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Interkulturelle BrückenbauerInnen in der Pflege Modellprogramm zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung gemäß § 8 Abs. 3 SGB

GKV- Expertise „Kultursensible Pflege und interkulturelle Öffnung in der Altenpflege“ 08.11.2018 - Berlin

Demographische Entwicklung 2016: Anteil der über 65- jährigen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland bei ca. 1,9 Millionen Prognose für 2032: Anstieg auf 3,6 Mio. (Prognos/ StBA- Basis 2017)

Alters-und Pflegevorstellungen sind durch individuelle

biografische Erfahrungen, die Herkunftskultur sowie äußere Lebensumstände geprägt

Neuausrichtung der vorhandenen Angebote notwendig, um

der sozialen, kulturellen, religiösen und sprachlichen Vielfalt der Menschen Rechnung zu tragen

Migration und Pflege

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SeniorInnen mit Migrationshintergrund

Heterogene Bevölkerungsgruppe mit spezifischen Bedarfen Schlechtere soziökonomische Verhältnisse – soziale Ungleichheit Gesundheitlich schlechtere Lage und frühzeitige Pflegebedürftigkeit Fehlende oder lückenhafte Kenntnisse über das Gesundheits- und

Pflegesystem Barrieren in der Inanspruchnahme von Beratungsangeboten sowie

Leistungen der Pflege und Altenhilfe

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Zugangsbarrieren

Komplexität Pflegesystem

FachberaterInnen nicht ausreichend kultursensibel bzw. interkulturell geschult

Sozio-kulturelle und religiöse Aspekte finden wenig Beachtung

Diskriminierungs- und Stigmatisierungserfahrungen

Sprachliche Kommunikationsbarrieren und fehlende mehrsprachige Ausrichtung

Angebote der Pflegeeinrichtungen nicht ausreichend auf die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppe ausgerichtet

Pflegebedürftige Menschen mit Migrationshintergrund und ihre

Angehörigen kommen verzögert im Hilfe- und Pflegesystem an

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Gleiche Rechte, aber auch gleiche Chancen ?

Beitrag von IBIP zur gleichberechtigten Teilhabe in der Pflege

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Das Modellprojekt IBIP ist neue Wege gegangen, damit pflegebedürftige Einwanderer und ihre Angehörigen gleichberechtigt Zugang zu den Leistungen des bestehenden Hilfe- und Pflegesystems finden.

Projektlaufzeit: 01.09.2015 - 31.08.2018

Projektträger: Diakonisches Werk Berlin Stadtmitte e.V.

Wissenschaftliche Begleitung – Evaluation: Camino Werkstatt für Fortbildung, Praxisbegleitung und Forschung in sozialer Arbeit gGmbH

Das Modellprojekt

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Pflegebedürftige Menschen mit Migrationshintergrund und ihre Angehörigen wurden

niedrigschwellig sowie kultursensibel über Leistungen der Pflegeversicherung informiert und auf vorhandene Hilfsangebote hingewiesen.

Die Inanspruchnahme der Pflegeberatung bzw. der Pflegestützpunkte durch MigrantInnen ist gewachsen.

Die durch das Modellprojekt erreichten MigrantInnen fühlen sich besser über die Thematik Pflege im Alter informiert.

Die Pflegeberatungskompetenz der beteiligten PflegeberaterInnen und

PflegegutachterInnen und die Beratungsqualität in interkulturellen Zusammenhängen hat sich verbessert.

Mitarbeitende von Beratungs- und Pflegeeinrichtungen sowie GutachterInnen des MDK sind zum bewussten Umgang mit Vielfalt geschult, sensibilisiert und motiviert.

Die Inanspruchnahme von Pflegeberatungs- und Hilfeleistungen bzw. –angeboten durch Menschen mit Migrationshintergrund ist gestiegen.

Projektziele

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• Konzepterarbeitung (Projekt, Basisqualifizierung IBIP, Evaluation)

• Auswahl KooperationspartnerInnen und Modelleinrichtungen

• Qualifizierung IBIP

• Auf- und Ausbau von verlässlichen Netzwerk- und Kooperationsstrukturen

• Erhöhung Bekanntheitsgrad durch Gremien- und Öffentlichkeitsarbeit

• Weiterentwicklung der interkulturellen Öffnung in Modelleinrichtungen

• Prozessbegleitende Qualitätsentwicklung

• Erfolgreiche Projektetablierung

Meilensteine

Qualifizierung IBIP

Personen unterschiedlicher Herkunftssprachen wurden zu Themen der Pflege ausführlich geschult, um danach sprach- und kulturmittelnd –„Brücken bauend“– Fachkräfte ambulanter Einrichtungen der Pflege zu unterstützen sowie pflegebedürftige MigrantInnen und deren Angehörige über ihre Rechte zu informieren

Dauer der Schulung : 6 Monate Basisqualifizierung (u.a. Gesundheits- und Pflegesystem, Pflegeleistungen, interkulturelle Kommunikation) Enge Verbindung von theoretischen Lerninhalten und praxisbegleiteten Lernen (Praktika, Hospitationen) Zertifizierung der Teilnahme Kontinuierliche projektinterne Schulungen und Supervision Fortbildungen zur Diversity und kultursensiblen Beratung (IBIP und beteiligte Fachkräfte)

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Interkulturelle BrückenbauerInnen

Sprachliche Ressourcen

• Arabisch

• Französisch

• Polnisch

• Russisch

• Rumänisch

• Serbokroatisch

• Türkisch

• Vietnamesisch (ab 01/19)

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Modellbezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Neukölln 4 Modellpflegestützpunkte: PSP Neukölln (Donaustr./ Träger AOK Nordost)

PSP Neukölln (Werbellinstr./ Träger Humanistischer Verband Deutschland)

PSP Kreuzberg (Prinzenstr./ Träger Diakonisches Werk Berlin Stadtmitte e.V.)

PSP Mitte (Reinickendorfer Str. /Evangelisches Geriatriezentrum Berlin)

Ausweitung in 10/2018 auf PSP Charl.- Wilmersdorf (Bundesallee/ Träger Unionhilfswerk)

und ab 01/2019 auf weitere Berliner Pflegestützpunkte

Unterstützung der Beratungen in vier Pflegestützpunkte Beratungskontext nach § 7a-b SGB (Tandemberatung)

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Tandemberatung im Pflegestützpunkt

Bild :Tom Maelsa

Bild: D. Kruschel

Im Bedarfsfall aufsuchende Beratung in der Häuslichkeit. 12

Begleitung der Pflegefachkräfte bei der Beratung von pflegenden Angehörigen nach § 37. 3 SGB XI

Einsatz in drei Sozialstationen 2 Sozialstationen in Neukölln (Diakonie- Pflege Simeon) 1 Sozialstation in Kreuzberg (Diakonie- Pflege Verbund) Bestandskunden mit Migrationshintergrund unterrepräsentiert > Aufnahme neuer KundInnen durch personelle Kapazitäten/ Fachkräftemangel bzw. fehlende mutterspr. Fachkräfte begrenzt > Bedingte Einbindung IBIP in Beratungsprozesse der Sozialstation Abruf und Einsatz von IBIP fallabhängig und im Bedarfsfall ist effizienter Treffpunkt und Raum für Selbsthilfegruppe (russischsprachige Gruppe) Beitrag zur interkul. Öffnung (Organisation, Team, Außenwirkung)

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Bedarfsanmeldung durch SelbstmelderInnen, NetzwerkpartnerInnen und MDK- GutachterInnen Vor- und Nachbereitung Pflegebegutachtungen durch IBIP

Abbau von Kommunikationsbarrieren Individuelle, kulturspezifische und pflegerische Bedürfnisse

werden besser erkannt Beitrag zur Interkulturellen Öffnung vom MDK

Begleitung der Pflegebegutachtung nach §18 SGB XI durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung

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Infoveranstaltungen IBIP

Zweisprachige Informationsvermittlung zu Pflegeleistungen und Entlastungsangeboten (Tandem- PflegeberaterIn und IBIP)

TeilnehmerInnen: Pflegebedürftige, pflegende Angehörige und MultiplikatorInnen/Professionelle

Stadtteilzentrum Moschee

Kontaktierung durch IBIP im Vorfeld von Pflegebedürftigkeit und Informierung über Beratungs- und Unterstützungsnetzwerke

Präventiver Ansatz

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Netzwerk

IBIP

Krankenkassen

Pflegekassen Berliner

Pflegestütz-

punkte

Sozialstationen

Pflegedienste

Tagesstätten

Pflegeheime

Kliniken

Rehazentren

Ärzte

Einrichtungen und

Beratungsstellen

Behindertenhilfe

Amtsgerichte

Betreuungs-vereine

Jobcenter

Nachbarschafts-

Begegnungs- und

Informations-zentren

Moscheen

Kirchen-gemeinden

Bezirksämter

Gesundheits-

ämter

Jugendamt

Migrantenorganisationen,

-vereine und

-verbände

Lotsenprojekte

Integrationslots.

Kiezmütter

Stadtteilmütter

(Migranten)-

Beratungs- und

Begegnungsst..

Migrantensozial-dienste

Versorgungs-

amt

Quartiers-management

Integrations-schulen

Integrationskitas

Elternvereine

Kontaktstellen

PflegeEngag.

Selbsthilfeorga-nisationen

Seniorenbegeg-nungsstätten

(interkulturelle) Seniorengruppen

Medizinischer Dienst der Kranken-

versicherung

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Evaluation des Modellprojektes Interkulturelle BrückenbauerInnen in der Pflege

• Welche Effekte erzielt das Modellprojekt auf der Nutzerebene?

• Ist die Zielgruppe besser über die Leistungen und Angebote der Pflegeversicherung informiert?

• Werden mehr Leistungen in Anspruch genommen?

Nutzerebene

• Werden mehr Menschen mit Migrationshintergrund erreicht?

• Welche Erfahrungen werden in Bezug auf die Interkulturelle Öffnung und Vernetzung der Einrichtungen gemacht?

• Wie wird der Projekterfolg bewertet?

Einrichtungsebene

• Was sind die Aktivitäten der BrückenbauerInnen?

• Inwiefern stellt der Einsatz der BrückenbauerInnen einen Gewinn für die verschiedenen Interessensgruppen dar?

BrückenbauerInnen

Evaluationsebenen und zentrale Fragestellungen

Quelle: Dr. Meggi Khan- Zvornicanin - Camino

Zugangschancen verbessern

• Es werden mehr Migrantinnen und Migranten erreicht. Sie fühlen sich besser über die Leistungen der Pflegeversicherung informiert und nutzen die Angebote.

Zugangschancen verbessern

• Zugangsbarrieren auf der Struktur- und der Mitarbeiterebene haben sich durch den Einsatz der IBIP verringert (IKÖ).

Zugangsbarrieren abbauen

• Die BrückenbauerInnen haben ihre Chancen auf Integration in den ersten Arbeitsmarkt verbessert.

Arbeitsmarktintegration fördern

Ziele des Modellprojekts IBIP

18 Quelle: Dr. Meggi Khan- Zvornicanin-

Camino

Evaluationsdesign

mu

ltim

eth

od

isch

es V

org

ehe

n

quantitativ

Routinedaten

„Syncase“

IBIP-Dokumentation

Nutzerbefragung mehrsprachig

qualitativ

Interviews mit Fachkräften

Gruppendiskussionen mit IBIP

Interviews mit Netzwerkakteuren

19 Quelle: Dr. Meggi Khan-Zvornicanin-

Camino

Steigende Inanspruchnahme der Pflegestützpunkte durch Ratsuchende mit Migrationshintergrund

20 Quelle: Dr. Meggi Khan- Zvornicanin -

Camino

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

2015 2016 2017

27%

34%

40%

51%

57%

51%

22%

9% 9%

Standortübergreifende Entwicklung der Besucherzahlen (N=9084)

mit MH

ohne MH

unbekannt

Mehr als 370 Einsätze in anderen Berliner Pflegestützpunkten!

Kontinuierliche Steigerung der Fallzahlen

21 Quelle: Dr. Meggi Khan- Zvornicanin -

Camino

34 79 105

168

313

44

124 164

317

287

46

162 155

289

293

126

180

339

416 374

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1. Halbjahr 2. Halbjahr 3. Halbjahr 4. Halbjahr 5. Halbjahr

Anzahl der Kontakte pro Standort und Halbjahr ( N= 5497)

PSP Neukölln AOK

PSP Kreuzberg

PSP Mitte

PSP Neukölln HVD

Überdurchschnittliche Erreichung von Familien mit einem pflegebedürftigen Kind unter 15 Jahren: Anteil der Kinderfälle 13% / 210 Fälle (N= 1389) ; Anteil pflegebedürftiger Kinder bundesweit bei 2,8 %

Nutzung von IBIP- Sprachen und Zielgruppenerreichung

21%

24% 41%

3% 11%

Zustandekommen der Erstkontakte (N=975)

durch eigene Einrichtung

durch IBIP-Werbung

durch kooperierendeEinrichtung

anderes

keine Angabe

* Mit 7 Sprachen Menschen aus 28 Nationen erreicht. *

22 Quelle: Dr. Meggi Khan-Zvornicanin -

Camino

0

50

100

150

200

250 236

23 16

59 53 69

3

97

Inanspruchnahme von Leistungen der Pflegeversicherung und Kontakthäufigkeit (N= 302)

Erstkontakt

Folgekontakt

Inanspruchnahme von Leistungen der Pflegeversicherungen und Kontakthäufigkeit

23 Quelle: Dr. Meggi Khan-Zvornicanin -

Camino

„Wir erreichen Leute, die wir sonst nicht erreicht hätten, und das ist schon mal ein großer Erfolg.“ (PSP_I3_10) „Also das wichtigste [Ergebnis] ist sicherlich, dass sich unsere Klientel seitdem verändert hat, dass tatsächlich auch mehr Migranten den Weg zu uns gefunden haben.“ (PSP_I1_1) „Das ist eine ganz andere Beratungsqualität [mit IBIP], als wenn beispielsweise

Übersetzer mitkommen. Das haben wir ja auch, dass die jemanden zum Übersetzen

mitbringen. Und ob das jetzt so eine Stadteilmutter ist oder so ein Integrationslotse

oder jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis, im Vergleich dazu ist natürlich

die Beratung mit einer Brückenbauerin viel hilfreicher, weil die einfach mehr

versteht. Die [IBIP] verstehen mittlerweile eben wirklich, worum es hier geht. Und

das vereinfacht vieles.“ (PSP_I3_10)

Auszüge ExpertInneninterviews

Perspektive FachberaterInnen

24 Quelle: Dr. Meggi Khan-Zvornicanin -

Camino

6

2 4

19

15

02468

101214161820

sehr gut gut mittel gering nichtvorhanden

35

19

0

5

10

15

20

25

30

35

40

sehr stark stark mittel gering gar nicht

Wissensniveau der Befragten zu den Leistungen der Pflegeversicherung

Vor IBIP Nach Unterstützung durch IBIP

25 Quelle: Dr. Meggi Khan- Zvornicanin -

Camino

Einschätzung der Zunahme an Wissen zu den Leistungen der Pflegeversicherung nach Kontakt mit IBIP (N= 54)

Selbsteinschätzung des Wissens zu den Leistungen der Pflegeversicherung vor dem Kontakt mit IBIP (N= 54)

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Be

kan

nth

eit

sgra

d

Abgefragte Leistungen der Pflegeversicherung Bekanntheit von Leistungen der Pflegeversicherung nach Beratung

ohne (Gruppe A, N= 18) und mit IBIP (Gruppe B, N= 54)

Gruppe B

Gruppe A

Bekanntheit von Pflegeleistungen nach Beratung ohne und mit IBIP

26 Quelle: Dr. Meggi Khan- Zvornicanin -

Camino

44

12 12

39

14

18

34

12

4

42

38

0 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

Leistungen, die von den Befragten aufgrund der Unterstützung von IBIP beantragt wurden (N=54, Mehrfachnennungen möglich)

Beantragung und Inanspruchnahme von Leistungen der Pflegeversicherung nach Intervention durch IBIP

27 Quelle: Dr. Meggi Khan- Zvornicanin -

Camino

Zentrale Ergebnisse der Evaluation

Abbau von sprachlich, bildungsbedingten und kulturellen Zugangsbarrieren Steigende Inanspruchnahme der Pflegeberatung durch Ratsuchende mit

Migrationshintergrund an allen Modellpflegestützpunkten Verbesserung der Beratungsqualität durch kultur- bzw. diversitätssensible

Beratung

Deutlich bessere Informiertheit von MigrantInnen über Leistungen der Pflege Beförderung der Interkulturellen Öffnung in beteiligten Pflegestützpunkten

und MDK Anstieg der Inanspruchnahme der Leistungen der Pflegeversicherung durch

Menschen mit Migrationshintergund Fazit: Modellprojekt wurde erfolgreich umgesetzt !

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Mehrfache Identifizierung als Best-Practice-Modell berlin- und

deutschlandweit Regelfinanzierung des Projektes durch die Senatsverwaltung für

Gesundheit, Pflege und Gleichstellung von September 2018 bis Ende 2019

In 2019 Ausweitung auf weitere Berliner Pflegestützpunkte und Qualifizierung sowie Einsatz zusätzlicher BrückenbauerInnen MDK: Interesse an weiterer Kooperation bzw. Förderung Beitrag zur Anerkennung und Umsetzung von kultursensiblen

Versorgungsformen als Standard in der Pflege

Nachhaltigkeit und Perspektiven IBIP

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Verfasserin: Nazife Sari

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