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Page 1: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Medienübergreifendes Erzählen,

dargestellt am Beispiel der TV-Serie

Schriftliche Hausarbeit

für die Bachelorprüfung der Fakultät für Philologie

an der Ruhr-Universiät Bochum

(Gemeinsame Prüfungsordnung für das Bachelor/Master-Studium

im Rahmen des 2-Fach-Modells an der RUB vom 7.1.2002)

vorgelegt von

Hahn, Benjamin

29. Juli 2010

Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans

Dr. Peter Goßens

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Einleitung

1

Inhalt Einleitung ............................................................................................................................... 2

Am Anfang… ..................................................................................................................... 2

…war das Beispiel.............................................................................................................. 4

Die Definition des transmedialen Erzählens, oder: Ein Problem. .......................................... 6

Formen des transmedialen Erzählens ..................................................................................... 8

Freiwilliges transmediales Erzählen ................................................................................. 11

Erzwungenes transmediales Erzählen .............................................................................. 13

Das Matrjoschka-Prinzip .................................................................................................. 15

Wie funktioniert transmediales Erzählen bei Heroes? ......................................................... 17

Die Serie ........................................................................................................................... 18

Die Comics ....................................................................................................................... 18

MySpace ........................................................................................................................... 20

Heroes 360/Heroes Evolutions ......................................................................................... 22

Chancen der Transmedialität ................................................................................................ 27

Serielle Erzählungen......................................................................................................... 27

Episodische Erzählungen ................................................................................................. 29

Risiken der transmedialen Erzählung ................................................................................... 31

Fazit ...................................................................................................................................... 34

Anhang ................................................................................................................................. 35

Exkurs ............................................................................................................................... 35

Versuch einer schematischen Darstellung der Struktur des transmedialen Erzählens

innerhalb Heroes Season One: ......................................................................................... 37

Exemplarisches Beispiel Beziehung TV-Serie � Comic ................................................ 38

Quellenverzeichnis: .......................................................................................................... 42

Literatur: ....................................................................................................................... 42

DVD: ............................................................................................................................ 42

Allgemeine Internetseiten: ........................................................................................... 42

Blogs ............................................................................................................................ 43

Wikipedia ..................................................................................................................... 43

Podcast ......................................................................................................................... 43

Bildmaterial .................................................................................................................. 43

Erklärung über die Selbstständigkeit ................................................................................ 44

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Einleitung

2

Einleitung

Am Anfang…

Transmediales Erzählen. Kaum ein anderes erzählerisches Konzept fasziniert derzeit

Wissenschaftler und Autoren, Zuschauer und Studiobosse gleichermaßen so wie das

medienübergreifende Erzählen. Trotzdem scheint das Thema – vor allem in Deutsch-

land – noch ein Nischendasein zu fristen: Die Zahl an wissenschaftlichen Publikationen

ist (noch) überschaubar1 und die durch die Finanzkrise geschwächten Film- und Fern-

sehstudios scheinen momentan eher auf traditionellere Konzepte zu setzen.2

Dabei hat die digitale Revolution Möglichkeiten des Erzählens eröffnet, die selbst für

Jules Verne zu futuristisch gewesen sein dürften: Ob man nun mit dem Fernsehgerät

mal eben im Internet nach dem Lied sucht, das gerade im Spielfilm zu hören ist, oder ob

man draußen im Park auf dem iPad ein Buch liest und dabei die vom Autor empfohlene

Musik via W-LAN direkt von dessen Homepage streamt – dank moderner Technik

können wir verschiedenste Medien kombinieren und sie dadurch auf völlig neue Weise

erfahren. Kein Wunder also, dass nach und nach immer mehr unabhängige Autoren wie

Anthony E. Zuiker, Schöpfer der Krimiserie CSI, genau diese Möglichkeiten für sich

entdecken und Erzählungen schaffen, die sich der Vorzüge verschiedenster Medien be-

dienen.3 Transmediales Erzählen nennt sich diese neue Form und die Beispiele dafür

reichen von hochgradig komplexen, in vielen verschiedenen Medien verarbeiteten Nar-

rationen wie Matrix4 bis hin zu eher einfachen und nur auf zwei Ebenen existenten Er-

zählungen wie die TV-Serie Buffy – The Vampire Slayer, deren achte Staffel als Comic

erschien.

Neben solchen noch recht naheliegenden Formen des transmedialen Erzählens, gibt es

aber auch besonders außergewöhnliche Beispiele. Als ein solches sei hier die Filmreihe

1 Wirklich grundlegende Auseinandersetzungen zu dieser Thematik finden sich derzeit nur in den Werken von Christy Dena, Henry Jenkins, Geoffrey Long und (in Ansätzen) Mimi Ito. Zahlreiche weitere Essays zu dem Thema offenbaren, dass das Interesse derzeit mehrheitlich an einer Beschreibung, denn an einer genauen Analyse und Theoretisierung dieses Phänomens besteht. 2 Selbst ein immens erfolgreiches Franchise wie Harry Potter verfolgt momentan lediglich multimediale Merchandise-Strategien, aber keine transmedialen. Selbst die nach den ersten Verfilmungen und Video-spielen veröffentlichten Fortsetzungen der Romanreihe erhalten weitere Ergänzungen lediglich im selben Medium (siehe z.B. The Tales of Beedle the Bard). 3 Zuikers im September 2009 erschienener Kriminalroman Level 26 enthält Verweise auf eine Internetsei-te, über die die Leser weitere Informationen erhalten können. 4 Neben den drei Kinofilmen führen Webcomics, animierte Kurzfilme, ein Computerspiel und ein Online-Rollenspiel die Erzählung aus The Matrix fort. Die von den Wachowski-Geschwistern (damals noch be-kannt als die Wachowski-Brüder) entwickelte Dystopie um den finalen Kampf zwischen Mensch und künstlicher Intelligenz gilt auf Grund ihrer Verbreitung auf derart vielen Medien als Paradebeispiel für transmediales Erzählen.

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Pirates of the Carribean genannt, die auf einer Wasserfahrt in den Disneylands basiert

und die dort erzählte Geschichte in Grundzügen adaptiert, aber auch fortführt. Den ge-

nau entgegengesetzten Weg beschritt man indes in den Universal Studios, wo basierend

auf den Mummy-Filmen eine Achterbahn gebaut wurde, deren Handlung5 zwischen den

ersten beiden Teilen der Filmreihe liegt.6

Und geht es schließlich nach Henry Jenkins, einem der Begründer der Theorie des

transmedialen Erzählens, dann sind sogar Kinder, die mit ihren Actionfiguren Szenen

aus Filmen nachspielen und erweitern, Autoren transmedialer Erzählungen.7 So schreibt

er in einem Aufsatz in seinem Blog:

Where does this leave the Star Wars action figures? Well, they represent resources where players can expand their understanding of the fictional world through their play. Minimally, they enhance transmedia play, but in so far as coherent stories emerge through this play, they may also contribute to the expansion of the transmedia story.8

Wie dieses Zitat deutlich macht, ist transmediales Erzählen ein sehr umfassendes Phä-

nomen, das bisher nur in Grundzügen theoretisiert wurde. Um eine umfassende Theorie

des transmedialen Erzählens zu erarbeiten, ist eine interdisziplinäre Herangehensweise

geboten. Hierbei eignet sich besonders die Komparatistik in ihrer Funktion als eine ver-

gleichende Instanz als Ausgangspunkt zu einer Theoretisierung dieses neuen Phäno-

mens, verfügt sie doch über die Fähigkeit, nicht nur Narrative innerhalb der Literaturen

verschiedenster Kulturen und Epochen zu untersuchen, sondern sich auch mit inter-

bzw. transmedialen Phänomenen auseinanderzusetzen. Durch die Beschäftigung mit

anderen Medien kann sie neue oder andersartige, sich aber dennoch auf die Literatur

beziehende Narrationen entdecken, erzähltheoretisch fassen und so in die Paradigmen

der Literaturtheorie einführen. Die Komparatistik ist somit die geeignete Disziplin, um

transmediales Erzählen als Chance einer neuen, komplexen und interdisziplinären Art

der Erzählkunst begreiflich zu machen.

5 Vgl.: Grünwald, Peter: Interaktivität in Erlebniswelten. Von Kontrolle und Kontrollverlust. 6 Der Wartebereich der Attraktion erzählt davon, dass am Drehort der Filme Ausgrabungen stattfanden, bei denen ein Schauspieler verschwunden sei. Dieses Verschwinden wird mit dem Fluch der Mumie in Verbindung gebracht. Im Verlauf der multimedialen Fahrt sieht man sich Fahrgast mit der Mumie kon-frontiert und muss ihr entkommen. 7 Zu dieser Aussage sollte angemerkt werden, dass Henry Jenkins seit seinem 1992 erschienenen Buch Textual Poachers: Television Fans & Participatory Culture als Pionier der Fanforschung gilt und mit seinen Überlegungen zu Fans und ihrer Teilhabe an Narrationen bereits den Grundstein zu seiner späteren Theorie des transmedialen Erzählens legte. 8 http://henryjenkins.org/2010/06/transmedia_education_the_7_pri.html

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…war das Beispiel

Heroes ist eine US-amerikanische TV-Serie des Autors und Produzenten Tim Kring, die

zwischen dem 25. September 2006 und dem 8. Februar 2010 auf dem US-

Fernsehsender NBC ausgestrahlt wurde.

Die in ihrer ersten Staffel 23 Folgen umfassende Serie thematisiert das Leben von zehn

über die Welt verstreuten Individuen, die zunächst völlig normal erscheinen, im Laufe

der Serie aber erkennen, dass sie über spezielle Fähigkeiten verfügen. Neben diesen

‚Superhelden‘9 spielen im main cast zwei weitere Figuren je eine tragende Rolle, die

zwar über keine besonderen Fähigkeiten verfügen, dafür aber um die Existenz der Su-

perhelden wissen und ein besonderes Interesse an der Erforschung und Kontrolle ihrer

Fähigkeiten haben.10 Neben der Entdeckung und Erklärung ihrer Fähigkeiten geht es in

der ersten Staffel im Besonderen um den Kampf gegen einen verbrecherischen Super-

helden und um das Verhindern einer New York zerstörenden Katastrophe.11

Heroes ist ein Ensembledrama, bei dem jeder Charakter in irgendeiner Weise mit dem

anderen in Verbindung steht oder in Verbindung kommt. Die Narration ist hochgradig

komplex und lässt sich kaum mehr mit klassischen Erzähltheorien der TV-Serie, wie

9 Der Begriff mag hier ein wenig verwirren: Keiner der Menschen nutzt seine Fähigkeiten zunächst im klassische Sinne eines Superhelden wie z.B. Superman, andererseits gibt es kein adäquates Synonym für das, was die Charaktere dieser Serie sind, sodass letztlich auf den leicht missverständlichen Begriff der „Superhelden“ zurückgegriffen werden muss. 10 Darüber hinaus gibt es natürlich noch zahlreiche weitere Nebenfiguren, die teilweise auch Schlüsselpo-sitionen besetzen, aber nur selten durch die Serie thematisiert werden und deshalb nicht zur Hauptbeset-zung gezählt werden können. 11 Auf seine narrativen Grundzüge reduziert, lässt sich Heroes als eine Art in die Gegenwart verlagerte Adaption der Watchmen-Thematik bezeichnen. Die Ähnlichkeit zu Watchmen beschränkt sich dabei al-lerdings nicht nur auf zentrale Aspekte der Handlung. So findet z.B. in Heroes eine Reflexion über Co-mics statt, die der aus Watchmen ebenfalls sehr ähnelt.

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z.B. der Zopfstruktur12 beschreiben. Auch wenn die Narration letztlich linear auf einen

Handlungsmoment zusteuert, so wirkt sie auf Grund ihrer an ein Geflecht erinnernde

Struktur mit dem Wechsel zwischen objektiven und subjektiven Erzählperspektiven,

Ana- und Prolepsen in eine alternative Realität sowie der Reflexion über das (literari-

sche) Erzählen an sich weit stärker wie ein medialisierter postmoderner Roman, denn

wie eine klassische TV-Serie.

Obwohl die Produktion der Serie im Februar 2010 nach vier Staffeln eingestellt wurde,

wird sich die vorliegende Arbeit ausschließlich mit der ersten Staffel beschäftigen.1314

Begleitet wurde die Ausstrahlung der Serie von auf der offiziellen Homepage des Sen-

ders NBC veröffentlichten Comics, die jeweils im Abstand von einer Woche zunächst

am Ausstrahlungstag der Serie und seit der Winterpause 06/07 immer am Tag nach der

TV-Ausstrahlung erschienen. Die ersten 34 Webcomics wurden am 7. November 2007

bei dem zu DC Comics gehörenden Verlag Wildstorm als Festeinband herausgegeben.

Diese Veröffentlichung bildet – neben den DVDs der ersten Staffel – die zweite Grund-

lage dieser Arbeit. Auf Inhalt und Funktion dieser Comics soll an anderer Stelle näher

eingegangen werden.

12 Die Zopfstruktur ist der klassische Aufbau einer TV-Serie, bei der zwei oder mehr lineare Handlungs-stränge miteinander verwoben sind 13 Diese Entscheidung ist vor allem dem Streik der Writer’s Guild of America geschuldet, der von No-vember 2007 bis Februar 2008 dauerte und zur Folge hatte, dass zu dem Zeitpunkt in Produktion befind-liche Serien nicht zu Ende gedreht und somit auch nicht abschließend erzählt werden konnten. Dies trifft leider auch auf Heroes zu, weshalb die eigentlich auf 24 Episoden ausgelegte zweite Staffel auf 11 Folgen reduziert werden musste und die begonnene Erzählung erst in der nachfolgenden dritten Staffel beendet wurde. Auch die Erzählung der vierten Staffel konnte nicht abschließend werden, da die Produktion der eigentlich fest eingeplanten fünfte Staffel kurzfristig abgesagt wurde. 14 Nachdem er durch die Absetzung der Serie faktisch arbeitslos wurde, widmet Tim Kring nun seine Aufmerksamkeit einem neuen Projekt namens conspiracy for good . Bei dieser Mischung aus ARG und transmedialer Erzählung sollen sich durch die direkte Beteiligung der Rezipienten aus einer zunächst fiktiven Erzählung heraus soziale Projekte entwickeln, die einen positiven Einfluss auf die reale Welt haben sollen.

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Die Definition des transmedialen Erzählens, oder: Ein Problem.

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Die Definition des transmedialen Erzählens, oder: Ein Problem.

Transmediales Erzählen ist – vereinfacht gesagt – eine Form der Narration, bei der sich

eine Erzählung über verschiedene Medien erstreckt – sei es als Fortführung oder als

Ergänzung einer in einem anderen Medium begonnenen Geschichte. Doch woher

stammt der Begriff überhaupt? Eine frühe Auseinandersetzung mit dem Konzept des

transmedialen Erzählens findet sich in dem 1991 erschienen Buch Playing with Power

in Movies, Television, and Video Games: From Muppet Babies to Teenage Mutant Nin-

ja Turtles der amerikanischen Filmwissenschaftlerin Marsha Kinder, das dort allerdings

noch als commercial transmedia supersystems15 bezeichnet wurde. Doch erst als Jen-

kins im Jahr 2003 mit seinem in der Zeitschrift Technology Review des MIT erschienen

Artikel Transmedia Storytelling16 über Kinder hinausgehende Überlegungen anstellt,

rückt das Medien übergreifende Erzählkonzept in den Fokus der Medienwissenschaft.

Jenkins selbst beschäftigt sich in den darauf folgenden Jahren intensiv mit dem Thema

und definiert das transmediale Erzählen in seinem 2006 erschienenen Buch

Convergence Culture wie folgt:

A transmedia story unfolds across multiple media platforms with each new text making a distinctive and valuable contribution to the whole.17

Entscheidend in Jenkins Definition sind die beiden Wörter „distinctive“ und „valuable“,

denn sie kennzeichnen den Unterschied zwischen einer transmedialen Erzählung und

der klassischen Ergänzung eines Franchises um Sekundärmaterial. Denn neu ist die Idee

nicht, ein Franchise um Werke in anderen Medien zu erweitern – neu ist die Idee, dass

diese Erweiterungen ein Beziehungsgeflecht zwischen sich und dem originären Fran-

chise aufbauen, das - in der Gesamtschau - eine umfassende, zwischen den Medien

springende Narration aufbaut, in der im Idealfall der Rezipient frei entscheiden kann,

welche Medien er nutzt.

Bereits hier lässt sich feststellen, dass diese Erzähltheorie ein Maß an Komplexität auf-

weist, das einen Konsens über die genaue Definition transmedialen Erzählens und vor

allem seiner Konventionen fast unmöglich scheinen lässt. Zumal es nicht einmal einen

wissenschaftlichen Konsens über den Terminus an sich gibt:

15 Kinder (1991), S. 38 16 http://www.technologyreview.com/biotech/13052/?a=f 17 Jenkins (2006), S. 97-98

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Die Definition des transmedialen Erzählens, oder: Ein Problem.

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Wie Geoffrey Long18 in seiner Arbeit zum transmedialen Erzählen19 feststellt, gibt es

mindestens drei konkurrierende Begriffe, nämlich den media mix von Mimi Ito20, den

Begriff des screen bleed von Matt Hanson21 und die sogenannten cross-sited narratives

von Marc Ruppel22. In Deutschland wiederum entwickelt Nicole Mahne eine transmedi-

ale Erzähltheorie23, die nicht das zwischen den Medien wechselnde Erzählen theoreti-

sieren, sondern eine für alle narrativen Medien gemeinsame Erzähltheorie finden will.

Bedingt wird diese Verwirrung um Begrifflichkeiten durch die relativ kurze Zeit, in der

sich die Wissenschaft eingehend mit dem Phänomen des transmedia storytelling be-

schäftigt: erst mit dem großen Erfolg der Matrix-Kinofilme und ihrer narrativen Erwei-

terungen durch Comics, Computerspiele und Onlinerollenspiele um die Jahrtausend-

wende herum, wurde die Wissenschaft auf das Thema der Mediengrenzen überschrei-

tenden Erzählung aufmerksam.24 Dass sich deshalb eine sowohl terminologische als

auch inhaltliche Irritation zum Begriff des transmedialen Erzählens eingestellt hat, er-

scheint schlichtweg logisch. Trotzdem kann man – sich an Jenkins und Long orientie-

rend – den Versuch unternehmen, verschiedene Formen des transmedialen Erzählens zu

kategorisieren und damit greifbar zu machen.

18 Long war Schüler von Jenkins am MIT. Seine Forschung ist zusammen mit den Publikationen die bis-her umfassendste Beschäftigung mit der Theorie des transmedialen Erzählens und bildet deshalb eine der zentralen Grundlagen dieser Arbeit. 19 http://cms.mit.edu/research/theses/GeoffreyLong2007.pdf 20 http://www.itofisher.com/mito/archives/ito.intertextual.pdf 21 Hanson, Matt: The End of Celluloid: Film Futures in the Digital Age. Zitiert nach: Long (2007), S. 16 22 Ruppel, Marc. Learning to Speak Braille: Convergence, Divergence and Cross-Sited Narratives. Zitiert nach: Long (2007), S.17 23 Mahne (2007) 24 Bereits 1998 entstand mit der Indie-Horror-Mockumentary The Blair Witch Project die erste als solche geplante transmediale Erzählung. Trotz eines enormen kommerziellen Erfolges, rückte das Projekt erst nach dem Erfolg der Matrix-Erzählung in den Fokus der Wissenschaft.

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Formen des transmedialen Erzählens

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Formen des transmedialen Erzählens

Die Problematik einer eindeutigen Bestimmung transmedialer Erzählprinzipien lässt

eine Annäherung an den Begriff ex negativo aussichtsreich erscheinen. Statt also das

Konzept des transmedialen Erzählens selbst zu beschreiben, soll zunächst eine Abgren-

zung zu anderen Phänomenen herausgearbeitet werden.

Die wohl häufigste Form der sich auf verschiedene Medien verteilenden Narration ist

die Adaption, d.h. die Übertragung bzw. Übersetzung einer Narration aus dem Zeichen-

system des einen in das Zeichensystem des anderen Mediums. Bei dieser Übertragung

handelt es sich um

eine nach spezifischen medientechnologischen Konditionen vorgenommene Übertragung von deskriptiven, narrativen und argumentativen Elementen eines Zeichensystems (Ausgangstext) in ein anderes Zeichensystem (Zieltext), unter weitgehender Erhaltung der konstitutiven Bedeu-tungs- und Informationsstrukturen. 25

Ein Film, der die Geschichte eines Buches adaptiert, transferiert somit zwar die Narrati-

on eines Mediums in ein anderes, erweitert diese aber nicht, sondern interpretiert sie

lediglich neu, um sie seinem eigenen Zeichensystem entsprechend wiedergeben zu kön-

nen. Dabei möglicherweise vorgenommene Änderungen des Inhalts müssen im Hin-

blick auf die Konventionen des adaptierenden Mediums gelesen werden. So ist z.B. der

Film Nosferatu (Deutschland, 1922) von Friedrich Wilhelm Murnau lediglich eine

Adaption des Romans Dracula (Großbritannien, 1897) von Bram Stoker, auch wenn er

sich in Handlung und Charakteren teilweise drastisch von der literarischen Vorlage un-

terscheidet. Die massiven inhaltlichen Unterschiede zwischen Film und Roman sind

sowohl den Konventionen des Films als auch der künstlerischen Programmatik Mur-

naus geschuldet, bleiben aber rein adaptiv. Anders verhielte es sich, würde Murnaus

Film sich auf Ereignisse konzentrieren, die in der Romanvorlage keine Erwähnung fin-

den, wie z.B. eine vor- oder nachgelagerte Erzählung oder eine ausführliche Schilde-

rung der im Roman recht kurz gehaltenen Fahrt der Demeter. Daraus folgt: Zwei Medi-

en verhalten sich so lange zueinander nicht transmedial erzählend, wie sie lediglich die

gleiche für die Konventionen ihres Mediums angepasste Handlung erzählen. Erst durch

die Fortführung bzw. Ergänzung der in einem Medium begonnenen Handlung durch

ein anderes Medium wird die Erzählung transmedial.

25 Schaudig (1992), S.25

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Doch was ist mit Mischformen, wie z.B. Dexter oder Bones? Bei beiden Franchises

handelt es sich um Fernsehserien, die auf Romanreihen basieren, mit diesen aber nur

noch wenig gemein haben. Während zumindest die erste Staffel von Dexter noch nah an

der Handlung des ersten Romans bleibt und sich erst ab der zweiten Staffel emanzipiert,

ist der einzige gemeinsame Nenner zwischen der Serie Bones und den literarischen Vor-

lagen der Autorin Kathy Reichs die Protagonistin Temperance Brennan. In beiden Fäl-

len kann man nur schwerlich von einer Adaption sprechen, divergieren die Handlungs-

stränge in Fernsehserien und Romanreihen doch so weit, dass man bereits von einer

alternativen Realität sprechen muss. Geoffrey Long bietet für dieses Problem eine nicht

ganz unproblematische Lösung, indem er zwar den transmedialen Charakter dieser

Mischformen anerkennt, sie aber aus der Kategorie der transmedialen Erzählungen her-

ausnimmt und in eine eigene Kategorie verschiebt, nämlich die des transmedia bran-

ding.26 Im Unterschied zur transmedialen Erzählung, bei der die einzelnen Medien ein-

zelne Aspekte eines in sich kohärenten Kosmos erzählen, werden beim transmedia

branding lediglich einzelne Marken (brands) transmedialisiert und können so für sich in

jedem Medium einen eigenen Kosmos aufbauen, der im Widerspruch zur Handlung in

anderen Medien stehen kann:

(…) all of these components do not contribute to a single, overarching story, and in fact can prove detrimental to understanding the franchise as a whole because it can be difficult to remember what exactly has happened in which continuity. 27

Neben der Ergänzung der Handlung eines Mediums durch eine Erzählung im zweiten

Medium ist also ein weiteres wichtiges Merkmal des transmedialen Erzählens, dass die

Narrativen nicht nur in sich selbst kohärent sind, sondern auch in logischer Verbindung

zueinander stehen. Das schließt natürlich nicht aus, dass mit sogenannten mindfucks28

oder Widersprüchen gearbeitet werden kann, jedoch müssen diese am Ende rational in

die Logik der Gesamtgeschichte eingeflochten werden können. Wie wichtig Kontinui-

tät und Kohärenz für den Erfolg einer transmedialen Erzählung sind, lässt sich nicht oft

genug betonen, denn „many transmedia narratives aren’t the story of one character at

all, but the story of a world.“29

26 Long (2007), S. 32 27 Ebd., S. 33 28 Von Film- und Comic-Fans geprägter Begriff, mit dem besonders gelungene Täuschungen und Mani-pulationen der Leser-/Zuschauererwartungen beschrieben werden. 29 Ebd., S. 48

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Während Long seine 2007 veröffentlichte These an The Matrix und Star Wars zu be-

weisen sucht und damit zwei nicht unbedingt ideale Beispiele30 wählt, bestätigt die ab

2006 im US-Fernsehen ausgestrahlte Serie Heroes sein Argument. Die als Ensemble-

drama angelegte Serie hat nicht das Schicksal eines einzelnen Charakters, sondern

vielmehr die Probleme einer Gruppe von realen Superhelden in der uns bekannten, völ-

lig gewöhnlichen Welt zum Gegenstand. Zwar gibt es auch bei Heroes Charaktere, die

als zentrale Ankerpunkte der Handlung fungieren, dennoch versuchen Serie und trans-

mediale Erweiterungen bei dem auf die einzelnen Charaktere verteilten zeitlichen Raum

möglichst ausgewogen zu bleiben und so ein komplexes Universum zu kreieren. Dass

viele transmediale Erzählungen statt eines Charakters gleich eine ganze Welt portraitie-

ren, schließt natürlich – wie Long bereits durch die Einschränkung many andeutet – den

umgekehrten Fall nicht aus. Als Beispiel hierfür sei das Projekt The Tulse Luper

Suitcases genannt, in dem sich Peter Greenaway einer transmedialen Narration bedient,

um die fiktive Lebensgeschichte des Ornithologen Tulse Luper zu erzählen (siehe dazu

auch das Kapitel Exkurs im Anhang). Dass Greenaway damit eine Ausnahme darstellt,

mag daran liegen, dass transmediales Erzählen die Möglichkeit offeriert, Narrationen

epischer Größe zu erzählen. Während eine Lebensgeschichte nur einen sehr begrenzten

zeitlichen Rahmen bietet und zudem auch noch an die ebenfalls begrenzte suspension of

disbelief gebunden ist, bietet eine eigene Welt dagegen die Möglichkeit unendlich vieler

Narrativen – vorausgesetzt, sie stehen nicht im Widerspruch zu anderen Narrativen in-

nerhalb dieser Welt und ihrer Normen. Jenkins begreift daher auch das sogenannte

world building als zentralen Impuls einer transmedialen Ästhetik: „For me, the core

aesthetic impulses behind good transmedia works are world building and seriality.“31

Dies vorausgeschickt, sollen jetzt drei mögliche Kategorien des transmedialen Erzäh-

lens vorgestellt werden, die in ihrer Beschreibung und grafischen Darstellung des besse-

ren Verständnisses wegen idealisiert sind und nicht auf konkrete Beispiele Bezug neh-

men. Diese Entscheidung liegt auch daran, dass es bis dato noch keine Beispiele gibt,

30 The Matrix war zwar schon zu Beginn als transmediales Franchise gedacht, konnte aber erst nach dem wirtschaftlichen Erfolg des ersten Kinofilms als transmediale Erzählung umgesetzt werden. Zu Star Wars siehe das Kapitel Risiken des transmedialen Erzählens. 31 Hervorhebungen aus dem Original übernommen. Zitiert nach: http://henryjenkins.org/2009/09/the_aesthetics_of_transmedia_i_1.html

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die sich eindeutig diesen Kategorien zuordnen lassen. Stattdessen lassen sich bis heute –

wie im Folgenden auch an Heroes dargestellt – nur Mischformen finden. 32

Freiwilliges transmediales Erzählen

Das transmediale Erzählen auf freiwilliger Basis ist der Idealfall, oder wie Henry Jen-

kins in seinem Blog-Essay transmedia storytelling 101 schreibt: „Ideally, each individ-

ual episode must be accessible on its own terms even as it makes a unique contribution

to the narrative system as a whole.“33

Da sich hier die einzelnen Medien ergänzen, der Medienwechsel also ein Angebot, aber

keine Verpflichtung ist, kann sich der Rezipient völlig frei entscheiden, welcher Erzäh-

lung er folgen und damit auch, welche Medien er konsumieren will. Jedes Medium für

sich muss dabei autonom sein, d.h. eine in sich abgeschlossene Handlung erzählen, die

sich ihrerseits wiederum in den Kontext der Gesamterzählung einfügen lassen muss,

d.h. ein zu einem Film veröffentlichtes Spiel muss für sich stehen können und vice ver-

sa, während der Konsum beider Medien eine ausführlichere Narration ergibt, die über

das jeweils separate Medium hinausgeht. Die sich aus allen Medien ergebende Narrati-

on stellt hierbei einen Mehrwert dar, deren Nichtkenntnis durch mangelndes Wissen um

die Erzählung des anderen Mediums nicht als Nachteil wahrgenommen werden darf,

deren Kenntnis aber wiederum überzeugend genug sein muss, dass sich die Rezipienten

diesen anderen Medien ebenfalls zuwenden.

Am Beispiel einer fiktiven Geschichte soll dies zum besseren Verständnis verdeutlicht

werden. Man stelle sich vor, man habe ein Medium A, sagen wir ein Buch. Dieses Buch

erzählt die Geschichte eines jungen Mannes namens Peter, der sich ein Fahrrad kauft.

Die Narration ist innerhalb dieses Mediums A in sich abgeschlossen und damit auto-

nom. Will man diese Erzählung um Peter und sein Fahrrad nun zu einer freiwilligen

transmedialen Erzählung machen, führt man ein Medium B ein, z.B. einen Film, der

Peters Fahrradtour nach Frankreich erzählt. Die Narration des Films ist ebenfalls in sich

32 Aus diesem Grund muss auch auf die Berücksichtigung einer relevanten Differenzierung im theoreti-schen Teil dieser Arbeit verzichtet werden, die Long als weitere Kategorien für die Unterscheidbarkeit transmedialer Narrationen einführt. Seinen Ausführungen folgend, muss zwischen bereits als solchen angelegten und direkt realisierten (Long nennt diese Kategorie hard), bereits als solche gedachten, aber erst später umfassend realisierten (chewy) und ursprünglich nicht so gedachten, später erst dazu geworde-nen (soft) Franchises unterschieden werden.

33 http://henryjenkins.org/2007/03/transmedia_storytelling_101.html

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geschlossen und zu ihrem Verständnis ist es nicht zwingend notwendig, die Vorge-

schichte des Fahrradkaufs aus dem Buch zu kennen. Die beiden Medien verhielten sich

folglich so zueinander:

Beide Medien können separat für sich rezipiert werden, man kann sie jedoch nachei-

nander lesen, wobei die Reihenfolge den persönlichen Präferenzen entspricht: Liest man

gerne non-lineare Erzählungen, kann man zunächst den Film und dann das Buch lesen

und vice versa. Die Summe der Narrationen beider Medien ergibt die transmediale Er-

zählung, deren Motor hier der Charakter ist: Weil die Menschen mehr von Peter wissen

möchten, sich tiefergehend mit ihm auseinandersetzen wollen, beginnen sie nach dem

einen auch das andere Medium zu konsumieren.

Nimmt man nun an, dass Peters Frankreichurlaub etwas länger geworden ist und des-

halb in zwei Filmen wiedergegeben werden muss und hat außerdem ein paar Tage nach

dem Urlaub eine Freundin kennengelernt, wie eine CD mit Liebesliedern (Medium C)

berichtet. In dem Falle muss man die Grafik wie folgt erweitern:

Während die beiden Filme (Medium B1, B2) direkt aufeinander aufbauen und man die

sich auf beide Filme erstreckende Narration nur dann verstehen kann, schaut man sie

linear hintereinander, stehen alle drei Medien in einem freiwilligen Verhältnis zueinan-

der. Der Konsum aller drei Medien ist nicht notwendig, will man lediglich die Narration

der einzelnen Medien verstehen; der Konsum aller Medien hingegen bietet aber einen

massiven Mehrwert, der über die drei Einzelnarrationen herausgeht: Aus Peter kauft ein

Medium C

Medium A

Medium B

Medium A

Medium B2 Medium B1

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Fahrrad, Peter macht Urlaub in Frankreich und Peter verliebt sich wird die große,

transmedial angelegte Narration Das Leben von Peter.

Erzwungenes transmediales Erzählen

Wie die Bezeichnung dieser Kategorie bereits impliziert, handelt es sich hierbei um eine

erzwungene transmediale Rezeption, d.h. der Rezipient wird durch die Struktur der Nar-

ration dazu genötigt, sämtliche Ergänzungen zu konsumieren. De facto handelt es bei

dieser Form der transmedialen Erzählung um die simpelste Variante, da hier die Medien

nacheinander in einer bestimmten Reihenfolge konsumiert werden müssen, die Narrati-

on klar und eindeutig strukturiert ist und jedem Baustein explizit eine bedeutsame Rolle

in der Gesamtnarration zugewiesen wird. Long bezeichnet diese Form deshalb auch als

purest34, was allerdings nicht als qualitative Wertung verstanden werden darf.

Als im Jahr 2006 die australische Wissenschaftlerin Christy Dena in einem Blog-

Eintrag35 auf Henry Jenkins Idee des transmedia storytelling reagiert, ist es genau dieses

Konzept der erzwungen transmedialen Erzählung, das sie Jenkins entgegen hält. Da

Dena ihre Theorie als Gegenentwurf versteht, führt sie einen neuen Begriff in den

Transmedialitätsdiskurs ein, nämlich den der transfiction. Sie schreibt:

By transfiction I refer to stories that are distributed over more than one text, one medium. Each text, each story on each device or each website is not autonomous, unlike Henry Jenkins’ trans-media storytelling. In transfiction (a term to counter Jenkins’, though they should be the other way around!), the story is dependent on all the pieces on each medium, device or site to be read/experienced for it to be understood. Basically, no single segment will be sufficient.36

Long wiederum erkennt in Denas Ausführungen keinen im Widerspruch zu Jenkins

stehenden Gegenentwurf, sondern versteht beide Konzepte als die beiden Seiten einer

Medaille und folgert, „that Dena’s transfiction is actually a subset of Jenkins’ transme-

dia storytelling“37, woraufhin er den Terminus transfiction als Bezeichnung für eine

erzwungene transmediale Erzählung übernimmt. Dieser Schritt stellt jedoch eingedenk

der ohnehin schon vorhandenen Verwirrung bei der konkreten Begriffsfindung für

transmediale Phänomene ein massives Problem dar, wird der Begriff der transfiction

34Long (2007), S.163 35 Blog ist ein sogenanntes Portmanteau aus dem Begriff web log und beschreibt eine Art Tagebuch oder Journal im Internet. Autoren solcher Blogs, sogenannte blogger, schreiben dabei über alles, was sie inte-ressiert. Einige Autoren haben sich mit ihren Blogs auf bestimmte Themen spezialisiert, was vor allem in den USA dazu führte, dass sich Blogs vor allem in den USA als publizistisches Medium etabliert haben. 36 http://www.cross-mediaentertainment.com/2006/01/writing-predictions-for-the-next-decade/ 37 Long (2007), S. 18

Page 15: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Formen des transmedialen Erzählens

14

doch bereits in der digitalen Kunst benutzt. Die Art and Science Collaboration38,

schreibt dazu auf ihrer Homepage:

Transfiction is designed for mixing synthetic and natural images in real time and allows one to interact in these input/output screens. Transfiction is a system for intuitive interaction in a non-obtrusive manner, allowing one to develop a novel media, accumulating the representation knowledge of previous media, such as cinema, performance, theatre.39

Dieses von zwei belgischen Künstlern um die Jahrtausendwende entwickelte Konzept

ist zwar für sich genommen ebenfalls transmedial, aber es unterscheidet sich massiv von

der Form der transmedialen Narration, die Dena und Long mit dem Begriff der transfic-

tion kategorisieren wollen. Aus diesem Grund muss der Begriff transfiction abgelehnt

und eine neue Bezeichnung gefunden werden. Aus rein pragmatischen Überlegungen

scheint mir das Gegensatzpaar gezwungen/freiwillig, bzw. forced/optional am sinn-

vollsten zu sein.

Will man das erzwungene transmediale Erzählen an einem Beispiel verdeutlichen, so

wäre folgendes Setting denkbar: Medium A, ein Film, beginnt mit einem retrospektiven

Szenario: In ferner Zukunft sitzt Peter seinen Kindern gegenüber und will ihnen nun

erzählen, wie er ihre Mutter kennengelernt hat. Der Film schildert die ersten Tage seines

Frankreichaufenthaltes bis zu einem Unfall. Daran knüpft ein Roman an (Medium B),

der Peters Genesung und Rückkehr nach Deutschland thematisiert. Erst Medium C, eine

kurze TV-Serie, beantwortet die in Medium A gestellte Frage nach dem Kennenlernen

zwischen Peter und der späteren Mutter seiner Kinder. Dieses Konzept transmedialen

Erzählens, bei dem die Medien aufeinander aufbauen und in einer bestimmten Reihen-

folge rezipiert werden müssen, lässt sich wie folgt darstellen:

38 Eine 1988 gegründete Künstlervereinigung, die sich als Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft versteht. 39 http://www.asci.org/artsci2002/artworks/Saturday/transfiction.htm

Medium A Medium B Medium C

Page 16: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Formen des transmedialen Erzählens

15

Das Matrjoschka-Prinzip

Eine der wohl ältesten Formen des transmedialen Erzählens scheint der Einbau einer

Grafik oder einer Abbildung in einen Text, sowie die Erweiterung eines Textes um eine

Illustration zu sein. Das jedenfalls sind die Überlegungen von David Bordwell, die er in

seinem Blog-Essay Now leaving from platform 140 aufstellt. Dort schreibt er:

The second condition of transmedia storytelling is, of course, that it crosses media. Genette considers drama and written literature to be all part of the same medium, but if you don’t, then novels turned into plays, like Les Miserables, would count as transfers across media.

In this sense, transmedia storytelling is very, very old. The Bible, the Homeric epics, the Bhagvad-gita, and many other classic stories have been rendered in plays and the visual arts across centuries. There are paintings portraying episodes in mythology and Shakespeare plays.

Wie bereits im ersten Kapitel dieses Abschnitts erwähnt, ist die simple Übertragung

einer Narration in ein anderes Medium kein transmediales Erzählen. Die Geschichte um

den Sträfling Jean Valjean wird nicht dadurch transmedial, weil Claude-Michel Schön-

berg und Alain Boublil den Roman Les Misérables von Victor Hugo in ein Musical

umformen und dadurch den Inhalt aus dem Medium „Buch“ in das Medium „Musical“

transportieren. Um die Erzählung transmedial zu gestalten, hätten Schönberg und

Boublil z.B. eine Fortsetzung oder eine Vorgeschichte zu Hugos Roman schreiben müs-

sen. Ähnliches gilt für Zeichnungen, Abbildungen und Gemälde, die lediglich auf ihre

Art den Inhalt eines Textes wiedergeben. Sei es die technische Zeichnung eines Otto-

Motors neben dem entsprechenden Lexikoneintrag oder die Illustrationen Gustave

Dorés zu John Miltons Paradise Lost: Nur weil zwei Medien miteinander kombiniert

werden und Bezüge zwischen ihnen bestehen, entsteht dadurch nicht gleich eine trans-

mediale Erzählung. In den meisten Fällen sind sie simple Adaptionen. In den meisten

Fällen? Ja, denn denkt man Bordwells Ansatz weiter, stößt man bei manchen Fällen

von Bild-Text-Kombinationen tatsächlich auf eine Art transmedialen Erzählens.

Dabei ist es völlig unerheblich, ob die jeweilige Grafik in einem direkten Zusammen-

hang mit der Narration des Textes steht oder nicht, denn der Kontext, in dem die Abbil-

dung steht, determiniert selbige als narratives Element: Zwischen Bild und Text wird

durch den Rezipienten automatisch ein Sinnzusammenhang hergestellt, auch wenn die

Anordnung beider Elemente völlig willkürlich ist41. Allerdings bildet diese arbiträre

40 http://www.davidbordwell.net/blog/?p=5264 41 Ein besonders bekanntes Beispiel dafür ist Die Aufstellung des I. FC Nürnberg vom 27. I. I968 von Peter Handke, eine typische Fußballaufstellung, die durch den Kontext eines Gedichtbandes selbst zur Dichtung wird.

Page 17: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Formen des transmedialen Erzählens

16

Verbindung von Text und Bild eher die Ausnahme; gebräuchlicher ist die kommentie-

rende, extradiegetische Illustration, die in einem direkten, kausalen Zusammenhang

zum Text steht und hier bestimmte, den Text kommentierende Funktionen übernimmt,

wie z.B. eine satirische Brechung. Entscheidend für die Kategorisierung als transmedia-

le Erzählung ist die Einlösung von Jenkins‘ Forderung nach einer Erweiterung der Nar-

ration. Das berühmte Bild des armen Poeten von Carl Spitzweg neben einem positiv

formulierten Gedicht über die Arbeit als Poet ist eine Erweiterung der Narration, denn

sie kontrastiert das Gedicht und erweitert so die Erzählung um eine mögliche Realität,

die das Gedicht als Wunschdenken entlarvt. Die Kombination des gleichen Bildes mit

einem Gedicht gleicher Aussage ist indes simple Adaption.

Transmediales Erzählen ist also nicht nur die bloße Kombination zweier separater Me-

dien und ihrer jeweiligen Narrationen miteinander zu einer großen, zwischen den Medi-

en wechselnden Erzählung, sondern auch die Narration, die sich als Folge eines im

Kontext des Mediums A (Text, Bewegtbild) eingefügten Mediums B (Abbildung,

Standbild) ergibt. Obwohl dieses wohl am ehesten an eine Matrjoschka erinnernde Prin-

zip eine Abhängigkeit des eingefügten Mediums vom Kontext stiftenden Medium sug-

geriert, findet sich hier trotzdem kein Abhängigkeitsverhältnis, in der die sich die ein-

zelnen Elemente der transmedialen Erzählung nach ihrer Wichtigkeit ordnen und sich

Aussagen wie z.B. „das Bild ist weniger wichtig als der Text“ treffen lassen, denn steht

z.B. ein einzelnes Bild am Ende eines Textes in einem ironischen Widerspruch zu des-

sen Aussage, so gewinnt dieses einzelne Bild an immenser Bedeutung. Insofern muss

man den in diesem Verschachtelungsprinzip genutzten Medien grundsätzlich eine

gleichwertige Bedeutung zusprechen, womit sie sich radikal von den separat rezipierten

Medien innerhalb einer transmedialen Erzählung unterscheiden, deren jeweilige Bedeu-

tung dadurch determiniert wird, ob der Wechsel zwischen den Medien notwendig ist

oder freiwillig geschieht.

Medium A

Medium A1 Medium B

Page 18: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Wie funktioniert transmediales Erzählen bei Heroes?

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Wie funktioniert transmediales Erzählen bei Heroes?

Heroes ist – neben Matrix – das erste Franchise, das beinahe die gesamte Bandbreite

moderner Medien nutzt, um eine transmediale Narration zu entwickeln: Von der Fern-

sehserie über die Web-Comics, von MySpace-Seiten bis hin zu einem Alternate Reality

Game (ARG) reicht die bestehende Palette. Dazu kommen noch geplante, aber nie reali-

sierte Projekte wie z.B. Heroes: Origins, eine für die Pause zwischen der zweiten und

dritten Staffel geplante Mini-Serie, die sechs Folgen mit je einem neuen Charakter um-

fassen sollte. Ähnlich wie bei Casting-Shows wie American Idol (bzw. Deutschland

sucht den Superstar) sollten die Zuschauer am Ende darüber entscheiden, welcher der

sechs neuen Charaktere fester Bestandteil der kommenden Staffel werden sollte. Die

Produktion dieses Ablegers scheiterte letztlich am Autorenstreik (siehe dazu auch das

Kapitel …war das Beispiel), aber er verdeutlicht die zahlreichen transmedialen und in-

teraktiven Ansätze, die Serienschöpfer Tim Kring und sein Team für die Serie ange-

dacht hatten und auch vielfach realisieren konnten.42 Gerade deshalb – und wegen sei-

ner Komplexität – eignet sich Heroes als besonders gutes Beispiel für transmediales

Erzählen, auch wenn es sicherlich nicht das Ideal einer solchen Narration ist, stellt die

Serie doch eine Mischform zwischen erzwungener und freiwilliger transmedialer Re-

zeption dar. Autonom und damit separat rezipierbar ist lediglich die im Fernsehen aus-

gestrahlte Serie. Wie im Folgenden dargelegt wird, sind sämtliche transmedialen Ergän-

zungen an die Fernsehserie gebunden, weshalb ich diese Ergänzungen als sekundäre

Medien, die Fernsehserie als Urtext bezeichnen werde.

42 Zwischen der zweiten und dritten Staffel begann NBC auf seiner Homepage mit der Ausstrahlung so-genannter Webisodes , d.h. online veröffentlichte Folgen weniger Minuten Länge. Darüber hinaus gab es noch eine Reihe von Veröffentlichungen, die als Blick hinter die Kulissen nicht die Erzählung vorantrie-ben, aber das Franchise bekannter machten. Dazu gehört ein zwölfteiliges Magazin, eine von der BBC produzierte Dokumentation mit dem Titel Heroes Unmasked, die in 46 Episoden von unterschiedlicher Länge in Großbritannien im Anschluss an die Folgen der ersten, zweiten und dritten Staffel ausgestrahlt wurde. Begleitet wurde diese Doku von einer Radioshow auf BBC7. NBC indes konterte mit The Post Show, einer interaktiven Sendung, bei der Zuschauer über Live-Chats im Internet mit Schauspielern und Machern der Serie diskutieren konnten. NBC begann dieses Format Anfang November 2007 auszustrah-len. Aufgrund des Autorenstreiks und der dadurch verkürzten zweiten Staffel wurde diese Sendung nach sechs Folgen wieder eingestellt.

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Wie funktioniert transmediales Erzählen bei Heroes?

18

Die Serie

Wie bereits im Kapitel …war das Beispiel erwähnt, umfasst die Serie in ihrer ersten

Staffel 23 Folgen und einen Cast von insgesamt zwölf zentralen Charakteren, denen

weitere Figuren zur Seite gestellt werden. Die wöchentlich ausgestrahlte Serie ist rein

seriell, d.h. sämtliche Handlungsstränge der einzelnen Folgen bauen auf die jeweils vo-

rangegangenen Folgen auf. Episodische Tendenzen lassen sich selbst dort nicht finden,

wo die weitestgehend linear erzählte Serie aus der Linearität ausbricht und z.B. die Zu-

kunft portraitiert.43 Die Serie umfasst eine in sich kohärente, nachvollziehbare und ab-

geschlossene Erzählung, auch wenn sie mit einem Cliffhanger zwischen erster und

zweiter Staffel endet. Die Serie ist somit autonom und kann für sich alleine stehen. Eine

Kombination mit anderen Medien ist zum Verständnis der Serie nicht erforderlich.

Die Comics

Die über den Internetauftritt des Fernsehsenders NBC kostenlos als PDFs zunächst am

Tag der Ausstrahlung, später dann am darauffolgenden Tag veröffentlichten Comics

umfassen in ihrer digitalen Form zwischen sieben und acht Seiten. Die erste Seite stellt

dabei bei allen PDFs eine im grafischen Stil der Comics gehaltene Autowerbung dar,

die zweite Seite fungiert als bei allen Comics einheitlich gestaltetes Titelblatt, auf dem

neben Kapitelnummer und Titel auch schriftliche Kurzzusammenfassungen des jeweili-

gen Comics mit abgedruckt sind. Die gedruckte Form, die die ersten 32 Comics (und

damit auch die nach Ende der ersten Staffel weiterhin im Wochentakt veröffentlichten

Folgen) enthält, unterscheidet sich jeweils nur in diesen ersten beiden Seiten von den

Web-Comics: Während die Autowerbung ersatzlos gestrichen wurde, wurden die Titel-

blätter durch Cover der fiktiven Comic-Reihe 9th Wonders ersetzt.

Diese Comic-Reihe spielt eine zentrale Rolle in Heroes, da sie von einem Künstler ge-

zeichnet wird, der in einem Trance-artigen Zustand die Zukunft malen kann. Bei den in

der gedruckten Fassung der Comics als Cover verwandten Bildern handelt es sich um

43 So spielt zwar z.B. die 20. Folge „Five Years Gone“ in der Zukunft (und zwar fünf Jahre nach den möglichen Ereignissen der 23. Folge) und scheint zunächst aus dem üblichen seriellen Schema auszubre-chen, aber wie sich im weiteren Verlauf sowohl der Folge als auch der Serie herausstellen wird, ist der Blick in die Zukunft die Zeitreise zweier Charaktere, die alternierende Realitäten erkunden.

Folge 1 Folge 2 Folge 23 Folge 22

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Wie funktioniert transmediales Erzählen bei Heroes?

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eben jene gemalten Zukunftsvisionen, die teilweise in einem eher indirekten Bezug zur

jeweils darauf folgenden Geschichte stehen. Als eigentliches Titelblatt der jeweiligen

Folgen (oder Chapters) fungieren indes die willkürlich gesetzten, aber in jeder einzel-

nen Folge auftauchenden Splashpages44, die diese Funktion bereits in der Web-Version

inne hatten.

Die Besonderheit an den Comics ist nun, dass sie teilweise serieller, teilweise episodi-

scher Natur sind. So sind z.B. die ersten zwölf Comics Einzelerzählungen, die jeweils

für sich gelesen werden können, während die Comics 13 bis 16 eine narrative Einheit

bilden. Doch nicht nur die einzelnen Ausgaben der Comics sind nicht autonom und

können für sich stehen, die Comics an sich sind es ebenfalls nicht. Die jeweiligen narra-

tiven Einheiten sind nicht abgeschlossen, sondern beziehen sich auf die Narration der

Serie, indem sie z.B. Lücken zwischen zwei Szenen füllen. Doch die Funktion der Co-

mics besteht nicht allein darin, bestimmte Aspekte zu thematisieren, die auf Grund der

zeitlichen Limitierung des Formats TV-Serie in selbigem nicht angesprochen werden

konnten, sondern sie fungiert auch zeitlich als Vertiefung der Mythologie der Serie und

erklärt Hintergründe zu Ereignissen, die weit vor der in der TV-Serie erzählten Zeit lie-

gen. Diese Funktion als vertiefendes Element führt dazu, dass die Rezeption der Comics

an die Rezeption der Serie gebunden ist, d.h. man kann zwar die Serie verstehen ohne

die Comics zu kennen, aber man kann nicht die Comics verstehen, kennt man die Narra-

tion der Serie nicht.

Dadurch charakterisiert sich die transmediale Erzählweise innerhalb der beiden Pole

Comic und Serie als die zwischen Urtext und Sekundärmedium45: Die Entscheidung, ob

ich als Rezipient jenseits des Urtextes weitere Sekundärmedien konsumieren möchte, ist

optional. Konsumiere ich jedoch das Sekundärmedium, werde ich auf Grund seiner

strukturellen Beschaffenheit dazu gezwungen auch den Urtext zu lesen:

44 Bei einem Comic sind die Seiten für gewöhnlich in einzelne Kästen (panels) unterteilt. Will man jedoch bestimmte Details hervorheben, kann ein Panel so vergrößert werden, dass es den gesamten Raum der Seite einnimmt und als einzelnes Panel auf einer Seite steht. Diese Seite nennt man Splashpage. 45 Long spricht in seiner Arbeit, kommt er auf solche Abhängigkeitsverhältnisse zu sprechen, von Hypotext und Hypertext. Diese Begriffe von Gérard Genette und eine Auseinandersetzung mit ihnen fin-den in der vorliegenden Arbeit keine Erwähnung, da die Beschäftigung mit ihnen den gestatteten Umfang dieser Arbeit massiv übersteigen würde.

Page 21: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Wie funktioniert transmediales Erzählen bei Heroes?

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Diese Grafik ist eine extreme Vereinfachung gegenüber dem tatsächlichen Verhältnis

zwischen Comics und Serie, da sie die komplexen Zeitbezüge nicht berücksichtigt. Eine

genauere, schematische Darstellung findet sich im Anhang dieser Arbeit.

MySpace

Im Jahr 2003 gegründet, entwickelte sich MySpace schnell zu einem der ersten großen

und äußerst erfolgreichen social networks. Neben Bands und Künstlern können sich

auch „normale“ Internetnutzer auf der Plattform anmelden, Profile anlegen und sich mit

anderen Menschen aus der ganzen Welt verbinden. Neben der Möglichkeit auf Basis

gemeinsamer Interessen neue Menschen kennen zu lernen, Bilder hochzuladen und

Nachrichten zu verschicken, bietet MySpace auch ein Blog-System an, das hier aller-

dings mehrheitlich durch die meist jugendlichen User als digitales und öffentliches Ta-

gebuch genutzt wird.

Am 14. Juli 2006 – und damit gute zwei Monate vor Ausstrahlung der Pilotfolge – tra-

ten die beiden befreundeten Teenager Claire und Zach dem MySpace-Netzwerk bei. Bei

beiden Teenagern handelt es sich um Charaktere aus Heroes: Claire ist Cheerleaderin

und verfügt über die Fähigkeit, sich selbst zu heilen. Innerhalb der Heroes-Narration

nimmt sie eine Schlüsselposition ein, die auch durch den Untertitel der Serie – Save the

cheerleader. Save the world. – unterstrichen wird. Zach indes verfügt über keine beson-

deren Fähigkeiten, ist aber einer der wenigen, die von Claires Fähigkeiten wissen. Zach

ist auch der Regisseur einiger Videos, die er zusammen mit Claire inszeniert hat. Wäh-

rend Claire sich auf ihrer MySpace-Seite fast ausschließlich mit ihrer Beziehung zu

Zach auseinander setzt und damit nur bedingt zur Narration beiträgt, thematisiert Zach

auf seiner Seite in einem Eintrag vom 28. September 200646 den Verlust oben erwähnter

Videos. Ein Vorfall, der die Narration der darauf folgenden Episoden der TV-Serie

maßgeblich beeinflussen wird.

46http://blogs.myspace.com/index.cfm?fuseaction=blog.view&friendId=93369615&blogId=173394228

TV-Serie

Comic

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Wie funktioniert transmediales Erzählen bei Heroes?

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Ähnlich wie bereits die Comics, steht die Narration der MySpace-Seiten in einem Ab-

hängigkeitsverhältnis zur Serie: Die Einträge von Claire und Zach kann man nicht einer

Narration zuordnen, kennt man die Serie nicht. Andersrum ergibt sich für den Rezipien-

ten beider Medien ein Mehrwert im Sinne der Spannungssteigerung: Während die Kon-

sumenten der Serie erst mit der Ausstrahlung vom 2. Oktober 2006 über den Verlust der

Videos informiert wurden, konnten Rezipienten der transmedialen Erzählung bereits

seit vier Tagen um den Verbleib der Videos bangen.

Grundsätzlich ergibt sich also für das Verhältnis MySpace zu Serie das gleiche Verhält-

nis wie für Comic zu Serie:

Im Gegensatz jedoch zu den Comics, eignet sich das Beispiel MySpace hervorragend,

um die Grenzen transmedialen Erzählens aufzuzeigen: Heroes ist eine Serie, bei der

Erzählzeit und erzählte Zeit massiv divergieren. Die erzählte Zeit der ersten Staffel der

Serie umfasst einen Zeitraum, beginnend am 1. Oktober 200647, der etwa fünf Wochen

später, am 8. November 200648, endet. Die Ausstrahlung der Serie begann am 25. Sep-

tember 2006 und endete am 21. Mai 2007.49

In einem MySpace-Blogeintrag vom 4. Dezember 200650 beschäftigt sich Zach mit ei-

nem Mord während des Homecoming-Spiels seiner Schule. Damit bezieht er sich direkt

auf die Handlung der am gleichen Tag ausgestrahlten Folge Fallout von Heroes, die

ihrerseits eine direkte Fortsetzung der zwei Wochen zuvor ausgestrahlten Folge

Homecoming darstellt. Innerhalb der von Fans zusammengestellten und nach gründli-

cher Recherche als zumindest für die ersten beiden Staffeln als zutreffend klassifizierten

Chronolgie der Ereignisse in Heroes51 sind die Ereignisse der Folge Homecoming auf

den 10. Oktober 2006, die aus der Folge Fallout auf den 11. Oktober 2006 zu datieren.

Die transmediale Erzählung bricht hier – weil sie der Logik der TV-Ausstrahlung folgen

47 http://heroeswiki.com/Timeline:October_2006 48 http://heroeswiki.com/Timeline:November_2006 49 http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Heroes_episodes 50 http://blogs.myspace.com/index.cfm?fuseaction=blog.view&friendId=93369615&blogId=201304193 51 Auf Grund zahlreicher alternativer Realitäten und Zeitreisen und -sprünge ist es nahezu unmöglich eine wirklich in sich konsistente Chronologie zu schreiben. Die hier genutzten Daten entsprechen lediglich dem allgemeinen Konsens.

MySpace

TV-Serie

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Wie funktioniert transmediales Erzählen bei Heroes?

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will – aus der Logik der Narration selbst aus und verdeutlicht damit unbeabsichtigt ihre

eigene Fiktionalität.

Zwar stimmt die transmediale Narration beider Medien in ihrer Erzählzeit überein (d.h.

beide Medien erzählen zum selben Zeitpunkt dieselbe Handlung), jedoch entwickeln

sich dadurch massive Widersprüche zur erzählten Zeit, die zwar in klassischen Erzähl-

medien wie dem Buch, dem Film oder eben der Fernsehserie im Sinne der suspension of

disbelief hingenommen werden, die aber bei der Übertragung solcher Narrationen auf

Echtzeitmedien wie das Internet verwirrend wirken. Ein Problem, das wohl letztlich

auch die Macher realisiert haben: Die letzten Blogeinträge auf den MySpace-Seiten von

Claire und Zach stammen von Anfang Dezember 2006 und damit aus dem narrativen

Zwischenraum zwischen der ersten und zweiten Staffel.

Heroes 360/Heroes Evolutions

Am 19. Januar 2007 veröffentliche NBC eine Pressemitteilung52, in der sie den Start

einer digitalen Erweiterung ihrer Serie Heroes für die drei Tage später anstehende Wie-

deraufnahme der ersten Staffel nach der Winterpause ankündigte. Die zu der Zeit noch

Heroes 360 genannte53 Erweiterung folgt dabei in Grundzügen den Prinzipien eines

Alternate Reality Games.54

Beginn des Spiels war die zwölfte Folge der ersten Staffel, Godsend, in der die Visiten-

karte von Josh Bennet zu sehen ist. Bennet, Adoptivvater der über Selbstheilungsfähig-

keiten verfügenden Claire, ist einer der (scheinbaren) Antagonisten der Serie. Er arbeitet

für The Company, einem privaten Forschungsunternehmen, das – im Schatten agierend

– die Superhelden überwacht, studiert und so zu Erkenntnissen über den Ursprung ihrer

Fähigkeiten gelangen will. The Company schützt sich und ihre Strukturen durch Tarn-

52 http://www.thefutoncritic.com/news.aspx?id=20070119nbc01 53 Die Umbenennung in Heroes Evolutions erfolgte erst mit Beginn der zweiten Staffel. 54 Ähnlich wie das transmediale Erzählen ist auch das Konzept eines solchen ARG noch relativ jung, weshalb seine genaue Definition umstritten ist. Dennoch lässt sich zumindest festhalten, dass ARGs mul-timedial angelegte Spiele sind, die fiktive Narrationen mit real Erlebbarem kombinieren (z.B. indem man in der fiktiven Narration eine Telefonnummer entdeckt, die man in der Realität anrufen kann). Durch diese Verbindung will das ARG erreichen, dass es nicht mehr als Spiel, sondern als (alternative) Realität wahrgenommen wird. Der Spielverlauf ist gekoppelt an die Bereitschaft der Spieler bestimmte Medien zu nutzen und variiert damit von Person zu Person (Eine nur die internetbasierten Inhalte „spielende“ Person wird eine andere Form des Spielerlebnisses haben als eine Person, die webbasierte, aber auch andere Kommunikationsmedien nutzende Inhalte konsumiert). Aus diesem Grund sind auch ARGs nicht linear, sondern eher netzartig strukturiert. Das Ziel des Spiels besteht darin, dieses Netz nach und nach zu erkun-den.

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Wie funktioniert transmediales Erzählen bei Heroes?

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firmen. In der ersten Staffel ist dies die Primatech Paper Company, deren Chef Josh

Bennet ist.

Über die Informationen auf der Visitenkarte Bennets, die eine Telefonnummer und eine

Internetadresse enthielten, konnten die Zuschauer in Kontakt mit dieser Tarnfirma tre-

ten. Während ein Anruf bei der Telefonnummer der Firma zunächst zu einer die Narra-

tion betreffenden Informationen führte, wurde diese später durch eine Art Radiower-

bung eines Autoherstellers ersetzt. Über die Internetseite55 erfuhr man die Telefonnum-

mer eines SMS-Dienstes und eine Code-Wort, das man als Textnachricht an diese

Nummer schicken sollte. In der darauf folgenden Antwort-SMS befanden sich weitere

Hinweise, mit denen man sowohl Zugang zu einer WAP-basierten56 Version der

Primatech-Internetseite erhielt als auch dort (und auf der PC-basierten Internetseite)

bestimmte Bereiche freischalten konnte, unter anderem einen Persönlichkeitstest für

einen Job bei Primatech. Absolvierte man diesen und trug sich auf eine Mailing-Liste

ein, wurde man am 29. Januar 2007 (also sieben Tage nach Start des ARG) von Hanna

Gitelman via E-Mail (bzw. in dem WAP-System via SMS) kontaktiert, einer Superhel-

din, deren Fähigkeit das Auslesen elektronischer Datenübertragungen ist. In der Serie

nur Randfigur57 taucht sie relativ häufig in den Comics auf und übernimmt im ARG so

etwas wie die Rolle der Protagonistin. Gitelmans Mail wiederum enthielt Verweise auf

ihr Blog,58 das wiederum auf das Forschungsprojekt Activating Evolution59 verwies.

Dieses fiktive Projekt wurde von Dr. Shandra Suresh initiiert, dessen Tod den Aus-

gangspunkt für die Handlung der TV-Serie darstellt, und dessen Weiterführung durch

seinen Sohn Mohinder Suresh zentrales Thema des Heroes-Universums ist.

Über den Internetauftritt dieses Projekts, das Blog von Hanna Gitelman und zahlreicher

weiterer Verknüpfungen wurde das Heroes 360/Heroes Evolutions-Universum auch

über das Ende der ersten Staffel hinaus fortgesetzt und führte unter anderem Charaktere

ein, die Gegenstand der bereits erwähnten Webisodes waren.

55 http://www.primatechpaper.com/ 56 WAP = Wireless Application Protocol. Eine Technik, um mit Mobilfunkgeräten Zugang zum Internet zu erhalten. 57 Zwar bringt ihr kurzer Auftritt auch die Handlung voran, doch im Grunde übernimmt sie mit ihrem Auftritt in der TV-Serie die Funktion Serie, Heroes 360 und Comics miteinander zu verbinden. Siehe dazu auch das Interview von Christian Heinke mit Felix Raczkowski im Rahmen einer Sondersendung des von ihnen und mir produzierten Podcasts TV Watchdog: http://tvwatchdog.podspot.de/post/tv-watchdog-10-transmediale-erzahlung/ 58 http://www.samantha48616e61.com/ 59 http://activatingevolution.org/index.shtml

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Wie funktioniert transmediales Erzählen bei Heroes?

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Eine vereinfachte schematische Darstellung des Verlaufs von Heroes 360 sähe dement-

sprechend so aus:

Innerhalb der transmedialen Erweiterungen des Heroes-Franchises stellt Heroes Evolu-

tions aus zweierlei Gründen eine Ausnahme dar:

1.) Heroes 360 (und im Besonderen seine Fortführung als Heroes Evolutions) ist an

sich bereits eine transmediale Erzählung. Von einer in der TV-Serie gezeigten

Visitenkarte ausgehend, entwickelt sich eine Narration, die Telefonanrufe, E-

Mails, Blogs, NBCs Videoportal und zig weitere, für diese Narration geschaffe-

ne Websites miteinander verbindet und dabei die Handlung des Urtextes (d.h.

der Serie) um eine Vielzahl neuer Charaktere60, Hintergründe und Wendungen

erweitert.

2.) Heroes 360 ist in seiner Konstruktion als Alternate Reality Game ein Echtzeit-

spiel mit zeitlich begrenzter Möglichkeit zur Teilnahme. Dadurch, dass die Pro-

tagonisten der Handlung direkt mit dem Spieler in Kontakt treten und ihm Hin-

weise auf den Fortlauf der Handlung via Echtzeitmedien wie SMS oder E-Mail

zukommen lassen, kann man dieses Spiel nur zu einer durch den Rahmen des

Spiels festgelegten Zeit spielen.61 62

60 Eine Auflistung der durch Heroes Evolutions eingeführten Charaktere findet sich unter: http://heroeswiki.com/Portal:Evolutions_Characters 61 So gesehen fungierte die am 22. Januar 2007 online gegangene Primatech-Seite als Anmeldung zum Spiel (über die Bewerbungsseite für einen Job bei Primatech) und Tutorial (indem man die zum Auffin-den jener Bewerbungsseite benötigten Informationen nur durch ein erstes Probespielen mittels An-

Visitenkarte (TV-Serie)

Telefonnachricht Internetseite

SMS-Dienst

E-Mail SMS

Persönlichkeitstest/Mailingliste

Blog HG

Activating Evolution

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Wie funktioniert transmediales Erzählen bei Heroes?

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Diese Zeitlichkeit stellt ein Problem dieser transmedialen Ergänzung dar, denn obwohl

sie in inoffiziellen Archiven wie der Heroeswiki63 dokumentiert ist, ist sie lediglich

einmal als offizielle transmediale Ergänzung erlebbar. Genau diese zeitliche Begren-

zung wiederum beeinflusst sogar Aspekte des Urtextes. Als die Folge Godsend am 22.

Januar 2007 ausgestrahlt wurde, fanden sich auf der das ARG startenden Visitenkarte

Internetadresse und Telefonnummer der fiktiven Firma Primatech:

Als am 28. August 2007 (und damit fast drei Monate nach Beendigung des ARG) die

erste Staffel Heroes auf DVD veröffentlicht wurde, enthielt die Visitenkarte lediglich

noch die Adresse der bis heute existenten Internetseite der Primatech Paper Company:

Trotz des heiklen Aspekts der Zeitlichkeit stellen die transmedialen (und in sich wiede-

rum transmedialen) Ergänzungen Heroes 360 bzw. Heroes Evolutions eine sinnvolle

Erweiterung nach Jenkins und Long dar, denn die vermittelten, weiterführenden Infor-

ruf/SMS und darauf folgender Eingabe der dadurch erlangten Informationen auf der Internetseite bekam). Das Spiel begann mit einer Mail von Hana Gitelman am 29. Januar und endete am 31. Mai 2007 mit einer Mail/SMS, in der die Comics beworben wurden. Vgl.: http://heroeswiki.com/Hana%27s_messages/Season_One 62 Um für das Finale der Heroes 360-Erzählung zu werben, wurde die Teilnahme am 16. April noch ein-mal kurzfristig ermöglicht (siehe dazu auch S. 25) 63 Ein auf dem System der Wikipedia basierendes Fan-Lexikon und Archiv.

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Wie funktioniert transmediales Erzählen bei Heroes?

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mationen schließen durch den Zuschauer akzeptierte Lücken innerhalb der Narration der

TV-Serie und machen die genauen Zusammenhänge der world von Heroes begreif-

lich.64 Das Verhältnis zwischen TV-Serie und dieser Erweiterung ist identisch mit dem

der bereits erwähnten Erweiterungen:

Für das grundsätzliche Verständnis der Serie ist es nicht erforderlich, dass man als TV-

Zuschauer an dem transmedial angelegten Spiel Heroes 360 oder Heroes Evolutions

teilnimmt. Entscheidet man sich aber dafür, wird man mit einem enormen Mehrwert

„belohnt“, der weit über das hinaus geht, was die anderen transmedialen Ergänzungen

der Narration hinzufügen.

Darüber hinaus steht Heroes 360 in einer transmedialen Beziehung zu den einigen Aus-

gaben der Comics, da in diesen die Hintergrundgeschichte der Protagonistin der Heroes

360-Erweiterung, Hana Gitelman, erzählt wird. Diese freiwillige transmediale Erzäh-

lung verläuft zunächst nur in eine Richtung, nämlich vom ARG zu den Comics. Erst mit

einer Aufforderung zur Teilnahme in der am 16. April 2007 erschienen Ausgabe Call to

Arms, die letzter Teil der sechs Einzelausgaben der Comics umfassenden Erzählung

War Buddies war, wurde auch eine transmediale Erzählung von Comic zu ARG ermög-

licht. Im Gegensatz zur freiwilligen Narration von ARG zu den (einzelnen) Comics,

charakterisierte sich die Verschränkung Comic zu ARG als gezwungen: Der titelgeben-

de Ruf zu den Waffen ist eine Aufforderung an die Leser, sich Hana Gitelmans Kampf

anzuschließen. Das Ende dieser Narration bleibt deshalb in den Comics offen und wird

er erst im ARG fortgeführt. Vereinfacht dargestellt, ergibt sich folgendes Schema:

64 Eine Auseinandersetzung mit Leerstellen innerhalb einer Narration und ihrer Füllung durch transmedia-le Erzählungen findet sich im Kapitel Risiken der transmedialen Erzählung.

TV-Serie

Heroes 360

Comic A

Heroes 360

Comic B Comic C Comic D

Page 28: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Chancen der Transmedialität

27

Chancen der Transmedialität

Serielle Erzählungen

Besonders bei seriell strukturierten Franchises liegen die Vorteile des transmedia

storytelling klar auf der Hand: Aufgrund zeitlicher oder technischer Begrenztheit im

ersten Medium nur erwähnte, aber nicht erzählte story bzw. character arcs lassen sich

nachholen, noch offene Fragen sich klären und es ist möglich – sofern die Erzählung im

zweiten Medium zwischen zwei Erzählungen im ersten Medium erscheint, also z.B.

zwischen zwei Filmen oder zwei Staffeln – bereits im Vorgriff neue Protagonisten ein-

zuführen.

Zudem sollte der wirtschaftliche Aspekt nicht außer Acht gelassen werden: Ist das

Franchise besonders populär, so birgt das transmediale Erzählen zwei weitere Vorteile,

nämlich zum einen eine (in vielen Fällen) qualitativ hochwertige Erweiterung der übli-

chen Palette von Fanartikeln wie Spielzeug, etc. Zum anderen lässt sich die Lücke zwi-

schen zwei Erzählungen im ersten Medium besser überbrücken und das Franchise selbst

stärker im pop-kulturellen Gedächtnis verankern. Was heißt das? Die Ausstrahlung von

TV-Serien im US-amerikanischen Fernsehen ist geordnet durch die sogenannten televi-

sion seasons, auf deren historische Entstehung hier nicht weiter eingegangen werden

soll.65 Den (vor allem wirtschaftlich begründeten) Konventionen des US-Fernsehens

folgend, konnte die zweite Staffel Heroes erst mit Beginn der Season 07/0866 starten.

Derartige Zeitspannen, in denen sich der Zuschauer eventuell ein neues und damit der

ungestörten Rezeption der zweiten Staffel hinderliches Zeitmanagment aneignet67, müs-

sen irgendwie überbrückt, das Interesse an dem Franchise aufrecht gehalten werden.

Oftmals operieren TV-Serien dabei mit besonders spannenden Cliffhangern, die so

dramatisch zugespitzt sind, dass man sich auch nach vier [bei kürzeren Serien auch nach

sechs oder gar mehr] Monaten noch an sie erinnert.

65 Als Season bezeichnet man den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen in den USA jeweils komplette Serienstaffeln zum ersten Mal ausgestrahlt werden. Dieser Rahmen beginnt im September und endet – nach einer mehrwöchigen Unterbrechung von Mitte Dezember bis Mitte Januar – im Mai. Inwiefern eine Serie diesen Rahmen ausfüllt, ist dabei abhängig von der Episodenanzahl. Eine komplette Staffel Heroes, mit den für etliche Serien üblichen 23 Episoden, füllt diesen Rahmen zur Gänze aus. Dementsprechend lief die letzte Folge der ersten Staffel am 21. Mai 2007.

66 D.h. Mitte September 2007 und damit vier Monate nach Ende der ersten Staffel 67 Angesichts moderner Mediendistributionen wie DVD, Blu Ray oder iTunes und der verbesserten Auf-nahmetechniken wie Festplattenrecorder lässt sich dieser Punkt durchaus kontrovers diskutieren. Zur Zeit fehlen aber noch detaillierte Untersuchungen, die sich mit den veränderten Verhältnissen auseinanderset-zen. Siehe dazu auch: http://www.stoppress.co.nz/opinion/2010/06/television-and-the-ravages-of-time-shifted-viewing/

Page 29: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Chancen der Transmedialität

28

Auch Heroes endet mit einem Cliffhanger, allerdings ist dieser wenig dramatisch insze-

niert und folgt eher den üblichen Konventionen des Horrorfilms, in der am Ende die

Frage nach dem Sieg über den Antagonisten bewusst offen gehalten wird, als dass es

sich um einen über die Sommerpause hinweg tragenden Spannungsmoment handelt.68

Hier offenbart sich die geschickte Umsetzung des transmedialen Erzählens bei Heroes:

Im wöchentlichen Takt der Serie erschienen, eröffnen die begleitenden Webcomics dem

Publikum ein regelmäßiges Lektüreangebot. Durch die Unabhängigkeit vom Pro-

grammschema des US-amerikanischen Fernsehens können sie auch über das Staffelende

hinweg weiterhin im wöchentlichen Takt erscheinen und so das Interesse am Franchise

bei der anvisierten Zielgruppe über die Sommerpause hinweg aufrecht erhalten, was

sich auch an dem mit 14,12 Millionen Zuschauern recht guten Start der zweiten Staffel

in den USA ablesen lässt.69

Nicht unerwähnt bleiben sollte allerdings die sich durch die Serialität ergebende Gefahr

einer erzwungenen transmedialen Erzählung. Serielle Franchises, bei denen eine Hand-

lung von Veröffentlichung zu Veröffentlichung fortgesetzt wird, bieten sich zwar derge-

stalt für ein transmediales Erzählen an, dass hier jedes Medium auf dem anderen auf-

bauen würde und somit gewährleistet wäre, dass der Rezipient die Narration transmedi-

al konsumiert, allerdings ist dieser Zwang nicht im Sinne von Jenkins‘ Vorstellung ei-

nes transmedialen Erzählens, das sich für ihn wie folgt kennzeichnet: „Each franchise

entry needs to be self-contained so you don’t need to have seen the film to enjoy the

game, and vice versa.“70

Eine transmediale Erzählung innerhalb eines seriellen Franchises müsste sich daher ide-

alerweise dessen bedienen, was ich als Pseudo-Serialität bezeichnen würde. Damit mei-

ne ich eine Art Cliffhanger, der sich nicht auf die konkrete Kernerzählung, sondern auf

die dieser untergeordneten Aspekte der Handlung bezieht. Verdeutlichen lässt sich die-

ses Prinzip am Beispiel einer seriellen Krimiserie: Die im Medium A erzählte Handlung

um einen Mord und seine Aufklärung durch Kommissar X wird im gleichen Medium zu

einem Abschluss gebracht. Während der Mörder gefasst ist und auf seinen Prozess war-

68 Vor dem Hintergrund der enormen Intertextualität der Serie und der Einbindung verschiedener Genre-typen in die unterschiedlichen story arcs könnte diese genrespezifische Wendung sogar als in-joke ver-standen werden. Neben dem Cliffhanger gibt es noch eine weitere Vorausdeutung auf die zweite Staffel, die aber innerhalb der ersten Staffel im Sinne einer negative capability verstanden werden kann (siehe Kapitel Risiken der transmedialen Erzählung). 69 http://entertainmentnow.wordpress.com/2007/09/25/broadcast-tv-ratings-for-monday-september-24-2007/#more-2204 70 Jenkins (2006), S.98

Page 30: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Chancen der Transmedialität

29

tet, zeigen sich die Vorgesetzten des Kommissars X mit dessen Methoden unzufrieden

und suspendieren ihn vom Dienst. Medium B setzt nun genau dort an und erzählt davon,

wie der außer Dienst gestellte Kommissar als Privatdetektiv arbeitet, als solcher einen

besonders kniffligen Fall löst und sich dadurch am Ende rehabilitiert. Für das Verständ-

nis der Erzählungen beider Medien sind sowohl Suspendierung als auch spätere Rehabi-

litation völlig unerheblich. Die Erzählung um den als Privatdetektiv arbeitenden Ex-

Polizisten käme sogar ohne Rekapitulation der vorangegangenen Ereignisse aus. Die

Serialität wird durch die sich am Ende jeder Erzählung ergebenden Fragen hergestellt:

Dem „Was nun?“ aus Medium A stünde dabei ein „Was war denn da vorher los?“ aus

Medium B gegenüber. Beide Narrationen wären in ihrem Kern unabhängig und würden

sich dennoch (pseudo-)seriell zueinander verhalten.

Episodische Erzählungen

Denkt man über die Möglichkeiten nach, die das transmediale Erzählen in episodischen

Franchises offeriert, so fällt auch hier wieder die Chance der Vermittlung von weiter-

führenden Hintergrundinformationen auf. Dabei kann die Erzählung im zweiten Medi-

um entweder selbst episodisch oder seriell gestaltet sein. Wäre die im Abschnitt Serielle

Erzählungen erwähnte Kriminalerzählung um Kommissar X im Medium A episodisch

strukturiert und würde mit einem case of the week operieren, könnte z.B. Medium B

(unter Verzicht auf die Autonomie dieser Ergänzung) den Fall durch ein populärwissen-

schaftliches Magazin vertiefen und wäre damit ebenfalls episodisch.71 Eine serielle

Strukturierung des ergänzenden Mediums könnte indes die sich durch den Beruf des

Polizisten ergebenden privaten Probleme und Belastungen thematisieren. Letztere Mög-

lichkeit wäre unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht uninteressant, stiftet

Serialität doch immer eine größere Bindung zum Franchise72 und könnte so die Konsu-

71 Als weiteres, konkretes Beispiel für episodische Erzählungen, die transmediale um episodische Erzäh-lungen ergänzt werden, sei hier Little Monk angeführt. Diese auf der Internetseite des Fernsehsenders USA Network verbreitete Serie beschäftigt sich in Folgen weniger Minuten Länge episodisch mit der Kindheit von Adrian Monk, dem Protagonisten der Krimiserie Monk. 72 Umberto Eco bezeichnet in seinem Aufsatz „Serialität im Universum der Kunst und der Massenmedi-en“ episodische und damit die immer gleichen Schemata wiederholenden Formate als ‚Trost spendend‘, da sie „unser infantiles Bedürfnis [erfüllen], die gleiche Geschichte immer wieder zu hören“. Diese Ein-schätzung mag durchaus herangezogen werden, wenn die allgemeine Faszination episodischer Franchises zur Diskussion steht. Geht es aber um eine Zuschauerbindung im Sinne einer regelmäßigen Rezeption, dann binden serielle Franchises den Rezipienten stärker an sich als episodische, bei denen einzelne Fol-gen verzichtbar sind. Vgl.: Eco (1989), S. 305

Page 31: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Chancen der Transmedialität

30

menten des in diesem Beispiel seriellen Mediums B im Sinne eines Synergie-Effekts für

das episodische Medium A interessieren.

Nimmt man Jenkins‘ Forderung nach der Unabhängigkeit jedes franchise entries wört-

lich, dann müssten nicht nur die Medien für sich autonom, sondern jede Veröffentli-

chung in jedem Medium müsste autonom sein. Eine solche totale Episodizität würde

sich scheinbar auf keine konkrete Erzählung mehr beziehen, sondern eine Welt von

Einzelerzählungen ausformen.73 Ein derart gestaltetes transmediales Erzählen scheint

mir nach der vorangegangenen Beschäftigung mit der Thematik die eigentliche Ideal-

form zu sein, da sie den Rezipienten zum eigentlichen Autoren der Narration macht:

Durch die (zumindest hypothetisch) völlige Autonomie jeden Beitrags wird der Konsu-

ment dieser Beiträge in die Lage versetzt, sich völlig frei dazu entscheiden zu können,

über welche Aspekte der Welt er sich wie extensiv informiert. Dadurch kreiert jeder

Konsument seine ganz eigene Erzählung aus dem Angebot der Einzelnarrativen. In ei-

nem solchen Szenario wären die Autoren der einzelnen Beiträge lediglich nur noch Pro-

duzenten von Bauteilen bzw. die Kontrolleure, die darauf achten, dass die Bauteile auch

aneinander passen; die Aufgabe des Architekten, aus diesen Teilen ein Haus zu entwer-

fen, wäre in die Hände der Konsumenten abgegeben.

Eine solche Verschiebung der Hierarchie, die den Konsumenten zum eigentlichen Auto-

ren macht, wäre die Erfüllung von Roland Barthes (von ihm selbst als utopisch wahrge-

nommener74) Forderung nach den sogenannten schreibbaren Texten, die eben nicht

mehr nur konsumiert, sondern im Prozess ihrer Rezeption erst geschrieben werden.75

Insofern könnte in der Theorie eine transmedial angelegte Welt voller episodischer Ein-

zelerzählungen eben jene Utopie real werden lassen. Herauszufinden, ob sich diese Idee

praktisch annäherungsweise umsetzen lässt, ist eine der großen Chancen kommender

transmedialer Erzählungen.

73 Diese „Welt“ ist nicht zu verwechseln mit dem, was Jenkins mit dem Begriff „world buidling“ be-zeichnet. Jenkins (und andere) meinen damit die sich um eine Kernerzählung entwickelnde Welt, also z.B. die sich um die Kernerzählung um Luke Skywalker in Star Wars entwickelnde Welt mit Erzählungen um Randfiguren wie Bobba Fett, etc. Ich indes meine hier explizit eine Art leerer Welt, die dann zunächst mit nicht in Beziehung zueinander stehenden Einzelnarrationen gefüllt wird. Die Beziehungen der Erzäh-lungen untereinander entstehen dann durch die innere Logik dieser Welt, wenn sich z.B. zwei Protagonis-ten am selben Ort aufhalten. Grundlegendes Problem einer solchen Welt wäre natürlich, dass keine Er-eignisse von globaler Bedeutung passieren dürfen, da durch solche Ereignisse die Autonomie der Einzel-beiträge gefährdet wäre. 74 Vgl.: Brune (2003), S. 154 75 Vgl.: Barthes (1987), S.8ff

Page 32: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Risiken der transmedialen Erzählung

31

Risiken der transmedialen Erzählung

So überzeugend auch die in den vorherigen Kapiteln vorgestellten Chancen des trans-

medialen Erzählens sein mögen, man sollte darüber nicht die möglichen Risiken einer

solchen medienübergreifenden Erzählung vergessen.76

Ein grundsätzliches Problem stellt die Gefahr eines Zwangs zur transmedialen Rezepti-

on dar. Eine sich über verschiedene Medien erstreckende Narration setzt den jeweiligen

Rezipienten unter Druck, eben all diese verschiedenen Medien zu konsumieren, um der

Narration folgen zu können. Bei den nach Long als hard zu bezeichnenden Franchises,

also solchen, bei denen das transmediale Erzählen gleich von Beginn realisiert wird,

ergäbe sich dieses Problem nur in abgeschwächter Form, kann sich der Rezipient in

diesem Fall schließlich freiwillig dazu entscheiden, sich diesem Druck auszusetzen. Bei

Franchises der Kategorien chewy und soft indes, also solchen, die erst später zu trans-

medialen Erzählungen ausgebaut werden, würde sich solch ein Druck entwickeln, wenn

der Rezipient das erste Medium konsumiert, bevor er über die Transmedialität der Er-

zählung in Kenntnis gesetzt wurde.

Neben den persönlichen Präferenzen des Rezipienten, die ihm den Konsum des einen

oder anderen Mediums verleiden können, spielen hier auch die Verfügbarkeit der ver-

schiedenen Medien und der finanzielle Aufwand eine Rolle: Sind die verschiedenen

Medien nicht in gleicher Weise verfügbar und müssen sie mühsam beschafft werden, so

wird sich der Rezipient vermutlich der transmedialen Erzählung verweigern. Selbiges

gilt, wenn er die jeweils unterschiedlichen Medien bezahlen muss, um sie konsumieren

zu können. Selbst bei geringen Preisen kann der Rezipient das Gefühl bekommen, dass

er finanziell ausgenutzt wird. Damit dieses Risiko verhindert werden kann, gibt es zwei

Lösungsmöglichkeiten: Entweder wird die transmediale Narration als Ergänzung ange-

legt, bei der sich die Narrationen in den unterschiedlichen Medien eben ergänzen, aber

nicht bedingen oder man stellt die zur Erfassung der Geschichte notwendigen Medien

kostenlos und für jedermann an jedem Ort verfügbar im Internet bereit.

76 Viele dieser möglichen Risiken sind hypothetische Überlegungen. Es gibt derzeit weder genügend transmediale Beispiele, noch genügend Studien zur Akzeptanz von medienübergreifenden Erzählungen um diese Hypothesen zu untermauern. Trotz der damit eher essayistischen Natur dieses Abschnitts wollte ich diese möglichen Probleme nicht unerwähnt lassen, da sie mir nicht nur als logische Problemfälle er-scheinen, sondern auch mögliche Anknüpfungspunkte für eine weitergehende Beschäftigung mit trans-medialen Erzählungen darstellen.

Page 33: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Risiken der transmedialen Erzählung

32

Ein anderes Problem deutet sich bereits in der Definition von Henry Jenkins an, und

zwar die Beurteilung transmedialer Ergänzungen als valuable, d.h. von einer gewissen

Wertigkeit. Was zunächst nach einer vernachlässigbaren subjektiven Kategorie klingt,

kann sich für transmediale Erzählungen als echtes Problem erweisen, besonders dann,

wenn diese soft sind, d.h. die Narration erst später transmedial gestaltet wurde: Hat der

Autor des „Urtextes“ zwar die transmedialen Erweiterungen autorisiert, sieht sie aber

selbst nicht als Teil des von ihm geschaffenen Kanons an, so entsteht unverzüglich das

Problem einer Art alternativer Realität mit einem kanonischen und einem nicht-

kanonischen Handlungsstrang, die daraufhin Gefahr laufen in der Zukunft mitunter Wi-

dersprüche herauszubilden, da eine mögliche Fortführung des Urtextes durch den Ur-

Autor die bereits bestehenden Fortführungen ignoriert. Als Beispiel für ein solches Ri-

siko führt Long das Star Wars-Franchise an77, das sich aufteilt in das von George Lucas

in sechs Filmen und einer animierten Serie entwickelte Universum und in das sogenann-

te Expanded Universe der Fan-Fiction, Games, etc.

Demgegenüber steht wiederum die Möglichkeit, dass die Autoren von Urtext und

transmedialer Ergänzungen harmonisch darin übereinstimmen, dass jeder Baustein Teil

des Kanons ist, dies aber wiederum von den Rezipienten – aus welchen Gründen auch

immer – nicht akzeptiert wird.78

Ein weiteres Risiko – neben der generellen Überfrachtung eines Franchises durch un-

zählige Details und Nebenhandlungen – ist die Missachtung der negative capability.

Unter diesem erstmals durch den englischen Dichter John Keats eingeführten Begriff

versteht man die Fähigkeit des Lesers, Leerstellen in der Mythologie einer Narration zu

akzeptieren. Long sieht in diesen strategic gaps79 die Möglichkeit bewusst freie Stellen

zu lassen, um späteren transmedialen Ergänzungen Anknüpfungspunkte zu bieten. Be-

zogen auf diese Leerstellen innerhalb der ersten drei Star Wars-Filme, schreibt Long:

„All of these unanswered questions are opportunities for new stories to be told.“ 80 Für

ihn sind die Leerstellen narratives (und wirtschaftliches) Konzept, um die Kette herzu-

stellen, die transmediales Erzählen sein will:

The trick, of course, is to use these writerly approaches as a lure to bring audiences back when those gaps are filled in, and then provide a tale good enough – and riddled with enough new gaps - to keep them coming back for more. This is the aspect of negative capability that is key to

77 Long (2007), S. 35 78 Für diese Möglichkeit gibt es zur Zeit kein transmediales Beispiel. Dennoch ist sie theoretisch denkbar. 79 Long (2007), S. 53 80 Ebd., S. 59

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Risiken der transmedialen Erzählung

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Ein anderes Problem deutet sich bereits in der Definition von Henry Jenkins an, und

zwar die Beurteilung transmedialer Ergänzungen als valuable, d.h. von einer gewissen

Wertigkeit. Was zunächst nach einer vernachlässigbaren subjektiven Kategorie klingt,

kann sich für transmediale Erzählungen als echtes Problem erweisen, besonders dann,

wenn diese soft sind, d.h. die Narration erst später transmedial gestaltet wurde: Hat der

Autor des „Urtextes“ zwar die transmedialen Erweiterungen autorisiert, sieht sie aber

selbst nicht als Teil des von ihm geschaffenen Kanons an, so entsteht unverzüglich das

Problem einer Art alternativer Realität mit einem kanonischen und einem nicht-

kanonischen Handlungsstrang, die daraufhin Gefahr laufen in der Zukunft mitunter Wi-

dersprüche herauszubilden, da eine mögliche Fortführung des Urtextes durch den Ur-

Autor die bereits bestehenden Fortführungen ignoriert. Als Beispiel für ein solches Ri-

siko führt Long das Star Wars-Franchise an77, das sich aufteilt in das von George Lucas

in sechs Filmen und einer animierten Serie entwickelte Universum und in das sogenann-

te Expanded Universe der Fan-Fiction, Games, etc.

Demgegenüber steht wiederum die Möglichkeit, dass die Autoren von Urtext und

transmedialer Ergänzungen harmonisch darin übereinstimmen, dass jeder Baustein Teil

des Kanons ist, dies aber wiederum von den Rezipienten – aus welchen Gründen auch

immer – nicht akzeptiert wird.78

Ein weiteres Risiko – neben der generellen Überfrachtung eines Franchises durch un-

zählige Details und Nebenhandlungen – ist die Missachtung der negative capability.

Unter diesem erstmals durch den englischen Dichter John Keats eingeführten Begriff

versteht man die Fähigkeit des Lesers, Leerstellen in der Mythologie einer Narration zu

akzeptieren. Long sieht in diesen strategic gaps79 die Möglichkeit bewusst freie Stellen

zu lassen, um späteren transmedialen Ergänzungen Anknüpfungspunkte zu bieten. Be-

zogen auf diese Leerstellen innerhalb der ersten drei Star Wars-Filme, schreibt Long:

„All of these unanswered questions are opportunities for new stories to be told.“ 80 Für

ihn sind die Leerstellen narratives (und wirtschaftliches) Konzept, um die Kette herzu-

stellen, die transmediales Erzählen sein will:

The trick, of course, is to use these writerly approaches as a lure to bring audiences back when those gaps are filled in, and then provide a tale good enough – and riddled with enough new gaps - to keep them coming back for more. This is the aspect of negative capability that is key to

77 Long (2007), S. 35 78 Für diese Möglichkeit gibt es zur Zeit kein transmediales Beispiel. Dennoch ist sie theoretisch denkbar. 79 Long (2007), S. 53 80 Ebd., S. 59

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Risiken der transmedialen Erzählung

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transmedia storytelling: how to provide hooks for the storyteller to return to later for another gripping tale.81

So sehr ich auch Geoffrey Longs Ansichten nachvollziehen kann, an dieser Stelle muss

ich ihm entschieden widersprechen: Leerstellen sind – und darauf weist er selbst in der

seinem obigem Fazit vorangehenden Argumentation hin – immer Möglichkeiten für den

Rezipienten sich seiner Fantasie zu bedienen und diese Leerstellen nach persönlichen

Präferenzen zu füllen. Das ermöglicht dem Rezipienten eine Art Interaktion mit der

Geschichte, indem er durch die Verbindung zwischen den Vorgaben des Autors und den

Vorstellungen des eigenen Kopfkinos eine persönliche (und damit emotionale) Bindung

zur Narration aufstellt, die ihn tiefer in die Erzählung eintauchen lässt. Leerstellen sind

für die Nachhaltigkeit einer Erzählung von immenser Bedeutung, da sie die Beschäfti-

gung mit dem Franchise und den Austausch der Rezipienten untereinander fördern.

Derartige Leerstellen können nicht einfach durch nachfolgende, transmediale Ergän-

zungen gefüllt werden, da sie ansonsten das Interesse des Rezipienten an selbigen ad

absurdum führen und die Beschäftigung mit ihnen überflüssig machen. Eine Themati-

sierung dieser Leerstellen in transmedialen Ergänzungen z.B. als eine Art MacGuffin82

wäre denkbar, doch ein Füllen selbiger halte ich für falsch.83 84

Transmediales Erzählen kann Welten ungeahnter Größe erschaffen, es kann komplexe

Narration ausbilden und dabei quasi spielerisch die Vorzüge der einzelnen Medien nut-

zen. Doch bei alledem müssen die Produzenten transmedialer Inhalte auch Raum für die

Fantasie ihrer Rezipienten lassen – oder das Kopfkino als weitere transmediale Instanz

begreifen.

81 Ebd., S. 59 82 MacGuffin ist ein von Alfred Hitchcock geprägter Begriff, mit dem Objekte oder Personen bezeichnet werden, die eine Handlung auslösen oder vorantreiben, ohne dabei selber aber im Interesse des Films zu stehen. Ein Beispiel wäre ein Thriller bei dem sich zwei Gangsterbanden gegenseitig versuchen, einen Koffer abzujagen. Der Koffer, dessen Inhalt in der Narration um Verfolgte und Verfolger egal ist, wäre dann ein solcher MacGuffin . 83 Abgesehen davon, dass das Füllen von Leerstellen Narrationen de facto weniger interessant macht, entstehen durch die Füllung oftmals auch absurde, besonders unrealistische Situation. Als Beispiel dafür sei die Saw-Reihe genannt, die durch Veränderungen im Cast dazu gezwungen wurde, neue Figuren ein-zuführen, deren Hintergrund an die Geschehnisse früherer Teile angepasst werden musste, was zu äußert unglaubwürdigen, vorher nie erwähnten Treffen zwischen einzelnen Charakteren führte. 84 Ähnlich argumentierte auch Bernd Diemer in seinem Vortrag „Imaginary places and how they translate into abstract and virtual realities“ im Rahmen der Clash of Realities-Tagung 2010 (schriftliche Fassung derzeit noch nicht verfügbar). Diemer, selbst Produzent beim Spiele-Publisher CryTek, führte dabei an, dass dem Spieler immer Raum für die eigene Fantasie gelassen werden muss, da genau diese Leerstellen besonders faszinierend seien und so den Spieler sich auch nach dem Spiel noch mit dem Inhalt beschäfti-gen ließe. Zwar ging Diemer nicht auf (transmediale) Ergänzungen oder Fortsetzungen ein, aber die Übernahme seiner Äußerungen zu Leerstellen auf transmediale Erzählungen scheint mir schlichtweg logisch.

Page 36: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Fazit

34

Fazit

Wie die vorliegende Arbeit verdeutlichen sollte, ist transmediales Erzählen die Mög-

lichkeit, die Vorzüge neuer und alter Medien miteinander zu kombinieren und so Narra-

tionen zu entwickeln, die weit über das hinausgehen, was Erzählungen in nur einem

Medium leisten können. In einer vernetzten und multimedialen Welt scheint diese Form

der medienübergreifenden Narration schlichtweg eine logische Konsequenz zu sein.

Doch trotz der rasanten technischen Weiterentwicklung sind solche Erzählungen sowohl

in ihrer Produktion, als auch in ihrer Analyse aufwendig – nicht nur wegen ihres erzäh-

lerischen Umfangs, sondern auch, weil die Konventionen der einzelnen Medien berück-

sichtigen müssen. Autoren transmedialer Geschichten müssen sich der Anforderungen

und Grenzen sämtlicher von ihnen genutzter Medien bewusst sein, um die Konsumen-

ten ihrer Produkte nicht zu irritieren und die sich mit diese Produkten beschäftigenden

Wissenschaftler müssen wiederum über das entsprechende analytische Werkzeug ver-

fügen.

Es wäre deshalb sinnvoll, wenn sich die Experten der einzelnen Medien zusammen-

schließen und gemeinsam an einer grundlegenden Theorie des transmedialen Erzählens

arbeiten würden. Nicht im Sinne einer gemeinsamen Erzähltheorie, wie dies z.B. Nicole

Mahne versucht, sondern einer Theorie, die sich mit der Beschaffenheit einer medien-

übergreifenden Narration beschäftigt. Eine solche interdisziplinär erarbeitete Theorie

könnte nicht nur nachfolgende Generationen von Wissenschaftlern adäquat auf den

Umgang mit transmedialen Erzählphänomenen vorbereiten, sondern auch die Produkti-

on derartiger Narrationen vereinfachen und dadurch die Arbeit an solchen Erzählungen

demokratisieren.

An dieser Stelle bietet sich der Komparatistik die Chance, sich aktiv an der Entwicklung

einer solchen Theorie zu beteiligen und gemeinsam mit Medien-, Games- und Kommu-

nikationswissenschaftlern eine interdisziplinäre Herangehensweise an ein noch junges,

aber immer bedeutsamer werdendes Phänomen zu entwickeln. Denn die Komparatistik

verfügt nicht nur über das erforderliche Expertenwissen zu einem Medium, sondern ist

im Besonderen auch auf den innermedialen, sowie den intermedialen Vergleich spezia-

lisiert. Mit ihrem auf den Vergleich fokussierten Blick bietet diese literaturwissenschaft-

liche Disziplin den idealen Ausgangspunkt zu einer interdisziplinären Theoretisierung

des transmedialen Erzählens.

Page 37: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Anhang

35

Anhang

Exkurs

Abschließend seien noch zwei Beispiele transmedialen Erzählens vorgestellt, die ich für

besonders interessant halte. Das erste ist die sogenannte Year Zero Experience, initiiert

von Sänger Trent Reznor und Bestandteil der viralen Marketingkampagne zum Album

Year Zero85 der Band Nine Inch Nails. Bereits lange Zeit vor der Veröffentlichung des

Albums und bevor überhaupt dessen Thematik bekannt war, stellte die ausführende

Werbeagentur 42 Entertainment kryptische Webseiten online, die in zunächst keinerlei

Verbindung zu Nine Inch Nails zu stehen schienen. Erst als die Band auf einigen ihrer

Konzerten auf in den Toilettenräumen versteckten USB-Sticks gespeicherte Demos und

Fotos in Umlauf brachte, ließen sich die notwendigen Bezüge herstellen und die bisher

kryptisch wirkenden Internetseiten als Teil einer transmedialen Narration dechiffrieren,

die neben oben genannten Webseiten, Liedern und Fotos sogar den Text auf Band-T-

Shirts, Tourplakaten und Graffitis umfasste.

Bei der Entschlüsselung der Narration spielten vor allem die Fans eine große Rolle, die

in regen Diskussionen in Internetforen die verschiedenen Teile zusammensetzten und so

aus dem Puzzle ein Ganzes machten. Damit entstand die von Anfang natürlich konzep-

tionierte Geschichte quasi erst in dem Moment, in dem die einzelnen Mitglieder der

Fan-Foren86 als eine Art Autorenkollektiv die gesammelten Informationen in eine Ord-

nung brachten und daraus – im Sinne eines world buildings - eine Welt schlussfolger-

ten, die später durch die Liedtexte des Albums Year Zero bestätigt wurden und die

eventuell noch weiter ausgebaut werden soll.87 Diesem stark spielorientiertem und

selbstlaufenden Konzept sei als zweites Beispiel ein eher traditionelles, weil nicht auf

den Effekt eines viralen Marketings abzielendes, aber dennoch transmediales Konzept

gegenüber gestellt, nämlich The Tulse Luper Suitcases von Peter Greenaway, das 2003

als Multimediaprojekt entstand. Tulse Luper ist ein von Greenaway geschaffener und in

mehreren seiner frühen Filme erwähnter Charakter, dessen fiktiver Biografie sich Gree-

85 Das Konzeptalbum beschäftigt sich thematisch mit einer christlich-fundamentalistischen Theokratie in den USA des Jahres 2022. NIN inszenieren sich dabei als Protestband, die sich der Art is resistance-Bewegung angeschlossen und nun aus dem Untergrund heraus gegen die neue Ordnung arbeiten. 86 Z.B. in Unterforen bei „Echoing the sound“ (http://www.echoingthesound.org/phpbbx/viewforum.php?f=24&sid=7f27a857dd87bd7e4c027d6a7784feae) 87 Bereits seit einiger Zeit planen Trent Reznor und der US-Pay-TV-Sender HBO die Umsetzung der Year

Zero-Geschichte als TV-Serie. Über deren möglichen Inhalt ist derzeit nicht mehr bekannt, als dass sie über die bisher erzählte Geschichte hinausgehen soll.

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Anhang

36

naway in einem epischen Kunstprodukt nähern will: Neben drei Kinofilmen sollen eine

TV-Serie, diverse, teilweise interaktive Bücher, Webseiten, ein Onlinespiel und eine

durch Europa wandernde Kunstausstellung dem Rezipienten eine möglichst lückenlose

Rekonstruktion des Lebens von Tulse Luper ermöglichen. Besonders interessant an die-

sem Projekt ist seine lange Laufzeit, denn auf Grund des enormen Aufwands kann

Greenaways Idee nur über etliche Jahre hinweg realisiert werden. Dies wiederum gibt

ihm die Möglichkeit, auf neue Techniken zu reagieren und seine umfassende transmedi-

ale Erzählung im Einklang mit der technischen Entwicklung zu perfektionieren.

Beide Projekte stehen für einen hochgradig künstlerischen und ambitionierten Umgang

mit den Chancen der neuen Medien, die eine interaktive, erlebbare Narration ermögli-

chen und deren Immersionseffekt weitaus ausgeprägter zu sein scheint als bei einem

literarischen Text. Zugegeben: Beiden Beispielen ist das Problem der Notwendigkeit

eines Erlebens in Echtzeit immanent. Endet die durch immer wieder neue Bruchstücke

vorangetriebene Erzählung, so endet auch der das Erlebnis einer künstlich geschaffenen,

alternativen Realität bzw. schwächt sich stark ab88. Diesem Problem müssten Autoren

solcher transmedialen Erzählungen durch technisch immer wieder anders erlebbare,

aber im Kern gleichbleibende Narrationen entgegen treten.

88 Bei Year Zero entstand die Narration vor allem durch die Fan-Diskussionen in diversen Foren, in denen immer wieder Informationen gesammelt und rekombiniert wurden. Dieses Sammeln und Neuzusammen-fügen kann heute nicht mehr geleistet werden, denn es ist eben alles bekannt und zu einem logischen Ganzen zusammengefügt. Bei Tulse Luper besteht wiederum das Problem in der zeitlichen Begrenzung einiger Bausteine: Wer beispielsweise Screenings der Filme oder die (derzeit noch geplante) Ausstellung verpasst, der muss darauf hoffen, dass diese Bausteine in irgendeiner Art fixiert und zugänglich gemacht werden.

Page 39: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

Versuch einer schematischen Darstellung der Struktur des transmedialen Erzählens innerhalb Heroes Season One:

Zeit

Die farblichen Hervorhebungen dienen allein der Anschaulichkeit. Durchgezogene Linien bedeuten eine erzwungene transmediale Rezeption, gestrichelte eine optionale. Fehlende Pfeile

markieren eine Art „Autonomie“, d.h. einen fehlenden Bezug zwischen zwei parallel veröffentlichten Medien. Der Lang-kurz-lang-Pfeil zwischen TV-Serie, Folge 3 und TV-Serie Folge

21 bedeutet eine zeitliche Raffung. Die Pfeile verweisen auf die jeweiligen zeitlichen Bezugspunkte der einzelnen Medien. So beziehen sich z.B. Folgen 32 und 33 der Comics auf einen

Zeitpunkt, der weit nach der Narration der ersten Staffel TV-Serie liegt. Dieser Comic bildet damit den Beginn der Gesamterzählung auf einer linear betrachteten Zeitachse. Besonders

Pfeilspitzen markieren mehrere Bezugspunkte innerhalb der zeitlichen Raffung. Durch die Winterpause der TV-Serie bei gleichzeitigem Fortlauf der Comics, entsteht der Effekt, dass bei

Ausstrahlung von TV-Folge 21 bereits Ausgabe 32 der Comics erschien.

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Comic,

Folge 34

Beginn der N

arration

Heroes Evolutions (a.k.a. Heroes 360 Expierence)

Comic,

Folge 3

TV-Serie,

Folge 3

Comic,

Folge 33

TV-Serie,

Folge 22

Ende S

taffel Eins

Comic,

Folge 35

MySpace-Profil

von Zach

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Anhang

38

Exemplarisches Beispiel Beziehung TV-Serie ���� Comic

Nach einer kurzen Exposition beginnt die erste Folge Heroes (mit dem Titel Genesis),

mit der Geschichte des indischen Genetikers Dr. Mohinder Suresh (gespielt von Sendhil

Ramamurthy). Dieser erfährt, dass sein Vater, der Wissenschaftler Chandra Suresh, in

New York ums Leben gekommen ist. Mohinder fährt in dessen indische Wohnung und

entdeckt dort Hinweise auf Forschungen seines Vaters, die ebenfalls mit der Stadt New

York in Verbindung stehen.

Außerdem beobachtet er dort

einen Fremden, der ebenfalls

nach Hinweisen sucht. Un-

entdeckt kann Suresh ver-

schwinden. An dieser Stelle

verlässt die Narration der Serie Dr. Suresh und wechselt zum nächsten Charakter. In-

nerhalb der Pilotfolge spielt er erst wieder kurz vor Ende der Folge eine Rolle, als er

bereits in New York den For-

schungen seines Vaters nach-

geht und seinen Lebensunter-

halt für diese ungeplante Reise

durch die Arbeit als Taxifahrer

finanziert.

Die Reise Mohinders nach New York, die Erledigungen im Zusammenhang mit dem

Tod seines Vaters und auch die Suche nach einem Job bleiben in der TV-Serie uner-

wähnt. Eine dieser Lücken, die zumindest andeutungsweise zeigt, was in der Zwischen-

zeit passiert ist (und zugleich den Charakter Mohinder Suresh weiter ausbaut), wird

jedoch durch die erste Folge des Comics geschlossen:

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Anhang

42

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Podcast

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http://tvwatchdog.podspot.de/post/tv-watchdog-10-transmediale-erzahlung/ (26.07.2010)

Bildmaterial Titelblatt: The Extraordinary Project. Your source for recaps. URL:

http://xpodcast.files.wordpress.com/2008/09/heroes-logo.jpg (weitere Bearbeitung: Benjamin Hahn)

S.2: NBC. Heroes Wallpapers. URL: http://www.nbc.com/heroes/downloads/wallpaper-05.shtml (Zu-

schnitt: Benjamin Hahn)

S. 25 (oben): Heroes – Patient Zero. Weekly re-cap and observations of the extraordinary T.V. series

"Heroes". URL: http://heroespatientzero.blogspot.com/2007/01/season-1-chapter-twelve-godsend.html

S. 25 (unten): selbst angefertigter Screenshot (s. DVD)

S.38 (oben): selbst angefertigter Screenshot (s. DVD)

S.38 (unten): selbst angefertigter Screenshot (s. DVD)

Page 49: Medienübergreifendes Erzählen, dargestellt am Beispiel der TV-Serie "Heroes" (Bachelorarbeit)

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Erklärung über die Selbstständigkeit

Hiermit versichere ich, dass ich die Arbeit selbständig angefertigt, außer den im Quel-

len- und Literaturverzeichnis sowie in den Anmerkungen genannten Hilfsmitteln keine

weiteren benutzt und alle Stellen der Arbeit, die anderen Werken dem Wortlaut oder

dem Sinn nach entnommen sind, unter Angabe der Quellen als Entlehnung kenntlich

gemacht habe.

__________________________________

Unterschrift