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Doug Tompkins gründete NorthFace und machte Esprit zu einem Weltkonzern. Er verkaufte das Mode-Imperium, wurde Naturschüt-zer – und Bio-Bauer mit ästhetischem Anspruch. // Bernward Geier

Was war der Anlass, dass Sie vor 20 Jahren einen radikalen Schnitt in Ihrem Leben machten und nicht einfach mit Esprit weiter reich wurden?Meine Eltern haben mir mitgegeben, dass man alles, mit Freu-de macht. Wenn dem nicht so ist, sollte man es besser bleiben lassen. Mir wurde klar, dass ich viel mehr Freude an den Din-gen hatte, die außerhalb meines „Business“ lagen. Es war eine bewusste Entscheidung, die Modewelt hinter mir zu lassen, in

der ich Dinge machte, die niemand wirklich brauchte. Ich hatte realisiert, dass der Kon-sumwahn eine der entscheidenden Ursachen für die große Krise der Biodiversität ist. Und diese Erkenntnis führte Sie zum biolo-gischen Landbau?Ja, aber leider spät. Wenn ich ein zweites Le-

ben hätte, würde ich sofort Bio-Bauer werden. Auch, weil ich realisiert habe, dass es keinen Weg aus den ökologischen und sozialen Krisen gibt, wenn wir nicht einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft schaffen. Denn Landwirtschaft hat ja den größten Einfluss auf Landschaft, Wasser und Klima. Ist ein solcher Paradigmenwechsel überhaupt noch möglich?Für mich ist es keine Frage der Möglichkeit. Er ist eine unab-dingbare Notwendigkeit. Zunächst brauchen wir jedoch einen kulturellen Paradigmenwechsel. Dazu kommen muss eine an-dere Ökonomie, die vor allem die externen Kosten mit einbe-zieht. Wenn dies gelingt, werden immer mehr Bauern zu bio-logischen Wirtschaftsmethoden wechseln.Wo sehen Sie das größte Problem in der konventionellen Land-wirtschaft?Als Modell für die Landwirtschaft haben wir heute das Prinzip „Maschine statt Natur“. Das ist leider ein Erbe der sogenannten Aufklärung und der wissenschaftlichen Revolution des Reduk-tionismus. Es hat uns in die Technologiefalle geführt. Das gilt übrigens für alle „Errungenschaften“ der Zivilisation, sei es die Medizin, Architektur, Kommunikation oder der Kapitalismus.

„Wir wollen auch Schönheit schaffen“

Der Amerikaner Doug Tompkins betreibt biologischen Landbau in Patagonien – auf großer Fläche und nach dem Motto: Nur eine schöne Farm ist eine gute Farm.

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› Wie setzen Sie und Ihr Team den biologischen Landbau in der Praxis um?Angesichts der Monokulturen und dem industriellen Land-wirtschaftswahn sind men Ziel Farmen der Vielfalt. Wir teilen unsere relativ großen Farmen in kleinere Einheiten, zum Beispiel für Obst- und Nutzbaumanlagen, Feldkulturen und Tierhaltung. Dabei wird immer ausreichend Land als Schonge-biet für Biodiversität frei gehalten. Dadurch entstehen harmo-nische und bunte Landschaften, die das Potenzial von ökolo-gischem Landbau erfahrbar machen. Meine Leidenschaft ist es, als „Landheiler“ gesunden Mutterboden zu entwickeln. Und ich liebe die Herausforderung des ganzheitlichen Man-gagements im biologischen Landbau.

Welches sind die besonde-ren Herausforderungen, Bio-Landbau auf großer Flä-che zu betreiben?

Agrarökologie kann sicher einfacher in kleineren als in großen Dimensionen praktiziert werden. Grundsätzlich sollte die Landwirtschaft auch wieder in viel kleineren Einheiten organi-siert werden. Vor allem, weil der Mensch nach wie vor eine zentrale Rolle in ihr hat. Ergo gibt es Grenzen des Machbaren. Unsere Farmen sind in der Tat groß. Doch bei uns gibt es trotz-dem eine enorme landwirtschaftliche und auch biologische Vielfalt. Auf Sicht wird es große Farmen so nicht mehr geben. Wir sind in einer Phase, wo die Landwirtschaft neu gedacht, definiert und praktiziert wird. Resultat ist schon jetzt ein be-eindruckendes Wachsen der biologischen Landbaubewegung. Auf Laguna Blanca und unseren anderen Farmen befinden wir uns in einem strategischen Moment und akzeptieren, dass wir zur Zeit noch Kompromisse machen müssen. die wir in 20 oder 30 Jahren sicher nicht mehr machen.

„AUF SICHT WIRD ES GROSSE FARMEN NICHT MEHR GEBEN“

Doug Tompkin ...arbeitet als Bio-Bauer an seiner dritten „Welt“karriere. Vom Hippie und Outdoor Freak wurde er zum Designer Star und einem der erfolgreichsten Modeunternehmer. Seit vielen Jahren lebt er mit seiner Frau Kris in Patagonien wo beide riesige Landflächen – inzwi-schen weit über eine Million Hektar – aufkaufen, die sie zu Nationalparks mit verhaltenem Ökotourismus ausbauen. Da Doug Tompkin und seine Frau nicht an Landbesitz glauben, geben sie die Parks dem Staat … wenn er sich verpflichtet den Nationalparkstatus für wenigstens 100 Jahre zu garantieren. Seit einigen Jahren engagiert sich Doug als „Landheiler“ mit dem Aufkauf abgewirtschafteter Farmen, die er zu neuer (Öko-)Blüte (www.schrotundkorn.de/lagunablanca) bringt.

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Mit Laguna Blanca, haben Sie die schönste Farm geschaffen, die ich je gesehen habe. Was braucht man, um eine solche Har-monie, Ästhetik und bunte Vielfalt zu kreieren?Dieses Lob hören wir nicht zum ersten Mal, und es ist uns Ansporn. Eigentlich ist es einfach, schöne Farmen zu schaffen. Wir haben das inzwischen auf 20 Betrieben in Argentinien und Chile realisiert. Ausgangspunkt für uns ist, dass nur eine schöne Farm eine gute Farm ist. Deshalb achten wir darauf, dass mit jeder Maßnahme die Farm auch schöner wird. Das schließt nicht aus, dass wir auch auf funktionale Qualitäten achten. Egal ob man einen Zaun zieht, eine Scheune baut, eine Obstanlage oder einen Garten plant, einen Weg anlegt oder „nur“ die Farbe für Gebäude wählt – all diese Dinge gestalten wir unter dem Gesichtspunkt der Ästhetik und mit dem Ziel, auch Schönheit zu schaffen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Aspekt der „Fürsorge“. Für mich gibt es nichts Schöneres als ein gepflegtes Haus oder eine gepflegte Farm. Es gibt eine kre-ative Wechselwirkung zwischen Stolz und Sorgfalt. Stolz kön-nen wir sein, wenn wir sorgfältig arbeiten und die Sorgfalt kreiert die Schönheit. Leben ist eine Freude und wir müssen es schaffen, dass unsere Arbeit zur reinen Freude wird. Sehen Sie eine gewisse Zwangsläufigkeit für Ihren Ausstieg vom Modedesigner zum Naturschützer und Bio-Bauer?Ich bin auf einer kleinen Farm im Bundesstaat New York auf-gewachsen. Ich habe sehr viel von meinem Vater gelernt, der unter anderem ein fantastisches Auge für Proportionen und Design gepaart mit handwerklichem Können hatte. Von ihm habe ich auch den hohen Anspruch an Qualität. Diese beson-dere Sicht der Dinge übertrage ich nach meinem Leben in der Modewelt nun auf die Landwirtschaft, die Architektur und Landschaftsgestaltung, denn die Landwirtschaft hat für die Sicherung der Zukunft oberste Priorität.Wo sehen Sie die Landwirtschaft in 20 Jahren, wenn Sie Ihren 90. Geburtstag feiern?Ich sehe den Paradigmenwechsel, denn die agro-ökologische Bewegung kann nicht mehr aufgehalten werden. Es wird si-cher noch den einen oder anderen Rückschlag geben. Aber aus denen lernen wir und nutzen sie zur Beschleunigung des Wechsels. Ich habe diese Sicherheit, weil ich überzeugt bin, dass die chemisch-industrielle Landwirtschaft zusammenbre-chen wird. Auch weil Regulierungen und Gesetze zum Um-weltschutz strenger werden, wird der Bio-Landbau die industri-elle Landwirtschaft verdrängen. Darüber werde ich mich an meinem 90. Geburtstag sehr freuen!

Die Schönheit der Farm Laguna Blanca hat unseren Autor Bernward Geier beeindruckt. Auch Sie kön-nen die Farm kennenlernen, in einem Film unter www.schrotundkorn.de/ lagunablanca

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