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Gabriele Kroboth

Harninkontinenz - ein TabuMöglichkeiten eines offenen Umgangs

Harninkontinenz - ein TabuIm Mittelpunkt dieser Arbeit steht der Umgang von Pflegepersonen mitdem Thema Inkontinenz. Die Formen der Inkontinenz werden kurzdargestellt, ebernso kurz und prägnant die diagnostischen undtherapeutischen Maßnahmen. Die Entwicklung von Guidelines zumThema werden anhand des deutschen Expertenstandards „Förderung derHarnkontinenz“ erläutert. Dem Assessment der Harninkontinenz wirdein großes Kapitel gewidmet da dies ein wesentlicher Aspekt derprofessionellen pflegerischen Arbeit ist. Danach werden jenepflegerischen Phänomene beleuchtet, die sowohl den Betroffenen, alsauch den zu Pflegenden das größte Unbehagen verursachen, wenn esum Inkontinenz geht. Die Auswirkungen der Harninkontinenz auf dasLeben der Betroffenen und ihrer Angehörigen werden besprochen, dieHerausforderungen in der täglichen Lebensbewältigung finden ebensoErwähnung wie Emotionen, Scham und Ekel. Die Kommunikationzwischen Pflegepersonen und Betroffenen wird aufgezeigt, untersuchtwird die Ausbildung von Diplomierten Gesundheits- undKrankenpflegepersonen und mögliche Zukunftsperspektiven zurSpezialisierung werden vorgestellt.

Gabriele KrobothGabriele Kroboth MSc, DGKS, ET, Präsidentin desECET, österr. Delegierte zum WCET, Umsetzung vonProjekten wie der Einführung des Expertenstandards"Kontinenzförderung in der Pflege",ReferentInnationaler und internationaler Kongresse.

978-3-639-49604-8

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Tabuthema Harninkontinenz

Masterthesis

Erstellt im Rahmen des Universitätslehrgangs für das

gehobene Pflegemanagement

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Science (Pflegemanagement)

vorgelegt von

Gabriele Kroboth

an der Karl-Franzens-Universität Graz

Begutachterin: Ass.-Prof.in Mag.

a Dr.

in Helga Kittl-Satran

Graz 2011

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Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ................................................................................................................... 5

2 Vorgehensweise ........................................................................................................ 7

2.1 Ziele / Frage ....................................................................................................... 7

2.2 Methodik der Arbeit ............................................................................................. 7

2.3 Begriffsdefinition ................................................................................................. 7

2.4 Aktuelle Forschungslage..................................................................................... 8

3 Formen der Harninkontinenz...................................................................................... 9

3.1 Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz) ........................................................10

3.2 Dranginkontinenz ...............................................................................................11

3.3 Die Reflexinkontinenz (neurogene Inkontinenz) .................................................12

3.4 Inkontinenz mit chronischer Harnretention (Überlaufinkontinenz) ......................12

3.5 Misch-Harninkontinenz ......................................................................................13

3.6 Extraurethrale Inkontinenz .................................................................................13

3.7 Die Funktionelle Harninkontinenz ......................................................................14

4 Guidelines und Standards zur Inkontinenz ................................................................15

4.1 Nationale Expertenstandards in Deutschland ....................................................15

4.1.1 Die Entwicklungsschritte der Expertenstandards ........................................16

4.1.2 Aufbau der Expertenstandards ...................................................................18

4.1.3 Expertenstandards sind vorweggenommene ExpertInnenngutachten .........18

4.1.4 Wer ist für die Umsetzung der Standards verantwortlich? ...........................19

4.2 Der Expertenstandard „Förderung der Harnkontinenz“ ......................................19

5 Assessment der Harninkontinenz .............................................................................19

5.1 Assessment .......................................................................................................20

5.1.1 Nicht standardisierte Assessment ...............................................................20

5.1.2 Standardisierte Assessment .......................................................................20

5.1.3 Fremd- und Selbsteinschätzung .................................................................21

5.1.4 Einzel-Item-Messung, Skalen Testbatterien ................................................22

5.1.5 Screening und Diagnoseverfahren ..............................................................22

5.2 Einschätzung einer Inkontinenz .........................................................................23

5.2.1 Identifizierung von Inkontinenz ...................................................................24

5.2.2 Die vertiefende Einschätzung .....................................................................24

5.2.3 Das Miktionsprotokoll ..................................................................................25

5.2.4 24 Stunden Vorlagentest (Pad Test) ...........................................................28

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5.2.5 Die Restharnmessung ................................................................................29

5.2.6 Kontinenzprofile ..........................................................................................29

6 Auswirkungen der Harninkontinenz ...........................................................................32

6.1 Auswirkung auf die Lebensqualität der Betroffenen ...........................................32

6.1.1 Akzeptanz der Inkontinenz..........................................................................34

6.1.2 Soziale Auswirkungen ................................................................................35

6.1.3 Einschränkung der sozialen Kontakte und Aktivitäten .................................35

6.1.4 Partnerschaft und Sexualität .......................................................................36

6.1.5 Inkontinenz im beruflichen Alltag ................................................................37

6.1.6 Umgang mit Inkontinenzhilfsmittel ..............................................................37

6.1.7 Informationsbedarf ......................................................................................38

6.2 Pflegende Angehörige und Inkontinenz .............................................................41

6.2.1 Belastungen für Pflegende Angehörige.......................................................42

6.2.2 Akzeptanz der Inkontinenz..........................................................................42

6.3 Ökonomische Auswirkungen der Inkontinenz ....................................................43

6.3.1 Direkte Kosten ............................................................................................43

6.3.2 Indirekte Kosten ..........................................................................................45

6.3.3 Intragible Kosten .........................................................................................45

6.4 Scham und Ekel ................................................................................................46

6.4.1 Definition von Scham und Ekel ...................................................................46

6.4.2 Ekel in der Pflege .......................................................................................47

6.4.3 Umgang mit Ekel erregenden Situationen ...................................................49

6.5 Kommunikation ..................................................................................................54

6.5.1 Tabu und Kommunikation ...........................................................................54

6.5.2 Kommunikation in der Pflege ......................................................................55

7 Aufgaben von Pflegepersonen im Bereich Inkontinenz .............................................58

7.1 Ausbildung zur Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen (DGKP)58

7.1.1 Historischer Rückblick ................................................................................58

7.1.2 Theoretische Ausbildung der Gesundheits- und Krankenpflege ..................59

7.1.3 Theoretische Grundlagen und Auswirkungen auf die Praxis .......................60

7.2 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz ............................................................61

7.2.1 Eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich gemäß § 14 GuKG .......................62

7.2.2 Mitverantwortlicher Tätigkeitsbereich gemäß § 15 GuKG ...........................62

7.2.3 Interdisziplinärer Tätigkeitsbereich gemäß § 16 GuKG ...............................62

7.3 Pflegefachliches Vorgehen ................................................................................63

7.3.1 Empirisches Wissen ...................................................................................63

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7.3.2 Ethisches Wissen .......................................................................................63

7.3.3 Persönliches Wissen ..................................................................................64

7.3.4 Intuitives Wissen .........................................................................................64

7.4 Aufgaben von Pflegenden im Zusammenhang mit Inkontinenz ..........................65

7.5 Kontinenz- und Stomaberatung .........................................................................66

7.5.1 Die Entwicklung der Kontinenz- und Stomaberatung in Österreich .............66

7.5.2 Die Kontinenz- und StomaberaterIn als PflegeexpertIn ...............................67

7.6 Advanced Nursing Practice - ANP .....................................................................71

8 Zusammenfassung ...................................................................................................75

9 Quellenlage ..............................................................................................................77

10 Abkürzungsverzeichnis .........................................................................................86

11 Abbildungsverzeichnis ...........................................................................................87

12 Erklärung ...............................................................................................................88

13 Anhang..................................................................................................................89

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1 Einleitung

Inkontinenz ist für Menschen, insbesondere in Industriestaaten weit häufiger ein

Problem, als allgemein angenommen wird (Doughty/Chrestodina 2006, S.1). Viele

Betroffene verschweigen die Inkontinenz oder versuchen, damit alleine umzugehen.

Nicht nur die Betroffenen oder deren Familien, sondern auch Angehörige der

Gesundheitsberufe (ÄrztInnen, PhysiotherpeutInnen, Gesundheits- und

Krankenpflegepersonen, etc.) vertreten oft die Ansicht, Inkontinenz gehört zum

natürlichen Alterungsprozess und sei einfach hinzunehmen.

Ältere Menschen sind die größte Bevölkerungsgruppe, die Hilfe medizinischer

Institutionen in Anspruch nimmt. Ihre Zahl wird in den nächsten Jahren noch zunehmen.

Die Lebenserwartung hat sich in Mitteleuropa in den letzten hundert Jahren verdoppelt,

die durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen beträgt heute 78, die der Männer 72

Jahre. Jede fünfte EinwohnerIn ist älter als 60 Jahre und der Anteil der Hochbetagten

(über 75 Jahre) ist weiter im Steigen begriffen und damit ist auch ein Anstieg an

chronischen Erkrankungen zu erwarten, wie auch eine vermehrte Pflegebedürftigkeit

(vgl. von Rentelen-Kruse 2001 in: Braumann 2010, S.13).

Die zu erwartende Überalterung der Bevölkerung stellt uns zunehmend vor die Frage,

wie in Zukunft eine Versorgung der alten Menschen ihren Bedürfnissen und

Anforderungen entsprechend erfolgen kann. Die Ressourcen im Bereich des

Gesundheits- und Sozialbereiches werden beschränkter. Damit sind nicht nur die

PolitikerInnen, sondern alle Berufe im Gesundheitswesen vor neue Herausforderungen

gestellt.

In Zukunft wird stärker der Ruf nach Wirtschaftlichkeit und entsprechender

professioneller Versorgung laut werden.

Madersbacher untersuchte 2003 die Häufigkeit von Inkontinenz bei Frauen. Die

Ergebnisse dieser Studie sind eindrucksvoll. Jede dritte Frau über 50 Jahren leidet an

Harninkontinenz. Mit zunehmendem Lebensalter steigt auch die Häufigkeit einer

Inkontinenz:

50 - 60 Jahre: 34,9 %

60 – 70 Jahre: 36,9 %

über 70 Jahre: 36,9 %

(vgl. Madersbacher 2003, S.26 ff)

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Die oben angeführten Zahlen stimmen mit jenen internationaler Studien überein. In einer

amerikanischen Langzeitstudie wurde erhoben, dass 20,4 % der Frauen mit 65 Jahren

eine Belastungsinkontinenz und 24% eine Dranginkontinenz entwickelten (vgl.

Doughty/Crestodina 2006, S.1). In England leiden etwa 17% der Bevölkerung über 65

Jahren und 30% der Bevölkerung über 80 Jahren an Inkontinenz (vgl. Norton 1999, S.5).

Die Prävalenzzahlen die in Pflegeheimen erhoben wurden, sind mit 72% höher als bei

Personen, die weiter in ihrer gewohnten Umgebung verbringen (vgl. Ahnis 2009, S.22).

Nach wie vor ist Inkontinenz eine der häufigsten Ursachen für den Umzug in ein

Pflegeheim, wobei es dafür keine exakten Daten gibt. Die Annahmen liegen aber bei

80%. Pflegende Angehörige sind mit der Situation zu Hause überfordert und die

Betroffenen selbst wollen nicht zur Last fallen (vgl. Braumann 2010, S.18, Thompson

2006 in: Doughty 2006, S. 172f). Inkontinenz kann aber durch gezielte Diagnostik in

vielen Fällen geheilt, in jedem Fall kann immer eine Verbesserung der vorherrschenden

Situation erreicht werden.

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht der Umgang von Pflegepersonen mit dem Thema

Inkontinenz. Anhand einer Literaturarbeit werden die folgenden Kapitel dargestellt. Im

ersten Kapitel wird die Vorgehensweise beschrieben. Die Formen der Inkontinenz

werden in Kapitel drei kurz beschrieben. Hier sind auch kurz und prägnant die

diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen aufzählt. Das Kapitel vier widmet sich

der Entwicklung von Guidelines zum Thema und stellt dies anhand des deutschen

Expertenstandards „Förderung der Harnkontinenz“ (Deutsches Netzwerk für

Qualitätsentwicklung in der Pflege - DNQP 2007) dar. Dem Assessment der

Harninkontinenz wird in Kapitel fünf ein großer Bereich gewidmet da dies ein

wesentlicher Aspekt der professionellen pflegerischen Arbeit darstellt. Das Kapitel sechs

beleuchtet nun jene pflegerischen Phänomene, die sowohl den Betroffenen, als auch

den zu Pflegenden das größte Unbehagen verursachen, wenn es um das Thema

Inkontinenz geht. Die Auswirkungen der Harninkontinenz auf das Leben der Betroffenen

und ihrer Angehörigen werden besprochen, die Herausforderungen in der täglichen

Lebensbewältigung finden ebenso Erwähnung wie Emotionen wie Scham und Ekel. Den

Abschluss dieses Kapitels bildet die Kommunikation zwischen Pflegepersonen und

Menschen, die von Inkontinenz betroffen sind. Kapitel sieben untersucht die Ausbildung

von Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen und stellt mögliche

Zukunftsperspektiven zur Spezialisierung vor. In Kapitel acht wird versucht, die

gestellten Fragen zu beantworten.

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2 Vorgehensweise

In diesem Kapitel wird die Fragestellung der Arbeit erörtert, die Methodik beschrieben,

die Begriffe definiert, sowie eine Übersicht über die aktuelle Forschungslage zum Thema

„Harninkontinenz“ gegeben.

2.1 Ziele / Frage

Der Fokus dieser Arbeit ist auf den Umgang von Pflegepersonen mit dem Thema

Inkontinenz gerichtet und soll anhand folgender Fragen bearbeitet werden:

Warum ignorieren Pflegefachkräfte das Thema Inkontinenz in der Praxis und

tabuisieren es dadurch für Betroffene?

Welche Wertigkeit nimmt Inkontinenz im Pflegealltag ein?

Welche Rolle und Verantwortungen haben Pflegefachkräfte bei Inkontinenz zu

übernehmen?

2.2 Methodik der Arbeit

Die Fragestellung wird im Rahmen einer Literaturarbeit zu beantworteten versucht. Dazu

wird der aktuelle wissenschaftliche Stand zum Thema Inkontinenz gefiltert. Es werden

die vorliegenden pflegewissenschaftlichen Bücher zum Thema Inkontinenz

herangezogen. Weiters wird in englischer und deutscher Sprache in verschiedenen

Datenbanken – z.B. Wise, Carelit, PubMed, etc. - nach folgenden Schlagworten Tabu,

Inkontinenz, Peinlichkeit, Lebensqualität, Grundlagenwissen Pflegefachkraft, continence

advice, Kontinenz, Kontinenzberatung, allein und in Kombination recherchiert. Das

Heranziehen von Journalen der Pflegewissenschaften (WOCN – Wound Ostomie

Continence Nursing, Pflege, etc.) soll die vorhandene Literatur ergänzen.

2.3 Begriffsdefinition

Kontinenz ist die Fähigkeit, willkürlich entscheiden und beeinflussen zu können, wann

und wo die Blase entleert werden soll. Die Wahl der geeigneten Örtlichkeit hängt dabei

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mitunter von der jeweiligen Kultur ab. „Kontinenz beinhaltet weiterhin die Fähigkeit,

Bedürfnisse zu kommunizieren, um Hilfestelllung zu erhalten, wenn Einschränkungen

beim selbständigen Toilettengang bestehen“ (DNQP 2007, S.25).

Menschen lernen ab dem 2. Lebensjahr das Zusammenspiel von Nervenleitungen,

Muskeln, Gehirn und Blase, die zu diesem Akt erforderlich sind, zu beherrschen. Nach

einer Lernphase, die bei manchen Kindern bis zum Schulbeginn dauern kann, wird die

Ausscheidung zu einem selbstverständlichen Teil des Lebens, an den keine weiteren

Gedanken verschwenden werden müssen.

Inkontinenz bedeutet, die Entleerung der Blase nicht mehr oder nicht mehr ganz

willentlich beeinflussen zu können.

Als Harninkontinenz wird nach der Definition der „International Continence Society (ICS)

jeder unwillkürlicher Harnverlust verstanden“ (Abrams/Cardozo/Fall/Griffiths/Rosier/

Ulmsten/VanKerrenbroeck/Victor/Wein 2002, S.167).

2.4 Aktuelle Forschungslage

Inkontinenz ist eine der häufigsten Alterserkrankungen (vgl.

Hayder/Clintron/Schnell/Schnepp 2009, S.351). Nicht nur im deutschen Sprachraum,

sondern weltweit gibt es dazu aber sehr wenige Untersuchungen. Die meisten Studien

zur Inkontinenz setzen sich mit der Pathophysiologie und medizinischen

Therapiemöglichkeiten auseinander (vgl. Braumann 2010, S.13). Nur eine geringe

Anzahl von Studien beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Inkontinenz auf

Betroffene oder untersuchen die Auswirkungen auf pflegende Angehörige. Erst seit der

Entwicklung des Expertenstandards „Kontinenzförderung in der Pflege“ (DNQP 2007)

finden sich im deutschsprachigen vermehrt Studien zum Thema Inkontinenz.

Hayder et al. (2009) greifen die Frage auf, wie ForscherInnen den ethischen Umgang

mit sensiblen, tabuisierten, (für Betroffene) peinlichen Thema bearbeiten könnten.

Sie weißen unter anderem darauf hin, dass in Studien zwar beschrieben wird, dass

Inkontinenz von Betroffenen als peinlich und tabuisiert empfunden wurde (vgl.

Thomas/More 1991; Skoner/Haylor 1993; Mittness/Barker 1995; Patterson-Robinson

2000; Shapiro/Setterlund/Cragg 2003; Wilde 2003; Komorowski/Chen 2006; Ahnis/Knoll

2008; McAlpine/Bliss/Hill 2008 in: Hayder et al. 2009, S.351), doch nur in wenigen

Studien greifen die ForscherInnen die Situation und den Umgang mit der

Schamproblematik in den Interviews selbst auf (vgl. Dowd 1991; Ashworth/Hagan, 1993;

Forbat 2004 in: ebd., S.352).

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Forschungen, die sich explizit mit der männlichen Seite der Inkontinenzproblematik

auseinandersetzen gibt es zurzeit nur sehr wenige. Gray untersuchte 2000 gemeinsam

mit KollegInnen das Erleben von Männern und deren PartnerInnen nach einer

Prostatakrebserkrankung. Darin stellen sie fest, dass sich Männer dem Thema

Inkontinenz sehr sachlich zu nähern versuchen und sehr um Kontrolle bemüht sind

(Gray/Fitch/Philips/Labrecque/Fergus 2000 in: Hayder et al. 2009, S.357). Männer

würden in Untersuchungen zur Inkontinenz schlicht übersehen (vgl. Hayder et al. (2009)

S.357).

Der Bereich, wie professionelle Pflege mit dem Thema Inkontinenz umgeht ist ebenfalls

nur sehr schwach untersucht.

3 Formen der Harninkontinenz

Damit Inkontinenz korrekt erhoben und eingeschätzt werden kann, ist es auch für

Pflegepersonen sehr wichtig, die einzelnen Formen der Inkontinenz und deren

spezifische Symptome zu kennen (vgl. Doughty 2006, S.ix).

Die Internationale Continence Society (ICS) hat folgende Formen der Harninkontinenz

festgelegt:

Belastungsinkontinenz (engl. Stressinkontinenz)

Dranginkontinenz (eng. Urgeinkontinenz)

Reflexinkontinenz

Inkontinenz mit chronischer Harnretention

Misch-Harninkontinenz

Extraurethrale Inkontinenz

Funktionelle Inkontinenz

(Abrams et al. 2002, S.167ff; Abrams/Cardozo/Khoury/Wein 2009, S.1769)

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3.1 Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz)

Inkontinenz ist ein häufiges Gesundheitsproblem und betrifft sehr oft Frauen. Studien

belegen, dass Stressinkontinenz die häufigste Form der Inkontinenz ist (vgl.

Doughty/Burns in: Doughty 2006, S. 77).

Der unfreiwillige Harnabgang bei körperlicher Betätigung wie z.B. Stiegen steigen,

Lachen, Husten, etc. wird als Stressinkontinenz bezeichnet. Durch körperliche

Anstrengung steigt der Druck im Bauchraum. Das wäre soweit kein Problem, wenn nicht

gleichzeitig eine Schwäche des Beckenbodens vorliegen würde. Ist der

Beckenbodenmuskel geschwächt, ist seine Funktion, den Spinkter beim Verschließen

der Harnröhre zu unterstützen, eingeschränkt oder ganz verloren gegangen. Man spricht

hierbei auch von Sphinkter - Insuffizienz. Diese Form der Blasenschwäche tritt bei

Frauen häufiger auf als bei Männern. Bei Männern unterstützt normalerweise die

Prostata den Verschluss der Blase. Im Rahmen eines operativen Eingriffs kann es

jedoch (zum Teil nur vorübergehend) zu einer Belastungsinkontinenz kommen. Die

Symptome der Belastungsinkontinenz sind tröpfchenweiser bis starker, unwillkürlicher

Harnverlust bei körperlicher Anstrengung ohne das Auftreten eines Harndrangs. Sie wird

in drei Schweregrade eingeteilt:

I. Grad: Harnverlust z.B. beim Husten, Niesen, Lachen

II. Grad: Harnverlust z.B. beim Heben, Treppensteigen, Aufstehen

III. Grad: Harnverlust bei Bewegung im Bett

(Abrams et al. 2009, S.1770)

Die Therapie der bereits vorhandenen Belastungsinkontinenz reicht von konservativer

Therapie wie Beckenbodentraining, Pessartherapie, Biofeedbacktraining bis zum

operativen Eingriff.

Konservative Maßnahmen wie das Beckenbodentraining sind von einer längeren Phase

der Übung begleitet, bevor sich für die Betroffenen erkennbare Verbesserungen

bemerkbar machen. Gerade das Beckenbodentraining muss mitunter bis zu 3 Monaten

unter fachlicher Anleitung erfolgen (vgl. Hay-Smith et al. 2007 in: Braumann 2010, S.20).

Präventives Training der Beckendbodenmuskulatur würde in vielen Fällen eine

Belastungsinkontinenz verhindern. Idealerweise sollte mit dem Beckenbodentraining

bereits im Schulalter begonnen werden. Es würde sich hervorragend in den

Turnunterricht in Schulen einfügen lassen. In jedem Fall sollten aber junge Frauen,

möglichst vor der ersten Schwangerschaft gezielt lernen, den Beckenboden zu

trainieren, damit sie unmittelbar nach der Geburt den sehr mitgenommen Beckenboden

rasch wieder trainieren können. Diese gezielte Prävention würde dem

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Gesundheitswesen viel Geld und den betroffene Frauen Leid ersparen. Die gezielte

Anleitung zum Beckenbodentraining sollte zu Beginn von einer PhysiotherapeutIn,

Heberamme oder einer KontinenzberaterIn erfolgen (vgl. Abrams et al. 2009, S.1810).

3.2 Dranginkontinenz

Bei der Dranginkontinenz liegt eine sogenannte „Überaktivität der Blasenmuskulatur“

vor, wodurch die Blase nicht mehr in der Lage ist, größere Mengen von Urin zu sammeln

und über einen längeren Zeitraum zu speichern, obwohl der Verschlussmechanismus

der Harnröhre intakt ist. Der Auslöser für eine überaktive Blasenmuskulatur kann eine

neurologische Erkrankungen, z.B. Insult, Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson oder

Multipler Sklerose sein. Umgekehrt weist eine überaktive Blase nicht zwangsläufig auf

das Vorliegen einer neurologischen Erkrankung hin, z.B. kann auch der natürliche

Alterungsprozess eine Rolle spielen. Die überaktive Blasenmuskulatur reagiert

typischerweise in unpassenden Momenten, manchmal aufgrund geringer Reize. Die

Rezeptoren, die den Füllungsgrad der Blase an das Gehirn melden, sind

überempfindlich. Bereits bei geringer Füllungsmenge kommt es zum Harndrang. Das

Gehirn veranlasst dann über willentlich nicht zu beeinflussende Signale die

Blasenentleerung und diese kann von den Betroffenen willentlich nicht mehr beeinflusst

werden. Das hervorstechendste Merkmal ist das häufige Aufsuchen der Toilette. Den

Betroffenen gelingt es anfänglich noch, den Harndrang zu unterdrücken. In ausgeprägter

Form verspüren Betroffene einen starken, nicht unterdrückbaren Harndrang der mehr

oder weniger mittelbar von einer unwillkürlichen Entleerung der Blase begleitet wird.

Auch hier spielt die konservative Therapie eine große Rolle. Zur Anwendung kommt

Verhaltenstraining welches als Toilettentraining besser bekannt ist. Die Blase wird

gezielt trainiert und zu festgelegten Zeiten entleert. Der Focus des Trainings ist, den

richtigen Zeitpunkt der Blasenentleerung zu finden – lange genug, damit der/die

Betroffene auch außer Haus gehen kann, jedoch kurz vor dem Auftreten des nicht

unterdrückbaren Harndrangs. Unterstützend wirkt eine gezielte Medikamententherapie

und in manchen Fällen ist auch eine Elektrostimulation erfolgreich.

Dranginkontinenz als Symptom einer Harnwegsinfektion

Beim Verdacht der Dranginkontinenz ist in jedem Fall auch an die Möglichkeit einer

Harnwegsinfektion, eines Blasensteins oder eines Blasentumors zu denken, da diese

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ähnliche Symptome verursacht, wie eine Dranginkontinenz. Die Häufigkeit einer

Harnwegsinfektion steigt mit zunehmendem Alter und betrifft besonders häufig Frauen.

Die Ursache der Infektion ist oft unklar. Erklärbar könnte sie durch Restharnmengen in

der Blase sein oder durch herabgesetzte Abwehr gegenüber Infektionen. Oft ist eine

lokale Abflussbehinderung (Prostatahyperplasie, Blasenstein, -tumor) Ursache des

Harnrückstaus. Zu geringe Flüssigkeitszufuhr kann die Entstehung einer

Harnwegsinfektion begünstigen. Ein konzentrierter Urin bewirkt aber auch einen

erhöhten Harndrang. Das unbedachte Setzen eines Dauerkatheters kann ebenso eine

Infektion verursachen.

3.3 Die Reflexinkontinenz (neurogene Inkontinenz)

Liegt eine Störung der für die Blasenentleerung verantwortlich Nervenbahnen vor z.B.

Querschnittlähmung, Tumore, Multible Sklerose, Morbus Parkinson, spricht man von

einer Reflexinkontinenz. Aufgrund dieser Nervenbahnschädigung nehmen Betroffene die

volle Blase nicht wahr. Die Entleerung der Harnblase erfolgt daher nicht willentlich,

sondern als unwillkürlicher Reflex (über die Nervenbahnen von bzw. zur Harnblase). Ein

zufälliger Reiz - wie Husten oder eine Lageänderung - kann zur Blasenentleerung

führen. Oft geht die Reflexinkontinenz mit einem hohen Blasendruck einher. Ist der

Druck in der Blase über einen längeren Zeitraum sehr hoch, kann es zur Schädigung

einer oder sogar beider Nieren kommen. Durch die teilweise oder komplette

Fehlsteuerung von Harnblase und Schließmuskel kommt es zu einem Harnverlust, den

die betroffene Person nicht mehr kontrollieren kann. Die Blase entleert sich nicht

vollständig, es bleibt Restharn in der Blase zurück. Die Therapie wird konservativ mit

einem intermittierenden (Selbst-) Katheterismus eingeleitet werden. In manchen Fällen

sind Medikamente ergänzend notwendig oder/und eine Elektrostimulation.

3.4 Inkontinenz mit chronischer Harnretention (Überlaufinkontinenz)

Der häufigste Grund für das Vorliegen einer chronischen Harnretention ist eine

vergrößerte Prostata, welche die Harnröhre am Blasenausgang einengt und die

Entleerungsstörung hervorruft. Da die Prostata langsam wächst, merken die Betroffenen

kaum, dass sich ihr Ausscheidungsverhalten verändert. Sie benötigen wesentlich mehr

Zeit für die Entleerung der Blase, haben oft Startschwierigkeiten bei der Entleerung und

der Harnstrahl wird schwächer. Später müssen alle zwei bis drei Stunden kleinere

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Harnmengen entleert werden. Manche verspüren laufend das Gefühl, die Blase sei voll,

was in vielen Fällen auch zutrifft. Wird aber auch dieses Zeichen übergangen, wird der

Blasenmuskel durch den steigenden Restharn überdehnt. Es kommt zum "Überlaufen"

der Harnblase und zum unwillkürlichen Verlust kleiner Harnmengen. Betroffene meinen

oft, sie leiden an einer „Tröpfcheninkontinenz“ besorgen sich auch entsprechende

Hilfsmittel anstatt umgehend einen Facharzt aufzusuchen, der die Prostata untersucht.

Diese Form der Harninkontinenz betrifft meist männliche Personen. In seltenen Fällen

kann die Ursache einer Abflussstörung ein Blasentumor, ein Blasenstein ein Striktur der

Harnröhre sein. Die operative Entfernung des Abflusshindernisses ist hier die Therapie

der Wahl. Nur in Fällen, wo Betroffene nicht operiert werden können, wird

vorübergehend ein Blasenverweilkatheter zur Anwendung kommen. Ein wichtiger

Aspekt der Vorbeugung ist bei Männern ab dem 50. Lebensjahr die regelmäßige

Untersuchung der Prostata durch einen Facharztes.

3.5 Misch-Harninkontinenz

Bei der Misch- Harninkontinenz liegt eine Mischform von Belastungs- und

Dranginkontinenz vor. Die exakte Differenzierung und damit die abgestimmte Therapie

kann erst durch eine gezielte Urodynamische Untersuchung festgelegt werden.

3.6 Extraurethrale Inkontinenz

Bei Vorliegen einer extraurethralen Inkontinenz verlieren Betroffene im

Erwachsenenalter Harn über Darm und/oder Vagina. Die Ursache ist in der Regel eine

Fistelbildung in Folge einer Tumorerkrankung im kleinen Becken. Bei Neugeborenen

liegt eine angeborene Fehlbildung (Blasenexstrophie) vor. „Die klassische

Blasenexstrophie beinhaltet eine komplette Fehlbildung der Harnröhre mit dorsaler

Spaltbildung mit Spaltbecken und einer offene Bauchdecke mit hervortretender, nicht

verschlossener Blase“ (Selinger/Gobet/Spirig 2010, S.163).

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3.7 Die Funktionelle Harninkontinenz

Die funktionelle Harninkontinenz kann definiert werden als Verlust von Harn bedingt

durch Ursachen, die nicht mittelbar mit dem Urogenitaltrakt zusammen hängen. Die

Fähigkeit, den Harndrang zu beherrschen ist bei den Betroffenen intakt. Andere

Faktoren verhindern oder erschweren den Gang zur Toilette. Die Ursachen einer

Funktionellen Harninkontinenz sind:

Kognitive Einschränkungen (z.B. dementielle Erkrankungen

Eingeschränkte Mobilität

Psychogene Faktoren (z.B. Depression)

Thompson (2006) führt an, dass diese möglichen Faktoren bei der Erhebung einer

Anamnese in jedem Fall mit bedacht werden müssen. Vor allem der Bereich der

kognitiven Einschränkungen wird beleuchtet. Bei Hinweisen auf eine mögliche

demenzielle Erkrankung sollte in jedem Fall ein weiter führendes Assessment erfolgen.

Auch die Möglichkeit einer Depression sollte nicht ausgeschlossen werden. Gerade bei

älteren oder hochbetagten Menschen wird eine vorhandene Altersdepression oft gar

nicht bemerkt. Die Autorin weist aber darauf hin, dass bei Menschen mit einer

Depression eine auftretende Inkontinenz zu einer Verschlechterung der Depression

führen kann (vgl. Thompson 2006 in: Doughty 2006, S.170ff).

Umgebungsfaktoren können bei älteren Menschen ebenfalls eine funktionelle

Inkontinenz begünstigen. In stationären Einrichtungen sind die Räumlichkeiten nicht

immer den Bedürfnissen älterer Menschen angepasst. So sind nicht selten die Gänge

mit Möbel oder Pflegebehelfen angeräumt, die Beleuchtung ist oft schlecht und es sind

kaum Orientierungshilfen angebracht. Besonders in der Nacht ist in diesen Fällen das

Erreichen der Toilette schwierig. Auch der Zustand der Toiletten ist nicht immer

einladend. Sie sind oft eng und zugig, nicht selten mit Utensilien angeräumt oder es

benutzen viele Personen eine Toilette (vgl. Thompson 2006 in: Doughty 2006, S.170ff).

Auch Maßnahmen zur Vermeidung von Stürzen kann eine funktionelle Inkontinenz

begünstigen. Manche KlientInnen, die ein Sturzrisiko aufwiesen, erhielten z.B. eine

Sicherung beim Sitzen im Sessel, diese verhinderte aber, rechtzeitig die Toilette zu

erreichen. In anderen Fällen wurde eine Matratze auf den Boden gelegt um einen

möglichen Sturz abzumildern. Das verhinderte auch einen gezielten Gang zur Toilette

(vgl. ebd., S.170ff). Menschen die Hüftprotektoren tragen, leiden meist an einer

Mobilitätseinschränkung. Kommt nun noch eine Harndrangproblematik hinzu, kann dies

zu einer funktionellen Inkontinenz führen, da sich die Hüftprotektoren nicht schnell

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genug lösen lassen (vgl. Pils/Neumann/Meisner/Schano/Vavrosky/Van der Gammen in:

Hayder/Kuno/Müller 2008, S.51).

4 Guidelines und Standards zur Inkontinenz

Dieses Kapitel wird sich mit vorhandenen Guidelines und Standards zum Thema

Harninkontinenz im Allgemeinen und im speziellen mit dem Experpertenstandard

„Förderung der Harnkontinenz in der Pflege“ (DNQP 2007) beschäftigen.

Braumann (2010) führt an, dass Leitlinien und Standards in verschiedenen

Fachbereichen und für verschiedene Berufsgruppen erstellt wurden. Verschiedene

Fachgesellschaften wie Urologen, Gynäkologen oder Geriater stellen dabei das

professionelle Handeln bei Diagnostik und Therapie der Harninkontinenz in den

Mittelpunkt. Im internationalen Vergleich existieren ebenfalls verschiedene Leitlinien

sowohl für die ärztliche als auch für die pflegerische Praxis. Im deutschen Sprachraum

wurde 2007 der Expertenstandard „Kontinenzförderung in der Pflege“ veröffentlicht (vgl.

Braumann 2010, S.21). „Insofern ist es für einen betroffenen Menschen mit

Harninkontinenz ebenfalls von Relevanz, geeignete und erfolgreich

Therapieempfehlungen zu erhalten“ (ebd., S.21).

4.1 Nationale Expertenstandards in Deutschland

Das „Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege“ (DNQP) erarbeitet seit

1999 Expertenstandards, deren Entwicklung vom deutschen Bundesministerium für

Gesundheit finanziert werden.

Die Entwicklung von Expertenstandards erfolgt nach streng wissenschaftlichen Kriterien.

Zunächst wird eine 15 bis 20 köpfige ExpertInnengruppe eingeladen an der Entwicklung

mitzuarbeiten. Eine renommierte PflegewissenschaftlerIn die/der zum jeweiligen Thema

wissenschaftliche FachexpertIn ist, leitet die ExpertInnengruppe. Diese wird mit

Pflegepersonen aus den verschiedensten Einsatzbereichen besetzt.

PflegewissenschaftlerInnen sind neben ExpertInnen aus der Praxis ebenso wichtig wie

PflegemanagerInnen. Da die fertigen Expertenstandards im gesamten

deutschsprachigen Bereich zur Anwendung kommen sollen, ist es auch wichtig,

FachexpertInnen aus den unterschiedlichen Regionen einzuladen.

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Wurden bei den ersten Expertenstandards die ExpertInnen noch durch die Leiterin des

DNQP eingeladen, gibt es in der Zwischenzeit offizielle Ausschreibungen zur Mitarbeit

an dem jeweils geplanten Expertenstandard, zu welchem sich FachexpertInnen

bewerben können.

Seit der Gründung des DNQP wurden folgende Expertenstandards entwickelt:

„Dekubitusprophylaxe in der Pflege“, 1999, 2005, 2011

„Entlassungsmanagement in der Pflege“, 2004

„Schmerzmanagement in der Pflege“, 2005

„Sturzprophylaxe in der Pflege“, 2006

„Kontinenzförderung in der Pflege“, 2007

„Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“, 2009

„Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen

Ernährung in der Pflege“, 2010

4.1.1 Die Entwicklungsschritte der Expertenstandards

Schritt 1

Sämtliche wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema werden recherchiert. Dazu

werden nur Datenbanken genutzt, die strengsten wissenschaftlichen Kriterien folgen

(Cinhal®, Medline®, Gerolit® und The Cochrane Library). Die Auswahl der verwendeten,

bzw. anerkannten Studien unterliegt nochmals einer sehr strengen Vorgabe. So werden

Ein- und Ausschlussfaktoren für Studien festgelegt. Entscheidend ist dabei unter

anderem, wie nachvollziehbar ist das Studiendesign, kann die gestellte

wissenschaftliche Frage auch mit der gewählten Methode beantwortet werden, versteckt

sich hinter der Studie eine Marketingstrategie einer Firma, und vieles mehr.

Somit entspricht die Auswahl der in den Expertenstandard einfließenden Studien einer

Metaanalyse und die PraktikerInnen, die später den Expertenstandard anwenden,

können sich verlassen, dass die angegebenen Aussagen evidenzbasiert sind.

Schritt 2:

Die ExpertInnengruppe entwickelt die einzelnen Standardaussagen, stimmt diese

untereinander ab, prüft Theorie und Praxis und legt sie schließlich fest.

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Abb. 1: Expertenstandard „Kontinenzförderung in der Pflege (DNQP 2007)

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4.1.2 Aufbau der Expertenstandards

Alle Expertenstandards sind einheitlich aufgebaut. Jeder Expertenstandard besteht aus

Struktur-, Prozess- und Ergebniseben, mit jeweils einzelnen überprüf- und messbaren

Kriterien.

Gleich ist allen Standards, dass die festgelegten Aussagen auf Struktur- und

Prozessebene eins eine fachliche Abklärung im Rahmen des pflegerischen

Assessments zum jeweiligen Thema verlangen. Dazu wird auf Ebene zwei eine

vertiefende Abklärung verlangt. Die Voraussetzung für die Identifizierung des

Pflegeproblems ist in allen Fällen deutlich formuliert: Dabei ist nicht nur, das in der

Praxis erworbene Wissen zum jeweiligen Thema gefordert, sondern Wissen und

Handlungsabläufe nach aktuellem pflegewissenschaftlichen Stand. Dies wird auch auf

Ebene drei zur Maßnahmenplanung gefordert

In allen Standards findet sich auch die Forderung (Standardebene vier oder fünf) nach

Aufklärung, Einschulung und Unterweisung der betroffenen Personen auf ihr jeweiliges

Pflegeproblem sowie die Anleitung zur Selbstpflege welcher als integraler Bestandteil

der PatientInnenschulung gesehen wird. Auf Ebene sechs oder sieben aller Standards

ist klar die Notwendigkeit der Evaluierung festgehalten.

4.1.3 Expertenstandards sind vorweggenommene ExpertInnenngutachten

Expertenstandards gelten seit ihrem Entstehen als vorweggenommenes

ExpertInnengutachten und werden bei Gerichtsverfahren als Grundlage der

Begutachtung genutzt.

Das österreichische Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) legt unter anderem

im § 4 fest, dass jede/r diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester/-pfleger

(DGKS/P) verpflichtet ist, neueste pflegewissenschaftliche Erkenntnisse (noch dazu,

wenn sie in deutscher Sprache verfügbar sind), in die Pflegearbeit mit einfließen zu

lassen (vgl. Weiss-Faßbinder, Lust 2009, S.62).

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4.1.4 Wer ist für die Umsetzung der Standards verantwortlich?

Die Einführung eines Expertenstandards kann nur durch das Pflegemanagement

erfolgen. Somit ist das Pflegemanagement gefordert, den Bereich der Strukturebene zu

verantworten. Expertenstandards sind Teil des Qualitätsmanagements und

Qualitätsmanagement ist Führungsaufgabe.

Grundsätzlich ist lt. oben angeführten § 4 GuKG jede/r DGKS/P für die korrekte

Umsetzung eines Expertenstandards im Bereich der Prozess- und Ergebniseben, sofern

letztere nicht auch von der Strukturebene abhängig ist, verantwortlich.

4.2 Der Expertenstandard „Förderung der Harnkontinenz“

Der Expertenstandard ist eine evidenzbasierte Standardaussagen zur Identifizierung von

Inkontinenz und zur gezielten Beratung von Betroffenen: „Bei jedem

Patienten/Bewohner wird die Harnkontinenz erhalten oder gefördert. Identifizierte

Harninkontinenz wird beseitigt, weitgehend reduziert bzw. kompensiert“ (DNQP 2007,

S.27).

Hayder et al. (2008) meinen, dass die Ziele des Expertenstandards „Kontinenzförderung

in der Pflege“ (DNQP 2007) vor allem darin liegen, „ … das Verständnis und die

Perspektiven der Betroffenen zu schärfen, die Auseinandersetzung mit der Thematik zu

unterstützen und die Entwicklung sinnvoller Beratungs- und Unterstützungsangebote zu

fördern“ (ebd., S.21). Entscheidungsgrundlagen innerhalb der Kontinenzförderung

könnten in der Folge vereinheitlicht werden (vgl. ebd., S.21).

5 Assessment der Harninkontinenz

Die Identifizierung und Analyse des Problems Harninkontinenz ist ein zentrales Kriterium

und wird daher im folgenden Kapitel sehr ausführlich bearbeitet. In der Literatur wird

immer wieder darauf hingewiesen, wie schwierig es für Pflegepersonen ist, Inkontinenz

zu erkennen und darauf entsprechend zu reagieren (vgl. Schmidt 2010, S.80; Kummer

2008 in: Ahnis et.al 2008 S. 69).

Bevor auf die Erhebung einer Kontinenzanamnese näher eingegangen wird, ist es

notwendig, sich der allgemeinen Erhebung einer pflegerischen Anamnese zuzuwenden.

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Kontinenz oder Inkontinenz können nicht oder nur ganz eingeschränkt isoliert betrachtet

werden.

5.1 Assessment

Nach Panfil (2010, S.69) können prinzipiell verschiedene Formen von

Assessmentverfahren unterschieden werden.

„Nichtstandardisierte und standardisierte Assessment

Selbst- und Fremdeinschätzung

Einzel-Item-Messung, Skalen und Testbatterien

Screening- und Diagnoseverfahren“

(Panfil 2010, S.69)

Die Wahl des jeweiligen Instruments spiegelt auch das jeweilige Ergebnis wieder.

5.1.1 Nicht standardisierte Assessment

Die allgemeine Pflegeanamnese, welche meist aus einem zugrundeliegenden

Pflegemodell abgeleitet wird, wäre ein Beispiel eines nicht standardisierten

Assessments. Die Erhebung der Pflegebedürftigkeit einer/s Betroffenen wird dabei von

jeder Pflegefachkraft anders eingeschätzt, da nicht standardisierte Assessments

inhaltlich offen sind (vgl. Panfil 2010, S.69).

5.1.2 Standardisierte Assessment

In einem standardisierten Assessment sind die Einschätzungskriterien vorgegeben.

Meist bestehen sie aus mehreren Skalen, die zueinander in Beziehung stehen und nach

der Erhebung durch ein kompliziertes Berechnungssystem ausgewertet werden.

„Standardiserte Verfahren unterscheiden sich von nichtstandardisierten Verfahren durch

eine an Regeln gebundene Zuweisung von Zahlen zu Objekten. Die Antwort

„unzureichende Nahrungszufuhr“ in einer Dekubitusrisikoskala wird beispielsweise ein

anderer Zahlenwert zugeordnet als der Antwort „ausreichende Ernährung“. Zur

Auswertung wird dann ein Gesamtwert berechnet. Mit diesen Skalen kann man über die

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im Laufe der Versorgung erreichten Punktewerte gut den Verlauf eines Zustandes

beschreiben“ (Panfil 2010, S.71).

In Österreich ist zurzeit ein einziges standardisiertes Assessmentverfahren als

Pflegeanamnese in Anwendung, das Resident Assessment Instrument Home Care 2.0

(RAI HC 2.0), das flächendecken von den Hauskrankenpflegeorganisationen in der

Steiermark verwendet wird. Dabei werden in einem ersten Schritt 250 Items erhoben

und in einem zweiten Schritt automatisationsgestützt berechnet. Die Ergebnisse

spiegeln potentielle Risikobereiche, Gesundheitsprobleme, körperliche

Einschränkungen, etc. wieder. Diese werden nach entsprechender Analyse durch die

Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson in die Pflegeplanung übernommen

(vgl. Garms-Homolová 2002).

Panfil bezeichnet auch Skalen zur Einschätzung einzelner Pflegeprobleme z.B.

Dekubitusskalen, Schmerzskalen, etc. als standardisierte Assessmentverfahren (vgl.

Panfil 2010, S.69).

Im englischen Sprachraum finden sich einige standardisierte Einschätzungsinstrumente

zur Erhebung einer möglichen Inkontinenz (vgl. Gray/Moore in: Doughty, 2006, S.359ff):

International Prostate Symptom Score (I-PSS)

Incontinence Impact Questionnaier (IIQ)

Urogential Distress Inventory (UDI)

Es wäre wichtig, diese Instrumente nach wissenschaftlichen Verfahren in die deutsche

Sprache zu übersetzten um sie der Praxis zur Verfügung zu stellen.

5.1.3 Fremd- und Selbsteinschätzung

Bei den meisten Assessmentinstrumenten erfolgt eine Fremdeinschätzung der

betroffenen Personen durch die Pflegefachkraft. Es gibt einige Assessmentinstrumente,

die Betroffene anwenden, um ihren Zustand selbst einzuschätzen, z.B. Schmerzskalen

(vgl. Panfil 2010, S.70).

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5.1.4 Einzel-Item-Messung, Skalen Testbatterien

Ein Beispiel für eine Einzel-Item-Messung wäre eine Schmerzskala, bei der anhand

einer Frage die Stärke des Schmerzes erfasst wird. Zur Einschätzung des

Dekubitusrisikos reicht eine Frage nicht aus, das Instrument umfasst mehrere Fragen –

diese Instrumente werden als Skalen bezeichnet. „Skalen erfassen einen bestimmten

Aspekt über verschiedene Items.

Eine Testbatterie ist das geriatrische Basisassessment. Hier werden beispielsweise u.a.

ein Test zur Einschätzung der Mobilität (Timed-Up and Go-Test), des Geisteszustandes

(Mini-Mental-Status-Test MMST und der Alltagsaktivitäten (Barthel-Index) eingesetzt“

(Panfil 2010, S.70).

5.1.5 Screening und Diagnoseverfahren

„Der Begriff Screening steht für Einschätzungsverfahren, bei denen schnell und in

großem Maßstab ein möglicher Zustand erkannt werden kann“

(Beaglehole/Bonita/Kjellström 1997 zit.n. Panfil 2010, S.70).

Zurzeit steht das Miktionsprotokoll für die Einschätzung einer Inkontinenz zur Verfügung

und es kann als ein Screeninginstrument angesehen werden. Im Rahmen der Erhebung

werden Daten erfasst und ein Verlauf dargestellt. Ob nun tatsächliche eine Inkontinenz

vorliegt, wird durch die fachlichen Kenntnisse einer Pflegefachkraft auf Grundlage der

Aufzeichnungen festgestellt. (vgl. Panfil 2010, S.70).

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5.2 Einschätzung einer Inkontinenz

Abb. 2: Erhebung der Kontinenzanamnese (eigene Darstellung)

Einschätzen der Gesamtsituation Anamnese (Assessment)

Miktionsprotokoll, Inkontinenzanamnese

Pflegemanagement

Verhaltenstherapie (z.B. Toilettentraining)

Anpassung der korrekten Hilfsmittel

Schulung im Umgang mit Hilfsmittel

Physikalische Therapie

Beckenbodentraining

Biofeedbacktraining Elektrostimulation

Medizinische Therapie

Medikamente

Operative Therapie

Identifizieren der Inkontinenz

Erstellen der Pflegeplanung (Pflegediagnose und -ziel =

Kontinenzprofil)

Dokumentation der Maßnahmen

Evaluierung der Maßnahmen

Keine Besserung erkennbar: Überprüfung der Einhaltung der Maßnahmen Überprüfung des Pflege- und Behandlungsplanes

(Kontinenzprofil)

Besserung erkennbar Fortführung der Maßnahmen (Kontinenzprofil)

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5.2.1 Identifizierung von Inkontinenz

Damit Inkontinenz als Problem identifiziert werden kann, sollte zunächst das jeweilige

Instrument zur Anamneseerhebung überprüft werden. Jedes Instrument enthält

grundsätzlich einen Punkt zur Ausscheidung. Wesentlich bei der Überprüfung ist aber,

ob Fragen enthalten sind, die eine gezielte Fragestellung in Richtung Inkontinenz

beinhalten.

Gezielt sollen folgende Fragen schon in die Grundanamnese eingebaut werden:

Verlieren Sie ungewollt Harn?

Verlieren Sie Harn, wenn Sie husten, lachen oder etwas Schweres heben?

Verlieren Sie Harn auf dem Weg zur Toilette?

Tragen Sie Einlagen/Vorlagen, um Harn aufzufangen?

Verspüren Sie häufig starken, nicht unterdrückbaren Harndrang?

Müssen Sie pressen, um die Blase zu entleeren?

(vgl. DNQP 2007, S.30)

Nicht standardisierte Assessmentinstrumente werden diese Fragen kaum beinhalten.

Hier kann ein zusätzliches Formular mit Fragestellungen zur Inkontinenz eingeführt

werden (siehe Beispiel im Anhang).

Standardisierte Assessmentinstrumente enthalten gezielte Fragestellungen zur

Inkontinenz. Bei der Auswertung der erhobenen Daten wird durch das Zusammenspiel

der direkten Fragen zum Ausscheidungsverhalten und Ergebnissen anderer erhobener

Punkte – z.B. Mobilität, etc. das Vorliegen einer möglichen Inkontinenz angezeigt. In

diesen Fällen wird durch die zuständige Pflegefachkraft ein weiterführendes Assessment

zur Inkontinenz durchgeführt. Das weiterführende Assessment umfasst eine

Fragenkatalog mit vertiefenden Fragen zur Inkontinenz, das Miktionsprotokoll und ggf.

den sogenannten Vorlagentest.

5.2.2 Die vertiefende Einschätzung

Wird im Rahmen der Ersteinschätzung eine Inkontinenz identifiziert, ist eine

differenzierte Einschätzung durchzuführen.

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Die wichtigste Informationsquelle für die differenzierte Einschätzung einer Inkontinenz ist

der/die Betroffene selbst. Einerseits werden vertiefende Fragen gestellt und andererseits

ist die exakte Beobachtung der/des Betroffenen von Bedeutung.

Die vertiefende Anamnese sollte folgende Punkte beinhalten:

Dauer des Problems und mögliche Ursachen

Erscheinungsbild der Harninkontinenz

Relevante erfolgte Therapie

Aktuelle Medikation

Trinkverhalten/-gewohnheiten

Stuhlgewohnheiten

Art und Anzahl der eingesetzten Hilfsmittel

Erwartungen des/der Betroffenen an die Therapie

Kognitive Einflussfaktoren auf die Kontinenzsituation

Einflussfaktoren durch veränderte Mobilität auf die Kontinenzsituation

Einflussfaktoren der Umgebung auf die Kontinenzsituation

Psychosoziale Auswirkungen und Leidensdruck

(vgl. Norton 1996, S. 33 ff; Gray/Moore in: Doughty 2006 S.341 ff)

5.2.3 Das Miktionsprotokoll

Das Miktionsprotokoll (Blasenentleerungsprotokoll) ist ein wichtiges und verlässliches

Instrument zur Objektivierung der Harninkontinenz, zur Auswahl der kontinenzfördernden

Maßnahmen sowie zur Evaluation (vgl. DNQP 2007, S.60). Durch dessen Einsatz ist es

möglich, das individuelle Ausscheidungsverhalten der/des Betroffenen aufzuzeichnen. Je

nach Problemstellung sollen die im Folgenden dargestellten Informationen ermittelt

werden (Larsen/Victor 1992 in: ebd., S.60).

Das Miktionsprotokoll ist eines der hilfsreichsten Instrumente des pflegerischen

Assessment zur Erhebung einer Inkontinenz. Es dient der Erfassung der

Ausscheidungsgewohnheiten von Betroffenen, die ggf. an Inkontinenz leiden. Damit eine

objektive Interpretation des Ausscheidungsverhaltens erfolgen kann, ist es unerlässlich,

auch die Flüssigkeitszufuhr exakt aufzuschreiben. Zur Erstellung eines individuellen

Entleerungsplanes ist es notwendig, über den Zeitraum von drei bis vier Tagen ein

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Blasenentleerungsprotokoll zu führen. Dabei werden die üblichen Gewohnheiten der

Blasenentleerung festgehalten. Die Aufzeichnungen werden einerseits benötigt, um die

exakte diagnostische Abklärung zu vervollständigen und sind andererseits Grundlage für

einen Blasenentleerungsplan, falls ein Toilettentraining als therapeutische Maßnahme

notwendig ist.

Damit das Ergebnis des Miktionsprotokolls sinnvoll interpretiert werden kann, ist es

wichtig, die zu erhebenden Daten korrekt aufzuzeichnen. Dazu ist es erforderlich,

Betroffene in den Umgang mit dem jeweiligen Miktionsprotokoll zu unterweisen. Eine

schriftliche Anleitung oder Ausfüllhilfe erweist sich dabei in der Praxis als hilfreich.

Welches Miktionsprotokoll ist geeignet?

Es gibt unterschiedliche Miktionsprotokolle, manche beinhalten sehr einfache

Darstellungen, z.B. nur die Erhebung des Ausscheidungsverhaltens, in anderen werden

viel mehr Informationen erhoben und im Anschluss ausgewertet.

Miktionstabelle: Aufzeichnung v. Miktionszeit

Miktionsprotokoll: Aufzeichnung v. Miktionszeit u. -volumen

Blasentagebuch: Aufzeichnung v. Miktionszeit, -volumen, -drang, Trinkmenge u.

Inkontinenzepisoden

(Abrams et al. 2009, S.1070ff)

Vor der Wahl eines Miktionsprotokolls sollte unbedingt geklärt werden, welche

Informationen benötigt werden. In seiner einfachsten Ausführung sollte ein

Miktionsprotokoll die Blasenentleerungen und die Phasen der Inkontinenz zeigen. Je

weniger Informationen abgefragt werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass

es auch genau geführt wird. Mit kräftigen Farben und einfachen Anweisungen kann noch

verdeutlicht werden, welche Informationen benötigt und exakt ausgefüllt werden sollen.

Eine kombinierte Aufzeichnung der Miktionshäufigkeit und der jeweiligen Harnmenge

liefert eine Vorstellung über die funktionelle Blasenkapazität, d.h. über die Menge, die

die Blase für gewöhnlich zu halten in der Lage ist. Sie wird häufig mit der Menge der

Flüssigkeitsaufnahme kombiniert und ist dann ein Einfuhr-Ausfuhr-Protokoll bzw. eine

Flüssigkeitsbilanz. Das Bestimmen der Flüssigkeitsaufnahme lässt sowohl eine

Polydipsie, d.h. übermäßigen Durst und ein mögliches Zeichen von Diabetes mellitus,

als auch eine niedrige Flüssigkeitsaufnahme erkennen, die vielleicht durch die Flucht vor

Inkontinenz bedingt ist und vor allem bei älteren Menschen Dehydratation, Verstopfung,

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Störungen des Elektrolytgleichgewichts und Verwirrung hervorrufen kann. Bei der

Auswertung der Ergebnisse solle vermerkt werden, ob die Flüssigkeitsaufnahme

gemessen oder nur geschätzt wurde. Damit der Urin bei der Blasenentleerung einfach

gemessen werden kann, sollte ein einfacher Kunststoffbehälter mit Gradeinteilung und

einem Fassungsvermögen von mindestens einem ½ Liter verwendet werden. Wichtig ist

die Aufzeichnung jeder Blasenentleerung, zu notieren ist auch, wenn eine

Blasenentleerung einmal nicht gemessen werden konnte, weil der/die Betroffene

auswärts unterwegs war.

In manchen Miktionsprotokollen werden die Zeitangaben exakt zur jeweiligen

Ausscheidung eingetragen, in anderen sind die Zeitangaben fix in Halb- oder

Stundenangaben vorgegeben.

Die Aufzeichnungen im Miktionsprotokoll sollten sofort nach der Blasenentleerung oder

nach der Flüssigkeitszufuhr erfolgen. Werden Aufzeichnungen erst am Ende des Tages

aus dem Gedächtnis durchgeführt, ergeben sich Ungenauigkeiten. Damit die

Aufzeichnungen unmittelbar erfolgen können, sollte das Miktionsprotokoll nach

Möglichkeit direkt vor Ort auf der Toilette aufliegen. In stationären Einrichtungen kann

mit den Betroffene vereinbart werden, dass sie das Protokoll samt Schreibutensil in

einer Tasche (Handtasche bei Frauen, oder Tasche des Morgenmantels, …) bei sich

führen (vgl. Hayder et al. 2008, S.65ff).

Führen eines Miktionsprotokolls durch eine Betreuungsperson

Für Fälle, wo die Aufzeichnungen durch eine betreuende Person erfolgen, gibt es

spezielle Miktionsprotokolle. Hierbei geht eindeutig hervor, wer die Aufzeichnungen für

den/die KlientIn vorgenommen hat. Die dargestellten Erhebungen zeigen die Kontinenz-

und Inkontinenzmuster der Betroffenen. Es können darüber hinaus auch Formulare

verwendet werden, in welchen aufgezeichnet werden kann, ob die Betroffenen in der

Lage sind, ihre Bedürfnisse aufzuzeigen, den Gang zur Toilette aktiv erbitten können

oder ob dieser durch die Betreuungsperson angeleitet wird. Erfolgt die Betreuung von

KlientInnen in Pflegeeinrichtungen, sollte jedoch genau geprüft werden, ob die

erforderlichen Informationen nicht schon anderswo in der Pflegedokumentation erfasst

wurden und daher ein einfaches Miktionsprotokoll ausreichend ist.

Wird die/der KlientIn zur Toilette begleitet, entleert dort aber nicht die Blase, so kann es

sein, dass der Zeitpunkt des Toilettengangs falsch eingeschätzt wurde oder der/die

Wahrnehmung der/ des Betroffene nicht korrekt war. Bei Betreuung einer/s dementen

KlientIn ist auch zu bedenken, dass diese unter Umständen die Funktion einer Toilette

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nicht mehr erkennen können. Ein Hinweis auf Demenz könnte es sein, wenn der/die

Betroffene kurz nach dem ergebnislosen Toilettengang einnässt. Gibt es keine Hinweise

auf eine Demenz und der/die Betroffene nässen dennoch kurz nach dem Toilettengang

ein, sollte darauf geachtet werden, ob er/sie sich unter Druck fühlten, zu wenig

Privatsphäre vorherrschte oder durch andere Ereignisse daran gehindert war, die Blase

zu entleeren (vgl. Gray/Moore in: Dougthy 2006; S. 363ff; Hayder et al. 2008, S.65ff).

Abb. 3: Miktionsprotokoll (eigene Darstellung)

Der aufwendige Einsatz eines Miktionsprotokolls sollte von der Pflegefachkraft gut

überlegt eingesetzt werden. Es stellt sich die Frage, ob der Aufwand eines

Miktionsprotokolls z. B. bei einer/m bettlägerige PatientIn Sinn macht und aus den

Ergebnissen Konsequenzen in Form von situationsverbessernden Maßnahmen

abgeleitet werden können (vgl. DNQP 2007, S.34).

5.2.4 24 Stunden Vorlagentest (Pad Test)

In manchen Fällen werden Betroffene zum Zeitpunkt der Erhebung einer Inkontinenz

bereits Inkontinenzhilfsmittel verwenden. Im Fall der Verwendung eines saugenden

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Hilfsmittels kann der Harnverlust durch den Vorlagengewichtstest ermittelt werden. Dazu

wird eine noch nicht verwendete Einlage im trockenen Zustand gewogen. Die Einlagen

werden im Verlauf des Tages in einem Plastiksack gesammelt. Der Harnverlust ergibt

sich aus der Differenz der gebrauchten Einlagen und der ungebrauchten.

(Hellström/Zubotikin/Ekelund/Larsson/Milsom 1994 in: DNQP 2007, S.62ff).

Der 24 – Stunden Vorlagentest ist ein Parameter für den Schweregrad des ungewollten

Harnverlusts.

5.2.5 Die Restharnmessung

Die Restharnmessung ist notwendig, wenn der/die Betroffen die Blase nicht vollständig

entleeren kann. Durch den verbleibenden Restharn in der Blase kann es zu einer

aufsteigenden Infektion der Harnleiter und des Nierenbeckens bis zur gesamten Niere

kommen.

Die Messung des Restharns wird mit einer Ultraschalluntersuchung nach der

Blasenentleerung durchgeführt. Dazu stehen in einzelnen Einrichtungen bereits tragbare

Geräte zur Verfügung, die auch von einer/m DGKS/P nach ärztlicher Anordnung bedient

werden können.

In Ausnahmefälle und zwar dort, wo kein Ultraschallgerät zur Verfügung steht, kann die

Restharnkontrolle auch mittels Einmalkatheterismus festgestellt werden (vgl. DNQP

2007, S.63).

5.2.6 Kontinenzprofile

Im Rahmen der Entwicklung des Expertenstandards „Förderung der Harnkontinenz in

der Pflege“ hat die ExpertInnengruppe in Anlehnung an Fonda (1990) und

Palmer/Czarapata/Wells/Newman (1997) Kontinenzprofile entwickelt (vgl. DNQP 2007,

S.34).

Nachdem die Inkontinenzanamnese und ggf. das Miktionsprotokoll abgeschlossen

wurden, fasst die Pflegefachkraft die erhobenen Informationen im Kontinenzprofil

zusammen. Der eigenständige Umgang mit der vorliegenden Inkontinenz wird ebenso

festgehalten wie der Grad der Abhängigkeiten von personeller und/oder materieller

Unterstützung. Die Festlegung des jeweiligen Kontinenzprofils ist das Ergebnis dieses

Prozesses (vgl. ebd., S.34, 54).

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Profil Merkmal Beispiel

Kontinenz Kein unfreiwilliger Harnverlust Keine personelle Hilfe notwendig Keine Hilfsmittel

Unabhängig erreichte Kontinenz

Kein unwillkürlicher Harnverlust Keine personelle Unterstützung notwendig Selbständige Durchführung von Maßnahmen

PatientInnen und BewohnerInnen, die durch eigenständigen Gebrauch von mobilen Toilettenhilfen, intermittierenden Selbst-Katheterismus oder Durchführung von Trainingsmaßnahmen (z.B. Blasentraining) keinen unwillkürlichen Urinverlust haben.

Abhängig erreichte Kontinenz

Kein unwillkürlicher Harnverlust Personelle Unterstützung bei der Durchführung von Maßnahmen notwendig

PatientInnen und BewohnerInnen mit begleitenden Toilettengängen zu individuellen/festgelegten Zeiten oder bei denen ein Fremd-Katheterismus durchgeführt wird

Unabhängig kompensierte Inkontinenz

Unwillkürlicher Harnverlust Keine personelle Unterstützung bei der Versorgung mit Hilfsmitteln

Es kommt zu einem unwillkürlichen Harnverlust, aber der Umgang mit Inkontinenzhilfsmitteln (aufsaugende Hilfsmittel, Kondomurinal, Blasenverweilkatheter), erfolgt selbständig.

Abhängig kompensierte Inkontinenz

Unwillkürlicher Harnverlust Personelle Unterstützung bei der Inkontinenzversorgung ist notwendig

Kompensierte Maßnahmen werden von einer anderen Person übernommen

Nicht kompensierte Inkontinenz

Unwillkürlicher Harnverlust Personelle Unterstützung und therapeutische bzw. Versorgungsmaßnahmen werden nicht in Anspruch genommen.

Dieses Profil trifft beispielsweise auf Betroffene zu, die nicht über ihr Inkontinenz sprechen wollen und deshalb keine personelle Hilfe oder Hilfsmittel in Anspruch nehmen bzw. aufgrund kognitiver Erkrankungen nicht akzeptieren

Abb. 4: Kontinenzprofile (DNQP 2007, S.35)

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Die folgende Grafik unterstützt die Pflegefachkraft, das jeweilige Kontinenzprofil

festzulegen.

Abb. 5: Einschätzen des Kontinenzprofils (nach Boguth 2010)

Das Kontinenzprofil wird gemeinsam mit dem/der Betroffenen besprochen. Unter

Einbeziehung der/des Betroffen wird eine Zielformulierung erarbeitet, die sich unbedingt

an den Wünschen und Möglichkeiten der Betroffenen orientieren muss. Die Erreichung

des nächst höheren Kontinenzprofils wird in jedem Fall das Ziel der Pflegefachkraft sein.

Ob dies nun auch den Vorstellungen der/des Betroffenen entspricht,, muss sorgsam

hinterfragt werden. In manchen Fällen ist das nächst höhere Kontinenzprofil nicht

erreichbar, aber es kann ein Ziel innerhalb des festgelegten Kontinenzprofils angestrebt

werden.

Die Formulierung der Ziele sollte realistisch und nachvollziehbar nicht nur für

Pflegefachkräfte, sonder auch für die Betroffenen sein. Zur Erreichung des Ziels sollten

zunächst Kurzziele, die angepasst an die Bedürfnisse der/des Betroffenen sind,

formuliert werden.

Beispiel:

KlientIn akzeptiert die Inkontinenz

KlientIn akzeptiert die Inkontinenzhilfsmittel und legt diese selbständig an

unwillkürlicher Harnverlust

Hilfmittel

personelle Unterstützung Kontinenz

personelle Untertützung

unabhänig erreichte Kontinenz

abhängig erreichte Kontinenz

Hilfsmittel

personelle Unterstützung

unabhängig kompensiete Inkontinenz

abhängig kompensierte Inkontinenz

personelle Unterstützung

nein nicht kompensierte Inkontinenz

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Die Pflegemaßnahmen werden dem jeweiligen Kontinenzprofil und den persönlichen

Erfordernissen der/des Betroffenen entsprechend, festgehalten. Um einen objektiven

Verlauf der Beratung (Betroffene führen Maßnahmen selbstständig durch) oder der

Pflege (in Langzeiteinrichtungen) verfolgen zu können, ist es notwendig, den Verlauf zu

dokumentieren.

Kann eine festgelegte Maßnahme nicht durchgeführt werden, wird dies innerhalb einer

Einrichtung entsprechend begründet. Laufende Beobachtungen zum Thema, die

laufende Beratung, Aufklärung und Anleitung der Betroffene sind schriftlich festzuhalten.

Weiters erfolgt die fortlaufende Dokumentation, welche Hilfsmittel verwendet wurden

und die Reaktion der Betroffenen darauf.

Werden die Betroffenen ambulant beraten, sollte zu Beginn der Beratung und Anleitung

engmaschigere Kontrolltermine vereinbart werden. Damit kann entweder eine Änderung

der Maßnahmen erfolgen oder motivierende Gespräche zur Unterstützung der

Zielerreichung stattfinden, da sich manchmal die erwarteten Erfolge erst nach längerer

Zeit einstellen.

6 Auswirkungen der Harninkontinenz

In diesem Kapitel sollen die Auswirkungen von Inkontinenz auf Betroffene, deren

Angehörige, auf Pflegende und schlussendlich die ökonomischen Aspekte der

Gesellschaft dargestellt werden.

6.1 Auswirkung auf die Lebensqualität der Betroffenen

Harninkontinenz, insbesondere wenn sie im Alter auftritt, ist für die Betroffenen ein

gewaltiges Problem, welches neben primären Krankheitssymptomen auch mit einer

Beeinträchtigung der Lebensqualität einhergeht (vgl.

Andersson/Rashidkhani/Karlberg/Wolk/Johansson 2004; Hunskaar/Lose/Sykes/Voss

2004 in: Braumann 2010, S.14). Die Auswirkungen der Inkontinenz auf das Leben der

Betroffenen sind vielfältig und werden von den einzelnen Personen auch unterschiedlich

erlebt (vgl. Roe 2000; O´Donnell 2005 in: Braumann 2010, S.23). In den folgenden

Darstellungen sollen einige wesentliche Bereiche näher betrachtet werden.

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Untersuchungen zu den Auswirkungen der Harninkontinenz auf die Lebensqualität von

Betroffenen und ihren Angehörigen sind rar. Dies wurde auch von den

Pflegefachkräften, die am Expertenstandard „Kontinenzförderung in der Pflege“ (2007)

mitarbeiteten, festgestellt. Aus diesem Grund initiierten sie selbst Studien zu diesem

Thema.

So stellte Hayder (2010a) in einer zweieinhalb Jahre dauernden Studie fest, dass

Menschen mit Harninkontinenz aus unterschiedlichen Gründen Harn verlieren. Der

plötzliche Beginn einer Harninkontinenz geht meist mit einem akuten Geschehen wie

einem Unfall oder lebensbedrohlichen Erkrankungen einher. Bei den Betroffenen steht

zunächst die Bearbeitung/Bewältigung des akuten Ereignisses im Vordergrund. Erst

danach wird ihnen bewusst, dass sie die Harnausscheidung nicht mehr willentlich

beherrschen können. Sie versuchen mit aller Macht die Kontinenz wiederzuerlangen.

Dieser Kampf gegen die Belastungen der Harninkontinenz dauert oft sehr lange an. Erst

wenn das Belastungserleben sinkt, können die Betroffenen die Inkontinenz annehmen,

sie gänzlich zu akzeptieren, gelingt jedoch schwer (vgl. ebd., S.29).

Anders stellt sich die Situation bei Betroffen dar, die einen schleichenden Beginn der

Inkontinenz verzeichneten. Viele der Betroffenen sind Frauen und sie berichten von

Problemen nach der Entbindung und/oder über Bindegewebsschwäche, die familiär

gehäuft vorkam. Ältere Frauen sehen Inkontinenz als natürliches Phänomen des

Alterungsprozesses an. Eine Annahme, bei der sie oft durch niedergelassene ÄrztInnen

bestärkt werden. Viele Betroffene erinnern sich nicht mehr an das erste auslösende

Ereignis der Harninkontinenz. Sie leiden oft Jahre daran. Die Autorin stellt fest, dass sich

die meisten an Einzelsituationen erinnern, die für sie besonders peinlich waren und bei

welchen ihnen bewusst wurde, dass sie tatsächlich inkontinent waren (vgl. ebd.,S.29).

Die Belastungen von Betroffenen durch Inkontinenz wurden von Ahnis (2008)

untersucht. Die von den Interviewten genannten Belastungen wurden in 15 Kategorien

zusammengefasst und fünf Ebenen zugeordnet:

1. Körperliche Ebene (3 Kategorien: „Unwohlsein/Erschöpfung“,

„Entzündungen/Schmerzen“, „Geruch“)

2. Verhaltensebene (4 Kategorien: „Verstärkte Hygiene“, „Veränderte Kleidung“,

„Aufbewahrungs- und Transportprobleme“, „Toilettensuche“)

3. Psychische Ebene (4 Kategorien: „Angst/Unsicherheit“, „Kontrollverlust/Wut“,

„Scham“, „Ekel“

4. Soziale Ebene (3 Kategorien: „Eingeschränkte soziale Aktivität“, „Eingeschränkte

soziale Beziehungen“, „Problem in Partnerschaft und Sexualität“)

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5. Ökonomische Faktoren (1 Kategorie: „Finanzielle Belastung“)

(Ahnis 2008 in: Ahnis/Boguth/Braumann/Kummer/Siezmair/Seither 2008, S.67)

Bei der Darstellung der Ergebnisse wurde deutlich, dass für die Betroffenen die

Belastungsfaktoren der psychischen Ebene deutlich überwogen. Danach folgten die

Belastungen der Sozialen und der Verhaltensebene (vgl. Ahnis 2008 in: Ahnis et al.

2008, S.67; Braumann 2010 S.42).

6.1.1 Akzeptanz der Inkontinenz

Menschen, die an Harninkontinenz leiden, erleben den eigenen Körper als

unberechenbar. Die betroffenen Menschen können die Blasenentleerung nicht mehr

willentlich steuern. Viele Betroffene spüren entweder die volle Blase oder den Harndrang

nicht mehr. Sie verlieren Harn sowohl in ruhender Position als auch in Bewegung (vgl.

Hayder 2010a, S.30). Wie eine TeilnehmerIn berichtet: „Ich kann nicht gehen, nicht auf

hartem Boden auftreten, schnell gehen, weil die Erschütterung schon reicht, ich kann

mich nicht bücken, ich kann nicht heben und nicht tragen, niesen, husten, ist das

Übliche.“ (Hayder 2010a, S.28).

Andere Betroffene verspüren zwar den Harndrang, sehen darin auch die Möglichkeit, die

Blase noch rechtzeitig zu entleeren. Doch geht das Dranggefühl oft mit der Panik einher,

die Toilette nicht rechtzeitig zu erreichen und den Harn plötzlich zu verlieren. Der

Harndrang lässt bei Menschen, die ihn spüren zwar mehr Kontrolle zu, als bei

Menschen, die ihn nicht verspüren. In beiden Fällen ist aber der Harnverlust

unvermeidlich.

Diesen Moment erleben die Betroffenen als schutzlos ausgeliefert. Besonders in der

Öffentlichkeit wird dieses Gefühl besonders schlimm, da es darum geht, möglichst nicht

aufzufallen. Viele Betroffene fühlen sich hilflos, sie sind verzweifelt und beschämt und

reagieren wütend auf ihren Körper. Bei manchen leidet das Selbstwertgefühl, sie

schildern, dass sie sich wie ein „halber Mensch“ oder ein „Kleinkind“ fühlen. Besonders

schlimm erleben manche Betroffene die dauerhafte Einschränkung ihres Lebens, welche

durch die Inkontinenz unfrei und unflexibel wird (vgl. Hayder 2010a, S.28).

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6.1.2 Soziale Auswirkungen

Menschen mit Inkontinenz fühlen sich in ihren eigenen Wohnräumen sicherer. Sie haben

dort die Toilette, können den Gang dorthin einschätzen und diese rechtzeitig aufsuchen,

wenn sie den Harndrang verspüren. Im sicheren Bereich des eigenen Wohnumfeldes

stehen alle erforderlichen Pflegeutensilien zur Verfügung oder Kleidung kann

gewechselt und gereinigt werden, wenn dies erforderlich sein sollte.

Der öffentliche Raum stellt für viele Menschen mit Inkontinenz einen unsicheren Bereich

dar, ist für manche sogar eine Bedrohung. Menschen lernen von Kindesbeinen an, sich

im öffentlichen Bereich sozial angepasst zu verhalten. Das Entleeren der Blase findet

sozial angepasst unauffällig in einer Toilette statt. Öffentliche Toiletten sind oft nicht

einfach zu finden, wirken unhygienisch und wenig einladend, sind nicht selten sehr eng

und mitunter auch verschmutzt (vgl. Hayder 2010a, S.30; Braumann 2010, S.139).

Es ist daher wenig verwunderlich, dass manche Menschen, die an Inkontinenz leiden,

ihre Wohnung nur für jene Wege verlassen, die sie genau kennen, wo sie wissen, an

welcher Stelle eine Toilette ist, die sie aufsuchen können. Andere Betroffene haben

laufend ihren Blick auf eine Uhr gerichtet. Je nach Ausprägung der Inkontinenz kann das

Zeitfenster zwischen den Blasenentleerungen sehr gering sein. Hayder (2010a) stellte in

ihrer Untersuchung fest, dass Betroffene über eine Einschränkung an Spontanität

klagen, da sich alle Aktivitäten an der Blasenentleerung orientieren müssen. So schildert

eine Betroffene:

„Das ist immer präsent, das man so nach unten horcht“ (Hayder 2010a, S.30).

6.1.3 Einschränkung der sozialen Kontakte und Aktivitäten

Die Auswirkungen der Harninkontinenz schränken die Betroffenen stark in ihren

Aktivitäten ein. Besonders sportliche Aktivitäten werden mit dem Erkennen, inkontinent

zu sein, eingestellt. Sportarten wie Joggen, Rad fahren, Ballsportarten, werden oft

gänzlich eingestellt. Theater-, Konzert- oder Kinobesuche werden ebenso

eingeschränkt, denn für all diese Aktivitäten sind umfassende Planungen erforderlich.

Der ständige Begleiter bleibt die Angst, dass in der Öffentlichkeit ein Missgeschick

passiert.

So stellen Betroffene häufig ihre Aktivitäten ein, treffen sich auch nicht mehr mit

KollegInnen aus Sport- oder Theaterrunden. Lehnen selbst Einladungen des engeren

Freundeskreises ab und isolieren sich zunehmen (vgl. Hayder 2010a S.30; Braumann

2010, S.139).

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Die Einschränkungen betreffen auch die Kleidung. So soll Kleidung in jedem Fall

mögliche Inkontinenzepisoden verdecken – Stoffe sind meist dunkel und dicker, die

Oberbekleidung wird in vielen Fällen das Gesäß bedecken. Bei Ausgängen jeglicher Art

ziehen Betroffene häufig frische Unterwäsche an.

Genussmittel wie Kaffee oder Alkohol führen bei manchen Menschen verstärkt zur

Harnproduktion. Sie werden daher von manchen Betroffenen besonders vor oder

während öffentlichen Kontakten gemieden (vgl. Hayder 2010b, S.135).

Viele Betroffene verfolgen oft gleichzeitig die Strategie, vor Ausgängen die Zufuhr von

Flüssigkeit einzuschränken. Manche verspüren zwar ein Durstgefühl, doch überwiegt die

Angst, in der Öffentlichkeit einen Harndrang zu verspüren und nicht rechtzeitig eine

Toilette zu finden.

6.1.4 Partnerschaft und Sexualität

„Die Inkontinenz zeigt sich in dem Körperbereich, der eng mit Sexualität verbunden ist“

(Hayder 2010a, S.30).

Somit hat die Inkontinenz in jedem Fall Auswirkungen auf die Partnerschaft. Bei

bestehenden Partnerschaften stellt sich die Frage, wie gehen die beiden betroffenen

Menschen damit um. Hayder (2010a) stellte in ihrer Untersuchung fest, dass sich

Betroffene in einer bestehenden Partnerschaft vor allem wünschen, vom/von der

PartnerIn akzeptiert zu werden, Verständnis für das Problem Inkontinenz zu finden,

Unterstützung bei der Bewältigung des Problems zu erhalten. Diese

Erwartungen/Hoffnungen werden nicht immer erfüllt, manche, auch langjährige

Beziehungen zerbrechen an der Problematik.

Allein stehende Personen fühlen sich bei der Suche nach einem/r PartnerIn durch die

Inkontinenz gehandikapt. Sie konfrontieren sich laufend mit der Frage, wann ist der

richtige Zeitpunkt darüber zu sprechen und wie wird er/sie reagieren? Betroffene mit

einer leichten Inkontinenz können dies verschweigen, nicht so jene, die an einer

schweren Harninkontinenz leiden. Spätestens zum Zeitpunkt der ersten Intimitäten

werden Hilfsmittel sicht-, bzw. fühlbar. Eine neue Partnerschaft einzugehen ist für die

Betroffenen mit einem großen Wagnis verbunden. Sie müssen mit der Reaktion der

Person leben, wenn sie ihre Inkontinenz offenbart haben (vgl. ebd., S.30).

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6.1.5 Inkontinenz im beruflichen Alltag

Für berufstätige Menschen ist die Inkontinenz im beruflichen Umfeld eine

Herausforderung für sich. Zumeist sind die ArbeitskollegInnen nicht in die Problematik

eingeweiht. Je nach Art der Tätigkeit, der Betroffene nachgehen, werden sich die

Hürden im Alltag herausstellen. Bei beruflichen Tätigkeiten in einem Gebäude werden

sich die Probleme mitunter leichter bewältigen lassen, da die Toilette jederzeit

aufgesucht werden kann. Frauen wiederum werden weniger Problem vorfinden, eine

Inkontinenz diskret zu verstecken, sind doch alle Damentoiletten auf die Monatshygiene

der Frauen ausgerichtet. Herrentoiletten hingegen verfügen selten über geeignete

Entsorgungsmöglichkeiten für saugende Inkontinenzhilfsmittel, stehen doch kaum

entsprechende Abfalleimer in den Toiletten zur Verfügung. Große Herausforderungen

kommen auf Betroffene zu, die die Blase mittels intermittierenden Katheterismus

entleeren müssen. Auch Personen, die einer beruflichen Tätigkeit außerhalb eines

Gebäudes nachgehen oder als Handlungsreisende unterwegs sind, stehen oft

schwierigen Situationen gegenüber.

Eine Inkontinenzepisode im Rahmen der beruflichen Tätigkeit ist für Betroffene eine

besonders peinliche und angstbesetzte Vorstellung (vgl. Hayder 2010a, S.31).

6.1.6 Umgang mit Inkontinenzhilfsmittel

Hayder (2010b) stellte fest, dass Betroffene Inkontinenz als räumliche und zeitliche

Einschränkung erleben. Manche von ihnen überwinden diese Einschränkung durch die

Verwendung von Inkontinenzhilfsmittel, jedoch nicht allen ist diese Möglichkeit bekannt

oder erwünscht.

Jenen, die sie verwenden, erlaubt erst diese Anwendung eine Teilnahme am

öffentlichen Leben. „… Wenn Sie ne schlechte Versorgung haben, sind Sie

eingeschränkt. Sie könne nicht in die Stadt gehen. Sie können nicht ins Kino gehen oder

mal spazieren gehen; das geht einfach dann nicht“ (Hayder 2010b, S.135).

Je ausgeprägter die Inkontinenz ist, desto höher ist die Notwendigkeit, Hilfsmittel zu

nutzen. Für viele Betroffene ist die Suche nach dem geeigneten Hilfsmittel mit viel Zeit

verbunden. Sie probieren mit unter viele verschiedene Produkte aus, bis sie das für sie

geeignete gefunden haben. Getestet werden unterschiedliche Produkte – ableitende

oder aufsaugenden – in verschiedenen Ausfertigungen, Größen, und zu

unterschiedlichen Preisen. Gesucht wird jenes Produkt, das die größtmögliche

Sicherheit mit dem größten Tragekomfort verbindet und zu einem moderaten Preis zu

erhalten ist. Dabei werden Betroffene selten einschlägig beraten, sondern sie suchen

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mittels Praxistest das für sie geeignete Produkt zu finden. Folgende Qualitätsmerkmale

spielen dabei eine Rolle:

Aufnahmekapazität

Aufsauggeschwindigkeit des Harns

Tragekomfort (die Haut fühlt sich trocken an)

Keine Geruchsentwicklung

Hautverträglichkeit

Betroffene, die eine leichte Inkontinenz haben, nutzen nicht immer die Möglichkeit von

Hilfsmitteln. Andere greifen auf diese Möglichkeit nicht zurück, da sie meinen, es gibt

keine geeigneten Hilfsmittel für sie, oder sie leiden an einer hohen Hautempfindlichkeit

oder sorgen sich wegen Infektionen. Sie nutzen als Alternative Handtücher,

Toilettenpapier oder Taschentücher. Andere modifizieren ihr Verhalten, indem sie vor

einem Gang in die Öffentlichkeit wenig bis gar nichts an Flüssigkeit zu sich nehmen (vgl.

Hayder 2010b, S.236).

6.1.7 Informationsbedarf

Information als Begriff kann verschiedene Bedeutungen haben. Einerseits kann eine

Information eine selbständige Nachricht aber auch Bedeutungsinhalt und Wirkung einer

Nachricht sein. Anderseits „… ist Information ein Prozess“ (Rauterberg 1989 in:

Braumann 2010, S. 28). So beschreiben Menschen die Situation vor dem Empfang der

Information als Ungewissheit, diese verändert sich in einen Zustand der Informiertheit

und der Gewissheit, wen die Information übermittelt wurde. Durch die Information zur

chronischen Erkrankung werden die Betroffenen mit einbezogen, sie erlangen damit

Kontrolle über weitere Entscheidungen, können diese gestalten und Angst kann

reduziert werden. Den Pflegenden gelingt dadurch eine Verbesserung der Compliance,

da die Betroffenen an einer Verbesserung interessiert sind und aktiv ihre Ressourcen

zur Selbstpflege einbringen. Weiters kann durch gezielte Information eine effiziente

Nutzung der Ressourcen im Gesundheitssystem erreicht werden. Sind Betroffene

Menschen nicht oder nur mangelhaft informiert, können sie die zur Verfügung stehende

Angebote zur Versorgung oder/und Pflege kaum nutzen (vgl. Braumann 2010, S. 31).

In einigen Studien wurden Untersuchungen zum Informationsbedarf von Ärzten/Innen

und anderen Berufsgruppen des Gesundheitswesens durchgeführt. Hierbei konnte zwar

kein direkter Einfluss der Informationsnutzung der Gesundheitsberufe auf die Pflege-

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und Versorgungsqualität nachgewiesen werden, doch konnte ein indirekter Nutzen für

die Betroffenen durch professionelle Berufsgruppen beschrieben werden (vgl. Braumann

2010, S. 31).

Jeder Mensch hat seine eigene, individuelle Art, mit einer Erkrankung umzugehen und

es ist wichtig, die Informationen an die jeweiligen Bewältigungsstrategien der

Betroffenen anzupassen. „In der Literatur werden zwei Grundtypen beschrieben: die

Informationssuchenden (Monitors) und die Informationsvermeidenden (Blunters)“

(Miller/Brody/Summerton 1988 in: Braumann 2010, S.32). Informationssuchende sind

Personen, die sich eingehend zu ihrer Erkrankung informieren. Sie benötigen zur

Krankheitsbewältigung umfassende Informationen und erwecken häufig den Eindruck,

zu wenig an Informationen erhalten zu haben. Sie sind auch jene Gruppe von

Betroffenen, die aktiv ihren Krankheitsverlauf mitentscheiden. Informationsvermeidende

hingegen geben sich mit wenig Information zufrieden. Im Umgang mit ihnen haben

Pflegende oft den Eindruck, die Betroffenen befinden sich in der Situation, als ob sie

noch nie etwas von ihrer Erkrankung und ihren Auswirkungen gehört hätten (vgl. ebd.,

S.33).

Boguth (2008) stellte in einer Querschnittsstudie, mit 73 Frauen und 50 Männer im Alter

von 60 bis 94 Jahren, die an Stress-, Drang- oder Mischinkontinenz litten, fest, dass die

Befragten den Informationsbedarf zur Inkontinenz sehr hoch einschätzten. Informationen

zur Verringerung des Harnverlustes, zu den Ursachen der Harninkontinenz und zum

Erfolg einer entsprechenden Therapie wurden dabei als sehr hoch bewertet. Sehr oft

wurde auch die Information zum individuellen Umgang mit dem Harnverlust,

Geruchsreduzierung und zu Inkontinenzhilfsmitteln genannt. Der Informationsbedarf von

Frauen und Männern unterscheidet sich kaum. Frauen zeigten einen höheren Bedarf an

Information zu „Harninkontinenz und Alter“, Körperteile und Blasenkontrolle“,

Verstärkung der Harninkontinenz“, „Wirksamkeit der Therapie“, und Prävention von

Blasenentzündungen“ (Boguth 2008 in: Ahnis et al. 2008, S.67), Männer wiederum

wollten mehr über „Harninkontinenz und Sexualleben“ informiert werden.

Informationen zu „Harninkontinenz und Sexualleben“ spielt für Menschen unter 70

Jahren eine wichtigere Rolle, als für Menschen, die das 70ste Lebensjahr überschritten

haben. Diese finden Informationen zur Kompensation des Harnverlustes – Umgang mit

Inkontinenzhilfsmittel und deren Organisation – sowie die Vermeidung von

Harnwegsinfektionen wichtig (vgl. Boguth 2008 in: Ahnis et al. 2008, S.68).

Braumann (2010) untersuchte in einer Querschnittstudie den Zusammenhang von

Information, Zufriedenheit und Lebensqualität in einer Gruppe von Frauen und Männern

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ab dem 60. Lebensjahr. An der Studie nahmen 58 Männer (44,3%) und 73 Frauen

(55,7%) im Alter zwischen 60 und 94 Jahren, teil.

Im Rahmen einer explorativen Faktorenanalyse wurden 4 Faktoren erhoben. Die Items

des Faktor I „Alltagskenntnisse und –kompetenzen stehen mittelbar mit dem

Management des ungewollten Harnverlustes in Zusammenhang. Die Auswirkungen der

Harninkontinenz und deren Folgen auf die Betroffenen wurden dabei betrachtet. Für die

Betroffenen stand zumeist alltägliche Probleme wie die Organisation von Hilfsmitteln und

deren konkrete Benutzung im Vordergrund. In diesem Zusammenhang dürfen die

finanziellen Belastungen (private Beschaffung von Hilfsmittel, vermehrter

Wäscheverbrauch, hohe Elektrizitätskosten,…) nicht unterschätzt werden.

Die unter diesem Faktor zusammengefassten Informationsbedürfnisse beziehen sich auf

Informationsbedürfnisse zeitnah am Auftreten der Harninkontinenz zur Kompensation

und Bewältigung dieser (vgl. Braumann 2010, S.87).

Im Faktor 2 „Therapie und Nebenwirkungen“ werden die professionellen Therapien und

ihre Nebenwirkungen dargestellt. Für Menschen mit Inkontinenz ist die Information zu

Therapiemöglichkeiten eine sehr wesentliche, da sie ein hohes Interesse an der Heilung

bzw. Besserung der Inkontinenz haben.

Abb. 6: Schematische Zuordnung der Items zu den Faktoren nach Faktorenanalyse (Braumann 2010, S. 88)

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In Faktor 3 „Allgemeine Wissensbasis“ werden jene Bereiche eingebunden, die

grundlegende Informationen zur Harninkontinenz, Risikofaktoren und

pathophysiologische Aspekte ansprechen.

Im Faktor 4 „Familie und Emotionen“ stehen die familiären und emotionalen

Auswirkungen der Harninkontinenz im Fokus.

In allen Bereichen wurde der Informationsbedarf als sehr hoch eingeschätzt. Im Rahmen

der Studie wurde auch die Zufriedenheit mit der Information durch professionelle

Berufsgruppen erfragt. Diese wurde durchwegs positiv bewertet, im Vordergrund stand

die Information durch ÄrztInnen. Pflegepersonen oder KontinenzberaterInnen wurden

weniger oft um Rat gefragt, doch konnte im Rahmen der Studie ein Trend in diese

Richtung festgestellt werden. Bestätigt wurde die Belastung der Betroffen durch die

Inkontinenz, insbesondere, wenn diese nicht geheilt werden konnte. Aufgezeigt wurde in

diesem Zusammenhang aber, dass die Bewältigungsstrategien zu einer höheren

Zufriedenheit führten, wenn die Betroffenen ausreichend und auf ihre Bedürfnisse hin

mit Informationen versorgt wurden.

In den wenigen Untersuchungen zur Bedeutung der Information für Menschen die von

Inkontinenz betroffen sind, konnte festgestellt werden, dass für diese Betroffenen

einerseits die Information zum Umgang mit Inkontinenz, als auch andererseits die

Kommunikation zur und über Inkontinenz von immanenter Wichtigkeit waren (Boguth

2008 in: Ahnis et al. 2008, S.67; Braumann 2010).

6.2 Pflegende Angehörige und Inkontinenz

In Österreich werden rund 80% der pflegebedürftigen Menschen zu Hause von ihren

Angehörigen gepflegt (vgl.Hörl 2008, S. 363; Riedel/Kraus 2010, S.2). Auch zum

Bereich „Pflegende Angehörige“ gibt es keine nachweislichen Zahlen. Die Angaben

beziehen sich auf Schätzungen, die mit der Anzahl von PflegegeldbezieherInnen

einhergehen. Inkontinenz ist eine der großen Herausforderungen für pflegende

Angehörige. Nicht nur, dass die Betreuung eine sehr schwere Arbeit ist, an Körper aber

auch Psyche zerrt, erschwert sich in den meisten Fällen die Situation durch eine Harn-

und/oder Stuhlinkontinenz der zu Betreuenden. Hayder gibt 2006 an, dass rund 50% der

von pflegenden Angehörigen Betreuten an Inkontinenz leiden und zieht für diese

Aussage die Arbeit von Noelker (1987) heran (vgl. Hayder 2006, S.11). Die Annahme,

dass die Zahl der von Inkontinenz Betroffenen eher bei 70% liegt, ist 2011 durch den

Anstieg der Lebenserwartung berechtigt.

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6.2.1 Belastungen für Pflegende Angehörige

Entsprechend der wachsenden Lebenserwartung leben ältere bis hochbetagte

Menschen zunehmen länger in ihren Wohnungen und benötigen die Unterstützung oder

Pflege ihrer nächsten Angehörigen.

Die Komplexität der Aufgaben, die auf pflegende Angehörige mit zunehmender

Pflegebedürftigkeit der zu Betreuenden zukommt, ist enorm. Häufig werden sie mit

dieser Situation alleine gelassen. Hilfestellungen durch die öffentliche Hand gibt es,

kann oder wird aber nicht immer wahrgenommen.

Seither (2008) untersuchte die Belastungen von pflegenden Angehörigen durch die

Inkontinenz der Personen, die sie betreuen. Betroffene berichteten über die zeitlichen,

körperlichen, sozialen und emotionalen Veränderungen, die durch die aufgetretene

Inkontinenz bei ihren jeweiligen Angehörigen in ihrem eigenen Leben entstanden. Dazu

zählt unter anderem der sensibilisierte Geruchssinn – Angehörige schilderten, dass sie

glauben, es rieche nach Harn, wo es gar nicht danach riechen kann. Auch von der

Scham vor Menschen aus dem weiteren Bekanntenkreis, wenn die gemeinsame

Wohnung feuchte Flecken von verlorenem Harn aufweist oder nach Harn riecht, wird

berichtet. Angehörige berichteten aber auch über die Probleme in der Betreuung des/r

inkontinenten Betroffenen, da die Information zur Diagnose durch den/die Arzt/Ärztin

fehlte. Die fehlende Beratung zu Hilfsmittel verursachte oft einen finanziellen

Mehraufwand. Einer große Belastung unterliegt auch die Beziehung zwischen

pflegendem Angehörigen und Betoffenem/r. Beschrieben werden unter anderem

Konflikte, die hinsichtlich Inkontinenz auftreten, insbesondere dann, wenn sich der/die

Betroffene weigert, Inkontinenzhilfsmittel zu akzeptieren (vgl. ebd., in: Ahnis et al. 2008,

S.70).

6.2.2 Akzeptanz der Inkontinenz

Für pflegende Angehörige ist es nicht leicht, die Harninkontinenz der/des zu

Betreuenden zu akzeptieren. Sie versuchen sehr lange, die Harninkontinenz der

Betroffenen zu verstecken. Sie versuchen, Strategien zu entwickeln, damit die

Inkontinenz nicht auffällt, dazu geleiten sie z.B. den/die inkontinente Angehörige häufig

zur Toilette und übernehmen sich nicht selten auch körperlich.

Die Unberechenbarkeit der Inkontinenz und die damit verbundenen körperlichen

Anstrengungen sind nicht selten die Ursache für die Einweisung in ein Pflegeheim. Vor

allem, wenn die Betreuungsperson meist im selben Alter wie der/die zu Pflegende ist,

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sind die Grenzen der Machbarkeit bald erreicht. Pflegende Angehörige haben durch die

starke Inanspruchnahme durch die Betreuung kaum die Möglichkeit, sich zu erholen. Oft

schlafen sie in der Nacht nicht durch, da sie das eingenässte Bett überziehen müssen.

Sie nehmen sich auch kaum Zeit, Selbsthilfegruppen oder einen Stammtisch für

pflegende Angehörige zu besuchen. In den meisten Fällen ist der/die PartnerIn die

einzige Betreuungsperson der/s zu Pflegenden und sie wagen sich daher nur kurz aus

dem Haus (vgl. Volkshilfe Steiermark, 2010).

6.3 Ökonomische Auswirkungen der Inkontinenz

Die ökonomische Dimension der Inkontinenz betrifft sowohl den/die Betroffene selbst,

deren Angehörige sowie die Kostenträger im Gesundheitswesen.

Aufgrund der hohen Prävalenz und der Verschiebung der Alterspyramide mit einer

zunehmend höheren Lebenserwartung gewinnt die ökonomische Dimension ebenfalls

zunehmend an Bedeutung. Es wurden bereits verschiedene Studien zu ökonomischen

Aspekten der Inkontinenz durchgeführt, doch sind die Ergebnisse mit Vorbehalt zu

interpretieren. Die Untersuchungen wurden in verschiedenen Teilen der Welt

durchgeführt. Die einzelnen Gesundheitssysteme sind kaum miteinander vergleichbar.

Oder es wurde nur eine bestimmte Gruppe in die Untersuchung einbezogen, nur Männer

oder nur Frauen, oder bestimmte Altersgruppen, in anderen Bereichen wurden nur

bestimmte Formen der Harninkontinenz einbezogen.

Betrachtet man nun die Kosten, die Inkontinenz verursacht, so lassen sich diese in drei

Kategorien einteilen: direkte, indirekte und intragible Kosten (vgl. Wulf 2009, in:

Perabo/Müller 2009, S.25ff).

6.3.1 Direkte Kosten

Direkte Kosten sind Kosten, die durch Behandlung der Erkrankung entstehen. Dazu

zählen z.B. Kosten für

Arztbesuch

Diagnostische Untersuchungen

Medikamente

Operative Therapien

Konservative Therapien (z.B. Beckenbodentraining)

Hilfsmittel

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44

Im Rahmen einer europaweiten Arbeitsgruppe - der Prospective Urinary Incontinence

Research-Studie (PURE), wurde eine prospektive, nicht interventionelle

Anwendungsbeobachtung durchgeführt, in der über 6 Monate die direkten Kosten der

Harninkontinenz evaluiert wurden.

Mittels dieser Studie wurde beispielweise die Verteilung der einzelnen Kosten auf die

unterschiedlichen Inkontinenzformen untersucht. So wurde gezeigt, dass die Kosten für

Arztbesuche und diagnostische Untersuchungen bei Belastungs-, Drang- und

Mischinkontinenz ähnlich verteilt sind. Jedoch liegen die durchschnittlichen

Medikamentenkosten bei der Dranginkontinenz mit 107,-- €/Jahr/PatientIn weit über

jenen der Belastungsinkontinenz mit 47,-- €/Jahr/PatientIn, bei der Mischinkontinenz

betragen sie 86,-- €/Jahr/PatientIn.

Betrachtet man hingegen die Kosten der saugenden Inkontinenzhilfsmittel, sind diese

bei der Mischinkontinenz mit durchschnittlich 300,-- €/Jahr/PatientIn höher als bei der

Dranginkontinenz mit 235,-- €/Jahr/PatientIn und der Belastungsinkontinenz mit 224,--

€/Jahr/PatientIn.

Abb. 7: Kosten Harninkontinenz (vgl. Wulf 2009, in: Perabo/Müller 2009 S.27)

Insgesamt hat die Studie gezeigt, dass die gesamten Kosten für Inkontinenzhilfsmittel

cirka die Hälfte der jährlichen Gesamtkosten ausmacht (vgl. Wulf 2009 in: Perabo/Müller

2009, S.27).

Dieser in Deutschland hohe Kostenanteil an saugenden Inkontinenzhilfsmitteln ist im

europäischen Vergleich mit Großbritannien, Irland und Spanien auffallend hoch. Die

europaweite Studie zeigte auch deutlich, dass die Kosten für konservative Therapien in

Großbritannien und Irland am höchsten sind.

Inkontinenzhilfsmittel

Operationen

Medikamente

Arztbesuch

Diagnostische Untersuchungen

Konsevative Therapie

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Die AutorInnen stellen aber auch fest, dass die Datenerhebung für die Studie schwierig

war. Berücksichtigt werden muss auch der Erfolg oder Misserfolg einer therapeutischen

Anwendung. Dazu gibt es gesonderte Studien, die innerhalb der Medizinischen Bereiche

– z.B. Wirkung von einzelnen medikamentösen Wirkstoffen oder die Erfolgsraten von

Operationstechniken – erstellt werden (vgl. Wulf 2009 in: Perabo/Müller 2009, S.27).

6.3.2 Indirekte Kosten

Die indirekten Kosten berücksichtigen im Gegensatz zu den direkten Kosten die

Aufwendungen, die durch einen Rückgang der Produktivität insbesondere am

Arbeitsplatz verursacht werden. Sie betrachten auch Kosten, die indirekt durch

Inkontinenz verursacht werden z.B. Anstieg des Wasserverbrauchs durch häufigeren

Toilettenbesuch, häufigeres Duschen, sowie vermehrtes Wäsche waschen und ein

größerer Verbrauch an Verwendungsgüter wie Toilettenpapier, Waschpulver, Duschgel.

Darüber hinaus beinhalten indirekte Kosten auch den Zeitaufwand der gegebenenfalls

durch einen höheren Pflegeaufwand hervorgerufen werden kann. Indirekte Kosten sind

wesentlich schwerer zu erheben und damit messbar zu machen als direkte Kosten und

folglich finden sie in publizierten Daten in der Regel keine Berücksichtigung (vgl. Wulf

2009 in: Perabo/Müller 2009, S.28).

6.3.3 Intragible Kosten

Unter intragiblen Kosten versteht man die Belastungen, die psychologische und

physiologische Auswirkungen auf die Betroffenen haben. Sie haben somit Einfluss auf

die Lebensqualität. Diese lässt sich anhand von Fragebögen zur Lebensqualität

erheben. Allerdings sind die erhobenen Daten subjektiv und sie sind nicht in Zahlen oder

in Form von Kosten greifbar.

Darüber hinaus sollten noch Kosten betrachtet werden, die durch Folgeerkrankungen

entstehen können. So wurde unter anderem in Studien belegt, dass die Häufigkeit eines

Sturzes bei Menschen mit Inkontinenz doppelt so hoch ist als bei Gleichaltrigen ohne

Inkontinenz.

In jedem Fall lässt sich sagen, dass die ökonomischen Auswirkungen der Inkontinenz

noch nicht ausreichend untersucht wurde (vgl. Wulf 2009 in: Perabo/Müller 2009, S.29).

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6.4 Scham und Ekel

Inkontinenz ist eine Erkrankung mit meist chronischem Verlauf und betrifft den

Urogenitaltrakt und damit einen Bereich, der in unserer Gesellschaft grundsätzlich

tabuisiert und schambesetzt ist (vgl. Ahnis 2008 in: Ahnis et al. 2008, S. 62).

6.4.1 Definition von Scham und Ekel

Das Wort Scham entstammt dem Germanischen und bedeutet so viel wie „zudecken,

verbergen“ (Hofgruber 2006, S.10).

Scham- und Ekelgefühle haben für den Menschen wichtige Schutzfunktionen. Durch das

Gefühl des Ekels erkennt der Mensch, welche Substanzen durch Zerfallsprozesse für

ihn gefährlich sind. Das Gefühl der Scham schützt davor, menschliche Intimbereiche zu

entblößen. Scham entsteht vor allem für jene Körperbereiche und deren Funktionen, die

Menschen auch an anderen als ekelig empfinden (z.B. Bereiche der

Ausscheidungsorgane) (vgl. Pernlocher-Kügler 2003, S. 54ff).

Die Definition des Wortes Ekel scheint für den Bereich Pflege nicht eindeutig belegbar

zu sein (Krey 2003, S.27; Fischer 2006, S.8; Albrecht/Keßler 2006, S.5f). Krey (2003)

beschreibt, wie schwierig sich ihr Versuch gestaltete, anhand von einschlägigen Lexika

der Pflege und Medizin eine Begriffsdefinition festzulegen. Sie stellte fest: „Das

Phänomen »Ekel» scheint in der Pflege ein ungeklärter Begriff zu sein“ (ebd., S.31ff).

Pernlocher-Kügler (2003) beschreibt Ekel als primäres Gefühl. Primäre Gefühle sind z.B.

Lust, Freude, Angst, Zorn, Sympathie oder eben Ekel sind schon früh – beim Säugling –

zu beobachten und universell. Universell bedeutet, diese Emotionen kommen in allen

Kulturen auf dieser Erde vor. Der Ekel gilt als Instinktrest der wie Geschmack und

Geruchssinn angeboren ist. Seine Aufgabe ist es, den Menschen vor toxischen und

infektiösen Substanzen zu schützen (vgl. ebd., S.54ff, 157ff).

„Im Zusammenhang mit Ekelreaktionen als Instinktrest sind einige neurologische

Aspekte interessant: Die Riechschleimhaut bindet Duftstoffe an die Riechzellen und

Gerüche werden von dort aus als elektrische Signale über Axone an den Riechkolben im

Gehirn weitergeleitet. Der Riechkolben steht über die Geruchsnerven in direkter

Verbindung mit dem Limbischen System. Das Limbische System ist in sehr alter Teil

unseres Gehirns, und es ist der Sitz der primären Emotionen. Für die typischen

physiologischen Ekelreaktionen (Speichelfluss, Würgereiz, Erbrechen) ist das

Brechzentrum mit dem Sitz im verlängerten Rückenmark zuständig. Als Teil des

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vegetativen Nervensystems sind die Aktivität des Brechzentrums nur sehr schwer zu

beeinflussen, was die Schwierigkeit erklärt, starken Ekel zu unterdrücken“ (Pernlocher-

Kügler 2004, S.5).

Somit ist dem Menschen der Ekel vor bestimmten Substanzen angeboren und wird vor

allem durch den Geruchs und Geschmacksinn ausgelöst.

6.4.2 Ekel in der Pflege

In der Pflege stehen Ekel und Scham in einem engen Zusammenhang. Overlander hat

die Auseinandersetzung des Phänomens Ekel in der Pflege untersucht. Sie stellte dabei

fest, dass die Lehrbücher zur Pflege noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts Informationen

zum Ekel enthielten. SchülerInnen der Krankenpflege erhielten wenigsten in Ansätzen

Informationen, welche Schwierigkeiten bei der Ausübung des Berufes auf sie zukommen

würden. Ab 1913 setzte sich allerdings die Auffassung durch, dass sich Pflegepersonen

nicht ekeln dürften. Diese „Ekelverbot“ setzte sich rasch durch und wurde für Pflegende

zu einem Berufsethos. In den 70er und 80er Jahren fand sich in der Pflegeliteratur nichts

mehr zum Phänomen Ekel. Noch heute vertreten viele Pflegepersonen die Meinung, sie

dürfen sich vor nichts ekeln und wenn es doch vorkommt, dürfe der/die KlientIn nichts

davon merken.

In den 90er wurde das Thema langsam wieder in der Pflege aufgegriffen und seit

einigen Jahren wird versucht, das Thema Ekel zu enttabuisieren (vgl. Overlander 2003

in: Pernlocher-Kügler 2003, S.147).

Der Mythos lautet: „In der Pflege oder in der Medizin ganz allgemein muss man in einen

Zustand kommen, in dem man sich vor nichts mehr ekelt. Ekel ist erlaubt, wenn es ganz

besonders grausig wird, aber Kotze, Kot, künstliche Ausgänge und Sputum dürfen

einem im Grunde nichts ausmachen, Mit der Zeit härtet man ab und irgendwann sind

auch die ganz argen Sachen nicht mehr schlimm. Intimwäsche, ganz egal bei wem, und

überhaupt die Arbeit mit Körpern sind weder peinlich noch ekelig“ (Pernlocher-Kügler

2004, S.4).

Doch dem steht entgegen, dass Ekel ein Gefühl ist und der Mensch unterschiedlich auf

bestimmte Reize reagiert. Pflegende in der Ausbildung haben besonders in den ersten

Ausbildungsjahren mit dem Ekel zu kämpfen. Die jeweiligen Auslöser für das Ekelgefühl

sind dabei individuell und auch unterschiedlich stark. Fischer (2006) meint,

„Hauptüberträger der Ekelempfindungen sind der „Geruchssinn“, der „Sehsinn“, der

„Tastsinn“ und der „Hörsinn“ (ebd., S.8).

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Gerüche empfinden Pflegepersonen als sehr nachhaltig, sie beschreiben mitunter, der

Geruch hänge an ihren Kleidern, sie werden ihn nicht mehr los, besonders, wenn mit

sehr extremen Pflegesituationen mit besonders ekelerregenden Gerüchen konfrontiert

waren. Auch der Tastsinn spielt bei der Entwicklung von Ekelgefühlen eine große Rolle,

z.B. bei der Berührung von breiigen, schleimigen Substanzen. Der Seh- und Hörsinn

spielen bei der direkten Entwicklung von Ekelgefühlen eine nachgeordnete Rolle, aber in

Zusammenhang mit Wissen, Assoziation und Erfahrung sind sie durchaus an der

Entstehung von Ekelgefühlen beteiligt (vgl. Fischer 2006; S.8; Pernocher-Kügler 2003,

S.147).

Sowinski (1991) untersuchte als eine der ersten im deutschen Sprachraum bereits 1991

den Umgang von Pflegepersonen mit Ekelgefühlen im Rahmen einer zweijährigen

Studie. Dazu befragte sie 30 Pflegefachkräfte, die zwischen zwei und 15 Jahren in ihrem

Beruf tätig waren. Aus dieser Arbeit leitete Sowinski eine Abstufung von Ekelgefühlen in

drei Stufen ab. Die Pflegepersonen schilderten ihre Emotionen von „unangenehm“ über

„stärker auftretendes“ bis hin zu „grauenhaftem“ Ekelgefühl (vgl. ebd., in: Fischer 2006,

S.9).

Abb. 8: Abstufung von Ekelempfindungen (nach Sowinski 1991 in: Fischer 2006, S.9)

Pflegende entwickeln gegenüber bestimmten Substanzen, und auch das ist wiederum

individuell unterschiedlich, eine gewisse Gewöhnung. Stuhl und Harn gehören zu diesen

Substanzen, jedoch bleibt das Gefühl des Ekels vorhanden, die Pflegenden lernen

lediglich, damit umzugehen. So ist das Ekelgefühl wieder im vollen Ausmaß vorhanden,

Grauenhaft

Kot im Mund

Stärkeres Ekelgefühl

Konfrontation mit absterbendem Gewebe

Große Wunden mit Eiter

Unangenehm

Verletzung kultureller Grenzen,

z.B. Ausscheidungen im Bett

wenn in Vorhänge statt in Taschentücher geschneutzt wird

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wenn Harn und Stuhl nicht mehr „gesund“ riechen. Das Ekelgefühl wird auch stärker

auftreten, wenn sich Harn oder Stuhl nicht an den erwarteten Stellen – Toilette,

Inkontinenzhilfsmittel, Bettschüssel – vorfinden. Der Geruch von abgestandenem Harn

wird morgens einen größeren Ekelreiz bei Pflegepersonen hervorrufen und er wird sich

um ein vielfaches verstärken, wenn die KlientIn mit eingenässtem Nachthemd und

nassen Bett versorgt werden muss (vgl. Pernlocher-Kügler 2003, S.149; Ringel 2003,

S.25; Krey 2003 S.27; Fischer 2006, S.8).

6.4.3 Umgang mit Ekel erregenden Situationen

Ekel ist ein Gefühl, welches nicht abgewöhnt werden kann. Der Mensch kann lediglich

Strategien entwickeln, mit ekelerregenden Situationen umzugehen. Um aber Strategien

gegen das Ekelgefühl entwickeln zu können, ist es wichtig, das Ekelgefühl als solches

zu akzeptieren.

Ringel (2003) fasst Strategien verschiedener AutorInnen zusammen und unterteilt sie in

„Direkte“ und „Indirekte Reaktionen“. Sie weist aber darauf hin, dass es zu Mischformen

von Reaktionen kommen kann, da die Reaktionen von der Handlungsstrategie der

jeweiligen Pflegeperson abhängig sind. Direkte Reaktionen entstehen unbewusst (vgl.

ebd., S.40).

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Direkte Reaktionen

Handlungsstrategie Effekt Positive Wirkung auf die Qualität der Pflegebeziehung

Negative Wirkung auf die Qualität der Pflegebeziehung

Kurzeitiges Verlassen des Zimmers, um „vergessene“ Gegenstände zu holen

Räumliche Distanz zum Gegenstand des Ekels

Vermeiden von Affekthandlungen und Beleidigungen, Ordnen der Gedanken

Betroffener Mensch muss länger auf Hilfe warten

Flucht in hauswirtschaftliche Tätigkeiten

Räumliche Distanz zum Gegenstand des Ekels

Herstellen eines positiven Nähe-Distanzverhältnisses

Gefahr von psychischer und physischer Vernachlässigung des Patienten

Übermäßiger Gebrauch von Pflegehilfsmitteln, z.B. Handschuhe, Desinfektionsmittel, Raumsprays, Pflegeschaum

Vermeidung von Hautkontakt, geringer Geruchsbelästigung, Sichtschutz vor Exkrementen

Erhalt der Arbeitsfähigkeit „Psychohygiene“ des Pflegenden

Mit erhöhter Sterilität der Umgebung werden Situationen immer ehr und häufiger als ekelhaft erlebt

Begünstigung allergischer Reaktionen, Hautreizungen

Erhöhte Produktion von Müll und Umweltgiften

Erhöhen des Arbeitstempos, übertriebener Aktionismus

Schnelle Beseitigung der ekelerregenden Situation

Erhalt der Arbeitsfähigkeit

Beziehungspflege sowie Eingehen auf Schmerzen und Schamgefühle kaum möglich

Atmungsänderung wie flach atmen oder „Luft anhalten“

Verschließen des Mundes

Erhalt der Arbeitsfähigkeit

Verursachen von Scham- und Peinlichkeitsgefühlen beim Gepflegten, kaum Kommunikation möglich

Physische Misshandlung und Vernachlässigung des Gepflegten

Abwehr des Ekelhaften mit Ignoranz und Gewalt

Nicht vorhanden Aus juristischer und humaner Sicht unhaltbare Pflegehandlung

Abb. 9: Direkte Reaktionen auf Ekelgefühle (Ringel 2003, S.40)

Zum Unterschied zu den direkten Reaktionen, die unbewusst entstehen und deren

Ablauf eher pragmatisch geschieht, sind indirekte Reaktionen auf das entstandene

Ekelgefühl überwiegend bewusst (vgl. Ringel, 2003, S. 43ff).

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Indirekte Reaktionen

Handlungsstrategie Effekt Positive Wirkung auf die Qualität der Pflegebeziehung

Negative Wirkung auf die Qualität der Pflegebeziehung

Hoffnung auf Gewöhnung

Ansteigen der Toleranzgrenze

Erhalt der Handlungsfähigkeit

Langfristige Gefahr von Burnout des Pflegenden

Verdrängung des Ekelgefühls und das Bemühen, sich keine Blöße zu geben

Vermeidung der Auseinandersetzung mit dem Thema, Versuch, den Betroffenen zu schützen

Erhalt der Handlungsfähigkeit

Gefahr von Burnout, Entstehung von Schamgefühlen, kein Eingehen auf psychische Bedürfnisse des Gepflegten

Versachlichung der ekelerregenden Situation (Vergegenwärtigung von Entstehungs-, Verlaufs- u. Behandlungsweise der jeweiligen Krankheit)

Abwehr von Todes- und Vernichtungsängsten seitens des Personals (Krankheit als „Ursache“ für Ekelhaftes steht der Gesundheit des Pflegenden gegenüber

Erhalt der Handlungsfähigkeit

Reduktion des Pflegebedürftigen auf seine Erkrankung oder Behinderung, der Patient wird zum „Fall“ erklärt, kein ganzheitliches Pflegeverständnis möglich

Sprachliche Intellektualisierung von pflegerischen Inhalten, z.B. „Kontinenztraining“

Sprachliche Abstraktion transformiert das Triviale zum Therapieinhalt

Abstand von entwürdigenden Verhaltens- und Ausdrucksformen wie „Abtopfen“, Prestigeaufwertung des Pflegeberufes, Sinngebung

Gefahr von Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Personal und dem zu Pflegenden (die Fachterminologie ist einem Laien nicht immer verständlich und muss „übersetzt“ werden)

Ideologische Verbrämung der Tätigkeit

Grenzsituationen werden ideologisch verschleiert und ihr Aushalten wird als gesellschaftlich gewinnbringend gesehen.

Sinngebung, Erhalt der Handlungsfähigkeit

Gefahr des Burnout, keine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema

Satirische Überhöhung der Situation und Lauern auf Anekdoten

Entschärfung bedrohlicher Situationen für den Pflegenden

Reflexionsmöglichkeiten des Erlebens, Humorvolle Auseinandersetzung mit Grenzsituationen als therapeutisches Mittel

Gefahr der Entwürdigung

Infantilisierung der Pflegebedürftigen in Form von unpassenden Anredeformen und Kosenamen

Psych. Distanzierung zum Pflegebedürftigen, Verdrängung eigner Todesängste, „Handhabbarkeit“ der Situation

Nicht vorhanden Entwürdigung des Pflegebedürftigen

Verleugnung und Ignorieren der Situation solange es geht

Räumliche und psychische Distanz zu ekelerregenden Situationen

Nicht vorhanden Unterlassene Hilfeleistung, gefährliche Pflege

Abb. 10: Indirekte Reaktionen auf Ekelgefühle (Ringel 2003, S.43ff)

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Ekel ist sehr stark mit dem Gefühl der Scham verbunden. Wie Pernlocher-Kügler (2003)

darstellt, befinden sich die Ausscheidungsorgane an jenen Körperstellen, die zugleich

die intimsten Zonen des Menschen sind. „Defäkieren und Uninieren, das Wechseln von

Tampons und Binden sind Vorgänge und Tätigkeiten, die an einem geheimen Ort, an

einem „Ab-Ort“ fern von Öffentlichkeit stattfinden, dort, wo man allein ist mit sich selbst“

(ebd., S.24).

Fischer verdeutlicht in ihrer Darstellung des „Teufelskreis von Ekel- und

Schamempfindungen“, wie sowohl KlientIn als auch Pflegeperson durch den Eingriff in

diesen intimsten Bereich mit Schamgefühlen konfrontiert werden (vgl. Fischer, 2006,

S.10).

Abb. 11: Teufelskreis von Ekel- und Schamempfindungen (nach Fischer 2006, S.11)

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Pernocher-Kügler (2003) meint, wenn Pflegepersonen darauf achten, die Schamgefühle

der betroffenen Menschen zu respektieren, werden auch Situationen reduziert, die Ekel

erregen. Als Beispiel führt sie die Ganzkörperwaschung an: achten die Pflegepersonen

darauf, nur jenen Körperbereich zu entblößen, der gewaschen wird, wird einerseits das

Schamgefühl der betroffenen Person geachtet und anderseits ist es für die

Pflegepersonen angenehmer, nur einen Teilbereich des Körpers nackt zu sehen. Der

bewusste Umgang mit den Auslösern von Ekel kann Pflegepersonen helfen, den

einzelnen Situationen besser zu begegnen (vgl. ebd., S.225).

Weitere Möglichkeiten des Umgangs mit Ekel und Scham in der Pflege liegt in einem

offenen Umgang mit diesen Gefühlen. Wird im Rahmen von Fall-, Dienstbesprechungen

oder Supervisionen eine schwierige Pflegesituation mit ekelerregendem Verlauf offen

angesprochen, so hat die einzelne Pflegende die Möglichkeit zu erkennen, dass die

Pflegesituation an sich schwierig ist und alle bei diesen Tätigkeiten Ekelempfindungen

haben. In diesem Moment wird offen über das Gefühl des Ekels gesprochen.

Gleichzeitig kann nun überprüft werden, welche Handlungen wann und wie erforderlich

sind. Diese können gezielt in die Pflegeplanung übernommen werden. Verfügen die

Pflegenden über ausreichend Sachkenntnis zu Themen wie Harninkontinenz, können

sie z.B. mit einer Änderung der vorhandenen Inkontinenzhilfsmittel eine Verbesserung

der Situation erreichen.

Zum Umgang mit ekelerregenden Situationen ist es auch wichtig, nach diesen

Tätigkeiten kurz Abstand zu gewinnen. Nach Möglichkeit sollte der Sozialraum

aufgesucht werden können, wo es nach Kaffee duftet, um frische Luft zu tanken oder

eventuell eine Zigarette geraucht werden kann – um den unangenehmen Geruch aus

der Nase zu bekommen.

Ein Team, das sich mit Ekel offen auseinander setzt, wird gemeinsam Strategien

entwickeln, die Pflegende entlasten und für Betroffene eine angemessene Versorgung

sicher stellen Es werden Fortbildungen zum Thema angedacht werden, denn jede

ekelerregende Situation für die Pflegeperson erzeugt bei den zu Pflegenden eine

Kaskade von Schamgefühlen (vgl. Fischer 2006, S.11).

Yu/Johnson/Kaltreider/Hu/Brannon/Ory (1991) untersuchten die Auswirkungen der

Betreuung von Menschen mit Inkontinenz auf Pflegepersonen in einem Pflegeheim. 156

Pflegepersonen aus allen Berufsgruppen der Pflege (registered Nurse, licensed practical

nurse, nursing assistens) wurden befragt. Yu et al. stellte fest, dass ein Drittel des

Pflegepersonals positive Gefühle für Betroffene mit Inkontinenz entwickelten. 50% der

befragten Pflegepersonen berichteten von Schuldgefühlen, die sie aufgrund ihrer

aufkommenden Gefühle bei der Versorgung von Inkontinenten empfanden. Diese

Gefühle wurden mit Ärger (42%), Ekel und Irritation (55%) sowie Frustration (63%)

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beschrieben. 39 % der Pflegenden berichtete, dass sie ungern mit inkontinenten

Personen arbeiten (vgl. Yu et al. 1991, S.34ff).

Vinsnens/Harkless/Haltbakk/Bohm/Hunskaar (2001) führten eine Untersuchung mittels

„Inconticence Stress Questionnaire“ in Norwegischer Übersetzung in Pflegeheimen,

Einrichtungen der Hauskrankenpflege und Krankenhäusern durch. In dieser

Untersuchung wurde festgestellt, dass die negative Einstellungen zur Inkontinenz bei

Diplomierten Pflegepersonen in Akutbereichen wesentlich höher ist, als bei

PflegehelferInnen, die in Pflegeheimen mit inkontinenten BewohnerInnen konfrontiert

sind. Die AutorInnen berichten auch, dass Diplomierte Pflegepersonen in Pflegeheimen

negativer gegenüber Inkontinenz eingestellt sind als PflegehelferInnen im Akutbereich

(vgl. Vinsnens et al. 2001, S.464).

Die Auswirkungen von negativen Gefühlen bei der Arbeit mit inkontinenten Menschen

sollen zunächst wahrgenommen werden. Ebenso sollten die Emotionen der betroffenen

Personen Beachtung finden. Garcia/Crocker/Wyman (2005) empfehlen, über

aufkommenden Emotionen offen zu besprechen. Dabei sollte die Kommunikation von

Seiten des Pflegepersonals begonnen werden. Findet ein offenes Ansprechen der

Inkontinenz nicht statt, besteht auch keine Möglichkeit, durch gezielte Strategien damit

umzugehen (vgl. Garcia et al. 2005, S.38ff).

6.5 Kommunikation

Kommunikation begleitet uns von Beginn unseres Lebens bis zu dessen Ende. Sie

betrifft alle Bereiche unseres Umfeldes und umfasst somit nicht nur die direkte

Auseinandersetzung zwischen Menschen sondern alle Formen der Interaktion wie auch

die Auseinandersetzungen des Menschen mit sich selbst. Watzlawick weist darauf hin,

… dass „das »Material« jeglicher Kommunikation keineswegs nur Worte sind, sondern

auch alle paralingualen Phänomene (wie z.B. Tonfall, Schnelligkeit oder Langsamkeit

der Sprache, Lachen und Seufzen), Körperhaltung, Ausdrucksbewegungen

(Körpersprache) etc., innerhalb eines bestimmten Kontextes umfasst – kurz, Verhalten

jeder Art“ (Watzlawick et al. 2000, S.51)

6.5.1 Tabu und Kommunikation

Das Wort tabu bedeutet laut Duden (2004) „unantastbar, unerlaubt, untersagt,

unverletzlich, verboten (geh.): unstatthaft, verpönt“ (Duden 2004, Band 8).

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James Cook brachte das Wort „Tabu“ etwa 1777, nach seiner dritten polynesischen

Expedition nach Europa (vgl. Zöllner 1997, S.15 in: Pantera 1999, S.4). Cook

beobachtete, dass bestimmte Objekte oder Dinge durch die Polynesier nicht berührt

oder betreten wurden. Sie wurden mit dem Begriff „ta pu“ (tabu) versehen. Es bedeutet

„intensiv gemerkt“ (Duden Bd. 8 2004). Bei den Naturvölkern bezog sich das Tabu auf

religiöse, magische oder rituelle Verbote und hatte dadurch eine Schutzfunktion, es

sollte die Menschen vor „Dämonen“ schützen. Ein Tabubruch – z.B. das Berühren eines

tabuisierten Gegenstandes war bei den Naturvölkern mit Bestrafung verbunden „der

Täter muß(te) also bestraft und die Gesellschaft von der Tat gereinigt werden“ (Balle

1990, in: Pantera 1999, S.4).

Das Wort „Tabu“ verbreitete sich in Europa sehr rasch, insbesondere im viktorianischen

England, welches sich durch strenge Abgrenzung des Privaten und Öffentlichen und mit

engen Ethik- und Moralvorstellungen auszeichnete. In Europa wurde bald das

Verborgene und Verbotene mit „Tabu“ assoziiert. Der Hauptunterschied zum

polynesischen Gebrauch des Wortes lag also in jenen Bereichen, über die man nicht

sprechen sollte oder durfte. Während die Naturmenschen sich davor fürchteten

Dämonen zu erzürnen, bezogen sich die Tabuthemen der Europäer vorwiegend auf die

Erregung von Angst, Aufsehen, Scham und Verletzung.

Der Begriff Tabu wird seit den 60er Jahren umgangssprachlich verwendet und wird für

alle Bereiche, Themen und Dinge benutzt, die verboten sind (vgl. Pantera, 1999, S.5).

Tabus sind in der Gesellschaft kaum explizit markiert. Vielmehr wird von allen Beteiligten

vorausgesetzt, das jeder weiß, was tabu ist. Tabubrüche gehen für die Betroffenen mit

Schuldgefühlen, Scham und Abscheu einher. In der heutigen Gesellschaft sind nach wie

vor Themen wie der Intimbereich des Menschen mit Tabus versehen. Insbesondere die

Generation der Menschen, die nun Pflege und Betreuung benötigt, ist den Tabus ihrer

Generation noch tief verhaftet.

6.5.2 Kommunikation in der Pflege

Pflege ist ein Tätigkeitsbereich, der von und durch Kommunikation geprägt ist. Bereits

bei der Begrüßung beginnt der Prozess des Kommunizierens. Pflegepersonen lernen im

Laufe ihrer Tätigkeit, Menschen umfassend wahr zu nehmen. Sie beobachten während

eines Gesprächs und stellen fest, ob der/die GesprächspartnerIn klar und deutlich, oder

ungenau, verwaschen spricht, sich orientiert oder desorientiert verhält, prüft bereits, ob

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Mobilitätseinschränkungen zu beobachten sind. Sie sind fähig, mit Betroffenen eine

nonverbale Kommunikation einzugehen und erkennen deren Bedürfnisse.

Doch nicht in allen Pflegesituationen sind Pflegepersonen in der Lage, auf den/die

KlientIn einzugehen. Sympathie und Antipathie spielen bei Pflegepersonen ebenso eine

Rolle wie bei jedem anderen Menschen auch. Zudem kommen Situationen hinzu, die

durch Scham und Ekel geprägt sein können.

In der Kommunikation geht es nicht nur um das, was explizit ausgesprochen und implizit

mitgeteilt wird, sondern auch darum, was nicht gesagt wurde, was verschwiegen wurde.

Was KlientInnen nicht auszusprechen wagen und wonach Pflegende nicht fragen. Eines

dieser Themen ist z. B. die Harninkontinenz. Oft werden die Signale der Betroffenen von

Pflegepersonen nicht wahrgenommen, die Kommunikation zur Harninkontinenz gilt nach

wie vor als Tabu.

„Die Tabuproblematik macht deutlich, wie wichtig die kommunikative Kompetenz des

medizinischen Personals ist. Tabuisierungen in Medizin und Pflege werden … vor allen

in den folgenden Bereichen angenommen:

Der gesamte Bereich Intimität (Insbesondere Inkontinenz)

Sexualität (vor allem Sexualität im Alter und bei Behinderten)

Gewalt und Missbrauch

Bestimmte körperliche und seelische Erkrankungen (allem voran Sucht)

sowie

Tod und Sterben, wobei Suizid und Sterbehilfe wiederum eine besondere

Rolle spielen

Für die Bewältigung dieser Herausforderungen in der Interaktion zwischen

medizinischen Personal und Patient ist nicht zuletzt ein adäquates sprachlich-

kommunikatives Repertoire von großer Bedeutung. Bedeutungsvolles Schweigen des

Patienten will erkannt und verstanden werden, die darauf folgende temporäre

Tabuaufhebung durch ihn will gelernt sein und hängt nicht zuletzt von einer hohen

sprachlich – kommunikativen Kompetenz ab“ (Schröder 2009, S.175-178 zit. in: Panfil

2009, S.99).

Kommunikation gewinnt zunehmen an Bedeutung, insbesondere bei der Betrachtung

der weiteren Entwicklung unseres Gesundheitssystems. Im Mittelpunkt steht immer noch

der/die PatientIn, der/die sich aber schon zunehmend in den letzten Jahren zu einem

aufgeklärten und gut informierten, aktiv an der Gesundheit interessierten Menschen

entwickelt hat. Um auch den Bedarf an Wissen und Information der aufgeklärten und

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häufig online gut informierten Betroffenen abdecken zu können, benötigen

Pflegepersonen in Zukunft nicht nur vermehrt Wissen zu ihren Handlungsfeldern,

sondern auch die Fähigkeit auf höchstem Niveau kommunizieren zu können.

Kummer (2008) untersuchte in einer geriatrischen Einrichtung das

Kommunikationsverhalten von Pflegenden mit inkontinenten Personen aus der Sicht der

Betroffenen. In der Analyse ihrer Ergebnisse stellte sie zwei Ausprägungen fest, wie

Inkontinenz angesprochen wird: Auf der einen Seite sprachen Betroffene, meist Frauen,

die Inkontinenz selbst an und forderten die notwendigen Hilfsmitteln ein. Auf der

anderen Seite sprachen die Pflegenden im Rahmen der Aufnahme die Kontinenz an.

Dabei erkundigten sich die Pflegenden hauptsächlich, ob Probleme beim Wasserlassen

vorliegen. Teilten die KlientInnen mit, dass eine Inkontinenz vorliegt, erhielten sie

Unterstützung durch das Pflegepersonal bei der Versorgung der Inkontinenz.

Die meisten InterviewpartnerInnen gaben jedoch an, dass Inkontinenz durch die

Pflegepersonen nicht weiter thematisiert wird.

In Bezug auf diese „Sprachlosigkeit“ zeichneten sich bei den Betroffenen folgende

Einstellungen ab:

(1) „selbständige Patienten hatten die konkrete Wunsch-Vorstellung und Hoffnung, dass

Pflegende im Laufe ihrer Aufenthaltes nachfragen. Eine Patientin äußerte „… das ist

schön, wenn sie darauf ein bisschen Rücksicht nehmen, ruhig mal nachfragen, ob

man zurecht kommt oder so was.“; negativ empfand diese Patientin die

selbstverständliche Annahme der Pflegenden, dass sie keiner Hilfe bedarf: „… sie

sind von mir gewöhnt, nicht gebraucht zu werden. … Ich denk´ manchmal kümmern

sie sich gar nicht drum, das ich das gemacht krieg.

(2) Zwei Personen ließen Resignation und Rückzug erkennen, äußerten keine

Erwartungen an die Kommunikation mit der Pflegenden, sondern konstatierten

stattdessen: „Was soll´n wir anders machen?“ – Ein Hinweis dafür, dass Pflegende

sie im Rahmen der aktivierenden Pflege nicht über mögliche Maßnahmen der

Förderung der Kontinenz informierten.

(3) Eine Patientin gab an, dass sie keinerlei Kommunikationsbedarf über die

Inkontinenz hat“ (ebd., in: Ahnis et al. S.69)

Zur Frage, was den KlientInnen im Gespräch über Inkontinenz wichtig ist, wurden am

häufigsten Aspekte der Kategorie „positive Grundhaltung und gegenseitige Achtung“

(z.B. respektvoller Umgang und Wertschätzung der Person, gute Ausdrucksformen)

geäußert. „Ebenso nennen sie Aspekte der Kategorie „professionelles Auftreten“,

darunter subsumieren sich z.B. eine verständliche Kommunikation sowie das Nicht-

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Anmerken-Lassen von Zeitdruck und Unmut. Wichtig ist es außerdem, den Personen ein

Gefühl des Sich-Aufgehoben-Fühlens zu vermitteln“ (ebd., S.69). Kummer hält

zusammenfassend fest, dass Menschen mit Inkontinenz keine hohen Erwartungen an

eine Kommunikation mit Pflegepersonen haben. Sie stellen sich vor, grundlegende

Informationen zum Umgang mit der Inkontinenz zu erhalten und stellen nicht den

Anspruch, über komplexe Zusammenhänge der Inkontinenz informiert zu werden (vgl.

Kummer 2008 in: Ahnis et at. 2008, S.69).

7 Aufgaben von Pflegepersonen im Bereich Inkontinenz

Pflege muss im Kontext der pflegewissenschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre

insbesondere in Europa betrachtet werden. In diese Betrachtungen muss zunächst die

Ausbildung von Pflegepersonen mit der gesamten historischen Entwicklung fallen um

von dieser Grundlage ausgehend den Blick für die Entwicklungen der Zukunft zu öffnen.

7.1 Ausbildung zu Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen

(DGKP)

Die Ausbildung von Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen hat in

Österreich eine lange Tradition. Möglicherweise ist diese Tradition auch Ursache dafür,

dass Österreich neben Luxemburg und Deutschland zu den drei letzten Ländern der EU

gehört, die von einer universitären Grundausbildung der Pflege absehen.

7.1.1 Historischer Rückblick

In engem Zusammenhang mit der Entwicklung der professionellen Pflege stehen

Gesetze, welche die Pflegeausbildung und die Professionalisierung der Pflege geregelt

haben. Die erste nachweisliche Gesetzesgrundlage ist die „Verordnung des Ministers für

Innern vom 25.Juni 1914, betreffend der berufsmäßigen Krankenpflege“

(Reichsgesetzblatt für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, Nr.139

(R.G.Bl.Nr.139/1914).

In diesem Gesetz war die Ausbildung mit 2 Jahren geregelt, ein Jahr wurde als Lehrjahr

definiert und die Auszubildenden wurden als SchülerInnen bezeichnet. Das zweite Jahr

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59

war als Probejahr definiert und die Auszubildenden durften sich „ProbepflegerInnen“

nennen. Nach absolvierter Ausbildung samt Diplomprüfung wurde ihnen der Titel

„Diplomierte Krankenpflegerin“ verliehen.

Mit der Machtergreifung durch die Nazionalsozialisten 1938 wurde die Ausbildung auf

1,5 Jahre verkürzt, sie wurde vorwiegend in der Praxis absolviert und die

Berufsbezeichnung lautete „Krankenschwester“.

Erst im Jahr 1949 wurde die Ausbildung reformiert und auf 3 Jahre festgelegt. Nach

erfolgreicher Absolvierung samt Diplomprüfung wurde der Titel „Diplomierte

Krankenschwerster“ verliehen.

Im Laufe der Jahre erfolgten zwar verschiedene Reformen der Ausbildung der Pflege,

anders aber als in anderen europäischen Ländern wurde von einer universitären

Ausbildung abgesehen (vgl. Kozon/Walter 2006 in: Wundmanagement -

Pflegephaleristik 2006, S.11).

1997 glückte mit dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – welches nun ein

eigenständiges Berufsgesetz für die Pflege darstellte, ein großer Wurf, mit welchem

Österreich in Europa bis heute die Vorreiterrolle inne hat. In keinem anderen Land in

Europa sind die eigenverantwortlichen und mitverantwortlichen Tätigkeiten der Pflege so

eindeutig geregelt.

7.1.2 Theoretische Ausbildung der Gesundheits- und Krankenpflege

Im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) in der jeweils gültigen Fassung ist

geregelt, dass die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenschwester/-pfleger 4600

Stunden Theorie und Praxis umfasst und in drei Schuljahren vermittelt wird. Mindestens

die Hälfte der Stunden muss in der Praxis erfolgen, wobei die Aufteilung meist in 2000

Stunden Theorie und 2600 Stunden Praxis üblich ist. Als Ausbildungsstätten fungieren

Gesundheits- und Krankenpflegeschulen.

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60

Die Theoretischen Lehrinhalte laut GuKG sind wie folgt festgelegt:

Unterrichtsfach

1. Jahr

2. Jahr

3. Jahr

Berufsethik und Berufskunde der Gesundheits- und Krankenpflege 40 20 20

Grundlagen der Pflegewissenschaft und Pflegeforschung 40 20 20

Gesundheits- und Krankenpflege 240 130 130

Pflege von alten Menschen 30 20

Palliativpflege 20 20 20

Hauskrankenpflege 20 20

Hygiene- und Infektionslehre 60

Ernährung, Kranken- und Diätkost 30

Biologie, Anatomie, Physiologie 100

Allg. und spezielle Pathologie, Diagnose und Therapie einschließlich komplementärmedizinische Methoden

120 130 110

Gerontologie, Geriatrie und Gerontopsychiatrie 30

Pharmakologie 20 20

Erste Hilfe, Katastrophen- und Strahlenschutz 30 10

Gesundheitserziehung und Gesundheitsförderung im Rahmen der Pflege, Arbeitsmedizin

20 20

Berufsspezifische Ergonomie und Körperarbeit 40 30 20

Soziologie, Psychologie, Pädagogik und Sozialhygiene 50 20 20

Kommunikation, Konfliktbewältigung, Supervision und Kreativitätstraining

40 40 40

Strukturen und Einrichtungen des Gesundheitswesens, Organisationslehre

10 20

Elektronische Datenverarbeitung, fachspezifische Informatik, Statistik und Dokumentation

20 20

Berufsspezifische Rechtsgrundlagen 20 20

Fachspezifisches Englisch 40 20 20

Gesamt 970 560 470

Abb. 12: Curriculum Krankenpflegeausbildung (vgl. KAV Wien 2011)

7.1.3 Theoretische Grundlagen und Auswirkungen auf die Praxis

Inkontinenz wird im Rahmen der Grundausbildung der Diplomierten Gesundheits- und

Krankenpflege im ersten Ausbildungsjahr im Gegenstand „Gesundheit- und

Krankenpflege“ abgehandelt. In den meisten Fällen wird kurz über die

Ausscheidungsmöglichkeiten bei bettlägerigen Personen gesprochen. Hier steht nach

wie vor die Unterstützung von Personen unmittelbar nach einer Operation im

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Vordergrund. Als unterstützende Möglichkeiten werden in erster Linie die Bettschüssel

für die Frau und die Urinflasche für den Mann bearbeitet.

In anderen Gegenständen im zweiten und dritten Ausbildungsjahr wird der

Dauerkatheter besprochen. Der Einmalkatheterismus wird meist nur als diagnostische

Möglichkeit zur Harngewinnung bei Frauen erörtert. Die Katheterisierung eines Mannes

durch eine DGKS/P, ist nach wie vor in vielen Krankenhäusern in Österreich ein Tabu.

Kenntnisse zum Umgang mit Inkontinenz erlernen DGKS/P meist in der Praxis. Dabei

wird in erster Linie der Gebrauch von saugenden Inkontinenzprodukten gelehrt, in der

Praxis als „Windel“ benannt. Ein strukturiertes Vorgehen bei Inkontinenz erfolgt dabei

selten.

Müller (2011) beschreibt, dass Pflegende ältere und hochbetagte Menschen in

stationären Einrichtungen der Langzeitpflege häufig mit saugenden

Inkontinenzhilfsmitteln versorgten, obwohl diese gar nicht inkontinent waren. Sie

beschreibt auch die durchaus gängige Methode, bettlägerige Menschen vorsorglich mit

einer sogenannten „Doppelung“ von Hilfsmitteln (Grundversorgung ein geschlossenes

saugendes Inkontinenzsystem und in dieses wird zusätzlich eine Einlage gelegt) zu

versorgen. Als Motive für diese Art der Versorgung wurden „Personalengpässe,

Entzerrung von Arbeitsgipfeln, Bettlägerigkeit, Demenz, Kommunikationsprobleme der

BewohnerInnen, Ekel behaftete Pflegesituation oder gewaltbereite Verhaltensmuster der

zu Pflegenden beobachtet“ (Müller 2009 zit. in: Müller 2011, S.31). Für den häuslichen

Bereich wird häufig der Versorgungszeitrahmen angegeben. Die Betreuungspersonen

kommen am frühen Nachmittag zum letzen Mal und dann erst wieder am Morgen des

folgenden Tages. Manchmal spielt auch die Überforderung der Angehörigen eine Rolle.

Sie ekeln sich, die Versorgung durchzuführen und wollen, dass dies durch die

Hauskrankenpflege erfolgt.

7.2 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz

Das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz hat 1997 nicht nur die Berufsrechte der

DGKS/P geregelt, sondern auch die Tätigkeiten in eigen-, mitverantwortlichen und

interdisziplinären Bereiche aufgeteilt. Durch diese gesetzliche Regelung erhielten

DGKS/P nicht nur mehr Verantwortung, sondern auch Kompetenzen. In der Folge sollen

diese Bereiche in Bezug auf die Inkontinenz genauer dargestellt werden.

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7.2.1 Eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich gemäß § 14 GuKG

Die diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege führt eigenverantwortlich Diagnostik,

Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle aller pflegerischen Maßnahmen

durch. Sie ist für die Durchführung der Beratung zu gesundheitsfördernden Belangen im

Bereich ihrer Tätigkeit zuständig, beteiligt sich an der Pflegeforschung und übernimmt

administrative Aufgaben (vgl. Weiss-Faßbinder/Lust 2010, S.87ff).

7.2.2 Mitverantwortlicher Tätigkeitsbereich gemäß § 15 GuKG

Paragraph 15 GuKG mit der Überschrift „Mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich“ regelt

die Durchführung ärztlicher diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen nach

ärztlicher Anordnung (vgl. Weiss-Faßbinder/Lust 2010S.97ff).

Wie komplex diese Regelung ist, wird deutlich, bei genauerem hinsehen. Unter Punkt

fünf sind einige Tätigkeiten dargestellt, die DGKS/P unter ärztlicher Anordnung

durchführen können. Allein das Wort „insbesondere“ beinhaltet aber: diese Beispiele und

viele darüber hinaus gehende. In der Praxis ist damit oft erst eine zeitaufwendige

Abklärung mit pflegerischer und/oder ärztlicher Leitung von Einrichtungen notwendig.

Für den Bereich der Inkontinenz ist eindeutig festgehalten: „Setzen von transurethralen

Blasenkatheter zur Harnableitung“ (ebd., S.97ff).

Die/der DGKS/P übernimmt die Durchführungsverantwortung, die

Anordnungsverantwortung obliegt dem anordnenden Arzt. Die/der DGKS/P kann nur

jene ärztlichen Tätigkeiten übernehmen, die im Rahmen des Berufsbildes ausgeübt

werden dürfen, d.h. für die fachliche Kenntnisse zur Durchführung vorhanden sind.

Die/der DGKS/P muss sich vor Übernahme der Delegation vergewissern, dass sie/er

diese auch entsprechend dem aktuellen Stand des Wissens durchführen kann. Verfügt

sie/er nicht über Wissen und Fertigkeit, diese durchzuführen, hat sie/er die Delegation

abzulehnen und sich umgehend die Kenntnisse zur Durchführung anzueignen.

7.2.3 Interdisziplinärer Tätigkeitsbereich gemäß § 16 GuKG

Der interdisziplinäre Tätigkeitsbereich umfasst jene Bereiche, wo DGKS/P mit anderen

Berufsgruppen des Gesundheitswesens mittelbar zusammenarbeiten oder einzelne

Tätigkeitsbereiche ergänzend ineinander fließen.

Häufig übernimmt die/der DGKS/P dabei die Rolle der Koordination, stellt Kontakte her,

vereinbart Termine oder gemeinsame Besprechungen für Betroffene und/oder deren

Angehörige. Die/der DGKS/P trägt dabei die Durchführungsverantwortung für alle von

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ihr in diesem Bereich durchgeführten pflegerischen Maßnahmen (vgl. Weiss-Faßbinder,

Lust 2010, S. 112ff).

7.3 Pflegefachliches Vorgehen

Auf der Grundlage verschiedener Pflegetheorien können in der Pflege vier Arten von

Wissen unterschieden werden – das empirische, ethische, persönliche und intuitive

Wissen (vgl. Panfil 2009, 24).

7.3.1 Empirisches Wissen

Empirisches Wissen ist jenes Wissen, das anhand von Studien erhoben und dargestellt

wird. Innerhalb der wissenschaftlichen Disziplinen werden diese losen Fakten logisch

zusammenhängend zu ordnen versucht. Ein Ordnungsmuster stellen Theorien dar.

Nach Meleis (1999) gibt es aber keine einheitliche Definition von Pflegetheorien (ebd.,

1999). Synonym zum Begriff Theorie werden auch Begriffe wie „Modelle“ verwendet.

Nach Meleis ist eine Theorie „der organisierte, in sich stimmige und systematische

Ausdruck einer Gruppe von Feststellungen, die sich auf wesentliche Fragen einer

Disziplin beziehen und als sinnvolles Ganzes mitgeteilt werden“ (ebd., S. 43). So

schaffen Theorien Ordnung, helfen das Denken zu organisieren und unterstützen die

Interpretation. In der Praxis unterstützen sie die systematische Sammlung von

Informationen, die für die pflegerischen Abläufe wichtig sind und unterstützen die

Entscheidungsfindung (vgl. Panfil 2009, S.24).

7.3.2 Ethisches Wissen

Unter Ethik versteht man die wissenschaftliche Betrachtung moralischer Fragen. Als

ethisches Pflegewissen kann jene Betrachtung innerhalb der Pflege bezeichnet werden,

die unabhängig von religiösen oder ideologischen Überzeugungen ist. Es hilft bei

pflegerischen Entscheidungen wie z.B. der Anwendung von dekubitusprophylaktischen

Maßnahmen bei dekubitusgefährdeten sterbenden Menschen oder bei der Versorgung

von Menschen, die an Inkontinenz leiden (vgl. Panfil 2009, S.24).

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Arndt (1996 in: Panfil 2009) stellt drei spezifische Werte ethischen Pflegewissens vor:

1. Von der Dominanz zur Kooperation

Pflegerisches Handeln sollt aus dem gemeinsamen Denken und Handeln mit dem

Patienten entstehen. Pflegekräfte sollen versuchen, die besondere Bedeutung der

momentanen Krankheitserfahrung für den Patienten und seine Angehörigen zu

erfassen und deren Autonomie zu achten. Gemeinsames Handeln bedeutet von

Patienteninitiative geleitetes Handeln, d.h. gemeinsam Möglichkeiten zu

durchdenken und pflegerische Sachkenntnis und Erfahrung dort einzubringen, wo

sie sinnvoll und hilfreich ist.

2. Vom abstrakten Befund zur Gesamtsituation

Einbeziehen der gesamten Lebenssituation und der persönlichen Werte von

Patienten und deren Angehörigen. Dies bedeutet die „bewusste Abwendung von

abstrakt-objektiv beurteiltem Krankheitsgeschehen hin zu kontextgebundenem

Verstehen.“

3. Von helfender Autorität zum Fördern der Eigenverantwortung

Dies bedeutet, sich von der Überzeugung zu verabschieden, dem Patienten Gutes

tun zu wollen und daher auch zu wissen, was für ihn am beste sei. Arndt stellt

dazu die Frage: „Was wissen wir von den Interessen eines anderen Menschen?“

(Arndt, 1996 in: ebd., S.24).

7.3.3 Persönliches Wissen

Als persönliches Wissen wird jenes bezeichnet, welches sich Pflegefachkräfte im Laufe

ihrer beruflichen Laufbahn als berufliche Erfahrung angeeignet haben, aber es zählt

auch jenes Erfahrungswissen, welches privat erworben wurde. Nicht immer gelingt es,

die persönlichen Erfahrungen reflektiert zu betrachten.

„Das Handeln von Pflegeexperten basiert auf theoretischem und praktischem, d.h.

empirischem oder persönlichem Wissen. Das theoretische Wissen wird als das „Wissen,

das…“ („knowing that“) und das persönliche Wissen als „Wissen wie …“ („knowing how“)

verstanden“ (vgl. Panfil 2009, S.25)

7.3.4 Intuitives Wissen

Von Intuition im Bereich der Pflege kann dann gesprochen werden, wenn eine

Pflegefachkraft in einer bestimmten Situation die korrekte Handlung erkennt und diese

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durchführt ohne dazu einen bewussten Prozess des Nachdenkens durchführen zu

müssen. Sie handelt auf Grund ihres Erfahrungswissens intuitiv richtig (vgl. Panfil 2009,

S.25).

7.4 Aufgaben von Pflegenden im Zusammenhang mit Inkontinenz

Die Therapieoptionen bei Harninkontinenz umfassen in erster Linie die Beseitigung oder

die Verringerung der Symptome. Personen, die an einer Harninkontinenz leiden, wollen

in erster Linie Informationen, die alltagstauglich sind. Dazu gehört die Information zum

Umgang mit Inkontinenzhilfsmittel, die Anleitung zum korrekten Gebrauch dieser, aber

mehr noch, wo sie zu erhalten sind und was sie kosten. Im weiteren Sinne sind

Informationen zu örtlichen WC-Anlagen wichtig oder Anleitung zur persönlichen Hygiene

(vgl. Braumann 2010, S.34).

Im interdisziplinäre Team – ÄrztInnen, Pflegende, PhysiotherapeutInnen und

PsychologInnen - informieren die jeweiligen Berufsgruppen die Betroffen über die

Harninkontinenz im Rahmen ihrer jeweiligen beruflichen Tätigkeit und Verantwortung

(vgl. Jeter/Wagner 1990; Palmer/Newmann 2006 in: Braumann 2010, S.14).

Im Rahmen der professionellen Betreuung durch Pflegepersonen muss Information,

Beratung und Aufklärung integriert sein (vgl. Weiss-Faßbinder/Lust 2009, S.76). Das Ziel

jeder pflegerischen Interaktion ist die Unterstützung der Selbstpflegefähigkeit von

Menschen mit Erkrankungen. Durch Information, Beratung und Aufklärung sollen

Menschen mit Harninkontinenz die Möglichkeit erhalten, eine selbstbestimmte

Entscheidung für den weiteren Therapieverlauf zu treffen. Somit werden von Pflegeden

neben psychologischem und pädagogischem Wissen auch Kenntnisse und

Kompetenzen in den Bereichen der Kommunikation, der Information, der Beratung und

Anleitung erwartet (vgl. Norwood 2002, S.44ff; van der Weide 2001; London 2003 in:

Braumann 2010, S.14).

„Information ist ein Teilbereich der Beratung (Beier 2002). Beratung ist eine

ergebnisoffener Problemlösungsprozess, der den Betroffenen mit Inkontinenz helfen

kann, Entscheidungen über Interventionen zu treffen, Entwicklung von

Selbstpflegekompetenzen zu fördern, auch Probleme eigenständig zu erkennen und

angemessen darauf zu reagieren“ (Norwood 2002; London 2003 zit. in: Braumann,

2010, S.14).

Braumann (2008) stellt die Forderung, dass die umfassende Information zur

Harninkontinenz ein Bestandteil der Betreuung und Versorgung von Menschen mit

Inkontinenz sein muss (vgl. ebd., in: Ahnis et al. 2008, S.68).

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Seitzmair (2008) untersuchte die Akzeptanz professioneller Strategien gegen

Inkontinenz. Sie wählte ein qualitatives Design und untersuchte aus Betroffenensicht die

best practice Strategien. Dabei wurde für diese Studie best practice definiert als

Beratungsangebot für Betroffene, welche nach Abklärung des Kontinenzstatus ein

individuelles Therapieangebot annehmen konnten. Als Ergebnis wurde eine Relevanz

des offensiven Umgangs mit Inkontinenz deutlich. Für die Betroffenen wäre es wichtig,

in der pflegerischen Versorgung einen Rahmen zur erhalten, der es ihnen ermöglicht,

offen über ihr Problem Inkontinenz sprechen zu können (vgl. ebd., in: Ahnis et al. 2008,

S.68).

Damit Pflegepersonen der gesetzlichen Aufklärungs- und Informationspflicht zur

Inkontinenz auch nachkommen können, benötigen sie ausreichende Kenntnisse zu den

Ursachen, der Diagnostik und der Therapie der Harninkontinenz. Besonders gefordert

sind Pflegende in jenen Bereichen der psychosozialen Versorgung, die in erster Linie

durch sie abgedeckt werden soll und kann.

7.5 Kontinenz- und Stomaberatung

Kontinenz- und Stomaberatung ist ein spezielles Fachgebiet der Pflege, welches sich in

den 1950er Jahren entwickelt hat. Durch die Entwicklung neuer Operationverfahren in

der Bauchchirurgie wurden vermehrt Stomaanlagen (d.h. die Ausleitung von Darm über

die Bauchdecke) angelegt.

7.5.1 Die Entwicklung der Kontinenz- und Stomaberatung in Österreich

Den Bedarf einer speziellen Ausbildung von Pflegepersonen zur Betreuung von

Betroffenen mit einer Stomaanlage wurde 1957/-58 von Robert B. Turnbull, Chirurg an

der Cleveland Clinic in Ohio als erster erkannt. Er konnte eine seiner

StomapatientInnen, Norma N. Gill gewinnen, andere Betroffene in den Umgang mit dem

künstlichen Darmausgang zu schulen (vgl. Stoll-Salzer/Wiesinger 2005, S.51). Bereits

1961 gründeten die beiden die erste Ausbildungsstätte für „Enterostomatherapie“. Diese

Ausbildung wurde nicht nur von zahlreichen Pflegepersonen aus den USA oder Canada

besucht, bald nahmen auch EuropäerInnen daran teil und starteten ihrerseits mit

Ausbildungen in ihren jeweiligen Ländern. Die Ausbildungskriterien werden vom World

Council of Enterostoma Therapists (WCET) seit deren Gründung im Jahr 1978

empfohlen. Allerdings sollte noch einige Zeit vergehen, bis sich die Ausbildung zur

EnterostomatherapeutIn auch dem Thema Inkontinenz widmete.

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Katherine Jeter beschäftigte sich als eine der ersten EnterostomatherapeutInnen auch

mit der Thematik Inkontinenz. Sie war tätig an der University Clinic of Spartanburg in

South Carolina. Sie unterrichtete an der University of Spartanburg und nahm

Incontinence als wichtiges Thema in die Ausbildung mit auf. 1990 veröffentlichte sie

gemeinsam mit Kolleginnen eines der ersten Bücher zur Pflege bei Harninkontinenz (vgl.

Jeter/Faller/Norton 1990). Jeter sorgte durch zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge

auf internationalen Kongressen dafür, dass der WCET schließlich die

Curriculumempfehlungen auch auf die Inkontinenz ausweitete.

In Wien wurde 1987 die erste Ausbildung zur Enterostomatherapie im

Fortbildungsinstitut der Gemeinde Wien am AKH Wien veranstaltet. Diese Ausbildung

enthielt als eine der ersten weltweit bereits ein umfassendes Spektrum zur Inkontinenz.

In Österreich wurde 1995 eine Sonderausbildung zur Kontinenz- und Stomaberatung in

Innsbruck ins Leben gerufen. Diese wurde nach Verabschiedung des Gesundheits- und

Krankenpflegegesetzes 1997 in eine Weiterbildung gemäß § 64 GuKG umbenannt.

Derzeit wird diese fachspezifische Ausbildung an drei Instituten in Österreich angeboten:

TILAK/Ausbildungszentrum West für Gesundheitsberufe in Innsbruck,

Akademie für Fortbildungen und Sonderausbildungen in Wien

SALK Salzburger Universitätsklinikum

Die Donau-Universität Krems bietet seit 2009 einen Universitätslehrgang Kontinenz- und

Stomaberatung an. Der erste Abschnitt umfasst das Certified Programm, der zweite

Abschnitt die Akademische ExpertIn. Das Master-Studienprogramm als dritter

Studienabschnitt befindet sich in der Planungsphase und soll als Abschluss die

Advanced Nursing Practice (ANP) bieten.

7.5.2 Die Kontinenz- und StomaberaterIn als PflegeexpertIn

Olbrich (2005) bezeichnet erfahrenes Pflegepersonal, welches in einem Spezialgebiet

der Pflege hohe Fachkompetenz, praktisches Know-how und soziale Kompetenz erlangt

hat, als PflegeexpertInnen (vgl. ebd., S. 11). PflegeexpertInnen verfügen über spezielles

Fachwissen auf einem oder mehreren Spezialgebieten der Pflege. Sie sind dadurch in

der Lage, bei Problemstellungen in der Praxis, die eine bestimmte Pflegeexpertise

erfordern, fachlich zu beraten. Die PflegeexpertIn wird zur Beratung oder Anleitung von

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KollegInnen, Betroffenen und deren Angehörigen bei speziellen Pflegefragen

hinzugezogen (vgl. Spirig 2010, S.363f).

Die PflegeexpertIn lässt sich anhand folgender Kriterien beschreiben:

Es besteht ein Bedarf an einer PflegeexpertIn in einem bestimmten Spezialgebiet

Das Spezialgebiet ist fachlich der Pflege zuordenbar und entspricht den ethischen

Standards der Pflege

Die speziellen Pflegesituationen reichen über die allgemeine Pflegepraxis hinaus

Die Kenntnisse der PflegeexpertIn richten sich an bestimmte, definierte

Zielgruppen, mit bestimmten wiederkehrenden Problemen, für die die Pflege in

Theorie und Praxis zuständig ist.

Das Spezialgebiet der PflegeexpertIn ist der Bezugspunkt des speziellen

Fachwissens und der speziellen Handlungskompetenz. Das Know-how ist durch

Forschung ständig zu erweitern und zu verfeinern.

Das spezielle Fachwissen sollte auf Basis anerkannter Bildungs- und

Praxisstandards sowie erfahrungsbasiertem fachsystematischem

Vertiefungswissen im jeweiligen Spezialgebiet, im Rahmen einer anerkannten

Weiterbildung erworben werden und mit einer speziellen Berechtigung verbunden

sein.

PflegeexpertInnen sind organisiert bzw. in bestehenden Organisationsstrukturen

der Berufsgruppe verankert, ausgewiesen und werden von diesen repräsentiert

(z.B. Fachgesellschaften).

(vgl. ICN 2009, S.33)

Anhand dieser angeführten Kriterien sind KontinenzberaterInnen eindeutig

PflegeexpertInnenn. Um das noch zu unterstreichen, wurde ein Aufgabenkatalog erstellt.

Dieser Aufgabenkatalog versucht das fachspezifische Feld von KontinenzberaterInnen

darzustellen. Aufgrund ihrer speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten sind sie in der Lage,

Betroffene, deren Vertrauenspersonen sowie KollegInnen zur beraten und zu begleiten.

Sie können frühklinische Zustandsveränderungen anhand ihrer speziellen Kenntnisse

erkennen und entsprechende Maßnahmen einleiten (vgl. Ackermann 2004, S. 6). Als

PflegeexpertInnen können sie ihr Wissen situationsgerecht anwenden, Werte

wahrnehmen und adäquat handeln (vgl. Olbrich 2005, S.10).

Der Aufgabenkatalog ist in einen pflegerischen und in einen strukturellen

Tätigkeitsbereich unterteilt; wobei diese beiden Tätigkeitsbereiche entsprechend dem

Gesundheits- und Krankenpflegegesetz in "eigenverantwortlich", "mitverantwortlich" und

"interdisziplinär" untereilt wurden (vgl. Meyer 2009, S.21f)

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Pflegerischer Tätigkeitsbereich

Eigenverantwortlicher

Tätigkeitsbereich

Mitverantwortlicher

Tätigkeitsbereich

Interdisziplinärer Tätigkeitsbereich

Assessment

Identifiziert Risikofaktoren einer Inkontinenz oder eine Inkontinenz

Identifiziert Fähigkeiten und Ressourcen der Betroffenen im

Umgang mit ihrer Erkrankung

Auf Wunsch der Betroffenen Einbeziehung von Vertrauenspersonen

(schriftl. Vermerk in der Pflegedokumentation)

Informiert die Betroffenen und ggf. deren Vertrauenspersonen über

die Ergebnisse der pflegerischen Einschätzung

Mitwirkung bei diagnostischen Maßnahmen

Teilnahme am ärztlichen Gespräch mit den Betroffenen

und ggf. deren Vertrauensperson

Austausch der anamnestischen Informationen mit den

behandelnden Ärzten, und ggf. anderen

Berufsgruppen

Planung Plant mit den Betroffenen individuelle Ziele und Maßnahmen

anhand des festgelegten Kontinenzprofils

Planung der Schulungsphase, die sich an den Bedürfnissen und

Fähigkeiten der Betroffenen (ggf. der Vertrauenspersonen) orientiert

Fachlich qualifizierte und kontinuierliche Beratung von Betroffenen

und ggf. deren Vertrauenspersonen

Durchführung der medizinisch therapeutischen

Maßnahmen

Koordiniert Termine bei FachärztIn, Physiotherapie,

etc. falls erforderlich oder gewünscht

Koordiniert interdisziplinäre Fallbesprechungen

Durchführung

Anleitung und Beratung aller am Pflegeprozess beteiligten Personen

Stärkung der Selbstpflegekompetenz der Betroffenen und der

Pflegekompetenz von Vertrauenspersonen durch Schulungen,

Informationen, Begleitung und Beratungen

Anleitung und Begleitung der Betroffenen beim selbständigen

Anwenden der erforderlichen Therapie/Versorgung zur

Kontinenzförderung, z. B. Anleitung und Schulung von ISK

Mitwirkung bei ärztlichen Aufklärungs-gesprächen

Mitwirkung bei therapeutischen Maßnahmen

Durchführung von delegierten ärztlichen Maßnahmen,

wie z.B. Überwachung der Medikation, Intermittierender

Einmalkatheterismus, etc.

Fachlicher Austausch mit ÄrztInnen,

SozialarbeiterInnen, Physio-, ErgotherapeutInnen,

DiätologInnen etc.

Beratung Beratung der Betroffenen bei der Auswahl der erforderlichen

Inkontinenzhilfsmittel

Informationstransfer in Form von Pflegebriefen

Organisation der erforderlichen Inkontinenzhilfsmittel Kontakt zu Bandagisten, zur Selbsthilfegruppe, und

ggf. zu extramuralen Einrichtungen etc.

Gesundheits-

beratung

Beratung und Begleitung von Betroffenen und ggf. deren

Vertrauenspersonen zu Lebensqualität, Ernährung, Sexualität,

Beruf, Freizeit, Schwangerschaft, etc.

Austausch mit DiätologInnen, PhysiotherapeutInnen,

etc.

Evaluierung Überprüfung ob die geplanten Maßnahmen zur gewünschten

Pflegewirkung führten

Abb. 13: Pflegerischer Tätigkeitsbereich (Darstellung nach Meyer 2010)

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70

Struktureller Tätigkeitsbereich

Eigenverantwortlicher

Tätigkeitsbereich

Mitverantwortlicher

Tätigkeitsbereich

Interdisziplinärer Tätigkeitsbereich

Qualitätsmanagement Implementierung und Evaluierung der Umsetzung von nationalen

und internationalen Guidelines

Mitgestaltung und Umsetzung von neuen Pflegekonzepten und

Pflegetheorien in die Praxis

Mitgestaltung an der Entwicklung interner

Sollprozesse und Umsetzung dieser im eigenen

Arbeitsfeld

PatientInnensicherheit und

Pflegequalität

Identifizierung von Verbesserungspotentialen innerhalb der

pflegerischen Handlungsabläufe

Anleitung, Begleitung und Überwachung bei Abweichungen der

festgelegten Qualitätskriterien

Austausch mit allen Berufsgruppen des

Gesundheitswesens

Berichtswesen Erstellung einer jährlichen Zielplanung welche mit Vorgesetzten

besprochen wird

Erstellung von laufenden Berichten auf Grundlage der Zielplanung

Besprechungskreise mit Vorgesetzten, Stationen,

ärztlichen Teams, etc.

Ökonomie Entwicklung von Instrumenten zur Darstellung der ökonomischen

Leistungen, sowie zur Darstellung der Effizienz (Auslastung,

Kosteneffizienz)

Ökonomischer und ökologischer Umgang mit Versorgungsartikeln

im Sinne der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit, sowie die

Einbindung dieser Kenntnisse in den Beratungsprozess

Besprechungskreise mit mittelbar Vorgesetzten,

Wirtschaftsabteilung, etc.

Austausch mit Wirtschaftsabteilung, Anbietern,

Krankenkassen, etc.

Mitwirkung an Forschung

und Entwicklung

Mitwirkung an Pflegeforschung, Mitgestaltung von neuen

Hilfsmitteln und Umsetzung von theoretischen Kenntnissen in die

Praxis

Durchführung von Anwendungsbeobachtungen neu entwickelter

Produkte und adäquate Dokumentation dieser

Austausch von Erfahrungen mit Betroffenen, anderen

Berufsgruppen im Gesundheitswesen,

Krankenkassen, Industrie, etc.

Wissensmanagement Konzepte zur Edukation von Personen, die am Pflegeprozess

teilnehmen, entwickeln und Schulungen durchführen

Zusammenarbeit mit Schulen, Fort- und Weiterbildungsinstituten

Austausch mit KollegInnen, Fort- und

Weiterbildungsinstituten, etc.

Öffentlichkeitsarbeit

Präsentation der Institution nach innen und außen in Form von

Vorträgen, Seminaren und Beiträgen in Fachmedien

Mitwirkung an nationalen und internationalen Veranstaltungen zur

Weiterentwicklung der Kontinenz- und Stomaberatung

Einbeziehen der Strukturen zur Öffentlichkeitsarbeit

der Institution in der die Kontinenz- und

StomaberaterIn tätig ist

Abb. 14: Struktureller Tätigkeitsbereich (eigene Darstellung)

Page 72: Harninkontinenz - ein Tabu · Continence Nursing, Pflege, etc.) soll die vorhandene Literatur ergänzen. 2.3 Begriffsdefinition Kontinenz ist die Fähigkeit, willkürlich entscheiden

71

7.6 Advanced Nursing Practice - ANP

Die Bezeichnung Advanced Nursing Practice (ANP) wurde in den USA bereits im 19.

Jahrhundert für spezielle Pflege verwendet. Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der

Begriff auf immer mehr Spezialbereiche der Pflege ausgedehnt. Gegen Ende des letzten

Jahrhunderts erfolgte die Implementierung in allen Arbeitsfeldern der Pflege (vgl.

Schobesberger 2005, S.58).

Laut International Council of Nurses (ICN) versteht man unter ANP “… eine examinierte

Pflegekraft mit Grundausbildung, die Expertenwissen erworben hat, komplexe

Entscheidungen treffen kann und über klinische Kompetenzen für eine erweiterte

Pflegepraxis verfügt, wobei deren Merkmale vom Kontext und/oder Land bestimmt werden,

in dem die Pflegekraft ihre Arbeitserlaubnis erworben hat. Als Zugang wird ein Mastertitel

empfohlen” (Schober/Affara, 2008, S.51).

“Mit ANP wird die Praxis von universitär ausgebildeten und praxiserfahrenen Pflegenden

umschrieben, die sich in einem bestimmten Fachgebiet spezialisieren. Die Pflege dieser

Spezialistinnen ist auf Einzelpersonen, Familien und Gruppen mit spezifischen

gesundheitlichen Problemen ausgerichtet” (Spirig/De Geest, 2004, S.233).

In den USA wurde die Ausbildung von ANP bereits in den 1960er Jahren auf Masterniveau

durchgeführt. Ihr Einsatz erfolgte in Zusammenhang mit einer zunehmenden Verknappung

von HausärztInnen in den Regionen (vgl. Caprio 2006; Small 1994 in:

Zúniga/Jenni/Wiesli/Schwendimann 2011, S.376). Im Jahr 2003 waren in den USA 100.000

ANPs tätig.

ANP spezialisieren sich auf die Gesundheitsprobleme einer bestimmten KlientInenngruppe

bzw. eines relevanten Fachgebietes. Sie erheben Assessements, führen bestimmte

klinische Untersuchungen durch, und können, je nach Tätigkeitsfeld und gesetzlichen

Bestimmungen, auch Medikamente verordnen. Sie unterstützen Betroffene beim

Selbstmanagement, z.B. bei chronischen Erkrankungen, beraten in komplexen

Pflegesituationen die Pflegeteams. Sie schulen die Pflegeteams in die Umsetzung von

evidenzbasierten Pflegeverfahren und fördern so die Qualitätssicherung des jeweiligen

Bereiches (vgl. Zuniga et al. 2011, S.376).

ANPs verfügen nicht nur über die Kenntnisse und Fertigkeiten einer PflegeexpertIn,

sondern darüber hinaus noch über folgende Kennzeichen:

„Expertise in einem spezifischen Feld der Pflege,

Fachführungsfähigkeiten im Sinne von Clinical Leadership,

Interprofessionelle Zusammenarbeit

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72

Wissenschaftliche Methoden und Forschungsumsetzungsfähigkeiten,

Konsultationen in komplexen Pflegesituationen und

Ethische Entscheidungsfindungsfähigkeiten“

(Hamric./Spross/Hanson zit. in: Spirig 2010, S.363)

Das Arbeitsfeld der ANP ist abhängig von der gesellschaftspolitischen Ausrichtung des

jeweiligen Landes. Dies kann im stationären Bereich, im ambulanten Bereich oder in

stationären Einrichtungen der Langzeitpflege stattfinden. Die Praxiskompetenz der ANP

listet sich wie folgt:

verfügt über die Kompetenz, eine umfassendes Assessment durchzuführen, auf

dessen Grundlage eine Diagnose zu stellen und einen Maßnahmenplan zu erstellen,

diesen in die Praxis umzusetzen und zu evaluieren

setzt die erworbenen Kenntnisse und die speziellen Fähigkeiten in komplizierten,

aufwändigen Situationen ein

schätzt Situationen richtig ein und ist in der Lage, Entscheidungen zu treffen

dokumentiert ihre Handlungen, kontrolliert und evaluiert gemeinsam mit den

KlientInnen die Behandlung und deren Auswirkungen

verordnet Behandlungen und geht dabei nach den vorhandenen Richtlinien vor

überweist an andere Gesundheitsfachleute und akzeptiert im Gegenzug deren

Überweisungen, um die Betreuungskontinuität zu gewährleisten

übt die Tätigkeit im Interesse aller unabhängig von anderen praktizierenden

Organisationseinheiten aus

konsultiert und arbeitet mit anderen Gesundheitsfachleuten zusammen

arbeitet nach aktuellen wissenschaftlichen, evidenzbasierten Kriterien und evaluiert

diese

bedient sich der Forschung um ihre Kompetenz, Effektivität zu verbessern

übernimmt die Verantwortung über eigene Entscheidungen und Handlungen

übernimmt Führungs- und Managementaufgaben, um in einem sich verändernden

Gesundheitswesen erweiterte Pflegeleistungen anbieten zu können

tritt für die Rechte und Interessen der KlientInnen im Gesundheitssystem ein

(vgl. Schober/Affara 2008, S.75ff)

Zúniga et al. (2011) beschreiben die positiven Auswirkungen einer ANP in der Praxis.

Dabei sind nicht nur die ökonomischen Aspekte interessant, sondern die

Beratungstätigkeiten der ANP führten zu vergleichsweise besseren Resultaten bei

BewohnerInnen von Pflegeheimen.

Page 74: Harninkontinenz - ein Tabu · Continence Nursing, Pflege, etc.) soll die vorhandene Literatur ergänzen. 2.3 Begriffsdefinition Kontinenz ist die Fähigkeit, willkürlich entscheiden

73

„In verschiedenen Beobachtungsstudien (Capezuti/Wagner/Brush/Boltz/Renz/Talerico

2007; Rask/Parmelee/Taylor/Green/Brown/Hawley 2007) und einer quasi-experimentellen

Untersuchung (Evans/Strumpf/Allen-Taylor/Capezuti/Maisling/Jacobsen 1997) wurde

aufgezeigt, dass Schulungen in Kombination mit bewohnerzentrierten Beratungen durch

ANPs der Einsatz von Bettgittern und anderen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen

reduzierten, ohne dass dadurch vermehrt Stürzte auftraten oder höhere Kosten entstanden“

(Zúniga et al. 2011, S.376). In diesen Arbeiten konnte auch belegt werden, dass die

Pflegeheime, die eine ANP angestellt hatten, signifikant bessere Ergebnisse im Bereich

Inkontinenz, Dekubitusentstehung oder aggressives Verhalten der BewohnerInnen

aufwiesen. Die AutorInnen führen das auf die gezielte Schulung der Pflegeteams durch die

ANP zurück. Die Verbesserung der klinischen Ergebnisse in den oben genannten

Bereichen wurde durch die Einführung von Pflegestandards erreicht, dessen

Implementierung durch eine ANP begleitet und laufend evaluiert wurde (vgl. ebd., S.377).

Im ICN Rahmenmodell „ICN Nursing Care Continuum Framework and Competencies“

(2008) wurde auf Grundlage einer weltweiten Analyse der in der Pflege tätigen

Berufsgruppen ein Rahmenmodell für die Kompetenzen dieser erstellt. Dabei werden die

Berufsgruppen von der Unterstützungs-/Hilfskraft bis zur ANP betrachtet (vgl. ICN 2008,

S.6).

Im Folgenden wurde versucht, die Kompetenzen der Pflegeberufe für den Bereich

Kontinenzförderung auf Grundlage des ICN Rahmenmodells zu erstellen. Die DGKS/P

entspricht dabei der „registered Nurse“, die KontinenzberaterIn mit einer Weiterbildung

nach GuKG § 64 entspricht in dieser Darstellung der „Specialist Nurse“ und die ANP ist ein

hoffentlich bald realisierbares Modell für Österreich.

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Kompetenzen im Bereich der Kontinenzförderung

Registered Nurse Kompetenzen

(DGKS/P)

Nurse Specialist Kompetenzen

(Kontinenz- und StomaberaterIn)

Advanced Nurse Practitioner

(ANP)

Erfasst im Rahmen der pflegerischen Anamnese Risikofaktoren und

Anzeichen einer Inkontinenz (wie körperliche und kognitive

Einschränkungen, Alter, Erkrankungen wie MS, Schlaganfall, etc.)

strukturiert und systematisch

Erfasst im Rahmen der pflegerischen Anamnese

Risikofaktoren und Anzeichen einer Inkontinenz (wie

körperliche und kognitive Einschränkungen, Alter,

Erkrankungen wie MS, Schlaganfall, etc.) strukturiert und

systematisch

Prüft ergänzende Erhebungsinstrumente und implementiert

diese, falls sie eine sinnvolle Ergänzung zur verwendeten

Pflegeanamnese /Grundassessment sind. Ist an Forschung und

Entwicklung von Erhebungsinstrumenten beteiligt.

Holt eine medizinische Diagnose ein. Zieht für das vertiefende Inkontinenz-Assessment, insbesondere zur Ersteinschätzung der Inkontinenz, eine pflegerische SpezialistIn hinzu

Führt anhand von evidence based practice (EBN) einen Einschätzung der Inkontinenz durch und holt die medizinische Diagnose ein.

Prüft Klassifikationen für die Einschätzung von Inkontinenz, implementiert diese und stellt der Praxis eine Leitlinien zur Anwendung dieser zur Verfügung.

Ist an Forschung und Entwicklung von Klassifikationen beteiligt.

Plant unter Einbeziehung der Specialist Nurse Maßnahmen zur Kontinenzerhaltung oder –förderung und ggf. zur Kompensation einer Inkontinenz.

Plant Maßnahmen zur Kontinenzerhaltung oder –förderung und ggf. zur Kompensation einer Inkontinenz.

Evaluiert anhand wissenschaftlicher Methoden Systematik und Auswirkungen der angeordneten Maßnahmen, beteiligt sich an deren Entwicklung und Forschung und leitet erforderliche Anpassungen (Struktur, Prozess, Ergebnis) ein.

Koordiniert die inter- und intraprofessionelle Versorgung und gewährleistet eine hygienische und fachgerechte Inkontinenzersorgung sowie die kontinuierliche Umsetzung des Maßnahmenplans

Koordiniert die inter- und intraprofessionelle Versorgung und gewährleistet eine hygienische und fachgerechte Inkontinenzversorgung sowie die kontinuierliche Umsetzung des Maßnahmenplans

Erarbeitet im interprofessionell besetzten Team Sollprozesse zur Versorgung von Menschen mit Inkontinenz und implementiert diese in der Organisationseinheit.

Schult unter Hinzuziehung der SpezialistIn zur Inkontinenz und fördert die Fähigkeiten der Betroffenen und ggf. deren Angehöriger zum Umgang mit geeigneten therapeutischen und/oder prophylaktischen Maßnahmen.

Sie unterstützt bei der Kontaktaufnahme mit anderen Einrichtungen (z.B. Selbsthilfegruppen, Raucherentwöhnung, Bewegungsförderung Gewichtsreduktion,…)

Schult zur Inkontinenz und fördert die Fähigkeiten der Betroffenen und ggf. deren Angehöriger zum Umgang mit geeigneten therapeutischen und/oder prophylaktischen Maßnahmen.

Sie unterstützt bei der Kontaktaufnahme mit anderen Einrichtungen (z.B. Selbsthilfegruppen, Raucherentwöhnung, Bewegungsförderung Gewichtsreduktion,…)

Plant und erstellt Schulungsprogramme für Betroffene und deren Angehörige zur Inkontinenz. Entwickelt geeignete Schulungsunterlagen und stellt Schulungsmaterial (Poster von Organen, Hilfsmittel, etc.) zur Verfügung.

Beforscht den Beitrag der Pflege im Rahmen des gesundheitsbezogenen Selbstmanagements und sorgt dafür, dass die Forschungsergebnisse in der klinischen Praxis Anwendung finden.

Prüft und beurteilt unter Einbeziehung einer SpezialistIn in regelmäßigen Abständen die Wirksamkeit aller Maßnahmen und nimmt in Absprache mit allen an der Versorgung Beteiligten ggf. Änderungen vor.

Prüft und beurteilt in regelmäßigen Abständen die Wirksamkeit aller Maßnahmen und nimmt in Absprache mit allen an der Versorgung Beteiligten ggf. Änderungen vor.

Führt mittels wissenschaftlich fundierter Instrumente zur Evaluierung der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden regelmäßig Überprüfungen durch und passt ggf. die Verfahrensregelung an.

Abb. 15: Kompetenzen im Bereich der Kontinenzförderung entsprechen dem ICN Modell (vgl. ICN Framework of Competencies for the Nurse Specialist 2008)

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75

8 Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit versucht aufzuzeigen, wie Pflegepersonen an das Thema

Inkontinenz herangeführt werden. Im Rahmen der dreijährigen Ausbildung zur/m DGKS/P

wird Inkontinenz kaum behandelt. Vielmehr ist es den LehrerInnen der Gesundheits- und

Krankenpflege überlassen, ob und wie viele Unterrichtseinheiten für theoretische

Bearbeitung des Themas Inkontinenz verwendet werden. SchülerInnen/StudentInnen der

Gesundheits- und Krankenpflege werden häufig erst im Rahmen ihrer praktischen

Ausbildung an den Umgang mit Inkontinenz herangeführt. Die praktische

Herangehensweise an das Thema Inkontinenz ist wiederum geprägt von Ritualen und

Erfahrungen. Pflegepersonen werden wenig bis gar nicht an den Umgang mit dem Ekel-

und Schamgefühl geschult. Vielmehr ist Ekel zwar ein zentrales Gefühl, das Pflegende im

Umgang mit Ausscheidungen befällt, doch der offene Umgang damit wird nach wie vor

tabuisiert. Noch immer herrscht in der Praxis der veraltete Standesdünkel vor,

„Pflegepersonen dürfen sich vor nichts ekeln“.

In verschiedenen Forschungsarbeiten wurde aufgezeigt, dass Pflegende, insbesondere in

Einrichtungen der Langzeitpflege, sehr häufig mit Inkontinenz konfrontiert sind. Es wurde

deutlich aufgezeigt, dass sich diplomierte Pflegefachkräfte egal in welchen Settings,

wesentlich mehr vor dem Umgang mit Inkontinenz ekeln, als PflegehelferInnen. Das lässt

vermuten, dass sich PflegehelferInnen im praktischen Umgang mit inkontinenten Personen

Wissen zur Inkontinenz angeeignet haben, das es ihnen ermöglicht, Strategien für den

Umgang damit zu entwickeln. Zu diesen Strategien scheint auch eine Form der

Kommunikation zu gehören, denn die PflegehelferInnen entwickelten in der Studien von

Vinsnens et al. (2001) freundliche und verständnisvolle Gefühle für die Betroffenen (vgl.

ebd., S.464).

Yu et al. (1991) und Vinsnens et al. (2001) stellten in ihren Untersuchungen fest, dass es

besser ausgebildeten Pflegepersonen im Umgang mit Inkontinenz schlechter geht als

weniger gut ausgebildeten Pflegepersonen (vgl. Yu et al. 1991, S.34ff; Vinsnens et al.

2001, S. 464). Sie entwickeln negative Gefühle für Menschen, die inkontinent sind, auch

von aggressiven Gefühlen wird berichtet. Scham und Ekel spielen dafür eine

entscheidende Rolle. Gefühle durch Ekel hervorgerufen, belasten die Beziehung zwischen

Pflegepersonen und Betroffenen. Die Betroffenen werden bemüht sein, sich nichts

anmerken zu lassen, sie fühlen sich peinlich berührt und ziehen sich zurück. Die

Pflegepersonen wären gefordert, die mögliche peinliche Situation nun aktiv anzusprechen.

Meist sind aber Pflegepersonen damit selbst überfordert.

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Strategien zur Vermeidung von peinlichen Situationen im Umgang mit inkontinenten

Menschen sind gefordert. Pflegepersonen benötigen dazu vermehrt Wissen zur Entstehung

und zum Umgang mit Inkontinenz. Ein gezieltes Vorgehen, z.B. durch ein Assessment, in

dem strukturiert Fragen zum Ausscheidungsverhalten gestellt werden, kann Pflegenden

und Betroffenen helfen, eine peinliche Situation erst gar nicht entstehen zu lassen.

Betroffene können äußern, welche Hilfsmittel sie benötigen, oder es wird gemeinsam nach

einer Strategie zum Umgang mit der Inkontinenz gesucht. Pflegepersonen können in

manchen Einrichtungen auf eine PflegeexpertIn zurückgreifen und diese zur speziellen

Beratung der Betroffen und deren Angehörigen einladen.

Pflegepersonen ignorieren das Thema Inkontinenz, da sie über zu wenig Wissen dazu

verfügen, um damit professionell umzugehen. Sie neigen auch dazu, aufkommende

Ekelgefühle nicht anzusprechen. Damit wird ausgeschlossen, Inkontinenz mit den

Betroffenen offen zu besprechen. Vielmehr verstärkt die unbewusste Abwehrhaltung

gegenüber dem Thema Inkontinenz durch die Pflegepersonen die Sprachlosigkeit der

Betroffenen. Damit Inkontinenz samt Gefühlen wie Ekel und Scham von Pflegepersonen

thematisiert werden kann, benötigen sie bereits in der Grundausbildung, neben einer

theoretischen Grundlange zur Inkontinenz selbst, eine fundierte Basis an

Kommunikationsstrategien. Darüber hinaus sollten diese Strategien in der laufenden

Berufspraxis aufgefrischt und ergänzt werden.

Die Frage „Wie gehen Pflegepersonen mit Inkontinenz um“ kann aufgrund der sehr kargen

Forschungslage zum Thema nicht wirklich beantwortet werden. Vielmehr wurde, auch

untermauert durch die vorliegenden Studien, deutlich, wie wichtig es wäre, fundierte

Forschung zum Umgang von Pflegepersonen mit schwierigen, auch mit Ekel verbundenen

Pflegephänomenen durchzuführen.

Pflegeeinrichtungen sind gefordert, Strategien für Teams zu entwickeln, um einen

gesunden Umgang mit Ekel- und Schamgefühlen an die Tagesordnung zu rücken. Diese

Strategien (vgl. Pernlocher-Kügler, 2003 S.261ff) wären ein wichtiger Ansatz für die

betriebliche Gesundheitsförderung. Die Unterstützung dieser Strategien wie auch die

fachliche Beratung von Teams oder Betroffenen könnte durch eine KontinenzberaterIn

erfolgen. Diese PflegeexpertInnen sind durch ihre spezielle Weiterbildung mit der

Komplexität der Inkontinenz vertraut (siehe Tätigkeitskatalog) und können

lösungsorientierte Strategien anbieten, entwickeln und mögliche Handlungsabläufe

implementieren.

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86

10 Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung

AKH Allgemeines Krankenhaus

ANP Advanced Nursing Practice

Aufl. Auflage

DGKS diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester

DGKP diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger

d.h. das heist

ECET European Council of Enterostomal Therapists

ebd. ebenda

ect. ecetera

et al. et alii/aliae/alia (und andere [Autoren])

GuKG Gesundheits- und Krankenpflegegesetz

Hrsg. Herausgeber

ICS International Continence Society

Tab. Tabelle

SALK Salzburger Landeskliniken

TILAK Tiroler Landeskrankenanstalten

vgl. vergleiche

WCET World Council of Enterostomal Therapists

z.B. zum Beispiel

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11 Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Expertenstandard „Kontinenzförderung in der Pflege (DNQP 2007) .........................17

Abb. 2: Erhebung der Kontinenzanamnese (eigene Darstellung) .........................................23

Abb. 3: Miktionsprotokoll (eigene Darstellung) ......................................................................28

Abb. 4: Kontinenzprofile (DNQP 2007, S.35) ........................................................................30

Abb. 5: Einschätzen des Kontinenzprofils (nach Boguth 2010) .............................................31

Abb. 6: Schematische Zuordnung der Items zu den Faktoren nach Faktorenanalyse

(Braumann 2010, S. 88) .......................................................................................................40

Abb. 7: Kosten Harninkontinenz (vgl. Wulf 2009, in: Perabo/Müller 2009 S.27) ....................44

Abb. 8: Abstufung von Ekelempfindungen (nach Sowinski 1991 in: Fischer 2006, S.9) .......48

Abb. 9: Direkte Reaktionen auf Ekelgefühle (Ringel 2003, S.40) ..........................................50

Abb. 10: Indirekte Reaktionen auf Ekelgefühle (Ringel 2003, S.43ff) ....................................51

Abb. 11: Teufelskreis von Ekel- und Schamempfindungen (nach Fischer 2006, S.11) .........52

Abb. 12: Curriculum Krankenpflegeausbildung (vgl. KAV Wien 2011) ..................................60

Abb. 13: Pflegerischer Tätigkeitsbereich (Darstellung nach Meyer 2010) .............................69

Abb. 14: Struktureller Tätigkeitsbereich (eigene Darstellung) ...............................................70

Abb. 15: Kompetenzen im Bereich der Kontinenzförderung entsprechen dem ICN Modell

(vgl. ICN Framework of Competencies for the Nurse Specialist 2008) ..................................74

Abb. 16: Vertiefende Inkontinenzanamnese (eigene Darstellung) ........................................90

Abb. 17: Einfaches Miktionsprotokoll (eigene Darstellung) ...................................................92

Abb. 18: Blasenentleerungsprotokoll (eigene Darstellung) ...................................................93

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88

12 Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich vorliegende Abschussarbeit selbständig und ohne fremde

Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und die

benutzen Quellen als solche kenntlich gemacht habe.

Juni 2011

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89

13 Anhang

Erklärung der Anwendung des Formulars Inkontienezanamnese:

Das Formular Inkontinenzanamnese beinhaltet 20 Fragen zu Risikofaktoren und Anzeichen

für eine Harninkontinenz. Die Fragen 1-15 fragen differenziert und konkret nach Anzeichen

für eine Harninkontinenz, die Fragen 16-20 erfassen die wichtigsten Risikofaktoren für eine

Harninkontinenz. Die Spalte „trifft zu / Anzahl“ dient dazu pro Frage mit ja oder nein zu

antworten oder eine konkrete Zahl einzutragen.

Beispiel:

Wie ist die Häufigkeit der Miktion? => Antwort: 5-6 x täglich

Die Spalte „Bemerkungen“ dient dazu die Antworten zu konkretisieren.

Beispiel:

Wie ist die Häufigkeit der Miktion? => Antwort: 5-6 x täglich => Miktionsfrequenz nimmt zum

Abend hin ab

Die drei folgenden Spalten beinhalten ein Datum und Handzeichen. Hier wird eingetragen,

wer die Erhebung vorgenommen hat und wann.

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Inkontinenzanamnese

Nr. Fragen Anzahl / Trifft zu Bemerkung

Dat. / Hdz. 1.-7.

Tag

Datum / Hdz. 6

Wo. Anzahl / Trifft zu Bemerkung

Datum / Hdz. 6 Mon.

1 Häufigkeit der Miktion?

2 Welche Harnmengen gehen ab?

3 Besteht nächtliches Einnässen?

4 Zeitpunkt des Beginns der Harninkontinenz bekannt?

5 Häufigkeit der Harninkontinenz?

6 Verwendun g von Vorlagen?

7 Verwendung von Hilfsmitteln, welche?

8 Sind Vorlagen beim Toilettengang nass?

9 Anwendungsprobleme beim Hilfsmittel oder Vorlagen?

10 Probleme beim Gang zur Toilette?

11 Passende Kleidung, saubere Kleidung vorhanden?

12 Fehlverhalten bei der Miktion erkennbar?

13 Probleme mit der persönlichen Hygiene?

14 Persönliche Einstellung zur Harninkontinenz?

15 Werden die sanitären Einrichtungen genutzt?

16 Besteht die Abnahme der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit?

17 Erkrankungen wie Apoplex, MS, Parkinson, Demenz oder Diabetes?

18 Harnwegsinfektionen in der Vergangenheit?

19 Sind Obstipation oder Adipositas vorhanden?

20 Liegen Veränderungen der Prostata vor?

festgelegtes Kontinenzprofil:

Ziel Kontinenzprofil und abzuleitende Maßnahmen:

Abb. 16: Vertiefende Inkontinenzanamnese (eigene Darstellung)

Page 92: Harninkontinenz - ein Tabu · Continence Nursing, Pflege, etc.) soll die vorhandene Literatur ergänzen. 2.3 Begriffsdefinition Kontinenz ist die Fähigkeit, willkürlich entscheiden

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Erklärung zum Führen eines Miktionsprotokolls

Wie ist ein Miktionsprotokoll zu führen?

Der/die Betroffenen sucht die Toilette auf

Der Harn wird in einem Messbecher aufgefangen

Die exakte Ausscheidungsmenge wird in das Miktionsprotokoll eingetragen, jeweils in

die Spalte, in der die Ausscheidungszeit angegeben ist.

Die Flüssigkeitsmenge, die im Verlauf des Tages getrunken wird, wird ebenfalls exakt

aufgezeichnet.

Wann protokollieren?

Um zuverlässig und genau zu sein, sollte das Miktionsprotokoll sofort beim Auftreten eines

Ereignisses und nicht erst am Ende des Tages aus dem Gedächtnis, ausgefüllt werden. Dabei

kann der Ort, an dem das Miktionsprotokoll gelagert wird, einen Einfluss darauf haben, mit

welcher Wahrscheinlichkeit dies geschieht. Obwohl stets daran gedacht werden sollte, dass es

Verlegenheit hervorrufen kann, wenn ein Miktionsprotokoll offen sichtbar herumliegt, ist es

unter manchen Umständen am besten, es im Badezimmer oder direkt bei KlientInnen in einer

Tasche oder Handtasche aufzubewahren. Befindet sich der/die KlientIn im Aufenthaltsraum

und liegt die Toilette ganz in der Nähe, so wird ein Miktionsprotokoll am Bett oder im

Stationszimmer viel leichter vergessen oder zumindest erst nach einer gewissen Zeit

ausgefüllt.

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Abb. 17: Einfaches Miktionsprotokoll (eigene Darstellung)

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Abb. 18: Blasenentleerungsprotokoll (eigene Darstellung)

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