Mittelmaschinen
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Werner Heil
Die Mittelmaschinen
Die Mittelmaschinen kommen nach Birr
Der Begriff „Mittelmaschinen“ bezeichnete bei BBC/ABB Motoren und Generatoren imBaugrössenbereich zwischen den Drehstrom-Normmotoren – in der BBC-Sprache „Klein-maschinen“ genannt – und den grossen Turbo- und Hydrogeneratoren. Die Abgrenzunggegen die Grossmaschinen wurde bei einem Maschinengewicht von 10 t, einem Rotorge-wicht von 5 t und einem Rotordurchmesser von 1000 mm festgelegt. Für diese Dimensio-nen war die neue Mittelmaschinen-Fabrik in Birr, die ab 1963 in Betrieb genommen wurde,ausgelegt worden. Diese Begrenzungen waren allerdings nicht absolut. Zum Fabrikations-programm des Mittelmaschinen-Bereichs gehörten auch Maschinen, die nicht in diesenRaster passten, so z. B.: Gleichstrommaschinen für Walzwerks- und Schachtförderanlagenmit Rotordurchmessern bis 4100 mm, für deren Herstellung die Fertigungseinrichtungender Grossmaschinenfabrik benötigt wurden, sowie kleine Spezialmaschinen (z. B.: kleineMotoren und Generatoren für Bahnhilfsbetriebe) im Achshöhenbereich unter 355 mm. DasFabrikationsprogramm umfasste zu diesem Zeitpunkt im Wesentlichen:
Maschinenart Bauarten Anwendungsgebiete
Drehstrommaschinen Asynchronmotoren mit Käfig-oder Schleifringläufer undSynchronmotoren
Synchrongeneratoren
Ventilatoren, Kompressoren undPumpen für Kraftwerke und in-dustrielle Anwendungen, wieChemische-, Zement-, Öl- undMontanindustrie
Generatoren für Industrieturbi-nen und Dieselmotoren
Gleichstrommaschinen Motoren u. Generatoren (incl.Motoren mit Rotordurchmes-ser bis 4100 mm)
Anwurfmotoren und Erreger-maschinen für Turbogenera-toren
Walzwerke, Bergbau, Zement-und chemische Industrie,Strassenbahnen, Seilbahnen etc.
Turbogeneratoren
Wechselstrom-Kommutatormaschinen
Einphasen-Bahnmotoren
Regelsatzmaschinen (z. B.Bauart Scherbius)
Drehstrom-Kommutator-Maschinen (z. B. BauartSchrage)
Lokomotiven und Bahnhilfsbe-triebe
Frequenzumformer für Bahnenund Industrie
Textilindustrie, Förderanlagen,Ventilatoren
Spezialmaschinen Mittelfrequenzumformer
Klauenpol-Synchrongeneratoren
Stahlindustrie
Zugbeleuchtungsgeneratoren
Nach der Eingliederung des Geschäftsbereichs „Elektrische Maschinen“ in den Bereich„Stromerzeugung“ wurde von der BBC-Konzernleitung entschieden, die Fabrikation derDrehstrom-Normmotoren nach Frankreich zu verlagern.
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Das Mittelmaschinensortiment beim Umzug nach Birr (Beispiele)
Die Metamorphose der Mittelmaschinen
Zum Zeitpunkt des Umzugs der Mittelmaschinenproduktion von Baden nach Birr war derElektromaschinenbau etwa 100 Jahre alt, wenn man davon ausgeht, dass er mit der Reali-sierung des dynamo-elektrischen Prinzips begonnen hat. Auf Grund dieses Alters könnteman annehmen, dass ein hoher Grad der Reife und Perfektion erreicht worden war. Aberzu keiner Zeit seit dem Ersten Weltkrieg war die Entwicklung im Elektromaschinenbau soturbulent wie damals. Sie war im Wesentlichen gekennzeichnet durch folgende Einflussfak-toren:
� Neue Isolierstoffe,
� Standardisierung und Rationalisierung,
� Vordringen der Elektronik,
� Wandel der Anwendungsgebiete.
Gleichstrom-Leonardgenerator 1000 kW, 1000 U/min, Belüftung aus dem Fundament. (oben links)Drehstrom-Kommutatormotor, 17.3 / 52 PS, 460-1380 U/min, offene Bauart. (oben rechts)Gleichstrom-Umkehrwalzmotor, 2 x 3500 kW, 0-60 / 120 U/min, 2 x 2000 kNm, Rotordurchmesser 3300mm, Wellenenddurchmesser 650 mm. Anlage Walzwerk Rheinhausen. (unten links)Mittelfrequenzumformer-Rotor, 10 kHz, 2967 U/min, oben Motor- unten Generator-Rotor. (unten rechts)
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Neue Isolierstoffe
Mit dem 1967 eingeführten Isolationssystem Micadur-Compact®, zusammen mit neuenIsolierstoffen wie beispielsweise Glasfaserbändern, Nomex und Kapton, wurde eine höherethermische Ausnützung des Aktivteils möglich. Auch der Ersatz papierbeklebter Elektro-bleche durch lackisolierte Bleche steigerte die Ausnützbarkeit des Materials. Die Isolati-onsklasse F wurde für Industriemaschinen zum Standard. Für Bahnmotoren etablierte sichdie Isolationsklasse H und später C.
Zusammen mit der um eine Isolations-klasse niedrigeren Ausnützung wurdedie Betriebssicherheit und die Lebens-dauer der Motoren erheblich gestei-gert. Dieser Fortschritt wirkte sichnachteilig für den Hersteller aus, konn-te er doch in der Regel für eine be-stimmte Anwendung bei einem Kundenkeine Ersatzlieferung verbuchen.
Standardisierung und Rationalisierung
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war BBC in der Schweiz mit ihren, vom Kriegverschont gebliebenen Fabrikationsstätten, in einer günstigen Situation. Ab Beginn der60er-Jahre wandelte sich jedoch der Verkäufermarkt, infolge des Aufbaus der Fabriken imübrigen Europa, zum Käufermarkt. Dadurch kamen die Verkaufspreise unter Druck und dieGewinne wurden geschmälert. Gleichzeitig setzte eine Steigerung der Löhne und Gehälterein, die zu einer Erhöhung der Herstellkosten führte und die Wettbewerbssituation weiterverschlechterte. Da bisher der Schwerpunkt auf der Optimierung des Materialaufwandeslag, wurden alle Maschinen für ihre spezielle Anwendung massgeschneidert. Der Aufwandfür Berechnung, Konstruktion und Arbeitsvorbereitung war dementsprechend hoch.
Die Standardisierung bot hier eine wirksame Abhilfe. Als erstes entstand eine Reihe mo-dular aufgebauter Gleichstrommaschinen im Achshöhenbereich 400-900 mm. Wurde bis-her nur bei den teuren Stanzwerkzeugen für die Blechschnitte auf die Wiederverwendbar-keit für neue Aufträge geachtet, wurden jetzt alle Hauptabmessungen, wie Rotordurch-messer, Polgeometrie, Eisenlängen, Kommutator- Wellenend- und Lagerdurchmesser,geometrisch abgestuft genormt. Ausserdem wurde die Anzahl der Wicklungsvarianten be-grenzt, das Belüftungssystem vereinheitlicht, und alle Maschinen mit Rücksicht auf dieStromrichterspeisung voll lamelliert ausgeführt. Ferner wurden die Maschinen mit eigenenKühlaggregaten ausgerüstet, wodurch die aufwendigen Belüftungssysteme in den Funda-menten der Anlagen entfallen konnten. Die Summe dieser Massnahmen resultierte in einerVerringerung des Personalaufwandes für die Offert- und Auftragsabwicklung. GeringeMehraufwendungen beim Material wurden dadurch mehr als kompensiert.
Diese neue Gleichstrommaschinenreihe sorgte auf der Industriemesse in Hannover 1968für grosses Aufsehen, nicht nur bei den Kunden sondern auch bei der Konkurrenz. In derFolge hatten alle Gleichstrommaschinen der namhaften Wettbewerber das gleiche Bau-prinzip und das gleiche Aussehen.
Micadur-Compact®-IsolationVakuum-Druck-Imprägnierungeines bewickelten Hochspan-nungsmotor-Stators
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Nach den gleichen Prinzipien wurden die Drehstrommaschinen – Asynchronkurzschluss-und Schleifringläufermotoren sowie Synchronmotoren und -generatoren – neu konzipiertund standardisiert. Der enorme Aufwand, der für die optimale Festlegung der Standardva-rianten bei der elektrischen Auslegung zu bewältigen war, war nur mittels der neuen lei-stungsfähigen Computer und den dafür entwickelten Rechenprogrammen möglich. Einweiterer Meilenstein war die Anpassung der Konstruktion an das neue IsolationssystemMicadur-Compact®. Stator-Aktivteil und Gehäuse, die traditionell eine einheitliche Bau-gruppe darstellten, wurden getrennt, um eine einfache Ganzimprägnierung der Wicklungzu ermöglichen. Auch die neu eingeführte Methode der Wertanalyse – eine Anleitung zumsystematischen, kostenbewussten Konstruieren unter Einbezug der Fertigungstechnik –kam bei dieser Entwicklung zur Anwendung. Aus fertigungstechnischen Gründen, und umden Anbau der Kühlaggregate zu erleichtern, waren fortan die Maschinen nicht mehr rundsondern eckig. Auch dieses von BBC eingeführte Konstruktionsprinzip wurde zum Standardin der Elektromaschinenindustrie.
Gleichstrom-Doppelmotor Typ G 900 h 1000 ap2 x 1930 kW, 165 U/min, Antrieb einer Rohr-stossbank
Kurzschlussläufer-Motor,4.5 MW, 746 U/min mit aufgebautemLuft-Wasserkühler für Rauchgasgebläse
Gleichstrommotor der neuen BaureiheG 400-900, Perspektivischer Schnitt.
Schleifringläufer-Motor der neuen Reihe S 400-800,mit Bürstenabhebevorrichtung.Perspektivischer Schnitt.
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Vordringen der Elektronik
Die rasante Entwicklung der Leistungs- und Regelelektronik, die mit der Erfindung derHalbleitertechnik einsetzte, führte zu grossen Umwälzungen im Elektromaschinenbau. Mitzunehmender Leistungsfähigkeit und sinkenden Kosten der Halbleiterelemente wurdenzuerst die drehzahlregelbaren Drehstrommaschinen, wie Scherbiusmaschine und Schra-gemotor, verdrängt. Die Gleichstrommaschinen erlebten dagegen eine Renaissance, büss-ten aber auch Marktanteile ein, indem z. B. auch die Generatoren für Leonardumformerverschwanden. Die Gleichstrom-Erregermaschinen für Turbogeneratoren wurden durchbürstenlose Drehstrommaschinen, und die rotierenden Mittelfrequenzumformer durch sta-tische Frequenz-Umrichter ersetzt.
Mit der Entwicklung der Wechelrichtertechnik sind inzwischen auch die Einphasenwechel-strommotoren für Lokomotiven, die Gleichstrommotoren für Strassenbahnen dem einfa-chen, robusten und wartungsarmen Drehstrommotor gewichen.
Mischstrom-Traktionsmotor 1145 kW fürGleichrichter-Lokomotive Ae 4/4 der BLS
Drehstrommotor 1200 kW, 4180 U/minfür die SBB-Lok 2000 (Re 460)
Synchrongenerator, 1200 kVA, 1500 U/min,mit angebauter bürstenloser Erregermachine
Synchronmotor der neuen Reihe 400-800.Perspektivischer Schnitt.
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Wandel der Anwendungsgebiete
Der technische und technologische Wandel in den Einsatzgebieten der Mittelmaschinenblieb ebenfalls nicht ohne Folgen. In der Stahl verarbeitenden Industrie wurden Block- undBrammenwalzwerke mit der Einführung der Stranggusstechnik verdrängt, und der Nieder-gang des Bergbaus brachte den Bau von Schachtförderanlagen zum Erliegen. Damit ver-schwanden die Anwendungsgebiete für grosse Gleichstrommaschinen. Dafür gab es an-derswo neue Einsatzgebiete für elektrische Maschinen. Mit steigenden Energiepreisen undOptimierung der Prozesse kamen in Grossanlagen der Industrie, insbesondere der Petro-und Kunststoffindustrie sowie in Kraftwerken, vermehrt regelbare Elektromotoren an Stelleder althergebrachten Turbinen als Antriebsaggregate zum Einsatz.Das 8. Gebot der Zunft: „Liebe die Elektrizität und meide den Dampf!“ erhielt durchdiese Entwicklung eine ganz neue Bedeutung.
Eine Folge davon war, dass immer grössere Antriebsleistungen, grössere Drehzahlstellbe-reiche und höhere Drehzahlen verlangt wurden. Mit einem Leistungsbereich bis 30 MW(4.5 MW), Gesamtgewicht bis 60 t (10 t) und Rotorgewicht bis 25 t (5 t) wurden die Vorga-ben für die Planung der Mittelmaschinenfabrik (in Klammern: die alten Planungswerte) umein Vielfaches überschritten. Die Grenzen zum Grossmaschinenbau wurden fliessend. Die-se Entwicklung wird besonders deutlich am Beispiel der umrichtergespeisten Synchron-Turbomotoren, deren Auslegung, Konstruktion und Herstellung innerhalb eines Jahres dankenger Zusammenarbeit des Mittel- und Grossmaschinenbereichs realisiert werden konnte.
Weiterentwicklung der BBC-Mittelmaschinen
Die Gleichstrommaschinen-Reihe DMA (Ga/GN)
Nach der Verlagerung der Drehstrom-Normmotoren zu BBC-Frankreich wurden dieGleichstrommaschinen im Achshöhenbereich 160–355 mm im Jahr 1973 dem TeilbereichMittelmaschinen zugeteilt. Da weder Technik noch Herstellkosten den Marktanfor-derungen entsprachen, wurde ein Entwicklungsprojekt gestartet. Angelehnt an dasBauprinzip der Gleichstrom-Mittelmaschinen G400–G800 wurde unter Einsatz modernerEDV-gestützter Entwicklungsmethoden und der Wertanalyse (Value Analysis) einekompakte, fertigungstechnisch optimierte Motorenreihe entwickelt. Zur rationellenBestellungsabwicklung des variantenreichen Baukastensystems mit allen vom Marktverlangten Bauformen, Kühl- und Schutzarten kam das Automated Design Engineering(ADE)-System zum Einsatz.
Die neu entwickelte Reihe wurde schnell zumMarkterfolg und erreichte einen Anteil von etwa30% des Produktionsvolumens. Druckmaschinen,Papiermaschinen, Seilbahnen und viele andereIndustrieanlagen wurden mit diesen Motorenausgerüstet. Mit dem Vordringen der umrichter-gespeisten Drehstrommotoren im unterenLeistungsbereich wurden die kleineren Bau-grössen 180–250 aus dem Sortiment verdrängt. ImGegenzug wurde der Bereich schrittweise bis zurBaugrösse 500 erweitert.
Gleichstrommotor DMA 280 L mit aufgebautem Ventilator,265 kW, 1000 U/min, 2.5 kN.
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Die Gleichstrommaschinenreihe GX
Mit der Einführung der Stranggusstechnik in der Stahlindustrie verlagerte sich die Nach-frage von Motoren mit niedriger Drehzahl und hohem Drehmoment zu Motoren mit höhe-ren Drehzahlen und kleineren Drehmomenten. Gleichzeitig ermöglichten die Fortschritte inder Regelungstechnik höhere Walzgeschwindigkeiten und eine höhere Regeldynamik. Umdiesen Ansprüchen zu genügen, wurde von 1977 bis 1979 die GleichstrommaschinenreiheGX entwickelt. Sie schliesst im Leistungsvermögen an die Mittelmaschinenreihe G 450-900a an, überdeckt den Leistungsbereich bis 5500 kW und einen Drehmomentbereich bis330 kNm bei Grunddrehzahlen von 120-350 U/min. Die Motoren wurden für eine hohe Re-gelgüte optimiert. Drehzahlen bis 800 U/min (GX 8) bis 1100 U/min (GX4) sind dabei be-triebssicher möglich. Die Motoren zeichnen sich durch einen kompakten Aufbau aus undkönnen als Einheit transportiert und in der Anlage mit geringem Aufwand montiert werden.Die erste Maschine dieser Serie wurde 1980 für die Schleuderanlage in Birr gebaut.
Die Wechselstrommaschinen-Reihe MOTEM
Unter dem Projektnamen MOTEM (Modulare Technik Elektrische Maschinen) wurde ab1980 bis 1984 in Birr eine Motoren- und Generatoren-Reihe entwickelt, welche Asynchron-Käfig- und Schleifringläufermotoren, sowie Synchronmaschinen mit bürstenloser und stati-scher Erregung umfasste. Sie überdeckte einen Leistungsbereich von 200 bis 10‘000 kW,für 50 und 60 Hz, mit Klemmenspannungen bis 13.8 kV, horizontaler und vertikaler Wel-lenlage, sowie vielen anderen vom Kunden spezifizierbaren Merkmalen bis hin zur Klem-menkastenlage und Farbe.
Das Hauptziel der Entwicklung war eine vollständig EDV-gestützte Bestellungsabwicklung,analog der früher entwickelten Reihe kleiner Gleichstrommaschinen (s. oben). Um die ver-schiedenen Maschinenarten – Asynchronkurzschlussläufer-, Schleifringläufer- und Syn-chronmaschinen – mit den gleichen Algorithmen verarbeiten zu können, wurden Statorenund Rotoren modular aufgebaut. Ausgehend von der elektrischen Auslegung wurden inDatenbanken hinterlegte Basiswerte mit ADE-Programmen (ADE=Automated Design Engi-neering) so verknüpft, dass damit alle auftragsspezifischen Zeichnungen und Konstrukti-onsstücklisten erzeugt werden konnten. Mit diesen Daten wurden dann durch das Produk-tions-Planungs- und Steuerungssystem der Fabrik die Fertigungsstücklisten, Operations-pläne, Betriebsmittellisten und Materialbestellungen generiert.
Motor zu Twindrive2 x GX 8 ik 19,2 x 5120 kW,200/290 U/min,Gewicht: 50 t.
Kaltwalzwerk fürElektroblech,Stahlwerke Bo-chum.
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Die Reihe wurde ab 1984 am Markt eingeführt, der Bestellungseingang war aber unbefrie-digend. So betrug der Anteil der MOTEM-Maschinen 1989 beim ZusammenschlussBBC/ASEA etwa 10% aller bestellten Wechselstrom-Maschinen. Bei der Evaluation der ein-heitlichen Konzernreihe fiel der Entscheid zu Gunsten der bestehenden Q/S-Reihe aus, unddie Fertigung der MOTEM-Reihe wurde eingestellt. Das EDV-gestützte Bestellabwicklungs-system wurde für die bestehende Asynchronmotorenreihe adaptiert. Auch für die Turbo-generator-Reihen TOPAIR, TOPGAS und GIGATOP 2-pole von Alstom fanden und findennoch heute die Ideen der Modularität und der automatisierten Variantenbildung ihre Ver-wendung.
Mittelmaschinen-Highlights
MOTEM Synchrongenerator, AWHV 450/06,500 kW, 1000 U/min, 50 Hz, 6.6 kV, 119 A.Limmat-Kraftwerk Schiffmühle.
MOTEM Schleifringläufer-MotorASW 400/04, 500 kW, 1496 U/min, 6 kV.Papierfabrik Albbruck.
SynchronmotorenWM 1000 da 4, 15.7 MW,1800 U/min, Gewicht: 50 t.Wettergeschützte Bauart.
Montage im Prüffeld für dieVolllast-Prüfung im Rückar-beitsverfahren.
50 Motoren dieses Typswurden für ARAMCOzum Antrieb von Turbo-kompressoren einer Gas-verflüssigungsanlage inSaudi-Arabien geliefert.
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Links:Schleifringmotoren mit untersyn-chroner Kaskade, 11.5 MW,1165-770 U/min.Volllastprüfung mit Stromrichter imRückarbeitsverfahren.
42 Motoren dieses Typs wurdenzum Antrieb von Pumpen für dieWasser-Pipeline vom ArabischenGolf nach Riad geliefert.
Links:
Vertikaler Asynchronmotor QWG1000 ika 6, 9700 hp, 1194 U/minzum Antrieb einer Rezirkulations-pumpe im Kernkraftwerk San On-ofre/USA.
Der Motor enthält das Kippseg-ment-Traglager für die direkt ge-kuppelte Pumpe (wie bei einemvertikalen Wasserkraft-Generator)und eine Rücklaufsperre.
Rechts:Synchrongenerator WG 1120 fb 430 MW, 1800 U/min, über Torsions-welle mit Getriebe (rechts) mit Turbi-ne gekuppelt. Gewicht 60 t.
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Vierzig drehzahlvariable Synchron-Turbomotoren WM des Typs 56 ma, 10 MW, 2000-6000U/min zum Antrieb von Kesselspeisepumpen wurden für die Kraftwerke Matimba undKendal (Südafrika) geliefert und sind seit über 25 Jahren störungsfrei in Betrieb.
Kesselspeisepumpen-Antrieb, Kraftwerk Herne IV, STEAG (baugleich mit Motor oben)
Einfahren des Turborotors mit Erreger-Rotor. Der Rotor ist eine weiterentwickelte „Kleinausgabe“ einesTurbogenerator-Rotors mit Hohlleitern, Pol-Querschlitzen, vollständiger Dämpferwicklung zur Vermin-derung der Zusatzverluste durch Strom-Oberschwingungen. Der Stator hat eine Doppel-Drehstromwicklung (60 °el. versetzt) für die 2 x 6-pulsige Stromrichterspeisung.
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Die Mittelmaschinen in der ABB-Zeit
Das Projekt EUROMOTOR
Durch die Fusion von BBC und ASEA zur ABB kamen mit Västerås und Helsinki zwei weite-re Fabriken für Mittelmaschinen hinzu, und kurz nach der Fusion akquirierte ABB eine Mo-toren-Fabrik von Jeumont-Schneider in Frankreich. Dies führte dazu, dass im Konzern einWettbewerb um Produkte und Märkte entstand. Das Werk Birr, das in der BBC-Organisation Entwicklungsführer und Lizenzgeber für vier weitere BBC-Fabriken war, ver-fügte über ein vollständiges Sortiment auf einem hohen Entwicklungsstand. Das Ziel derKonzernleitung war, das Produktesortiment unter Einbezug des BBC-Knowhows zu verein-heitlichen und an die Fabrikationseinrichtungen der verschiedenen Fabriken anzupassen.Ein Projektteam aus fünf ABB-Fabriken entwickelte von 1992 bis 1995 auf der Basis derbewährten BBC-Technik zwei Asynchronmotoren- AMA und AMB Reihen mit Schleifring-und Kurzschlussläufern im Leistungsbereich 200 – 10000 kW, für Nennspannungen bis13.8 kV.
Die optimierte Gleichstrommaschinen-Reihe DMA+
Parallel dazu wurde die Reihekleiner Gleichstrommaschinenan das Konzernsortiment an-gepasst und der Leistungsbe-reich stark erweitert. Die Reiheumfasste nun die Baugrössen280–500 mit Leistungen zwi-schen 150 und 1000 kW, bzw.einen Drehmomentbereich von1.5 bis 20 kNm.
DrehstrommotorenBaureihen AMAund AMB:2p: 2-12P: 0.16-10 MWU: 2.3-13.8 kVf: 50/60 HzBauform: horizon-tal und vertikal.Viele Kühl- undSchutzarten nachinternationalenund US-Normen
Asynchron-Käfigläufer-Motor, horizon-tal, mit aufgebautem Luft-Luftkühler
Asynchron-Käfigläufer-Motor, vertikal,mit angebautem Luft-Wasserkühler
Optimierte ABB Gleich-strommaschinen-Reihe
DMA 280-500
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Das Projekt HISPIN
Im Zuge der Gründung der ABB Verkehrstechnik AG, die bald darauf in das mit DaimlerBenz gegründete Joint-Venture ADtranz überführt wurde, verlor das Werk Birr die Ferti-gung der Bahnmotoren, die durchschnittlich 1/3 des gesamten Produktionsvolumens aus-machten. Um den Umsatzverlust auszugleichen, wurde unter dem Projektnamen HISPIN (=Hohe Drehzahl) eine umrichtergespeiste Reihe von Asynchronmotoren für sehr hohe Dreh-zahlen entwickelt. Diese Antriebe finden immer häufiger Anwendung in der Chemie-, Gas-und Ölindustrie. Sie werden zunehmend an Stelle von Gasturbinen eingesetzt, da sie einenbesseren Wirkungsgrad aufweisen, auf Grund der guten Regelbarkeit eine bessere Pro-zessführung sowie eine höhere Sicherheit und Verfügbarkeit gewährleisten.
Der von ABB konzipierte HISPIN-Antrieb besteht aus zwei parallelgeschalteten 12- oder 24-pulsig gespeisten ACS 6000 Umrichtern und einem Asynchronmotor, der wegen der sehrhohen Drehzahl (bis 15000 U/min) mit einem massiven Rotor und mit Magnetlagern aus-gerüstet wurde. Die umfangreichen und komplexen Berechnungen zur elektrischen undmechanischen Auslegung des Motors wurden in Zusammenarbeit mit dem ABB-Forschungszentrum und der Fachhochschule Düsseldorf ausgeführt.
Um die Zuverlässigkeit der theoretischen Berechnungen zu überprüfen, wurde ein Proto-typ gebaut, der zusammen mit dem Umrichter in Birr unter Volllast geprüft wurde. DieTestergebnisse bestätigten die im Voraus berechneten Werte. Mit der Schliessung der Mit-telmaschinenfabrik in Birr wurde die Projektarbeit eingestellt und sowohl das erarbeiteteKnowhow, wie auch der Prototyp an die ABB-Maschinenfabrik in Helsinki übergeben.
HISPIN-Motor Prototyp.8715 kW, 12000 U/min, 6410 V,cos φ=0.83, η=97.2%(incl. Lager und Ventilations-verluste).
0
5 MW
15 MW
0 5000 rpm15000
rpm
10000
rpm
10 MW
2 MW
Shaft Power
Speed
5000 hp
10000 hp
15000 hp
20000 hp
630
710
710
800
800
external coolant
water
maximum continuous power and
maximum speed capability
15 MW, 10000 rpm
5
4
3
2
1
5 MW, 15000 rpm
12.5 MW, 11000 rpm
10 MW, 12000 rpm
7.5 MW, 13500 rpm
15 MW, 10000 rpm
Leistungsspektrum HISPIN-Motoren1 – 5: BaugrössenGelb: Ausführung mit MagnetlagernGrün: Ausführung mit GleitlagernGrau: Schnellläufer mit geblechtem Rotor
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Schliessung der Mittelmaschinen-Fabrik Birr
Mit dem Umsatzvolumen der grossen Drehstrommaschinen für ausgewählte Märkte undder kleinen Gleichstrommaschinen konnte keine konstante und kostendeckende Ausla-stung der Mittelmaschinenfabrik mehr erzielt werden. Die durch den Produktionsverbundmit der ABB-Fabrik in Champagne erzielten Kostensenkungen waren nicht ausreichendund der Aufwand bis zur Markteinführung der HISPIN-Motoren hoch. Deshalb musste dieKonzernleitung Ende 2001 die Schliessung der Mittelmaschinen-Fabrik in Birr verfügen.Mitte 2002 wurde die Produktion eingestellt, die Fabrikationseinrichtungen demontiert unddie Hallen geräumt. 270 Arbeitsplätze verschwanden. Viele der hoch qualifizierten Mitar-beiter fanden bei Alstom eine neue Stelle und blieben in Birr.
Phönix aus der Asche
Im Zuge der Planung für die Stilllegung der Mittelmaschinenproduktion in Birr wurdeschnell klar, dass die anderen ABB-Fabriken den Service für die von Birr gelieferten Ma-schinen nicht gewährleisten konnten. Deshalb wurde diese Abteilung nicht nur als selbst-ständige Einheit „Elektrische Maschinen Services“ aufrecht erhalten, sondern sie wurdeauch personell verstärkt. Ausser der Reparatur von Motoren aller Art – auch vonFremdprodukten – und der Lieferung von Ersatzteilen, gehört die Lieferung von komplettenErsatzmaschinen zum Kerngeschäft. Dazu gehört ein Reservemotor GX8 für EBG Elektro-blech Bochum.
Ein weiteres Geschäftsgebiet, das zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Lieferung vonSpezialmaschinen, die von den übrigen Konzernfabriken nicht angeboten und nicht gefer-tigt werden. In diese Gruppe gehören die umrichtergespeisten Synchron-Turbomotoren,die hauptsächlich als Antriebe für Kesselspeisepumpen in Kraftwerken, zum Antrieb vonKompressoren und als Anwurfmotoren für grosse Gasturbinen eingesetzt werden. Dazuzählt zum Beispiel auch ein Motor für das Kraftwerk Majuba. Zusammen mit den 2012verbuchten Bestellungen erhöht sich die Zahl dieser Hochleistungsmotoren auf über 100Stück. Für weitere 7 Schnellläufer wurde bereits ein Engineeringauftrag erteilt.
(Aargauer Zeitung v. 21.11.2001)
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Zu diesem Geschäftsgebiet gehören auch frequenzumrichtergespeiste schnelllaufendeAsynchronmotoren mit Kurzschlussläufern im oberen Leistungsbereich zum Antrieb vonPumpen, Gebläsen, Kompressoren etc.
Kleindöttingen – „Birr“ an der Aare
ABB hatte 2010 im aargauischen Kleindöttingen eine rund 1500 qm grosse Produktions-halle in Betrieb genommen, die der Vormontage von Statorstäben und Rotorpolen für ge-triebelose Mühlenantriebe dient. Am gleichen Standort hat ABB Schweiz Elektrische Ma-schinen Mitte 2012 – zehn Jahre nach der Fabrikschliessung – eine neue Heimat gefunden.Die dafür getätigten Investitionen belegen die Bedeutung dieses Geschäftszweigs. Mitmodernsten Fertigungseinrichtungen auf einer Fläche von ca. 5000 qm hält der bewährteMitarbeiterstab von ABB die Tradition der elektrischen Mittelmaschinen aufrecht.
Drehzahlvariabler Synchron-Turbomotor, 9.2MW, 5600 U/min mit aufgebautem Luft-Wasserkühler zum Antrieb von Kesselspeise-pumpen, Kraftwerk Majuba.
Drehzahlvariabler Asynchron-Schnellläufer,6600 kW, 5110 U/min. ExplosionsgeschützteAusführung, Anwurfmotor für Gasturbine in einerGasverflüssigungsanlage.
Die Zukunft hat schon begonnen
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