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Vorkommen und LebensraumMelogale cucphuongensis ist bis-her nur von den beiden genanntenExemplaren aus dem Cuc PhuongNationalpark bekannt; weitereTiere wurden bisher nicht gefun-den. Der Nationalpark liegt auf ei-ner Kalksteinformation mit primä-rem Regenwald, das EndangeredPrimate Rescue Center befindetsich am Eingang des Parks in

einem Bereich mit sekundäremWald. Der Regenwald wird also alsLebensraum angenommen, ähnlichwie auch für die anderen Sonnen-dachs-Arten. Da Feldarbeit in die-sen Regionen sehr schwierig ist,bedarf es wohl weiterer zufälligerFunde, um mehr über diese selte-nen Sonnendachse zu erfahren.

[1] T. Nadler, C. Stefen, E. Schwierz, U. Strei-cher, C. Roos, Zoologischer Garten, 2011,80 271–286.

[2] C. Schank, E. H. B. Pollard, W. Sechrest, R. Timmins, J. Holden, J. Walston, SmallCarnivore Conservation, 2009, 40, 11–15.

[3] W. G. Robichaud, Small Carnivore Conser-vation, 2010, 42, 32–34.

[4] S. Helin, N. Ohtaishi, L. Houji, The Mam-mals of China, China Forestry PublishingHouse. 1999.

[5] C. M. Francis, Mammals of South-EastAsia. New Holland Publishers, 2008.

[6] W. C. Wozencraft, Order Carnivora, In: A. T. Smith et al., A guide to the mammalsof China. Princeton University Press,Princeton, New Jersey and Oxford, 2008.

[7] R. Boonratana, Small Carnivore Conserva-tion, 2010, 42, 22–24.

[8] J. F. Storz, W. C. Wozencraft, Mammalianspecies, 1999, 631, 1–4.

[9] H. Wang, T. K. Fuller, Acta Theriologica,2003, 48, 73–78.

Clara Stefen, Tilo Nadler, Ulrike Streicher, Elke Schwierz,

Christian Roos

Abschnitt identisch, unterscheidensich aber deutlich von M. perso-nata und M. moschata. Die phylo-genetischen Rekonstruktionen zei-gen, dass M. cucphuongensis zwareindeutig zu den Sonnendachsengehört, jedoch ein Schwestertaxonzu M. personata und M. moschatadarstellt und sich bereits vor ca.3,5 Millionen Jahren von diesen getrennt hat.

A B B . 4 a) Schädel von M. cucphuongensis sp. nov. (Cuc Phuong National ParkMuseum). b) Zum Vergleich ein Schädel der Art M. personata. Bilder: Tilo Nadler.

cm cm

a) b)

E VO LU T I O N

Neues vom Pferde-StammbaumDie Vorfahren unserer heutigen Pferde sind durch zahlreiche Fossil-funde dokumentiert: Ausgehend von kleinen vierzehigen Waldtierenhin zu großen einzehigen Steppentieren erscheinen sie als Lehrbuch-beispiel für eine evolutive Reihe. Jeder neue Fossilfund fügte jedochweitere Zweige hinzu. Der Pferde-Stammbaum gleicht eher einemBusch, in dem viele Linien ausgestorben sind und nur die GattungEquus, also Zebra, Halbesel, Esel und echtes Pferd, bis heute erhaltenblieb. Eine vergleichende Genomanalyse von Pferdeknochen-DNA ausdem Permafrostboden Kanadas hat jetzt gezeigt, dass die Abspaltungder Equus-Linie deutlich älter ist als bisher vermutet.

Früheste fossile Belege von Urpfer-den, also pferdeartigen Vorformen,stammen aus Eurasien und Nord-amerika. Sie werden dem Eozänzugeordnet und haben damit ein

Alter von etwa 55 Millionen Jah-ren. Alle gefundenen Urpferde lie-fen bereits auf den Zehenspitzen,sie hatten also schon eine evolu-tive Entwicklung in Richtung Un-

paarhufer durchlaufen, als sie indie Nordkontinente gelangten. Wo-her sie kamen, ist paläontologischnicht belegt [1]. In Eurasien star-ben alle Urpferde vor etwa 34 Mil-lionen Jahren aus. In Nordamerikaentwickelten sie sich dagegen ra-diativ weiter, wenn es vielleichtauch nicht ganz so viele verschie-dene Arten waren, wie zeitweiseangenommen wurde [2]. Dabeinahm die Größe der Pferdeartigenzu und die Anzahl ihrer Zehen ab– in Nordamerika liegt also derSchauplatz für die vereinfachende„Pferdereihe“.

In mehreren Wellen gelangPferdeartigen die Besiedlung Süd-amerikas und die Wiederbesied-lung Eurasiens, sie drangen über

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eine Landbrücke von Alaska nachSibirien ein und erreichten teil-weise sogar Nordafrika. Die einzi-gen bis heute lebenden Einwande-rer gehören der Gattung Equus(Pferde) an und kamen vor etwa750.000 Jahren nach Eurasien. Bis-her ging man davon aus, dass sichdiese Gattung vor gut zwei Millio-nen Jahren in Nordamerika bil-dete. Dieser Zeitpunkt muss nachder Sequenzierung des Genomsvon einem 560–780.000 Jahre al-ten Mittelfußknochen aus dem Per-mafrostboden Kanadas korrigiertwerden: Ein Vergleich mit derDNA von einem nicht domestizier-ten Pferd (43.000 Jahre alt), fünfdomestizierten Pferderassen (E. ca-ballus), Przewalski-Pferd (E. prze-walskii) und Esel (E. asinus) zeigt,dass alle heutigen Equus-Artenvon einer 4–4,5 Millionen Jahre alten nordamerikanischen Equus-Linie abstammen, also doppelt soalt sind wie bisher gedacht [3].Der Arbeitsgruppe von Orlandogelang damit ein neuer Rekord: Siesequenzierte das erdgeschichtlichälteste Genom und erreichte damitwohl die Grenze für fossil erhal-tene DNA. Die verfeinerte Metho-dik dürfte auch für die DNA-Ana-lyse anderer Fossilien interessantsein.

Die Weiterentwicklung derheutigen Pferde fand von Eurasienaus statt. Von dort breitete sich dieGattung Equus weiter nach Wes-ten und in Richtung Afrika aus,wobei der Halbesel (Equus hemio-nus) aus einem asiatischen, derWildesel (Equus asinus) aus ei-nem nordafrikanischen Ast ent-stand. Die komplette Artbildungder Zebras erfolgte in Afrika, sieüberwanden als erste Pferdeartigeauch die Sahara. Heute gibt es dieArten Grevyzebra (Equus grevyi),Bergzebra (Equus zebra) undSteppenzebra (Equus quagga).Alle echten Pferde (Equus cabal-lus) entstanden aus ausgestorbe-nen eurasischen Wildpferden, siesind möglicherweise als Höhlen-pferde in ersten Zeichnungen von

Menschen dargestellt. Im Ur-sprungsland Nordamerika warendagegen am Ende der Eiszeiten voretwa 8000 Jahren alle Pferdearti-gen einschließlich der GattungEquus ausgestorben. Erst die Spa-nier brachten sie im 16. Jahrhun-dert zurück, wo sie teilweise als sogenannte Mustangs verwilderten.

Auf der Suche nach den wildenVorfahren unseres Hauspferdes(Equus caballus) wurden Tarpan(Equus ferus), Przewalski-Pferd(Equus przewalskii) oder einenoch unbekannte Equus-Art disku-tiert. Pferdeforscher, die den aus-gestorbenen Tarpan Equus ferusals Vorfahren ansehen, benennendie heutigen Hauspferde als Unter-art von Equus ferus, also Equus fe-rus caballus. Die noch lebendenPrzewalski-Pferde zeigen dagegenkeine genetische Durchmischungmit heutigen Pferden, sie trenntensich vor etwa 38.000–72.000 Jah-ren voneinander [3]. Daraus lässtsich schließen, dass Przewalski-Pferde nicht als direkte Vorfahrendes Hauspferdes in Frage kommen.Ihre genetische Vielfalt ist trotz derkleinen Population mit der vonHauspferden vergleichbar, der Auf-wand für Arterhaltung und Wie-derauswilderung in der Mongoleiist berechtigt. Przewalski-Pferdeweisen besonders spezifische Vari-anten in Genen auf, die für Immu-nität, Cytoskelett und Zentralner-vensystem codieren. Hauspferdehaben in bestimmten Abschnittendagegen eine verringerte geneti-sche Variabilität, die vermutlichmit Merkmalen korrespondiert, dieschon früh bei der Domestikationbetont wurden.

Seit etwa 4000 Jahren begleitetuns Equus (ferus) caballus alsHaustier. Die Domestikation be-gann in einem geografisch be-grenzten Areal im zentralen Wes-ten von Eurasien (heutige Ukraine,Kasachstan) und breitete sich vonda aus. Immer wieder wurdenWildpferde eingekreuzt und zwarvor allem eingefangene Stuten. Da-durch wurde die genetische Diver-

sität der Zuchttiere allmählich grö-ßer. Sichtbar ist das an der hohenDiversität der mitochondrialenDNA, also der maternal vererbtenGene, und der vergleichsweise ge-ringen Genvariabilität auf dem Y-Chromosom. Dabei breitetensich nicht nur domestizierte Pferdeaus, sondern auch die Kenntnis,wie man Wildpferde zähmt undvermehrt [4]. Die heute im Land-schaftsschutz eingesetzten Koniks(Abbildung) sind eine robuste Pfer-derasse, die dem Tarpan zwar na-hestehen, aber vielfach mit Haus-pferden gekreuzt wurden.

Der Stammbaum der Pferdebleibt ein Lehrbuchbeispiel dafür,wie Evolution und Artbildung inden Erdzeitaltern und über dieKontinente verlief.

[1] J. L. Franzen, Die Urpferde der Morgen-röte. Elsevier, Spektrum AkademischerVerlag, München 2007.

[2] J. Weinstock et al., PLoS Biology, 2005,3/8, 1373–1379.

[3] L. Orlando et al., Nature, 2013,doi:10.1038/nature12323.

[4] V. Warmuth et al., Pnas, 2012, 109/21,8202–8206.

Inge Kronberg, www.naturverstehen.de

A B B . Das Konikist eine kleinePferderasse, die wie hier imDithmarscherSpiekeroog vielfach zur Erhaltung vonNaturschutz -gebieten ein -gesetzt wird.

D E S R Ä T S E L S L Ö S U N G

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