt Port-au-Prinze:

,,Wir haben in Haiti überlebt, weil wir diese Voodoo-Kultur haben. Ohne die wäre es hier zur totalen Katastrophe gekommen. Ich glaube, jeder Fremde wird sich wundern, wieviel Kraft die Leute hier aufbringen. (...) Ohne Voodoo und ohne die kreolische Sprache gäbe es keine haitianische Identität, wäre Haiti ein Nichts."

Voodoo-Götter in ihrer Bedeutung

Auf dem Lande besteht in jedem Familienbund ein Tempel, der von einem älteren Mitglied der Großfamilie gehütet wird. In diesem Tempel werden Rituale für Geister und Ahnen praktiziert In der Stadt hingegen sammeln sich um einen Tempel und dessen Leiter eine fiktive Familie, eine Gemeinschaft Gläubiger. Neben Damballah werden auch zahlreiche andere afrikanische und auch einheimische Gottheiten, sogenannte Ioas, verehrt. Dies hat zur Folge, daß die Glaubensvorstellungen variieren, auch weil jede Familiengruppe eine in sich geschlossene Einheit bildet. Allgemein kann man aber drei Gruppen des Voodoo unterscheiden:

- Der Radakult geht auf den Arada zurück, ein Ort nahe der Hauptstadt eines einstigen unabhängigen Königreiches. - Der Petrokult beinhaltete viele einheimische Elemente und wurde angeblich Ende des 18. Jahrhunderts von einem Schwarzen namens Pedro gegründet, der es verstand, seine Anhänger mittels Schnaps und Schießpulver (!) in Trance zu versetzen. - Im Norden Haitis existieret auch noch der Lembakult, in welchem Gottheiten aus dem Kongo angerufen werden.

Alle diese Zweige der Voodoo-Religion haben ihre eigenen Götter, dennoch gibt es viele Götter, die in allen drei Kulten verehrt werden. Es gibt sogar neben den schon erwähnten Ioas auch eine Figur des Gottvaters, der über

allen anderen Göttern steht. Hierbei handelt es sich um den den Schöpfergott Dieu Bon. Einer der wichtigsten Ioas ist Legba, der Herr der Kreuzwege. Er öffnet die Barriere, die die Menschen von den Geistern trennt. Weitere Götter sind Aida-wedo (Damballahs Frau), Agassou, der Gott des Meeres, Ezulie, die Göttin der Liebe und der Schönheit, Ogoun, der Gott des Eisens und der Kriege, der unglaubliche Kräfte hat sowie Chango, der Donnergott.Papa Guede ist der Got des Todes ist der wohl am meisten gefürchtet. Zu seiner Familie gehören die ,,Barone" der Friedhöfe, wie Baron Samedi, der die Unterwelt regiert, Smoking und Zylinder trägt. Jeder Gott verfügt über eine Lieblingsfarbe, einen bevorzugten Wochentag und bevorzugte Speisen.

Voodo und Christentum

Eine Zeremonie dient auch dazu, Gläubige zu ,,initiieren", sie in die Geheimnisse von Voodoo einzuweihen, damit sie zu Hounsis oder selbst zu Priestern werden. Es kann auch zu einer ,,Hochzeit" mit einer Gottheit kommen, manchmal am gleichen Tag, wenn eine traditionelle Hochzeit stattfindet. Dann verschmelzen einmal mehr afrohaitianische Riten mit dem Katholizismu( siehe dazu auch Handout). Dieser Synkretismus, diese Verschmelzung der Voodoo-Götter mit katholischen Heiligen (hinter jeder christlicher Heilungsfigur versteckt sich eine Voodoo-Gottheit), ist mit ein Grund, warum es die katholische Kirche es bis heute nicht geschafft hat, Voodoo auszumerzen. Obwohl die Staatsreligion ,,römisch-katholisch" ist, wird diese von lediglich 15 % der Bevölkerung praktiziert, die breite Masse glaubt an Voodoo. Es ist offensichtlich das einigende Band, daß den Bewohnern von Haiti über all die Jahre hinweg die Kraft gab, sich gegen Fremde Mächte zu behaupten und ihre eigenen Identität zu bewahren.

Musikbeispiele:

1. ,,Legba Nan Baye-A"

by Rara La Bel Fraicheur de Langlade (1:33)

Legba nan baye-a (3mal),se ou ki pote drapo se ou k ap pare soley pou lwa-yo

Legba steht am Tor Du bist es, der die Flagge trägt Du bist es, der die Geister von der Sonne abschirmt.

Legba befindet sich am Tor. Er ist verwand mit einer afrikanischen Figur namens Eshu-Elegbara, ein Geist, der die Wünsche der Menschen in die Sprache der Götter übersetzt und dann an die entsprechenden Götter weiterleiten soll. In Haiti, Legba ist der Gott, der am Beginn einer Zeremonie stets gehuldigt wird, da er den Eingang zu all den restlichen Göttern darstellt, das Tor zur spirituellen Welt. In dieser a capella-Version kann man gut das Frage - Antwort-Prinzip erkennen, welces charakteristisch für Voodoo-Songs ist.

2. ,,Danmala edo Vodou n a we yo" and ,,Badji-M Anwo, Badji-M Anba"

by Lakou Badjo (3:57)

a) Danbala Wedo ou Vodou n a we yo O Ayida Wedo eya Voudou n a we yo.

Danbala Wedo, großer Geist, wir werden sie sehen, oh (zwei Mal)

b) Kebyesou badji-m anwo badji-m anba. Kebyesou!

Kebyesou! Mein Temel ist über mir, mein Tempel ist unter mir. Kebyesou!

Das erste Stück ist für Danballah und seine Frau Ayida. Das andere Stück bezieht sich auf die Schwesterntempel von Dadjo, Soukri und Souvenance. Wenn einer der Tempel zerstört wird, gibt es immer noch die anderen.

beider Stücke erschienen auf: ,,Angels in the mirror. Vodou Music of Haiti!" Musical Expeditions,, Ellipsis Arts (1997)

Literaturverzeichnis:

- Neubauer, Rita; ,,Glaube und Furcht - die wahren Mächte des Voodoo" Karibik! Musik-und Tanzfestival `97; Basel (1997)- Michels, Peter M.," Haiti - Voodoo", Network ,(Jahr nicht bekannt) - Pollak-Eltz, Angelina: ,,Trommel und Trance", Die afroamerikanischen Religionen, Verlag Herder, (1992)