Transparenz als neue Medienlogik des Journalismus?
Julius Reimer, M.A. Prof. Dr. Klaus Meier
Medienlogik und Medienrealität Gemeinsame Tagung der DGPuK-Fachgruppen Journalistik/Journalismusforschung und Mediensprache/Mediendiskurse. Universität Tübingen, 9. - 11. Februar 2011.
Theoretische Verortung und erste empirische Wirkungsprüfung.
1. Warum Transparenz?
(Wieder-)Aufbau von Vertrauen (???)
2. Was ist Transparenz?
vs. journalistische Transparenz
andere Formen journalistischer
Selbstreferentialität (Hinweis auf nächste Sendung;
Kollegengespräch usw.)
2. Was ist Transparenz?
basale Selbstreferenz
Kommunikation schließt an Kommunikation an
Beispiele:
Aufgreifen von Agenturmeldungen oder Themen aus anderen Medien
Orientierung an Kollegen/Vorbildern
(vgl. Malik 2004; 2008)
2. Was ist Transparenz?
basale Selbstreferenz
Reflexivität
Kommunikation über Kommunikation
Beispiele:
Blattkritik
Planung der nächsten Ausgabe
(vgl. Malik 2004; 2008)
2. Was ist Transparenz?
basale Selbstreferenz
Reflexivität
Reflexion
Beispiel:
Beziehung zwischen Journalismus und Wirtschaftssystem
(vgl. Malik 2004; 2008)
Kommunikation über das gesamte System
2. Was ist Transparenz?
Selbstbeobachtung
Reflexion
Reflexivität
Selbstbeschreibung Publikum: Journalisten
Selbstthematisierung Publikum: auch Nur-Rezipienten
Transparenz bezeichnet Kommunikationen, die
auch an Nur-Publikumsrollenträger gerichtet sind
und die systemspezifische Aussagenproduktion und ihre Bedingungen beschreiben:
- die Strukturen,
- die Ressourcen,
- die Programme. (i. A. a. Malik 2004; 2008)
Transparenz
2. Was ist Transparenz?
Dimensionen journalistischer Transparenz
• Reflexivität/Reflexion • Strukturen/Ressourcen/Programme • Produkttransparenz: Prozesstransparenz:
2. Was ist Transparenz?
Dimensionen journalistischer Transparenz
• Reflexivität/Reflexion • Strukturen/Ressourcen/Programme • Produkttransparenz/Prozesstransparenz • Selbsttransparenz/Fremdtransparenz • monologisch/dialogisch bis partizipativ
3. Konfliktpotential
Objektivität
„Make the stories airtight, even omniscient. Never appear unknowing.“
(Kovach/Rosenstiel 2007: 95)
Transparenz
§ Eigeninteresse offenlegen
§ sagen, was man nicht weiß
vs.
4. Wie wirkt Transparenz?
Stimulus: journalistischer Artikel
§ ausgewogene Darstellung § kontroverses Thema § keine journalistische Marke erkennbar § 4 Varianten unterschiedlichen Transparenzgrades,
jeweils als Print- und Onlinebeitrag
4. Wie wirkt Transparenz?
intransparent
§ keine Transparenzelemente
§ Quellen verschleiernde Formulierungen
4. Wie wirkt Transparenz?
produkttransparent
§ Personen mit Namen und Organisation genannt
§ Fußnoten mit näheren Angaben zu Personen und Organisationen
§ Fußnoten mit genauen Quellenangaben bzw. Links
4. Wie wirkt Transparenz?
prozesstransparent
§ Foto und Vita des Autors
§ E-Mail und Telefonnummer der Redaktion
§ Einladung zur Redaktionskonferenz; online: Link zu Live-Stream der Konferenz
4. Wie wirkt Transparenz?
volltransparent
§ alle Produkttransparenz-Elemente
§ alle Prozesstransparenz-Elemente
4. Wie wirkt Transparenz?
§ 786 Probanden § randomisierte Zuweisung zu den 2x4 Versuchsgruppen § Bewertung des jeweiligen Artikels:
8 Items der Skala zur Messung des Vertrauens in Journalismus von Matthes/Kohring (2004)
4. Wie wirkt Transparenz?
Print Item rs N1 N2
1: Ich denke, dass die wesentlichen Punkte berücksichtigt werden. 0,142* 116 119
5: Ich denke, dass die Angaben in dem Artikel einer Überprüfung standhalten würden. 0,181** 102 104
Online
(nur Abiturienten und Akademiker)
Item rs N5 N6
1: Ich denke, dass die wesentlichen Punkte berücksichtigt werden. 0,269* 40 32
5: Ich denke, dass die Angaben in dem Artikel einer Überprüfung standhalten würden. 0,268* 35 28
intransparent vs.
produkttransparent
*p<0,05; **p<0,01; ***p<0,001
4. Wie wirkt Transparenz?
Online Item rs N5 N7
1: Ich denke, dass die wesentlichen Punkte berücksichtigt werden. 0,183* 61 69
2: Wichtige Dinge stehen im Vordergrund. 0,171* 61 70
4: Der Artikel berichtet aus mehreren Blickwinkeln. 0,171* 62 72
8: Wenn Kritik geäußert wird, dann geschieht das in angemessener Weise. 0,301*** 61 69
intransparent vs.
prozesstransparent *p<0,05; **p<0,01; ***p<0,001
4. Wie wirkt Transparenz?
Print Item rs N1 N4
4: Der Artikel berichtet aus mehreren Blickwinkeln. 0,123* 112 143
5: Ich denke, dass die Angaben in dem Artikel einer Überprüfung standhalten würden. 0,170* 102 123
Online
Item rs N5 N8
1: Ich denke, dass die wesentlichen Punkte… 0,329*** 61 69
2: Wichtige Dinge stehen im Vordergrund. 0,252** 61 65
3: Ich denke, dass mir zum Thema alle wichtigen Informationen geboten werden. 0,268** 59 64
4: Der Artikel berichtet aus mehreren… 0,262** 62 69
5: Ich denke, dass die Angaben in dem… 0,263** 49 60
8: Wenn Kritik geäußert wird, dann geschieht… 0,192* 61 65
intransparent vs.
volltransparent
*p<0,05; **p<0,01; ***p<0,001
Literatur
• Kovach, Bill; Rosenstiel, Tom (2007): The Elements of Journalism. What Newspeople Should Know and the Public Should Expect. 2. Aufl. New York.
• Malik, Maja (2008): Selbstverliebte Fremdbeobachter. Zum Dilemma der journalistischen Selbstbezüglichkeit. In Pörksen, Bernhard; Loosen, Wiebke; Scholl, Armin (Hg.) (2008): Paradoxien des Journalismus. Theorie – Empirie – Praxis. Festschrift für Siegfried Weischenberg. Wiesbaden, S. 429-446.
• Malik, Maja (2004): Journalismusjournalismus. Funktion, Strukturen und Strategien der journalistischen Selbstthematisierung. Wiesbaden.
• Matthes, Jörg/Kohring, Matthias (2004): Revision und Validierung einer Skala zur Erfassung von Vertrauen in Journalismus. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, Nr. 3/2004, S. 377-385.
Mehr zur Theorie der Transparenz im Journalismus sowie zu den Ergebnissen des Experiments:
Meier, Klaus/Reimer, Julius (2011): Transparenz im Journalismus. Instrumente, Konfliktpotentiale, Wirkung.
In: Publizistik, Nr. 2/2011, S. 133-155. Online unter: http://dx.doi.org/10.1007/s11616-011-0116-7
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