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Page 1: Noronha

F R A N K F U R T E R A L L G E M E I N E S O N N T A G S Z E I T U N G , 1 4 . J U N I 2 0 0 9 , N R . 2 4 R E I S E V 3

Es war am fünften Tag, den wir aufder Insel verbrachten, die Strö-mung war nicht ideal, aber wir ver-suchen es trotzdem, sagte der Kapi-tän und steuerte sein kleines BootRichtung Osten aufs offene Meer.In dieser Richtung kommt nach Pe-dras Secas nur noch der Atlantikund irgendwann einmal Afrika. DieTaucher auf dem Boot wolltennicht länger warten; für viele war esdie letzte Tauchmöglichkeit vordem Rückflug, und nicht allen be-kam dieses Abenteuer. Als Erstesgriff eine Holländerin zu dem Ei-mer, der auf dem Weg nach PedrasSecas immer an Bord ist. Wenn derWind von der Atlantikseite kommt,ist das Meer zu rauh, um Tauchernach Pedras Secas zu bringen – aneinen der schönsten Tauchplätzeder Welt, wie alle, die da schon malwaren, nicht müde werden zu erklä-ren. Bloß die Anreise ist ein Pro-blem; es dauert eine knappe halbeStunde, für die meisten zu lang, umselbst bei sanftem Wellengangnicht seekrank zu werden.

Pedras Secas ist kein tieferTauchgang, es geht maximal 17 Me-ter hinab, und die schönsten Mo-mente erlebt man ohnehin knappunter der Wasseroberfläche in ei-nem Korallengarten mit Bögenund Höhlen und Tunnelchen,durch die man hindurchschwebt.Das Wasser ist so klar, dass manschon von weitem die Ammenhaiesieht, und die quietschbunte Fauna,die überall auf den schwarzen Stei-nen klebt, ist durchsetzt von Tau-senden kleinen Fischen: Alle gemus-tert, alle sehr exotisch, und als wäredas nicht aufregend genug, wirdman geschaukelt wie auf dem Rum-melplatz, denn ein paar Meter überdem Taucherkopf schlagen die Wel-len mit großem Getöse gegen dieFelsen. Wenn dann noch die Wol-ken aufreißen und ein paar Sonnen-strahlen auf diese Unterwasserwelttreffen, erkennt man, dass Kathe-dralen am Ende nur ein sehr mäßi-ges Ausdrucksmittel zur Feier derSchöpfung sind.

Mit der Strömung treibt manwieder Richtung Insel, vorbei ansteifen Barrakudas, grasendenSchildkröten und tanzenden Sardi-nenformationen. Danach mussman sich erst einmal hinlegen, vorallem die Holländerin war, als derTauchgang vorbei war, noch immerganz grün im Gesicht, aber sie lä-

chelte: Sie hatte das Paradies gese-hen, auch wenn es für ihren Magendie Hölle war.

Nicht nur unter Wasser, auch anLand zeigt sich Noronha als er-staunlich unberührter Paradiesgar-ten: Wenn man badet, schießen ne-ben einem die fischenden Pelikaneins Wasser, am frühen Morgenkommen Hunderte von Spinnerdel-phinen vom Jagen zurück in dieBaia dos Golfinhos, und was hinterden einsamen, heißen Felsen zischt,sieht aus wie nur notdürftig ge-schrumpfte Urzeitdrachen.

Wer als Tourist nach Fernandode Noronha kommt, hat meistnicht viel Zeit. Die Umweltgebühr,die jeder entrichten muss, steigtnach wenigen Tagen überproportio-nal an: Fünf Tage kosten 70 Euro,wer drei Wochen bleiben möchte,zahlt 500 Euro. Das verhindert,dass all die Surfer und Tauchergleich dableiben, denn die Inseln

sind zu schön, als dass sie nicht Be-gehrlichkeiten provozieren würden.

Der typische Fernando-Touristist daher meist gutsituierter Groß-stadt-Brasilianer, Taucher, Surferoder Honeymooner. Er bleibt einverlängertes Wochenende, das erfrühzeitig gebucht hat, denn durchdas Besucherlimit gibt es mitunterlange Wartezeiten. Wer über Weih-nachten spontan auf die Hochseein-seln reisen möchte, muss danneben aus Hollywood kommen odersehr gute Verbindungen haben.Seit 1988 sind drei Viertel des Archi-pels als Nationalpark geschützt, seit2001 ist er auch Unesco-Weltnatur-erbe, etwa zur gleichen Zeit wuchsdas Interesse der – zunächst – ein-heimischen Touristen. Mittlerweile

kennt jeder Brasilianer die Inseln,ihre Strände führen seit Jahren dieso beliebten Top-Ten-Listen an.

Die Zahl der Touristen ist auf400 begrenzt, wobei diese Zahldehnbar ist, wie so vieles auf der In-sel, in der Hochsaison schaukeltvor der Küste regelmäßig ein brasi-lianisches Kreuzfahrtschiff, dasmorgens auch noch mal ein paarHundert Leute ausspuckt. Doch an-ders als anderswo weiß man im Pa-radies, dass zu viele Besucher denParadiescharakter zerstören, Mas-sentourismus gibt es nicht, Auslän-der kommen nur selten auf die In-sel, die Thomas Morus zu seinerUtopia inspiriert haben soll.

Das hat sich geändert, seit etwa900 Kilometer weiter draußen dieÜberreste des Fluges 447 im Meertreiben. Die brasilianische Luftwaf-fe hat Fernando de Noronha zurDrehscheibe gemacht bei der Su-che nach den Überresten der Un-glücksmaschine, Journalisten habendie Insel belagert, aber der Touris-mus läuft im Großen und Ganzengeordnet weiter, wie das Fremden-verkehrsbüro mitteilt.

Dieser Tourismus, wie er auf Fer-nando de Noronha (noch) stattfin-det, könnte Vorbildcharakter fürganz Lateinamerika haben: Müll-trennung ist selbstverständlich,überall hängen Verhaltensregelnund Verbotslisten, manche Strändesind saisonal gesperrt – hier habendie Meeresschildkröten noch wirk-lich Ruhe, ungestört zu schlüpfen.Jeder, der auf der Insel herumspa-ziert, sucht das Unberührte und ver-sucht deshalb möglichst wenig an-zufassen. Alle anderen werden ein-genordet, über und unter Wasser –überall trifft man Ranger, Mitarbei-ter von diversen NGOs, junge moti-vierte Menschen, die meistens ir-gendeine Tierart zählen, Sauerstoff-flaschen auf Boote hieven oder ge-rade einen Diavortrag vorbereiten.

Wer einmal gesehen hat, wiesich an der Festlandküste in Portode Galinhas (laut Baedeker 2003eine der schönsten BadebuchtenPernambucos) die dicken Touris-ten, eingeölt wie Teigtaschen, indie vorgelagerten Riffbecken wer-fen und dort Brotzeit mit der Groß-familie machen, hat Respekt vorden Maßregelungen auf Fernando.Hier kann man an der Praia da Ata-laia auch in natürlichen Badewan-nen herumsteigen und die Tropen-

fische anschauen, die die Flut anLand zurückgelassen hat, aber mandarf weder Sonnenschutzmittelnoch Mückenspray benutzt haben,auf keinen Fall Korallen anfassen –und nur eine Handvoll Menschendarf gleichzeitig baden. Daher gibtes sogar am Strand manchmal War-teschlangen.

Der Naturschutz auf dem Archi-pel ist ganz sicher ein Segen für na-

turliebende Touristen und auch fürdie Natur, aber manche Einheimi-sche empfinden ihn als Fluch: Siewürden gern ein bisschen mehr ab-haben vom Tourismuskuchen, einGästehaus, eine Pension, ein Res-taurant bauen – so wie der bekann-te brasilianische Fernsehansager,der sich eines der schönsten Anwe-sen auf die Klippen gestellt hat.Aber das Baurecht ist schwierig; auf

der Insel geht Naturschutz vor. DieNatur bestimmt den Tag der Tou-risten auf der Insel: morgens Spin-nerdelphine ansehen und tauchen,nachmittags wandern über die Klip-pen und abends noch einmal tau-chen oder zur Praia Air France ge-hen – was kein makabrer Scherzist, sondern der Name eines Stran-des im äußersten Nordosten derHauptinsel. Weil er so steinig ist,

ist er meist einsam, obwohl manvon hier den schönsten Blick aufdie Nebeninseln des vielleichtschönsten Archipels der Welt hat.In den dreißiger Jahren des vergan-genen Jahrhunderts benutzte dieAéropostale / Air France die Inselals Basis für ihre Transatlantikflügeund landete hier, daher der Name,der früher einmal wie ein Verspre-chen klang. BARBARA LIEPERT

Anreise Nach Fernando de Noronhafliegen TRIP und GOL von Recife (drei-mal täglich) oder Natal (einmal täg-lich) aus. Da die Zahl der Besucher aufder Insel, die strikten Umweltschutz-auflagen unterliegt, auf 400 begrenztist, ist es ratsam, frühzeitig zu buchen(www.voegol.com.br und www.voe-trip.com.br).

Unterkünfte Die meisten Pousadasliegen im Inselinneren, und die güns-tigsten versprühen den Charme vonHühnerställen. Das beste Hotel ist diePousada Maravilha: Die Nacht kostet600 Euro, Service und Essen sind be-

müht, diesem Preis gerecht zu werden(www.pousadamaravilha.com.br). DiePousada Teju Açu liegt auf einem Hü-gel, und der Koch achtet auf gesundeErnährung (drei Nächte im Standard-Bungalow kosten im Sommer 660 Europro Person). Die Pousada Zé Maria istwegen der Stammgäste meist ausge-bucht, aber dennoch sehr schön(www.pousadazemaria.com.br).

Weitere Informationen unterwww.noronha.com.br oder bei demSpezialreiseveranstalter GatewayBrazil (Telefon 0 71 21/69 62 34;www.gateway-brazil.de). egg

Fernando de Noronha ist ein streng geschütztes Naturparadies – und das wollen mehr Touristen sehen, als die Insel erträgt. Wer die Warteliste hinter sich hat, betritt eine Welt, in der es Meeresschildkröten, Ammenhaie und Krebse noch en masse gibt. Fotos Splashdown, WaterFrame (2), Schapowalow, h.o.

Brasiliens schönste Insel: Fernando de Noronha

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Nicht von dieser WeltDie Inseln aus der „Tagesschau“: Fernando de Noronha war lange Brasiliens bester Geheimtipp – spätestens jetzt ist der Archipel entdeckt

Thront über allem: Morro do Pico

BRASILIENBRASILIENBRASILIEN

VENEZ.VENEZ.VENEZ.

BOLIVIEBOLIVIENBOLIVIEN BrasiliaSalvador

RecifeNatal

Fortaleza

Sao LuisBelémBelémManausManaus BelémManaus ˜

1000 km

Fernando de Noronha˜

Baia do Sancho

Baia de SantoAntonio

Ilha Rata

Baia dosGolfinhos

Baia do Sueste

Morro do Pico321m

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Pontinha

3 km

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