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Rüdiger Safranski »Wallenstein und der dreifache Wille zur Macht« Rüdiger Safranski, 1945 in Rottweil/Württemberg geboren, studierte in Frankfurt am Main und in Berlin Philo-sophie, Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte. Bekannt wurde Safranski durch seine Biografien über Arthur Schopenhauer und Martin Heidegger. Im Januar 2002 übernahm er zusammen mit Peter Sloterdijk die Moderation des »Philosophischen Quartetts« im ZDF. Seit 2012 lehrt er als Honorarprofessor an der Freien Uni-versität Berlin. Rüdiger Safranski ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (Darmstadt) und des Pen-Club Deutschland.

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[…] Am 22. Oktober 1796 also beginnt Schiller, laut Kalenderbucheintragung, mit der Arbeit am »Wallen-stein«. Er beschließt, dass die Vorarbeit nun ein Ende haben und die Zeit der endgültigen Niederschrift be-ginnen soll. Aber als hätte er sich mit der Bekundung seiner Entschlossenheit schon überfordert, schreibt er am nächsten Tag, dem 23. Oktober, an Goethe: Zwar habe ich den Wallenstein vorgenommen, aber ich gehe noch immer darum herum und warte auf eine mächtige Hand, die mich ganz hineinwirft. Wenige Tage später fängt er wirklich mit dem Schreiben an, stockt dann wieder und vertieft sich erneut in die historischen

Quellen. Am 13. November 1796 schreibt er an Goethe: Je mehr ich meine Ideen über die Form des Stückes rektifiziere, desto ungeheurer erscheint mir die Masse, die zu beherrschen ist, und wahrlich, ohne einen gewissen kühnen Glauben an mich selbst würde ich schwerlich fortfahren können.

In einem Brief an Körner vom 28. November 1796 benennt er noch deutlicher die Widerstände, mit denen er zu kämpfen hat. Es ist nicht nur die ungeheure Masse des Stoffes, die zu bewältigen, das heißt in eine dramatische Form zu bringen ist. Der Stoff selbst ist im höchsten Grade ungeschmei-dig. Eigentlich ist er für die Dramatisierung überhaupt ungeeignet. Da gibt es verwickelte Staatsak-tionen. Was aber kann unpoetischer sein als solche Intrigen, zersplitterte Handlungen, Winkelzüge, Beratungen, Räsonnements? Da gibt es das Militär, die Machtbasis Wallensteins: Es ist eine unend-liche Fläche, die ich nicht vors Auge und nur mit unsäglicher Kunst vor die Phantasie bringen kann. Wallenstein ruht auf der Armee und stürzt durch politische Machinationen; beides aber, die Armee und die Politik, lassen sich schlecht auf die Bühne bringen. Und dann die Gestalt Wallensteins selbst. Sein Charakter ist niemals edel. Und doch ist er kolossal, es gibt keinen ebenbürtigen Ge-genspieler. Schiller stellt die Schwierigkeiten so drastisch dar, dass man sich fragt, warum er denn ausgerechnet aus diesem ungeschmeidigen Stoff ein Stück machen will. Es ist mir fast alles abge-schnitten, wodurch ich diesem Stoffe nach meiner gewohnten Art beikommen könnte, von dem Inhalt habe ich fast nichts zu erwarten. Warum also sucht er diese Schwierigkeiten?

Die Antwort steckt in dem Begriff, den er Goethe gegenüber verwendet: er will die ungeheure Ma-terie beherrschen. Es geht um Macht, näherhin um die künstlerische Macht der Form: alles muss durch eine glückliche Form bewerkstelligt werden. Triumphieren soll die Meisterschaft der künstle-rischen Form als Wille zur Macht.

Und so kommt es, dass Schillers »Wallenstein«-Projekt in dreifacher Hinsicht mit dem Willen zur Macht zu tun hat. Da ist der Wille zur Macht über das Publikum. Schiller drängt es zum Theater zurück, zu jenen großen Momenten, wo die Herzen so vieler Hunderte, wie auf den allmächtigen Schlag einer magischen Rute, nach der Phantasie eines Dichters beben (I, 754).

Da ist der Wille zur Macht als Herrschaft der künstlerischen Form über einen spröden und unge-heuren Stoff.

Und da ist schließlich der Wille zur Macht als Thema und Problem des Stückes.

Was die Macht über das Publikum betrifft: sie kostet er im Voraus aus, und sie treibt ihn zur Voll-endung des Stückes. Er wird sie bei den späteren triumphalen Aufführungen genießen können, in Weimar und vor allem in Berlin. Mit dem »Wallenstein« wird er seinen Ruf als deutscher Shake-speare festigen. Der beispiellose und viel bewunderte Erfolg wird ihm Kraft, Schwung und Selbst-bewusstsein geben, wodurch es ihm möglich wird, in schneller und beinahe schon atemloser Folge die großen »klassischen« Dramen, von »Maria Stuart« bis »Wilhelm Tell« und »Die Braut von

Rüdiger Safranski (Zitat aus einem Inter-view in der Neuen Zürcher Zeitung)

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Messina« auf die Bühne zu bringen. Mit dem »Wallenstein« und den folgenden Stücken wird er die Muster deutscher Dramenkunst schaffen, an denen die späteren Generationen werden Maß neh-men müssen.

Was die Macht als künstlerische Bewältigung des ungeheuren Stoffes betrifft, so erfindet Schiller Kunstgriffe, die es ihm erlauben, das komplizierte Geschehen in einigen Handlungssträngen zu verdichten und die atmosphärischen und gesellschaftlichen Hinter- und Untergründe anschaulich werden zu lassen. Besonders ist hier die Erfindung von »Wallensteins Lager« zu nennen, worauf der Autor auch einigermaßen stolz war. Keine Exposition im üblichen Sinne, sondern eine voraus-gehende Erklärung für Wallensteins Aufstieg, Größe und Sturz. Sein Lager nur erkläret sein Verbre-chen, heißt es bereits im Prolog. In »Wallensteins Lager« wird diejenige Welt im Ganzen sichtbar, in deren Mitte das große Drama spielen wird. Hätte Schiller einzelne Lagerszenen zwischen das Dra-ma hinein verteilt, würde die Aufmerksamkeit zersplittert worden sein. Es ist der Geist, der sich den Körper baut, heißt es von Wallenstein. Das »Lager« ist genau jener Körper, den sich Wallenstein geschaffen und der ihn zugleich hervorgebracht hat. Die Tragödie wird dann darin bestehen, dass dieser ‚Körper’ sich schließlich entzieht, seiner eigenen Dynamik folgt und für seinen ‚Schöpfer’ zum Verhängnis wird. Zu Schillers Kunstgriffen gehört auch, dass er die Handlungen an einem Punkt einsetzen lässt, der bereits die eigentliche Peripetie voraussetzt, die Umkehr von der Auf-wärts- zur Abwärtsbewegung, nur hat Wallenstein davon noch nichts bemerkt. Er ist noch im Voll-gefühl seiner Macht, und doch hat sein Absturz schon begonnen. Aus der langen, verwickelten Geschichte Wallensteins schneidet Schiller letztlich nur einige wenige Tage heraus, den Zeitab-schnitt kurz vor seiner Ermordung. Wallenstein stürzt in dem Augenblick, da er glaubt, mit seinem Verrat am Kaiser und seinen Übertritt zu den Schweden ein neues, womöglich das grandioseste Kapitel seines Wirkens aufgeschlagen zu haben. Aber er täuscht sich.

Es ist Anfang des Jahres 1634, nur wenige Wochen vor seiner Ermordung am 25. Februar 1634. Die Stationen der beispiellosen Karriere des Generalissimus werden in Gesprächen angedeutet. Wal-lenstein, ein ostböhmischer Edelmann, der vor Beginn des großen Krieges auf die Seite des Kaisers getreten war gegen die böhmischen Rebellen; der für seine militärischen und politischen Dienste mit riesigen Landgütern belohnt wurde und den militärischen Oberbefehl über Böhmen erhielt; der für den Kaiser 1625 eine gewaltige Armee aus dem Boden stampfte, wie sie das Zeitalter bislang noch nicht gesehen hatte; der dabei nach dem Prinzip verfährt, dass der Krieg sich selbst ernähren muss; seine Truppen erpressen den Geldbedarf gleichermaßen bei Freund und Feind - und reduzie-ren mithin die partikulare Fürstenmacht im Reich; der triumphale Siege über die Dänen und den Grafen von Mansfeld feiert und den ganzen Norden Deutschlands der Gewalt des Kaisers unter- und das Reich damit de facto hinter das Jahr 1517 zurückwirft.

Wallenstein, inzwischen Herzog von Friedland, Sagan und Mecklenburg steigt selbst zum mächtigs-ten Reichsfürsten auf und macht sich wegen seiner bevorzugten Stellung beim Kaiser die übrigen katholischen Reichsfürsten zu Feinden, vor allem den Herzog von Bayern. Auch dem Kaiser selbst wird dieser Macht- und Gewaltmensch letztlich unheimlich. Auf dem Kurfürstentag in Regensburg 1630 enthebt er Wallenstein seines Kommandos. Nachdem die katholische Partei, nunmehr unter dem Befehl des Liga-Generals Tilly stehend, von den vereinigten Protestanten unter dem Schwe-denkönig Gustav Adolf vernichtend geschlagen worden ist, bietet der Kaiser 1631 hilfesuchend Wallenstein das zweite Generalat an. Gleichsam aus dem Nichts formt dieser abermals eine gewal-tige Heeresmacht, über die er uneingeschränkt verfügt. Seine Armee wird zu einem beweglichen Staat im Staate. Der Kaiser ist nicht stark genug, ihm die erteilten weitreichenden Vollmachten, militärische, juristische und politische, zu verwehren. Nach dem vermeintlichen Erfolg der Lützener Schlacht im November 1632, in der Gustav Adolf fällt, ergibt sich schnell die gleiche Situation wie vor der ersten Absetzung Wallensteins: der erste Diener des Kaisers erscheint als der wahre Be-herrscher des Reiches. Wallenstein verschließt sich den Wünschen und Bitten des Kaisers. Er bleibt im Winter 1633/34 mit seiner Armee in Böhmen und weigert sich, dem bedrängten bayerischen Herzog Maximilian gegen die Schweden beizustehen und den Bruder des spanischen Königs bei seinem Zug von Mailand nach Flandern mit kaiserlichen Truppen zu unterstützen. Seine militäri-schen Aktionen in Schlesien bleiben halbherzig und dem Feind gegenüber sonderbar schonend; in Wien hegt man den Verdacht, dass der Feldherr eigene politische Pläne verfolgt. Will er gar die Seite wechseln, sich mit den Schweden verbünden, auf eigene Faust einen Reichsfrieden zustande

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bringen und sich ein Königreich Böhmen schaffen?

In diesem schicksalsträchtigen Winter 1633/34 befindet sich Wallenstein bei seiner Armee in Pil-sen, während in Wien seine Absetzung und Ächtung bereits beschlossene Sache ist, aber geheim-gehalten wird, solange er die verräterischen Schritte, die man von ihm erwartet, noch nicht unter-nommen hat. Dies ist die Ausgangslage des Dramas.

Aber welches sind die wirklichen Absichten Wallensteins? Schiller versteht es meisterhaft, die Ant-wort auf diese Frage über lange Zeit offenzuhalten. So bleibt Wallenstein eine durch und durch rätselhafte Figur, auf die sich weder Freund noch Feind einen Reim machen können. So sagt Wal-lenstein zu seinem General Terzky: Und woher weißt du, … Dass ich nicht euch alle / Zum Besten habe? Kennst du mich so gut? / Ich wüsste nicht, dass ich mein Innerstes / Dir aufgetan - … / Es macht mir Freude, meine Macht zu kennen (»Die Piccolomini«, V.861-868).

In »Wallensteins Lager« schwirrt es nur so von Gerüchten und Mutmaßungen über die Pläne des Feldherrn, der in diesem ersten Stück noch gar nicht auftritt. Er wirkt aus der Ferne, und darum scheint er umso mächtiger zu wirken in seiner abwesenden Anwesenheit. Er muss offenbar gar nicht physisch anwesend sein, um die Gedanken, Wünsche und Phantasien seiner Soldaten an sich zu binden. Ehe Wallenstein wirklich auftritt, wirft er schon seinen riesengroßen Schatten auf jene Welt, die ihm zugehört, weil sie auf ihn hört. »Wallensteiner« sollte das erste Stück ursprünglich heißen. Es ist Wallensteins persönliche, charismatische Macht, die ein Kraftfeld schafft, das offen-bar keinen unberührt lässt und viele verwandelt.

Max Piccolomini spricht das Geheimnis dieser Wirkung aus: Und eine Lust ist’s wie er alles weckt / Und stärkt und neu belebt um sich herum, / Wie jede Kraft sich ausspricht, jede Gabe / Gleich deut-licher sich wird in seiner Nähe! / Jedwedem zieht er seine Kraft hervor, / Die eigentümliche, und zieht sie groß, / Lässt jeden ganz das bleiben, was er ist, / … so weiß er aller Menschen / Vermögen zu dem seinigen zu machen (»Die Piccolomini«, V. 424-433).

Diese Macht schüchtert nicht nur ein, sie ermuntert auch: Jedwedem zieht er seine Kraft hervor. Das gilt, wie sich schon in »Wallensteins Lager« beobachten lies, für die verschiedenen Charaktere: der Wachtmeister ahmt den Feldherrn nach in der Art wie er geht, steht, sich räuspert und spricht; andere, wie den Ersten Jäger, ermuntert er zur Tollkühnheit: Da tret ich auf mit beherztem Schritt, / Darf über den Bürger kühn wegschreiten, / Wie der Feldherr über der Fürsten Haupt (»Wallen-steins Lager«, V. 312-314). In dieser Armee eines Emporkömmlings werden die Tüchtigen belohnt. Hier gelten, wie zu Schillers Lebzeiten in der Armee Napoleons, nicht die alten Hierarchien, son-dern die neuen Karrieren.

Das »Lager« steht unter dem Bann des Feldherrn und unter der Magie seines Willens, auch wenn man nicht genau weiß, was er will. Der Erste Jäger erklärt: Ein Reich von Soldaten wollt er gründen, / Die Welt anstecken und entzünden, / Sich alles vermessen und unterwinden (»Wallensteins La-ger«, V. 332-334). Dem Wachtmeister aber ist das zu wild und landsknechthaft. Ihm hilft der Feld-herr dabei, einen neuen Menschen (V. 416) anzuziehen, der sich einer würdigen Menge (V. 418) anschließen kann. Der eine fühlt sich von Wallenstein zur soldatesken Anarchie, der andere zur edlen Ordnung aufgerufen. Nur in einem Punkt stimmen alle überein: Krieg, soldatisches Leben, Gewalt ist ihnen nicht ein Mittel, sondern ein Zweck; nicht eine bedauerliche Lebensphase, son-dern eine erwünschte Lebensform, der Daseinszweck des freien Mannes: Der dem Tod ins Ange-sicht schauen kann, / Der Soldat allein ist der freie Mann … Und setzet ihr nicht das Leben ein, / Nie wird euch das Leben gewonnen sein (V. 1064-1107).

Aber: Wofür eigentlich setzen sie das Leben ein? Nicht fürs Vaterland (»Die Piccolomini«, V. 225), nicht für den Kaiser, nicht für das Reich, sondern für sich selbst und für Wallenstein, ihren Solda-tenvater (»Wallensteins Lager«, V. 1034). Sie würden den Respekt, die Neigung, das Vertraun nicht auf den ersten besten verpflanzen, den ihnen der Kaiser schickt (»Die Piccolomini«, V. 242). Ein persönliches Verhältnis verbindet sie mit ihrem Feldherrn: sie sind der Leib, er ist ihr Geist, und so vereint, wollen sie sich schlagen. Wenn ihnen der Kapuziner im Stile des Abraham a Sancta Clara1

1 Abraham a Sancta Clara (Ordensname, eigentlich Johann Ulrich Megerle [1644-1709]) katholischer Geistlicher, Prediger und Schriftsteller. Er gilt mit rund 600 Einzelschriften als bedeutendster deutscher katholischer Prediger und Poet der Ba-rockzeit mit ungewöhnlicher Sprachkraft und Sprachfantasie.

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ins Gewissen redet, so lassen sie sich alles gesagt sein, dass sie zuviel saufen, huren, stehlen; dass sie den Kaiser nicht ehren und es mit der Religion nicht so genau nehmen. Aber wenn er ihren Feldherrn angreift: Kömmt doch das Ärgernis von oben! / Wie die Glieder so auch das Haupt! / Weiß doch niemand, an wen der glaubt! (»Wallensteins Lager«, V. 592-594), dann ist ihre Geduld am Ende und sie stopfen dem Prediger das Lästermaul.

Wenn die Soldaten sich für Wallenstein schlagen wollen, wofür schlägt sich dann aber Wallenstein selbst? Denn für ihn sind Armee und Krieg kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Er hat zweifellos seine politischen Ziele. Aber welche? Die Soldaten wissen es nicht. Aber auch nicht seine Generäle, die ihm näher stehen. Im zweiten Stück, den »Piccolomini«, drängen Terzky, Illo und Isolani den Feldherrn zur Entscheidung. Sie unterstützen ihn bei seiner Weigerung, dem Ansinnen des Kaisers (die Truppenbegleitung für den spanischen Infanten) zu folgen. Aber will Wallenstein wirklich den Bruch mit dem Kaiser riskieren, und wird er auf die schwedisch-protestantische Seite überwechseln? Terzky, sein Schwager, drängt ihn dazu. Ihm antwortet Wallenstein: Mich soll das Reich als seinen Schirmer ehren, / Reichsfürstlich mich erweisend, will ich würdig / Mich bei des Reiches Fürsten niedersetzen. / Es soll im Reiche keine fremde Macht / Mir Wurzeln fassen, und am wenigsten / Die Goten sollens, diese Hungerleider, / Die nach dem Segen unsers deutschen Landes / Mit Neidesblicken raubbegierig schauen. / Beistehen sollen sie mir in meinen Planen, / Und dennoch nichts dabei zu fischen haben (»Die Piccolomini«, V. 835-844).

An diesen Ausspruch Wallensteins knüpft sich die »vaterländische« Interpretation des Dramas. Danach habe Wallenstein als Vertreter der Reichsidee im zersplitterten und zerstrittenen Deutsch-land zu gelten, als verhinderter Friedensstifter und Friedensfürst, der sich im Gestrüpp der kaiserli-chen und schwedisch-protestantischen Machinationen verfängt und mit seinen löblichen Absichten tragisch scheitert. Solche Interpretationen glauben, Wallensteins Absichten aus Äußerungen able-sen zu können, die dieser bei bestimmten Gelegenheiten macht. Bei anderer Gelegenheit spricht Wallenstein anders. Dann ist nicht von Friede und Reich die Rede, sondern von den eigenen Machtambitionen: Es macht mir Freude, meine Macht zu kennen (»Die Piccolomini«, V. 868). Er will sich ein Königreich Böhmen verschaffen und weiß, dass es ein verbrecherischer Weg war, der ihn zu seiner starken Armee und in seine gegenwärtige Machtstellung geführt hat, und dass er, um sich behaupten zu können, auf diesem Weg wird fortschreiten müssen: Es übte dieser Kaiser / Durch meinen Arm im Reiche Taten aus, / Die nach der Ordnung nie geschehen sollten. / Und selbst den Fürstenmantel, den ich trage, / Verdank ich Diensten, die Verbrechen sind (»Wallensteins Tod«, V. 622).

Die Gesetze der alten Ordnung verurteilen Wallenstein; er aber will eine neue Ordnung schaffen, von der nur so viel klar ist, dass sie seine Machtstellung garantieren und die üblen Methoden, mit denen er sie errungen hat, nachträglich rechtfertigen soll. Es gibt also Augenblicke, da weiß Wal-lenstein, dass er ein Usurpator2 ist. Zwar der Abgott seiner Soldateska, aber eine Geißel (Prolog, V. 95) für die übrige Menschheit. Es ist die Gräfin Terzky, die aus eigenem Ehrgeiz den zögernden Wallenstein anstachelt: er sei anders als die anderen, ein Machtmensch aus eigenem Recht; seine Stärke liege in der Übereinstimmung mit sich selbst. Du warst im Recht, sagt sie ihm, als du vor acht Jahren / Mit Feuer und Schwert durch Deutschlands Kreise zogst, / Die Geißel schwangest über alle Länder, / Hohn sprachest allen Ordnungen des Reichs, / Der Stärke fürchterliches Recht nur übtest, / Und jede Landeshoheit niedertratst … (»Wallensteins Tod«, V. 603-608). Damals hatte er für den Kaiser Unheil über das Land gebracht, jetzt soll er es auf eigene Rechnung tun. Wenn er seine Armee nicht auf die gegnerische Seite führt, wird sie ihm vom Kaiser genommen werden, sagt sie. Er habe nur die Wahl zwischen Verrat aus eigener Machtvollkommenheit und demütigen-dem Gehorsam gegenüber Wien. Sie rückt ihm das Bild eines ohnmächtigen ehemaligen Herren-menschen vor Augen, der auf seinen Besitzungen ohne Ehrgeiz den sanften Frieden genießt. Damit wäre erwiesen, dass er doch nichts anderes sei als einer dieser neuen Menschen …, die der Krieg emporgebracht (»Wallensteins Tod«, V. 517/518) und wieder in die Bedeutungslosigkeit gestürzt hat. Das Schreckbild tut seine Wirkung. Wallenstein: Doch eh ich sinke in die Nichtigkeit, / So klein

2 Als Usurpation (lat. usurpatio - ‚Gebrauch‘; usurpare - ‚in Besitz nehmen‘, ‚widerrechtlich die Macht an sich reißen‘) wird im neueren Sprachgebrauch die Anmaßung eines Besitzes, einer Befugnis, besonders aber der öffentlichen Gewalt be-zeichnet – also insbesondere die gewaltsame Verdrängung eines legitimen Herrschers, der Umsturz der Verfassung und die Unterdrückung der Selbständigkeit eines Staates durch einen Usurpator.

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aufhöre, der so groß begonnen, / Eh mich die Welt mit jenen Elenden / Verwechselt, die der Tag erschafft und stürzt, / Eh spreche Welt und Nachwelt meinen Namen / Mit Abscheu aus, und Fried-land sei die Losung / Für jede fluchenswerte Tat (»Wallensteins Tod«, V. 531-537).

Jetzt ist nicht mehr von den erhabenen Ideen des Friedens und der Reichseinheit die Rede, jetzt geht es nur noch um die Behauptung der eigenen Macht. Was genau aber bedeutet ‚Macht’ und der Wille zur Macht für Wallenstein?

Selbstverständlich ist für Wallenstein ‚Macht’ zunächst einmal nichts anderes als die Kraft, seinen Willen politisch und gesellschaftlich herrschend werden zu lassen. Macht bedeutet: Wirken-Können. Wallenstein: Wenn ich nicht wirke mehr, bin ich vernichtet (»Wallensteins Tod«, V. 528). Doch sein Zögern vor der Entscheidung verrät noch eine andere Bedeutung der Macht. Der Machtmensch Wallenstein ist wie ein Hamlet3 auch ein Möglichkeitsmensch. Er will Herr über sei-ne Handlungsmöglichkeiten bleiben. Die Wirklichkeit bedeutet demgegenüber eine Verengung, sie reduziert die Möglichkeiten. Sie ist das, was übrig bleibt, wenn der Reichtum der Möglichkeiten durch das Nadelöhr der Entscheidung gezogen wird. Die Wirklichkeit, für die man sich entschieden hat, nimmt gefangen und verstrickt einen in die unabhängige Logik der Tatsachen, auch wenn man selbst es war, der sie geschaffen hat. Deshalb zögert Wallenstein. Er will sich seine Optionen be-wahren. Als Machtmensch will er handeln und scheut doch die Unumkehrbarkeit des Handelns. Er will beides zugleich sein, Macht- und Möglichkeitsmensch.

Es ist ein Geniestreich Schillers, auf dem Höhepunkt des Dramas, das von der Dynamik der Hand-lung lebt, Wallenstein in dem großen Monolog das Geheimnis seiner Handlungshemmung ausspre-chen zu lassen. Der Wille zur Macht krümmt sich in sich selbst zurück und wird grüblerisch: Wär’s möglich? Könnt ich nicht mehr, wie ich wollte? / Nicht mehr zurück, wie mir’s beliebt? Ich müsste / Die Tat vollbringen, weil ich sie gedacht / … / In dem Gedanken bloß gefiel ich mir; / Die Freiheit reizte mich und das Vermögen. / War’s unrecht, an dem Gaukelbilde mich / Der königlichen Hoff-nung zu ergötzen? / Blieb in der Brust mir nicht der Wille frei, / Und sah ich nicht den guten Weg zur Seite, / Der mir die Rückkehr offen stets bewahrte? / Wohin denn seh ich plötzlich mich geführt? / Bahnlos liegts hinter mir, und eine Mauer / Aus meinen eignen Werken baut sich auf, / Die mir die Umkehr türmend hemmt! - / … / In meiner Brust war meine Tat noch mein: / Einmal entlassen aus dem sichren Winkel / Des Herzens, ihrem mütterlichen Boden, / Hinausgegeben in des Lebens Fremde, / Gehört sie jenen tückschen Mächten an, / Die keines Menschen Kunst vertraulich macht (»Wallensteins Tod«, V. 139-191).

Entscheidungen sind unwiderruflich: sie schaffen eine Mauer aus eigenen Werken, sagt Wallen-stein. Sie versperren den Rückweg in die Möglichkeit. Entscheidungen führen den eigenen Faden in die unabsehbare Textur des Wirklichen ein, sie verstricken sich damit in des Lebens Fremde. Wer handelt, muss sich entfremden. Niemals wird er sich in seinen Taten vollkommen wiedererkennen, und schon gar nicht in den verwickelten Konsequenzen, die sich daraus ergeben.

Es ist ausführlich darüber gestritten worden, ob die Wallenstein-Trilogie wirklich als Tragödie gel-ten kann. Schiller selbst hatte zu Anfang seine Zweifel. An Goethe schrieb er am 28. November 1796, die Tragödien-Ökonomie sei noch nicht realisiert, das eigentliche Schicksal tut noch zu wenig, und der eigene Fehler noch zu viel zu seinem Unglück. Es ist dann doch eine veritable Tragödie dar-aus geworden, allerdings in einem modernen Sinn. Transzendente Schicksalsmächte spielen keine Rolle darin - Wallensteins Sternenglaube ist zwar kein blindes Motiv, aber auch kein konstitutives. In keinem Fall macht Wallenstein nämlich seine Entscheidungen von der Sternenkonstellation ab-hängig. Schiller verwendete das astrologische Motiv nach dem Rat Goethes als Symbol der Ver-knüpfung des menschlichen Handelns mit dem ungeheuren Weltganzen (8. Dezember 1798).

Für Schiller zeigt sich das ungeheure Ganze in der Verstrickung ins Menschengeflecht. Dass der Täter sich seiner Tat entfremdet und dass sie über den Umweg durch dieses ungeheure Weltganze schließlich zerstörerisch auf ihn selbst zurückwirkt - das ist für Schiller das tragische Motiv. Wallen-stein hat mit seinem Verrat gespielt, halb noch in seinem Herzen, halb schon in der Wirklichkeit.

3 Hamlet (»The Tragicall Historie of Hamlet, Prince of Denmarke«), von William Shakespeare (1603) verfasste, im König-reich Dänemark spielende Tragödie: Claudius, der Bruder von König Hamlet, ermordet den Herrscher, reißt die Krone an sich und heiratet Gertrude, die Witwe des Königs. Prinz Hamlet strebt danach, seinen Vater zu rächen, und stürzt dabei alle Beteiligten ins Unglück.

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Und dann verwickelt ihn die Wirklichkeit so, dass er nicht mehr Herr seines Spiels ist.

Wallenstein hat keinen gleichwertigen Gegenspieler. Der Wiener Gesandte Questenberg und Octa-vio Piccolomini sind als Einzelfiguren nicht stark genug; sie vertreten lediglich eine bestimmte Sa-che, das Prinzip einer formalen, in der Tradition begründeten Legitimität, die sich am Ende als die stärkere herausstellt. Wallenstein ist gewaltig, auch dann noch, als es mit ihm zu Ende geht. Unver-gesslich, wie er sich kurz vor seiner Ermordung nichtsahnend und doch mit dunklem Hintersinn von Gordon, einem Gefährten aus der Jugendzeit, verabschiedet, der in die Mordpläne eingeweiht ist: Gut Nacht, Gordon! / Ich denke einen langen Schlaf zu tun, / Denn dieser letzten Tage Qual war groß, / Sorgt, dass sie nicht so zeitig mich erwecken (»Wallensteins Tod«, V. 3676-3679).

Schiller hat die beherrschende Stellung Wallensteins so lange als Schwäche seines Stückes angese-hen, bis es ihm mit der Einführung der Figur des Max Piccolomini und dessen Liebe zu Thekla, Wal-lensteins Tochter, gelang, eine Gegenwelt jenseits von Politik und Krieg zu schaffen. Für Max Picco-lomini gibt es kein historisches Vorbild. Diese Figur ist eine reine Erfindung nach dem Geschmack Schillers. Er hat etwas von der Gefühlsseligkeit des Don Karlos und vom Ideenschwung des Marquis Posa4. Er ist ein tapferer Soldat, auch ein Geschöpf von »Wallensteins Lager«, in dem er groß ge-worden ist. Wallenstein hat sich seiner wie ein Vater angenommen, und Max liebt den Feldherrn wie seinen Vater.

Geistig wurzelt er, entgegen allen Bekundungen (siehe »Die Piccolomini«, V.460-463) in der alten Ordnung, an deren Spitze er den Kaiser unumstritten thronen sieht. Max Piccolomini ist kühn, aber kein Rebell. Der bewunderte und geliebte Wallenstein gilt ihm als der erste Diener des Kaisers, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Max ist deshalb am Ende auch nicht bereit, seinem Ziehvater in den Verrat zu folgen, aber, anders als sein wirklicher Vater Octavio, kann er auch nicht gegen ihn kämpfen: Das Herz in mir empört sich, es erheben / Zwei Stimmen streitend sich in meiner Brust, / In mir ist Nacht, ich weiß das Rechte nicht zu wählen (»Wallensteins Tod«, V. 2279). Er wird am Ende doch gegen die Schweden, mit denen Wallenstein inzwischen im Bündnis steht, kämpfen, aber nicht um zu siegen, sondern um zu sterben. Die zwei Stimmen in seiner Brust, von denen die eine ihn zu Wallenstein, die andere zum Kaiser hinzieht, streiten umso heftiger in ihm, weil die Liebesgeschichte mit Thekla hinzukommt. Das Gefühl des Verliebtseins lässt ihm die Aussicht auf den Frieden verlockend erscheinen. Für einen Augenblick öffnet sich dem Soldaten die sonst ge-schlossene Sphäre von Pflicht und Gehorsam. Max träumt von einer zivilen Existenz nach der Be-endigung des Krieges, die Wallensteins politische Planungen ihm zu versprechen scheinen, wenn die kriegerischen Tugenden sich umwandeln in zivile Tüchtigkeit. Er traut Wallenstein zu, dass er diesen Umschwung herbeiführen könnte: Er wird den Ölzweig in den Lorbeer flechten, / Und der erfreuten Welt den Frieden schenken. / … / Ja, wenn die kühne Kraft nicht ruhen kann, / So mag er kämpfen mit dem Element, / Den Fluss ableiten und den Felsen sprengen, / Und dem Gewerb die leichte Straße bahnen. / Aus unsern Kriegsgeschichten werden dann / Erzählungen in langen Win-ternächten - (»Die Piccolomini«, V. 1656-1676).

Diese Träume zerstieben. Nicht nur, dass Wallenstein nicht die Rolle des Friedensfürsten spielt, er billigt auch nicht den Liebesbund zwischen Max und Thekla. Seine dynastischen Interessen sind stärker als seine persönliche Zuneigung zu Max. Er will Thekla politisch gewinnbringend verheira-ten, die Liebe als Passion hat in seinem Weltbild keinen Platz. Thekla sieht die Dinge illusionsloser als Max: sie durchschaut das Spiel, bemerkt, dass man Maxens Verliebtheit nutzen will, um ihn fester an Wallenstein zu binden, und sie ahnt, dass man eine wirkliche Verbindung zwischen ihnen hintertreiben wird. In ihrem Monolog spricht sie es aus: Das ist kein Schauplatz, wo die Hoffnung wohnt, / Nur dumpfes Kriegsgetöse rasselt hier, / Und selbst die Liebe, wie in Stahl gerüstet, / Zum Todeskampf gegürtet, tritt sie auf (»Die Piccolomini«, V. 1895-1898).

4 Figuren aus dem Schiller-Drama Don Karlos, Infant von Spanien (1787); es behandelt vordergründig politisch-gesellschaft-liche Konflikte - so die Anfänge des Achtzigjährigen Krieges, in dem die niederländischen Provinzen ihre Unab-hängigkeit von Spanien erkämpften - und familiär-soziale Intrigen am Hofe von König Philipp II. (1556-1598). Der spanische Kronprinz Don Karlos trifft in der Sommerresidenz Aranjuez seinen Jugendfreund Marquis von Posa wieder, der soeben aus Brüssel zurückkommt, wo er mittlerweile Abgeordneter der niederländischen Provinzen geworden ist. Er will Karlos davon überzeugen, sich als Statthalter in die unruhige Provinz Flandern schicken zu lassen, um dort den protestantischen Nieder-ländern, die gegen die katholische spanische Besatzungsmacht aufbegehren, größere Freiheiten einzuräumen und den Konflikt so friedlich beizulegen …

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Auch die Liebe wird in diesem Todeskampf unterliegen, Thekla stirbt ebenso wie Max. Es erfüllt sich, was sie schon früher geahnt hat: Das Herz ist gestorben, die Welt ist leer, / Und weiter gibt sie dem Wunsche nichts mehr (»Die Piccolomini«, V. 1762/1763).

Die Spiele der Macht entleeren die Welt. Ein Mächtiger geht unter und reißt alle mit, die ihm an-hängen. Es siegt dabei keine höhere Ordnung, kein höherer Zweck. Hegel erschrak über den Ab-grund von Nihilismus in diesem Stück. Eine solche triumphale Düsternis hatte er dem idealistischen Schiller nicht zugetraut. Nach der Lektüre der Buchfassung schreibt er im Jahre 1801: »Der unmit-telbare Eindruck … ist trauriges Verstummen über den Fall eines mächtigen Menschen, unter einem schweigenden und tauben Schicksal. Wenn das Stück endigt, so ist Alles aus, das Reich des Nichts, des Todes, hat den Sieg behalten; es endigt nicht als Theodizee5.« Das sollte es auch nicht. Mit »Wallenstein« brachte Schiller eine Welt ohne Trost grandios auf die Bühne. […]

In: Rüdiger Safranski, Schiller oder die Erfindung des deutschen Idealismus, München/Wien 2004, S. 452ff.

5 Theodizee (griech. θεός [theós] - ‚Gott‘ und δίκη [díkē] - ‚Gerechtigkeit‘), die: »Gerechtigkeit Gottes« bzw. »Rechtferti-gung Gottes«. Gemeint sind verschiedene Antwortversuche auf die Frage, wie das Leiden in der Welt vor dem Hintergrund zu erklären sei, dass Gott einerseits allmächtig, andererseits gut sei. Konkret geht es um die Frage, warum Gott das Leiden zulässt, wenn er doch die Omnipotenz (»Allmacht«) besitzen müsste, das Leiden zu verhindern. Der Begriff »Theodizee« geht auf den Philosophen und frühen Aufklärer Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) zurück.

Wappen der Grafen von Waldstein