ITALO-SCHWEIZER 16
Massimo der Helvetier
Massimo Rocchi ist Schweizer geworden und
ein wenig Italiener geblieben. Der Kabarettist
beherrscht den Kultur-Spagat perfekt.
I AM-LINIE 52
Neues Design und
frische Rezepturen.
PREISPOLITIK 36
Neue Studie beweist:
Die Migros ist klar gnstiger.
FAMILIE 94
Leihgrosseltern, eine geniale
Sache fr alle Beteiligten.
BilderHerbertZimmermann,BasilStcheli
www.migrosmagazin.ch, vormals WIR BRCKENBAUER Nr. 14, 6. April 2010
Adressnderungen am Postschalter melden oder dem regionalen Mitgliederdienst: Tel. 058 565 84 01
E-Mail: [email protected]
AusgabeAare,AZA3321Schnbhl-Shoppyland.PsdgDPAG
Ent.bez.A44631
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4
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Migros-Magazin 14, 6. April 2010
M-Infoline: Tel. 0848 84 0848*
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www.migros.ch
M-CUMULUS: Tel. 0848 85
0848* oder +41 44 444 88 44
(Ausland).
www.m-cumulus.ch
Redaktion Migros-Magazin:
Postfach 1751, 8031 Zrich,
Tel. 044 447 37 37,
Fax 044 447 36 01
www.migrosmagazin.ch;
*Normaltarif
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Der Euro, weich wie Feta
Hans Schneeberger,
Chefredaktor
EDITORIAL
Sie werden esmir vielleicht nicht glauben, aber die Makrokonomie
oder Volkswirtschaftslehre ist eine faszinierende Wissen-
schaft. Die Lehre ber das Spiel der marktwirtschaftlichen
Krfte zeigt auf, wie sich das Verhalten der Menschen als
Gesamtes auf die wirtschaftliche Situation aller auswirkt.
Wohin fhrt es, wenn sich alle so verhalten, wie ich?
Faszinierend ist sie deshalb, weil sie so komplex istund jede Aktion im
Kleinen eine Reaktion im Grossen bewirkt. Und weil nicht
jede Aktion, die gut gemeint ist, auch das Gute bewirkt.
Einverstanden, das tnt relativ komplex. Machen wir deshalb
ein Beispiel: Ein Handwerker arbeitet Jahr fr Jahr in seinem
Budeli. Er verschuldet sich nicht, begleicht pnklich seine
Rechnungen, zahlt sich ein bescheidenes Monatssalr und gibt
nie zu viel Geld aus. Sein Auto ist nicht geleast, wie es viele
dieser nach seiner Meinung unserisen jungen Kerle
machen. Was am Ende des Monats brig bleibt, fliesst sofort
aufs Sparbchlein. Dieser Handwerker macht eigentlich alles
richtig. Oder doch nicht?
Deutschland ist zurzeit der brave Handwerker Europas.Eifrig, diszip-
liniert, die Lhne werden tief gehalten, die Schulden ebenso.
Eigentlich macht das Land alles richtig. Wren alle wie
Deutschland, msste der Euro heute hart wie Kruppstahl sein
und nicht weich wie ein griechischer Feta.
Doch da gibt es noch die andereWahrheit. Jeder Handwerker ist eben
auch Konsument, und wer sich selber so wenig Lohn auszahlt,
dass er fast nichts konsumiert, schadet, ohne es zu wollen, den
anderen. Produktion ist nicht Selbstzweck. Wenn alle produ-
zieren und keiner verbraucht, strzt die Wirtschaft ab. Dies
darf man nicht vergessen, wenn man jetzt ber die Griechen
schimpft, die jahrelang ber ihre Verhltnisse gelebt haben.
Nicht die ganze Welt kann Deutschland (oder China) spielen.
Mit tiefen Lhnen die Welt mit Waren beliefern und selber auf
jeden Rappen schauen. Irgendwer muss diesen Handwerkern
der Welt ihre Ware auch abnehmen knnen (mehr Seite 24).
MENSCHEN
Die Schweiz und ihre Italiener 10
Die Sdlnder prgten unser Land.
Die Sache mit dem Euro 24
Die Eurolnder mssen wegen ihrer
Whrung Kompromisse finden.
Die alte Leier 34
Familie Keller erweckt vergessene
Musikinstrumente zu neuem Leben.
INTERVIEW
Massimo Rocchi 16
Der Kabarettist italienischer Herkunft
ist schweizerischer als ein Schweizer.
NEUES AUS DER MIGROS
Erfolgreich und gnstig 36
Die Migros ist bei den Preisen und bei
der Jahresrechnung die Nummer 1.
Wald aufforsten als Schulfach 38
Fr die junge Generation 40
Die Migros reformiert ihre Pensions-
kasse fr eine nachhaltige Zukunft.
GP Migros 43BilderMarvinZilm,ChristopheChammartin,PacoCarrascosa,SvenPaustian
Mann mit Durchblick 24
Wirtschaftsprofessor Peter
Bofinger ber den Euro
und die europische Gefhlswelt.
Haarausfall, kraftlose Haare
und brchige Ngel
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Bella Italia: Pasta alla nonna 46
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piemontesische Bagna cauda.
I am: Alles fr sexy Haare 52
Wettbewerb: E-Velo zu gewinnen 63
Aproz mit neuem Design 65
Feine Sfte fr mehr Krfte 67
Crme d'Or: Neue Glace-Trume 69
Optigal: Poulets mit Garantie 72
Unterwegs mit Bio 74
SAISONKCHE
Kochen mit Carlos Leal 80
Das grosse Kokosnuss-ABC 84
Wie man die Nuss lagert, wie man sie
knackt und wozu man sie verwendet.
IHRE REGION
Neues aus Ihrer Genossenschaft 87
BESSER LEBEN
Die Kunst des Elfmeters 93
Familie: Leihgrosseltern 94
Menschen ab 55 Jahren ohne
Enkel knnen sich auch als Gross-
eltern anheuern lassen.
In Form: Die Wimpern frisieren 99
Raffinierte Kniffe, um die Augen-
partie vorteilhaft zu gestalten.
Garten: Schmetterlinge anlocken 101
Auto: Familie Fh testet Toyota 103
RUBRIKEN
Migros-Woche 6
Leserbriefe 9
Auf ein Wort 22
Bild der Woche 31
Kolumne: Der Hausmann 33
Glcksgriff 107
Rtsel/Impressum 109
MEINE WELT
Cedric Hhlen 110
Den K2 hat er schon mit 24 bestiegen.
Willkommen in der Welt des Schweizer
Bergsteigers Cedric Hhlen.
All in im Casino Leal 80
Im James-Bond-Film Casino Royale spielte Carlos Leal einen Poker-
Croupier. Im Engadin verrt der Schweizer ein feines Pouletrezept.
Erfolgsgeschichte 40
Die Migros beweist: Erfolg ist
auch ohne Abzockerei
mglich. Im Bild: Migros-Chef
Herbert Bolliger an der
Delegiertenversammlung.
6|
Migros-Magazin 14, 6. April 2010
Mehr als zehn
Prozent gnstiger
Die Migros bietet das beste
Preis-Leistungs-Verhltnis.
Dies belegt ein wissenschaft-
lich durchgefhrter Preisvergleich, bei der insgesamt 4,5 Millionen
Einkufe in einer Woche analysiert wurden. Auch in Sachen Umsatz
ist sie immer noch die unangefochtene Nummer eins im Land. Und
der Vorsprung auf die Konkurrenz ist in den letzten zehn Jahren auch
nicht substanziell kleiner geworden. Mehr zur Preis-Leistungs-
Studie sowie zum Jahresabschluss lesen Sie auf Seite 36.
Feiern mit Hotelplan
Am 29.April 1935 fiel der Startschuss: Migros-Grnder Gottlieb
Duttweiler rief den Reiseveranstalter Hotelplan ins Leben und
ermglichte damit zahlbare Ferien und Reisen fr alle. Am Samstag,
24. April 2010, laden 75 Hotelplan-Filialen deshalb zum grossen
Geburtstagsfest ein: Von 10 bis 17 Uhr wird Speis und Trank, Spiel
und Spass fr Kinder sowie ein Wettbewerb mit vielen Preisen fr Er-
wachsene offeriert.Hauptpreis ist eine Woche Traumferien in der Ka-
ribik fr zwei Personen. Bei verschiedenen Sommerferiendestinatio-
nen offeriert Hotelplan zudem allen voll zahlenden Reisegsten einen
Rabatt in Hhe von 300 Franken. Infos www.hotelplan.ch/jubilaeum.
NEWS
BilderBiosphoto/MichelGunther,bab.ch/Stockfood,BrunoTorricelli
BilderBiosphoto/MichelGunther,bab.ch/Stockfood,BrunoTorricelli
Rckruf: Komplett-Klettergurt
Salewa ruft aus Sicherheitsgrnden einen Komplett-Klettergurt
zurck. Grund ist das Fehlen von zustzlichen Sicherheitsnhten
bei einigen Produktionsserien. SportXX und Outdoor by SportXX
sind vom Rckruf des Komplettgurtmodells Civetta II betroffen.
Das Modell war zwischen Februar 2008 und Mrz 2010 im Verkauf.
Betroffen ist der Komplettgurt Civetta II,
Artikelnummer 4706.252, Verkaufspreis 89.90 Fr., Farbe
Light Grey/Red, Seriennummer 10/08 und 11/08.
Die Migros bittet ihre Kunden, das erwhnte Modell in eine SportXX-
oder Outdoor-by-SportXX-Verkaufsstelle zurckzubringen. Das
Produkt wird ausgetauscht oder der Verkaufspreis zurckerstattet.
M-Budget-
Queen
In der Romandie ist sie schon
lange Kult: Marie-Thrse
Porchet. Die Kunstfigur des
Genfer Kabarettisten Joseph
Gorgoni macht sich jetzt daran,
auch die Deutschschweiz zu
erobern zusammen mit dem
Circus Knie. Und was knnte der
schrulligen Dame dabei besser
helfen als ein M-Budget-
Kostm? Schliesslich geniesst
auch die Migros-Marke
Kultstatus. Die Premieren-
vorstellung schaffte der
Travestieknstler auf jeden Fall
mit Bravour.
Hhner in Freiland-
haltung haben
viel Auslauf und
besonders art-
gerechte Stlle.
MIGROSWOCHE
|
7
Grill-Degustationen
Der Frhling kommt, die
Grillsaison ist erffnet. Aus
diesem Anlass gibts
in der Migros Zrich
verschiedene
Grill mi-Promotionen
Vorfreude ist schliess-
lich die schnste Freude.
Diese Woche von Donners-
tag bis Samstag treffen
sich Grillfreunde in den
Migros-Filialen Limmat-
platz, Blach, Meilen,
Kloten und Zrich-City
zur frhlingshaften
Grillfleisch-Degustation.
Mehr dazu und weitere
News aus der Migros
Zrich auf den Regional-
seiten ab Seite 87.
AUS DER REGION MIGROS ZRICH
Innere Werte
Neu gibts in der Migros Cordon bleu mit
einer Fllung aus Kse, Schinken und
Spargeln. Das Poulet, das den delikaten Kern
umhllt, stammt natrlich aus der Schweiz.
Und hier wurde die Urform der Kstlichkeit
auch erfunden. Darum darf das
Originalrezept (Schnitzel mit Kse-
Schinken-Fllung) hierzulande kreativ
weiterentwickelt werden.
FRISCH IN DER MIGROS
Berg zu
verschenken
Anlsslich derMigros-Bilanz-
Medien-Konferenz ber-
raschten nicht nur Rekord-
zahlen, sondern auch ein ge-
waltiges Bergmassiv vor dem
Eingang zum Konferenzsaal.
Rund 1Meter 30 hoch ist das
Kunstwerk, fast 12 Kilo-
gramm schwer und ber 2
Meter lang und breit. Es zeigt
ein Stck Schweiz, wie wir
sie kennen und die von der
Knstlergruppe Dolly Bast-
ler in rund anderthalb Wo-
chen inklusive Nachtschich-
ten erbaut wurde. DieMigros
verschenkt den Berg samt Ei-
senbahn und Spielfiguren.
Wer sich interessiert, meldet
sich online und kann das
Kunstwerk persnlich abho-
len. Bei mehreren Interes-
senten entscheidet das Los.
www.migrosmagazin.ch/
gluecksgriff
Da lachen
die Hhner
O
b Spitzbuben, Vogelnestli
oder Zitronenherzli die
Biskuits der Linie Tradition
vonMidor schmecken bald noch
besser. Das Migros-Unterneh-
men bckt diese Leckereien
knftig nur noch mit Eiern von
SchweizerHhnern in Freiland-
haltung. Diese Tiere leben in
besonders artgerechten Stllen
mit Tageslicht, und sie haben bei
geeignetemWetter sptestens ab
Mittag Auslauf ins Freie. Pro Jahr
wird Midor 200000 Schweizer
Freilandeier verwenden. Nicht
nur bei den Eiern in der Frische-
abteilung, sondern auch bei
verarbeiteten Eiern denkt die
Migros also ans Tierwohl. M.W.
Mehr dazu im nchsten Migros-Magazin.
Glckliches Federvieh: Das Migros-
Unternehmen Midor bckt knftig Biskuits
mit Freilandeiern von Schweizer Hhnern.
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LESERBRIEFE
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Migros-Magazin 14, 6. April 2010
MM 13: Man spricht
Deutsch, Artikel ber
die Integration von
Einwanderer und
Sprachkurse fr Vor-
schulkinder.
Deutsch und spter
Dialekt reden
Mit Interesse habe ich das
Interview mit Bundesrtin
Eveline Widmer-Schlumpf
gelesen. Die Bundesrtin hat
recht. Ich wohne in Zrich und
bin seit 1965 in der Schweiz.
Wir Auslnder mssen auf die
Schweizer zugehen und die
Sprache, Deutsch, spter Dialekt,
reden.
Hedy Linthorst
8048 Zrich
MM 12: Ein Mann geht unter
die Haut, DJ Mr. Da-Nos im
Portrt.
Eine Bresche fr
die DJs schlagen
Ich mchte eine Bresche schla-
gen fr diese DJs. Sicher ist diese
Musik anders als unsere damals,
ich habe Jahrgang 1949. Aber es
Schreiben Sie uns: Wir freuen uns ber Briefe und Mails zu Artikeln im Migros-Magazin. Je krzer Ihr Brief, desto grsser die Chance, dass er verffentlicht wird. Zuschriften
knnen durch die Redaktion gekrzt werden. Per Post an Redaktion Migros-Magazin, Leserbriefe, Postfach 1751, 8031 Zrich, oder per Mail an [email protected]. Und
vergessen Sie bitte nicht, Ihre Adresse und Ihre Telefonnummer anzugeben.
sind die DJs, auf gut Deutsch
Plattenaufleger, welche die
Tanzmusiker abgelst haben und
sich weiterentwickelten wie
alles Elektronische. Mein Mann
und ich hatten letzten Freitag
die Gelegenheit, uns mit dieser
Musik vertrauter zu machen.
Wir gingen ins Bolero nach
Winterthur zu einem Auftritt
von Mr. Pink. Es war eine gute
Erfahrung, und wir werden uns
wieder einmal einem solchen
Abend hingeben.
Elsbeth Orler
9542 Mnchwilen
Einen super Bericht habt ihr da
ber DJ Mr. Da-Nos geschrieben.
Mit solchen Berichten bleibt das
Migros-Magazin jung. Weiter so.
Cristian Presicce per Mail
Ich wollte euch nur ein grosses
Kompliment machen fr den
Bericht ber DJ Mr. Da-Nos. Ich
bin ein regelmssiger Leser eures
Magazins. Obwohl ich eigentlich
kein grosser Fan der elektroni-
schen Musik bin, gefllt mir der
ganze Bericht sehr. Ich habe
sogar die neue CD gekauft.
Oliver Bleiker per Mail
MM 11: Liebe kennt keine
Altersgrenze, Artikel ber
Paare mit grossem Alters-
unterschied.
Seit ber 25 Jahren
glcklich zusammen
Mein Mann und ich sind im
Moment altersmssig zehn
Jahre auseinander, ab Mitte Mai
wieder elf Jahre. Dann feiere ich
meinen 65. Geburtstag. Ich bin
die ltere. ber 25 Jahre sind
wir nun schon glcklich zusam-
men. Wir haben es uns am
Anfang nicht leicht gemacht,
aber irgendwann siegte
folgendes Motto: Wenn sich
schon so viele Leute Sorgen
um uns machen, haben wir
keine mehr. Sie nehmen uns
alle ab!
Gertrud Zumsteg, per Mail
MM 12: Bei Georgette fhlt
sich Satine pudeliwohl, Artikel
ber das glckliche Ende einer
Leserbriefschreiberin.
Ein Tier hilft
jedemMenschen
Als ich im Heft den Artikel las,
berlegte ich immer wieder, wie
ich Frau Georgette helfen knnte,
da es mich sehr betroffen
gemacht hat. Ein Tier hilft jedem
Menschen, ob Jung oder Alt. Als
ich gestern den grossen Bericht
gelesen hatte, habe ich mich
richtig gefreut, dass Ihr Frau
Georgette geholfen habt. Ich
finde es echt super. Danke.
Cornelia Rudigier
D-79618 Rheinfelden
Liebes Migros-Magazin. Ein Tier
kann Wunder wirken. Bei Alt
und Jung. In unserem Pflegeheim
sind zwei Katzen, und die sind zu
jedem super.
Anita Marmy per Mail
TV-Spot der Migros
Mit Chocolate macht
die Werbung Spass
Fernsehwerbung ist meist nervend. Sofern ich nicht
wegzappe, nutze ich die Unterbrechung fr irgendeine
kurze Ttigkeit. Sobald ich aber das Signet der Migros-
Werbung mit Huhn Chocolate hre, kehre ich unverzg-
lich vor den Bildschirm zurck und schaue mir den Spot
mit unverndert grossem Vergngen an, obschon ich ihn
schon zigmal gesehen habe. Ich mchte der Migros,
Werber Alex Jaggi und Tiertrainerin Tatjana Zimek ein
grosses Kompliment machen.
Hildy Dhler, 3012 Bern
Ich habemich
richtig ge-
freut, dass
Ihr Frau
Georgette ge-
holfen habt.
Cornelia Rudigier
Rheinfelden (D)
s-Magazin 14, 6. April 2010s-Ma-Ma-Magagagaz 14, 6.6. ApAp 20201010
We
gr
Von Chocolate
knnen die
Fernseh-
zuschauer
offenbar nicht
genug kriegen.
Aus Angst
wurde
Amore
Als die ersten Menschen aus Italien
in die Schweiz kamen, war das Misstrauen
gross. Tempi passati. Das Migros-
Magazin zeigt fnf Italiener, die der Schweiz
seit Jahren sdliches Flair verleihen.
S
ie kamen zu Tausenden. Vom
Baubeginn des ersten Gott-
hardtunnels an strmten Ita-
liener ab 1860 ein ganzes Jahrhun-
dert lang in die Schweiz und lies-
sen sich berall da nieder, wo es
Arbeit fr sie gab. 200000 waren
es allein in den Jahren 1947 und
1948. 1975 lebte ber eine halbe
Million Italiener in der Schweiz.
Gastarbeiter nannte man sie, und
mit einer merkwrdigen Auffas-
sung von Gastfreundschaft unter-
suchte man sie an der Grenze
zunchst auf ansteckende Krank-
heiten, die sie nicht ins Land
bringen sollten.
Inzwischen wissen wir, dass
sie ein paar Dinge in die Schweiz
brachten, die wir nicht mehr aus
dem Alltag wegdenken mgen.
Pizza zum Beispiel, Pasta, schne
Motorrder oder elegante Mode.
OderMarroni. Undwer sollte die-
se besser zubereiten als ein Italie-
ner. Rosario Puglisi (55) jedenfalls
wurde krzlich zum besten Mar-
ronimann der Stadt Basel erkoren.
Seine Edelkasta-nien kommen na-
trlich ebenfalls aus dem Sden:
Die Berner Firma Strazzini impor-
tiert sie aus Norditalien.
Nach 24 Jahren als Eisenleger
bernahm Puglisi seines Vaters
Marronistand vor elf Jahren. Seit-
her schleppt der dreifache Fami-
lienvater von September bis Mrz
fast tglich sackweise Marroni in
Basels Fussgngerzone, um sie von
10 Uhr bis 19 Uhr feilzubieten.
Das machte schon mein Vater
34 Jahre lang, sagt Puglisi, wh-
rend er in seinen Pfannen rhrt,
und vielleicht wird es auch Se-
bastiano,mein neunjhriger Sohn,
eines Tages tun. An warmen
Sommertagen will aber niemand
Marroni essen. Dann ist Puglisi
ein paar Strassen weiter anzutref-
fen, an einem Stand mit Sonnen-
schirm, wo er Gelati verkauft.
Pasta: Frher fr arme
Leute, heute fr Gourmets
Bunte Glaces gehren zu denDin-
gen, an die wir denken, wenn wir
Italien sagen wie Ferien, Meer,
Rotwein, elegante Schuhe, schnit-
tige Autos und Pasta natrlich.
Whrend die italienischen Teig-
waren ursprnglich als einfache
Mahlzeiten fr Saisonniers gal-
ten, kauftman frische Pasta
heute im feinen kleinen La- Eissi Marroni, Maronni ganz eiss. Die warmen Kastanien von Rosario
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Puglisi sind aus Basels Winterleben nicht mehr wegzudenken. Vor elf Jahren hat der 55-Jhrige den Marronistand von seinem Vater bernommen.
ZumGlck
hat Pap 1967
hier einen
Marronistand
erffnet.
MENSCHENDOLCEVITA
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den. Zum Beispiel bei Pat-
rizia Fontana in Zrich. Ir-
gendjemand hat ihr mal den
Titel Pastaknigin verpasst,
worber die zierliche Frau nur
herzlich lachen kann.
Hauptsache, die Kundenm-
genmeine Sachen, sagt sie. Kuli-
narisch gesehen ist die 53-Jhrige
erblich vorbelastet. Schonmeine
Grossmutter amGardasee begann
jedenMorgen um sechs, Pasta an-
zufertigen, erinnert sich Fonta-
na. Der Grossvater besass eine
Weinpresse im italienischen
Pacengo, der Onkel ein Restaurant
in Mailand.
Und nun wirkt Fontana seit
21 Jahren tglich in ihrer knapp
25 Quadratmeter grossen Pasta-
kche, nimmt Bestellungen von
Restaurants entgegen, schmeckt
Fllungen ab, gibt ihren drei Mit-
arbeitern Anweisungen und km-
mert sich um den Verkauf im La-
den. Feigenkonfi aus Lecce steht
dort neben Honig aus Sizi-
lien und Kse aus dem Piemont.
Und natrlich gibt es frische Pasta
alleine von Ravioli elf Sorten.
Die Rezepte stammen genauso aus
Italien wie ein Grossteil der Zuta-
ten und Produkte, die Fontana
kbelweise importiert.
War die Pasta einst ein Arme-
Leute-Essen, so war das Boccia-
spiel ursprnglich eine Art Be-
schftigungstherapie. Wie in
Oberitalien blich, wollte man
auch hier den Fabrikarbeitern
Seit ber 20 Jahren dreht sich das Leben von Patrizia Fontana um Teigwaren. Die Rohstoffe fr ihre frische Pasta holt die 53-Jhrige in Italien.
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Migros-Magazin 14, 6. April 2010
BELLA ITALIA
eine sinnvolle Freizeitbeschfti-
gung bieten, sagtMarioMontag-
na (62). So ist auch dieser Club
entstanden, fgt er an und weist
mit einer ausholenden Armbewe-
gung auf die lnglicheHalle hinter
sich. Wie jeden Dienstagabend
steht Montagna in Baar ZG in der
Halle des Bocciaclubs BC Lorze
Baar. Mario Montagna hat den
Club 1974 mitgegrndet. Ich ar-
beitete damals in der Spinnerei an
der Lorze, sagt er, drei Viertel
der Angestelltenwaren Italiener.
Montagna, Sohn eines Italieners
und einer Franzsin, half mit, als
die Gastarbeiter der Spinnerei in
Fronarbeit zunchst zwei Boccia-
bahnen unter freiemHimmel bau-
ten und sich fortan zu frhlichen
Partien trafen. Schweizer waren
wenige dabei, sagt Clubgrnder
Montagna obwohl sie herzlich
willkommen waren. Heute ist
die Mehrheit der Spieler Schwei-
zer Secondos und Secondasmit-
gezhlt. Boccia wird heute vorwie-
gend auf den akkurat gemhten
Rasen der Einfamilienhuser ge-
spielt. Nach gut schweizerischer
Manier wurden auch die
Mario Montagna hat den Bocciaclub BC Lorze Baar 1974 mitbegrndet und spielt noch heute regelmssig.
Nach dem
Boccia sassen
wir zusam-
men, sangen
und tranken.
Schonmeine
Mutter hat
die Esswaren
in Italien
geholt.
MENSCHENDOLCEVITA
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Sandbahnen schon vor Jah-
ren berdacht. Und Italie-
ner versucht man nicht mehr mit
einem organisierten Freizeitpro-
gramm von der einheimischen
Bevlkerung fernzuhalten. Doch
damals begleitete sie das Miss-
trauen vom ersten Schritt an, den
sie auf Schweizer Boden setzten.
Pltzlich sollten die
Italiener wieder gehen
1970 gipfelte die Ablehnung in
der berfremdungs-Initiative des
Nationalrats James Schwarzen-
bach. Diese wollte den Auslnder-
anteil auf zehn Prozent senken.
Eine halbeMillionMenschen ht-
te die Schweiz verlassen mssen.
Die Initiative wurde abgelehnt,
die Gastarbeiter blieben.
Giorgio Di Vincenzos (75)
Aufenthalt war kaum gefhrdet.
Er war 1960 als Spezialist aus Ita-
lien in die Schweiz geholt worden.
Seine Aufgabe: Motorrder der
Marke Piaggio und des Modells
Vespa zu montieren und zu repa-
rieren.Dennmit den italienischen
Rollern, die gerade in Mode ge-
kommen waren, kannte sich in
der Schweiz noch niemand aus.
Ich aber hatte gerade zweiein-
halb Jahre in der Piaggio-Fabrik in
Pontedera gearbeitet, als manmir
den Job in der Schweiz anboten
hat, sagt Di Vincenzo, ich sagte
sofort zu. Und er fhlte sich vom
ersten Moment an wohl hier.
Diese Wlder!, schwrmt er
heute noch, mit Rehen und Eich-
hrnchen! So etwas Schnes hatte
ich noch nie zuvor gesehen.
Nach einigen Jahren als Ange-
stellter machte sich Di Vincenzo
mit einemVespageschft selbstn-
dig. Zudem war er Prsident des
Oldtimer-Vespaclubs, dem er heu-
te noch angehrt und sass dem
Vespa-Club Schweiz vor. Die far-
benfrohen Motorrder aus seiner
Heimat waren salonfhig gewor-
den. Das wurde Di Vincenzo sp-
testens in den Achtzigerjahren
klar, als man ihm die Vespa von
Gina Lollobrigida zur Reparatur
brachte.
Auch Giulia Abeler bietet Ita-
lianit der chicen Art an. Ansons-
ten ist ihre Geschichte eine ganz
andere. Die 44-Jhrige stammt aus Seine Hnde waren 1960 Gold wert. Ausser Giorgio Di Vincenzo waren damals in der Schweiz nur wenige fhig,
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Migros-Magazin 14, 6. April 2010
BELLA ITALIA
dem tiefen Sden Italiens, aus der
Basilicata, die zwischen Rist und
Absatz des Stiefels liegt. In mei-
ner ganzen Sippschaft war ich die
Erste, die auswanderte, sagt sie,
und man erklrte mich fr ver-
rckt. Das war 1992 und Giulia
Abeler 26 Jahre alt. In London
lernte sie ihren Mann einen
Deutschen kennen. Ihm folgte
sie spter in die Schweiz und ins
amerikanischeDetroit. Dort bet-
tigte sich die studierte konomin
erstmals handwerklich und stellte
aus zerschnittenen Handtaschen
neue Kreationen der Eigenmarke
her. Meine arme Schwester
musste viele Taschen vonmir spa-
zieren tragen, erinnert sich
Giulia Abeler lachend.
Zurck in der Schweiz baute
sie mit ihren Ideen ein eigene Ge-
schft auf. In Zollikon ZH entwirft
die zweifache Mutter Taschen,
Necessaires, Etuis undweitere Ac-
cessoires, die sie in kleinen Leder-
manufakturen in Norditalien her-
stellen lsst. Alles in Handar-
beit, betont Giulia Abeler und
streicht zrtlich ber eine riesige
hellbraune Ledertasche.
Italiener sind in der Schweiz
die grsste Auslndergruppe
Die Designerin reist gut 20 Mal
pro Jahr in ihre alte Heimat,
um dieHerstellung ihrer Produkte
zu berprfen. Die Teile sind von
klassischem Design und langlebi-
ger Qualitt, nahezu ausschliess-
lich aus Naturmaterialien und
tragenNamenwieRoma, Florence
oder Giulia. Die Italienerin ist
Kosmopolitin. Rede ich jetzt
geradeEnglischoderItalienisch?,
fragt sie zwischen zwei Stzen
ohne Koketterie. Sie kennt die
italienisch-schweizerische Ge-
schichte nur vomHrensagen und
fhlt sich an vielen Orten auf der
Welt wohl. Zurzeit sucht sie Ge-
schftsrumlichkeiten in der Stadt
Zrich. Einen kleinen Laden im
Zentrum, sagt sie mit leuchten-
den Augen. Sie mchte wohl hier
bleiben, wie die ber 290000 Ita-
liener, die heute in der Schweiz
leben und damit die grsste Aus-
lndergruppe stellen.
Text Yvette Hettinger
Bilder Marvin Zilm
eine Vespa zu reparieren.
Ihre ersten Lederkreationen stellte Giulia Abeler aus zerschnittenen
Gucci-Taschen her. Getestet wurden die Werke von Giulias Schwester.
Als ich jung
war, fuhr ich
mit der Vespa
von hier bis
ansMeer.
Italien
hat ein
Hndchen
im Umgang
mit Leder.
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www.migrosmagazin.ch
Gebrannte und geworfene
Kugeln: Der grosse Wissenstest
zur Schweizer Italianit.
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Migros-Magazin 14, 6. April 2010
BELLA ITALIA
Ich bin kein Vorbild
und will keines sein
Massimo Rocchi ist jetzt Schweizer und erzhlt in seiner neuen Show
rocCHipedia die Geschichte der Eidgenossenschaft. Im Gesprch
erzhlt der schweizerisch-italienische Kabarettist, was er von Politik
hlt und wieso er Werbung fr einen Kabelnetzbetreiber macht.
Massimo Rocchi, was geschah
1501 in der Schweiz?
1501? Ichweiss, was 1476 geschah.
Karl der Khne bekam in Murten
eine richtige Ohrfeige. Alle, die
zur Schweiz gehrten wobei es
die Schweiz so noch nicht gab ,
waren hingegangen, sogar die Zr-
cher. 1501 (berlegt) Es knnte
sein, dass da Basel der Eidgenos-
senschaft beigetreten ist.
Genau. In Ihrer Show rattern Sie
die Eckdaten der Eidgenossen-
schaft nur so runter. Haben Sie
sie fr die Einbrgerung gelernt?
Fr die Einbrgerung musste ich
die SchweizerGeschichte nur grob
lernen. Aber fr rocCHipedia
nahm ich bei einer Historikerin
Privatkurse ber die Entstehung
der Eidgenossenschaft.
Warum wollten Sie
Schweizer werden?
Nachdem ich ein paar Jahre lang
ein Hybrid gewesen war halb
Italiener, halb Schweizer , hatte
ich das Bedrfnis zu sagen: Ich bin
Schweizer! Ich wollte mich nicht
mehrmitmeinerHerkunft als Ita-
liener entschuldigen. Ausserdem
finde ich, man kann als Bauer
nicht nur die pfel lieben, man
muss auch den Boden lieben, auf
dem der Apfelbaum wchst.
Sie leben schon seit 1986 hier.
Warum kam dieses Bedrfnis
gerade vor zwei Jahren auf?
In der Schweiz wie in der rest-
lichenWelt wehte ein neuerWind.
Pltzlich existierte die Schweiz.
Ich begann, in ihrer Geschichte zu
whlen und ihre Geheimnisse zu
ergrnden. Dann wurde Chris-
toph Blocher abgewhlt. Und wir
hatten die Fussball-Europameis-
terschaft. Spt nachts fuhren noch
Zge! Ich konnte um einUhrmor-
gens noch in Zrich ein Bier trin-
ken und war um drei Uhr in Basel
im Bett. Toll! Ich habe mich dann
beim damaligen Bundesrat Samu-
el Schmid schriftlich dafr be-
dankt, dass das mglich war.
Hat er reagiert?
Ja. Und er kam sogar mit seiner
ganzen Entourage in meine Vor-
stellung. Sie hat ihm gefallen, aber
er sagte hinterher auch zu mir:
s paar Sache zwsche s Bun-
desrt laufe de nid so, wie Dir
gloubet! Ich antwortete: Na,
zum Glck!
Sie nehmen in rocCHipedia
viele Politiker auf die Schippe.
Wen whlen Sie in Wirklichkeit?
Politiker, die keine Angst verbrei-
ten und die unabhngig von ihrer
Partei arbeiten, und solche, die
Politik als soziale Aufgabe sehen.
Also die SP?
Auf dem Papier wre das die rich-
tige Partei. In Wahrheit ist die SP
leider eine Schlaftablette. Nun, es
gibt gengend gute Politiker, die
wir nach Bern schicken knnten.
Aber lieber beklagenwir uns dar-
ber, dass unsere Bundesrte zu
schwach sind. Siemssen in Tripo-
lis, New York und Brssel verhan-
deln. Wir geben ihnen sozusagen
Ruderbtli, und damit sollen sie
zwischen Eisbergen und Eisbren
herumfahren. Sie brauchen grs-
sere Boote, also mehr Freiraum.
Whlen Sie auch noch in Italien?
Ja, obwohl ich denke, dass die liebe
Marokkanerin, die meine Mutter
betreut, eher dasWahlrecht haben
sollte als ein Exilitaliener wie
ich.
Interessiert es Sie denn
berhaupt noch,
was in Italien passiert?
Natrlich, ich habe ein elektroni-
sches Abo der Repubblica.Mein
Tag beginnt mit einem Frhstck
und einer Presserevue. Auch die
NZZ lese ich online. Dann fol-
gen Teile von Blick, Tages-
Anzeiger, Weltwoche und der
Zeit. Ich will informiert sein
und whlen. Ich halte das Wahl-
recht fr eine grosse Errungen-
schaft der Menschheit.
Wortakrobat
Der KomikerMassimo Rocchi
(53) wurde in der Schweiz mit der
Theaterproduktion u bekannt,
mit der er 1994 auf Tournee ging.
Darin zerpflckt er auf liebevolle
Weise den Dialekt seiner ersten
Schweizer Wahlheimat Bern.
Sprachakrobatik und prgnante
Mimik sind sein Markenzeichen.
Der Wahlschweizer aus Cesena
(Italien) westlich von Rimini hat
in Italien Theaterwissenschaften
studiert und sich in Frankreich
zum Pantomimen ausbilden
lassen. Fr seine Bhnenproduk-
tionen erhielt er zahlreiche
Auszeichnungen, unter
anderem 1996 den
Salzburger Stier, 1997
den Prix Walo und 2005
den Swiss Award
in der Kategorie
Showbusiness.
Rocchi hat zwei
erwachsene
Tchter und
lebt in Basel.
Schweizer-
deutsch ist
sehrwohl
ein Problem
fr die
Deutschen.
INTERVIEWMASSIMOROCCHI
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17
Sie machen in Ihrer Show
Sprche ber die AHV,
weil sie den Schweizern ein
Heiligtum ist. Ist sie das fr
Sie jetzt auch?
Nicht so sehr. Als Knstler denke
ich finanziell etwas kurzfristiger.
Je nach Programm geht es meinen
Finanzenmal besser,malweniger.
Ichwre unehrlich, wenn ichmich
beklagen wrde. Aber auch fr
mich ist das Publikum unbere-
chenbar. Man weiss nie, was gera-
de gefragt ist und wie erfolgreich
eine Show wird.
rocCHipedia ist erfolgreich,
die Leute lachen viel.
Es ist nicht mein Hauptziel, das
Publikum zumLachen zu bringen.
Ich will aktuell sein und die Men-
schen erreichen. Ich sehe schon,
dass das Publikum lacht. Aber ich
mache keine Witze, sondern er-
zhle Geschichten. Zum Beispiel
gehe ich auf die Bhne und sage
erst mal nur Ich bin Schweizer.
Niemand lacht. Ein solcher
Anfang wre eigentlich die beste
Voraussetzung fr einen Flop.
Aber dann stellt sich das Publikum
auf meine Art ein und hat Spass.
Sind Sie auch privat lustig?
Keine Ahnung.
Was sagen Familie und Freunde?
Sie finden, dass ich manchmal
sehr still bin. Stille ist tatschlich
etwas Wichtiges in meinem Le-
ben. Ich gehe in Museen und Kir-
chen, um fr mich zu sein das
brauche ich tglich. So kann ich
ein unbeschwertes Leben leben.
Werden Sie in der ffentlichkeit
in Ruhe gelassen?
Der Schweizer ist sehr nett und
zurckhaltend. Krzlich kam eine
Frau zumir und sagte: Heute ha-
be ich Geburtstag und habe mir
deshalb zwei Karten fr Ihre Show
gekauft. Dann bat sie mich um
ein Autogramm, das ich natrlich
gern gab. Die Dame bedankte sich,
gingweiter und bezahlte heimlich
auch noch meinen Kaffee. Ist das
nicht wunderbar? Wenn Knstler
sagen, es sei mhsam, angespro-
chen zu werden, glaube ich
das nicht recht.
Massimo
Rocchi muss
tglich fr sich
alleine sein,
um sich
wohlzufhlen.
*Erhltlich in grsseren Migros-Filialen.
DIESER KSE IST ZU ALLEM BEREIT.
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INTERVIEWMASSIMOROCCHI
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19
Sind Sie in der Schweiz
gut integriert?
Ja, die Geschichte zwischen der
Schweiz und mir ist eine grosse
Liebesgeschichte. Dieses Land hat
sehr gute Voraussetzungen, um
Menschen zu integrieren. Leider
missbrauchen gewisse Parteien
das Thema, um Angst zu verbrei-
ten und haben damit Erfolg.
Was braucht es denn, damit
Integration funktioniert?
Viel Zeit. Wir mssen Geduld ha-
ben mit den Migranten und uns
einwenig entspannen. Integration
ist eine Metamorphose. Sie be-
ginnt mit einer neuen Sprache,
mit der jeder Migrant zunchst
konfrontiert wird.
Fr die Deutschen ist aber
die Sprache kein Problem.
Schweizerdeutsch ist sehr wohl
ein Problem fr die Deutschen.
Wenn ein deutscher Kinderarzt
von einem Kind hrt s Fudi tuet
mer weh, versteht er das nicht.
Denn Fudi heisst auf Deutsch
nun mal nicht Fudchen.
Sie treten auch in Deutschland
auf. Versteht das Publikum dort
rocCHipedia?
Ja, es gefllt den Deutschen. Die
Schweiz ist ein grosses Thema fr
sie. Sie wissen, dass die Schweiz
nicht nur negative Seiten hat.
Nur fhlen sich die Deutschen
hier nicht geschtzt.
Das sagen die Medien, und die
sind in diesem Fall das Problem.
Ich jedenfalls schtze unseren
nrdlichen Nachbarn, immerhin
istmeine Lebenspartnerin von der
deutschen Kavallerie.
BELLA ITALIA
Sie haben zuerst in Bern gelebt
und sind 2003 nach Basel ge-
zogen.War Bern, was den Humor
angeht, abgegrast?
Nein, der Umzug hatte private
Grnde. Ich bin aber noch oft
dort. Meine Tchter sind in Bern,
Freunde, mein Arzt. Ich liebe
Bern, es hat mich beschenkt mit
seiner Sprache wobei ich auch
sehr gern Churdtsch habe.
Sie meinen Bndner Dialekt.
Ja genau. Aber Bern ist meine
Grossmutter.
Und Basel?
Basel ist ein Ferrari.
Teuer?
Auch.Und vollerberraschungen.
Nur schon der Kulturkalender! Es
gibt nicht nur Fussball, sondern
auchMessen, Treffen, Feste.
Woher kommen die Ideen
fr Ihr Programm?
Ich lebe einen normalen Alltag,
wasche Wsche, kaufe ein und so
weiter. Manchmal wird dabei die
Kassiererin in derMigros zu einer
Geschichte, oder aus Kontaktlin-
senwird ein Implantat. Zugfahren
gibt brigens auch einiges her.
Muss man aufpassen, was man
sagt, wenn man im Zug neben
Ihnen sitzt?
Nein. Ich mchte einfach wissen,
was die Menschen bewegt, vor al-
lem die jungen.Wenn jungeMen-
schen inmeiner Show sitzen, habe
ich etwas richtig gemacht.
Gibt es Menschen, die Ihnen
Geschichten erzhlen, weil sie
finden, Sie sollen sie auf die
Bhne bringen?
Hie und da bekomme ich solche
Mails. Aber noch fter werde ich
korrigiert. Herr Rocchi, heisst es
dann etwa, Sie haben der Schlacht
bei Sempach eine falsche Jahres-
zahl gegeben. Das ist typisch
schweizerisch, und ich liebe es.
Sie haben Werbung fr Cable-
com gemacht. Die Firma hat in
der Schweiz kein gutes Image.
Das interessiert mich nicht. Ich
bin kein Vorbild und will keines
Dieses Land
hat sehr gute
Vorausset-
zungen, um
Menschen zu
integrieren.
4.
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Migros-Magazin 14, 6. April 2010
INTERVIEWMASSIMOROCCHI
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21
Sponsoring by
Das Zelt 2010
sein. Die Kampagne habe ich ge-
macht, weil ich Fernsehen liebe
und kreativ sein konnte.
Fussball ist eine Passion von
Ihnen. Italien ist Weltmeister.
Wird es im Juli die Schweiz?
Das wre schn, ist aber unwahr-
scheinlich. Dafr bruchten wir
einen Torschtzen und einen
Denker. Beides haben wir nicht.
Das Finalspiel wird lauten: Eng-
land gegen Spanien. Und England
wird gewinnen. Warum? Trainer
Fabio Cappello ist Italiener.
Interview Almut Berger
Yvette Hettinger
Bilder Herbert Zimmermann
Zu den Highlights des
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von Das Zelt gehrt
rocCHipedia,
Massimo Rocchis
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Po
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Massimo
Rocchi:
Bern ist
meine
Gross-
mutter.
BELLA ITALIA
22
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AUF EINWORT Migros-Magazin 14, 6. April 2010
JAHRHUNDERT-IRRTMER
Man muss gewissen
Angaben einfach glauben
UNTERWEGS
AN DIEWM (6)
Fr Christian Roos, Roland Illi,
Daniel Jacot und Francis Schny-
der geht ein Traum in Erfllung:
Sie fahren auf dem Landweg an
die Fussball-WM nach Sdafrika.
Walter Krmer, wohl als Folge
eines Zahlendrehers wurde
uns rund 80 Jahre lang weisge-
macht, dass der Rhein 1320
Kilometer lang ist. Selbst der
Brockhaus arbeitete seit 1933
mit dieser Grsse. Was halten
Sie von diesem Irrtum?
Zuerst einmal musste ich
schmunzeln. Denn fr mich ist
dieser Fehler nicht weltbewe-
gend. Gleichzeitig hoffe ich sehr,
dass Fehler dieser Art in anderen
Fllen nicht folgenschwere Kon-
sequenzen nach sich ziehen.
Schuld an der falschen Rhein-
lnge soll ein einfacher Zahlen-
dreher sein. Sehen Sie das
auch so?
Ja. Es passiert mir selbst mindes-
tens ein Dutzend Mal pro Jahr,
dass ich Zahlen verdrehe. Zum
Glck machen mich meine Mit-
arbeiter darauf aufmerksam.
Was lernen wir daraus?
Das Beispiel zeigt uns, dass man
nicht alle Quellen nachprfen
kann. Man muss gewissen Anga-
ben in serisen Lexika wie Brock-
haus ganz einfach glauben. Fr
Brockhaus ist die falsche Angabe
ber die Rheinlnge hingegen
ein Betriebsunfall.
Die Sddeutsche Zeitung
whlt dramatischere Worte
und spricht von einem Jahr-
hundert-Irrtum.
Gleich solche Vergleiche ins Feld
zu fhren ist bertrieben. Beim
Versehen handelt es sich viel
eher um einen Reinfall. Der
Brockhaus besteht aus 800 Sei-
ten pro Band und grob gerechnet
aus 500000 Zahlen. Wenn da
eine einzige Zahl falsch ist, ist
das eine gute Quote. Ein solcher
Fehler im Promillebereich ist
unvermeidbar, weil es zeitlich
schlicht nichtmglich ist, immer
und alles bis auf die letzte Kom-
mastelle nachzuprfen.
Ihr Lexikon der populren
Irrtmer lste einen
veritablen Irrtmer-
Boom aus. Es gilt,
obwohl mehr als zehn
Jahre alt, als eines der
erfolgreichsten
Sachbcher der
letzten Jahre. Was ist
fr Sie der grsste Irrtum?
Den Ausschlag fr mein Buch
gab mir der Irrtum, wonach die
Raucher durch ihr Laster unser
Gesundheitssystem verteuern.
Wir kamen zum Ergebnis, dass
beispielsweise das Gesundheits-
system der Schweiz teurer wr-
de, selbst wenn 100 Jahre lang
niemand rauchte. Und Deutsch-
land wre ohne Raucher pleite.
War das der grsste Irrtum?
Nun, legendr ist der Kommafeh-
ler beim Eisengehalt des Spinats,
der jahrelang um den Faktor
10 zu hoch angegeben wurde,
weil eine Sekretrin falsch abge-
tippt hatte. Deshalb musste ich
als Kind Spinat in rauenMengen
essen, obwohl Schokolade und
Fleischkse im Vergleich mehr
Eisen haben. Und in der Physik
wimmelt es nur so von Irrtmern
vonAristoteles ber Kant bis zu
jenem Nobelpreistrger, der be-
hauptet hat, Atome knnten
nicht gespaltet werden.
Was fhrt am hufigsten
zum Irrtum?
Es gibt Leute, die verdrngen die
Wahrheit und legen sich lieber
eine Legende zurecht. Deshalb
wrden die Franzosen nie zu-
geben, dass die Bastille zur Zeit
der Franzsischen Revolution
nicht gestrmt wurde. Oder in
der Schweiz will man weiterhin
glauben machen, Wilhelm Tell
sei eine reale Figur gewesen, weil
es ein Stich ins Nationalgefhl
wre, wrde man den Mythos
nicht weitertragen.
1997 grndeten Sie den Verein
Deutsche Sprache, der sich
gegen Denglisch einsetzt.
Welchem Irrtum unterliegen
wir mit Anglizismen?
Wer meint, englische Ausdrcke
seien geschftsfrdernd oder gut
frs Sozialprestige, irrt gewaltig.
Der Begriff Computer wird
beispielsweise noch immer von
Amateuren verwendet. Echte
Profis sprechen von Rechnern.
Die Schweizer Post wurde bri-
gens 2008 fr ihren vorbildlichen
Umgangmit der deutschen Spra-
che ausgezeichnet. Davon knn-
te sich die Deutsche Post eine
grosse Scheibe abschneiden.
Interview Reto E. Wild
Der Rhein ist nicht 1320,
sondern nur 1230 Kilometer
lang. Professor Walter Krmer
(61) von der Technischen
Universitt Dortmund und
Mitautor des Lexikons der
populren Irrtmer ber
diesen Reinfall, Spinat,
Physiker und Raucher.
Schokolade hat
im Vergleichmehr
Eisen als Spinat.
Bildphotoplus.ch
Tanken mssen auch die
Reisenden immer wieder.
Tanzender Tankwart
In gypten haben wir uns etwas
erholt und Energie fr die
bevorstehende Reise durch den
Sudan getankt. Wir haben es
genossen, ab und zu den engen
Platzverhltnissen unserer
Wohnkabine zu entfliehen und in
schmucken Restaurants am
Meer zu spachteln.
Als besonderes Ereignis stellt
sich jedes Mal das Tanken
heraus. Kaum in die Tankstelle
eingefahren, steht ein Tankwart
neben unserem Wagen, und wir
versuchen mit Hnden und
Fssen sicherzustellen, dass die
richtige Flssigkeit in unseren
Tank gelangt. Meistens staunen
die Tankwarte ber unser
Fahrzeug und wollen wissen,
woher wir kommen. In ihrem
Eifer fllen sie den Tank immer
bis zum berlaufen. Einmal war
die gegenseitige Freude ber die
Begegnung beim Zapfhahn so
gross, dass wir alle gemeinsam
ein Tnzchen auffhrten und
dazu laut immer wieder mashy,
mashy (alles okay) sangen
sehr zum Gelchter der um-
stehenden Leute. Denn wenn wir
etwas nicht knnen, dann ist das
Singen und Tanzen.
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24
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Migros-Magazin 14, 6. April 2010
Die Schweizer Volkswirtschaft ist
klein, offen und stark vom Export
abhngig. Deshalb wird von Politik
und Wirtschaft der Wechselkurs
des Frankens sehr genau verfolgt.
Aus zwei Grnden ist der Wechsel-
kurs Euro zu Franken speziell
wichtig: Erstens ist Euroland unser
wichtigster Exportmarkt, und
zweitens sind unsere grssten
Konkurrenten dort beheimatet.
Ein schwacher Euro oder um-
gekehrt ein starker Franken trifft
daher die Schweizer Wirtschaft
dort, wo es wehtut. Warum,
erklrte Roland Decouvert, Chef
von Nestl Schweiz, wie folgt:
Bleibt der Euro langfristig unter
1.45 Franken, sind wir konzern-
intern nicht mehr konkurrenzfhig,
Nescaf wird auch andernorts
produziert.
Die Schweizerische Nationalbank
(SNB) ist zustndig fr den
Wechselkurs. Sie verspricht immer
wieder, den Franken nicht zu stark
werden zu lassen. In normalen
Zeiten ist das einfachste Mittel
dafr, die Zinsen zu senken. Dann
werden Anlagen in Schweizer
Franken weniger attraktiv, und der
Kurs sinkt. Derzeit jedoch sind die
Zeiten nicht normal. Wegen der
Wirtschaftskrise liegen die meisten
Leitzinsen unter einem Prozent.
Zinssenkungen sind daher nicht
mehr mglich, denn die Leitzinsen
knnen nicht negativ werden.
Was also tut die SNB? Theoretisch
wre es fr sie ein Kinderspiel, den
Franken zu schwchen: Sie msste
bloss mehr Geld drucken. Je mehr
Franken im Umlauf sind, desto
schwcher wird die Whrung.
Doch die Folgen sind gefhrlich und
komplex. Das gedruckte Papiergeld
kann leicht ausser Kontrolle
geraten und eine Inflation auslsen.
Genau dies zu verhindern ist die
oberste Pflicht der SNB.
Die SNB bringt daher nicht mit der
Druckerpresse mehr Franken in
Umlauf, sondern mit Interventionen
an den Devisenmrkten. Sie kauft
Euro und verkauft Franken. Dieses
Vorgehen ist, was die Inflation
betrifft, unbedenklich. Es hat aber
auch einen kleinen Haken: Seine
Wirkung ist beschrnkt.
Philipp Lpfe
Noch nie war der Franken im Vergleich zum Euro strker
Wie die Schweizer Nationalbank als Whrungshterin zu verhindern sucht, dass der Franken zu stark wird.
Weiser Wirtschaftsdenker
Peter Bofinger (56) ist Professor fr Volkswirt-
schaftslehre an der Universitt Wrzburg. Er ist
Mitglied im Sachverstndigenrat zur Begutachtung
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der fnf
Wirtschaftsweisen, welcher die deutsche
Regierung bert. Bofinger hat zahlreiche Bcher
geschrieben. Sein letztes trgt den Titel Ist der
Markt noch zu retten?.
MENSCHENEUROKRISE
|
25
Euro in Franken
1.68
1.64
1.60
1.56
1.52
1.48
1.44
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
1. Januar 1999
Einfhrung des
Euro.
Frhjahr 2000
Die Dotcom-Blase platzt.
Die verunsicherten Anleger
flchten in den sicheren
Hafen Schweizer Franken.
Herbst 2001
Die allgemeine
Verunsicherung
nach 9/11 setzt
auch dem Euro zu.
Frhling 2003
Ehemalige Sorgenkinder
setzen zum Hhenflug an:
Die Wirtschaften von Spanien
und Irland beispielsweise
boomen. Das Vertrauen in
den Euro wchst.
Frhjahr 2004:
Der Irakkrieg kostet mehr als
erwartet. Der Dollar wird
schwcher, der Euro legt zu.
2006 2007 2008
September 2008:
Lehman Brothers geht pleite.
Panische Investoren flchten
in den Franken.
Frhling
2010:
Die
griechische
Tragdie
nimmt
ihren Lauf.
Quelle:ThomsonDatastream
Die Griechen
waren fahrlssig
Weshalb ist der Euro abgestrzt? Top-Wirtschaftsexperte Peter
Bofinger nennt viele Verantwortliche, nicht nur Griechenland.
I
n Euroland hngt der Haus-
segen schief. Nordlnder und
Sdlnder sind sich in die Haa-
re geraten. Als bekannt wurde,
dass Griechenland bei den Anga-
ben ber seine Staatsschulden ge-
schummelt hat, brach der Streit
aus. Spekulanten haben den Euro
ins Visier genommen, die Ein-
heitswhrung hat massiv an Wert
verloren. Bricht der Euro aus-
einander?Was bedeutet die Euro-
Schwche fr die SchweizerWirt-
schaft?WiekanndieNationalbank
verhindern, dass der Franken zu
stark wird?
Peter Bofinger, beim Thema
griechische Staatsverschuldung
hat man sich geeinigt. Ist im
Euroland jetzt alles wieder
in Ordnung?
Nein, man hat beschlossen, Grie-
chenland erst dann zu helfen,
wenn das Land wirklich aus der
Kurve fliegen sollte. Aberman hat
nichts getan, um zu vermeiden,
dass es berhaupt zu einer solchen
Situation kommt, in der die Hilfe
als Ultima Ratio eingesetzt wird.
Was wrde das konkret bedeu-
ten?
Man htte Griechenland zum
einen auf klar definierte Konsoli-
dierungsmassnahmen verpflich-
ten mssen, vor allem im Bereich
der Steuereintreibung, und htte
dann zum anderen dem Land
entgegenkommen knnen, indem
man ihm mit Garantien dazu ver-
holfen htte, sich zu niedrigeren
Zinsen auf denMrkten zu refinan-
zieren. Damit htte die Gemein-
schaft demLand geholfen, das sehr
schwierige Sanierungsprogramm
erfolgreich umzusetzen.
Die Krise hat den Euro ge-
schwcht, die deutsche Export-
maschine luft noch besser.
Streng genommen mssten die
Deutschen den Griechen
dankbar sein, oder nicht?
Das kann man so sehen. Aber es
wre auf lngere Sicht doch bes-
ser, wennman solche Spannungen
vermeiden wrde.
Im Euroland herrscht derzeit ein
Ungleichgewicht. Lnder wie
Deutschland exportieren zu viel,
Lnder wie Griechenland
und Spanien importieren und
verschulden sich dabei.
Wie lsst sich dieses
Sommer 2007:
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platzt.
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Ungleich-
gewicht beheben?
Kurzfristig ist das sehr schwierig,
denn wir sind lange in die falsche
Richtung gelaufen. Jetzt sind die
Lohnstckkosten in den Lndern
sehr unterschiedlich.
Was wrden Sie dagegen
unternehmen?
Ich pldiere dafr, dass wir in
Deutschland vor allem die Investi-
tionen frdern, denn wir werden
die deutschen Haushalte nicht
dazu bringen, die Sparschweine
zu schlachten.
Griechenland ist frs Erste aus
der Schusslinie der Spekulanten
geraten. Werden jetzt andere
Lnder wie Spanien, Portugal
oder Italien ins Visier ge-
nommen?
Das ist mglich, weil Euroland
keine klare Antwort darauf gege-
ben hat, wie man mit den Angrif-
fen von Spekulanten umgehen
kann.Wennman erklrt, man hel-
fe erst dann, wenn ein Land aus
der Kurve geflogen ist, dann reizt
das natrlich dazu, die Limiten
auszutesten.
Man ermuntert die Spekulanten,
diese Limiten zu erforschen?
So wrde ich das sehen, ja.
Was htten Sie dann fr eine
Lsung vorgeschlagen?
Ich bin dafr, dass man sich nicht
allein auf die Defizitziele konzent-
riert, denn die knnen in Not ge-
ratene Lnder nur schwer kontrol-
lieren. Wenn die Wirtschaft mas-
siv abstrzt, wird es fr Griechen-
land beispielsweise sehr schwer,
sich aus den Schulden zu sparen.
Viel wichtiger wre es, die Lnder
auf Dinge zu verpflichten, die sie
im Griff haben.
Wie zum Beispiel?
Die staatlichen Ausgaben kann
man sehr schn kontrollieren.
Griechenland msste man auch
dazu verpflichten, dafr zu sor-
gen, dass die Steuern endlich kon-
sequent eingetrieben werden.
Die Griechen sind also nicht
ganz unschuldig an der Misere?
Ganz und gar nicht. Es wre
absurd, jetzt alle Schuld denDeut-
schen in die Schuhe schieben zu
wollen. Die Griechen haben, was
den Staatshaushalt betrifft, fahr-
lssig gehandelt. Sie haben auch
in guten Zeiten keinen ausge-
glichenen Haushalt hingekriegt.
Griechenland ist das Land in
Europa, das am wenigsten
Geld aus den Einkommenssteuern
generiert. Das mssen und kn-
nen sie auch grundlegend verbes-
sern.
Sie gehren zu denen, welche
die Einfhrung des Euro als
klug und weitsichtig bezeich-
net haben. Gilt das bis heute?
Ja. Mit dem Euro ist es ein biss-
chen wie im Privatleben. Wenn
ich alleine lebe, dann kann mir
nichts passieren. Da muss ich
mich nie ber einen Partner r-
gern. Aber die meistenMenschen
leben glcklicher in einer Bezie-
hung. Das erfordert aber, dassman
sich darum bemhen muss. Im
Euroraum geht es darum, diese
Beziehungen zu pflegen und dafr
zu sorgen, dass alle Interessen
unter einen Hut kommen.
Jetzt herrscht aber dicke
Luft. Besteht die Beziehungs-
krise darin, dass man den
Sdlndern eine nrdliche Kultur
aufzwingen will?
Sie meinen die protestantische
Ethik gegen die katholische?
Beispielsweise.
Na ja, mit etwas gutem Willen
knnten die beiden Kulturen mit-
einander zurechtkommen. Zudem
machen auch nrdlichere Lnder
wie Grossbritannien grosse Schul-
den. Wren wir Deutschen nicht
so ausgeprgt auf den Export fi-
xiert, htten die Spanier und Por-
tugiesen erkannt, dass der Immo-
bilienboom nicht endlos dauern
kann. Und htten die Griechen die
Steuern eingetrieben, dann wre
das Ganze recht gut ge-
laufen.
Der Euro ist nie in den Herzen
der Deutschen angekommen.
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MENSCHENEUROKRISE
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29
Wer macht es eigentlich
richtig in Euroland?
Frankreich. Die Franzosen haben
weder in der einen noch der ande-
ren Richtung berzogen. Sie ha-
ben in ihrer Leistungsbilanz seit
Beginn der Whrungsunion im
Durchschnitt weder einen ber-
schuss noch ein Defizit. Sie sind
auch relativ gut durch die Krise
gekommen.
Wir bruchten mehr Frank-
reichs und weniger Griechen-
lands und Deutschlands?
Ja. Die Franzosen haben die Real-
lhne im Gleichschritt mit der
Steigerung der Produktivitt er-
hht, so wie ich mir das auch fr
Deutschland wnsche.
Heute hrt man immer wieder,
das Ende des Euro sei nahe.
Was ist davon zu halten?
Wer will, dass eine Beziehung
klappt, muss daran arbeiten. Eine
Beziehungskrise lst man be-
kanntlich nicht damit, dass man
behauptet, selber alles richtig ge-
macht zu haben, und alle Schuld
dem Partner zuschiebt. Daher
hilft es nicht, wenn man in
Deutschland sagt, die Griechen
sind die Schurken und wir die
Tugendhaften.
Hat man deswegen auch den
Internationalen Whrungsfonds
(IWF) mit ins Boot geholt? Muss
der IWF als eine Art Eheberater
agieren?
Ich sehe den IWF eher als zustz-
lichen Strfaktor.
Weshalb?
Es besteht die Gefahr, dass der
IWF auf die Idee kommt, es wre
fr Griechenland besser, wieder
eine eigene Whrung zu haben.
Der IWF ist in keiner Weise dem
Euro verpflichtet, er hat keine
europischen Ziele.
Es gibt auch Experten, die
sagen, dass man genau des-
wegen den IWF eingeschaltet
hat. Deutschland will den Euro
wieder abschaffen, sagen
diese. Was ist davon zu halten?
Ich betrachte das nicht als politi-
sche Option. Aber der Euro ist nie
in den Herzen der Deutschen an-
gekommen. Gbe es heute eine
Volksabstimmung, wrde die
Mehrheit wahrscheinlich die
D-Mark wieder einfhren.
Wre das schlimm?
Es wre eine Katastrophe. Die
politische Integration in Europa
wre beendet. Auch konomisch
wre der Schaden gross. In einer
globalisiertenWirtschaft ist selbst
ein Land wie Deutschland im
Alleingang verloren.
Der schwache Euro strkt den
Schweizer Franken und
schwcht damit unsere Wirt-
schaft. Wie soll sich die Schwei-
zerische Nationalbank dagegen
wehren?
Sie soll sich die chinesischeNatio-
nalbank zum Vorbild nehmen,
d.h.massiv auf denMrkten inter-
venieren, und dafr sorgen, dass
der Franken nicht zu stark wird.
Ist das nicht zu gefhrlich, weil
damit eine Inflation entstehen
knnte?
Diese Gefahr sehe ich nicht, denn
die Notenbank kann die mit den
Interventionen einhergehenden
Effekte auf die Geldmenge tech-
nisch sehr gut neutralisieren.
Zudem gibt es grssere Unter-
schiede in den Zinsen zwischen
der Schweiz und dem Euroraum.
Interview Philipp Lpfe
Bilder Sven Paustian
Frankreich
ist relativ
gut durch
die Krise
gekommen.
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