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(Hitler-)Träume eines religiösen Fanatikers?GASTKOMMENTAR VON HAMID SADR

Warum die Supermachtsideen desiranischen Präsidenten MahmoudAhmadinejad gar nicht sounrealistisch sind.

Es ist nichts Neues: Der Stabschef fürdie Organisation der diesjährigenFeierlichkeiten zum Jahrestag der is-

lamischen Revolution (12. Februar, Anm.),Mohammad Hossein Zaree, beruhigt sei-nen Vorgesetzten: „Am Freiheitsplatz (Mei-dane Azadi) wird ein ca. 27.000-köpfigerChor, bestehend aus Bassidj-Milizen, ineinheitlicher Uniform gemeinsam das Lied,Meine Heimat‘ singen. Danach ist die Vor-führung der Symphonie der Kernenergievorgesehen, die zum ersten Mal von einemhundertköpfigen Orchester des Religions-Ministeriums gespielt wird, das auch dasStück ,Ihr göttlicher Märtyrer, wo seid ihr?‘beinhaltet. Zusätzlich wird noch im gan-zen Land der Ankunft Ayatollah Khomeinisvor 28 Jahren gedacht, 617 Demonstratio-nen werden stattfinden. Die Aufgabe der32 Spezialkomitees wäre es, die Organisie-rung der Aufmärsche so zu gestalten, dasssie nicht nur beeindruckend, sondern auchspontan wirken.“ Ahmadinejad (der Präsi-dent) zeigte sich zufrieden: „Unser Volkwird durch seine massenhafte Teilnahmean den Feierlichkeiten am 22. Bahman derWelt zeigen, wie verzweifelt unsere Feindebei der Verfolgung ihre Ziele sein werden. . .“Alles bekannte Rhetorik eines autoritä-

ren Staates zur Selbstdarstellung. Was aberin Ahmadinejads Interview mit der Agen-tur Irna neu ist, ist eine neue, großspurigeAnkündigung. Zitat: „Unser Land ist dabei,rapide eine Supermacht zu werden.“ (Irna,2. Januar 2007)

Persien bis zum Hals in der KriseEr wird sicherlich in seiner Rede auf demFreiheitsplatz erläutern, worauf sich seineSupermachtsidee stützt. Da CNN und BBCdiese Rede wie voriges Jahr live übertragenwerden, kann die Welt gespannt seine Er-klärungen abwarten. Vermutlich werdenviele Kommentatoren, falls er diese Pro-gnose wiederholt, sie als Halluzinationeneines gemütskranken Patienten oder alsakute Omnipotenzfantasien eines verzwei-felten Machtmenschen vor der Entmach-tung bezeichnen.Oberflächlich betrachtet haben sie nicht

Unrecht: Wohin man in Persien auchblickt, sieht man Probleme, die über denPräsidentenkopf hinauswachsen. Das Landsteckt bis zum Hals in der politischen undwirtschaftlichen Krise. Niemand an derMachtspitze weiß einen Ausweg aus derSackgasse. Harte Boykottmaßnahmen ge-gen die Islamische Republik stehen bereitsvor der Tür. Es wird sogar spekuliert, dassder Präsident kurz vor der Entmachtung

steht. Die Kritik an seinen Brandredenwird immer lauter, und die zwei Expräsi-denten der Islamischen Republik, HashemiRafsanjani und Mohammad Khatami, stel-len immer offener und deutlicher seineKompetenz in Frage, indem sie laut überdie Versäumnisse in seiner Atompolitiksprechen. Es hält sich zudem hartnäckigdas Gerücht, dass sein Beschützer, Revolu-tionsführer Ali Khamenei, todkrank ist. Da-rüber hinaus wird weltweit über die Vortei-le und Nachteile eines bevorstehendenamerikanischen Militärangriffs diskutiert.Wie kann ein Land in einer solchen Situa-tion rapide zum Supermacht werden?

Politik von Religion diktiertIm säkularen Teil der Welt, wo Politik einrationales Geschäft ist, sind alle diese Fra-gen richtig und berechtigt. Befinden wiruns aber im Nahen Osten in einer säkula-ren Welt? Politik ist dort schon ein integra-ler Bestandteil der Religion und wird vonihr diktiert. Es hat mit Ayatollah Khomeini,der seinen Gottesstaat (1979) errichtete,begonnen und hat sich mit Hilfe der US-Administration, die die „geniale Idee“ be-saß, islamische Schüler in Pakistan (Tali-ban) mit Bin Laden an der Spitze als Frei-schärler gegen die sowjetische Armee ein-zusetzen, erweitert. Seitdem sind die säku-laren Kräfte in der Region keine relevanteGröße mehr.Das liberale Europa begann zu differen-

zieren, anstatt den islamischen Funda-mentalismus als Gefahr für die Welt zu er-kennen. Differenzierung und Unterschei-dungen zwischen den gemäßigten, radika-len, prowestlichen oder terroristischenMullahs lenkten aber davon ab, den reli-giösen Fundamentalismus in der Regionals Gefahr für die säkulare Welt zu sehen.Die islamische Republik exportierte keineweiteren Revolutionen, sondern den reli-giösen Fundamentalismus.Nachdem Gadhafi von uns zum braven

Schurken degradiert, Saddam Husseinverjagt und beseitigt und Hafiz al Assadgestorben war, blieben Mubarak vonÄgypten und Prinz Abdullah von Jorda-nien übrig, die als nicht religiöse Führerdie säkularen Werte in der arabischen Po-litik zu verteidigen haben. Die Frage ist,wie lange noch?

Kampf für Herrschaft des IslamsDas Ringen in der Region um die Vormacht-stellung zwischen Sunniten und Schiitentäuscht. Beide kämpfen für die Herrschaftdes Islams in der Region. Die Wahhabiten(Saudi Arabien) unterstützen, versorgen undführen ihre eigenen sunnitischen Terroristenin der Region. Die schiitischen Machthaberin Teheran versorgen ihre Terrorgruppen(Hamas, Hisbollah und Mahdi-Armee), umgrößeren Einfluss zu erringen. Ob im Liba-non, Irak, Afghanistan, Pakistan, Syrien oder

in Palästina, es wird um die grenzübergrei-fenden Einflusssphären gekämpft. Petrodol-lars, Waffen und terroristische Selbstmord-attentäter sind die Mittel dieses Krieges undals solche unerschöpflich.Die Tragödie im Nahen Osten besteht

darin, dass der Westen, welcher Teil auchimmer der Gewinner dieses Krieges seinwird, als Verlierer zurückbleibt. Man stehtvor dem Dilemma, mit der Bekämpfungeiner Partei die andere Seite gegen sich zustärken! Der Westen muss sich vorwerfen,durch die Invasion in Afghanistan und inIrak die Vormachtstellung der IslamischenRepublik Iran begünstigt zu haben. Anstattdie Warnungen der laizistisch-säkularenKräfte im Iran (sowohl vor und als auchnach der Revolution) ernst zu nehmen,oder die national-demokratischen Opposi-tion zu unterstützen, bereitet man nachder Katastrophe im Irak eine Invasion imIran vor.Man muss sich vor Augen halten: Die

Ölreserven am Persischen Golf, die es denbeiden Glaubensrichtungen (Sunnitenund Schiiten) in der Region ermöglicht ha-ben, ihre Macht zu erweitern, könnenauch in der Zukunft als Machtmittel füreinen islamischen Nahen Osten eingesetzt

werden. Nein, die Träumereien des kleinenMannes an der Machtspitze der Islami-schen Republik sind nicht so abwegig. Dergeistesabwesende Satz des französischenPräsidenten Jacques Chirac, dass seinerMeinung nach, zwei, drei Atombomben imBesitz der Islamischen Republik nicht sowichtig seien, kann nur die Groß-machtsfantasien seines Amtskollegen Ah-madinejad beflügeln.Es darf uns dann aber nicht mehr über-

raschen, wenn Ahmadinejad wiederholt:„Unser Land ist schon dabei, rapide eineSupermacht zu werden.“

„Islamischer Naher Osten am Entstehen“Schon vor ihm meldete sich der Komman-dant von Pasdaran Enghelab (wörtlich:Schutzstaffel der Revolution) Seyed YahyaSafawi zu Wort gemeldet: „Die überregio-nalen Mächte hatten vor vier Jahren denZielgedanken, ihre Kontrolle über dieEnergiequellen im Nahen Osten und Irakzu sichern, das zionistische Regime alsHandlanger der US-Politik im NahenOsten zu schützen und einen neuen Na-hen Osten zu errichten, um mit den unab-hängigen Mächten in der Region, diedurch die Invasion in Afghanistan und Irakeine stärkere Präsenz erworben haben,konfrontiert zu sein. Wahrlich aber werdendie Amerikaner im Erreichen ihrer ZieleNiederlagen einstecken müssen. Anstattihres neuen Nahen Ostens ist nun ein isla-mischer Naher Osten am Entstehen.“(Irna, 4. Februar 2007) [Foto: literaturfoto.net/Marko Lipus]

Hamid Sadr, geb. in Teheran, ging 1968 ins Exil nachÖsterreich. Freier Schriftsteller in Wien, seit 1980 Mitgliedim Rat der „National Movement of the Iranian Resistance“.

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Meuterei im IrrenhausVON CHRISTIAN ORTNER

Die Bundesländer zeigen geradeglasklar, warum ihre Abschaffungüberlebensnotwendig ist.

Wer in den vergangenen Tagen dieStatements österreichischer Landes-kaiser und ihrer PR-Schergen zum

Thema Schienen- und Straßenbau verfolgte,musste zwangsläufig den Eindruck gewin-nen, mehr einer Meuterei im Irrenhaus alseiner politischen Auseinandersetzung beizu-wohnen. Im Minutentakt hyperventiliertenda die Landesgrößen von der Steiermark bisVorarlberg via „Austria Presse Agentur“ ihreForderungen an den Bund, meist in ein flos-kelhaftes „. . . fordert, dass soundsoviel Mil-liarden für sein Bundesland zur Verfügunggestellt werdenmüssen“ gekleidet.Der einzige, zugegebenermaßen ja auch

höchst nebensächliche Aspekt, der in deraktuellen Debatte um den Ausbau derSchienen- und Straßeninfrastruktur nur amRande gestreift wurde, ist die übergeordneteSinnhaftigkeit der einzelnen Projekte; jeden-falls jenseits der Befriedigung regionaler Be-dürftigkeiten im Rennen der Schildbürgerum den Längeren (Tunnel).

Ziemlich klar ist nun vor allem eines:dass viel Geld ausgegeben wird und dassoptimale Effizienz dabei nicht gerade einwesentliches Kriterium sein wird.Noch drastischer hätten die Bundeslän-

der samt ihren lokalen Eliten nicht demon-strieren können, wie dringend notwendiges wäre, ebendiese Bundesländer endlichersatzlos zu entsorgen oder wenigstens aufden Status von Brauchtumsvereinen zu re-dimensionieren (aber bitte unterAusschluss jeglicher Vereinsförderungen).Zu befürchten ist freilich das genaue Ge-

genteil: Der Einfluss der Länder auf die Bun-despolitik wird in den nächsten Jahren ehernoch zunehmen, weil von der Finanzierungder Grundsicherung über die notwendigenFusionen von Energiekonzernen bis ebenzum Ausbau der Infrastruktur die Länder inFolge der politischen Agenda der Bundesre-gierung mächtige Player sind; was durchausals gefährliche Drohung zu verstehen ist.Denn sie werden aus dieser Position der Stär-ke heraus natürlich ihrer Lieblingsbeschäfti-gung nachgehen, der politischen Schutzgeld-erpressung & Wegelagerei (besonders Sem-mering, Koralpe und Arlberg mit ihren tiefenWäldern sind hier Gefahrenzonen).

Dass die Kanzlerpartei, traditionell ja eherzentralistischer orientiert als die länderlastigeVolkspartei, hier Linderung bieten könnte, istleider nicht mehr wahrscheinlich: Seit vierLandeshauptleute rot sind, hat die Seuchenatürlich auch die Sozialdemokratie erfasst.Ein Fußballteam, dessen Strategie aus-

schließlich daraus besteht, dass jeder Spielerden Ball so lange wie möglich bei sich be-hält, würde vermutlich höchstens in der Ligader mental grob Benachteiligten reüssierenkönnen; in Österreich hingegen ist genaudiese Strategie unter der Bezeichnung „Fö-deralismus“ unantastbarer Teil des nationa-len Selbstverständnisses (auch wenn immermehr Indizien dafür sprechen, dass die Alli-ierten uns diesen Föderalismus nach dem2. Weltkrieg als besonders grausame Rachefür Hitler verschrieben haben).Dass die Länder ja immerhin die Republik

begründet haben, wird von den Advokatendieses Föderalismus gerne ins Felde geführt.Anzunehmen ist freilich: Sie werden sieauch wieder ruinieren.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.

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Carola Leitner,Kurt HamtilWähring in altenFotografien

Verlag Ueberreuter,95 Seiten,14,95 €

D A S B U C H

„Warich“

12Bände seiner nostalgischen Reihe hatUeberreuter schon fertig: Die Wiener

Bezirke in alten Ansichten. Ausgewertetwurde fast ausschließlich das Bildarchiv derNationalbibliothek. Jüngstes Exemplar:Währing. 1170 als „Warich“ erstmals ur-kundlich erwähnt, ein typisches Straßen-dorf entlang des Währingerbachs, stets un-ter fremder Grundherrschaft: zuerst dasHimmelpfortkloster, danach das Benedikti-nerstift Michaelbeuern. Zweimal wurde daskleine Dorf völlig zerstört: Bei der erstenTürkenbelagerung, um den Türken die An-näherung zu erschweren, bei der zweitenvon den Türken selbst. Die sogenannte„Türkenschanze“ in der damaligen Sand-grube oberhalb vonWeinhaus und Gersthofist ein letztes Überbleibsel aus jener Zeit,die für viele Einwohner mit dem Tod oderin türkischer Sklaverei endete. ::::: hws

MEINUNG 37Freitag, 9. Februar 2007 37