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Marktordnung im FinanzsystemBankenregulierung, Rating-Agenturen, Risikomanagement

Peter Altmiks (Hrsg.)

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Band

30

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ISBN 978-3-942928-06-9

Argumente der Freiheit

Herausgegeben vom Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Band 26: Wolf von Laer Probleme des etablierten Notenbankensystems –

Free Banking als Alternative?

Band 27: Steffen Hentrich (Hrsg.): Eigentum und Umweltschutz

Band 28: Csilla Hatvany: Ansatzpunkte für eine liberale Integrationspolitik

Band 29: Steffen Hentrich (Hrsg.): Eine Wende zum Besseren? Herausforderungen der Energiepolitik für die Elektrizitätsversorgung

Universum Kommunikation und Medien AG

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Peter Altmiks(Herausgeber)

Marktordnung im Finanzsystem

Bankenregulierung, Rating-Agenturen, Risikomanagement

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Argumente der Freiheit

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Marktordnung im Finanzsystem

Bankenregulierung, Rating-Agenturen, Risikomanagement

Peter Altmiks (Hrsg.)

Universum Kommunikation und Medien AG

Berlin 2013

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Impressum:1. Auflage, Januar 2013© 2013 Universum Kommunikation & Medien AG

UmschlagGestaltung: altmann-druck GmbH

Satz und Druck: altmann-druck GmbH, BerlinPrinted in Germany - ISBN 978-3-942928-07-6

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InhaltEinleitung .......................................................................9Peter Altmiks

Die Bankenregulierung durch die ................................16Regelwerke Basel I, II und IIIUlrich Vrede

1. Einleitung ...................................................................162. Basel I .......................................................................183. Basel II ......................................................................193.1 Säule 1 ....................................................................193.2 Säule 2 und 3 ..........................................................234. Basel III .....................................................................244.1 Neuregelungen beim Eigenkapital ............................264.1.1 Qualität des Eigenkapitals ......................................264.1.2 Quantität des Eigenkapitals ...................................284.2 Verringerung der Prozyklik undBegrenzung der Verschuldung .......................................304.2.1 Antizyklischer Kapitalpuffer ...................................314.2.2 Leverage Ratio .....................................................324.3 Liquidität ..................................................................334.4 Strengere Regeln für das Handelsbuchund Verbriefungen .........................................................344.5 Umsetzung auf nationaler Ebene ..............................365. Kritische Würdigung von Basel III ..............................365.1 Grundsätzliche Kritik und Gegenargumente .............385.2 Realwirtschaftliche Effekte ......................................39

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5.3 Antizyklischer Kapitalpuffer und Frühwarnindikatoren ......................................................415.4 Vor- und Nachteile der Leverage Ratio .....................425.5 Fehlanreize der Liquiditätskennziffern .......................435.6 Abbau von Komplexität ............................................455.7 Fazit .........................................................................46Literatur .........................................................................47

Rating-Agenturen in der Krise: Wenn staatlich verordnetes Vertrauen zum Risiko wird ........................51Ines Läufer und Christine Arentz

1. Einführung: Rating-Agenturen im Zentrum öffentlicher und politischer Debatten ..............................512. Rating-Agenturen: PrivatwirtschaftlichesInformationsangebot auf dem Finanzmarkt ...................533. Rating-Agenturen: Staatlich delegierte Aufsicht ..........................................544. Umgang mit Unsicherheit: Wettbewerboder staatliche Sicherheitsstandards? ............................585. Vergütung der Rating-Agenturen: Mögliche Fehlanreize und Reformoptionen .....................606. Vielfalt statt Alternativlosigkeit auf dem Rating-Markt ..........................................................68Literatur ........................................................................72

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Risikomanagement in Kreditinstituten ..........................76Ralf Bauer

1. Aktuelle Situation im Bankensektor ...........................762. Risiken bei Banken ....................................................782.1 Ausfallrisiken ............................................................812.1.1 Erwartete Ausfallrisiken .........................................812.1.2 Unerwartete Ausfallrisiken .....................................852.2 Preisrisiken ..............................................................882.3 Liquiditätsrisiken ......................................................952.4 Operationelle Risiken ...............................................972.5 Gesamtposition der Risiken .....................................993. Risikomanagement und Gesamtbanksteuerung ........ 1013.1 Prozess der Risikobudgetierung .............................1023.2 Integrierte Gesamtbanksteuerung ..........................1073.3 Weitere Implikationen ............................................ 1134. Risikomanagement der Bankenwährend der Finanzkrise .............................................. 1145. Ausblick ................................................................... 117Literatur .......................................................................122

Die Sehnsucht nach Finanzstabilität: Regulierungsfülle und -defizite ...................................125Peter Altmiks

1. Wirkliche Ursachen der Finanzkrise ......................... 1272. Bisherige Regulierung und Aufsicht..........................1352.1 Negative Wirkungen von Basel I und II ...................1362.2 Aufsichtsdefizite.....................................................139

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2.3 Nicht-Banken .........................................................1403. Erfolgsaussichten der jüngsten Regulierung ............. 1413.1 Basel III .................................................................. 1413.2 Gesetz zur Abwicklung und Restrukturierung von Banken .................................................................1443.3 Vorschläge der EU-Expertengruppe .......................1463.4 Vorschläge der Deutschen Bundesbank ................1483.5 Euro-Bankenaufsicht und europäische Bankenunion ............................................1503.6 Volcker-Regel .......................................................1524. Bewertung und Empfehlungen .................................1534.1 Regulierungsfülle und -widersprüche ......................1544.2 Ursachenbekämpfung statt Haftungsverschiebung ................................................. 1574.3 Ohne Regulierung geht es nicht .............................160Literatur .......................................................................167

Autoren ....................................................................... 174

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Einleitung

Peter Altmiks

Die weltweite Finanzkrise hat nicht nur das Vertrauen in die Marktwirtschaft erschüttert, sondern auch den Ruf nach stärkerer Regulierung hervorgebracht. Die Öffentlichkeit ist zu Recht erzürnt, dass Kreditinstitute sowohl im Vorfeld als auch in der Folge der Finanzkrise mit Hilfe von Steuergel-dern „gerettet“ wurden. Auch wenn in Deutschland mehr-heitlich staatliche Banken (Bankgesellschaft Berlin, Bayeri-sche Landesbank, Deutsche Industriebank, HSH Nordbank, Landesbank Sachsen, Westdeutsche Landesbank) durch milliardenschwere Rettungsaktionen gestützt wurden, so wurden mit der Commerzbank und der Hypo Real Estate auch private Banken gestützt. Zumindest bei der Commerz-bank scheint das Engagement des Bundes noch anzudau-ern. 2011 hatte die Commerzbank einen großen Teil der stil-len Einlage in Höhe von 16,4 Mrd. Euro zurückgezahlt. 1,6 Mrd. Euro hält der staatliche Bankenrettungsfonds SoFFin (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung) noch als stille Ein-lage.1

Die Politik versucht nun mittels der sogenannten „makro-prudentiellen“ Aufsicht, die Finanzmärkte gegen existenziel-le Gefährdungen zu sichern. In Deutschland hat der Bun-

1 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 09.11.2012.

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destag am 25. Oktober 2012 ein Gesetz zur Stärkung der Finanzaufsicht beschlossen, dem der Bundesrat mittlerweile zugestimmt hat. Dieses Gesetz soll zur Stärkung der Zusam-menarbeit im Bereich der Finanzstabilität einen Ausschuss für Finanzstabilität einrichten, dem Vertreter der Deutschen Bundesbank, des Bundesfinanzministeriums, der Bundes-anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie ein Vertreter der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) angehören.2 Auf europäischer Ebene wurde 2011 ein europäischer Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) ins-talliert, dem Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB), der staatlichen Zentralbanken sowie Aufsichtsbehörden und der EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung angehören. Dieser Ausschuss soll bei ernsthaften Risiken für die Finanz-stabilität Warnungen oder Empfehlungen aussprechen, wei-tergehende Befugnisse bleiben den nationalen Aufsichtsbe-hörden vorbehalten.

Selbst die Kreditwirtschaft äußert sich dahingehend, dass Systemrisiken international ungenügend überwacht und deshalb unterschätzt worden seien. Eine erfolgreiche ma-kroprudentielle Aufsicht solle Systemrisiken senken und damit die Widerstandsfähigkeit sowie Stabilität des Finanz-systems erhöhen.3 Die Politik möchte frühzeitig gegen die

2 Deutscher Bundestag, Drucksache 17/11119, 17. Wahlperiode, 22.10.2012.3 Schweitzer Bankenvereinigung, Makroprudentielle Politik, Positionspa-pier zu Zielsetzungen, Instrumenten und institutioneller Ausgestaltung, Sep-tember 2011, Quelle: http://www.swissbanking.org/20110915-3020-all-ar-

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„…zügellose Herausbildung kreditfinanzierter Spekulations-blasen an [den] Vermögensmärkten vorgehen, um gar nicht erst in eine Situation zu geraten, in der die Stabilität des Finanzsystems und die Stabilität der Realwirtschaft bedroht sind.“4

Dabei wäre zuerst zu klären, ob die bisherige Regulierung und Aufsicht der Finanzmärkte sowohl vom Umfang als auch von der Qualität her die Entstehung der Finanzkrise begüns-tigt oder in ihren negativen Auswirkungen eher gemildert hat? Existieren vielleicht Regulierungen, die zur Systemin-stabilität geführt haben? Haben die staatlichen Aufsichtsbe-hörden konsequent ihre Befugnisse genutzt, sind sie ihren Verpflichtungen nachgekommen? Oder wurden Risikoein-schätzungen an andere delegiert? Auch die Abläufe in den Banken müssen untersucht werden. Gab es vielleicht Fehler oder Missstände im Risikomanagement der Kreditinstitute? Sind schädliche Anreize oder Managementpraktiken vor-handen, die das Eingehen unkalkulierbarer Risiken gefördert haben? Und vor allem, welche Rolle spielte die Geldpolitik der nationalen Zentralbanken?

Die meisten Deutschen verstehen zu wenig von den Ursa-chen und Hintergründen der Finanzkrise. Die dürftige Bericht-erstattung sowohl in den öffentlich-rechtlichen als auch in den

beitspapier_makroprudentielle_politik_definitive_version_deckblatt-jsa.pdf, zugegriffen am 16.11.2012.4 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.10.2012.

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privaten Medien und die durchsichtigen Schuldzuweisungen vieler Politiker („Die Spekulanten sind schuld.“), die von ih-rer eigenen Verantwortung ablenken wollen, erschweren das Verständnis der Finanzkrise. In den Medien wird behauptet, die Finanzkrise sei Folge unternehmerischen Versagens. Ver-antwortlich seien ein unzureichendes Risikomanagement der Finanzinstitute, spekulative Gier und von vornherein instabile Finanzmärkte. Es gäbe zuviel „chaotische“ Marktfreiheit und zu wenig ordnende staatliche Eingriffe.5

Dieses Buch konzentriert sich zwar nur auf Teilbereiche des Finanzmarktes, allerdings auf diejenigen, die mit am stärksten in der Kritik stehen: Die Regulierung und das Ri-sikomanagement der Kreditwirtschaft sowie die Tätigkeit von Rating-Agenturen. Der Versicherungsbereich und der Wertpapierhandel werden nicht behandelt. In Europa ge-schieht die Finanzmarktregulierung über das Lamfalussy-Verfahren.6 Mit Hilfe des Financial Services Action Plan soll die Finanzmarktregulierung in der EU harmonisiert werden, um möglichst ähnliche Bedingungen in den eu-ropäischen Staaten zu erreichen. Ziel ist ein einheitlicher,

5 Prollius, Michael von: Die Pervertierung der Marktwirtschaft – Der Weg in die Staatswirtschaft und zurück zur Sozialen Marktwirtschaft, Mün-chen 2009, S. 141.6 Die europäischen Finanzminister setzten im Jahr 2000 eine Sachver-ständigengruppe ein, die ein neues und schnelles Regelsetzungsverfahren für die EU-Finanzmarktregulierung entwarf. Das gesamte Regulierungs-verfahren sollte sowohl beschleunigt als auch vereinfacht werden. Das re-sultierende Verfahren wurde 2001 als Lamfalussy-Verfahren vom Europä-ischen Rat in Stockholm angenommen.

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offener und sicherer europäischer Binnenmarkt für Finanz-dienstleistungen.

Im ersten Aufsatz beschreibt Ulrich Vrede die Bankenregu-lierung durch die Regelwerke Basel I, II und III. Er spricht sich für eine schärfere Regulierung des Bankensektors und der Finanzmärkte aus. Grundsätzlich existiere aber ein Span-nungsverhältnis zwischen erhöhter Systemstabilität und realwirtschaftlichen Kosten. Das neue Regelwerk Basel III reagiere mit der Einführung eines antizyklischen Kapitalpuf-fers auch auf die prozyklischen Wirkungen des Regelwerks Basel II. Neue Instrumente wie die Verschuldungsquote (Le-verage Ratio) und die Liquiditätskennziffern seien in ihren Auswirkungen noch nicht abschließend zu beurteilen und würden daher zu Recht einer Beobachtungsphase unterlie-gen. Zwar habe Basel III auch Belastungen für die Kredit-wirtschaft zur Folge, sorge aber für die Schließung von Ka-pitallücken. Über die Jahre habe die Komplexität von Basel I, II und III und somit der Aufwand für die Banken zugenom-men, dies sei aber der Preis für die zunehmende Komplexi-tät des Bankensystems und der Finanzmärkte.

Anschließend analysieren Christine Arentz und Ines Läufer die Arbeit und Funktionsweise der Rating-Agenturen. Ra-ting-Agenturen würden als Mitverursacher der Finanzkrise angesehen und stünden im Zentrum der öffentlichen und politischen Debatten. Grundsätzlich würden Rating-Agen-turen den Informationsvorsprung von Kapitalnachfragern reduzieren. In der Vergangenheit hätten die staatlichen Be-

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hörden ihre Aufsichtsbefugnisse an die Rating-Agenturen delegiert. Die staatliche Regulierung habe mit dazu geführt, dass Bewertungen der drei großen Rating-Agenturen Inves-titionsentscheidungen quasi erzwingen würden. Bei der Ver-gütung von Rating-Agenturen müsse letztlich zwischen der Bezahlung durch Kapitalanbieter (Investoren) und der damit verbundenen Trittbrettfahrerproblematik sowie der Bezah-lung durch Kapitalnachfrager (Emittenten) und der damit möglicherweise verbundenen Rating-Inflation abgewogen werden.

Ralf Bauer betrachtet das Risikomanagement der Kredit-institute. Sein Beitrag erläutert, welche Risiken eine Bank zu tragen hat und wie diese erfolgreich gesteuert werden können. Die Finanzkrise habe gezeigt, dass viele Annah-men, die dem Risikomanagement zugrunde lagen, in hohem Maße unzureichend waren. So seien Wertpapiere auf der Basis interner Modelle bewertet worden, die errechneten Preise konnten aber hierfür mangels Nachfrage nicht auf dem Markt erzielt werden. Auch seien Ausfallwahrschein-lichkeiten ohne Validierung übernommen und dadurch un-terschätzt worden. Das Risikomanagement vieler Banken enthalte erhebliche hausgemachte Defizite. Allgemeine Merkmale, welche Kreditinstitute durch die Finanzkrise be-sonders betroffen wurden, ließen sich nicht ableiten. In je-dem Fall können sich Banken und ihr Risikomanagement auf herausfordernde Zeiten einstellen.

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Abschließend werden Handlungsoptionen und Reformvor-schläge präsentiert. Mit dem Abschlussbericht einer Exper-tengruppe über die Reform der Struktur des EU-Bankensek-tors und dem Finanzstabilitätsbericht 2012 der Deutschen Bundesbank liegen sowohl auf europäischer als auch auf na-tionaler Ebene zwei aktuelle, detaillierte und umfangreiche Empfehlungen zur Verbesserung der Stabilität des Finanz-systems vor.7 Allerdings gehen diese nur unzureichend auf bisherige Regulierungsfehler und staatliche Mitverantwor-tung ein. Zudem werden auch Maßnahmen vorgeschlagen, die sich eher um die Symptome als um die Ursachen der Finanzkrise kümmern. Zentral für das Funktionieren und die Stabilität des Finanzsystems dürfte in jedem Fall die Wie-derherstellung der Haftung aller Finanzakteure für ihre Ent-scheidungen sein. Auch neue Produkte auf den Finanzmärk-ten dürfen das Haftungsprinzip nicht durchbrechen. Der Staat hat hier einen passenden Ordnungsrahmen zu setzen.

7 High-Level Expert Group on reforming the structure of the EU banking sector, Final report, Brüssel, 02.10.2012; Deutsche Bundesbank, Finanz-stabilitätsbericht 2012, Frankfurt am Main, 12.11.2012.

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Die Bankenregulierung durch die Regelwerke Basel I, II und III

Ulrich Vrede

1. Einleitung

Eine der Lehren aus der jüngsten Finanz- und Wirtschafts-krise ist die schärfere Regulierung des Bankensektors und der Finanzmärkte. Um das Bankensystem stabiler zu ma-chen und die Wahrscheinlichkeit von Finanzkrisen zu ver-ringern, wurden die Aufsichtsregelungen für Kreditinstitute grundlegend überarbeitet. Das unter dem Titel „Basel III“ zusammengefasste Regelwerk wurde im Dezember 2010 verabschiedet und soll nun schrittweise ab 2013 weltweit eingeführt werden.

Bevor auf die Neuerungen von Basel III näher eingegangen wird und diese einer kritischen Würdigung unterzogen wer-den, soll zunächst ein Rückblick auf die Historie der Banken-regulierung erfolgen. Dabei wird auch Bezug genommen auf die „Vorläufer“ Basel I und Basel II.

Bei der internationalen Zusammenarbeit in der Bankenregu-

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lierung stand zunächst der Erfahrungsaustausch zwischen den Zentralbanken und den Bankenaufsehern im Vorder-grund (Deutsche Bundesbank, 2011 a). 1974 kam es zur Gründung des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, ei-nem Unterausschuss der Zentralbankpräsidenten der dama-ligen Zehnergruppe.8 Anlass waren Bankenprobleme in den USA und die Insolvenz der Kölner Privatbank Herstatt, die 1974 aufgrund von fehlgeschlagenen Devisenspekulationen zahlungsunfähig geworden war.

Ziel des Baseler Ausschusses war es von Anfang an, durch eine internationale Kooperation und verbesserte Aufsicht Probleme bei Banken frühzeitig zu erkennen, um so die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu stärken. Bis heute hat sich der Baseler Ausschuss weltweit zu einem der einflussreichsten Gremien der Finanzaufsicht entwickelt.

In dem Ausschuss sind seit 2009 44 Zentralbanken und Auf-sichtsbehörden aus 27 Mitgliedsstaaten vertreten. Reprä-sentanten vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB), der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) und des Fi-nanzstabilitätsrates (FSB) nehmen beobachtend an den Sit-zungen teil. Das Sekretariat ist bei der Bank für Internationa-len Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel angesiedelt.

8 Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Niederlande, Schweden, Vereinigtes Königreich und USA. Die Schweiz war ebenfalls an der Gründung des Baseler Ausschusses beteiligt.

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2. Basel I

Mit dem Baseler Akkord – heute als Basel I bezeichnet – veröffentlichte 1988 der Baseler Ausschuss erstmals inter-national harmonisierte Bestimmungen zur Eigenkapitalmes-sung und einen Eigenkapitalstandard, der als Empfehlung für seine Mitgliedsstaaten dienen sollte (Deutsche Bundes-bank, 2011 a).

Das für die Bankenaufsicht relevante Eigenkapital wurde in Kern- und Ergänzungskapital unterschieden. Ferner wur-den die Kreditnehmer in die Schuldnerklassen öffentliche Schuldner, Banken und sonstige Kreditnehmer mit unter-schiedlichen Risikogewichten unterteilt. Während Unterneh-menskredite beispielsweise mit 100 Prozent gewichtet wur-den, waren die Risikogewichte für Kredite an OECD-Staaten bzw. -Banken mit 0 Prozent bzw. 20 Prozent aufgrund der unterstellten Risikoeinschätzung deutlich niedriger.

Als Mindestkapitalunterlegung wurden 8 Prozent der ge-wichteten Risikoaktiva empfohlen. Demnach berechnete sich das empfohlene Eigenkapital, das zur Absorption von Verlusten benötigt wird, aus:

Forderungssumme x Risikogewicht x 8 Prozent

Der Baseler Akkord wurde über die Mitgliedsstaaten hinaus in über 100 Ländern eingeführt. Er war mit der harmonisier-ten Limitierung der Kreditvergabepraxis und der Angleichung

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der internationalen Wettbewerbsbedingungen unter den Banken ein wichtiger Meilenstein in der Bankenregulierung.

3. Basel II

Das Regelwerk Basel II, das Mitte 2004 verabschiedet wur-de und 2007 bzw. 2008 in der Europäischen Union einge-führt wurde, stellt eine Modernisierung und Fortentwicklung von Basel I dar (Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, 2004 & Deutsche Bundesbank, 2011 b). Während die Defini-tion des Kapitalbegriffs sowie der Mindestkapitalkoeffizient von 8 Prozent unverändert blieben, besteht der entschei-dende Unterschied zu Basel I in einer Verbesserung der Ri-sikomessverfahren. Ziel war es, die Kapitalanforderungen stärker als bisher an den tatsächlichen Risiken auszurichten.

Basel II besteht aus drei Säulen:

• Mindestkapitalanforderungen(Säule1) • bankaufsichtlicherÜberprüfungsprozess(Säule2) • erweiterteOffenlegungsanforderungen(Säule3).

3.1 Säule 1

Bei der Säule 1 steht die angemessene Berücksichtigung der Risiken einer Bank bei der Bemessung ihrer Eigenka-pitalunterlegung im Fokus. Die Risiken werden in Kreditrisi-ken, Marktrisiken und operationellen Risiken unterschieden (Deutsche Bundesbank, 2011 c).

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Während operationelle Risiken erstmals durch Basel II ein-bezogen wurden, sind Marktrisiken bereits seit 1996 durch eine Ergänzung zum Baseler Akkord (Basel I) mit Eigenka-pital zu unterlegen. Auslöser für die Berücksichtigung von operationellen Risiken war unter anderem der Zusammen-bruch der britischen Barings-Bank im Jahr 1995 durch uner-laubte Spekulationsgeschäfte eines Händlers. Operationelle Risiken entstehen durch unzulängliche interne Systeme und Prozesse sowie durch nicht adäquates Verhalten von Mitar-beitern.

Marktrisiken sind Preisänderungsrisiken beispielsweise von Schuldverschreibungen, Aktien und Rohstoffen. Banken sind diesen Risiken permanent im Eigen- und Handelsge-schäft ausgesetzt – auch durch die Veränderung von Zins-sätzen und Wechselkursen.

Für die drei oben genannten Risikogruppen stehen wahlwei-se standardisierte oder verfeinerte bankeigene Risikomess-verfahren zur Verfügung. Am Beispiel der Kreditrisiken lassen sich die entscheidenden Veränderungen veranschau-lichen. Mit Basel I erfolgte die Kapitalunterlegung der Kre-ditrisiken noch relativ undifferenziert. Beispielsweise wur-den Kredite an Unternehmen durchgängig mit 100 Prozent gewichtet und mit 8 Prozent Eigenkapital belegt. Nach den Regelungen von Basel II ist die Kapitalunterlegung abhängig vom Risiko der Einzelforderung, d. h. das Risiko jeder einzel-nen Forderung ist individuell zu ermitteln. Hierbei kommen externe und interne Ratingverfahren zum Einsatz.

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Bei den Methoden zur Messung des Kreditrisikos unter-scheidet Basel II zwischen drei Ansätzen:

• demStandardansatz,beidemdasRatingeinerexter-nen Rating-Agentur zugrunde gelegt wird

• demIRB-(Basis-)Ansatz(InternalRatingBasedAp-proach)

• demfortgeschrittenenIRB-Ansatz.

Beim Standardansatz können die Bonitätsbeurteilungen (Ratings) von externen Agenturen angewandt werden, so-fern diese von den nationalen Aufsichtsbehörden anerkannt sind (Deutsche Bundesbank, 2004). Entsprechend ihrer Ra-tingnote erhalten die extern gerateten Forderungen ein Risi-kogewicht von 0, 20, 50, 100 oder 150 Prozent. Forderun-gen, die nicht geratet sind, werden (grundsätzlich) mit 100 Prozent gewichtet. Da in Deutschland in der Regel nur kapi-talmarktorientierte Unternehmen extern geratet sind, erge-ben sich im Standardansatz keine wesentlichen Änderungen für Unternehmensforderungen im Vergleich zur Behandlung nach Basel I.

Beim IRB-Ansatz werden bankinterne Ratingverfahren ein-gesetzt. (Deutsche Bundesbank, 2009). Je nach Geschäfts-feld können sich die internen Ratingmodelle, die in der Regel methodisch sehr aufwendig sind, deutlich unterscheiden. Bei den sogenannten scorecardbasierten Verfahren fließen bonitätsrelevante quantitative und qualitative Faktoren ein, die die Prognose einer Ausfallwahrscheinlichkeit und die Zu-

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ordnung zu einer Ratingklasse ermöglichen. Hierbei werden komplexe statistische Verfahren angewandt.

Die Qualität der Systeme ist abhängig von ihrer statistischen Prognosegüte und der Trennschärfe der angewandten Fak-toren. Sie werden von der Bankenaufsicht geprüft, abge-nommen und unterliegen einer laufenden Überwachung.

Der auf internen Ratings basierende IRB-Ansatz unterschei-det drei Risikoparameter:

• Ausfallwahrscheinlichkeit(ProbabilityofDefault:PD)• ausstehender Betrag bei Ausfall (Exposure at Default:

EAD)• VerlustquotebeiAusfall(LossGivenDefault:LGD).

Für die Eigenkapitalunterlegung des Kreditrisikos gilt folgen-de Formel:

∑ gewichtete Risikoaktiva Kreditrisiko ≥ 8 Prozent

Die Neuerungen der Risikomessung betreffen den Nenner der Eigenkapitalquote, welcher sich aus dem Produkt von EAD und den Risikogewichtsfunktionen PD und LGD ergibt.

Im IRB-Basisansatz schätzen die Banken lediglich die je-weilige Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) über ihre internen Ratingsysteme, die Werte für EAD und LGD sind von der Aufsicht vorgegeben.

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Die Banken haben aber auch die Möglichkeit, den fortge-schrittenen Ansatz zu wählen, müssen dann aber sämtliche Risikoparameter schätzen – neben der Ausfallwahrschein-lichkeit auch den ausstehenden Betrag bei Ausfall (EAD) und die Verlustquote (LGD). Die Verlustquote ist unter an-derem davon abhängig, in wieweit die gestellten Sicherhei-ten bei ihrer Verwertung (z.B. Verkauf) Erlöse erbringen. Die Schätzungen basieren auf historischen Zeitreihen; d. h. sie müssen empirisch unterlegt sein.

Die Verwendung der verschiedenen Ansätze hat Auswir-kungen auf die Kapitalunterlegung. Je fortgeschrittener und damit risikosensitiver ein Ansatz ist, desto geringer ist das geforderte Mindestkapital. Hieraus ergibt sich ein Anreiz für die Banken, die internen Systeme weiterzuentwickeln.

3.2 Säule 2 und 3

Die Säulen 2 und 3 sind integraler Bestandteil der Rege-lungen von Basel II und stehen gleichberechtigt neben den Mindestkapitalanforderungen der Säule 1.

Säule 2 stellt auf die Notwendigkeit einer qualitativen Ban-kenaufsicht ab. Im Rahmen des aufsichtlichen Überprü-fungsprozesses werden die internen Verfahren zur Risiko-messung und die Prozesse im Risikomanagement bewertet. Letztlich geht es in diesem Überprüfungsprozess für die Aufsicht um die Frage, ob die Banken in der Lage sind, „ihre eingegangenen Risiken zu identifizieren, zu messen, zu

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steuern und zu überwachen“ (Deutsche Bundesbank, 2011 d, S. 1).

Säule 3 setzt auf die disziplinierende Wirkung von Märkten durch die Erweiterung der Offenlegungspflichten (Deutsche Bundesbank, 2011 e). Durch den besseren Einblick in das Geschäftsmodell und das Risikoprofil einer Bank soll über das belohnende oder sanktionierende Verhalten gut infor-mierter Marktteilnehmer eine risikobewusste Geschäftspo-litik erzeugt werden.

In der Europäischen Union erfolgte die Umsetzung von Ba-sel II durch zwei Richtlinien, die in Deutschland durch Ände-rungen im Kreditwesengesetz und durch ergänzende Ver-ordnungen in nationales Recht überführt wurden. Während Säule 1 und Säule 3 vor allem in der Solvabilitätsverordnung (SolvV) verankert sind, ist Säule 2 in den Mindestanforde-rungen an das Risikomanagement (MaRisk) umgesetzt.

4. Basel III

Ende 2010 veröffentlichte der Baseler Ausschuss neue Ei-genkapital- und Liquiditätsregeln für Banken, die unter dem Kürzel Basel III zusammengefasst werden (Basel Commit-tee on Banking Supervision 2011 & 2010 a). Vorausgegan-gen war ein Auftrag der G-20-Staats- und Regierungschefs, die erstmals durch die Formulierung von aufsichtsrecht-lichen Vorgaben eine maßgebliche Rolle in der Bankenre-gulierung übernahmen. Ziel war es, das weltweite Banken-

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und Finanzsystem weniger krisenanfällig zu machen und die Lehren aus der Finanzkrise und dem Zusammenbruch der Lehman-Bank 2008 zu ziehen.

Basel III enthält eine Reihe von bedeutenden Neuerungen, die neben der Verbesserung der Eigenkapital- und Liquidi-tätsausstattung auch innovative Elemente umfasst (Deut-sche Bundesbank, 2011 f). Mit der Einführung einer Leve-rage Ratio (Verschuldungsquote) und der Entwicklung von diversen Kapitalpuffern – insbesondere auch für systemre-levante Banken – wird Neuland betreten. Mit der Einführung eines antizyklischen Kapitalpuffers soll die Prozyklik des Finanzsystems vermindert werden. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten makroprudenziellen Regulierungs-ansatz, der Wirkungen auf der makroökonomischen Ebene erzielen soll.

Die Neuregelungen sollen schrittweise ab 2013 in Kraft treten und bis 2019 abschließend eingeführt sein. Die re-lativ lange Übergangszeit wurde gewählt, um den Banken ausreichend Zeit für den notwendigen Kapitalaufbau zu ge-währen. Es soll verhindert werden, dass die Banken mit der Reduzierung der Bilanzsumme und einer Einschränkung der Kreditvergabe reagieren.

Im weiteren Verlauf soll auf die folgenden Einzelmaßnahmen von Basel III näher eingegangen werden:

• NeuregelungenbeimEigenkapital

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• Verringerung der Prozyklik und Begrenzung der Ver-schuldung

• Liquiditätskennziffern• StrengereRegelnfürdasHandelsbuchundVerbriefun-

gen

Anschließend werden die Maßnahmen von Basel III in Kapi-tel 5 einer kritischen Würdigung unterzogen.

4.1 Neuregelungen beim Eigenkapital

Die Erfahrungen in der Finanzkrise haben gezeigt, dass das Eigenkapital vieler Banken nicht ausreichend war, um anfal-lende Verluste auszugleichen. Darüber hinaus wurde deut-lich, dass ein bestimmter Teil des Kapitals – das sogenannte Hybridkapital, das neben Eigenkapitalelementen auch Fremd-kapitalelemente enthält – nur eingeschränkt zum Verlustaus-gleich herangezogen werden konnte. Gerade das „innova-tive“ Hybridkapital, das teilweise zeitlich befristet begeben wurde, hatte vor der Krise anteilsmäßig stark zugenommen.

4.1.1 Qualität des Eigenkapitals

Vor diesem Hintergrund konzentrierten sich die Neurege-lungen nicht nur auf eine quantitative Erhöhung, sondern stellten auch die Qualität des Kapitals in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dies führte zu einer engeren Definition des Kapitals, das zukünftig – vereinfacht – nur aus zwei Katego-rien besteht: dem Kernkapital und dem Ergänzungskapital.

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Während das Kernkapital durch die Fähigkeit der Verlustab-sorption den Fortbestand der Bank sichert, dient das Ergän-zungskapital zur Befriedigung nicht-nachrangiger Fremdka-pitalgeber im Falle der Insolvenz.

Unabhängig von dieser grundsätzlichen Zweiteilung ist beim Kernkapital zwischen hartem und zusätzlichem Kernkapital zu unterscheiden. Das harte Kernkapital beinhaltet im We-sentlichen das Stammkapital einer Aktiengesellschaft und die einbehaltenen Gewinne. Um eine Rechtsform-unabhän-gige Zuordnung sicherzustellen, wurde ein 14 Punkte um-fassender Kriterienkatalog formuliert. Dieser sieht u.a. die Dauerhaftigkeit der Kapitalbereitstellung, die Nachrangig-keit und damit die uneingeschränkte Verlustbeteiligung so-wie keine obligatorischen Ausschüttungen vor.

Für das zusätzliche Kernkapital wurde ebenfalls ein Krite-rienkatalog entwickelt. Der Hauptunterschied zum harten Kernkapital besteht darin, dass unter bestimmten Bedingun-gen Rückzahlungen – frühestens nach 5 Jahren – möglich sind, ohne dass dies der Investor aber fest einplanen und kalkulieren kann.

Den wesentlichen Anteil am Ergänzungskapital dürften langfristige Nachrangverbindlichkeiten sowie entsprechend ausgestaltete Vorzugsaktien haben. Es gelten ebenfalls ein Kriterienkatalog und ein Verbot von Vertragsklauseln, die zu vorzeitigen Rückzahlungen führen können.

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Mit der Einführung eines neuen Kapitalerhaltungspuffers, der aus hartem Kernkapital bestehen muss, werden die Banken in guten Zeiten verpflichtet, ein zusätzliches Kapi-talpolster aufzubauen. Dieses kann in der Rezession zum Auffangen von Verlusten verwendet werden, allerdings ver-bunden mit Restriktionen bei der Ausschüttung. Auf diese Weise soll das sogenannte regulatorische Paradoxon aufge-löst werden, das darin besteht, dass ein erhöhtes (Mindest-)Kapital in der Krise zur Verlustabdeckung nicht genutzt wer-den kann, da eine Unterschreitung der erhöhten Mindestan-forderungen zu Sanktionen der Aufsicht führen würde.

4.1.2 Quantität des Eigenkapitals

Die Neuregelungen nach Basel III führen zu einer deutlichen Erhöhung des Eigenkapitals – insbesondere beim harten Kernkapital, das auf mehr als das Dreifache anwächst. Es erhöht sich von bisher 2 Prozent der risikogewichteten Ak-tiva (RWA) schrittweise auf die Zielgröße von 7 Prozent. Während das Ergänzungskapital mit 2 Prozent an Bedeu-tung verliert, verbleibt die Mindestanforderung für das Ge-samtkapital bei 8 Prozent. Der Kapitalerhaltungspuffer von 2,5 Prozent – der zur Abdeckung von Verlusten vorüber-gehend abgebaut werden kann – ist von der Summe des Eigenkapitals gedanklich abzuziehen.

Bezüglich der einzelnen Kapitalbestandteile ergibt sich im Zeitablauf folgendes Bild:

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In Prozent RWA 2012* 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019Hartes Kernkapital

2,0 3,5 4,0 4,5 4,5 4,5 4,5 4,5

Kapitaler- haltungspuffer

- - - - 0,625 1,25 1,875 2,5

∑Hartes Kernkapital

2,0 3,5 4,0 4,5 5,125 5,75 6,375 7,0

Zusätzliches Kernkapital

2,0 1,0 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5

∑Kernkapital 4,0 4,5 5,5 6,0 6,625 7,25 7,875 8,5

Ergänzungs- kapital

4,0 3,5 2,5 2,0 2,0 2,0 2,0 2,0

∑Eigenkapital 8,0 8,0 8,0 8,0 8,625 9,25 9,875 10,5

Quelle: Deutsche Bundesbank (2011 f) * abweichende Kapitaldefinition vor Einführung von Basel III

Für systemrelevante Banken (sogenannte G-Sifis = global systemically important financial institutions) ergeben sich wegen ihrer Bedeutung für das Finanzsystem zusätzliche Kapitalaufschläge, die ebenfalls als hartes Kernkapital vor-gehalten werden müssen. Diese betragen in Abhängigkeit von der Größe und Komplexität der Banken zwischen 1 Pro-zent und 2,5 Prozent (in Ausnahmefällen 3,5 Prozent) der RWA. Auf dem G-20-Gipfel in Cannes wurde im November 2011 eine Liste mit 29 G-Sifis beschlossen, die jährlich aktu-alisiert wird. In der Liste vom November 2012 ist die Deut-sche Bank als einziges deutsches Institut mit einem zusätzli-chen Kapitalaufschlag von 2,5 Prozent enthalten.

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Der in 4.2.1 behandelte antizyklische Kapitalpuffer kann einen weiteren Kapitalbedarf auslösen, sofern er von den nationalen Aufsichtsbehörden angeordnet wird. Er kann stu-fenweise ab 2016 (0,625 Prozent) bis 2019 (2,5 Prozent) eingeführt werden.

Für einen Teil der Kapitalinstrumente, die ihren Status als hartes Kernkapital verlieren, existieren zehnjährige, in Raten abnehmende Bestandschutzregelungen. Dies betrifft ins-besondere die stillen Einlagen, die in Deutschland im öffent-lich-rechtlichen Bereich eine besondere Rolle spielen. Un-terstützungsleistungen im Zusammenhang mit staatlichen Banken-Rettungsmaßnahmen bleiben bis Anfang 2018 an-rechnungsfähig.

4.2 Verringerung der Prozyklik und Begrenzung der Verschuldung

Zwischen der Kreditvergabe von Banken und dem Konjunk-turverlauf besteht ein starker Zusammenhang. Während die Banken im Aufschwung ihre Kreditvergabe ausweiten, ver-halten sie sich im Abschwung und in der Rezession eher restriktiv, da sich die Bonitäten und Ratingnoten der Kredit-nehmer verschlechtern.

Wie die jüngste Krise gezeigt hat, kann es im Bankensek-tor zu massiven Verwerfungen kommen, wenn die Kredit-ausweitung im vorausgegangen Boom übermäßig hoch war. Verstärkt wird das Problem, wenn sich Spekulationsblasen

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bilden und platzen. Die Banken reagieren mit einer massi-ven Einschränkung ihrer Kreditvergabe, da die konjunktur-bedingte allgemeine Verschlechterung der Ratings und die zunehmenden Kreditausfälle zu einer Erosion ihrer Eigenka-pitalbasis führen. Gleichzeitig verkaufen sie zur Entlastung ihrer Bilanz und zum Abbau ihrer Verschuldung Risikoakti-va und realisieren durch den gesunkenen Marktwert häufig Verluste, die das Eigenkapitalproblem weiter verschärfen. Dadurch wird eine gefährliche Abwärtsspirale in Gang ge-setzt, die auch die Realwirtschaft erfasst und die Rezession verstärkt. Kommt es zu einer allgemeinen Bankendestabili-sierung wie 2008, kann daraus sogar eine weltweite Wirt-schaftskrise resultieren.

4.2.1 Antizyklischer Kapitalpuffer

Um die prozyklischen Effekte der Kreditvergabe abzumil-dern, sehen die Neuregelungen von Basel III einen antizy-klischen Puffer vor. Er kann von den nationalen Aufsichts-behörden in Boomphasen angeordnet werden, um ein übermäßiges Kreditwachstum zu bremsen. In späteren Ab-schwungphasen stehen die aufgebauten Kapitalbeträge be-reit, „die Kreditvergabespielräume nicht zu sehr schrumpfen zu lassen“ (Deutsche Bundesbank, 2011 f, S. 25).

Der Puffer kann in einer Bandbreite von 0 bis 2,5 Prozent der RWA angeordnet werden, d. h. er enthält keine Automa-tik wie beispielsweise der Kapitalerhaltungspuffer. Er muss nach Anordnung innerhalb einer Frist von bis zu 12 Monaten

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umgesetzt werden, wobei nur Kapitalbestandteile in Frage kommen, die eine volle Verlustabsorption sicherstellen. Er wird analog dem Kapitalerhaltungspuffer stufenweise ein-geführt und beträgt am 1. Januar 2019 in der Endstufe 2,5 Prozent.

4.2.2 Leverage Ratio

Die Leverage Ratio (LR) oder Verschuldungsquote misst das Verhältnis von Kernkapital zu nicht risikogewichteten Aktiva und außerbilanziellen Geschäften. Sie drückt somit den Verschuldungsgrad eines Institutes aus. Basel III sieht einen Mindestwert von 3 Prozent für die Leverage Ratio vor, um auf diese Weise die Verschuldung – d. h. ohne Risikoge-wichtung der Aktiva – zu begrenzen. Im Ergebnis bedeutet eine LR von 3 Prozent, dass das Geschäftsvolumen – unab-hängig vom Risiko der Geschäfte – auf maximal das 33-fa-che des Kernkapitals ausgedehnt werden darf.

Hintergrund dieser Maßnahme ist die Erkenntnis aus der Kri-se, dass die im Boom aufgebaute übermäßige Verschuldung von Banken zu einem erheblichen gesamtwirtschaftlichen Risiko im Abschwung werden kann, denn die notwendige Verringerung der Verschuldung via Verkauf von Risikoak-tiva verstärkt die zuvor erläuterte Abwärtsspirale im Ab-schwung.

Bezüglich der Leverage Ratio gibt es eine Reihe noch of-fener Punkte. Unter anderem wird befürchtet, dass die ri-

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sikounabhängige Kapitalberechnung zu falschen Anreizen führt. Der bisherige Grundsatz – niedriges Risiko = niedrige Kapitalanforderung und hohes Risiko = hohe Kapitalanfor-derung – könnte ausgehöhlt werden. Deshalb ist eine Be-obachtungsphase von 2013 bis 2017 vorgesehen, nach der entschieden werden soll, in welcher Form die Leverage Ra-tio endgültig eingeführt wird.

4.3 Liquidität

Seit der Finanzkrise sind die Liquiditätsrisiken von Banken deutlich zu Tage getreten. Es wurde die Erkenntnis gewon-nen, dass bei einem nicht mehr funktionierenden Interban-kenmarkt auch gut kapitalisierte Institute mit Engpässen konfrontiert werden können. Die Systemstabilität konnte zeitweise nur durch das Eingreifen der Zentralbanken auf-rechterhalten werden. Somit zeigte sich, „dass das Liquidi-tätsrisiko nicht länger als ein bloßes Sekundärrisiko angese-hen werden durfte“ (Deutsche Bundesbank, 2011 f, S. 30).

Als Reaktion auf diese Entwicklungen sieht Basel III auch die Einführung von quantitativen Standards für Liquiditätsrisiken vor. Banken müssen zukünftig zwei Liquiditätskennziffern beachten:

Die Liquidity Coverage Ratio (LCR), die nach einer Beob-achtungsphase Anfang 2015 verpflichtend werden soll, soll die kurzfristige Zahlungsfähigkeit sicherstellen. Nach die-sem Standard müssen die Banken jederzeit einen Bestand

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an hochliquiden Aktiva vorhalten, um die bei einem schwe-ren Stressszenario auftretenden Zahlungsverpflichtungen über einen Zeitraum von 30 Tagen jederzeit erfüllen zu kön-nen. Als hochliquide Aktiva sind neben Bargeld insbeson-dere Schuldtitel öffentlicher Emittenten wie z. B. die heimi-schen Staatsanleihen anerkannt. Ungedeckte (Nichtfinanz-) Unternehmensanleihen werden mit einem Anteil von 40 Pro-zent berücksichtigt.

Die Net Stable Funding Ratio (NSFR) ist eine Liquiditäts-kennziffer mit einem Einjahreshorizont, die zu einer ausge-wogenen Fristenstruktur von Aktiv- und Passivseite beitra-gen soll. Wenngleich die sogenannte Fristentransformation nicht beseitigt werden soll, ist eine deutliche Einschränkung von – in der Krise beobachteten – exzessiven Fristeninkon-gruenzen zwischen Aktivgeschäft und der Refinanzierung (Passivseite) beabsichtigt. „Demnach muss die Summe der gemäß ihrer dauerhaften Verfügbarkeit gewichteten Passiva (…) die Summe der nach ihrer Liquiditätsnähe gewichteten Aktiva (…) übertreffen“ (Deutsche Bundesbank, 2011 f, S. 32). Wegen noch offener Fragen ist eine längere Beobach-tungsphase als bei der LCR vorgesehen, ab 1. Januar 2018 soll die NSFR verbindlich werden.

4.4 Strengere Regeln für das Handelsbuch und Verbriefungen

Die neuen Regeln für Handelsbuchpositionen betreffen In-stitute, die eigene Marktrisikomodelle nutzen und das mit

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Kapital zu unterlegende Risiko des Portfolios unter norma-len Marktbedingungen ermitteln (value-at-risk-Modelle). Zu-künftig ist darüber hinaus ein Risikobetrag zu berechnen, „der die erwartete Wertänderung des aktuellen Portfolios in einer gestressten Marktsituation abschätzt“ (Deutsche Bundesbank, 2011 f, S. 21). Gemäß einer Auswirkungsstu-die erhöht die Einführung eines Stressed-Value-at-Risk die Kapitalanforderungen deutlich im Vergleich zur bisherigen Situation.

Das Verbriefungsgeschäft – bei dem z. B. Hypothekenfor-derungen zu handelbaren Wertpapieren zusammengefasst werden – hat eine unrühmliche Rolle in der Finanzkrise ge-spielt und gilt als eine wesentliche Ursache der Krise. Ne-ben höheren (qualitativen) Anforderungen an die eigene Ri-sikobeurteilung wurde die geforderte Kapitalunterlegung für Wiederverbriefungen quasi verdoppelt. Verbriefungen, die weitere Verbriefungen beinhalten, gelten als sehr komplex. In der Finanzkrise wurden die Risiken systematisch unter-schätzt. Auf EU-Ebene und in Deutschland wurde zusätzlich ein „Selbstbehalt“ für den Urheber (Originator) der Verbrie-fungstransaktionen beschlossen, d. h. bei ihm verbleibt ein Teil des Kreditrisikos.

Ergänzend wurden strengere Regeln für Kontrahentenaus-fallrisiken beschlossen, die beispielsweise beim Handel von Derivate-Geschäften durch eine Bonitätsverschlechterung der Gegenparteien entstehen.

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Angesichts der Risiken aus den Verflechtungen der großen Banken untereinander müssen Forderungen von Banken gegenüber großen Instituten mit einer Bilanzsumme von mehr als 100 Mrd. USD zukünftig wesentlich stärker mit Ei-genkapital unterlegt werden.

4.5 Umsetzung auf nationaler Ebene

Die auf internationaler Ebene abgestimmten Neuregelun-gen des Baseler Ausschusses sind unverbindliche Empfeh-lungen, die von den einzelnen Staaten in nationales Recht übertragen werden müssen. In der EU ist der europäische Gesetzgebungsprozess zwischengeschaltet, der eine weit-gehende Harmonisierung in den Mitgliedsländern sicher-stellt. Die neuen Vorschriften werden durch eine Kombina-tion von Richtlinien und Verordnungen geregelt. Während Verordnungen unmittelbar geltendes Recht sind, sind Richtli-nien noch in nationales Recht zu überführen. Hierbei verblei-ben gewisse Gestaltungsspielräume auf nationaler Ebene. Mittels Verordnung werden unter anderem die Eigenkapi-talanforderungen und -definitionen geregelt, die Einführung von Kapitalpuffern ist in einer Richtlinie enthalten.

5. Kritische Würdigung von Basel III

Basel III als Kernstück der verschärften Bankenregulierung hat eine erhöhte Systemstabilität zum Ziel. Dieses Ziel ist aber nicht zu erreichen ohne Nebenwirkungen, denn die Än-derung der regulatorischen Vorschriften löst Reaktionen bei

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den Banken aus. Sie haben grundsätzlich 3 Möglichkeiten, auf die geänderten Anforderungen zu reagieren:

• durchSteigerungderGewinneüberhöhereKreditzin-sen mit anschließender Gewinnthesaurierung (a)

• oderdurchBeschaffungneuenEigenkapitals(b)• oderdurchdieReduzierungderBilanzsummeüberein

vermindertes Kreditangebot (c).

Die Varianten a) und b) führen zu ähnlichen Auswirkungen; denn auch die höheren Kapitalkosten von b) müssen über höhere Kreditzinsen erwirtschaftet werden. Variante c) dürf-te dann zum Tragen kommen, wenn die Beschaffung von Kapital aufgrund gestresster Marktsituationen erschwert ist und die Gewinnsteigerung aufgrund verschlechterter Ge-samtbedingungen nicht oder nicht im ausreichenden Maße möglich ist.

Alle Varianten haben Folgen für die Realwirtschaft, die durch erhöhte Zinskosten oder einen erschwerten Zugang zu Krediten tendenziell belastet wird. Die dadurch verminderte gesamtwirtschaftliche Nachfrage kann zu Wachstums- und Wohlstandsverlusten führen.

Ausgehend von dieser Wirkungskette ergibt sich ein Span-nungsverhältnis von erhöhter Systemstabilität und realwirt-schaftlichen Kosten. Mit Blick auf dieses Spannungsverhältnis waren die G 20-Vorgaben für die Neuregelungen von Basel III von vornherein darauf ausgerichtet, Überforderungen zu

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vermeiden, um die negativen Folgewirkungen möglichst klein zu halten. Die erhöhten Mindestanforderungen sollten ange-messen und durch Übergangsregelungen unterlegt sein.

5.1 Grundsätzliche Kritik und Gegenargumente

Die Neuregelungen – insbesondere die Mindestanforderun-gen für die Eigenkapitalunterlegung – werden von einigen Ökonomen als zu wenig ambitioniert angesehen (Storbeck, 2010). Der Haftbeitrag der Eigentümer müsse weiter erhöht werden, was zu einer Begrenzung der Risiken führe. Niedri-gere Eigenkapitalrenditen seien zwar die Folge, würden aber unter langfristigen Aspekten wegen der verbesserten Sta-bilität des Bankensystems akzeptiert. Im Übrigen seien die relativ hohen Eigenkapitalkosten auf die steuerliche Privile-gierung des Fremdkapitals zurückzuführen. Die steuerliche Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen sei ein volkswirtschaftli-ches Problem, da sie wie eine Subvention wirke, aber hohe Kosten für die Allgemeinheit in einer Krise verursache.

Die grundsätzliche Kritik ist nicht unwidersprochen geblie-ben. So weist der Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) darauf hin, dass die Wirkung von Basel III von Kritikern unterschätzt werde (Cecchetti, 2010). Bei der Kapitalunterlegung müsse neben den höheren Ei-genkapitalquoten auch die veränderte Eigenkapitaldefinition beachtet werden. Im Übrigen setze sich Basel III aus einem Bündel von Maßnahmen zusammen, die in ihrer Kombinati-on zu beachtlichen Wirkungen führen.

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Die These, dass die Mindestanforderungen zu wenig am-bitioniert sind, wird durch die Ergebnisse einer Studie der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) vom September 2012 in Frage gestellt (European Banking Authority, 2012). Die Studie, die auf Daten vom 31. Dezember 2011 basiert, un-tersucht 44 international aufgestellte Banken (Gruppe 1) und 112 sonstige Institute (Gruppe 2) unter dem Aspekt ei-ner vollständigen Umsetzung der Neuregelungen von Basel III. Um die Zielvorgabe beim harten Kernkapital von 7 Pro-zent zu erreichen, ergeben sich noch zu schließende Kapi-tallücken bei Gruppe 1 von 199 Mrd. Euro und bei Gruppe 2 von 26 Mrd. Euro. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die europäischen Banken noch vor erheblichen Herausforde-rungen stehen. Gleichzeitig ist aber auch erkennbar, dass seit einer früheren EBA-Studie vom Juni 2012 die Gruppe 1-Banken ihre Kapitallücken um 32,3 Mrd. Euro vermindern konnten.

5.2 Realwirtschaftliche Effekte

Die Effekte von erhöhten Kapitalanforderungen auf die Re-alwirtschaft werden in verschiedenen Studien analysiert. LBBW Credit Research hat eine komparative Analyse die-ser Studien vorgenommen und kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die negativen Auswirkungen tenden-ziell eher moderat ausfallen (Burkert, Zimmermann & Weber, 2012 a). Allerdings sind die Folgen für die einzelnen Volks-wirtschaften und Wirtschaftsräume sehr unterschiedlich.

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Exemplarisch sei auf die Ergebnisse einer Studie der OECD aus 2011 verwiesen (Slovik & Cournède, 2011). Die Studie unterstellt die Kapitalanforderungen von Basel III für 2019 und analysiert einen Zeitraum von 5 Jahren. Dabei schnei-det die Eurozone, für die der Einfluss auf das BIP im Jahr 5 mit minus 1,14 Prozent angegeben wird, am schlechtesten ab. Umgerechnet auf die jährliche Wachstumsrate bedeu-tet dies, dass das Wachstum mit minus 0,23 Prozentpunk-ten negativ beeinflusst wird. Der Wert für die USA fällt mit minus 0,12 Prozent deutlich geringer aus. Hierfür sind im Wesentlichen zwei Gründe ausschlaggebend. Erstens war die Ausgangssituation der amerikanischen Banken mit einer höheren Kapitalbasis günstiger und zweitens spielen Finan-zierungen über den Kapitalmarkt in den USA eine größere Rolle als in Europa; d. h. der Anteil der Banken an der Finan-zierung von Firmen ist wesentlich geringer.

Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass auch Volks-wirtschaften ohne wichtige und große Banken von einer schärferen Regulierung über sogenannte Spillover-Effek-te betroffen sein können (Burkert, Zimmermann & Weber, 2012 a). Die moderne, internationale Wirtschaftswelt ist so miteinander verflochten, dass wirtschaftliche Veränderun-gen in einem Land positive oder negative Wirkungen in ei-nem anderen Land haben können.

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5.3 Antizyklischer Kapitalpuffer und Frühwarn-indikatoren

Im Zusammenhang mit den neuen antizyklischen Kapitalpuf-fern stellt sich die Frage, welcher Indikator als Auslöser für den Aufbau der Puffer fungieren soll. Um die Prozyklik des Finanzsystems frühzeitig einfangen zu können, muss es sich um einen Frühindikator für Finanzstress handeln. Als beson-ders geeignet wird das Verhältnis von Kreditvergabe und Bruttoinlandsprodukt (GDP) sowie die Differenz zwischen dieser Credit-GDP-Ratio und ihrem langfristigen Trend ange-sehen (Basel Committee on Banking Supervision, 2010 b). Liegt die Credit-GDP-Ratio über dem langfristigen Trend und wird ein zuvor definierter Schwellenwert überschritten, ist die Kreditvergabe als exzessiv anzusehen. Das löst den Aufbau der antizyklischen Kapitalpuffer aus, die die Kreditvergabe verteuern und die Kreditnachfrage dämpfen. Hierbei gilt der Grundsatz, dass mit steigendem Finanzstress der Kapitalpuf-fer bis zum Maximum von 2,5 Prozent anwächst; d. h. je grö-ßer die obige Differenz desto größer wird der Puffer.

Dieser vom Baseler Ausschuss präferierte Ansatz ist al-lerdings nicht unumstritten. Eine spanische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Credit-GDP-Ratio mit dem BIP-Wachstum in vielen Ländern negativ korreliert (Repullo & Saurina, 2011). Der Grund besteht darin, dass die Kreditver-gabe zeitverzögert reagiert. Bei mechanischer Anwendung obigen Ansatzes führt dies dazu, dass im Boom Kapital ver-mindert und im Abschwung Kapital aufgebaut wird. Auf die-

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se Weise wird die Prozyklik sogar verstärkt. Als geeigne-terer Indikator wird das Verhältnis von Kreditwachstum zu BIP-Wachstum vorgeschlagen.

Obwohl der Baseler Ausschuss die Verwendung der Credit-GDP-Ratio in besonderer Weise empfiehlt, warnt er gleich-zeitig vor möglichen falschen Signalen durch diesen Indika-tor. Die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden werden aufgefordert, auch andere makroökonomische Variablen als Indizien für Finanzstress mit einzubeziehen.

5.4 Vor- und Nachteile der Leverage Ratio

Die in 4.2.2 erläuterte Leverage Ratio (LR) ist ein relativ einfaches und kostengünstiges Regulierungsinstrument. Sie ist eine Ergänzung zu den risikogewichteten Kapitalan-forderungen und ist gleichzeitig ein Korrektiv für mögliche Fehler, die aus den Schwächen der internen Risikomodelle – zum Beispiel zu optimistische Risikoeinschätzungen und fehlerhafte Risikogewichtungen – resultieren. Sie begrenzt das Bilanzwachstum und die Verschuldung, insbesondere in Boomphasen und erzielt damit eine antizyklische Wirkung.

Aus den Berechnungen der EBA ist bekannt, dass eine po-sitive Korrelation zwischen der Größe einer Bank und der Höhe der Verschuldung besteht und dass gerade die gro-ßen Banken noch massive Kapitalanstrengungen unterneh-men müssen, um das LR-Ziel von 3 Prozent zu realisieren. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht

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in der LR einen Beitrag zur Eindämmung des „too big to fail“ Problems und empfiehlt gleichzeitig eine Anhebung der LR auf 5 Prozent (Schäfer, 2011).

Trotz aller Vorteile hat die LR aber auch nicht zu übersehen-de Nachteile (Burkert, Zimmermann & Weber, 2012 b). Da sie nicht zwischen risikoreichen und risikoarmen Geschäf-ten unterscheidet, können Fehlanreize entstehen, auf die bereits in 4.2.2 hingewiesen wurde. Es besteht die Gefahr, dass risikoarme, aber volumenstarke Geschäftsfelder be-nachteiligt werden, da sie für die Banken unattraktiv wer-den. Hiervon könnte im starken Maße beispielsweise das Hypothekengeschäft betroffen sein.

Ein weiteres Problem sind die unterschiedlichen Rechnungs-legungsstandards, die den Wettbewerb in den verschiede-nen Ländern verzerren. Die nach US-GAAP bilanzierenden amerikanischen Banken haben einen deutlichen Vorteil ge-genüber den europäischen Banken, die nach IFRS bilan-zieren. Die beim US-GAAP umfangreicheren Möglichkeiten des Netting – d. h. der Aufrechnung von bestimmten Ak-tiv- und Passivpositionen – führen zu einer Bilanzverkürzung und damit zu einer günstigeren Verschuldungsquote.

5.5 Fehlanreize der Liquiditätskennziffern

Eine häufig geäußerte Kritik an dem Basel III-Regime besteht darin, dass es weiterhin öffentliche Schuldner bevorzugt. Staatsanleihen aus OECD-Ländern sind mit einem Risikoge-

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wicht von Null versehen; d. h. sie sind nicht mit Eigenkapital zu unterlegen. Wegen des Wegfalls der Eigenkapitalkosten entsteht ein hoher Anreiz in diese Anlagen zu investieren. Dieser wird durch die neuen Liquiditätskennziffern noch ver-stärkt. Denn die kurzfristige Liquidity Coverage Ratio stellt in besonderem Maße auf Staatsanleihen als „hochliquide“ Aktiva ab.

Nicht erst seit der Staatsschuldenkrise stellt sich die Frage, ob diese Privilegierung gerechtfertigt ist. Auch die Erfahrun-gen aus der Finanzkrise haben gezeigt, dass sich als sehr gut eingeschätzte Bonitäten in relativ kurzer Zeit deutlich verschlechtern können. Obwohl das Thema auf der Agenda der Regulierungsorgane steht, ist eine baldige Modifikation unwahrscheinlich. Die Konsequenzen für die Finanzierung von Staaten wären aus heutiger Sicht zu schwerwiegend.

Im Zusammenhang mit dem „längerfristigen“ Liquiditäts-standard – Net Stable Funding Ratio – wird ebenfalls Kritik geäußert. Beispielsweise ist aus Sparkassenkreisen die Be-fürchtung geäußert worden, die Langfristkultur in Deutsch-land sei gefährdet (Haasis, 2010). Sparkassen finanzieren ihr langfristiges Hypothekengeschäft in erster Linie aus kurzfristigen Spareinlagen. Inwieweit das Langfristgeschäft tangiert ist, ist aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen. Die tatsächliche Wirkung des neuen Standards dürfte erst nach der langjährigen Beobachtungsphase abzuschätzen sein, zumal eine Beschränkung auf einen Einjahreshorizont vor-gesehen ist.

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5.6 Abbau von Komplexität

Aus den bisherigen Ausführungen ist zu erkennen, dass die Basel-Regelwerke hoch komplex sind. Gleichzeitig produ-zieren sie einen enormen Aufwand und hohe Kosten auf der Ebene der Regulierer, Gesetzgeber, Aufsichtsorgane und in den Banken. Es stellt sich die Frage, ob dieser Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Ergebnis steht?

In einer viel beachteten Rede beim jährlichen Treffen der Zentralbanker in Jackson Hole hat der Executive Director für Finanzstabilität bei der Bank of England, Andrew Haldane, am 31. August 2012 genau dies in Abrede gestellt und einen Paradigmenwechsel gefordert (Haldane/Madouros, 2012). Er plädierte für eine kostengünstige Regulierung, die mit einfachen Regeln – nach dem Motto „weniger ist mehr“ – versucht, die Komplexität der modernen Bankenwelt zu be-herrschen. Hierbei spielt die Leverage Ratio eine dominante Rolle, die – mit einer höheren Quote als von Basel III vorge-sehen – besser als andere Methoden geeignet sei, Krisen zu verhindern.

So faszinierend die Ausführungen zum „Turmbau von Basel“ und die Schlussfolgerungen von Andrew Haldane auch sein mögen, bleibt der Zweifel im Raum, ob die regulatorische Antwort auf Komplexität Simplizität („simplicity“) sein kann.

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5.7 Fazit

Mit der Vorlage des neuen Regelwerkes im Dezember 2010 hat der Baseler Ausschuss in nur 15 Monaten nach dem G 20-Auftrag „seinen Beitrag zur Überwindung der Krise im Finanzsektor und zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der regulierten Finanzakteure geleistet“ (Deutsche Bundes-bank, 2011 f, S. 38). Jetzt kommt es darauf an, dass die Re-gelungen weltweit eingeführt und umgesetzt werden.

Basel III ist das zentrale Element der Bankenregulierung nach der Krise. Die Kombination aus den verschiedenen Einzelmaßnahmen führt dazu, dass die Banken wesentlich mehr Eigenkapital vorhalten müssen als bisher. Um die be-stehenden Kapitallücken aufzufüllen, sind jedoch noch er-hebliche Anstrengungen innerhalb der vorgegebenen Fris-ten erforderlich. Es dürfte im Interesse der Banken liegen, für schnelle Fortschritte zu sorgen, denn die Kapitalmärk-te dürften gut kapitalisierte Banken bevorzugen. Solange die Ziele von Basel III aber noch nicht erreicht sind, ist die grundsätzliche Frage einer noch besseren Kapitalausstat-tung unter pragmatischen Gesichtspunkten weniger rele-vant. Auch die noch offenen Fragen bei den diskutierten Einzelmaßnahmen können innerhalb der vorgesehenen Be-obachtungsphasen geklärt werden, so dass entsprechende Optimierungen möglich sind.

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Rating-Agenturen in der Krise: Wenn staatlich verordnetes Vertrauen zum Risiko wird

Ines Läufer und Christine Arentz

1. Einführung: Rating-Agenturen im Zentrum öffentlicher und politischer Debatten

Die Rolle und Arbeitsweise von Rating-Agenturen waren der breiten Öffentlichkeit lange Zeit weitgehend unbekannt. Dies änderte sich mit dem Aufkommen der Immobilienmarktkrise in den USA und der darauf folgenden weltweiten Finanz-marktkrise, in denen die Rating-Agenturen eine nicht uner-hebliche Rolle gespielt haben (Masciandaro, 2011, S. 256; Calomiris, 2009 a; Calomiris, 2009 b): Rating-Agenturen hatten die Ausfallwahrscheinlichkeit strukturierter Verbrie-fungen systematisch unterschätzt (Calomiris, 2009 a; Ca-lomiris, 2009 b) und gelten daher als Mitverursacher bzw. Verstärker der Krise (Lannoo, 2011).

Ins Visier der europäischen Politik gerieten sie verstärkt in der anschließenden europäischen Staatsschuldenkrise: Herabstufungen der Bonitäten von EU-Staaten seitens der

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großen angelsächsischen Agenturen Standard and Poor’s, Moody‘s und Fitch gehen mit Zinsaufschlägen für die be-troffenen Staaten einher und erschweren die Bedienung von Schulden. Die Herabstufungen wurden und werden re-gelmäßig als ungerechtfertigte Maßregelungen empfunden und Rating-Agenturen als Brandbeschleuniger der Schul-denkrise dargestellt (Beck/Wienert, 2010, S. 466). Diese Sichtweise schlug sich auch in den politischen Diskussionen über die Schaffung einer europäischen Rating-Agentur nie-der. Diese sollte sowohl den Wettbewerb auf dem Markt der Rating-Agenturen erhöhen als auch eine aus politischer Sicht angemessenere Bewertung der europäischen Krisen-staaten vornehmen (Beck/Wienert, 2010, S. 467; Sachver-ständigenrat, 2008, Ziffer 263).

Die Reformambitionen gehen aber weit über die Frage einer europäischen Rating-Agentur hinaus. Die Politik versucht über eine verstärkte Kontrolle der Rating-Agenturen zukünf-tige Fehlentwicklungen zu verhindern.

Aus ordnungspolitischer Sicht müssen zum einen die Ursa-chen der (zumindest rückblickend) systematischen Fehlbe-wertungen untersucht werden. Zum anderen stellt sich die Frage, warum die Urteile der Rating-Agenturen auf dem Fi-nanzmarkt eine solch große Rolle spielen.

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2. Rating-Agenturen: Privatwirtschaftliches Informationsangebot auf dem Finanzmarkt

Auf dem Kapitalmarkt besteht eine Informationsasymmetrie zwischen Kapitalnachfragern und -anbietern: Kapitalanbie-ter haben weniger Informationen über die tatsächliche Kre-ditwürdigkeit als die Nachfrager selbst. In diesem Umfeld können Rating-Agenturen als privatwirtschaftliche und un-abhängige Unternehmen eine wichtige Rolle spielen. Durch ihre Beurteilung der Kreditwürdigkeit potentieller Kreditneh-mer reduzieren sie die Unsicherheit für Investoren und damit die Transaktionskosten einer Investitionsentscheidung. Die selbständige Prüfung der Bonität jedes einzelnen Kapital-nachfragers wäre für Investoren mit erheblichem Kostenauf-wand verbunden, da sie sämtliche relevanten Informationen selbst beschaffen und eine entsprechende Expertise auf-bauen müssten.

Bei der Bewertung potentieller Kreditnehmer werden quan-titative und qualitative Faktoren berücksichtigt, die sich auf ihre Kreditwürdigkeit auswirken können. Die Rating-Agentu-ren führen hierzu eine ausführliche Analyse der finanziellen Situation des Kreditnehmers durch und bewerten die regu-latorischen, rechtlichen sowie operationellen und administ-rativen Risiken. Zudem wird das Adressenausfallrisiko9 be-

9 Das Adressenausfallrisiko ist ein Überbegriff für verschiedene Risiko-arten (Kreditrisiko, Länderrisiko, Kontrahentenrisiko) und bedeutet, dass ein Vertragspartner seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen (z.B. aus einem Kreditvertrag) nicht oder nur teilweise (termingerecht) nachkommt.

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rücksichtigt. Bei der Bonitätsbewertung von Staaten spielt neben der Analyse des aktuellen Staatshaushalts auch die gegenwärtige sowie zukünftige wirtschaftliche Situation eine Rolle. Des Weiteren fließen qualitative Faktoren wie die Transparenz und Verlässlichkeit politischer Entscheidungs-prozesse in die Bewertung mit ein (siehe bspw. Standard & Poor‘s Ratings Criteria). Die meisten dieser Informatio-nen sind öffentlich zugänglich. Die eigentliche Aufgabe und Expertise der Rating-Agenturen besteht darin, diese unter-schiedlichen Informationen zu gewichten und zu einem Ge-samtbild zusammenzufügen, welches für potentielle Investo-ren als Entscheidungsgrundlage dienen kann. Am Ende des Ratingprozesses steht eine Note, die die Ausfallwahrschein-lichkeit der Kreditnehmer widerspiegelt. Das Notenspek-trum rangiert von erstklassiger Bonität (AAA) bis Zahlungs-unfähigkeit (D).

3. Rating-Agenturen: Staatlich delegierte Aufsicht

In den letzten Jahrzehnten haben weitreichende Regulierun-gen im Bereich der Finanzmarktaufsicht und des Anleger-schutzes dazu geführt, dass aus den grundsätzlich unab-hängigen Informationsintermediären letztendlich machtvolle Akteure auf dem Finanzmarkt geworden sind, deren Bo-nitätsnoten nicht nur zur Entscheidungsfindung beitragen, sondern vielmehr in gewissem Rahmen Investitionsent-scheidungen erzwingen.

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Die zuletzt häufig kritisierte Macht der Rating-Agenturen ist zum einen durch die Regulierung des Bankensektors ent-standen: Sowohl in den USA als auch in der EU hängen die Eigenkapitalbestimmungen für Banken stark von den Bonitätseinschätzungen der Rating-Agenturen ab (Tichy, 2011; Schäfer, 2011; Beck/Wienert, 2010). Risikoreiche Ak-tiva müssen mit mehr Eigenkapital unterlegt werden. Die Einschätzung des für die Eigenkapitalhöhe maßgeblichen Risikos muss zum Großteil von Rating-Agenturen vorge-nommen worden sein, um die aufsichtsrechtlichen Eigenka-pital-Vorgaben zu erfüllen.

Die Verbindung zwischen Eigenkapitalhöhe und dem Risiko der Aktiva soll die Stabilität des Finanzmarktes gewährleis-ten (Admati et. al., 2010; Donges et. al., 2011; Deutsche Bun-desbank, 2011): Eine finanzielle Schieflage einer Bank birgt aufgrund der Vernetzung des Bankensystems die Gefahr von Ansteckungseffekten und hätte damit negative Folgen für andere unbeteiligte Marktteilnehmer. Aus diesem Grund können große bzw. sehr vernetzte Banken damit rechnen, im Falle finanzieller Probleme politischen Handlungsdruck zu erzeugen und letztendlich staatliche Mittel zu erhalten. Damit aber bestünde ohne Eigenkapitalvorschriften der An-reiz, risikoreiche und renditestarke Investitionen vorzuneh-men und darauf zu spekulieren, im Notfall durch staatliche Zuschüsse aufgefangen zu werden.10 Derartige Anreize zu

10 So geschehen in der Finanzkrise, wo unter anderen die Deutsche Industriekreditbank, die Commerzbank, die BayernLB und die Hypo Real

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unerwünschtem riskanten Handeln („Moral Hazard“) sollen durch Eigenkapitalvorschriften verhindert werden.11

Die im Sinne eines stabilen Finanzmarktes etablierten Ei-genkapitalvorgaben gehen aufgrund der automatischen Ver-knüpfung zwischen Rating-Note und Eigenkapitalhöhe mit einer Delegation der Finanzmarktaufsicht an Rating-Agen-turen einher. Letztere müssen auf nationaler bzw. europä-ischer Ebene zugelassen sein, also staatlich festgelegten Qualitätskriterien genügen. Diese werden in der EU mitt-lerweile durch die Europäische Wertpapieraufsichtsbehör-de ESMA in Zusammenarbeit mit nationalen Aufsichtsbe-hörden festgelegt (Beck/Wienert, 2010; Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, 2011).

Des Weiteren setzt der Staat auch klare Vorgaben für in-stitutionelle Anleger (bspw. Versicherungen und Pensions-fonds). Diese Investoren dürfen nur innerhalb bestimmter Risikoklassen investieren. Maßgeblich hierfür ist wiederum das Qualitätsurteil staatlich zugelassener Rating-Agenturen (Sachverständigenrat, 2007, Ziffer 169). Rating-Herabstu-

Estate mit staatlichem Kapitalzuschuss aufgefangen werden mussten (Don-ges et. al., 2011, S. 7). 11 Staatsanleihen bilden bei der Eigenkapitalregulierung eine Ausnahme. Diese müssen seit jeher systematisch mit weniger Eigenkapital unterlegt werden (Schäfer, 2011) als andere Kreditforderungen. Auch die in der EU anvisierten Umsetzungsrichtlinien der BASEL-III-Beschlüsse sehen trotz der gegenwärtigen Staatsschuldenkrise vor, dass europäische Staatsan-leihen keiner Eigenkapitalunterlegung bedürfen und dies unabhängig von deren Bonitätseinstufung (Eckhardt/Roosebeke, 2011).

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fungen können einen Verkauf von gewissen Anlagen erzwin-gen und damit unmittelbare und massive Verschiebungen zwischen verschiedenen Anlageklassen auslösen. Hinter diesen Anlagevorschriften steht das Ziel, riskante Investitio-nen der Unternehmen zu verhindern, um letztendlich deren Kunden vor dem Verlust ihrer Versicherung zu schützen.

Das Problem dieser Form staatlicher Aufsicht liegt im einsei-tigen Verlass auf das Urteil der Rating-Agenturen: Mit der bisherigen Regulierung delegieren die Aufsichtsbehörden ihre Kontrollfunktion und verleihen den Rating-Agenturen eine Entscheidungskompetenz. Diese Regulierungspraxis behindert einen fairen Wettbewerb um die besten Kriterien und Methoden der Bonitätsbewertung: Da sich die Eigenka-pitalvorschriften nach den Noten der zugelassenen Rating-Agenturen richten, wird anderen Bewertungsmethoden, wie internen Ratings seitens der Banken oder anderen, nicht staatlich zugelassenen Rating-Agenturen kein Raum gege-ben. Vielmehr wird der aufgrund hoher Markteintrittsschran-ken ohnehin enge Markt der Rating-Agenturen zusätzlich beschränkt bzw. bestehende Oligopolstrukturen zementiert (Beck/Wienert, 2010, S. 465). Aufgrund der weitgehenden und langfristig erfolgenden Delegation der Aufsicht an diese ausgewählten Agenturen erhalten sie eine vorläufig unan-fechtbare Position auf dem Markt. Deren Dienstleistungen müssen nachgefragt werden, um die rechtlichen Vorgaben zu erfüllen, so dass ihr Marktanteil durch staatliche Vor-schriften gesichert ist.

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Die im Rahmen des BASEL-III-Regelwerks auf internationa-ler Ebene verabschiedeten neuen Eigenkapital- und Liquidi-tätsregeln für Banken sehen im Vergleich zu früheren Re-gelungen eine gewisse Abkehr von der einseitigen Prüfung der Bankenstabilität mittels externer Ratings vor. So sollen auch interne, also von den Banken selbst vorgenommene Modellrechnungen zur Risikoeinschätzung der Aktiva eine gleichwertige Alternative zu den externen Ratings der Agen-turen bei der Bestimmung des Eigenkapitals darstellen kön-nen (Deutsche Bundesbank, 2011).

4. Umgang mit Unsicherheit: Wettbewerb oder staatliche Sicherheitsstandards?

Die Regulierung des Finanzmarktes soll dabei helfen, Ri-siken frühzeitig zu erkennen und entsprechende Vorsorge treffen zu können. Hierzu besteht ein Bedarf an einem ob-jektiven Maßstab für die Bewertung des Risikos, da das Wissen über das Risiko dessen Kontrolle erleichtert. Die staatliche Delegation der Risikobewertung an Rating-Agen-turen kann daher als Versuch gewertet werden, Risiken auf dem Finanzmarkt transparent und objektiv zu erfassen.

Über die aufsichtsrechtlichen Regelungen und Zulassungs-bestimmungen für Rating-Agenturen setzt der Staat jedoch Qualitätsstandards und schließt die Verwendung alternati-ver Methoden zur Risikobewertung für regulatorische Zwe-cke aus. Dies wäre gerechtfertigt, wenn der Staat über ein Wissen verfügen würde, das den Informationen der Markt-

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teilnehmer überlegen wäre. Dann könnte er den Prozess von Versuch und Irrtum, der jedem Wettbewerbsmarkt in-newohnt, abkürzen.

Da es aber für diese staatliche Überlegenheit keine An-haltspunkte gibt, birgt der einseitige Verlass des Staates auf das Urteil der Rating-Agenturen die Gefahr eines „kol-lektiven“ Irrtums: Sollten sich die Methoden der staatlich anerkannten Agenturen als fehlerhaft herausstellen, wäre automatisch der gesamte Markt betroffen: Das Eigenkapital sämtlicher regulierter Banken würde möglicherweise nicht mehr den eingegangenen Risiken entsprechen und sich so-mit flächendeckend als unzureichend herausstellen. Dies kann, wie in der Finanzmarktkrise geschehen, zu erhebli-chen Marktinstabilitäten führen. Staatliche Kurzsichtigkeit kann also aufgrund des großen Einflusses der staatlichen Vorschriften auf den gesamten Markt auch ein „Systemrisi-ko“ darstellen.

Im Gegensatz dazu würde ein echter Wettbewerb zwischen verschiedenen Formen der Risikoprüfung sowohl eine Kon-kurrenz zwischen Rating-Agenturen als auch zwischen ex-ternen und internen Ratings beinhalten. Welche Formen und Methoden der Risikobewertung sich letztendlich als best-möglich herausstellen, ist dann offen und hängt von den Einschätzungen der Marktakteure ab. Marktliche Prozesse ermöglichen die Anpassung an unterschiedliche und sich stetig ändernde Umstände und sind damit per se ergeb-nisoffen. Produzenten sind auf einem Wettbewerbsmarkt

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aufgrund der Konkurrenz gezwungen, den unterschiedli-chen Wünschen der Nachfrager gerecht zu werden. Ein ho-her Marktanteil eines Unternehmens kann hier nur durch die Wertschätzung der Nachfrager entstehen und ist kei-neswegs zementiert: Sowohl die Kundenwünsche als auch das Angebot der Konkurrenz können sich ändern und damit Marktverschiebungen hervorrufen.

Auf einem Wettbewerbsmarkt wäre die Reputation der wichtigste Vermögenswert einer Rating-Agentur und offen-sichtliche Fehlurteile würden zu einem Nachfrageeinbruch und damit zu einem Verlust an Marktanteil führen. Im durch die Regulierungsvorschriften eingeschränkten Wettbewerb zwischen den Rating-Agenturen wirken sich jedoch auch ek-latante Fehleinschätzungen nur unwesentlich aus. Die Repu-tation leidet zwar, aber die Regulierung verhindert den an-sonsten damit einhergehenden Nachfragerückgang, da die Marktakteure weiterhin auf die Ratings der zugelassenen Agenturen angewiesen sind (Beck/Wienert, 2010, S. 466).

5. Vergütung der Rating-Agenturen: Mögliche Fehlanreize und Reformoptionen

Neben den regulatorisch bedingten Problemen wird auch die Vergütungsform der Rating-Agenturen als ein möglicher Faktor für systematische Fehlbewertungen gesehen: Das derzeitige Gebührenmodell, das sogenannte „issuer pays“- Modell der großen Rating-Agenturen sieht vor, dass die

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Emittenten12 der Finanzprodukte, seien es nun Staatsanlei-hen, Unternehmensanleihen oder strukturierte Verbriefun-gen, für das Rating bezahlen. Die Emittenten haben zudem auch die Möglichkeit, schlechte Ratings unter Verschluss zu halten und ggf. eine andere Rating-Agentur mit der Bo-nitätseinschätzung zu beauftragen. Dieses Vertragsmodell kann für Agenturen zu einem Konflikt zwischen kurzfristiger und langfristiger Gewinnmaximierung führen (Beck/Wie-nert, 2010; White, 2010, S. 215). Auf kurze Sicht kann es für sie rational sein, bessere Ratings zu vergeben, um den Kunden zu halten: Dieser profitiert von einer optimistischen Bewertung seiner Kreditwürdigkeit, da er sich dadurch zu niedrigeren Zinsen Geld am Kapitalmarkt leihen kann.13 Eine derartige, im Sinne des Emittenten erfolgende, Fehlein-schätzung des Ausfallrisikos (Rating-Inflation) verzerrt die sich hinter den Noten verbergenden Ausfallrisiken, was zu Lasten der Investoren geht (Calomiris, 2009 b).

Wird eine bewusste Unterschätzung des Risikos jedoch bekannt, muss die Rating-Agentur mit Reputationsverlus-ten im Markt rechnen. Bisher wurde davon ausgegangen, dass dieses Risiko für Agenturen abschreckend genug sei, um bewusste Unterschätzungen des Ausfalls- und Verlust-risikos von Schuldpapieren zu unterlassen. Dies war auch

12 Emittenten sind Herausgeber von Wertpapieren.13 Manche Autoren schätzen das Risiko der Rating-Inflation in einem Wettbewerbsmarkt als besonders hoch ein, da die drohende Abwanderung der Kunden zu alternativen Agenturen die Anfälligkeit für opportunistische „Gefälligkeitsgutachten“ erhöhen könnte (Bolton et. al., 2012).

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lange Zeit der Fall. Zum einen gab es tausende Emittenten von Unternehmens- und Staatsanleihen, so dass der Verlust eines Kunden aufgrund einer aus dessen Sicht zu strengen Bewertung nicht so bedeutend war. Zum anderen waren die Informationen über Staaten und Unternehmen, die geratet wurden, relativ transparent und das Finanzprodukt an sich sehr einfach. Dies erleichterte die Identifikation offensicht-licher Fehlbewertungen und erhöhte das Risiko eines Re-putationsverlusts (White, 2010, S. 215). Erfahrungen aus den Jahren des Hypothekenbooms in den USA erzeugen jedoch Zweifel an der Funktionsfähigkeit des Reputations-mechanismus: Bei den strukturierten Verbriefungen stand die kurzfristige Gewinnmaximierung im Fokus der Rating-Agenturen. Diese Produkte waren im Gegensatz zu den bis-her begutachteten Papieren erheblich komplexer und für Au-ßenstehende nicht mehr leicht zu durchdringen. Die Gefahr eines Reputationsverlustes war daher nicht so eminent wie im üblichen Ratinggeschäft. Zudem gab es in diesem Markt-segment nur sehr wenige Emittenten mit entsprechend ho-hem Geschäftsvolumen. Der Verlust des Kunden durch zu strenge Ratings für die strukturierten Produkte war daher mit einem erheblich größeren Geschäftsverlust verbunden als bei Verlust eines Emittenten von Standardwertpapieren (White, 2010, S. 221).

Damit das Risiko eines Reputationsverlusts eine diszip-linierende Wirkung auf die Rating-Agenturen ausübt und die Wahrscheinlichkeit von Gefälligkeitsgutachten mindert, muss also zum einen das geratete Produkt bzw. der Prozess

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der Bewertung hinreichend transparent sein, damit eine of-fensichtliche Fehlbewertung zeitnah von den Marktteilneh-mern erkannt werden kann. Zum anderen muss ein Reputa-tionsverlust auch mit spürbaren Geschäftsverlusten für die Agenturen einhergehen, eine schlechte Leistung der Agen-tur also auch sanktioniert werden.

Wenn Investoren frei in ihrer Investitionsentscheidung sind, müssen Emittenten von Wertpapieren um das Vertrauen der Anleger werben. Dazu können externe Ratings dienen, die eine Signalfunktion besitzen. Das Signal, das eine Bonitäts-note entfaltet, hängt jedoch von dem Wert ab, den diese in den Augen der Anleger besitzt. Sollten die Anleger feststel-len, dass die Bonitätseinschätzungen der Rating-Agenturen systematisch zu positiv ausfallen, würde das Rating für die Investoren seine Signalfunktion verlieren. Wenn sie in der Folge auf andere Möglichkeiten der Risikoprüfung auswei-chen, sinkt auch für die Emittenten der Anreiz, Ratings bei den Rating-Agenturen zu kaufen. Die Anlegerreaktion wür-de also mittelbar zu einem Geschäftsverlust für die Rating-Agenturen führen.

Dieser Disziplinierung der Agenturen steht die Tatsache ent-gegen, dass in dem aktuell durch Aufsichtsregeln bestimm-ten Markt der Verlust an Reputation nicht automatisch mit einem Geschäftsverlust verbunden ist, weil die Anleger in ihren Ausweichmöglichkeiten beschränkt sind. Die aktuel-len Probleme, die sich aus dem Vergütungsmodell ergeben, können also nicht losgelöst von dem aufsichtsrechtlichen

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Kontext diskutiert werden. Ohne die Verzerrungen durch das Aufsichtsrecht müsste ein Emittenten-basiertes Vergü-tungsmodell nicht automatisch zu systematischen Fehlbe-wertungen der Kreditwürdigkeit der Emittenten führen. Zwar sind beim „issuer pays“-Modell kurzfristige Interessenkon-flikte durchaus möglich. Mittelfristig wäre jedoch eine An-gleichung der von Emittenten und Investoren gestellten An-sprüche an die Arbeit der Rating-Agenturen zu erwarten, wenn die Signalfunktion der Ratings von der Reputation bei den Investoren abhängen würde.

Die derzeit diskutierten Reformansätze setzen jedoch we-niger auf marktimmanente Anreize, sondern sind bestrebt, den Interessenskonflikt in der Emittenten-basierten Ver-gütung durch verstärkte Regulierung aufzuheben: So wird bspw. in der EU diskutiert, Rating-Agenturen den Emitten-ten zufällig zuzuordnen (Roosebeke/Baran, 2012). Damit wäre die Beziehung zwischen Agentur und Emittent immer nur kurzfristiger Natur und könnte den Anreizen zu einer op-portunistischen Bewertung von Wertpapieren entgegen wir-ken: Eine dem Emittenten entgegenkommende Bewertung würde sich für die Agenturen nicht mehr auszahlen, da sie damit keine Kundenbindung erreichen könnten. Eine derarti-ge Regelung kann jedoch den Aufbau einer unternehmens-bezogenen Expertise der Rating-Agentur verhindern. Die für eine Bewertung maßgeblichen Faktoren im Unternehmens-bereich sollten umso besser eingeschätzt werden können, je länger sich die Agentur mit dem spezifischen Unterneh-men befasst. Eine daraus resultierende präzisere und um-

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fassendere Analyse wäre schließlich auch im Interesse der Investoren.

Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass systematische Fehlbewertungen rechtzeitig erkannt werden, wird auch dis-kutiert, Rating-Agenturen zur Offenlegung ihrer Modellan-nahmen und der verwendeten Informationen zu verpflich-ten, um die Transparenz über die Entstehung der Ratings zu erhöhen (White, 2010). Die von der EU Kommission an-visierten Regulierungen sehen die Offenlegungspflicht der Agenturen sowohl gegenüber der europäischen Wertpapier-aufsichtsbehörde (ESMA) als auch gegenüber Kunden und Öffentlichkeit vor (Roosebeke/Baran, 2012). Die Erhöhung von Transparenz kann Wettbewerb verstärken: Je mehr die Konsumenten über das Produkt wissen, desto eher können sie es mit Alternativen vergleichen und vom Produktwech-sel bzw. Anbieterwechsel Gebrauch machen.

Die meisten Informationen, Kriterien und Methoden, die Rating-Agenturen insbesondere für ihre Ratings von Staaten verwen-den, sind aber schon heute öffentlich zugänglich (siehe bspw. Standard & Poor‘s Ratings Criteria). Die eigentliche Arbeit der Rating-Agenturen besteht in der Gewichtung der verschiede-nen Informationen und in der synthetischen Erstellung einer Bonitätseinschätzung. Diese wird aber auch von einem „intuiti-ven“, auf Erfahrungen basierenden Wissen abhängen, das den Produktionsprozess maßgeblich bestimmen kann. Dieses „stil-le“, verborgene Wissen kann jedoch nicht kommuniziert und transparent gemacht werden (Hayek, 1968, S. 253 f.).

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Zugleich könnte eine Offenlegungspflicht, die dem Ziel ge-recht werden soll, die Nachfrager der Ratings umfassend über das Zustandekommen der Ratings zu informieren, mit dem Schutz des geistigen Eigentums im Konflikt stehen. Sollten Agenturen gewisse Methoden und Informations-quellen veröffentlichen müssen, die bis dato ein Betriebsge-heimnis darstellen, wäre deren Ertragsgrundlage gefährdet. Langfristig wäre in diesem Fall ein Rückgang der Innova-tionsbereitschaft zu erwarten, da die Erträge der Inves-titionen in verbesserte Methoden nicht mehr der Agentur zugutekommen würden, sondern aufgrund der Veröffentli-chungspflicht allen Konkurrenten verfügbar gemacht müss-ten (White, 2010, S. 223).

Eine weitere Reformoption bestünde in der Abkehr vom Emittenten-basierten Vergütungsmodell. Rating-Agenturen müssten sich bei dieser Reformoption durch Anleger finan-zieren lassen, die das Rating schließlich auch als Entschei-dungsgrundlage für ihre Investitionen heranziehen. Dieses Geschäftsmodell haben die drei großen angelsächsischen Rating-Agenturen bis in die 1970er Jahre verfolgt. Heute arbeitet bspw. die Rating-Agentur Egan-Jones in den USA auf Basis der Anlegervergütung. Studien zeigen, dass die Vergütungsstruktur einen erheblichen Einfluss auf die Qua-lität des Ratings hat und die Emittenten-finanzierten Ra-tings systematisch optimistischer ausfallen als jene, die von Anlegern in Auftrag gegeben wurden (Bruno et. al., 2011).

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Diesem Vorteil steht jedoch die mögliche Trittbrettfahrer-problematik entgegen (White, 2010, S. 214 f.). Ratinginfor-mationen dürfen nur den zahlenden Anlegern zugänglich sein, damit dieses Vergütungsmodell funktioniert. Wenn die Informationen von den Anlegern als exklusiv angesehen werden und sie sich einen Informationsvorsprung von der Analyse der Rating-Agentur versprechen, haben diese auch keinen Anreiz, die Informationen weiterzugeben. Diese Be-dingung kann vor allem bei einer an einem kleinen Kunden-stamm ausgerichteten Agentur wie Egan-Jones erfüllt sein. Ob dies auch für den gesamten Markt der Rating-Agenturen funktionieren könnte, bleibt fraglich: Der Exklusivcharakter der Informationen dürfte mit der Größe des Kundenkreises abnehmen und damit die Anreize zur illegalen Weitergabe erhöhen.14

Zum anderen haben die jüngsten Erfahrungen aus den USA gezeigt, dass ein Anleger-finanziertes Vergütungsmodell nicht vor systematischen Fehlbewertungen schützt: Im Vor-lauf der aktuellen Finanzmarktkrise insistierten auch die Groß-investoren auf eine möglichst gute Bonitätseinschätzung der strukturierten Hypothekenverbriefungen, um erhöhte Invest-mentmöglichkeiten zu haben (Calomiris, 2009 b).

14 Die in 1970er Jahren aufkommenden technischen Möglichkeiten der Photokopie werden daher auch als mögliche Ursache des allgemeinen Um-stiegs auf die Emittenten-basierte Vergütung angesehen (White, 2010, S. 215).

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Systematische Fehlurteile sind also in beiden Vergütungs-modellen nicht auszuschließen, da das letztendliche Zu-sammenspiel zwischen Rating-Agenturen, Emittenten und Investoren auch von den Investitionsbedingungen und auf-sichtsrechtlichen Vorgaben auf dem Kapitalmarkt abhängt.

6. Vielfalt statt Alternativlosigkeit auf dem Rating-Markt

Eine professionelle und spezialisierte Form der Risikobewer-tung durch Rating-Agenturen kann auf der einen Seite so-wohl für Kapitalanleger als auch Kapitalnachfrager hilfreich sein. Die gerade in den letzten Jahren bekannt gewordenen, eklatanten Fehlbewertungen großer Rating-Agenturen wer-fen jedoch Zweifel an der Sorgfalt und Verlässlichkeit derar-tiger Urteile auf. Zum einen sind einige Finanzmarktprodukte von einer hohen Intransparenz geprägt, was die Kontrolle der von Rating-Agenturen vorgenommenen Einschätzungen erschwert. Zum anderen bestehen auf dem Markt Anreize für eine opportunistische, bewusst optimistische Bonitäts-bewertung. Beide Faktoren können dem Interesse der Kapi-talanleger entgegenstehen.

Nichtdestotrotz spielen die großen Rating-Agenturen eine entscheidende Rolle auf dem Kapitalmarkt: Die Eigenkapi-talhöhe der Banken und Anlagestruktur von institutionellen Anlegern wird zum großen Teil maßgeblich von der Einschät-zung der großen Rating-Agenturen abhängig gemacht. Die-ser Zwang zum Vertrauen auf deren Urteile stellt ein System-

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risiko dar. Irrt sich der Staat in seiner einseitigen Delegation der Aufsicht, so trifft es gleichzeitig und flächendeckend alle dieser Regulierung unterliegenden Akteure auf einmal.

Mittels dieser Aufsichtsdelegation haben gewisse Rating-Agenturen eine Macht erhalten, die weniger der Kunden-wertschätzung als staatlichen Vorschriften geschuldet ist und damit einem echten Wettbewerb zwischen unterschied-lichen Formen der Risikoeinschätzung im Wege steht. Wett-bewerb schützt zwar nicht vor Fehlern und Irrtum. Aber er lässt unterschiedliche individuelle Erfahrungen und Einschät-zungen zu. Anpassungen an verändertes Wissen und nega-tive Rückkoppelungen (Hayek, 1968, S. 255 ff.) können auf dezentraler Ebene viel schneller erfolgen und könnten sich im Wechsel der Rating-Agentur oder dem Rückgriff auf ei-gene Risikoeinschätzungen äußern.

Im Vergleich zu individuellen Marktteilnehmern werden staatliche Akteure den Anpassungsbedarf deutlich später identifizieren können, weil sie nicht unmittelbar am Markt-geschehen partizipieren. Zudem benötigt auch der Anpas-sungsprozess selbst mehr Zeit: Während eine Änderung aufsichtsrechtlicher Regelungen aufgrund der Komplexität demokratischer Prozesse zeitintensiv ist und nur verzögert erfolgen kann, können die einzelnen Marktakteure ihre Ent-scheidungen viel zügiger und unmittelbarer revidieren. Vor diesem Hintergrund sollte die zentrale Aufgabe staatlicher Aufsicht in der Setzung und Kontrolle verlässlicher und ver-bindlicher Wettbewerbsregeln bestehen, weniger in der

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(zwangsläufig einseitigen) Vorgabe „richtiger“ Formen der Risikobewertung.

Die Reformbestrebungen auf europäischer Ebene, den Rück-griff auf interne Ratings als gleichwertig zu externen Ratings anerkennen wollen, gehen in eine gute Richtung und dürften auch Druck auf die Rating-Agenturen erzeugen. Angesichts der hohen Unsicherheit beim Umgang mit (Finanz-)Risiken ist ein echter Wettbewerb zwischen Rating-Agenturen und auch ganz grundsätzlich zwischen verschiedenen Formen der externen und internen Ratings die sicherere Strategie. Im Zuge des Wettbewerbs sollten sich dann angemessene Risikoeinschätzungsmethoden ebenso wie sinnvolle Vergü-tungsmodelle durchsetzen.

Sicherlich wird es Zeit kosten, bis sich die positiven Einflüs-se eines verstärkten Wettbewerbs zwischen verschiedenen Formen der Risikobewertung auswirken. Die Markteintritts-schranken für neue Rating-Agenturen sind aufgrund kosten-intensiver Entwicklung von Expertise und Reputation recht hoch (Beck/Wienert, 2010, S. 464). Daher wird es dauern, bis die großen Agenturen echte Konkurrenz durch andere Anbieter erhalten könnten. Eine quasi-staatliche Europäi-sche Rating-Agentur wäre aber der Erzeugung von Wettbe-werb nicht dienlich: Angesichts der Nähe zur Politik beste-hen große Zweifel an der Unparteilichkeit der Agentur und damit an der Güte der Ratings. Eine ernstzunehmende Kon-kurrenz zu etablierten Agenturen könnte diese daher nicht darstellen (Paudyn, 2011).

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Das Ergebnis eines echten Wettbewerbs ist völlig offen. Es wäre nicht ausgeschlossen, dass die heutigen großen Agen-turen weiterhin Marktführer bleiben. Dann aber wäre diese Position einer im Interesse der Kunden bzw. Anleger ste-henden hohen Leistung zu verdanken. Und der Druck, die-se zu erhalten, bliebe bestehen – sofern Reputationsverlust auch mit Geschäftsverlust verbunden wäre und nicht durch staatliche Aufsichtsregelungen verhindert würde.

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Risikomanagement in Kreditinstituten

Ralf Bauer

1. Aktuelle Situation im Bankensektor

Mit der Insolvenz von Lehman Brothers Inc. im September 2008 wurde die zuvor auf die Vereinigten Staaten begrenz-te Krise zu einer wirklich globalen Finanzkrise. Zahlreiche Finanzkonzerne in vielen Ländern mussten mit staatlichen Geldern gestützt werden, um deren Schieflage zu verhin-dern. Viele einst renommierte Häuser wie die amerikani-sche Investmentbank Bear Stearns & Co. Inc., die deutsche Landesbank WestLB oder die belgische Fortis-Gruppe sind übernommen worden, völlig vom Markt verschwunden oder auf kleine, wenig bedeutende Reste geschrumpft.

Zwischen 2007 und 2011 haben sich die Geldaufnahmen griechischer Banken bei der nationalen Notenbank nahezu verneunfacht (Vgl. Bank of Greece, 2008 und 2012). Das Königreich Spanien erhält im Juli 2012 eine Hilfe von 100 Mrd. Euro durch den ESFM,15 um seine regionalen Banken und Sparkassen zu rekapitalisieren (Die Welt, 2012). Die

15 Europäischer Finanzstabilitätsmechanismus.

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US-Großbank JP Morgan Chase & Co Inc. meldete für ihre Investmentbanksparte im zweiten Quartal 2012 einen Ver-lust von 4,4 Mrd. US-Dollar vor Steuern aus einer Positi-on, verursacht durch wenige Londoner Händler (JP Morgan, 2012).

Alle diese Nachrichten verdeutlichen, dass Bankgeschäfte mit unterschiedlichen Risiken behaftet sind, welche in Ex-tremsituationen solch immense Ausmaße annehmen kön-nen, dass Banken ihren Verpflichtungen nicht mehr nach-kommen können und zahlungsunfähig sind. Der Umfang dieser bewusst eingegangenen Risiken und der Umgang mit ihnen entscheiden über Erfolg oder Misserfolg, so dass das Risikomanagement einer Bank essentiell für deren Zukunft ist. Die Übernahme von Risiken dient dazu, Erträge für die Bank zu generieren.

In diesem Beitrag wird erläutert, welchen unterschiedlichen Risiken eine Bank ausgesetzt ist und wie diese durch ein entsprechendes Risikomanagement zielgerichtet und er-tragreich gesteuert werden können. Es wird auch die Fra-ge diskutiert, ob bzw. inwieweit das Risikomanagement der Banken in der Finanzkrise versagt hat und welche Reaktio-nen von Seiten des Gesetzgebers zu erwarten sind. Im fol-genden Abschnitt werden die wesentlichen Risiken im Ban-kensektor beschrieben und wie sie im Risikomanagement gemessen und gesteuert werden. Abschnitt 3 verdeutlicht die Herausforderungen, die sich einer Bank bei Umsetzung einer integrierten Gesamtbanksteuerung stellen, wenn öko-

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nomische Erfolgs- und Risikogrößen simultan mit bilanziellen Größen zu berücksichtigen sind. Abschnitt 4 beleuchtet das Risikomanagement der Banken während der Finanzkrise. Der Beitrag endet in Abschnitt 5 mit einem Ausblick auf die zukünftig zu erwartenden Tendenzen: im Bankensektor, in dessen Regulierung sowie im Risikomanagement der Ban-ken.

2. Risiken bei Banken

Die Existenzgrundlage von Banken liegt in den Risiken von diversen Bankgeschäften begründet, aus deren gezielter Übernahme sie ihre entsprechenden Erträge generieren. So verursacht bspw. die Hereinnahme von Spareinlagen für die Bank das Risiko, die Zeitpunkte der Rückzahlungen an den Kunden nicht ex ante zu kennen. Auch beinhalten manche Bankgeschäfte gleichzeitig mehrere verschiedene Risiken, die auf unterschiedliche Weise zu steuern sind. Erwirbt eine Bank bspw. eine auf US-Dollar lautende Anleihe eines US-amerikanischen Unternehmens, sieht sie sich mit den drei Risiken konfrontiert, dass

• sich der Wechselkurs des US-Dollars ungünstig ent-wickelt und gegenüber dem Euro fällt,

• auf Grund der Veränderungen der US-Dollar-Zinssät-ze der Anleihekurs negativ beeinflusst wird sowie

• sich die Bonität des US-Schuldners verschlechtert, was ebenfalls zu einem sinkenden Anleihewert führt.

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Je nach Bankentyp verändern sich die Bedeutung einzelner Risikoarten und der Umfang der hierfür eingesetzten Res-sourcen. Während sich Geschäftsbanken eher mit aus Kun-dengeschäften resultierenden Risiken konfrontiert sehen, müssen Investmentbanken insbesondere die Risiken aus ihren umfangreichen Geschäften am Kapitalmarkt steuern.

Da die Banken durch ihre Aufgaben wie Kreditversorgung und Bereitstellung von Liquidität im Zentrum des Wirtschaf-tens stehen, ist diese Branche sehr stark durch den Ge-setzgeber reguliert und beaufsichtigt, um auf diese Weise die von Banken übernommenen Risiken zu begrenzen und durch Eigenkapital zu decken. Während die einzelne Risiko-position eine Bank in keiner Weise gefährden sollte, kann die Summe eingegangener Risiken in Extremsituationen existenzgefährdend sein.

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Abbildung 1: Risiken im Bankbereich

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Abbildung 1 gibt einen Überblick über auftretende Risiken im Bankbereich. Externe Risiken betreffen die Bankgeschäf-te, während interne Risiken aus den bankeigenen Prozessen resultieren. Die wesentlichen Risikoarten werden in den fol-genden Abschnitten detaillierter erläutert.

2.1 Ausfallrisiken

2.1.1 Erwartete Ausfallrisiken

Mit der Vergabe eines Kredits oder dem Kauf eines Schuld-papiers läuft die Bank Gefahr, dass diese Verbindlichkei-ten durch den Schuldner nicht wie vereinbart bedient wer-den, weil Zins- und/oder Tilgungszahlungen nicht erfolgen. Dieses Risiko wird allgemein als Ausfallrisiko (engl. Risk of Default) bezeichnet, die daraus entstehenden Verluste als erwartete Verluste (EL16) aus Kreditausfällen. Um diese zu decken, berücksichtigen Banken bei der Berechnung des vom Kunden zu zahlenden Darlehenszinses eine Risikoprä-mie in ihrer Kalkulation, welche diese erwarteten Verluste decken soll. Sie ist vergleichbar einer Prämie aus einer Kfz-Haftpflichtversicherung. Viele Kunden zahlen eine Prämie an eine Versicherung, damit Unfallschäden, die von nur wenigen Kunden verursacht werden, gedeckt werden können. Unter-schiedliche Kunden stellen für die Versicherung je nach der Einordnung in eine Schadenfreiheitsklasse unterschiedliche Risiken dar, so dass nicht alle Kunden gleich behandelt wer-

16 EL: Expected Loss.

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den. Im Folgenden wird das Risiko für das Kreditgeschäft be-schrieben, das analog auch für das Ausfallrisiko von anderen Schuldpapieren wie bspw. Anleihen gilt.

Banken klassifizieren ihre Kunden vor der möglichen Kredit-vergabe. Unterschiedliche Kriterien wie bspw. Alter, Beruf, Einkommenssituation, Wohnstatus bewerten sie in einem eigenen Modell, um hierdurch das Rating eines Kunden zu ermitteln. Es entspricht einer Note, die eine Aussage da-rüber trifft, inwieweit der Kunde in der Lage wäre, seinen Kredit ordnungsgemäß zurückzuzahlen. Die Bank ermittelt somit eine Ausfallwahrscheinlichkeit (PD17) für den Kunden, die umso niedriger liegt, je besser sein Rating ist. Da ein Kredit i.d.R. für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ver-geben wird, ist zusätzlich noch zu berücksichtigen, dass die Kreditwürdigkeit eines Kunden sich im Zeitablauf verändert. Auf Grund von Erfahrungswerten aus historischen Kredit-verläufen kann die Bank dies bewerten und bei den Ausfall-wahrscheinlichkeiten zukünftiger Perioden berücksichtigen.

Das Risiko der Bank hängt auch davon ab, welches Volumen dem Kunden als Kredit gewährt wurde, sei es als bereits ausgezahlter Kreditbetrag oder auch als offene Zusage, auf welche der Kunde noch zurückgreifen kann. Dieser ausfall-gefährdete Betrag (EAD18) wird im Falle eines Ausfalls nur teilweise bzw. überhaupt nicht zurückgezahlt. Er steigt durch

17 PD: Probability of Default.18 EAD: Exposure-at-Default.

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Auszahlungen zu Beginn zunächst an und reduziert sich auf Grund von Tilgungen während der Kreditlaufzeit.

Fällt ein Kredit aus, bedeutet dies nicht zwingend einen To-talverlust für die Bank, da der Kunde der Bank häufig Si-cherheiten gestellt hat, welche in diesem Fall verwertet wer-den können. So vergeben Banken Baufinanzierungen i.d.R. nur gegen Eintragung eines Grundpfandrechtes (Grund-schuld) im Grundbuch, so dass das finanzierte Haus als Si-cherheit für den gewährten Kredit dient. Auch können durch Zugriff auf andere Vermögenswerte oder eine Gehaltspfän-dung weitere Rückflüsse erfolgen, so dass die Verlustquote (LGD19) der Bank nicht bei 100 Prozent liegt.

Somit lässt sich der erwartete Verlust aus der Kreditverga-be als Produkt der drei zuvor erwähnten Größen, ausfallge-fährdeter Betrag (EAD), Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) und Verlustquote (LGD) berechnen (Vgl. Hartmann-Wendels et al., 2010, S. 499):

Erwarteter Verlust (EL) = EAD x PD x LGD

Da für den Kredit der erwartete Verlust direkt zurechenbare Kosten darstellt, müssen diese zwingend durch den Kun-denzinssatz verdient werden, damit die Bank nicht unwirt-schaftlich arbeitet.

19 LGD: Loss-given-Default.

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Banken sehen in ihren Kreditvergaberichtlinien meist ein Mindestrating für den Kunden vor, so dass keine Kreditver-gabe an Kunden erfolgt, deren Rating aus Sicht der Bank zu schlecht ist. Hierdurch verhindern sie hohe Verluste aus Einzelkrediten. Im Privatkundengeschäft erfolgt auch eine Abfrage bei einer Kreditauskunftei („Schufa-Auskunft“), bei der Daten über laufende Kredite, die ordnungsgemäße Rückzahlung bereits getilgter Kredite, aber auch Negativ-kennzeichen wie eine früher erfolgte Kreditkündigung oder rechtliche Vollstreckungsmaßnahmen (Mahnbescheid, ei-desstattliche Versicherung) gespeichert sind. Auch wird das Gesamtvolumen für den einzelnen Kunden in der Höhe be-grenzt (Kundenlimit). Je nach Kreditbetrag verzichten Ban-ken auch auf die Hereinnahme von Sicherheiten und verge-ben den Kredit „blanko“, da die Kosten nicht unerheblich sind, die hierdurch als Prüfungs- und Verwaltungsaufwand entstehen. Auch vereinbaren Banken mit dem Kunden höhe-re Tilgungsraten, um den ausstehenden Betrag schneller zu-rückzuführen. Durch diese Maßnahmen gelingt es, bereits bei Abschluss des Darlehensvertrages das Risiko für die Bank zu reduzieren.

Während der Laufzeit von Krediten kann die Bank ihre Risi-koposition verändern. Sofern es der Vertrag mit dem Kun-den zulässt, kann sie den Kredit an einen Dritten verkaufen, so dass das Risiko aus dem Kredit auf den Erwerber über-geht. Gleiches gilt für die Verbriefung von Krediten durch die Emission entsprechender Wertpapiere. Auch der Ab-schluss von Kreditausfallversicherungen führt zu einer Risi-

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koreduzierung für die Bank. Jedoch gilt es hier zu bedenken, dass auch die Gegenpartei, welche i.d.R. eine Bank oder ein Versicherungsunternehmen ist, ausfallen kann und somit der Kredit zwar gegen Ausfall versichert ist, aber ggf. keine Schadensdeckung erfolgt.

2.1.2 Unerwartete Ausfallrisiken

Durch die Kreditrisikoprämie deckt die Bank ihre erwarteten Verluste, die sich nahezu immer von den tatsächlich auftre-tenden Verlusten (Realisation) unterscheiden. In konjunktu-rell guten Jahren ergibt sich zumeist ein positives Ergebnis aus der Differenz von verdienten Risikoprämien und realisier-ten Verlusten, in schlechten Jahren hingegeben übersteigt der Abschreibungs- und Wertberichtigungsbedarf der Bank häufig die eingenommen Risikoprämien. Über einen Konjunk-turzyklus hinweg sollten sich diese Ergebnisse ausgleichen.

Ein negatives Ergebnis aus Kreditrisiken einer Bank wird all-gemein als unerwarteter Verlust (UL20) bezeichnet. Es wird von der Bank durch ihr Risikomanagement berücksichtigt und sollte durch Gewinne aus anderen Geschäften gedeckt werden. Dieses Risiko wird nicht durch einen einzelnen Kre-dit verursacht, sondern durch die Summe aller Kredite, dem Kreditportfolio oder Kreditbuch der Bank. Für die Steuerung der Risiken aus dem gesamten Kreditportfolio ist das Ri-sikocontrolling verantwortlich. Hier werden hoch komplexe

20 UL: Unexpected Loss.

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Modelle entwickelt, welche den Wert des Kreditportfolios und damit die auch daraus resultierenden Verluste simulie-ren. Einzelne Parameter werden als unsichere Variable unter Annahme bestimmter Verteilungsfunktionen modelliert, so dass diese innerhalb definierter Grenzen schwanken kön-nen. Für zufällige Realisationen dieser Parameter wird das gesamte Modell berechnet und der sich dann einstellende Verlust bestimmt. Dieses Vorgehen wird in hoher Anzahl wiederholt, so dass es möglich ist, eine Aussage über die Verteilung dieses unerwarteten Verlustes aus dem Kredit-portfolio zu treffen. Eine hohe Zahl berechneter Verlust-werte wird sich nicht sehr stark vom erwarteten Verlust unterscheiden, aber es werden sich auch einige „negative Ausreißer“ einstellen.

Generell resultiert für das gesamte Kreditportfolio ein Di-versifikationseffekt, d.h. das Gesamtrisiko aus mehreren Krediten ist (fast) immer geringer als die Summe der einzel-nen Kreditrisiken. Durch die Unterschiedlichkeit der einzel-nen Kreditnehmer und deren Kreditaufnahmezwecke sowie einer räumlichen Verteilung der Schuldner ist das Szenario, dass ein hoher Anteil der Kredite gleichzeitig ausfällt, als sehr gering anzusehen, da nicht gleichläufige Effekte unter-stellt werden können. So ist bspw. nicht davon auszugehen, dass der Kredit an ein Hotel in den Bergen und derjenige an ein Restaurant am Meer im gleichen Jahr ausfallen werden.

Für ein effektives Risikocontrolling ist es notwendig, die aus dem Kreditportfolio resultierenden Risiken korrekt zu mo-

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dellieren und zu bewerten, zu limitieren und aktiv zu steuern. Hierzu berechnen Banken einen maximalen Verlust aus dem Kreditportfolio, der bei einer festgelegten Wahrscheinlichkeit innerhalb einer bestimmten Periode, zum Beispiel mit 99 Pro-zent in einem Jahr, nicht überschritten wird, d.h. nur in einer von 100 Jahresperioden sollten die realisierten Verluste die-sen Höchstverlust überschreiten. Diese Verlustgrenze wird als Value-at-Risk bezeichnet, wobei immer die zu Grunde ge-legte Wahrscheinlichkeit (Konfidenzniveau) und die angenom-mene Haltedauer anzugeben ist (Vgl. Schierenbeck, 2003, S. 15; Hartmann-Wendels et al., 2010, S. 338). Abbildung 2 zeigt grafisch die Wahrscheinlichkeitsverteilung f(L) des Verlustes aus dem Kreditportfolio sowie den Value-at-Risk (VaR). Es ist zu erkennen, dass sich mit einem steigenden Konfidenzni-veau der daraus resultierende VaR-Wert erhöht.

erwarteter Verlust (EL)

L: Verlust gesamtes Kreditbuch f(L)

L VaR

Konfidenzniveau α

unerwarteter Verlust (UL)

Abbildung 2: Verlustverteilung eines Kreditportfolios21

21 Angelehnt an Schierenbeck, 2003, S. 155.

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Das Management der Bank hat die Entscheidung über das maximale Verlustlimit für Kreditrisiken und das Konfidenzni-veau für die Bestimmung des VaR zu treffen. Überschrei-tet der VaR ein festgelegtes, maximales Verlustlimit, sind dahingehend Gegenmaßnahmen einzuleiten, dass sich der VaR reduziert und damit das Limit wieder eingehalten wird. Dies kann bspw. durch den Verkauf von Krediten oder den Kauf von Ausfallversicherungen erfolgen. Auch wäre eine Erhöhung des Diversifikationseffektes sinnvoll, indem eine kleine Anzahl betraglich größerer Kredite durch eine grö-ßere Anzahl von Krediten kleineren Volumens ersetzt wird. Gleiches gelingt auch durch eine verstärkte regionale oder sektorale Streuung.

Abschließend ist noch zu erwähnen, dass unerwartete Aus-fallrisiken nicht ausschließlich im Kreditgeschäft auftreten. Auch durch die Bank erworbene Schuldtitel und Positionen aus Derivaten, bei denen eine Gegenpartei involviert ist, bergen dieses Risiko. Die hierzu gemachten Ausführungen gelten auch für die Berechnung und das Management die-ser Risikopositionen.

2.2 Preisrisiken

Preisrisiken resultieren aus negativen Wertänderungen von Bilanzpositionen, die durch Marktpreisveränderungen her-vorgerufen werden. Ein für Geschäftsbanken sehr bedeu-tendes Preisrisiko ist das Zinsänderungsrisiko, das durch eine Veränderung der Zinsstrukturkurve, d.h. der Zinssät-

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ze unterschiedlicher Laufzeiten, hervorgerufen wird. Dieses Risiko wird über das Zinsbuch gesteuert. Dort werden alle abgeschlossenen, zinstragenden Geschäfte einer Bank zu-sammengefasst (Vgl. Schierenbeck, 2003, S. 617). Hierun-ter fallen bspw. Einlagen und Kredite (Kundengeschäft), von der Bank erworbene oder emittierte Anleihen, Zinsderiva-te und Positionen aus Zinsgeschäften mit anderen Banken. Die Struktur und das Risiko des Zinsbuchs ergeben sich aus diesen Geschäften. Eine allgemeine Aussage, wie eine Zinsverschiebung wirkt, kann nicht getroffen werden, da dies von den zinstragenden Geschäften, deren (Teil-) Absi-cherung und den daraus resultierenden offenen Positionen abhängt.

Häufig weisen beide Kundengeschäftsklassen eine unter-schiedliche Fristigkeit auf. Im folgenden Beispiel nimmt eine Bank eher kurzfristig Spar- und Termineinlagen herein, die sie mittel- bis langfristig als Kredite an Kunden herausgibt. Liegt eine normale Zinsstruktur vor, so dass die Zinssätze mit der Zinsbindung ansteigen, zahlt die Bank einen niedri-gen Zins an ihre Gläubiger und verlangt einen höheren Zins von ihren Kreditnehmern – sie betreibt die sogenannte Fris-tentransformation und generiert einen zusätzlichen Ertrag aus der Differenz zwischen dem lang- und kurzfristigen Zins. Verändert sich bspw. die Zinskurve von normal auf invers, d.h. die kurzfristigen Zinssätze übersteigen die mittel- bis langfristigen Zinssätze, zeigt sich das Risiko für die Bank. Auf Grund der langfristigen Zinsvereinbarungen auf der Kre-ditseite können die Zinssätze erst mit Neuabschlüssen oder

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Kreditprolongationen angepasst werden. Da sich die Bank eher kurzfristig finanziert, erfolgen hier die Zinserhöhungen für die Einlagen zeitnah, so dass u.U. der durchschnittliche Einlagenzins den durchschnittlichen Kreditzins übersteigen kann, so dass die Bank im Zinsgeschäft Verluste schreibt.

Auch können Anleihen im Bestand der Bank Zinsänderungs-risiken verursachen. Der Preis einer Anleihe entspricht der Summe aller auf den aktuellen Zeitpunkt (t=0) diskontier-ten Zahlungen (Barwert: BW0). Hierin steckt die Idee, für alle zukünftigen Zins- und Tilgungszahlungen bereits heute (verzinsliche) Kredite aufzunehmen, die inklusive der anfal-lenden Kreditzinsen später durch Zahlungen aus der Anleihe getilgt werden. Lässt man das in Abschnitt 2.1. beschriebe-ne Ausfallrisiko außer Acht, resultiert das Preisrisiko aus-schließlich aus der Veränderung dieses Barwerts. Steigen diese (Kredit-)Zinssätze (yt), erhöht sich in der Rückzahlung aus der Anleihe (Zt) der Zinsanteil, so dass der Netto-Aus-zahlungsbetrag aus dem aufgenommenen Kredit geringer wird, wie die folgende Barwert-Formel zeigt:

Dies kann am Beispiel einer Anleihe verdeutlicht werden, welche einen Zinssatz von 4 Prozent p.a. besitzt und nach 4 Jahren zu 100 zurückgezahlt wird (Zinszahlungen von 4 in den Jahren 1 bis 4 und zusätzlich im Jahr 4 die Tilgungszah-lung von 100). Bei einer konstanten Zinsstrukturkurve (alle

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Laufzeiten besitzen den gleichen Zins) errechnet sich für ein Zinsniveau von 4 Prozent ein Barwert von 100:

Steigen (fallen) die Zinsen um 1 Prozent, sinkt (erhöht) sich der Barwert auf 96,45 (103,72):

Je länger die Laufzeit der Anleihe ist, desto stärker wirkt eine Zinsveränderung auf den Barwert der Anleihe.

Banken messen diese Zinsänderungsrisiken mit unter-schiedlichen Methoden. Zinsrisiken, die aus der unter-schiedlichen Zinsbindung von Kredit- und Einlagenseite re-sultieren, werden bspw. durch eine Sensitivitätsanalyse bzgl. der Zinsänderungen gemessen, indem errechnet wird, wie stark (in Prozentpunkten) sich der Zinssatz einer Positi-on verändert, sofern sich der Marktzinssatz um 1 Prozent-punkt verändert (Zinselastizität) (Vgl. Schierenbeck, 2003, S. 326 f). Zinsrisiken als Marktwertänderungen werden durch Maße (Durationen) basierend auf der Barwertverän-derung bestimmt. Hier wird analysiert, in welchem Ausmaß sich der Barwert verändert, wenn sich das Zinsniveau über

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alle Laufzeiten hinweg um einen Basispunkt (dies entspricht 0,01 Prozent) verschiebt. Dies kann absolut (in Euro) oder relativ (in Prozent) bezogen auf den ursprünglichen Barwert erfolgen (Vgl. Hartmann-Wendels et al., 2010, S. 668 ff). Auch wird durch ein solches Maß bestimmt, wie hoch die mittlere Zinsbindungsdauer auf der Kredit- wie auch auf der Einlagenseite ist.

Management Liquiditätsrisiko

Management Zinsänderungsrisiko

täglich wöchentlich bis monatlich

Zahlungseingang

Zahlungsausgang

Saldo (erwartete) Zahlungsausgänge

(erwartete) Zahlungseingänge

Zeit

Abbildung 3: Zahlungsströme in einer Bank

In der Zinsbuchsteuerung gehen Banken bewusst Risiken als offene Positionen ein, indem sie für manche Fristigkeiten Zahlungsüberschüsse, für andere Fristigkeiten Zahlungs-defizite aus dem Zinsbuch eingehen (siehe Abbildung 3). Verantwortlich für dessen Steuerung ist die Abteilung Tre-asury (Zins-/Liquiditätssteuerung). Treten deren Erwartun-gen bzgl. der Zinsentwicklung ein, kann ein Erfolg aus der offenen Position erzielt werden, anderenfalls können sich

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hieraus Verluste ergeben. Zum Management von Zinsrisi-ken stehen Treasury unterschiedliche Mittel zur Verfügung. Durch Geschäfte mit anderen Banken kann die Struktur des Zinsbuches angepasst werden. So können bspw. langfris-tige Darlehen durch langfristige Mittelaufnahmen fristen-gleich finanziert (Umsetzung der goldenen Bankregel) und damit der Umfang der Fristentransformation stark reduziert werden (Vgl. Hartmann-Wendels et al., 2010, S. 468 f). Die-ses Ergebnis kann auch durch die Emission einer Anleihe der Bank erzielt werden. Zudem stehen der Bank auch derivati-ve Instrumente wie Zinsswaps zur Verfügung. Bei Abschluss eines Zinsswapgeschäfts verpflichten sich die beteiligten Banken zum Austausch von Zinszahlungen, so dass bspw. langfristige gegen kurzfristige Zinszahlungen getauscht werden. Eine Bank zahlt langfristige und erhält kurzfristige Zinsen und vice versa. Durch Kombination eines langfristi-gen Darlehens mit einem entsprechenden Zinsswap besitzt diese Position das (verminderte) Zinsänderungsrisiko eines kurzfristigen Kredits. Da der Swapmarkt in normalen Situ-ationen auf dem Geld- und Kapitalmarkt höchst liquide ist, gelingt es Banken binnen kurzer Zeit, mögliche Überschrei-tungen bei Zinsrisikolimiten zurückzufahren.

Auch aus Währungspositionen können für eine Bank Preis-risiken resultieren, sofern das Kreditvolumen in der Wäh-rung nicht dem Einlagevolumen der Kunden in der gleichen Währung entspricht. Auf Grund des sich ergebenden Wäh-rungssaldos besitzen Banken durch eine Veränderung des Wechselkurses ein Währungsrisiko, wenn bspw. Kredite in

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US-Dollar durch Einlagen in Euro refinanziert werden. Sinkt der Dollarkurs gegenüber dem Euro, verringert sich der Wert der Kundenkredite, umgerechnet in Euro, während die Verbindlichkeiten in Euro konstant bleiben. Steigt der Wert des US-Dollars gegenüber dem Euro, erzielt die Bank einen zusätzlichen Gewinn. Banken gehen bewusst solche Wäh-rungsungleichheiten und die daraus resultierenden Risiken ein, um von erwarteten Veränderungen von Wechselkursen zu profitieren und einen weiteren Erfolg, den Währungs-transformationsbeitrag, einzufahren. Es ist noch anzumer-ken, dass zusätzlich auch die Zinskurven beider Währungen eine Rolle spielen, da sich diese bei gleicher Fristigkeit zu-meist in ihrer Höhe unterscheiden.

Banken führen zur Ermittlung von Währungsrisiken Simulati-onen durch, um die Auswirkungen von Wechselkursschwan-kungen auf die offene Position zu bestimmen. Auch hier wird ein maximaler Verlust über eine bestimmte Haltedauer zu einem festgelegten Konfidenzniveau bestimmt als VaR aus Währungsrisiken. Die Risikoposition der Bank kann durch Abschluss weiterer Währungsgeschäfte mit anderen Markt-teilnehmern reduziert oder vollständig geschlossen werden. Zudem bieten Währungsswaps und Termin(ver)käufe diese Möglichkeit.

Weitere Preisrisiken können durch Marktpreisschwankun-gen von Aktien, Gold, Rohstoffen etc. ausgehen, die auch über das VaR-Konzept gesteuert werden, das im vorherigen Abschnitt zu unerwarteten Ausfallrisiken beschrieben wurde.

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2.3 Liquiditätsrisiken

Liquiditätsrisiken unterscheiden sich von den beiden zuvor diskutierten Risikoarten, da sich hier das Risiko nicht durch mögliche (Eigenkapital-)Verluste aus Vermögenspositionen zeigt, sondern aus der Forderung ergibt, dass die jederzei-tige Zahlungsfähigkeit der Bank zur Rückzahlung von Einla-gen gewährleistet sein muss. Bestehen daran Zweifel, be-steht die Gefahr, dass viele Kunden gleichzeitig ihre Einlagen zurückfordern mit der Folge eines Bank Run (Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2010), S. 472 f). Das Risiko besteht somit in mangelnder Liquidität und der daraus folgenden Insolvenz der Bank.

Zur Vermeidung des Liquiditätsrisikos ist es in einem ersten Schritt für die Bank unabdingbar, die Zahlungseingänge und -ausgänge der nächsten Tage und Wochen exakt zu kennen. Dies gestaltet sich für viele Bankprodukte unproblematisch, da die zukünftigen Zahlungen wie zum Beispiel Zins- und Tilgungsleistungen exakt in Termin und Höhe bekannt sind. Herausfordernd sind jedoch Bankprodukte, die ex ante kei-nen festen Zahlungsfluss aufweisen. Hierunter fallen bspw. Spareinlagen, Geldmarktkonten und Girokontenguthaben bzw. Inanspruchnahmen des Dispositionskredits. So sind aus juristischer Sicht Guthaben auf Girokonten täglich fällig, betriebswirtschaftlich stehen sie der Bank deutlich längere Zeit zur Verfügung. In der Liquiditätssteuerung wird diese Herausforderung dadurch gelöst, dass der unsichere Zah-lungsstrom durch ein Modell aus mehreren Teilzahlungsströ-

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men mit unterschiedlicher Fristigkeit substituiert wird. Ein Teil wird längerfristig modelliert, so dass angenommen wird, er steht der Bank längerfristig als sogenannter Bodensatz zur Verfügung. Der Rest wird sehr kurzfristig modelliert, so dass hierdurch gewährleistet ist, Rückzahlungswünsche der Kunden zu erfüllen.

Somit ist es möglich, für die nächsten Wochen Zahlungsein-gänge und -ausgänge gegenüberzustellen, zu saldieren und somit den täglichen Überschuss bzw. das tägliche Defizit an Liquidität ermitteln zu können (siehe Abbildung 3).

Neben den Kundeneinlagen stehen einer Bank mehrere Möglichkeiten offen, die Refinanzierung und jederzeitige Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Ist auf längere Sicht ein Liquiditätsdefizit erkennbar, kann die Bank durch Emission eigener Schuldverschreibungen neue Mittel zu dessen Aus-gleich aufnehmen. Alternativ können Wertpapiere aus den eigenen Beständen der Bank an andere Banken oder am Markt veräußert werden, um durch die daraus resultieren-den Mittelzuflüsse die Liquiditätssituation zu verbessern. Zur kurzfristigen Liquiditätsdeckung kann die Bank zusätz-lich auf Refinanzierungen durch die Deutsche Bundesbank bzw. Europäische Zentralbank zurückgreifen. Im Rahmen der Liquiditätsversorgung von Banken bieten die nationalen Zentralbanken an, den Banken Liquidität in Euro oder auch US-Dollar zur Verfügung zu stellen, sofern entsprechende Sicherheiten in Form verpfändbarer Wertpapiere gestellt werden. Durch die zur Verfügung gestellte Geldmenge, den

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von der Zentralbank geforderten Zins und die Qualität der als Sicherheit zugelassenen Wertpapiere kann diese Mög-lichkeit der Liquiditätsbeschaffung für die Banken durch die Zentralbank erweitert oder eingeschränkt werden.

Der Gefahr eines Bank Runs wird in Deutschland durch Ein-lagensicherungssysteme begegnet. Die drei großen Bank-gruppen (Privatbanken, Sparkassenorganisation und genos-senschaftlicher Sektor) garantieren die Bankeinlagen ihrer Kunden durch die Verpflichtung, dass die übrigen Banken der Gruppe bei Zahlungsunfähigkeit eines Mitgliedes die Rückzahlung der Einlagen gewährleisten. Nach der Insol-venz der deutschen Tochter von Lehman Bros. Inc. führte dies zu Verpflichtungen in Höhe von gut 6 Mrd. € für die Ein-lagensicherungsorganisation der Privatbanken, dem Einla-gensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Ban-ken (Vgl. SZ, 2010).

2.4 Operationelle Risiken

Operationelle Risiken stellen eine Sonderform der Risiken dar, weil sie aus der Bank selbst, d.h. durch deren Systeme, Prozesse und die handelnden Personen, verursacht werden. Beispiele für diese internen Risiken sind ein Ausfall der IT-Systeme, eine Fehlbearbeitung bei einer Kreditvergabe, ein Diebstahl von Kundendaten oder ein Betrug durch einen Bankmitarbeiter.

Operationelle Risiken werden nach ihrem Auftreten in einer

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bankinternen Datenbank erfasst und regelmäßig nach Häu-figkeit (häufig bis sehr selten) und Schadenshöhe (gering bis sehr hoch) klassifiziert. Schäden, die zwar häufig auf-treten, aber in ihrem Ausmaß weniger bedeutend sind (z.B. Verluste aus Fehlbearbeitung), bedeuten für die Bank kein bedrohliches Risiko und werden über ein Risikobudget in Höhe ihres Erwartungswerts berücksichtigt. Gegen manche Schäden wie z.B. Raubüberfälle schließen Banken eine Ver-sicherung mit Eigenbeteiligung ab, um gegen größere Ver-luste abgesichert zu sein.

Gegen (technischen) Datenverlust erstellen Banken täglich Back-ups, d.h. Kopien der wichtigsten Kundendaten, um im Notfall diese Daten wiederherstellen zu können. Einem Aus-fall des zentralen Rechenzentrums begegnen Banken durch die Einrichtung eines weiteren Rechenzentrums an einem anderen Ort. Auch halten sie sogenannte Notfallarbeitsplät-ze vor, um bei Ausfall von Gebäuden den betroffenen Mitar-beitern Ersatzarbeitsplätze in einem weiteren Gebäude bie-ten zu können.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Risiken, die eine entsprechende Auswirkung für die Bank und ihre Reputation besitzen. So kann ein großer Betrugsfall neben den direkten auch zu indirekten Verlusten führen, in dem Kunden in Folge mangelnden Vertrauens Einlagen von der betroffenen Bank abziehen bzw. Neugeldanlagen nicht erfolgen. Um solche Fälle ex ante zu erschweren oder völlig zu verhindern, ha-ben Banken entsprechende Kontrollsysteme eingeführt, um

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durch das Vier-Augen-Prinzip oder durch systematische Da-tenvalidierung Unregelmäßigkeiten zu identifizieren. Durch das Rundschreiben 11/2010 (Mindestanforderungen an das Risikomanagement - MaRisk) der Bundesanstalt für Finanz-dienstleistungsaufsicht (BaFin) wird gefordert, dass vor ei-ner Kreditvergabe zwei unabhängige Voten erforderlich sind: sowohl vom Kredit vergebenden Bereich Markt (Kundenbe-treuer) als auch vom Bereich Marktfolge (Kreditsachbear-beitung) (Vgl. BaFin, 2010, BTO 1.1). Im Handelsbereich sind Marktpreisrisiken zeitnah zu bestimmen und auf die Limite der Händler anzurechnen, wobei nach deren Überschreitung geeignete Maßnahmen zu treffen sind (Vgl. BaFin, 2010, BTO 2.2). Zudem wird eine tägliche Ermittlung der Markt-preisrisiken von Handelsgeschäften durch den Bereich Ri-sikocontrolling vorgeschrieben (Vgl. BaFin, 2010, BTO 2.2).

Jedoch lassen sich durch diese Maßnahmen operationelle Risiken nicht vollständig verhindern, wie die massiven Ver-luste im Jahr 2008 in Höhe von fast 5 Mrd. Euro der franzö-sischen Großbank Société Générale S.A. zeigen (Vgl. Reu-ters, 2008), verursacht durch die massive Überschreitung von Handelslimiten durch einen einzigen Börsenhändler: Jérôme Kerviel.

2.5 Gesamtposition der Risiken

In den vorherigen Abschnitten wurden die vier gemäß Ma-Risk (Vgl. BaFin, 2010, AT 2.2) als wesentlich klassifizier-ten Risikoarten diskutiert und erläutert, wie Banken diese

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Risiken messen und steuern. Sie wurden klassifiziert nach der Art der verursachenden Faktoren. Für Adressausfall-, Marktpreis- und operationelle Risiken wurden Beträge als Erwartungswerte oder VaR-Größen berechnet, um den Ver-lust aus den Risiken zu quantifizieren. Da alle ermittelten Werte in Euro gemessen werden, könnten diese problemlos zu einer Gesamtrisikoposition addiert werden.

Hierdurch würde aber die Gesamtrisikoposition der Bank überschätzt, da bei deren Ermittlung der Risikodiversifika-tionseffekt zu berücksichtigen ist. Besitzt bspw. eine Bank Aktien eines Chemiekonzerns und eine (gekaufte) Option als Recht, Aktien eines weiteren Chemiekonzerns zu ver-kaufen, resultiert aus beiden Positionen ein Marktpreisrisi-ko: für die erste Position aus einem fallenden Aktienkurs, bei der Optionsposition aus einem steigenden Aktienkurs. Da nicht davon auszugehen ist, dass die Aktie des ersten Chemiekonzerns in einem Ausmaß fällt, wie diejenige des zweiten Chemiekonzerns steigt, sollte die Gesamtposition aus Aktie und Option ein geringeres Marktpreisrisiko aus-weisen als die Summe beider Einzelrisiken. Gleiches gilt für die Entwicklung vieler weiterer Risikopositionen.

Das Risikocontrolling hat somit auch die Aufgabe, diesen Ri-sikodiversifikationseffekt zu quantifizieren. Zum 31. Dezem-ber 2011 ergab sich zum Beispiel für den Deutsche Bank Konzern aus den Einzelwerten für Kreditrisiko (12,8 Mrd. Euro), Marktrisiko (12 Mrd. Euro) und operationelle Risiken (4,8 Mrd. Euro) eine Gesamtrisikoposition von 25,4 Mrd.

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Euro, beeinflusst durch einen Diversifikationseffekt aus die-sen Risiken von 4,3 Mrd. Euro oder mehr als 14 Prozent der summierten Einzelrisiken (Vgl. Deutsche Bank, 2012). Zur Übernahme von Risiken ist der Bank vorgeschrieben, ökonomisches Kapital, d.h. eigene Mittel, vorzuhalten, um daraus resultierende potenzielle Verluste zu decken, womit sich der nun folgende Abschnitt beschäftigt.

3. Risikomanagement und Gesamtbanksteuerung

Die Aufgabe von Banken besteht im Wesentlichen darin, Ri-siken zu übernehmen und zu managen, um hieraus einen Gewinn, als Zins-, Provisions- oder Handelsertrag, zu er-zielen. Hierzu ist es zwingend erforderlich, das Einzelrisiko bewerten zu können, um hierdurch einen Mindestpreis für die Übernahme des Risikos bestimmen zu können. Banken sollten überhaupt nur dann erwägen, ein riskantes Geschäft abzuschließen, sofern ein positiver Deckungsbeitrag ge-währleistet ist, d.h. alle diesem Geschäft zuzurechnenden Einzelkosten gedeckt sind.22 Zusätzlich ist zu beachten, ob die Summe aller zu übernehmenden Einzelrisiken die Bank als Ganzes überfordert. Eine der wichtigsten Aufgaben im Risikomanagement einer Bank ist es, eine Risikoobergrenze festzulegen und deren Einhaltung zu überwachen.

22 Banken schließen auch nicht kostendeckende Geschäfte ab und be-gründen dies mit strategischen Investitionen in eine (langfristige) Kunden-beziehung.

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3.1 Prozess der Risikobudgetierung

Wird ein Risiko schlagend, führt dies zu einem Verlust aus dem entsprechenden Geschäft der Bank, der durch Gewin-ne aus anderen Geschäften gedeckt werden sollte. Dieses Risikopotenzial für die Gesamtbank zu planen und in der Summe zu beschränken, ist eine der Aufgaben des Top-Ma-nagements in Zusammenarbeit mit dem Bereich Risikocon-trolling.

Das Top-Management trifft bewusst eine strategische Ent-scheidung über die generell übernehmbaren Gesamtrisiken. Gemäß MaRisk muss diese Risikostrategie auch für die je-weiligen Einzelrisiken definiert sein (Vgl. BaFin, 2010, AT 4.2). Je nach Risikoappetit und Ausstattung der Bank mit ei-genen Mitteln (Eigenkapital) übernimmt die Bank mehr oder weniger Risiken. Sie ermittelt zunächst das Risikodeckungs-potenzial, das angibt, in welchem Umfang eigene Mittel der Bank zur Verfügung stehen, um mögliche Verluste aus Ri-siken abzudecken. Hieraus wird die Risikodeckungsmasse (Gesamtlimit) abgeleitet als Obergrenze der Summe aller einzelnen Risiken (Einzellimite), wobei die Solvenz der Bank permanent zu gewährleisten ist. Aus diesem Grund kann eine Bank nicht das gesamte Risikodeckungspotenzial für die Abdeckung von Risiken nutzen. Dieses Gesamtlimit ist das Risikobudget, welches auf die einzelnen Risikoarten und Unternehmensbereiche zugewiesen wird. Jedem Bereich ist so vorgegeben, in welchem Umfang er Risiken in den einzelnen Risikoarten übernehmen darf.

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Dem gegenüberzustellen ist das Risikopotenzial als Sum-me aller Risikoarten. Es wird regelmäßig für die einzelnen Risikopositionen je Risikoart bestimmt und zum Risiko auf Ebene der Gesamtbank aggregiert. Das ermittelte Risikopo-tenzial darf die bereitgestellte Risikodeckungsmasse grund-sätzlich nicht überschreiten, da sonst die Risikotragfähigkeit der Bank gefährdet wäre. Die Geschäftsleitung muss in an-gemessenen Abständen über den Risikostatus informiert werden und dem Aufsichtsgremium der Bank im 3-Monats-turnus Bericht erstatten (Vgl. BaFin, 2010, AT 4.3.2).

Da der Umfang des aus Risiken resultierenden Verlusts mit Unsicherheit behaftet und damit ex ante nicht bekannt ist, werden im Risikobudgetierungsprozess i.d.R. 3 Szenarien analysiert (siehe Abbildung 4), die sich in Ausmaß und Wahrscheinlichkeit differenzieren (Vgl. Schierenbeck, 2003, S. 31 f):

Szenario Eintrittswahrscheinlichkeit Risikodeckungsmasse(n) Periodengewinn

Normalbelastung hohe Wahrscheinlichkeit

verdiente Risikoprämien Übergewinn

Mindestgewinn

Negativbelastung geringe Wahrscheinlichkeit

verdiente Risikoprämien Übergewinn Mindestgewinn

Nullgewinn

Maximalbelastung sehr geringe Wahrscheinlichkeit

verdiente Risikoprämien Übergewinn Mindestgewinn Gewinnrücklagen-Auflösung

Periodenverlust bzw.

Nullgewinn nach Rücklagenauflösung

Abbildung 4: Verlustszenarien

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Bei Eintritt des Szenarios „Normalbelastung“ entstehen Verluste, wie sie von der Bank erwartet und den Geschäf-ten als Risikoprämie belasten wurden. So sollten bspw. über einen Konjunkturzyklus hinweg die den Krediten be-lasteten Risikoprämien (erwarteter Verlust) den aufgetrete-nen Verlusten aus Kreditausfällen (Wertberichtigungen und Abschreibungen) entsprechen, so dass für diese Risikoart ein ausgeglichenes Ergebnis ausgewiesen wird. In einzelnen Jahren kann das Risikoergebnis den Periodenerfolg posi-tiv oder negativ beeinflussen, wobei aber ein gewisser Min-destgewinn ausgewiesen werden sollte.

Im Falle des Szenarios „Negativbelastung“ tritt ein höherer Verlust (gegenüber dem Szenario der „Normalbelastung“) auf, wobei dessen Wahrscheinlichkeit aber deutlich geringer ist. Ursachen für dieses Szenario könnten bspw. eine mas-sive Zinswende, der Ausfall eines großen Schuldners oder ein Börsencrash sein. Sind die Verluste höher als erwartet, reicht die bereitgestellte Deckungsmasse bei Normalbela-stung nicht aus, die Belastungen aus den Risiken zu kom-pensieren, so dass in diesem Falle der geplante Mindest-gewinn zur Deckung herangezogen wird und daher keine Dividendenzahlung für die Periode erfolgt. Die Bank sollte ein noch ausgeglichenes Ergebnis ausweisen.

Das Szenario „Maximalbelastung“ stellt für die Bank den Worst Case (schlimmsten Fall) dar, der äußerst selten, aber da-für mit extremen Verlusten auftritt. Für diesen Fall muss die Bank das entsprechende Risikodeckungspotenzial vorwei-

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sen, um auch unter diesen Umständen solvent zu bleiben. Dieser Wert wird auch als erforderliches ökonomisches Ka-pital bezeichnet (Vgl. Schierenbeck, 2003, S. 21).

Die Quartale nach dem Zusammenbruch von Lehman Bros. Inc. im September 2008 mit den daraus resultierenden Ver-werfungen an den Finanzmärkten können als Beispiel einer Maximalbelastung angeführt werden. Die Gewinne aus den übrigen Bankgeschäften konnten diejenigen Verluste nicht decken, die auf Grund von Abschreibungen auf Kredite und Wertpapiere entstanden sind. Nach Auflösung bestehender Gewinnrücklagen wiesen viele Banken zu geringe eigene Mit-tel auf, so dass der Staat diese Banken durch Eigenkapitalzu-führungen rekapitalisieren musste und damit zum Großaktio-när wurde, um die Solvenz dieser Banken zu gewährleisten und einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Erst durch diese staatlichen Maßnahmen verfügten diese Ban-ken wieder über ein ausreichendes Risikodeckungspotenzial.

Während die zuvor beschriebenen Schritte eher als strate-gisch zu klassifizieren sind, erfolgt die operative Steuerung der Risiken über Budgets (Limite) und der Messung ihrer Auslastung. Eine hohe Auslastung der Risikobudgets, d.h. das Risikopotenzial eines Bereichs nähert sich dem Risi-kolimit an, bewirkt automatisch ein Zurückfahren der Ge-schäftsaktivitäten. Bei der Kreditvergabe könnte die Bank (fast) vollständig auf Neugeschäft verzichten, so dass Kre-dite rationiert werden. Auch bereits bestehende Kredite könnten nur selektiv prolongiert werden. Beide Maßnahmen

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erhöhen die Gefahr einer „Kreditklemme“ für Kunden. Alter-nativ könnte die Bank die Bereitstellung zusätzlicher Sicher-heiten fordern bzw. das zur Kreditvergabe geforderte Min-destrating erhöhen, um auf diese Weise ihre Kreditvergabe und auch ihr Risiko durch weniger und risikoreduzierte Kre-dite einzuschränken. Eine weitere Möglichkeit stellt der Ver-kauf oder die Verbriefung vergebener Kundenkredite dar.

Bei Handelspositionen führt ein Erreichen oder Überschrei-ten des Risikobudgets (Stop-Loss-Limite) dazu, dass die bestehenden Positionen reduziert oder sogar aufgelöst und damit die hieraus resultierenden Verluste begrenzt werden sowie das Risikobudget wieder eingehalten wird (Vgl. Schie-renbeck, 2003, S. 40).

Mittel- bis langfristig steht die Bank vor der Entscheidung, das Risikopotenzial an die gegebene Risikodeckungsmas-se anzupassen, wodurch sie ihr Geschäft einschränkt, oder die Risikodeckungsmasse an das Risikopotenzial anzupas-sen, in dem sie zusätzliche Mittel für die Risikoübernahme (ökonomisches Kapital) bereitstellt. Dies kann dadurch er-folgen, dass die Bank Gewinne nicht als Dividenden an ihre Anteilseigner ausschüttet, sondern in die Gewinnrücklagen einstellt, oder dass sie ihre eigenen Mittel durch die Ausga-be neuer Aktien gegen Bareinlage erhöht.

Beim Bankensektor handelt es sich um einen für die Volks-wirtschaft äußerst sensiblen Sektor, der einer entsprechen-den Überwachung hinsichtlich der eingegangenen Risiken

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bedarf. Daher hat der Gesetzgeber regulatorische Anforde-rungen erlassen (Solvabilitätsverordnung23), die als Umset-zung der Basel-II-Vereinbarungen (BIS, 2004) die Klassifi-kation als Eigenkapital, die Messung eingegangener Risiken und den erforderlichen Kapitalbedarf regeln.

Weitergehende Ausführungen zur Thematik sind im Beitrag zur Bankenregulierung in diesem Buch zu finden.

3.2 Integrierte Gesamtbanksteuerung

Das Ziel einer Bank ist es, ertragreiche Geschäfte mit Kun-den und an den Finanzmärkten abzuschließen, die Perioden-gewinne zu maximieren und damit den Unternehmenswert zu steigern. Bei normalen Unternehmen des Produktions- oder Dienstleistungssektors gelänge dies über einen hohen Verschuldungsgrad, um das Eigenkapital maximal zu verzin-sen. Wie bereits zuvor beschrieben, hat der Gesetzgeber diesem Verhalten Grenzen gesetzt, indem er die Banken durch die BaFin und die Deutsche Bundesbank überwachen lässt und Regelungen erlassen hat bzgl.

• derBestimmungundAnrechnungvonRisikopositionen,• Mindeststandards bei der Eigenkapitalausstattung so-

wie• derregelmäßigenOffenlegungvonBerichtsgrößen.

23 Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen (Bundesjustizministerium, 2006).

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Es muss die Gewinnmaximierung bei Berücksichtigung zweier Nebenbedingungen erfolgen: der Einhaltung einer bestimmten Eigenkapitalausstattung und der Gewährleis-tung einer jederzeitigen Liquidität. Dadurch begrenzt das Ei-genkapital der Bank und dessen Zuweisung auf Risikoarten und Geschäftsbereiche das Geschäftsvolumen der Bank. Das Eigenkapital sollte denjenigen Geschäftsbereichen zur Verfügung gestellt werden, welche die höchste Rendite auf das eingesetzte ökonomische Kapital erzielen.

Technisch gestaltet sich die Ermittlung des erforderlichen zusätzlichen ökonomischen Kapitals bei Abschluss eines einzelnen Kunden- oder Finanzmarktgeschäfts schwierig, da Neurisiken und Altrisiken u.U. korreliert sind und sich hier-durch ein Diversifikationseffekt einstellt. Die Veränderung der Gesamtbank-Risikoposition müsste über die Differenz aus Risikoposition mit und ohne das Neugeschäft berechnet werden.

Als Lösung wird im Risikocontrolling ein Preis für die Über-lassung von Eigenkapital bestimmt, der als Eigenkapitalkos-ten oder geforderte Eigenkapitalrendite (in Prozent) in der Kalkulation von Bankgeschäften berücksichtigt wird. Deren Höhe wird durch die folgenden Elemente beeinflusst:

• den risikolosen, langfristen Zinssatz für die Überlas-sung von Kapital,

• einen Risikozuschlag, welchen die Eigenkapital-Ge-ber für die Überlassung von Risikokapital fordern.

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Mittels der geforderten Eigenkapitalrendite wird aus dem bilanziellen Eigenkapital der Bank ein geplantes Ergebnis auf Gesamtbankebene berechnet. Da aber nur ein Teil die-ses Eigenkapitals auch als ökonomisches Kapital und damit zur Übernahme von Risiken zur Verfügung steht, muss die-ser Teil einen entsprechend höheren prozentualen Beitrag (RORAC) zum Ergebnis erwirtschaften.

Der Quotient aus dem Ergebnis aus einer Risikoposition zu dem hierfür zugeordneten ökonomischen Kapital wird auch als Return on risk-adjusted Capital (RORAC) bezeichnet.

Das folgende Beispiel verdeutlicht die Ermittlung der RORAC-Größe:24

Ausgangsgrößen

Bilanzielles Eigenkapital der Bank: 20 Mio. €Risikokapital (Risikodeckungsmasse): 10 Mio. €Risikoloser Zins langfristigen Kapitals: 5 % p.a.Geforderte Eigenkapitalrendite: 15 % p.a.

24 Für diese und andere Berechnungsvarianten vgl. auch Schierenbeck (2003), S. 45 ff.

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Berechnungen

Geplantes Gesamtbankergebnis: 15 % · 20 Mio. € = 3 Mio. €Ergebnis aus Eigenkapital-Risikokapital: 5 % · (20-10) Mio. €= 0,5 Mio. €Ergebnisanspruch auf Risikokapital: 3 Mio. - 0,5 Mio. € = 2,5 Mio. €Zielverzinsung Risikokapital:

Mittels dieser Größe steuern viele Banken ihre Geschäfte und die damit verbundenen Risiken. Lediglich Kunden- und Finanzmarktgeschäfte, deren jährlicher Ertrag in Bezug auf das erforderliche Risikokapital 25 Prozent p.a. übersteigt, sollten abgeschlossen werden. Diese Größe erscheint auf den ersten Blick als eine sehr hohe Forderung, die aber da-durch relativiert wird, dass bei wenig riskanten Geschäften auch nur ein geringes ökonomisches Kapital erforderlich ist. Abbildung 5 verdeutlicht grafisch den Zusammenhang zwi-schen Ertrag und Risiko und deren Integration in einer Grö-ße, dem RORAC, zur Umsetzung einer Risk-Return-Steue-rung:

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Abbildung 5: Risk-Return-Steuerung

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Es gilt noch die Frage zu diskutieren, wie das zuvor beschrie-bene Konzept und das Management von Risiken organisato-risch umzusetzen sind. Ein Mitarbeiter im Marktbereich ist bestrebt, Geschäfte mit seinen Privat- oder Firmenkunden abzuschließen und verschwendet keinen Gedanken darauf, wie sein Geschäftsabschluss sich auf die Risikoposition der Gesamtbank auswirkt. Die Marktbereiche werden im Allge-meinen dezentral gesteuert, d.h. sie agieren relativ autark, und die eingegangenen Risikopositionen werden in die Kal-kulation einbezogen über Lenkkosten für Risikopositionen, die dazu dienen, Entscheidungen der Mitarbeiter zu beein-flussen und den Einsatz knapper Ressourcen, in diesem Fal-le ökonomisches Kapital, zur besten Verwendung zu steu-ern (Vgl. Bauer, 2005, S. 24 ff). Sollten Risikobudgets eine sehr hohe Auslastung aufweisen, können die entsprechen-den Lenkkostensätze erhöht werden und vice versa.

Zentrale Struktursteuerung

Dezentrale Marktbereichssteuerung

Bereich 1 Bereich N …

Risikocontrolling Strategische Planung

- Preisrisiken - Liquiditätsrisiken - Ausfallrisiken

Finanzmarkt

Interbankengeschäfte Wertpapiereigengeschäfte Devisengeschäfte

Limitvorgaben (Budgets) Zielvereinbarungen Preisvorgaben

Abbildung 6: Duale Banksteuerungskonzeption

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Das Risikomanagement erfolgt im Bereich Risikocontrol-ling. Als Kenner aller eingegangenen Risikopositionen ist dieser Bereich die zentrale Stelle in einer Bank, um die Ri-siken der Gesamtbank zu steuern, in dem durch Abschluss von Geschäften am Finanzmarkt Positionen ganz oder teil-weise gehedged (d.h. in ihrem Risiko reduziert) werden, wie bspw. durch den Eintritt in einen Zinsswap, um das Zinsän-derungsrisiko für die Bank zu reduzieren. Gleiches gilt für weitere Preisrisiken auf z.B. Wertpapier- und Devisenpositi-onen. Auch können die Kreditausfallrisiken des Gesamtkre-ditbuches dadurch beeinflusst werden, dass Kredite direkt verkauft oder verbrieft werden oder lediglich deren Ausfall-risiko über Derivate (z.B. Credit Default Swap) an Dritte übertra-gen wird. Das Konzept, die Marktbereiche dezentral und die (Risiko-)Strukturen zentral zu steuern (siehe Abbildung 6), wird als duale Banksteuerungskonzeption bezeichnet (Vgl. Schierenbeck, 2003, S. 13).

3.3 Weitere Implikationen

Wenn eine Bank durch Abschluss von Sicherungsgeschäf-ten ihre ökonomische Risikoposition verbessert, muss dies nicht zwangsläufig positive Auswirkungen haben, da zusätz-lich bilanzielle Auswirkungen in der externen Rechnungsle-gung zu berücksichtigen sind. So ist es durchaus möglich, dass ökonomisch kein Preisänderungs- und damit hieraus kein Verlustrisiko entsteht, weil der Verlust aus der einen Position durch einen betragsgleichen Gewinn der Gegenpo-sition kompensiert werden kann. Wird der Gewinn aber nur

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teilweise oder überhaupt nicht im Jahresabschluss berück-sichtigt, weist man lediglich die Verlustposition als Gewinn-minderung in der Gewinn- und Verlustrechnung aus, so dass das Eigenkapital bilanziell korrekt, aber aus ökonomischer Sicht zu niedrig ausgewiesen wird.

Hieraus ergeben sich mehrere Konsequenzen. Die Möglich-keit, die Anteilseigner angemessen am Gewinn zu beteili-gen, wird eingeschränkt. Zudem sinkt die (von Dritten ge-schätzte) Wahrscheinlichkeit, dass die Bank in der Lage ist, ihre eigenen Verbindlichkeiten an ihre Gläubiger ordnungs-gemäß zurückzuzahlen, was zu einer Verschlechterung der Ratings der Bank führen kann.

Dies bedeutet für die Bank schlechtere Konditionen bei der Refinanzierung ihres Geschäfts, da das erhöhte Ausfallrisi-ko der Bank durch eine höhere, von der Bank zu leistende Risikoprämie bezahlt werden muss. Auch könnten die Ge-genparteien ihre für diese Bank definierten Gesamtlimite kritisch überprüfen. Dieser Effekt ist zusätzlich neben der reinen ökonomischen Steuerung der Risiken zu beachten.

4. Risikomanagement der Banken während der Finanzkrise

Spätestens seit der Insolvenz von Lehman Bros. Inc. befin-den sich die Finanzmärkte in einer Krise, welche in ihrem Umfang und Dauer ggf. mit den Ereignissen in den 1930er Jahren verglichen werden kann. Auf Grund des Verlustes

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des Vertrauens gegenüber anderen Banken ist der Inter-banken-Geldmarkt zeitweise zum Erliegen gekommen, so dass die Zentralbanken die Liquiditätsversorgung der Ban-ken übernehmen mussten. Als nahezu sicher eingestufte Staatsanleihen, wie bspw. griechische oder irische Papiere, führten bei den Investoren zu massiven Verlusten. Versiche-rungen wie Banken mussten weltweit durch den Staat mit Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen gerettet werden. Somit stellt sich die Frage, ob generell das Risikomanagement der Banken versagt hat?

Die gegenwärtige Situation fällt unter das Szenario „Maxi-malbelastung“ (siehe Abbildung 4), das in der Eintrittswahr-scheinlichkeit sehr gering, in der Verlustposition aber als sehr hoch zu klassifizieren ist. Viele Annahmen, welche den Risikomodellen der Banken zu Grunde lagen, erwiesen sich als unzureichend. Die verwendeten Modelle basierten auf historischen Daten der letzten Jahre, in denen solch ein Fall nicht stattgefunden hatte und somit auch keine Berücksichti-gung fand. Der größte anzunehmende Verlust (Worst Case) wurde durch die Banken unterschätzt. Wertpapiere wurden auf Basis interner Modelle bewertet, die durchaus korrekt die Risiken in der Preisfindung berücksichtigten, aber diese Papiere fanden auf den Märkten keine Käufer und waren somit unveräußerlich. Die Schließung kurzfristiger Liquidi-tätsengpässe, die sich auf einem intakten Interbanken-Geld-markt problemlos gestaltet hätte, war über Nacht unmöglich geworden. Ausfallwahrscheinlichkeiten wurden unterschätzt oder es wurde externen Informationen ohne Nachprüfung

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vertraut, so dass die sich einstellenden Verluste den erwar-teten Betrag deutlich überstiegen. Risiken befanden sich außerhalb der Bilanzen in Zweckgesellschaften und waren damit einer externen Prüfung entzogen.

Das Risikomanagement von Banken wies teilweise erhebli-che und hausgemachte Defizite auf. Risiken, welche in nor-malen Zeiten sicherlich auch zu Verlusten geführt hätten, hätten aber eine Bank selbst nicht in ihrer Existenz gefähr-det. Die Finanzkrise hat viele der Risiken gleichzeitig eintre-ten lassen und vielen Banken offenbart, dass sie für ihre Ver-hältnisse, d.h. für ihr vorhandenes Risikokapital, eine nicht mehr tragbare Risikoposition übernommen hatten. Aber es gab auch Banken, die besser als ihre Mitbewerber durch die Krise gekommen sind. Drei der vier Banken, welche vom Financial Stability Board (FSB) als bucket-4-Banken (sehr sys-temrelevant) klassifiziert wurden,25 benötigten während der Finanzkrise keine Staatshilfe und wiesen seither fast in je-dem Quartal ein positives Ergebnis aus. Diese drei Banken betreiben als Universalbanken sowohl das Investment-Ban-king wie auch das traditionelle Kredit- und Einlagengeschäft

25 (Vgl. FSB, 2012). In die höchste Kategorie (bucket 5) wurde keine Bank eingeordnet. Als sehr systemrelevante Banken wurden die folgenden Institute klassifiziert: Citigroup, JP Morgan Chase, HSBC und Deutsche Bank. Die beiden (erstgenannten) US-Banken erhielten in Rahmen der allgemeinen Bankenrekapitalisierung staatliche Eigenkapitalhilfen, welche von JP Morgan Chase unmittelbar nach der Rückzahlungssperrfrist an den Staat zurückgezahlt wurde. Zur Klassifikation der Systemrelevanz siehe auch (BIS, 2011 a).

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und ihr Risikomanagement zeigte sich in der Finanzkrise als sehr erfolgreich.

Es lassen sich keine allgemeinen Merkmale ableiten, wel-che Banken durch die Finanzkrise besonders stark getrof-fen wurden: weder nach dem Geschäftsmodell (Investment-bank oder Geschäftsbank) noch nach dem Herkunftsland, es finden sich sowohl positive wie auch negative Beispiele. Banken, die auch auf Grund ihrer gewählten Geschäftsstra-tegie langfristig nur unzureichende Ergebnisse generierten und dies durch eine erhöhte Risikobereitschaft zu kompen-sieren versuchten, besaßen nicht die Substanz, um die Ver-luste aus ihren Risiken auszugleichen. Sie mussten durch staatliche Maßnahmen gestützt werden. Aber diejenigen Banken, die sich ihrer Risiken bewusst waren, diese kann-ten und über ein effektives Risikocontrolling aktiv steuerten, kamen besser durch die Krise.

5. Ausblick

Durch die aktuelle Finanzkrise stehen Banken und ihr Risiko-management in der Diskussion. Es wird häufig gefordert, die riskanteren Geschäfte im Investment-Banking vom risikoär-meren Kundengeschäft zu separieren. Die Vorschläge rei-chen von zwei Unternehmensbereichen unter dem Dach ei-ner gemeinsamen Bank-Holding bis zur Aufspaltung bisheriger Universalbanken in zwei rechtlich unabhängige Teile. Kritiker dieser Aufspaltungsvorschläge führen als Argument die Risiko-diversifikation durch die beiden Typen von Bankgeschäften an.

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Die Bankenaufsicht geht diese Thematik auf indirektem Wege an, indem die Eigenkapitalunterlegung riskanterer Ge-schäfte verschärft wird und somit für Investment-Banking mehr Eigenkapital vorzuhalten ist. Viele Banken haben im Vorfeld hierauf schon reagiert und ihr Eigenhandelsgeschäft entsprechend reduziert bzw. vollständig eingestellt. Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Banken am Markt, die im Investment-Banking tätig sind, sich weiter reduzieren wird. Ein ertragsmäßig kleinerer Kuchen wird unter weniger Banken aufgeteilt werden.

Im Kundengeschäft werden die Erträge der Banken weiter-hin unter Druck bleiben: durch eine sinkende Zinsspanne zwischen Kredit- und Einlagen, getrieben durch den inten-siven Wettbewerb, regulatorische Anforderungen und der Forderung nach mehr Transparenz bei Bankgeschäften.

Banken werden insbesondere im IT-Bereich in neue Systeme investieren müssen. Neben der Einführung der neuen Basel III-Regelungen im Bereich Risiko sehen sie sich mit umfang-reichen Veränderungen im Bereich Bilanzierung (Neuein-führung IFRS 926) konfrontiert. Im Rahmen dieser Projekte nutzen Banken die Gelegenheit, ihre Datenbasis und ihre IT-Systeme zu vereinheitlichen und auf einen modernen Stand zu bringen. Nach der Umsetzung werden Banken zeitnäher

26 Der International Financial Reporting Standard ist ein internationaler Rech-nungslegungsstandard, der Ansatz und Bewertung von Finanzinstrumenten regelt.

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über ihre Geschäfte und die daraus resultierende Risikopo-sition informiert sein, um schneller reagieren zu können.

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Abbildung 7: Änderungen von Basel II zu Basel III

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Aus der Finanzkrise resultierten neue Regelungen für die Kreditwirtschaft im Rahmen von Basel III (BIS, 2010; BIS, 2011), die in dem ersten Beitrag in diesem Buch detaillier-ter beschrieben werden. Generell bedeuten diese Vorschrif-ten eine Verschärfung der Regeln von Basel II. Es steigen die Anrechnungsfaktoren von Geschäften, so dass hieraus bei unveränderten Geschäften ein höherer Bedarf ökonomi-schen Kapitals besteht (siehe „Risikoposition“ in Abbildung 7). Auch wird das Kapital, was unter Basel III zukünftig als Eigenkapital klassifiziert wird, enger definiert. So wird bspw. heutiges Hybridkapital (nachrangige Verbindlichkeiten als Tier 3-Kapital) nach 2019 nicht mehr als Eigenkapital aner-kannt, worauf viele Banken mit dem Rückkauf solcher Emis-sionen reagiert haben. Hartes Kernkapital (eingezahltes Ei-genkapital und Gewinnrücklagen) wird in stärkerem Umfang als bisher gefordert, auch steigt der Bedarf an Eigenkapital im Verhältnis zur ermittelten Risikoposition (siehe „(Min-dest-) Eigenkapital“ in Abbildung 7). Analog gilt dies auch für das Verhältnis Eigenkapital zu Bilanzsumme, was durch die Basel III-Regelungen erstmals beschränkt wird (siehe „Bi-lanzsumme“ in Abbildung 7). Allgemein wird die Risikopositi-on im Verhältnis zum Eigenkapital sinken, was zu geringeren Erträgen und damit Gewinnen führt. Dieser Schrumpfungs-prozess wird dazu führen, dass frühere Eigenkapitalrendi-ten, die bei manchen Häusern vor der Finanzkrise 20 Pro-zent überstiegen, nicht wieder erreicht werden können.

Generell wird sich die Bedeutung des Risikomanagements, gemessen in Personal, IT-Einsatz und Budgets, weiter er-

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höhen, getrieben durch die Bankenaufsicht und die Banken selbst, um Risiken detaillierter messen und damit die knap-pe Ressource Eigenkapital der besten Verwendung zuteilen zu können. Banken werden auch zukünftig Risiken überneh-men und daraus Gewinne wie auch Verluste erzielen. Aber eines ist bereits heute sicher: Die nächste Krise kommt be-stimmt. Wessen Risikomanagement besser ist als dasjenige der Mitbewerber, wird gestärkt aus der Krise hervorgehen, wie es schon die aktuelle Krise zeigt.

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Die Sehnsucht nach Finanz-stabilität: Regulierungsfülle und -defizite

Peter Altmiks

Die Bürger und Unternehmen hätten gern die Quadratur des Kreises: Finanzmärkte, die stabil und verlässlich sind sowie günstige Kredite bereitstellen, um den Erwerb von Kon-sum- und Kapitalgütern sowie Immobilien und Investitionen zu erleichtern. Auch die Politik möchte gern ein stabiles Fi-nanzsystem und darüber hinaus einen niedrigen Zins für ihre Staatsanleihen sowie in Form der Finanztransaktionssteuer möglichst noch eine zusätzliche Kompensation für die bis-herigen und zukünftigen milliardenschweren Stützungs- und Rettungsmaßnahmen. Die Eigentümer der Banken und Fi-nanzdienstleister hätten gern eine ansehnliche Rendite und ein geringes Verlustrisiko. Die Beiträge in diesem Sammel-band legen nahe, dass es diese „eierlegende Wollmichsau“ nicht gibt. Ohne Abstriche ist zumindest die Finanzstabilität nicht zu haben.

Die Deutsche Bundesbank definiert Finanzstabilität … „als die Fähigkeit des Finanzsystems, die zentrale makroökono-mische Funktion – insbesondere die effiziente Allokation fi-

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nanzieller Mittel und Risiken sowie die Bereitstellung einer leistungsfähigen Finanzinfrastruktur – jederzeit reibungslos zu erfüllen und dies gerade auch in Stresssituationen und Umbruchphasen.“ (Deutsche Bundesbank, 2012, S. 5). Die Bundesbank kann allerdings die Banken nur zusammen mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwachen. Die 1.880 Banken, 680 Finanzdienstleistungs-institute, ca. 600 Versicherungsunternehmen, 30 Pensions-fonds, ca. 5.900 inländische Fonds und 77 Kapitalanlage-gesellschaften unterliegen der Aufsicht der BaFin (BaFin, 2012).27

Die Bundesregierung wünscht sich eine stärkere Rolle der Bundesbank aufgrund ihrer makroökonomischen und Finanzmarkt-Expertise. Indirekt spricht sie damit der bisherigen Ausübung der Aufsicht durch die BaFin ein ge-wisses Misstrauen aus. Das Gesetz zur Stärkung der deut-schen Finanzaufsicht möchte folglich auch einen Mechanis-mus zur Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten von erheblicher Bedeutung zwischen BaFin und Bundesbank etablieren.

27 Neben den Kreditinstituten gibt es noch die Finanzdienstleistungs-institute. Das sind Unternehmen, die Finanzdienstleistungen im Sinn des Kreditwesengesetzes (KWG) für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und die kein Kreditinstitut sind (§ 1 Ia 1 KWG). Quelle: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/finanzdienst-leistungsinstitut.html?extGraphKwId=7569.

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1. Wirkliche Ursachen der Finanzkrise

Um eine Wiederholung der Finanzkrise möglichst auszu-schließen, ist eine Behebung der Ursachen der letzten Fi-nanzkrise erforderlich. Die Berichterstattung in fast allen Medien ist diesbezüglich leider sehr lückenhaft. Meistens werden die Gier der Manager, „die Spekulanten“ oder „die Märkte“ verantwortlich gemacht. Eine fehlerhafte staatliche Bankenregulierung, Aufsichtsversagen, extreme Staatsver-schuldung und vor allem die Niedrigzinspolitik der staatli-chen Zentralbanken werden nur unzureichend diskutiert. Kreditinstitute und Finanzakteure agieren aber nur in dem Ordnungsrahmen, der durch Regulierung und Aufsicht ge-setzt wurde. Dabei kommt es auch vor, dass der staatlichen Regulierung und Aufsicht überhaupt kein normativer Ord-nungsrahmen zugrunde liegt. Vielen wirtschaftspolitischen Akteuren ist der Begriff Ordnungspolitik sogar fremd.

Die Niedrigzinspolitik des U.S.-amerikanischen Federal-Re-serve-Systems und die Nullzinspolitik der japanischen Zen-tralbank haben über Jahre hinweg für einen künstlich nie-drigen Zins und eine explodierende Geldmenge gesorgt. Im Verbund mit der Inflation hat es in einigen Ländern sogar negative Realzinsen gegeben. Die überwiegende Mehrzahl der Finanzkrisen seit den frühen 70er Jahren wurde von geldpolitischen Fehlentscheidungen bzw. Erschütterungen verursacht (Kindleberger/Aliber, 2005, S. 244). Kreditinsti-tute decken nur zum Teil die bei ihnen hinterlegten Gelder. Sie dürfen Geld schöpfen und weiten damit die Kreditmenge

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aus. Nachhaltiges Wachstum benötigt aber reale Ersparnis-se, da die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden (Umwelt und natürliche Ressourcen) und Kapital (Sach- und Humankapi-tal) bis zum Ende des Produktionsprozesses versorgt wer-den müssen. Unternehmen bekommen somit neue Kredi-te, ohne dass mehr reale Ersparnisse vorhanden sind. Die Zinssätze fallen folglich unter das durch reale Ersparnisse gedeckte Niveau (Huerta de Soto/Bagus, 2012). Es werden Investitionen vorgenommen, die bei „normalen“ Zinssätzen wegen mangelnder Rentabilität unterblieben wären. Das re-sultierende Wirtschaftswachstum basiert auf einer Geldillu-sion, es kommt zu Blasenbildung auf den Märkten.

In Deutschland leiden besonders die Bausparkassen unter unnatürlich niedrigen Zinsen. Immer mehr Altverträge mit hohen Einlagenzinsen werden gekündigt. Derzeit prüft die BaFin das Zinsrisiko der 23 deutschen Bausparkassen, wel-che einen Vertragsbestand von insgesamt 786 Mrd. Euro verwalten.28 Einige Altverträge laufen noch zu Guthabenzin-sen von 5 Prozent. Da die Bausparkassen gesetzlich ver-pflichtet sind, ihre Einlagen in sichere Schuldtitel wie Bun-desanleihen und Pfandbriefe anzulegen, können sie nicht mehr die notwendige Rendite erwirtschaften, um die Zins-ansprüche aus den Altverträgen zu befriedigen. Zehnjährige Bundesanleihen werfen derzeit nur 1,3 Prozent an Zinsen ab. Abzüglich der Inflationsrate von 2 Prozent ergibt sich ein negativer Realzins. Die BaFin möchte die Zinsrisikoumfrage

28 Bausparkassen unter Zinsdruck, in: FAZ vom 15.11.2012, S. 19.

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aber nicht als Stresstest verstanden wissen.

Auch die Lebensversicherungen werden durch die niedrigen Zinsen belastet. Das Bundesfinanzministerium warnte kürz-lich den Finanzausschuss des Bundestages, dass Lebens-versicherer langfristig Probleme bekommen könnten. Wenn die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen dauerhaft bei 2,1 Prozent verharre, könne das schwächste Fünftel der 100 deutschen Lebensversicherungsunternehmen seinen Kunden nicht mehr den Garantiezins zahlen und zugleich ausreichende Eigenmittel vorhalten.29 Nicht besser ergeht es den berufsständischen Versorgungswerken von Anwäl-ten, Architekten und Ärzten. Der Oberste Rechnungshof in Bayern empfahl nach der Prüfung einiger Versorgungswer-ke, zukünftig niedrigere Renten auszuzahlen. Zur Finanzie-rung der höheren Lebenserwartung ihrer Mitglieder heben die Versorgungswerke das Renteneintrittsalter ab 2009 stu-fenweise auf 67 Jahre an.30

Die häufig kritisierte Verschuldung sowohl von Staaten als auch von Unternehmen und Privatleuten basiert eindeutig auf Staatsversagen bzw. politischen Eingriffen. Zu viele Staaten leben über ihre Verhältnisse und geben seit Jahr-zehnten mehr aus als sie einnehmen. Bestehen Zweifel über die Zahlungsfähigkeit von Staaten, sinkt das Vertrauen in

29 Lebensversicherer in Gefahr, in: Handelsblatt vom 08.11.2012.30 Auch Freiberufler trifft der Niedrigzins, in: FAZ vom 16.11.2012, S. 24.

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die Zahlungsfähigkeit von Banken, die die Anleihen dieser Staaten besitzen. Es kommt zu einer systemischen Vertrau-enskrise. Der Sachverständigenrat hat kürzlich in einem Sondergutachten gefordert, dass die öffentlichen Schulden glaubwürdig reduziert werden und gleichzeitig Strukturrefor-men zur Verminderung der makroökonomischen Divergen-zen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten angemahnt (Sach-verständigenrat, 2012, S. 11).

Ein Hauptauslöser der Finanzkrise waren die Hypotheken für Schuldner minderer Qualität in den USA, die sogenannten Subprime-Hypotheken. Die Politik des billigen Geldes hatte im Subprime-Segment besonders verheerende Auswirkungen. Bei langfristigen Staatsanleihen und bei Festzinshypotheken höherer Qualität (prime) sanken die Zinssätze zwischen 2000 und 2003 um zwei Prozentpunkte, zusätzlich sank die Risiko-prämie bei Festzinshypotheken minderer Qualität in der glei-chen Größenordnung. Angesichts des stetigen Rückgangs der Qualität der Hypothekenschuldner ist das besonders unverständlich (Hellwig, 2010 a, S. 8). Die sinkende Qua-lität der Hypothekarkredite war nicht nur durch messbare Größen wie den abnehmenden Eigenbeitrag des Schuldners beim Kauf einer Immobilie oder das steigende Verhältnis des Schuldendienstes zum verfügbaren Einkommen zu beobach-ten, sondern auch durch Manipulation der den Kreditwürdig-keitsprüfungen zugrunde liegenden Ratings für Verbraucher-kredite ersichtlich. Vor allem haben die US-amerikanischen Hypothekenbanken dem nicht entgegengewirkt (Hellwig a, 2010, S. 8 und 9). Dem von der US-Regierung gewollten

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Wohneigentum auch für mittellose Bürger unterstützten die Hypothekenbanken bereitwillig durch nachlässige, teilweise fahrlässige Prüfung der Kreditwürdigkeit.

Leider haben es auch die nationalen Aufsichtsbehörden oftmals versäumt, die Verbriefung von minderwertigen Hy-potheken zu verbieten. Der BaFin waren die Engagements deutscher Banken in derartige Wertpapiere bekannt. Wäh-rend die Aufsichtsbehörden in einigen südeuropäischen Staaten und vor allem in Südostasien den Kauf solcher Pa-piere nicht erlaubten, ließ die BaFin die Kreditinstitute ge-währen (Starbatty, 2010, S. 32). Die nationalen Aufsichtsbe-hörden unternahmen auch zu wenig gegen das Übermaß an Fristentransformation31 und Verschuldung bei Banken und Zweckgesellschaften von Banken (Hellwig, 2010 a, S. 2).

Ines Läufer und Christine Arentz beschreiben in ihrem Bei-trag die Ursachen für Fehlbewertungen durch Rating-Agen-turen. Fehlbewertungen durch Rating-Agenturen haben die Finanzkrise mitverursacht. Die drei schon existierenden U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen erhielten 1975 ein Oligopol in den USA durch die Entscheidung der staatlichen Securities and Exchange Commission, nur diese drei Agenturen nati-onal anzuerkennen. Ergo blieben die drei Agenturen in priva-ter Hand, mussten sich aber weniger um die Güte, Verläss-

31 Die Fristentransformation ist eine der Hauptaufgaben der Kredit-wirtschaft. Banken verwenden ihre kurzfristigen Einlagen zur Ausleihe von langfristigen Krediten.

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lichkeit und Marktnachfrage ihrer Bewertungen kümmern. Die Ertragskraft der drei Agenturen hing nunmehr vom Schutz der Regierung ab (Friedman, 2009, S. 133). Gleich-wohl weigerten sich die drei großen Rating-Agenturen noch 1997, Wertpapiere, die durch minderwertige Hypotheken auf private Wohnimmobilien gesichert sind, mit einem drei-fachen „AAA“ zu bewerten. Diesen Widerstand gaben die „großen“ Drei später auf (Friedman, 2009, S. 133). Das Rating-Oligopol wurde durch staatliche Vorschriften zemen-tiert, der Zwang zum Vertrauen auf die Urteile der Rating-Agenturen stellt ein Systemrisiko dar.

Kreditinstitute gehen auch zu hohe Risiken ein, weil sie be-rechtigte Hoffnung auf eine Hilfe durch Zentralbanken und Regierungen haben. Regierungen und Zentralbanken konn-ten sich während der Finanzkrise und können sich auch jetzt noch nicht der Rolle als Gläubiger der letzten Instanz entziehen (Paqué, 2012, S. 186). Es kommt zu einem Moral Hazard-Verhalten, da nachteilige Folgen des Fehlverhaltens von Kreditgebern womöglich von Regierungen und Zen-tralbanken aufgefangen oder reduziert werden. Das eigene Risikobewusstsein der Kreditgeber wird gemindert. Auch eine unangemessene Wirtschafts- und Finanzpolitik hoch-verschuldeter Staaten ist durch Moral Hazard zu erklären. Letztlich haftet der Steuerzahler für riskante Investitionsent-scheidungen von Banken bzw. Rettungspakete oder Schul-denerlasse an andere Staaten, die eine verantwortungslo-sere Politik verfolgen.

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Bedingt durch die Trennung von Eigentum und Management orientiert sich die Entlohnung des Managements an der Ent-wicklung der Aktienkurse und den aktuellen Gewinnen. Da sich die Beschäftigungsdauer von Vorstandsmitgliedern verkürzt hat, werden Entscheidungen immer im Hinblick auf den aktuellen Börsenkurs getroffen. Das führt dazu, dass kurzfristig ertragreiche, aber langfristig eher riskante Inves-titionen bevorzugt werden. Investitionen, die den Bestand des Unternehmens sichern und deren Erträge erst den Nachfolgern im Management zugutekommen, sind weniger attraktiv für den derzeitigen Vorstand. Wenn der Vorstand eines Unternehmens dieses in eine Schieflage oder in den Ruin führt, wird er gemäß der vorher ausgehandelten Abfin-dungsvereinbarungen oder Pensionszusagen entlassen. Die kurzfristig verdienten Boni verbleiben beim entlassenen Ma-nager (Starbatty, 2010, S. 33). Man kann die übertriebene Orientierung am aktuellen Unternehmenswert und die das unternehmerische Risiko erhöhenden Boni als „Brandbe-schleuniger“ der Finanzkrise auffassen.

Ein weiterer Brandbeschleuniger ist das mit den internatio-nalen Rechnungslegungsvorschriften seit 2003 eingeführte neue Bilanzierungsprinzip des aktuellen Vermögenswertes (Fair Value32). Im Gegensatz zu den Grundsätzen der ord-

32 Der Fair Value ist der Betrag, zu dem sachverständige und ver-tragswillige Parteien unter üblichen Marktbedingungen bereit wären, einen Vermögenswert zu tauschen bzw. eine Verbindlichkeit zu beglei-chen. Quelle: http://www.wirtschaftslexikon24.net/d/fair-value/fair-value.htm, zugegriffen am 25.11.2012.

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nungsgemäßen Buchführung nach dem Handelsgesetzbuch, stellt das Fair Value-Prinzip auf eine marktnahe Bewertung ab. Somit ist der Wert eines Unternehmens stärker kon-junkturabhängig und prozyklisch. Im Konjunkturaufschwung steigen auch die Werte wichtiger Vermögensteile, im Ab-schwung sinken sie. Insbesondere, wenn Märkte kurzfristig nicht funktionieren und keine aktuellen Preise oder Kurse ermittelt werden können, kann in den betroffenen Unterneh-men eine Überschuldung entstehen (Starbatty, 2010, S. 33).

Ralf Bauer beschreibt das unzureichende Risikomanage-ment der Kreditinstitute im vorangegangenen Beitrag um-fassend. Als fast sicher eingestufte Staatsanleihen, wie z.B. griechische Staatsanleihen, wurden notleidend. Vie-le Annahmen in den Risikomodellen der Banken erwiesen sich als unzureichend. Ausfallwahrscheinlichkeiten wurden unterschätzt, vor allem waren viele Risiken außerhalb der regulären Bilanz in sogenannten Zweckgesellschaften unter-gebracht. Externen Informationen wurde ohne Nachprüfung vertraut. Allerdings haben einige Banken die Finanzkrise im Vergleich mit ihren Konkurrenten deutlich besser überstan-den. Die Kreditinstitute, die sich ihrer Risiken bewusst wa-ren, diese kannten und ein effektives Risikocontrolling be-trieben, überstanden die Finanzkrise besser. Zudem darf nicht vergessen werden: „Jeder Risikomanager ist nur so gut, wie es sein Chef zulässt“ (Rossi, 2012, S. 80). Eini-ge Risikomanager in den Banken haben ihre Vorstände auf drohende Risiken schon 2005 hinwiesen, stießen aber oft-mals auf Unverständnis und Ablehnung. Vor allem befürch-

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tet Rossi, der immerhin bis 2010 Chief Risk Officer bei der Ci-tigroup war, dass nach dem Verschwinden der Probleme im Zuge der Finanzkrise wieder sorglosere Verhaltensweisen zurückkehren (Rossi, 2012, S. 81).

Bewertet man alle Ursachen, so fällt der weitaus dominie-rende Einfluss staatlicher Fehlentscheidungen auf. Sicherlich gab es auch unternehmerisches Fehlverhalten und Manage-mentversagen, aber die Liste der staatlichen Politikfehler ist nicht nur länger, sondern bedroht wesentlich stärker die Fi-nanzstabilität. Zu diesem Schluss kommt auch die Deutsche Bundesbank, wenn sie die Einflussfaktoren zusammenfas-send auflistet, die die Stabilitätslage im deutschen Finanz-system belasten bzw. entschärfen (Deutsche Bundesbank, 2012, S. 9).

2. Bisherige Regulierung und Aufsicht

Angesichts der vielen negativen Folgen der Finanzkrise für die betroffenen Volkswirtschaften fällt das Urteil über den Erfolg der bisherigen Regulierung bescheiden aus. Weder wurde eine Stabilität des Finanzsystems erreicht, noch sind die bisherigen Regulierungen überall in der Welt einheitlich umgesetzt worden. Z.B. hatten die USA Basel II bis April 2011 immer noch nicht vollständig umgesetzt (Hartmann-Wendels, 2011, S. 68).

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2.1 Negative Wirkungen von Basel I und II

Der Hauptgrund für die Konzentration von Risiken in den Bilanzen der Geschäftsbanken war Basel I. Nachdem viel über die Ursachen der Blase im U.S.-Subprime-Sektor ge-schrieben und auch daraus gelernt wurde, ist die Wirkung von Problemen dieses Kapitalmarktbereiches auf das ge-samte Finanzsystem wichtig. Schon oft haben Kreditinstitu-te schlechte Kredite vergeben bzw. sich in der Bonität ihrer Kreditnehmer geirrt.33 Das allein verursacht nicht eine glo-bal um sich greifende Finanzkrise. Vielmehr war schon im September 2007, ein halbes Jahr vor dem Zusammenbruch von Bear Stearns und ein Jahr vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers, ein Ansteigen des LIBOR (London Inter-bank Offered Rate) zu beobachten, der auf ein sinkendes Vertrauen zwischen den Banken hinwies (Friedman, 2009, S. 142). Es scheint auf den ersten Blick verwunderlich, dass nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers auch der Interbankenverkehr zwischen den Geschäftsbanken vollstän-dig zum Erliegen kam, da die Geschäftsbanken ihre Einkünf-te größtenteils von Einlegern erhalten, nicht wie die Invest-mentbanken von Investoren. Der Grund dafür war, dass viele Geschäftsbanken nicht nur Immobilienkredite an schlechte Schuldner ausgereicht hatten, sondern sie auch verbrieft und damit in ihrer Bilanz hatten. Das noch größere Problem war, dass die Geschäftsbanken in die mit schlechten Hypo-

33 Siehe dazu die Beispiele im vorhergehenden Aufsatz von Ralf Bau-er.

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theken besicherten Wertpapiere investiert hatten, die sie zusammen mit den Investmentbanken (und den beiden re-gierungsunterstützten „Unternehmen“ Fannie Mae und Fred-die Mac) verbrieften. 2006 besaßen Banken verschiedener Art 51 Prozent aller mit schlechten Hypotheken besicherten Wertpapiere im Wert von 264 Mrd. US-Dollar (International Monetary Fund, 2008, S. 78). Zu viele dieser Wertpapiere befanden sich in den Bilanzen der Geschäftsbanken oder in deren ihrer ausgelagerten Zweckgesellschaften.

Gemäß den Regeln der ersten Basler Eigenkapitalvereinba-rung (Basel I) müssen Staatsanleihen von Staaten mit ei-nem Rating von AAA bis AA- überhaupt nicht, gewerbliche Kredite hingegen mit 8 Prozent Eigenkapital hinterlegt werden, da letztere mit 100 Prozent Risiko gewichtet werden. Hypotheken werden mit 50 Prozent Risiko gewichtet, so dass 4 Prozent Eigenkapital von den Banken hinterlegt werden müssen. Basel I misst Wertpapieren, die durch staatlich geförderte „Unternehmen“ emittiert wurden, aber nur 20 Prozent Risiko zu. Ergo sind nur 1,6 Prozent Eigenkapital als Hinterlegung erforderlich. In den USA fielen hypothekenbesicherte Wertpapiere von Fannie Mae und Freddie Mac darunter. Die Banken konnten also ihre Eigenkapitalerfordernis durch Umwandlung von Hypotheken in durch Hypotheken besicherte Wertpapiere senken und damit ihre Ertragskraft um 60 Prozent erhöhen. Als Basel I in den USA zu Anfang der 90er Jahre umgesetzt wurde, wurden nicht nur hypothekenbesicherte Wertpapiere von Fannie Mae und Freddie Mac mit einem Risiko von 20

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Prozent bewertet, sondern auch hypothekenbesicherte Wertpapiere, die von den drei großen Rating-Agenturen mit AA oder AAA bewertet wurden. Ab 2006 verbreitete Basel II diese verhängnisvolle Bankenregulierung in der gesamten entwickelten Welt (Friedman, 2009, S. 145). Im Januar 2009 empfahl der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirt-schaftsministerium der Bundesregierung dringend,…“nach Möglichkeiten zu suchen, die zu erwartenden destruktiven Wirkungen dieser Neuerungen [d.h. Basel II] zu vermeiden.“ (Wissenschaftlicher Beirat, 2009, S. 2).

Zusätzlich konnten sich Kreditinstitute unter Basel I Eigen-kapitalanforderungen entziehen, in dem sie Conduits (Struc-tured Investment Vehicles) etablierten. Bei diesen Conduits han-delt es sich um eine ausgelagerte Refinanzierungsstruktur, bei der mittels Zweckgesellschaften Wertpapiere wie z. B. forderungsbesicherte Wertpapiere oder CDOs34 oder an-dere Forderungen wie z. B. Kredite oder Forderungen aus Lieferungen und Leistungen von extern bewerteten Unter-nehmen einmalig oder revolvierend angekauft und über die Ausgabe von Geldmarktpapieren in international gängigen Währungen refinanziert werden. Anfang Oktober 2006 be-trug das Volumen der mittels Conduits begebenen Wertpa-piere kurzer Laufzeit 993 Mrd. US-Dollar (Daniels, 2006).

34 Collateralized Debt Obligations (CDOs) sind Fonds, in welchen Kredite von unterschiedlicher Qualität gebündelt werden. Diese CDOs werden dann als Paket weiterverkauft.

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2.2 Aufsichtsdefizite

Die nationalen Aufsichtsbehörden fast aller Staaten hatten schon vor der Finanzkrise Befugnisse, eine professionel-le Führung von Kreditinstituten zu überwachen. Sie hätten eine übermäßige Fristentransformation bei den Zweckge-sellschaften und die zu umfangreichen Garantien der Mut-terbanken als „unprofessionelle Geschäftspraktiken„ früh-zeitiger untersagen können (Hellwig, 2010 a, S. 30). Das Ausmaß der Tätigkeiten der Zweckgesellschaften war enorm und offensichtlich von den Aufsichtsbehörden fast aller Staaten unterschätzt worden. Im Juli und August 2007 brach für hypothekengesicherte Wertpapiere von ungefähr einer Billion US-Dollar, die von Zweckgesellschaften gehal-ten wurden, die Refinanzierung weg (Wissenschaftlicher Beirat, 2009, S. 4). Auch öffentliche Banken aus Deutsch-land hatten diese Zweckgesellschaften gegründet. Die Zweckgesellschaften hatten sich risikoreich kurzfristig über Geldmarktpapiere finanziert. Diese Geldmarktpapiere wur-den schlagartig um mehrere Stufen abgewertet. Hellwig hält die Engagements der IKB und der Sächsischen Landesbank bei ihren Zweckgesellschaften in der Art und Größenord-nung „…nicht mehr mit professionellem Bankmanagement vereinbar.“ (Hellwig, 2010 a, S. 30).

Offensichtlich scheuten sich die Aufsichtsbehörden, den ih-nen unterstehenden Kreditinstituten Grenzen aufzuzeigen und damit Wettbewerbsbeschränkungen aufzuerlegen. Es wird vermutet, dass die übergeordneten politischen Instan-

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zen, insbesondere bei den Landesbanken35 („Ministerprä-sidentenfinanzierungsinstitute“), einen gewissen Druck auf die Aufsichtsbehörden ausgeübt haben (Hellwig, 2010 a, S. 30).

2.3 Nicht-Banken

Eine mangelnde Transparenz gab und gibt es jedoch nicht nur bei den Zweckgesellschaften von Banken, sondern auch bei den Nicht-Banken36, wozu auch Hedgefonds, Geldmarkt-fonds und der Derivatehandel gehören. Derivate sind von anderen Marktwerten abgeleitete Wertpapiere, die außer-börslich gehandelt werden. 2011 wurden weltweit Derivate im Wert von geschätzten 700 Bio. US-Dollar gehandelt.37 Den Aufsichtsbehörden sind besonders die Kreditausfall-versicherungen ein Dorn im Auge, da diese Absicherungen gegen die Insolvenz von Schuldnern umfangreich gehandelt werden und zu Verkettungen der Kreditinstitute unterein-ander führen. Diese Verkettungen sorgen dafür, dass die Aufsichtsbehörden nicht ausreichend über die Risikopositi-

35 Die hohen Verbindlichkeiten der Westdeutschen Landesbank in Höhe von 50 Mrd. Euro erhöhen den Schuldenstand des Bundes auf ca. 2,2 Bio. Euro. Siehe WestLB-Abwicklung verhagelt Deutschlands Defizit-abbau, in: Handelsblatt vom 27.11.2012.36 Der Begriff „Schattenbanken“ führt in diesem Zusammenhang in die Irre, da diese Finanzmarktakteure in gewissen Grenzen publizitätspflich-tig sind und Geschäftsberichte veröffentlichen. Kreditaktivitäten außer-halb von Banken sind nicht a priori ehrenrührig.37 EU macht Front gegen Finanzspekulation, in: Handelsblatt vom 09.02.2012.

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onen der Banken informiert sind. Die Folgen einer Staatsin-solvenz im Euroraum sind somit nicht genau vorherzusehen.

Der Umfang der Hedgefonds ist auch nach der Finanzkri-se weiter gewachsen. 2011 lag das Geschäftsvolumen nach Angaben des Finanzstabilitätsrates bei geschätzten 67 Bio. Euro (Financial Stability Board, 2012). Sie verwalten mehr als doppelt so viel Geld als noch vor zehn Jahren. Es ist zu befürchten, dass weiterhin viele Risiken in Hedgefonds und Geldmarktfonds konzentriert sind. Die meisten Nicht-Banken haben ihre Sitze in Staaten mit sehr günstiger Be-steuerung und werden weder von den einzelnen Aufsichts-behörden, noch in den internationalen Statistiken erfasst. Die Regierungen versuchen schon seit Jahren erfolglos neue Regeln für das Nicht-Bankensystem aufzustellen, ins-besondere für Hedgefonds. Der Finanzstabilitätsrat hat erst Ende November 2012 Vorschläge zur Regulierung von Geld-marktfonds und auch Hedgefonds unterbreitet. Es ist noch vollkommen offen, ob und wann die Nicht-Banken einer Auf-sicht unterstellt werden.

3. Erfolgsaussichten der jüngsten Regulierung

3.1 Basel III

Schwerpunkt der jüngsten Regulierung ist die Einführung von Basel III. Basel III soll die Liquidität und die Ausstat-tung mit Eigenkapital der Kreditinstitute verbessern. Neu ist die Einführung einer Verschuldungsquote (Leverage Ratio)

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und diverse Kapitalpuffer, insbesondere für systemrelevan-te Banken. Es soll ein antizyklischer Kapitalpuffer eingeführt werden, der damit den neuen makroprudenziellen Regulie-rungsansatz umsetzt. Ulrich Vrede veranschaulicht im ers-ten Aufsatz dieses Buches, dass die gewünschte erhöhte Systemstabilität nicht ohne Nebenwirkungen zu haben ist: Banken werden auf die neuen Anforderungen reagieren und müssen ihre höheren Kapitalkosten über höhere Kreditzin-sen erwirtschaften. Oder die Banken reduzieren ihre Bilanz-summe über ein vermindertes Kreditangebot. Die Realwirt-schaft wird entweder höhere Zinskosten oder erschwerten Zugang zu Krediten haben. Wachstums- und Wohlfahrtsver-luste sind zu befürchten.

Gemäß einer kürzlich erschienenen Studie einer internati-onalen Anwaltskanzlei wird das traditionelle Kreditgeschäft schon jetzt im Vorfeld der Einführung von Basel III durch die angekündigten strengeren Eigenkapitalregeln belastet. Die Autoren der Studie befürchten vor allem, dass die Nicht-Banken in ihrer Rolle als Kreditvermittler nicht die von den Banken hinterlassene Lücke bei der Kreditvergabe füllen können. Eine Ankündigung des Finanzstabilitätsrates mache deutlich, dass auch die alternativen Kreditgeber in Zukunft der gleichen Regulierung unterworfen werden sollen wie die Banken. Dabei würden die unterschiedlich großen systemi-schen Risiken der verschiedenen Finanzmarktteilnehmer aber nicht berücksichtigt. Möglicherweise gebe es gar kei-nen Anlass für eine Intervention (Allen & Overy, 2012).

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Allerdings ist die Einführung von Basel III noch offen. Wäh-rend die deutsche Kreditwirtschaft die Einführung von Ba-sel III unterstützt, weigern sich die USA derzeit noch. Die Einführung schärferer Eigenkapitalanforderungen macht nur Sinn, wenn gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Kredit-institute weltweit gegeben sind. Ohne eine Einführung von Basel III in den USA entstehen Wettbewerbsverzerrungen, die für die anderen Banken, insbesondere die europäischen Kreditinstitute, gravierende Nachteile bedeuten. Somit ist der ursprüngliche Starttermin zum 1. Januar 2013 nicht zu schaffen. Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes schließt mittlerweile einen völligen Verzicht auf Basel III nicht mehr aus.38

Schon 2001 äußerte eine Ökonomengruppe um Charles Goodhart, dass Basel II prozyklisch und tendenziell krisen-verstärkend wirkt: „Wenn es der Zweck der Finanzregulie-rung ist, Systemkrisen zu vermeiden, ist dieses Konzept kontraproduktiv.“39 Allerdings hat Basel III auf diese Kritik reagiert und will antizyklische Kapitalpuffer und Frühwarnin-dikatoren einführen. Der Baseler Ausschuss für Bankenauf-sicht reagiert ergo mit höherer Komplexität auf Unzuläng-lichkeiten der schon 2004 sehr komplexen Regeln.

38 Basel III wird verschoben, in: Risiko-Manager, http://www.risiko-manager.com/index.php?id=80&tx_ttnews[tt_news]=18551&tx_ttnews[backPid]=25&cHash=dba079377f3a0beeb9c1ccd83184e11f, zugegriffen am 07.12.2012.39 Eigenkapitalrichtlinie Basel II: Licht ins Dunkel, in: Handelsblatt vom 11.02.2009.

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Andrew Haldane, Exekutivdirektor für Finanzstabilität bei der Bank of England, kritisiert genau diese Vorgehensweise: Die zusätzliche Komplexität von Basel II wäre dann gerechtfer-tigt, wenn sie Kreditinstitute weniger krisenanfällig mache. Dann hätten Banken mit hohen regulatorischen Eigenmit-telquoten (Tier-1-Ratio, siehe Ulrich Vrede unter 3.1, S. 19) besser die Finanzkrise überstehen müssen als Banken mit einer niedrigen Quote. Das war aber nicht der Fall. Von den 100 größten Banken wurden 37 aufgelöst oder vom Steu-erzahler aufgefangen. Ende 2006 unterschied sich aber die Tier-1-Ratio der 37 gescheiterten Banken statistisch nicht von den überlebenden Banken. Eine hohe Tier-1-Ratio er-brachte keine höhere Stabilität (Haldane/Madouros, 2012).

3.2 Gesetz zur Abwicklung und Restrukturie-rung von Banken

Sowohl die Finanzkrise als auch zahlreiche Bankenskanda-le vorher haben gezeigt, dass die Insolvenz einer großen Bank wegen der befürchteten Ausfälle bei weiteren Ban-ken und Versicherungen nicht so einfach möglich ist. Bei großen systemrelevanten Banken gilt für die Regierungen weltweit bisher „too big to fail“, d.h. die Gemeinschaft der Steuerzahler haftet für Fehlentscheidungen von großen Kre-ditinstituten. Damit ist ein Grundsatz der Sozialen Markt-wirtschaft außer Kraft gesetzt: Die großen Finanzkonzerne kamen in den Genuss einer impliziten Staatsgarantie und müssen nicht vollständig für ihr unternehmerisches Risiko aufkommen. Regierungen können im schlimmsten Fall er-

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presst werden. Banken können sich umso günstiger Kapital besorgen, je größer sie sind, weil die Eigentümer wissen, dass ihre Anteile im Zweifelsfall durch den Staat gestützt oder gesichert werden.

In Deutschland wurde Ende 2010 das Restrukturierungsge-setz40 beschlossen, welches die Möglichkeit einer Sanie-rung oder Reorganisation von Kreditinstituten schon im Vor-feld von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit schaffen soll. Allerdings hatte der Gesetzgeber mit der vorhandenen Insolvenzordnung schon ein Gesetz zur Verfügung, welche er hätte anpassen können, bevor er ein eigenes Restruktu-rierungsgesetz für die Kreditwirtschaft erlässt. Da sowohl die Einleitung eines Sanierungsverfahrens als auch eines Restrukturierungsverfahrens in der Hand der Bank liegt, ist auch weiterhin von der Gefahr einer Verschleppung aus-zugehen. Nach dem neuen Restrukturierungsgesetz kann zwar auch die BaFin ein Reorganisationsverfahren beantra-gen, ein Eingriff der BaFin dürfte wegen der ihr im Vorfeld nicht zur Verfügung stehenden Information unwahrschein-lich sein (Hellwig, 2010 b, S. 6).

Das Sanierungsverfahren dürfte in der Praxis höchstwahr-scheinlich nicht angewendet werden, da die Bank sowohl ihre Schieflage offenbaren als auch sich den Eingriffsmög-

40 Mit vollem Titel: Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungs-fonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung.

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lichkeiten der BaFin, des Sanierungsberaters und des Ge-richts unterwerfen müsste (Hellwig, 2010 b, S. 7). Von den schon bestehenden Eingriffsmöglichkeiten der §§ 45 und 46 des Kreditwesengesetzes haben die Aufsichtsbehörden in der Vergangenheit ungern Gebrauch gemacht, da der Ge-schäftsbetrieb einer Bank – und damit der Zahlungsverkehr – in der Regel dadurch eingefroren wird (Hellwig, 2010 b, S. 3).

3.3 Vorschläge der EU-Expertengruppe

Im Oktober 2012 unterbreitete eine Expertengruppe im Auf-trag der EU Vorschläge zur Reform der europäischen Kredit-wirtschaft (High-Level Expert Group, 2012): Der Eigenhan-del der Kreditinstitute mit Wertpapieren und Derivaten und damit verbundene sonstige wichtige Handelstätigkeiten sol-len rechtlich von den anderen Bankaktivitäten abgesondert werden, wenn diese Aktivitäten einen bestimmten Anteil an der Geschäftstätigkeit41 übersteigen. D.h. die betreffende Bank soll für ihr Kapitalmarktgeschäft ein eigenes Institut gründen, welches aber unter dem Dach einer Bankholding verbleiben darf. Das Universalbankprinzip soll so erhalten werden. Banken sollen ferner effektivere Sanierungs- und Abwicklungspläne aufstellen. Auch werden „bail-in“-Instru-mente bei der Abwicklung vorgeschlagen, mit denen unbesi-

41 Die Expertengruppe nennt einen Mindestanteil von 15 bis 25 Prozent der Gesamtbilanzsumme, ab der die rechtliche Ausgliederung greifen soll.

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cherte und nachrangige Verbindlichkeiten gekürzt oder in Ei-genkapital verwandelt werden sollen. Zudem sollen Banken sowohl robustere Risikogewichte benutzen, um ihre Eigen-kapitalanforderungen zu bestimmen, als auch Risiken um-fassender in ihren internen Modellen berücksichtigen. Als Letztes schlägt die Expertengruppe ein Maßnahmenpaket vor, bei dem die Vorstände und das Management gestärkt, das bankinterne Risikomanagement aufgewertet, die Bezü-ge des Managements und der Belegschaft eingeschränkt, die Risiken stärker offengelegt und die Aufsichtsbefugnisse ausgeweitet werden (High-Level Expert Group, 2012).

Drei der vier weltweit sehr systemrelevanten Banken hat-ten während der Finanzkrise keine staatlichen Hilfen nötig. Diese drei Banken (JP Morgan Chase, HSBC und Deut-sche Bank) sind Universalbanken und betreiben das Kapi-talmarktgeschäft und das traditionelle Kredit- und Einlagen-geschäft. Die Kernempfehlung der EU-Expertengruppe, das Kapitalmarktgeschäft rechtlich auszugliedern bzw. abzuspalten, ist vor diesem Hintergrund nicht unbedingt nachzuvollziehen. Die anderen Maßnahmen werden in un-terschiedlichem Umfang in den jeweiligen nationalen Geset-zesvorhaben der einzelnen Staaten bereits diskutiert bzw. sind schon beschlossen worden. Dass effektivere Sanie-rungs- und Abwicklungspläne von den Banken aufgestellt werden müssen, ist empfehlenswert. Die Einführung von „bail-in“-Instrumenten wird die Finanzierungskosten der In-stitute erhöhen und Investoren werden zusätzliche Risikozu-schläge einfordern. Speziell in mehreren Ländern agieren-

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de Banken werden national unterschiedliche Vorgaben und Auflagen zu erfüllen haben. Der Abstimmungsaufwand und damit die Kosten steigen dadurch an.

3.4 Vorschläge der Deutschen Bundesbank

Die jüngsten Vorschläge der Deutschen Bundesbank (Deut-sche Bundesbank, 2012) beinhalten ein umfassendes Maß-nahmenpaket, das auf einer sorgfältigen Analyse der Stabi-litätslage im deutschen Finanzsystem beruht. Dabei kommt der Bundesbank zugute, dass sie detaillierte Kenntnisse über den Zahlungsverkehr der Kreditinstitute hat und das Clearing von Großbeträgen abwickelt. Die deutschen Kre-ditinstitute sollen ihre zurückhaltende Kreditvergabe bei Immobilien beibehalten. Die bestehenden Geschäftsmo-delle sollen zügig an das sich ändernde Umfeld und neue Marktstrukturen angepasst werden. Dieser Empfehlung werden die Kreditinstitute sowieso nachkommen müssen, wenn sie im Wettbewerb bestehen wollen. Die Banken sol-len vor allem im Niedrigzinsumfeld Risiken in ihren Bilanzen durch Abschreibung und Ausgliederung von risikoreichen Vermögenswerten zurückführen und ihre Eigenkapitalaus-stattung verbessern. Die Aufforderung der Bundesbank an die Lebensversicherer, „weiterhin Vorsorge zu betreiben“ (Deutsche Bundesbank, 2012, S. 9), klingt wie ein Durch-halteappell, um die staatlich verursachte Niedrigzinsphase zu überstehen.

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Bei ihren Empfehlungen an die Politik vermeidet die Bun-desbank eine Forderung nach höheren Zinsen, die die EZB durchaus umsetzen könnte. Stattdessen soll die Politik die Geldpolitik nicht durch hohe Ausgaben zur Bekämpfung der europäischen Staatsschuldenkrise überlasten. Die Staats-finanzen sollen konsolidiert und Strukturreformen durchge-führt werden. Der Nicht-Bankenbereich soll besser erfasst und Datenlücken geschlossen werden. Im globalen Ver-gleich ist der Nicht-Bankenbereich aber in Deutschland rela-tiv klein. Die Risiken gehen eher vom ausländischen Nicht-Bankensystem aus (Deutsche Bundesbank, 2012, S. 72). Im Gegensatz zur EU-Expertengruppe steht die Bundes-bank einer Einführung eines Trennbankensystems skeptisch gegenüber, da sie die Verflechtung innerhalb des Finanzsys-tems nur in begrenztem Maße auflöse (Deutsche Bundes-bank, 2012, S. 81).

Während für den außerbörslichen Derivatemarkt in der EU schon eine Regulierungsrichtlinie verabschiedet wurde, be-steht nach Ansicht der Bundesbank hier ein Regulierungs-defizit auf internationaler Ebene. Bei der bisherigen und der neueren Finanzmarktregulierung ist auf Konsistenz und ku-mulative Wirkungen zu achten. Glaubhafte Abwicklungsre-gelungen sollen eingeführt werden, damit systemrelevan-te Banken nicht im Insolvenzfall vom Steuerzahler gerettet werden müssen.

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3.5 Euro-Bankenaufsicht und europäische Ban-kenunion

Die EU-Finanzminister haben sich am 13. Dezember 2012 auf einen rechtlichen Rahmen und die Eckpunkte einer ge-meinsamen Bankenaufsicht geeinigt. Mindestens 150 Kre-ditinstitute sollen von einer gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht überwacht werden. Vergleicht man die Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Merkel mit der Pressemitteilung der Finanzminister der Eurozone (Ecofin), ergeben sich Unterschiede. Die Ecofin-Finanzminister wol-len noch im Laufe des Jahres 2013 mit der Bankenunion beginnen, die Bundesregierung will einen Beginn zum 1. März 2014 (Schäffler, 2012). 2014 ist für eine geordnete Ge-schäftstätigkeit der europäischen Aufsicht das absolute Mi-nimum, da zuerst hoch qualifiziertes Personal angeworben bzw. von der erst seit 2011 eingeführten Europäischen Ban-kenaufsicht (EBA) überführt werden muss. Mit der EBA gibt es schon eine gemeinsame europäische Aufsichtsbehörde, die nach zwei Jahren schon wieder aufgelöst wird.

Der Kardinalfehler ist aber offensichtlich: Geldpolitik und Aufsicht werden unter dem Dach der EZB zusammenge-führt. Interessenskonflikte zwischen der Wahrung der Geld-wertstabilität und der Beaufsichtigung der Kreditinstitute sind zu befürchten (Wohlgemuth/Hesse, 2012). „Damit wird die EZB zum Bankenaufseher und kann als Superbehörde Geldinstitute finanzieren oder schließen und darüber hin-aus entscheiden, welcher Staat sich am Markt zu welchem

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Zins finanzieren kann.“ (Steltzner, 2012). Banken, die von der EZB seit Jahren mit Milliardensummen gestützt werden, sollen nun von ihr beaufsichtigt oder im Extremfall abge-wickelt werden? Hier sind berechtigte Zweifel angebracht. Besonders gefährlich ist aus deutscher Sicht, dass im Auf-sichtsgremium über die Verteilung von Milliardenrisiken nicht nach Kapitalanteilen abgestimmt wird. Ein kleines Land wie Zypern hat dasselbe Gewicht wie Deutschland, obwohl Deutschland 27 Prozent des EZB-Kapitals hält. Die resultierende Belastung für den deutschen Steuerzahler kann sehr hoch sein. „Die Mehrheit im EZB-Rat wünscht sich lockere Hebel im Bankensektor für ihren geldpoliti-schen Stimulus und die Rettung fragwürdiger Sicherheiten, die die EZB in ihren Büchern stehen hat.“ (Wohlgemuth/Hesse, 2012, S. 3.)

Zwar ist die Einführung einer europäischen Bankenunion, womit sowohl ein gemeinsamer Rekapitalisierungs- und Abwicklungsfonds für notleidende Banken als auch eine gemeinsame Sicherung von Spareinlagen eingeführt wür-de, noch offen, aber dem wird sich die Bundesregierung höchstwahrscheinlich nicht mehr widersetzen. Die Einrich-tung einer europäischen Bankenaufsicht ist nur Mittel zum Zweck: Dadurch wollen französische und südeuropäische Länder Zugang zur bewährten deutschen Einlagensicherung erhalten, es wird eine Art Gewährträgerhaftung für Südeuro-pas Banken entstehen. „Damit ist der Weg zur Rettung der überschuldeten Banken Südeuropas mithilfe der Steuergel-der der noch gesunden Länder Europas frei.“ (Sinn, 2012).

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Eine europäische Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB führt aber noch zu einem weiteren Problem: Die EBA hätte auch die britische Kreditwirtschaft beaufsichtigen können, die EZB kann das bei einem Nicht-Euro-Land nicht (Roose-beke, 2012, S. 13). London ist aber der wichtigste Finanz-platz innerhalb Europas und würde nun nicht einer gemein-samen Aufsicht unterliegen.

3.6 Volcker-Regel

In den USA soll Anfang 2013 die Eigenhandelstätigkeit der Kreditinstitute mit Hilfe der Volcker-Regel beschränkt wer-den. Die Volcker-Regel ist Teil des „Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act“, der die bestehende US-Finanzaufsicht umfassend reformiert. Die Absichten und Ziele stimmen weitgehend mit denen der G-20-Staaten über-ein. Trete die Volcker-Regel in Kraft, wäre es Banken nicht gestattet, sich an Hedgefonds und Private Equity Fonds zu beteiligen, sie zu besitzen oder zu finanzieren und Eigenhan-delsgeschäfte auf eigenes Risiko zu tätigen. Banken müss-ten ihre (Wertpapier-)Handelstätigkeit auf Kundenaufträge beschränken und dürften selbst keine riskanten Positionen aus eigenen spekulativen Motiven eingehen. Da diese Be-griffe alle Fonds umfassen, die keine Publikumsfonds nach US-Recht sind, wäre auch das Geschäft der europäischen Investmentgesellschaften betroffen. Diese würden auch von der Volcker-Regel erfasst, wenn sie Teil eines in den USA tätigen Finanzkonzerns sind (Bundesverband Invest-ment und Asset Management, 2012). Banken, die auf ei-

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gene Rechnung spekulative Geschäfte tätigen, sollen nicht geschützt bzw. vom Steuerzahler unterstützt werden.

Dabei ist die Wirkung der Volcker-Regel umstritten, da gro-ße Risiken, die während der Finanzkrise offenbar wurden, mehrheitlich im Nicht-Bankenbereich entstanden. Zudem wäre eine systemdurchgängig einheitliche Regulierung bes-ser.

Zwar ist die Volcker-Regel noch nicht endgültig verabschie-det, verhindern lässt sie sich aber nicht. Die genaue Umset-zung hängt von den Empfehlungen der US-Börsenaufsicht und der US-Zentralbank ab. Folglich versuchen die Banken-verbände in den USA Abänderungen bzw. Abmilderungen zu erreichen. Der genaue Umfang der Volcker-Regel ist so-mit noch ungewiss. Selbst Paul Volcker ist nicht überzeugt davon, dass das neue Gesetz weit genug geht, um eine er-neute Bankenkrise zu verhindern.

4. Bewertung und Empfehlungen

Nachdem viele Vorschläge für Änderungen von Teilberei-chen des Finanzsektors in diesem Buch vorgestellt wurden, ist nun eine abschließende Bewertung fällig. Vor allem muss die Frage beantwortet werden, ob die Wahrscheinlichkeit ei-ner erneuten Finanzkrise gesunken ist?

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4.1 Regulierungsfülle und -widersprüche

In den letzten Jahren haben die Regierungen und staatli-chen Aufsichtsorgane eine große Anzahl an Regulierungs-vorschriften für die Finanzmärkte erlassen. Allein die neuen bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften der EU werden sich wahrscheinlich auf 60.000 Seiten belaufen (Allen & Overy, 2012, S. 7). Es wird Jahre dauern, bis der Regelungsge-halt der immer zahlreicher werdenden Vorschriften genau geklärt ist. Die Folgen werden Unklarheiten und Unsicher-heiten im Markt sowie eine länger andauernde Phase der Kreditverknappung sein.

Auch kehren Regulierungen wieder, die vormals eingeführt und dann wieder abgeschafft wurden. 1933 untersagte das Glass-Steagall-Gesetz in den USA Banken, die Spareinlagen entgegennahmen, sich im Kapitalmarktgeschäft zu engagie-ren. 1999 wurde dieses Gesetz wieder aufgehoben. Mittels des Dodd-Frank-Gesetzes und der demnächst kommenden Volcker-Regel wird genau diese Trennung wieder eingeführt (Eisenring, 2012). Während die Expertengruppe im Auftrag der EU ähnlich argumentiert, hält die Deutsche Bundesbank nicht viel vom Trennbankensystem. Drei der vier weltweit sehr systemrelevanten Banken haben die Finanzkrise ohne staatliche Hilfen gut überstanden und sind Universalbanken. Zudem stammte die Mehrheit der Risiken, die sich während der Finanzkrise offenbarten, aus dem Nicht-Bankenbereich.

Weltweit sind Regulierungsmaßnahmen oftmals unkoor-

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diniert, teilweise sich auch wiedersprechend durchgeführt worden. Daneben gab es auch international abgestimmte Regulierungsmaßnahmen, die aber - wie im Fall von Basel III - von einem wichtigen Land dann doch (noch) nicht um-gesetzt worden sind oder wie im Fall von Basel II verspätet umgesetzt wurden. Viele Aufsichtsbehörden haben zudem die ihnen schon zur Verfügung stehenden Befugnisse weder konsequent noch rechtzeitig genutzt.

In Europa wird mit der EBA erst eine gemeinsame euro-päische Bankenaufsicht etabliert, um sie dann zwei Jahre später aufzulösen bzw. die Zuständigkeit der EZB zu über-antworten. Wenn die EZB sowohl für Aufsicht als auch für Geldpolitik zuständig ist, sind Interessenkonflikte vorpro-grammiert. Kreditinstitute, die von der EZB und den euro-päischen Staaten mit Milliardensummen gestützt wurden bzw. werden, sollen von der EZB beaufsichtigt und gege-benenfalls geschlossen und/oder abgewickelt werden. Eine schlimmere ordnungspolitische Verwirrung lässt sich nicht mehr vorstellen. Aus deutscher Sicht kann es für den steuer-zahlenden Bürger besonders teuer werden, wenn unter dem unklaren Begriff „Europäische Bankenunion“ Einlagensiche-rungssysteme vergemeinschaftet und ein gemeinsamer Rekapitalisierungs- und Abwicklungsfonds für notleidende Banken eingeführt werden. Vor allem löst eine Bankenuni-on nicht die schwelende Zahlungsbilanzkrise der südlichen Euro-Staaten und die unzureichende Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft dieser Staaten (Reichel, 2012, S. 18).

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Entscheidend wird die Lösung des „too big to fail“-Problems sein. Hier scheint der Weg, den die U.S.-amerikanische Ein-lagensicherungsbehörde FDIC und die Bank of England gehen, am erfolgversprechendsten zu sein. In einem ge-meinsamen Papier skizzieren beide Institutionen, wie sys-temrelevante Banken zerschlagen werden sollen. Gesunde Teile einer internationalen Großbank sollen weitergeführt, nicht überlebensfähige Teile zerschlagen, verkauft oder ab-gewickelt werden. Im Notfall soll nur eine der Aufsichtsbe-hörden die Federführung bei der Abwicklung haben. Vor allem sollen systemrelevante Banken zukünftig wesentlich mehr Eigenkapital und in Eigenkapital unwandelbare Anlei-hen haben, dass im Krisenfall die Eigentümer und ein Teil der Gläubiger die Verluste auffangen können. (Federal De-posit Insurance Corporation/Bank of England, 2012). Das gemeinsame Papier nennt zwar keine exakte Quote als Ei-genkapitalerfordernis, sie dürfte aber im Vergleich zu Basel III weitaus höher sein. Das deutsche Gesetz zur Abwicklung und Restrukturierung von Banken, welches 2010 beschlos-sen wurde, hat seine Feuerprobe noch nicht bestanden. Ob die BaFin jemals von sich aus ein Restrukturierungsverfah-ren einleitet, erscheint zweifelhaft (siehe Kapitel 3.2).

Analog zu den schon in den USA vorgeschriebenen Not-fallplänen will auch die Bundesregierung die größten deut-schen Kreditinstitute verpflichten, genaue Pläne für den Kri-senfall zu formulieren und bei der BaFin einzureichen. Ein entsprechendes Gesetz soll 2013 verabschiedet werden. In den USA müssen die 125 größten Banken bis Ende 2013

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entsprechende Pläne einreichen. In Deutschland soll diese Verpflichtung ungefähr zehn Banken treffen. In jedem Fall würden die Deutsche Bank und die Commerzbank dazuge-hören. Auch die größeren Landesbanken wären betroffen. Umfang und Wirkungsweise dieses neuen Gesetzes kön-nen noch nicht beurteilt werden.

Die im Zuge der Finanzkrise geforderte Finanztransaktions-steuer erhöht nicht die Stabilität des Finanzsystems. Die in Europa diskutierte Finanztransaktionssteuer würde sich genauso auf normale Versicherungsgeschäfte erstrecken wie auf „hochspekulative Wetten“. Eine Finanztransaktions-steuer hätte die oftmals als Krisenauslöser vermuteten Ge-schäftspraktiken nicht unterbunden (Weichenrieder, 2011). Auch starke Schwankungen auf den Kapitalmärkten werden nicht von einer Finanztransaktionssteuer vermindert. Zudem würde eine Finanztransaktionssteuer die Steuerkomplexität erhöhen und hohe Effizienzkosten nach sich ziehen. Wenn man den Finanzsektor stärker belasten will, wäre eine Steu-er in Anlehnung an die im Finanzsektor erwirtschafteten Löhne, Boni oder Gewinne einfacher zu realisieren (Wei-chenrieder, 2011).

4.2 Ursachenbekämpfung statt Haftungsver-schiebung

Man kann die Gründe für die Entstehung der Finanzkrise grob in Brandbeschleuniger und Ursachen teilen:

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Gründe Typ Wirkung Null- und Niedrigzinspolitik Ursache hoch BaseI I und II Ursache hoch Staatsverschuldung Brandbeschleuniger mittel US-Wohnungsförderungspolitik Ursache hoch Fair Value-Prinzip Brandbeschleuniger mittel Lasche Prüfung der Kreditwürdigkeit in den USA

Ursache mittel

Mangelhafte Aufsicht Ursache hoch Oligopol bei Rating-Agenturen Ursache hoch Boni und Orientierung am aktuellen Unternehmenswert

Brandbeschleuniger hoch

Fehlerhaftes Risikomanagement der Banken

Ursache hoch

Während das Risikobewusstsein der Kreditwirtschaft gestie-gen ist und die Prüfung der Kreditwürdigkeit in US-amerika-nischen Banken wieder sorgfältiger geschieht, wird am Fair Value-Prinzip weiterhin festgehalten und das Management orientiert sich immer noch maßgeblich am aktuellen Unter-nehmenswert. Boni werden weiterhin gewährt, der exzessi-ve Gebrauch ist aber überwiegend zurückgegangen. Mitt-lerweile gibt es mehr zugelassene Rating-Agenturen und mit Egan-Jones auch eine Rating-Agentur, die vom Käufer des Produkts bezahlt wird. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde hat 2012 sechs weiteren Agenturen eine Lizenz erteilt. Zudem haben die führenden Rating-Agen-turen ihre Modelle und die zugrunde liegenden Annahmen überarbeitet und bewerten mittlerweile vorsichtiger.

Zahlreiche Ursachen der Finanzkrise werden von den Re-gierungen aber nicht entschieden angegangen. Allen voran die weiterhin andauernde Niedrigzinspolitik fast aller staat-lichen Zentralbanken, der sich auch die EZB dauerhaft ver-schrieben hat. Im aktuellen Finanzstabilitätsbericht warnt die Deutsche Bundesbank vor einer künftigen Hauspreisblase.

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Insbesondere das niedrige Zinsniveau könnte zu einer Eska-lation beitragen. Zunehmend würden Ersparnisse in Anlage-formen gelenkt, von denen Anleger Schutz vor mangelnder Geldwert- und Währungsstabilität erwarteten. Bankenauf-seher und Bundesbank könnten mittels antizyklischer Ver-schärfung der Kapitalanforderungen und höherem Eigenka-pitalanteil bei der Kreditvergabe gegensteuern (Deutsche Bundesbank, 2012, S. 56 f). Einen höheren Leitzins em-pfiehlt die Deutsche Bundesbank in ihrem Finanzstabilitäts-bericht allerdings nicht.

Weiteren Verbesserungsbedarf gibt es bei den Eigenkapi-talregulierungen Basel I bis III. Mit Hilfe von antizyklischen Kapitalpuffern und Frühwarnindikatoren versucht Basel III, den prozyklischen Effekten von Basel II zu begegnen. Da-bei wurden die Kreditinstitute durch Basel II nicht weniger krisenanfällig, wie die Finanzkrise gezeigt hat. Die Wider-standsfähigkeit von Banken während der Finanzkrise kann durch ein wesentlich einfacheres Maß veranschaulicht wer-den, welches keine Risikogewichtung voraussetzt: Die ein-fache Verschuldungsquote, die den Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme einer Bank misst. Die gescheiterten Banken hatten eine durchschnittlich um 1,2 Prozentpunkte niedrigere Verschuldungsquote im Vergleich zu den Ban-ken, die die Krise überstanden. Haldane/Madouros em-pfehlen sieben Prozent, um die größten Institute vor einem Untergang bei einer eventuellen Finanzkrise zu bewahren (Haldane/Madouros, 2012). Immerhin geht Basel III mit der schrittweisen Erhöhung des harten Kernkapitals von zwei

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auf sieben Prozent der risikogewichteten Aktiva den rich-tigen Weg (siehe S. 28 in diesem Buch). Der Kronberger Kreis lehnt den neuen antizyklischen Kapitalpuffer gänzlich ab und spricht sich stattdessen für einen höheren bankindi-viduellen Kapitalerhaltungspuffer in Höhe von 5 Prozent aus (Kronberger Kreis, 2011).

Basel III lässt aber eine wichtige Ursache der Staatschul-den- und damit verbundenen Bankenkrise unverändert: Wei-terhin müssen Staatsanleihen mit einem Rating von AAA bis AA- nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. In der Konse-quenz werden Banken auch weiterhin Staatsanleihen besit-zen, dafür keine Risikovorsorge betreiben und bei drohen-den Staatsinsolvenzen große Probleme bekommen. Wenn die Politik nicht gewillt ist, den Banken für Staatsanleihen eine Risikovorsorge zu verordnen und damit die eigenen Verschuldungskosten zu erhöhen, wird der Teufelskreis zwi-schen Banken und Staaten nicht durchbrochen. Einzig die von der Politik gern gescholtenen Rating-Agenturen könn-ten diese unheilvolle Verbindung durch konsequente Herab-stufung fast aller Staaten durchbrechen. Meistens reagieren Regierungen auf Herabstufungen ihrer Bonität mit Forderun-gen nach staatlichen Rating-Agenturen oder schärferer Re-gulierung der privaten Rating-Agenturen.

4.3 Ohne Regulierung geht es nicht

In jedem Markt kann es zu Störungen kommen. Damit aus einer Störung keine Krise werden kann, darf aus individu-

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ellem Versagen kein kollektives werden. Kaum eine Re-gulierung wird individuelles Versagen verhindern können. Deshalb muss verhindert werden, dass aus individuellem kollektives Versagen wird. Besondere Bedeutung kommt dabei den klassischen Marktmechanismen wie Transparenz, Haftung, Wettbewerb, aber auch dem Marktrisiko zu. Krisen werden dadurch befördert, dass die Transparenz des Mark-tes nicht mehr gewährleistet ist und den Marktteilnehmern damit die für eine Risikoeinschätzung nötige Übersicht fehlt. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist daher die Schaffung möglichst großer Transparenz.

Jede wirtschaftliche Tätigkeit ist entweder eine Betätigung ei-ner natürlichen oder juristischen Person einerseits oder eine hoheitliche Intervention in Wirtschaftsabläufe andererseits. In jeder Finanzordnung muss das Regel-Ausnahme-Verhältnis immer zwischen individueller Wirtschaftstätigkeit und hoheit-lichem Eingriff bestimmt werden (Tietje, 2011, S. 28). Auch für eine Finanzordnung gilt der Grundsatz „…von individuel-ler Freiheitsverwirklichung als Regelfall und innerstaatlicher, supranationaler oder internationaler hoheitlicher Intervention als rechtfertigungsbedürftiger Ausnahme“…(Tietje, 2011, S. 28). Das Recht soll nicht eine bestimmte Ordnung final be-stimmen, sondern „Bedingungen…schaffen, unter denen sich eine solche Ordnung bilden und immer wieder erneuern kann“ (Hayek, 1971). Begreift man Finanzmarktstabilität als erstre-benswertes globales öffentliches Gut, müssen die jeweiligen Regierungen und Aufsichtsbehörden einen verlässlichen Ord-nungsrahmen durch irgendeine Form von Regulierung setzen.

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Ein international abgestimmtes Vorgehen ist dabei wün-schenswert, da auch die Finanzmärkte international ver-flochten und die Finanzakteure in vielen Ländern aktiv sind. Da Finanzinstrumente immer in innerstaatlichen Rechtsord-nungen eingebunden sind, sind den internationalen Harmo-nisierungsanstrengungen bei Regulierung und Aufsicht von Finanzinstrumenten und -märkten gewisse Grenzen gesetzt (Tietje, 2011, S. 29). Für die internationale Zusammenarbeit in Regulierungsfragen kommt vor allem der Finanzstabilitätsrat in Frage, in dem die nationalen Aufsichtsbehörden, Zentralbanken und Finanzminister vertreten sind. Verzögernd wirken sich derzeit sowohl das Konsenserfordernis als auch das Vetorecht aus. Beides könnte abgeschafft wer-den. Während und nach der Finanzkrise waren aufeinander abgestimmte Regulierungsmaßnahmen der G 20 besonders wirkungsvoll. Auch wenn es sich hierbei „nur“ um die zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer handelt, vereint die G 20 zwei Drittel der Weltbevölkerung, ca. 90 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und ca. 80 Prozent des Welthandels. Sollten wichtige Regulierungsmaßnahmen nicht über den Finanzstabilitätsrat möglich sein, käme even-tuell ein abgestimmtes Vorgehen der G 20 in Betracht.

In jedem Fall müssen sämtliche Zweckgesellschaften von Kreditinstituten konsolidiert, d.h. in die Bilanz eingegliedert werden. Die Regulierungsbehörden sollten den Banken ei-nen wirksamen Anreiz zum Konsolidieren setzen: Kreditzu-sagen an nicht konsolidierte Zweckgesellschaften müssen in gleichem Maße mit Eigenkapital hinterlegt werden wie

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eigene Aktiva vergleichbaren Risikos (Kronberger Kreis, 2009). Auch hier wäre ein international abgestimmtes Vor-gehen sinnvoll.

Der Bürger begreift die Finanzkrise derzeit in erster Linie als Privatisierung von Gewinnen und Sozialisierung von Verlus-ten zu Lasten des Steuerzahlers. Das Risiko des Scheiterns ist ein unverzichtbarer Bestandteil eines funktionierenden Marktes. Daher ist die Zusammenführung von Entscheidung und Haftung im Finanzbereich am wichtigsten für die Akzep-tanz und den Fortbestand der Sozialen Marktwirtschaft. Of-fensichtlich sind Privatbanken mit persönlich haftenden Ge-sellschaftern weniger unkalkulierbare Risiken eingegangen. Folglich wäre eine Erweiterung der persönlichen Haftung von Bankvorständen bei börsennotierten Kreditinstituten sinn-voll. Die Haftungsgrundlage sollte dabei mindestens zwei Jahresgehälter umfassen (Brüderle, 2008, S. 2). Auch wenn das exzessive Gewähren von Boni abgenommen hat, wäre ein stärkerer Einfluss der Hauptversammlung auf die Vergü-tung des Vorstands wünschenswert (Brüderle, 2008, S. 2).

Im Vorfeld der Finanzkrise wurde von dem Instrument der Kreditverbriefung umfangreicher Gebrauch gemacht. Damit werden Forderungen auch im Zweitmarkt verwertet. Viel-fältige Formen der Verbriefung erlaubten es, Buchkredite in handelbare Aktiva zu transformieren und somit die Finan-zierungsbeziehungen zwischen Sparern und Kreditnehmern unabhängig von Banken zu gestalten (Sachverständigenrat, 2007, S. 107). Grundsätzlich tragen Kreditverbriefungen zur

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Risikoabsicherung und damit Stabilisierung bei, da sich der Risikogeber (eine Bank), welcher einen Kredit an einen Kre-ditnehmer vergeben hat, bei einem Risikonehmer (Erwerber der verbrieften Titel) gegen den Zahlungsausfall des Kredit-nehmers (Schuldner) versichert. Probleme entstehen aber dann, wenn mit Hilfe der Strukturierung aus Kreditportfolios mit minderwertiger Qualität ein hoher Prozentsatz erstklas-sig bewerteter Finanztitel erzeugt wird und dem Erwerber solcher Wertpapiere die tatsächlich verbundenen Risiken nicht bekannt sind (Brüderle, 2008, S. 9). Im Gegensatz zu einem traditionellen Bankkredit werden Kreditrisiken auf andere Marktteilnehmer übertragen. Die Komplexität der neuen Instrumente erschwert es den Investoren, der Bankenaufsicht und den Rating-Agenturen, die Risiken angemessen einzuschätzen. Durch die Handelbarkeit kön-nen Banken Kreditrisiken aus ihrer Bilanz auf Fonds übertra-gen, für die sie jedoch weitreichende Kreditzusagen über-nehmen. Die Verbriefung kann somit missbraucht werden, um bankaufsichtsrechtliche Bestimmungen zu umgehen (Sachverständigenrat, 2007, S. 118).

Abschließend formuliert der Sachverständigenrat „Die gro-ße Herausforderung für die Wirtschaftspolitik besteht nun darin, die Rahmenbedingungen derart zu justieren, dass die Exzesse der Vergangenheit in der Zukunft vermieden wer-den und die Transparenz der Risikoverteilung für alle Teilneh-mer steigt, ohne dabei die Vorteile, die durch die Verbriefung geschaffen wurden, infrage zu stellen.“ (Sachverständigen-rat, 2007, S. 139) Die Erhöhung der Transparenz bei Ver-

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briefungen ist also zwingend geboten, reicht aber nicht aus. Die Zentralbanken sollen mittels der Taylor-Regel, die Ab-weichungen des Leitzinses von einem neutralen Realzins misst und dabei noch Anpassungen für Schocks vorsieht, steuern und große Abweichungen des Leitzinses vom neut-ralen Realzins möglichst vermeiden. Diese Forderung nach regelgebundener Geldpolitik wurde auch auf der Jahresta-gung der American Economic Association im Januar 2013 in San Diego erhoben. Als die Wirtschaft in den USA 2008 konjunkturell abflaute, reagierte die US-Zentralbank mit ei-ner strafferen Geldpolitik, so dass aus einem „milden“ Ab-schwung eine große Rezession wurde. Sollte die Federal Reserve wirklich ihre fehlerhafte Geldpolitik abstellen, könn-te sie sich an eine einfache Regel halten, anstatt die kompli-zierte Taylor-Regel anzuwenden: Sie müsste nur die nomina-len Ausgaben stabilisieren (Beckworth, 2012).

Die in diesem Buch beschriebenen Regulierungsmaßnah-men werden in begrenztem Maße eine stabilisierende Wir-kung entfalten. Auch sind noch einige Regulierungsmaß-nahmen geplant, die hoffentlich international abgestimmt umgesetzt werden. Das tieferliegende Problem der feh-lerhaften Währungsordnung bleibt hingegen ungelöst: Das System des ungedeckten Papiergeldes setzt der Expansi-on der Geldmenge und damit auch der Kreditmenge keine Grenzen. Die gelegentlich geäußerten Wünsche der Deut-schen Bundesbank nach einer strafferen Geldpolitik werden vom EZB-Direktorium und den südeuropäischen Euro-Staa-ten weiterhin nur belächelt. „Weitere Geldmengenexpansion

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durch Erhöhung der von den Zentralbanken zur Verfügung gestellten Kreditmenge kann die erforderlichen Wertbe-richtigungen eine Zeitlang aufschieben, letztlich verhindern lässt sich eine Korrektur jedoch nicht.“ (Reichel, 2012, S. 21) Schularick und Taylor weisen empirisch nach, dass eine übermäßige Kreditexpansion Finanz- und Konjunkturkrisen signifikant erklärt – unabhängig ob die Kreditexpansion von den Zentralbanken oder den Geschäftsbanken verursacht wurde (Schularick/Taylor, 2009; Kindleberger/Aliber, 2005, argumentieren ähnlich).

Als Lösung und wirkungsvolle Prophylaxe gegen eine erneute Finanzkrise wäre im derzeitigen System des ungedeckten Pa-piergeldes sowohl eine Begrenzung der Zentralbankgeldmen-ge als auch der Buchgeldmenge geboten. Ein interessanter Vorschlag stammt von Reichel und beinhaltet die Wiederein-führung einer teilweisen Golddeckung (Für eine vollständige Abdeckung reichen die Goldvorkommen nicht aus.), flexible und höhere Mindestreservesätze zur Begrenzung der Kredit-geldschöpfung sowie eine deutlich höhere Eigenkapitalaus-stattung der Kreditinstitute (Reichel, 2012, S. 22). Um Banken auch bei schweren realwirtschaftlichen Schocks krisenfest zu machen, wären nach einer Studie der Bank of England 17 Pro-zent der Bilanzsumme für das harte Kernkapital erforderlich (Miles et al., 2011). Das ist derzeit absolut unrealistisch und weit von den Vorgaben von Basel III entfernt.

Die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Finanzkrise ist nicht gesunken.

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Autoren

Dr. Peter Altmiks ist Referent für Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Soziales und Bildung im Liberalen Institut der Friedrich-Nau-mann-Stiftung für die Freiheit. Davor war er in der privaten Kreditwirtschaft für Bargeldlogistik, die Standardisierung im Zahlungsverkehr und die Organisation der bundeseinheitli-chen Wertpapierkursermittlung verantwortlich.

Christine Arentz ist Diplom-Volkswirtin und wissenschaft-liche Mitarbeiterin am Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. Ihr derzeitiger Forschungsschwerpunkt ist die Gesundheitsökonomik mit besonderem Fokus auf Reformoptionen für das deutsche Krankenversicherungs-system. Darüber hinaus hat sie sich in einem Forschungs-projekt mit der Rolle der Immobilienbewertung in der Finanz-marktkrise beschäftigt.

Prof. Dr. Ralf Bauer ist Professor an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve. Seine Schwerpunkte in Lehre und Forschung liegen in den Bereichen Controlling, Kosten-rechnung, Bankbetriebslehre und Finanzierung. Vor seiner Tätigkeit in Kleve war er für renommierte Unternehmens-beratungen als Manager und Fachexperte für Performance Management in vielen Projekten im Finanzsektor tätig. Er beriet unterschiedlichste Banken im In- und Ausland, von Volksbanken und Sparkassen bis zu international tätigen Großbanken, zu allen Themen der Gesamtbanksteuerung und -planung sowie des Risikomanagements. Er ist Mit-

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glied des Arbeitskreises Controlling-Professuren an Hoch-schulen.

Ines Läufer ist Diplom-Volkswirtin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wirtschaftspolitik an der Uni-versität zu Köln. Ihr gegenwärtiger Forschungsschwerpunkt ist die vergleichende Analyse des deutschen und US-ame-rikanischen privaten Krankenversicherungsmarktes. Zudem beschäftigt sie sich in Forschung und Lehre intensiv mit den Grundlagen der Ordnungspolitik.

Ulrich Vrede ist Diplom-Volkswirt und hat sein gesamtes Berufsleben in Finanzinstituten und Banken verbracht. Viele Jahre war er leitend im Risikomanagement für Key-Account-Kunden und in multinationalen Unternehmen tätig. Heute schreibt er über volkswirtschaftliche Themen im Internet. Er ist verantwortlich für den redaktionellen Inhalt von www.wirtschaft-im-kontext.de.

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Peter Altmiks (Hrsg.)

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Band

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ISBN 978-3-942928-06-9

Argumente der Freiheit

Herausgegeben vom Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Band 26: Wolf von Laer Probleme des etablierten Notenbankensystems –

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Band 28: Csilla Hatvany: Ansatzpunkte für eine liberale Integrationspolitik

Band 29: Steffen Hentrich (Hrsg.): Eine Wende zum Besseren? Herausforderungen der Energiepolitik für die Elektrizitätsversorgung

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