MINDERHEITENSCHUTZ IM AKTIENRECHT
PD Dr. Peter V. Kunz, Fürsprecher, LL.M.Privatdozent an der Universität Bern (Privat- und
Wirtschaftsrecht)Partner bei Beglinger Holenstein Rechtsanwälte, Zürich
Weiterbildungsseminare HSG - Universität St. Gallen "St. Galler Tagung zum Gesellschaftsrecht"Referat vom 12. November 2004, St. Gallen
1. Vom "Evergreen"... "Die Gesellschaftsrechtler haben ihr soziales Herz (...) im
weiten Umfange stets dem Minderheitsaktionär geschenkt. Minderheitenschutz im Aktienrecht war ein Dissertations-thema für Generationen:Wo der Vater sein Klagelied abgebrochen hatte, konnte der Sohn weiterfahren." Peter Nobel
Motive des Minderheitenschutzes: Ethik bzw. Demokratie bzw. Ökonomie - im Vordergrund:"no protection - no money"..!
A. Vom "Evergreen" zum "Alle Jahre wieder"
I. VORBEMERKUNGEN
Habilitation mit 1'300 Seiten - blieb "oberflächlich"
Flut von Dissertanten (und Habilitanten) v.a. BEHG sowie FusG
A. Vom "Evergreen" zum "Alle Jahre wieder"
1. Vom "Evergreen"... Lieblingsthema von "1'000 Autoren"... sowie des Referenten
z.B. "Der Minderheitsschutz im schweizerischen Aktienrecht" (Habil. Bern 2001): Literaturverzeichnis = 51 Seiten...
I. VORBEMERKUNGEN
Fokus v.a. auf Publikumsaktionär ("Gruppen-Problematik")
Aktienrecht verliert an Interesse...
A. Vom "Evergreen" zum "Alle Jahre wieder"
2. ...zum "Alle Jahre wieder" Weiterbildungsseminare HSG
PVK z.B. "Aktionärsschutz - letzter Stand" (24. Juni 2003)
I. VORBEMERKUNGEN
Ziel: "Grundlagen-Referat" - und etwas "philosophieren"...
Entwicklungen (z.B. historisch sowie territorial)
1. Hervorheben von "allgemeinen" Themen Wirtschaftsjuristen kennen Tagesaktualitäten: z.B. NZZ,
AJP, SJZ, Seminare
B. Neuerungen bei PVK
I. VORBEMERKUNGEN
BEHG: Angebotspflicht, Meldepflicht, "Freeze-Out" etc. z.B. "Gruppen-Problematik" (Art. 20 BEHG: "Real Estate Group/REG"; Art. 32 BEHG: "Quadrant AG")
FusG seit 1. Juli 2004 - "Riesenpotential" für Diskussion
Abschlussprüfung: z.B. Rechnungslegung, Revisionsstelle (RRG etc.)
B. Neuerungen bei PVK
2. Nicht behandelte Themen - bedeutsam für Minderheitenschutz
I. VORBEMERKUNGEN
I. VORBEMERKUNGEN
C. Aufbau des Referats
II. GRUNDSÄTZLICHES ZUM MINDERHEITENSCHUTZ
A. Strukturelemente sowie Bedrohungen
B. Triage bei Schutzmechanismen: "Exit" und "Voice"
C. Instanzen bzw. Wächter des Schutzes
II. ENTWICKLUNGEN IM AKTIENRECHT
A. Hinweise zur Rechtssetzung
B. Hinweise zur Rechtsanwendung
C. Hinweise zur internationalen Situation
IV. SCHLUSSTHESEN
II. GRUNDSÄTZLICHES ZUM MINDERHEITENSCHUTZ
A. Strukturelemente sowie Bedrohungen
1. Minderheitenschutz als Strukturelement
Aktienrecht mit "Finanzgeber-Orientierung" (Passiv-Seite)
2. Bedrohungsszenarien Zwei Bedrohungen: Mehrheitsmacht + Verwaltungsmacht
Zwei Kapitalgeber: Fremdkapitalgeber + Eigenkapitalgeber
Mehrheitsmacht - gerichtlicher Schutz:z.B. = Anfechtung, = Nichtigkeit, = Auflösung
Verwaltungsmacht - gerichtlicher Schutz:z.B. = Verantwortlichkeit, = Nichtigkeit, = Auflösung; aber: Anfechtung, Abberufung
II. GRUNDSÄTZLICHES ZUM MINDERHEITENSCHUTZ
B. Triage bei Schutzmechanismen: "Exit" und "Voice"
1. Zur "Exit"-Variante Positive Elemente: Markt (z.B. Börse), Austrittsrecht etc.
Negative Elemente: Vinkulierung, Erwerbsrechte etc.
2. Zur "Voice"-Variante Mitentscheiden über Investment ( "versilbern"):
z.B. Stimmrecht, Informationsregime, Aktionärsklagen
Tendenz: Privat-AG > Publikums-AGz.B. betont mit Handhabung der Auflösungsklage gemäss Art. 736 Ziff. 4 OR (Rechtsanwendung)
Tendenz: Publikums-AG > Privat-AG z.B. betont mit Angebotspflicht/Art. 32 BEHG (Rechtssetzung)
II. GRUNDSÄTZLICHES ZUM MINDERHEITENSCHUTZ
C. Instanzen bzw. Wächter des Schutzes
1. Staatsgewalten z.B. Legislative (Rechtssetzung) und Judikative
(Rechtsanwendung)
Minderheitenschutz "Sozialschutz"
3. Aber: Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit Motto: "Selbst ist der Aktionär"...
Instrumente: Statuten & ABV
z.B. "Markt", Organe (VR etc.), Behörden (HR-Führer; bei Publikumsaktionären: EBK, UEK – zudem: SWX)
2. Weitere Wächter - Auswahl
III. ENTWICKLUNGEN IM AKTIENRECHT
A. Hinweise zur Rechtssetzung
1. Zur Wächterfunktion des Gesetzgebers Interessenabwägung: Gesellschaftsinteressen, Gesellschafterinteressen, weitere Interessen
(z.B. Arbeitnehmer und weitere Gläubiger)
Aktionärsklagen nicht vorgesehenz.B. Anfechtung, Auflösung, Verantwortlichkeit (Ausnahme: Bern)
Rechtspolitik - von "rechts" nach "links"...
2. Kantonale Aktienrechte im 19. Jahrhundert
"Wilder Westen" beim Aktionärsschutz
immerhin: Konzessionssystem
"Hilfestellung" für Aktionäre durch Gerichte
III. ENTWICKLUNGEN IM AKTIENRECHT
A. Hinweise zur Rechtssetzung
3. Erstes eidgenössisches Aktienrecht (OR 1883) Ausbau des Minderheitenschutzes, aber unwesentlich
z.B. = Verantwortlichkeit - indes Anfechtung sowie Auflösungsklage
4. Zweites eidgenössisches Aktienrecht (OR 1936) Ausbau des Schutzes - nicht revolutionär, aber stetig
z.B. = Auflösungsklage (20% AK nötig)
III. ENTWICKLUNGEN IM AKTIENRECHT
A. Hinweise zur Rechtssetzung
5. Drittes eidgenössisches Aktienrecht (OR 1992)
BR: "Der Schutz des Aktionärs liegt im Argen"..!
Minderheitenschutz als Hauptthema
Ausbau - geradezu ein (rechtspolitischer) "Quantensprung"z.B. = Sonderprüfung, = rev. Auflösungsklage (10% AK + "andere sachgemässe Lösung")
jüngst: Debatte zur "Corporate Governance"
Pro memoriam - zwischenzeitliche "Auslagerungen"z.B. BEHG, FusG, RRG
III. ENTWICKLUNGEN IM AKTIENRECHT
A. Hinweise zur Rechtssetzung
6. "Viertes" eidgenössisches Aktienrecht? Lieblingsthema im Parlament > 20 Vorstösse
z.B. "Swissair", Personalunion VRP/CEO bei CS Group
III. ENTWICKLUNGEN IM AKTIENRECHT
B. Hinweise zur Rechtsanwendung
1. "Vorwürfe" (z.B. kein Mut oder keine Kreativität) Voraussetzung I: Gesetz
Voraussetzung II: "no motion - no relief"z.B. Art 736 Ziff. 4 OR - Berater/RA "gefordert"...
2. Strukturelle Probleme bei Aktionärsklagen - Auswahl Inexistenz: z.B. VR-Abberufungsklage Ausgestaltung: z.B. kassatorische Natur von Art. 706 f. OR rechtspolitische Postulate – Prinzip: Rechtssetzer, nicht Rechtsanwender hat "lead"..!
III. ENTWICKLUNGEN IM AKTIENRECHT
B. Hinweise zur Rechtsanwendung
3. Gerichte und Aktienrecht - im Laufe der Zeit
keine Urteile bekannta) 19. Jahrhundert/kantonale Ebene
b) OR 1883 BGer: Anfechtungsklage zugelassen (ohne gesetzliche Basis) BGer: Auflösungsklage nicht zugelassen (angeblich wegen
fehlender gesetzlicher Basis)
Zurückhaltung beim Schutz z.B. "Ringier I" + "Ringier II"; "business judgement rule"
c) OR 1936/aOR keine klaren "Tendenzen"
III. ENTWICKLUNGEN IM AKTIENRECHT
B. Hinweise zur Rechtsanwendung
4. Jüngere Gerichtspraxis - Auswahl
Konzernvertrauen/Haftung: BGE 120 II 331 ("Swissair");
BGE 123 III 220; BGE 124 III 297 ("Motor-Columbus") Doppelorganschaft/Verantwortlichkeit: BGE 128 III 29;
BGE 128 III 92
Unhabhängigkeit der Revisionsstelle: BGE 123 III 31
Sonderprüfung im Konzern: BGE 4P.141/2002
Weisungen im Konzern: BGE 4C.158/2002
Geschäftsführung im Konzern: BGE 130 III 213 ff. (AJP 2004 1426 ff.)
a) Konzernrecht
III. ENTWICKLUNGEN IM AKTIENRECHT
B. Hinweise zur Rechtsanwendung
4. Jüngere Gerichtspraxis
Subsidiarität: BGE 123 III 261 ("Rinsoz")
Sonderprüfung im Konzern: BGE 4P.141/2002; GVP-SG (2001) 137 (Vorinstanz)
b) Sonderprüfung
weitere Beispiele: BN (1998) 343; ZR (2002) 33; BGE 4C.64/2003; BGE 4C.165/2004
III. ENTWICKLUNGEN IM AKTIENRECHT
B. Hinweise zur Rechtsanwendung
4. Jüngere Gerichtspraxisc) Weitere Urteils-Hinweise
Auflösung aus wichtigem Grund: BGE 126 III 266
Interessenkonflikte: BGE 126 III 361 ("Schwegler"); BGE 127 III 332
faktische Organschaft: BGE 128 III 29; BGE 128 III 92 (Konzern); GVP-SG (2000) 109
Verantwortlichkeit: BGE 129 III 129 (Revision); BGE 122 III 324 sowie BGE 125 III 138 (je zu den Kosten); BGE 4C.192/2003; BGE 4C.111/2004 ("Biber")
Kosten bei Anfechtungsklage: BGE 4C.88/2000
Décharge/ Stimmrechtsausschluss: BGE 128 III 142
Informationsansprüche: BGE 4C.234/2002 bzw. 4C.246/2001 (Art. 697 OR/GV); BGE 4C.7/2003 (Art. 715a OR/VR)
III. ENTWICKLUNGEN IM AKTIENRECHT
B. Hinweise zur Rechtsanwendung
4. Jüngere Gerichtspraxisd) Übersichten - z.B.
SJZ 95 (1999) 470 ff.
SJZ 96 (2000) 467 ff.
SJZ 98 (2002) 520 ff.
SJZ 97 (2001) 488 ff.
SJZ 99 (2003) 561 ff.
SJZ 100 (2004) 517 ff.
III. ENTWICKLUNGEN IM AKTIENRECHT
C. Hinweise zur internationalen Situation
1. Thematik eines sog. "Race to the Bottom" Debatte in USA - Stichwort: Delaware Debatte in EU - Stichwort: Rechtsvereinheitlichung
2. Ländergruppen in Europa - blosse "Tendenzen" Skandinavien: + BeNeLux: – Schweiz: +/–
3. Spezialfall - USA Gesetzgebung: z.B. "appraisal remedies"; Rechtsfolgen möglich "as judge sees fit" (~ Art. 736 Ziff. 4 OR..!) Realität eines "shareholder activism"
IV. SCHLUSSTHESEN
1. Rechtssetzung: Ausbau des Aktionärsschutzes geht weiter (unter veränderten "politischen Vorzeichen").
2. Rechtssetzung: Spezialgesetzgebungen nehmen zu (z.B. BEHG, FusG, RRG), und - nolens volens - Berater spezialisieren sich.
3. Rechtsanwendung: Urteilsflut wird angesichts der zunehmenden "Streitlust" von Gross- sowie von institutionellen Aktionären weiter anwachsen.
IV. SCHLUSSTHESEN
4. Rechtsanwendung: Gerichte sind auf "kreative" Anträge der Parteien bzw. deren Anwälte angewiesen, wenn "kreative" Urteile (z.B. "andere sachgemässe Lösungen" gemäss Art. 736 Ziff. 4 OR) folgen sollen.
5. Fazit: Beim aktienrechtlichen Minderheitenschutz bleibt es die nächsten Jahre beim "Evergreen" - und kommt wohl früher oder später zum "Alle Jahre wieder"..!
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Peter V. Kunz
Beglinger Holenstein Rechtsanwälte Universität Bern Utoquai 29/31, 8008 Zurich Institut für WirtschaftsrechtTel: ++41 (0)1 257 20 00 Falkenplatz 18Telefax: ++41 (0)1 251 84 09 3012 [email protected]
Top Related