Jens Borchert
Langenargen, 31.05.2011
Wie hilfreich ist wissenschaftliche Forschung
für den Justizvollzug?
Forschung im Vollzug? Was ist Forschung?
Forschung ist „ein auf wissenschaftliche Eigengesetzlichkeit (Methodik, Systematik…) beruhender Prozess zum Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe“
WEICHERT/GOERDELER (2009); BVerfGE 35, 112
Wer forscht?
Lehrstühle an Universitäten und Hochschulen für Strafrecht, Kriminologie, Psychologie, Pädagogik usw. (z.B.: Bremer Institut für Kriminalforschung)
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht
Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen
Wer forscht?Behördeninterne Einrichtungen wie
Kriminologische Forschungsgruppe beim bayerischen LKA
Polizeiführungsakademie Sonderstellung: Kriminologische
Zentralstelle, die eine koordinierende Funktion hat
JEHLE (2009), 1062
Wer forscht?Kriminologische Dienste der Länder sind:
meist in den Ländern unterschiedlich aufgebaut; oft Fachdienstmitarbeiter, die mit einem Teil oder
der vollen Arbeitszeit mit entsprechenden Aufgaben betraut sind oder Referenten der Landesjustizverwaltungen;
teilweise angegliedert an bestehende Bildungsinstitute oder Justizvollzugsschulen.
JEHLE (2009), 1059
Warum wird geforscht?
Kriminologische Eigenforschung;
Auftragsforschung (Vergabe von Forschungsthemen an Dritte);
Unterstützung von Forschungsfragen von außerhalb (bei Dissertationen o.Ä.);
Warum wird geforscht? Wissenschaftliche Begleitforschung von
Behandlungsprogrammen;
Modellerprobungen von Behandlungsprogrammen und Abwägung von Risiken und Chancen;
Mittlerfunktion zwischen Theorie und Praxis; („Übersetzung“ von Forschungsergebnissen für Praktiker)
Beratung von Politikern.
Nach: WEICHERT/GOERDELER (2009) in OSTENDORF, 705 und JEHLE (2009), 1060-1061.
Was wird erforscht?In den letzten Jahren gab es zahlreiche Forschungsvorhaben im Vollzug
Fragen zur Erfüllung des VollzugszielsFragen zur Vollzugswirklichkeit (Subkultur,
Gewalt, HIV und AIDS…)Fragen spezifischer Insassengruppen
(Sexualstraftäter, ausländische Gefangene, Extremisten…)
Was wird erforscht?Fragen zum Erfolg einzelner Maßnahmen
(Sozialtherapie, spezielle Trainingsprogramme);
Fragen zu den Arbeitsbedingungen der Bediensteten;
Fragen zur historischen Entwicklung des Vollzuges;
Fragen zum Vergleich des bundesdeutschen mit anderen Vollzugssystemen;
Fragen der Kosteneindämmung des Vollzuges.
BeispieleSachsen (durch den Kriminologischen Dienst)Projekt „Jugendgewalt im Strafvollzug“
Sichtung von 270 GPAs von Tätern und Opfern und 120 GPAs einer Vergleichsgruppe
Evaluation des Jugendstrafvollzuges
BeispieleMPI für ausländisches und internationales Strafrechthier: Forschung der kriminologischen Abteilung
Projekt über jugendliche Sexualstraftäter in den sozialtherapeutischen Abteilungen in Sachsen (2003-2013)
Untersuchung von 90 Probanden anhand von standardisierter Befragung und Auswertung BZR
Ziel: Antworten zur Ausgestaltung der Sotha erzielen
…trotzdem: Kritik WEICHERT/GOERDELER (2009):
Es fehlt eine Verpflichtung zu regelmäßigen Berichten über die Entwicklung des Strafvollzuges (wie z.B. bei Periodischen Sicherheitsberichten), sinnvoll wäre es, dass in regelmäßigen Zeitabständen Experten den Parlamenten Bericht erstatten.
WEICHERT/GOERDELER (2009) in OSTENDORF, 705
DÜNKEL (1996):Frauenvollzug wird häufig als Anhängsel des Männervollzuges betrachtet.
DÜNKEL (1996), 45
Beispiel Forschungsthema „Frauenvollzug“
Quelle: Katalog der Deutschen Nationalbibliothek; erfasst sind ausschließlich Monographien und Herausgeberschaften.
Texte zum Frauenstrafvollzug zwischen 2000 und 2011
13
Gesamtzahl der Publikationen zum Strafvollzug zwischen 2000 und 2011
ca. 670
Kritik Zahlreiche Probleme werden zwar
regelmäßig diskutiert, sind aber kaum erforscht (Gewalt im Jugendstrafvollzug, hierzu lagen 2009 nur zwei Studien vor).
Quantitative Datensammlungen bilden regelmäßig nur das Hellfeld ab und geben keine Auskunft über Ursachen- und Wirkungszusammenhänge.
WEICHERT/GOERDELER (2009), 706
ThesenForschung zum Strafvollzug ist wichtig,wenn sie
praxisrelevant ist und praxiswirksam werden kann;
unterschiedliche Methoden miteinander verknüpft;
unabhängig ist; nicht ausschließlich Daten sammelt,
sondern Einstellungen und Zusammenhänge erfragt;
koordiniert wird.
LiteraturBERESWILL, MECHTILD/GREVE, WERNER (2001): Forschungsthema
Strafvollzug. Baden-Baden: Nomos.
DÜNKEL, FRIEDER (1996): Empirische Forschung im Strafvollzug. Bonn: Forum.
EISENBERG, ULRICH (2010): Jugendgerichtsgesetz. 14. Aufl. München: Beck.
KURY, HELMUT [HG.] (1981): Perspektiven und Probleme kriminologischer Forschung. Köln [u.a.]: Heymann.
LAUBENTHAL, KLAUS (2008): Strafvollzug. 5. Aufl. Berlin: Springer.
OSTENDORF, HERIBERT [HG.] (2009): Jugendstrafvollzugsrecht. Baden-Baden: Nomos.
SCHWIND, HANS-DIETER/BÖHM, ALEXANDER/JEHLE, JÖRG-MARTIN/LAUBENTHAL, KLAUS [HG.] (2009): Strafvollzugsgesetz – Bund und Länder. 5. Aufl. Berlin: de Gruyter.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
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