Liebe Buchhändlerinnen, liebe Buchhändler,
jedes Frühjahr und jeden Herbst erscheinen viele neue Bücher – manche sagen,
zu viele. Um den Überblick zu behalten, ordnen wir sie ein in Genres, Themen-
schwerpunkte und Warengruppen. Im Großen und Ganzen funktioniert das, aber
manchmal gibt es Bücher, die sich einer solchen Kategorisierung entziehen.
„H wie Habicht“ ist dafür ein Beispiel: Es ist ein Sachbuch, doch liest es sich wie ein
Roman. Der Stil ist schlicht und klar, betont einfach und zugleich sehr poetisch.
Und obwohl Helen Macdonald sich Zeit für ihre Erzählung nimmt, ist das Ergebnis
mitreißend und spannend wie ein Thriller.
Für „H wie Habicht“ gibt es keine Vergleichstitel, die bei der Einordnung helfen
könnten. Es ist eigenwillig, nachdenklich, berührend und wunderbar geschrieben.
Kurzum: Es ist Literatur. Entscheidend für den Erfolg literarischer Titel ist die engagierte
Vermittlung durch erfahrene Buchhändlerinnen und Buchhändler.
In diesem Sinne freue ich mich, dieses Buch in Ihre Hände zu legen.
Herzlich grüßt
Ihre
Dr. Siv BublitzVerlegerin
Sie haben sich schon als Kind für Greifvögel begeistert. Ist das nicht ein etwas seltsames Hobby?Ein sehr seltsames Hobby, ja. In den Achtzigerjahren gab es in Großbritannien nicht viele Falkner, und nur die wenigsten von ihnen waren Frauen, geschweige denn Schulmädchen. »Das schwache Geschlecht tut sich in der Jagd mit Vögeln hervor«, schrieb John of Sa-lisbury im zwölften Jahrhundert. Na toll, da bin ich wohl acht Jahrhunderte zu spät auf die Welt gekommen, dachte ich damals. Bei meinen Freundinnen hingen Poster von Ponys und Popstars an den Wänden, bei mir waren es Falken und andere Greifvögel. Doch dass das ein bisschen merkwürdig war, machte mir nichts aus. Ich las zahlreiche Bücher über die Falknerei und wollte unbedingt einen eigenen Greifvogel haben. Ich war zwölf, als ich meinen ersten eigenen Greifvogel abrichtete, ein Turmfalke namens Amy. Sie schlief im Bücherregal in meinem Zimmer. Meine Eltern waren immer sehr geduldig mit mir.
Warum war der Tod Ihres Vaters eine so lebensverändernde Erfahrung für Sie? Ich kann von Glück sagen, einen Vater wie den meinen gehabt zu haben – er war ein freundlicher und guter Mensch, ebenso sehr Freund wie Vater. Wir hatten ganz ähnliche Persönlichkeiten und Leidenschaften: Er liebte Flugzeuge, ich Vögel. Und wir lachten oft darüber, wie »uncool« diese Leidenschaften waren. Ein geliebtes Elternteil zu verlieren ist immer eine lebensverändernde Erfahrung. Nicht nur aufgrund der furchtbaren Trauer. Nach dem Tod dieses geliebten Menschen liegt die Welt, wie man sie kennt, in Scherben, egal wie alt man ist, wenn es geschieht. Man wird gezwungen, sein Ziel und seinen Platz im Le-ben neu zu verhandeln. Und im Gegensatz zu den meisten anderen habe ich versucht, das mit einem Habicht zu tun!
Wie war es, so zurückgezogen mit Mabel zu leben?Die ganze Zeit mit meinem Habicht zu verbringen war für mich die einzige Möglichkeit, mich aus der Trauer und dem Schmerz meiner menschlichen Welt zu lösen. Das Jahr mit dem Habicht war dunkel und schwierig, aber auch wunderschön. Ich verbrachte so viel Zeit mit Mabel und traf so wenige Menschen, dass ich mich selbst in etwas Nicht-mehr-ganz-Menschliches verwandelte. Ich begleitete sie auf ihren Flügen und Jagden und begann, dadurch die Welt mit wilderen Augen zu sehen. Doch schließlich wurde mir bewusst, dass ich meine Trauer verdrängte, dass ich mich ihr nicht stellte. Und so fand ich ganz allmählich den Weg zurück in die Wärme und Herzlichkeit des Lebens mit Freunden und Familie. In einer Rezension meines Buches wurde das als Reise in die Unterwelt und zurück beschrie-ben, mit einem Habicht als spirituellem Führer. Und genau so hat es sich angefühlt.
Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie dieses Buch schreiben würden? Wie war es, mit dem Schreiben anzufangen?Schon nach dem Jahr der Trauer war mir klar, dass das, was ich erlebt habe, ein Buch werden könnte; nicht nur eine Geschichte über eine Frau und einen Vogel, sondern eine Meditation über die Liebe, den Tod, den Verlust und die Natur. Allerdings dauerte es dann einige Jahre, bis ich so weit war und das Buch tatsächlich schreiben konnte. Ich brauchte emotionale Distanz zu den Ereignissen. Tatsächlich mit dem Schreiben anzufangen war dann merkwürdigerweise doch sehr leicht. Das Weiterschreiben war schon schwieriger. Am überraschendsten jedoch war es, das Buch zu beenden. Ich tippte den letzten Satz und fühlte mich plötzlich ganz schwindelig. Ich hatte Tränen in den Augen. Nicht vor Erleichterung, dass ich es geschafft hatte, das Buch zu schreiben. Sondern weil ich es generell geschafft hatte – es war vorbei. Als der letzte Satz ge-schrieben war, wusste ich, dass ich mich nun endgültig von meinem Vater und dem Menschen, der ich damals gewesen war, verabschieden konnte.
Vier Fragen an Helen Macdonald
»Lebendig und faszinierend.« James Attlee Independent
»Helen Macdonald ist etwas gelungen, was in der Literatur sehr selten ist: die absolut realistische Beschrei-bung der Beziehung eines Menschen zum Bewusstsein eines Tiers ... Eine unglaubliche Leistung, und Mabel ist der Star.« John Carey Sunday Times
»Mit seiner Anmut, seiner überragenden, beinahe furchterre-genden Eleganz fesselt dieses Buch den Leser und lässt ihn nicht mehr los. Was für eine Entdeckung!« Erica Wagner The Economist
»Ein Buch von geradezu hypnotischer Wirkung ... Macdonald ist eine heraus-ragende Literatin, die in der Kunst der Naturbeschreibung sämtliche zeitge-nössischen Autoren übertrifft.« Stuart Winter Sunday Express
»Fremd und doch unwiderstehlich ... Macdonalds poetische Prosa schwingt sich in ungeahnte Höhen hinauf ... Die erhebende Botschaft ... verleiht dem Herzen Flügel.« Gerard Henderson Daily Express
»Ein einzigartiges und wunderschönes Buch, von geradezu schmerzhafter emotionaler Aufrichtigkeit und in einer anschaulichen Sprache verfasst, die in der zeitgenössischen Literatur ihresgleichen sucht.« Aus der Begründungfür die Auszeichnung als Costa Book of the Year 2014
Pressestimmen
»Zutiefst berührend.« Grazia
»H wie Habicht ist ein überwältigendes Buch: Berührend, faszinierend und klug. Ein zutiefst menschliches Werk, durchdrungen von Einsicht und Mitgefühl ... Sehr wahrscheinlich das beste Buch dieses Jahres.« Melissa Harrison Financial Times
»[Macdonalds] anschaulicher Stil – verblüffend und außerordentlich präzise – ist nur ein Teil dessen, was dieses Buch ausmacht. Die Geschichte vom Abrichten Mabels liest sich wie ein Thriller. Die allmählich und behutsam anwachsende Spannung lässt den Atem stocken ... Fesselnd.« Rachel Cooke Observer
»Noch in fünfzig oder hundert Jahren wird sich H wie Habicht einer einfachen Kategorisierung ent-ziehen. Der Leser wird das Wilde, das Ungezähmte mit anderen Augen sehen, und er wird das Buch am Ende mit stiller Freude darüber aus der Hand legen, dass ein Mitmensch seinen Weg zurück in die Welt gefunden hat. Einzuordnen unter ›Klassiker‹.« Nigel Roby We Love This Book
»In der Jury waren wir uns einig, dass es in wundervoller, prägnanter und äußerst genauer Prosa verfasst ist und dem Gefühl der Trauer mit einem klaren, mutigen Blick begegnet. In diesem ausgesprochen klugen Werk werden alle Fäden auf das Geschickteste miteinander verwoben. Ein Buch, das alle Leser begeistern wird.« Robert Harris, Bestsellerautor und Vorsitzender der Jury für den Costa Award
Der Vogel schlägt ungestüm mit den gebänderten Flügeln, die dunklen und
scharfkantigen Spitzen der Primärfedern durchschneiden die Luft, wie ein
gereiztes Stachelschwein seine Stacheln hat sie die Federn aufgestellt. Zwei
riesengroße Augen. Mein Herz schlägt unkontrolliert. Sie ist ein Zauberkunst-
stück. Ein Reptil. Ein gefallener Engel. Ein Greif aus einem illuminierten Bes-
tiarium. Etwas Strahlendes und Fernes, wie durch Wasser fallendes Gold.
Eine kaputte Marionette aus Flügeln, Beinen und lichtgesprenkelten Federn.
Sie trägt Fesseln, die der Mann in der Hand hält. Einen schrecklichen Au-
genblick lang hängt sie kopfüber an seiner Faust, mit geöffneten Flügeln, wie
ein Truthahn beim Metzger; nur ihr Kopf weist in die richtige Richtung, und
nun sieht sie mehr, als sie in ihrem ganzen kurzen Leben bisher gesehen hat.
Bisher war ihre Welt eine Voliere in der Größe eines Wohnzimmers gewesen.
Dann ein Karton. Doch jetzt ist es das, und sie kann alles sehen: glitzernde
Punkte auf den Wellen, ein tauchender Kormoran hundert Meter weit drau-
ßen, Pigmentschuppen unter Wachs an den Reihen geparkter Autos, ferne
Hügel mit ihrer Heide und ein endloser Himmel, wo die Sonne über Staub
und Wasser und nicht erkennbare Dinge wie weiße Möwen strahlt. Alles auf
den Kopf gestellt und neu in ihr völlig erstauntes Gehirn eingebrannt.
Auszug aus „H wie Habicht“
Auszug aus „H wie Habicht“
Der Mann war die ganze Zeit über vollkommen ruhig geblieben. Er
nahm den Vogel in einer einzigen geübten Bewegung wieder auf die Faust,
faltete die Flügel, verankerte den breiten gefiederten Rücken an seiner Brust
und ergriff mit einer Hand die schuppenbedeckten gelben Füße.
»Setzen wir ihr die Haube wieder auf«, sagte er knapp. Er wirkte besorgt,
aber auch fürsorglich. Dieser Vogel war in einem Inkubator ausgebrütet wor-
den und hatte sich durch eine zerbrechliche blaue Eierschale in einen feuch-
ten Plexiglaskasten gekämpft. In den ersten Tagen ihres Lebens hatte dieser
Mann sie mithilfe einer Pinzette mit winzigen Fleischstückchen gefüttert, hat-
te geduldig darauf gewartet, dass das plumpe Häufchen Flaum die Nahrung
wahrnahm und aß, in der beständigen Anstrengung, den unverhältnismäßig
schweren Kopf oben halten zu können. Ganz plötzlich liebte ich diesen Mann.
Heftig. Ich nahm die Haube aus dem Karton und wandte mich dem Habicht
zu. Ihr Schnabel stand offen, ihr Nackengefieder war aufgestellt; ihre wilden
Augen hatten die Farbe von Sonne auf weißem Papier und waren deshalb so
weit aufgerissen, weil die ganze Welt auf einmal in sie eingefallen war. Eins,
zwei, drei. Ich stülpte ihr die Haube über den Kopf. Die kurze Andeutung
eines schmalen, kantigen Schädels unter den Federn, eines fremden, schre-
ckerfüllten Gehirns, dann zog ich die Verschlussriemchen zu. Wir verglichen
die Ringnummer mit der auf dem Formular.
Es war der falsche Vogel. Das hier war der jüngere. Der kleinere. Nicht
mein Vogel.
Oh.
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Das Buch»Um einen Greifvogel abzurichten, muss man ihn wie ein Greifvogel be-
obachten, erst dann kann man vorhersagen, was er als Nächstes tun wird.
Schließlich sieht man die Körpersprache des Vogels gar nicht mehr – man
scheint zu fühlen, was der Vogel fühlt. Die Wahrnehmung des Vogels wird
zur eigenen. Als die Tage in dem abgedunkelten Raum vergingen und ich
mich immer mehr in den Habicht hineinversetzte, schmolz mein Mensch-
sein von mir ab.«
Schon als Kind beschloss Helen Macdonald, Falknerin zu werden. Sie eig-
nete sich das komplizierte Fachvokabular an, mit dem sich die Falkner wie
in einer Geheimsprache untereinander verständigen, und las die Klassiker
der Falknereiliteratur. Ihr Vater unterstützte sie in dieser ungewöhnlichen
Leidenschaft, er lehrte sie Geduld und Selbstvertrauen und blieb eine
wichtige Bezugsperson in ihrem Leben.
Als ihr Vater stirbt, setzt sich ein Gedanke in Helens Kopf fest: Sie muss
ihren eigenen Habicht abrichten. Sie ersteht einen der beeindruckenden
Vögel, ein Habichtweibchen, das sie auf den Namen Mabel tauft, und
begibt sich auf die abenteuerliche Reise, das wildeste aller wilden Tiere zu
zähmen.
Ein Buch über die Erinnerung, über Natur und Freiheit - und über das
Glück, sich einer großen Aufgabe von ganzem Herzen zu widmen.
HELEN MACDONALD ist Autorin, Lyrikerin, Illustratorin und Historikerin.
Sie arbeitet an der University of Cambridge, England, im Bereich
Geschichte und Philosophie der Wissenschaften. H wie Habicht erhielt
in England den renommierten Samuel Johnson Prize, der herausragenden
Sachbüchern verliehen wird, sowie den hoch dotierten Costa Award
für das beste Buch des Jahres.
Helen Macdonald
H wie HabichtAus dem Englischen von Ulrike Kretschmer 400 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
EUR (D) € 20,- / (A) € 20,60ISBN 978-3-7934-2298-3
Allegria-Verlag
Erscheint am 7. August 2015
Auch als Hörbuch bei Hörbuch Hamburg erhältlich.
ISBN 978-3-95713-012-9
Online-Kampagne
Wendeplakat A1TN 793-989017
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