1Green New Deal
Karl Polanyi The Great
Transformation01.11.2011
Green New Deal 201.11.2011
Gliederung:
1. Karl Polanyi – ein kurzer biografischer Überblick
2. Zentrale These und Anliegen
3. Überblick: Wirtschaftsorganisation primitiver Gesellschaften
4. Fiktive Waren – Arbeit, Boden und Geld
5. Doppelbewegung
6. Kritik
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1. Karl Polanyi – ein kurzer biografischer
Überblick
01.11.2011
• Geboren 1886 in Wien
• Ungarisch-österreichischer Wirtschaftshistoriker sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler
• Thematische Orientierung: VWL und Wirtschaftsgeschichte
• Redakteur in Wien bis 1933 Emigration nach Großbritannien
• 1947 Berufung als Gastprofessor an die NY Columbia University
• Gestorben 1964 in Toronto Kanada
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2. Zentrale These und Anliegen
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„Wir vertreten die These, dass die Idee eines selbstregulierenden Marktes ein krasse Utopie bedeutet. Eine solche Institution könnte über längere Zeiträume nicht bestehen, ohne die menschliche und natürliche Substanz der Gesellschaft zu vernichten; sie hätte den Menschen physisch zerstört und seine Umwelt in eine Wildnis verwandelt.“ (GT: 19f.)
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2. Zentrale These und Anliegen
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• Rekonstruktion des Wandels der westlichen Gesellschaftsordnung im 19. und 20. Jahrhundert am Beispiel Großbritanniens
• Great Transformation (GT) bezeichnet den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft
• Will verdeutlichen, dass die Herausbildung der liberalen Marktwirtschaft mit ihrem freien Spiel der Kräfte zur Herauslösung der ökonomischen Sphäre aus der Gesellschaft geführt hat
• Kritik am Wirtschaftsliberalismus: gegen homo oeconomicus (natürliche Tendenz zum Tauschhandel und Gewinnstreben)
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3. Überblick: Wirtschaftsorganisation primitiver Gesellschaften
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„Im weiteren Sinn gilt jedoch die These, dass alle uns bekannten Wirtschaftssysteme bis zum Ende des Feudalismus in Westeuropa auf den Prinzipien der Reziprozität oder der Redistribution oder aber der Haushaltung beziehungsweise einer Kombination dieser drei beruhte.“(GT: 86)Beispiel: Bewohner der Tobriandinseln
• Kein Interesse am materiellen Besitz Sicherung des gesellschaftlichen Ranges, Ansprüche und Wertvorstellungen
• Gemeinschaft und dessen Schutz im Vordergrund starke Bindungen
• Prinzip des Gebens und Nehmens (Angst vor Ausschluss) • Fehlen Gewinnstreben; von Arbeit gegen Entlohnung (Nicht-
ökonomische Motive überwiegen)
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3. Überblick: Marktbildung
01.11.2011
• Märkte schon immer vorhanden, keine herausgehobene Stellung (Nachbarschaftsmärkte als Treffpunkt und sozialer Ort)
• Keine Wettbewerbsmärkte Trennung Orts- und Fernhandel
• Etablierung eines Binnenhandels durch staatliche Eingriffe mit dem Übergang zum Merkantilismus
• Gefahr des Übergangs zum selbstregulierten Markt:
• Zerstörung gesellschaftlicher Bindungen und Vernichtung des natürlichen Raumes
• Wirtschaft nicht mehr in soziale Beziehungen eingebettet, sondern soziale Beziehungen in die Wirtschaft
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„Im 16. Jahrhundert waren Märkte sowohl zahlreich, als auch wichtig. Im merkantilistischen System wurden sie .. Hauptanliegen der Regierungstätigkeit, dennoch gab es immer noch kein Anzeichen der künftigen Herrschaft der Märkte über die Gesellschaft. Im Gegenteil, Regelung war strikter als je zuvor, und die Vorstellung eines selbstregulierten Marktes fehlte völlig.“ (GT: 87)
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„Der Merkantilismus zerstörte den überholten Partikularismus des örtlichen und interurbanen Handels, indem er die Barrieren zwischen diesen beiden Arten des konkurrenzfreien Handels niederriß, und bereitete damit den Weg für einen nationalen Markt, der die Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie zwischen den verschiedenen Städten und Provinzen in zunehmenden Maße ignorierte.“ (GT: 99)
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4. Fiktive Waren – Arbeit, Boden und Geld
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• Märkte als Begleiterscheinung des Wirtschaftslebens bis zur I.R.
• Wirtschaftssystem war in das Gesellschaftssystem integriert• Änderung mit Übergang zum 18. Jahrhundert• Entwicklung der Marktwirtschaft (ökon. System, welches
ausschließlich durch Märkte kontrolliert wird Ordnung über den Markt)
• Äußerst Voraussetzungsvoll (z.B. Steuerung über Angebot und Nachfrage, Produktion, Profite und Distribution sind abh. vom Preismechanismus; Preise bilden Einkommen und über diese werden Güter konsumiert)
• „Der selbstregulierende Markt erfordert nicht weniger, als die institutionelle Trennung der Gesellschaft in eine wirtschaftliche und eine politische Sphäre.“
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4. Fiktive Waren – Arbeit, Boden und Geld
01.11.2011
• Jede Gesellschaft benötigt ein System, welches Erzeugung und Verteilung von Gütern sicherstellt
• Der historische Rückblick hat gezeigt, dass bisher die Wirtschaftsordnung nur eine Funktion in der Gesellschaftsordnung war
• Herauslösung der ökonomischen Sphäre im 19. Jahrhundert
• Institutionelle Wesen einer Marktwirtschaft:
• „Der Mechanismus des Marktes ist über den Begriff der Ware mit den (..) Elementen der gewerblichen Wirtschaft verbunden.“ (GT: 103)
• Ware = Objekte, welche für den Verkauf auf dem Markt erzeugt werden
• Markt = tatsächliche Kontakt zwischen Käufern und Verkäufern
• Annahme: jegliches Erzeugnis der gewerblichen Wirtschaft wird für Markt produziert
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4. Fiktive Waren – Arbeit, Boden und Geld
01.11.2011
• Gewerbliche Wirtschaft baut wesentlich auf Faktoren Arbeit, Boden und Geld auf zwangsweise in Märkten zusammengefasst werden
• All diese Faktoren sind keine Waren: sie werden nicht für den Verkauf produziert Bezeichnung ist fiktiv
Ware?
Arbeit
Boden Geld
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4. Fiktive Waren – Arbeit, Boden und Geld
01.11.2011
Was ist nun für Polanyi das Problem?
• Auf Grundlage dieser Warenfiktion werden real Märkte errichtet
• Sie werden auf dem Markt gehandelt
• Unterliegen Angebot und Nachfrage
• Sie werden gekauft und verkauft
• Sie unterliegen dem Preismechanismus: Lohn, Bodenrente, Zins
• Fiktion kann aber nicht auf diese Faktoren angewandt werden
• „Wenn man den Marktmechanismus als ausschließlichen Lenker des Schicksals des Menschen und ihrer natürlichen Umwelt (…) zuließe, dann würde dies zur Zerstörung der Gesellschaft führen.“ (GT: 108)
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„Die angebliche Ware ‚Arbeitskraft‘ kann nicht herumgeschoben, unterschiedslos eingesetzt oder auch nur ungenutzt gelassen werden, ohne damit den Einzelnen, den Träger dieser spezifischen Ware zu beeinträchtigen. Das System, dass über die Arbeitskraft eines Menschen verfügt, würde gleichzeitig über die physische, psychologische und moralische Ganzheit ‚Mensch‘ verfügen, der mit dem Etikett ‚Arbeitskraft‘ versehen ist. Menschen, die man auf diese Weise des Schutzmantels der kulturspezifischen Institutionen beraubte, würden an den Folgen gesellschaftlichen Ausgesetztseins zugrunde gehen (…).
Die Natur würde auf ihre Elemente reduziert werden, die Nachbarschaften und Landschaften verschmutzt, die Flüsse vergiftet (…) und die Fähigkeit zur Produktion von Nahrungsmitteln und Rohstoffen zerstört werden.
Schließlich würde die Marktverwaltung der Kaufkraft zu periodischen Liquidierungen von Wirtschaftsunternehmen führen (…). Märkte für Arbeit, Boden und Geld sind für eine Marktwirtschaft zweifellos von wesentlicher Bedeutung. Aber keine Gesellschaft könnte die Auswirkungen eines derartigen Systems grober Fiktionen auch nur kurze Zeit ertragen, wenn ihre menschliche und natürliche Substanz sowie ihre Wirtschaftsstruktur gegen das Wüten dieses teuflischen Mechanismus nicht geschützt würden.“ (GT: 108 f.)
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4. Fiktive Waren – Arbeit, Boden und Geld
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• Produktionsprozess in Form von Kauf und Verkauf
• Eine Entwicklung, welche durch Industrielle Revolution hervorgerufen wurde und durch den Einsatz von Maschinen
• Wie war die Produktion vorher geregelt?
• Mittelalter: Produktion von wohlhabenden Bürgern organisiert und war in der Stadt angesiedelt
• Merkantile Gesellschaft: Produktion von Kaufleuten organisiert, nicht mehr auf Städte beschränkt Arbeitsvergabe an Heimindustrie gewerbliche Wirtschaft unter Führung des Kaufmannes; keine Notwendigkeit komplizierter Maschinen
• Aufschwung der maschinellen Organisation
• Herstellung Güter wird durch Gewinnstreben angetrieben
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4. Fiktive Waren – Arbeit, Boden und Geld
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• Problem war das veränderte Verhältnis zwischen Kaufmann und der Produktion im Zuge des fortschreitenden Einsatzes von Maschinen
• Entstehung Fabriksystem und Bedeutungsverschiebung zur gewerblichen Wirtschaft
• Risiko Verluste höher, wenn Produktion nicht gesichert war
• „Je komplizierter aber die industrielle Produktion wurde, um so zahlreicher wurden auch jene Produktionsfaktoren, deren Vorhandensein gesichert werden muss.“ = Arbeit, Boden und Geld
• „Die Ausdehnung des Marktmechanismus auf die Produktionsfaktoren (…) war die unvermeidliche Folge der Einführung des Fabriksystems in eine kommerzielle Gesellschaft. Die Produktionsfaktoren mussten käuflich sein.“ (GT: 110)
• Forderung nach Marktmechanismus und Warencharakter
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5. Doppelbewegung
01.11.2011
19. Jhr. Doppelbewegung
Selbstschutz der Gesellschaft
Ausbreitung von Märkten in Bezug auf fiktive Waren
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5. Doppelbewegung
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• Betrachtung der Gegenbewegung zur Ausweitung und Verselbstständigung des Marktes Maßnahmen zum Zweck den Marktmechanismus in Bezug auf Arbeit, Boden und Geld einzuschränken
• Schutz der Gesellschaft, da die Warenfiktion „die Tatsache ignoriert, dass die Auslieferung des Schicksals der Erde und des Menschen an den Markt mit deren Vernichtung gleichbedeutend war.“ (GT: 183)
• Bsp. Speenhamland-Gesetz (1795 – 1834)
• Fabrik – und Sozialgesetze, Arbeiterbewegungen nach Ende der Speenhamära
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5. Doppelbewegung
01.11.2011
Wirtschaftsliberalismus:
Schaffung selbstreg. Markt
Gewerbliche Schichten; Bürgertum
Laissez-fair
Schutz der Gesellschaft
Erhaltung des Menschen und der Natur
Arbeiterklasse und bodenbesitzende Klassen
Arbeitsmarkt
Goldstandard Freihand
el
Interventionismus /Planung
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6. Kritik
01.11.2011
• Lediglich Verifikationsversuch seiner These: keine Theorie zur Klärung von Marktungleichgewichten keine Unterscheidung endogener und exogener Faktoren
• Geschichte auf These „hingebogen“
• Historische Entwicklungen können teilweise nicht auf Kontinentaleuropa übertragen werden
• Einflussnahme von Klassen/Gruppen unklar
• Interne Widersprüchlichkeiten
• Frage, ob die freie Marktwirtschaft wirklich so starke Tendenzen entwickelt hatte
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Quellen
01.11.2011
Carlson, Allan (2006): The Problem of Karl Polanyi, in: The Intercollegiate Review, S. 32 – 39.
Fischer, Wolfram/Van Houtte, Jan.A/Kellenbenz, Hermann/Mieck, Ilja/Vittinghoff, Friedrich (1993): Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Stuttgart, Bd. 4, S. 134 – 153, 450 – 461.
Polanyi, Karl (1978 [1944]): The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen, Frankfurt am Main, S. 57 – 294.
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