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Page 1: Psychische Erkrankungen

festgehaltenDie Veranstaltungen der Chemieverbände Rheinland-Pfalz

Psychische Erkrankungen

EDITORIALIn den letzten Jahren haben psychische Erkrankungen deutlich zugenom-men, wie der Fehlzeitenreport 2011 belegt. Dies wird nicht nur zur Belas tungsprobe der Kranken- und Rentenkassen. Die Arbeitgeber müssen Fehlzeiten ausgleichen und im Falle einer dauerhaften Arbeits-unfähigkeit die Stelle neu besetzen. Psychische Erkrankungen zeigen sich selten in eindeutigen Symptomen. Bis eine Therapie beginnen kann, dauert es oft lange. Burnout erhält zurzeit eine große Aufmerksamkeit, ist aber nur eine Ausprägung von psychischen Erkrankungen.

Das Seminar des Arbeitgeberverbandes widmete sich den Ursachen und der Behandlung von psychischen Erkrankungen. Die Teilnehmer interes-sierte vor allem, welche Rolle die Belastung am Arbeitsplatz spielt und wie Kollegen und Führungskräfte rechtzeitig handeln können. Außerdem gewährte eine Betriebsärztin einen Einblick in ihre Arbeit. Das Gute: Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die Ursachen frühzeitig zu bekämpfen.

Stefanie Lenze | Chemieverbände Rheinland-Pfalz

INHALT

>> Ursachen und Symptome

>> Die drei häufigsten psychischen Erkrankungen

>> Arbeit und Stress

>> Gesundheitsmaßnahmen in Unternehmen

>> Nachgefragt

Die Anzahl psychischer Erkrankungen steigt seit Jahren an. Aber man kann viel dagegen tun.

>>

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Depressive Verstimmung

Menschen, die unter einer depressiven Verstim-mung leiden, neigen zu negativen Gedanken, realitätsfernen Schlussfolgerungen und unrea-listischen Selbstbewertungen. Ihr Verhalten än-dert sich: sie werden freudlos und antriebslos. Wegen Müdigkeit schrauben sie ihre Aktivi-täten zurück. So nehmen sie sich die Chance, positive Ereignisse und Ablenkungen zu erfah-ren. Dauern die Symptome länger als zwei Wo-chen, spricht man von einer Depression. Bei bis zu 75 % der Erkrankten verläuft die Erkrankung in Episoden, bei ca. 10 % wird sie chronisch.

Angst

Ängste sind überlebenswichtig – Höhenangst beispielsweise. Problematisch wird es, wenn sich eine Phobie entwickelt. Dann besteht ein Missverhältnis von objektiver Gefahr und der subjektiv empfundenen Bedrohung. Auf eine bedrohliche Situation folgt eine erhöhte Wach-samkeit: Die Person ist permanent in Alarm-stellung. Der Körper reagiert mit Stresssymp-tomen. Diese verstärken die Panik – man ist im Angstkreis. Häufige Ängste im Berufsleben sind Lampenfieber oder die Angst, mit anderen reden zu müssen.

Stress

Unter Stress aktiviert der Körper alle psychi-schen und physischen Reserven: kognitive, emotionale, muskuläre und physiologische (zum Beispiel das Nerven system). Dem chro-nischen Stress folgt die Erschöpfung. Dann ge-nügt ein mini maler Auslöser und es kommt zum Zusammenbruch.

DIE DREI HÄUFIGSTEN PSYCHISCHEN ERKRANKUNGEN

URSACHEN UND SYMPTOMEDie Ursachen psychischer Erkrankungen sind vielfältig. Zukunftsängste in-folge des raschen gesellschaftlichen Wandels und der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise spielen beispielsweise eine große Rolle. Schicksals-schläge, wie der Verlust eines nahestehenden Menschen, Überschuldung oder ein Unfall sind Beispiele aus dem privaten Bereich.

Psychische Störungen sind schwierig zu erkennen

Viele psychische Störungen werden nicht erkannt, da die Symptome so verschieden sind. 37 % der psychischen Erkrankungen tarnen sich als kör-perliche Probleme. Davon werden nur knapp 40 % richtig erkannt. Das hat zur Folge, dass Betroffene immer wieder wegen unterschiedlichster Symp-tome ausfallen und zeit weilig oder ganz arbeitsunfähig werden.

»Jeder Fall ist anders. Die Patienten unterscheiden sich in ihrer Denk-weise, ihrem Lebensstil, ihrem Charakter. Auch das soziale Umfeld ist im-mer anders,« erklärte Dr. Markus Bassler, Experte für Psychosomatische Medizin. Nicht jeder reagiert auf Druck und Stress gleich. Ob anhaltende Belastung zu einer Erkrankung führt, hängt von der individuellen Wider-standsfähigkeit (Resilienz) ab. Zuversicht, Selbstvertrauen, Kommunika-tionsfähigkeit und stabile soziale Kontakte bilden einen guten Schutz.

Psychische Erkrankung | Bad Kreuznach

»Wir brauchen mentale Power.«Prof. Dr. med. Markus Bassler

Folgen für die Erwerbstätigkeit

Gegenüber 1994 sind die Fälle von Arbeitsun-fähigkeit wegen psychischer Störungen um 200 % gestiegen (Fehlzeitenreport 2011 – WIdO – Wissenschaftliches Institut der AOK). Dabei steigen Häufigkeit und Dauer der Ausfälle.

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Psychische Erkrankungen sind kein Randphänomen. Die folgenden drei Erkrankungen machen insgesamt mehr als ein Drittel aller psychischen Störungen aus:

Substanzstörungen (z.B. Alkohol- oder Drogenmissbrauch)

Affektive Störungen (z.B. Depression)

Angststörungen (z.B. Panik, Phobien)

17,4 %

14,3 %

4,3 % 2,11 Millionen

5,82 Mio.

6,91 Mio.

12-Monatshäufigkeit psychischer Störungen in der gesamten Bevölkerung in Deutschland. Die Prozentsätze beziehen sich auf ihren Anteil bezogen auf alle psychischen Störungen. Die natürlichen Zahlen benennen die Anzahl von betroffenen Menschen in Millionen.

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Der Maßnahmenkatalog für betriebliches Gesundheitsmanagement ist vielseitig. Der Umfang eines Gesundheitsprogramms kann je nach Situation im Unternehmen individuell gestaltet werden.

Anregungen für die Umsetzung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements

>> Werksarzt oder betriebsärztlichen Dienst ansprechen oder Gesund heitsbeauftragten ansprechen

>> Gesundheitscheck bei Risikogruppen, die erhöhter Belastung aus gesetzt sind.

>> Offene Kommunikation, gesundheitsorientierte Führungskräfte und sensibilisierte Kollegen

>> Netzwerk aufbauen, z.B. mit Fachärzten, Kliniken, Gesundheitszentren, Arbeitskreisen der Stadt

>> Gesundheitstage mit Themen wie Stress oder Burnout, aber auch gesunde Ernährung und Bewegung.

>> Informieren, Aufklären und das Bewusstsein für die Eigen-verantwortung und den Wert der eigenen Gesundheit stärken

Unternehmensbeispiel BASF

Teil des globalen Gesundheitsprogramms der BASF ist ein modular aufge-bautes Stressmanagement. Die Maßnahmen darin stärken die Eigenver-antwortung der Mitarbeiter, adressieren aber auch die Verbesserung der Führungskultur im Unternehmen. »Wichtigste Voraussetzung für unsere Arbeit ist das Vertrauen der Mitarbeiter, denn unsere Angebote sind frei-willig«, betonte Olga Zumstein, Betriebsärztin und Fachärztin für Psychia-trie und Psychotherapie. »Für unsere Mitarbeiter bieten wir psycholo-gische Hilfe vor Ort an. Zu unseren Sprechstunden kommen Mitarbeiter sowohl mit beruflichen als auch privaten Problemen. Manchmal gibt sogar ein aufmerksamer Vorgesetzter den Anstoß dazu.«

Ziel des Stressmanagements ist es, Mitarbeiter und Führungskräfte zu sensibilisieren und die persönlichen Ressourcen im Umgang damit zu stär-ken, um Leistungsfähigkeit, Engagement und Produktivität zu erhalten. In einem Gesundheitscheck und einer globalen Mitarbeiterbefragung können die Mitarbeiter ihre persönliche Einschätzung zu Stress, Gesundheit und Life-Balance äußern. Die kritischen Bewertungen werden analysiert und sind die Grundlage für weitere Maßnahmen. So gibt es zielgruppenspezi-fische Interventionsprogramme sowie Gesundheitsseminare für Mitarbei-ter, Schulungen für Führungskräfte, Workshops und Vorträge.

Weiterführende Informationen

>> Initiative neue Qualität der Arbeit: http://goo.gl/ceivs

>> Der Work Ability Index (WAI): http://goo.gl/ejz3U

>> Kein Stress mit dem Stress. Eine Handlungshilfe für Beschäftigte. Ein Projekt der BKK. Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeits-schutz und Arbeitsmedizin. Download unter: http://goo.gl/Sg2eH

GESUNDHEITSMASSNAHMEN IN UNTERNEHMEN

ARBEIT UND STRESS

Unterforderung(Distress)

Mittlere Anforderung

(Eustress)

Überforderung(Distress)

Leistung und Stress: Stress ist gut und fördert die Leistungsfähigkeit – wenn er in der richtigen Dosis verabreicht wird.

Mittlere Anforderung

(Eustress)

Überforderung

Die wachsende Zahl psychischer Erkrankungen wird oft mit den stei-genden Erwartungen am Arbeitsplatz in Zusammenhang gebracht. Erhöhte Leistungsanforderungen, Konkurrenzdruck und fehlende Arbeitsplatz-sicherheit sind drei schwerwiegende Stressoren, ebenfalls belastend sind eine (drohende) Entlassung oder der Wechsel eines Vorgesetzten. Die Situation am Arbeitsplatz ist jedoch nicht unbedingt die Ursache für eine psychische Erkrankung. Im privaten Bereich belasten beispielsweise eine Krankheit oder Trennung am stärksten. Die Arbeit kann ein Ausgleich sein, bei dem es um mehr geht, als den Lebensunterhalt zu sichern. In den per-sönlichen Lebenszielen spielt die berufliche Entwicklung eine wichtige Rolle. Für viele ist der Job ein wichtiger Teil ihrer Identität.

Wann macht Stress am Arbeitsplatz krank?

Belastender Stress (Distress) ist das Ergebnis eines andauernden Un-gleichgewichts zwischen beruflichen Anforderungen, Handlungsspielraum und Anerkennung. Besonders motivierte Arbeitnehmer, die zur Selbstüber-forderung neigen, sind ebenfalls stressgefährdet. Problematisch ist auch schlechtes Zeitmanagement und die Unfähigkeit abzuschalten.

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NACHGEFRAGT

Impressum | HERAUSGEBER: Chemieverbände Rheinland-Pfalz, Bahnhofstraße 48, 67059 Ludwigshafen, Telefon 06 21-5 20 56 -0, Telefax 06 21-5 20 56 -20, [email protected], www.chemie-rp.de, REDAKTION: Stefanie Lenze, FOTOS: Marcel Hasübert, mh-foto.de, Titelfoto: coldwaterman / Fotolia.com GESTALTUNG: [email protected], Köln, DRUCK: prints + forms GmbH & Co. KG, Mannheim, Auflage: 400, Stand: März 2013 Die Veranstaltung fand am 22.2.2013 in Bad Kreuznach statt.

»Es ist klar geworden, welche Aus-prägungen psychische Erkrankungen haben, woran man sie erkennt und vor allem, welche präventiven Maßnahmen sinnvoll sind.«

Psychische Erkrankung | Bad Kreuznach

Olga Zumstein: Häufige Überlastungssituationen ohne Erholungsphasen führen auf Dauer zur Entwicklung psychischer Beschwerden. Oft fühlt man sich ange-spannt und unruhig, man schläft schlecht, die Gedanken kreisen im Kopf. Lang-sam nimmt die Erschöpfung zu, man wird unkonzentriert, braucht mehr Zeit, um Aufgaben zu erledigen oder vergisst etwas. Leider werden die Anzeichen von chronischem Stress meist nicht ernst genommen. Erst wenn es zum Leistungs-knick kommt und Selbstzweifel oder Reizbarkeit steigen, sucht man Hilfe.

Dr. Markus Bassler: Ein Burnout resultiert meist aus einem Überengagement: Ein Zuviel an Arbeit und keine oder fast keine Ruhepausen überfordern auf kurz oder lang die psychischen und körperlichen Ressourcen eines jeden Betrof-fenen. Körper und Nervensystem schalten auf Notstrom. Dies kann sich in Früh-symptomen wie Hyperaktivität, Schlafstörungen, Schwindelgefühle, Angst oder einem Hang zu Suchtmitteln äußern. Wenn man eines oder mehrerer dieser Symptome an sich entdeckt, sollte man wachsam sein. Zwar kann man nicht allgemein sagen, dass jeder Mensch dann an einem Burnout leidet, aber eine Gefährdung ist da. Manchmal kann es vorkommen, dass ein bereits bestehen-der Burnout so sehr durch Hyperaktivität überdeckt wird, dass das tatsächlich zugrundeliegende »Ausgebranntsein« nicht erkannt wird.

Woran erkennen Kollegen oder Vorgesetzte die Überlastung von Mitarbeitern?

Prof. Dr. med. Markus Bassler ist Chefarzt am Rehazentrum Oberharz und hat sich auf Psychosomatische Medizin spezialisiert.

Olga Zumstein ist Psychologin und Psychotherapeutin im arbeits-medizinischen Team der BASF