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Triller [ital. trillo; frz. trille; engl. shake, trill], im en-geren Sinne eine Verzierung, die in einem mehr oderweniger schnellen Wechsel zwischen einer Note undihrer oberen (um einen Halb- oder Ganzton entfernten)Nebennote besteht. Verwandt mit der Familie der Tr.ist eine Gruppe von Verzierungen, die entweder auswenigen oder mehreren langsameren oder schnellerenTonwiederholungen bestehen [in der ital. Vokalmusikum 1600 → Trillo 2), auch → Tremolo 4), in der dt.Instrumentalmusik des Barock → Schwärmer genannt]oder aus einem wellenartigen Wechsel der Lautstärkedes gleichen Tones (→ Tremulant der Orgel, → Be-bung beim Clavichord, → ondeggiando bei Streich-instrumenten). – Die Tr.-Familie im weiteren Sinne,deren gemeinsames Merkmal eine wellenförmige Auf-und Abwärtsbewegung der Tonhöhe ist, lässt sich indrei Gruppen einteilen: a) Verzierungen mit nur leich-ter Tonhöhenveränderung (→ Vibrato); b) Verzierun-gen, die durch einen Wechsel zwischen Haupt- und un-terer Nebennote gekennzeichnet sind (→ Mordent); c)Tr. im engeren Sinn.Unter den ital. Diminutionsformeln (→ Diminution 2)

und »Passaggi« des 16. Jh. befinden sich als Gruppo(Groppo) bezeichnete trillerartige Kadenzklauseln, auswelchen sich der barocke Tr. mit Nachschlag entwickelte:

Groppi di Accadentia

Mezzo Groppo

Die ausgeschriebene Form des Gruppo gibt nur dasPrinzip seiner Ausführung an, seine Schläge sind nichtan eine strenge Takteinteilung gebunden. – Die beiElias Nicolaus Ammerbach (1571) als »Mordant« be-zeichnete trillerartige Verzierung:

wird in Italien bis weit ins 17. Jh. Tremolo genannt, imGegensatz zum → Trillo 2), der aus Tonwiederholun-gen besteht. In der römischen Oper (E. de Cavalieri)findet sich die Bez. Trillo auch für den Wechsel zwi-schen zwei Tönen, während bereits G. B. Bovicelli(Regole, passaggi di musica, 1594) das »Zittern derStimme über demselben Ton« mit → Tremolo 4) be-zeichnet; diese Benennung setzt sich aber erst nach1700 allgemein durch. Beide Verzierungen können mitt oder mit tr angedeutet werden. Alle diese Tr. beginnenmit der Hauptnote.

In der 2. Hälfte des 17. Jh. erhielt der Tr. in Frank-reich die bis ins 19. Jh. vorbildliche Prägung, wobei derBeginn auf der oberen Nebennote obligatorisch ist. (Diefrz. Bez. cadence weist auf die Herkunft dieser Verzie-rung von den Kadenzschlüssen hin; der Name tremble-ment setzte sich als Bez. für den Tr. erst später durch.)Nach Fr. Couperin (L'art de toucher le clavecin, 1716)besteht jeder etwas längere Tr. aus dem appui (»Abstüt-zung« auf der oberen Nebennote), den battements(eigentliche Tr.-Schläge) und dem point d'arrêt (Halte-punkt auf der Hauptnote am Ende des Tr.). Die »Abstüt-zung« oder Vorbereitung ist betont; ihre graphische Dar-stellung erfolgt – falls überhaupt (a) – durch ein beson-deres Zeichen (b), durch eine kleine Vorschlagsnote (c)oder durch Aufzeichnung des vollen Notenwertes (d).

Ausführung etwa:

a b c d

Unvorbereitet (frz. sans appui, cadence subite, cadencejetée) ist ein Tr., dessen erster Ton (obere Nebennote)nicht länger ist als die folgenden Tr.-Schläge, so z. B.wenn ein längerer Tr. mit → Doppelschlag beginnt. DieAnzahl der Tr.-Schläge richtet sich nach der Länge derNote (nicht nach dem Zeichen; , , , sind imallgemeinen gleichbedeutend).Der längere Tr. kann langsam beginnen und allmäh-

lich rascher werden; er muss ein besonderes Ende ha-ben, entweder in Form einer Antizipation der folgendenNote oder (meistens) in Form eines Nachschlags, des-sen Noten im Rhythmus der Tr.-Schläge eingeteiltwerden (Tr. mit Nachschlag, Doppel-Tr. des 18. Jh.; frz.cadence tournée, double cadence; engl. turned shake).Nachschläge werden wie folgt notiert:

Oft aber wird Nachschlag oder Antizipation als selbst-verständlich vorausgesetzt und nicht notiert, so beimNachschlag noch bis weit ins 19. Jahrhundert.Beim kurzen Tr., der stets unvorbereitet ist, unter-

schied das 18. Jh. vier Formen:1. den gewöhnlichen kurzen Tr. (bei Couperin tremb-

lement détaché):

(Marpurg)

(Couperin)

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2. den → Pralltriller (bei Couperin tremblement liésans être appuyé);3. den unvollkommenen Tr., dem Prall-Tr. sehr ähn-

lich, beschreibt Marpurg (Anleitung zum Klavierspielen,1755): Wenn in dem gebundnen einfachen Tr. die ge-bundne Note übergangen, und, wider die Regel des Tr.,sogleich mit dem Haupttone angefangen, der Wechsel-schlag aber abgekürzet und nur auf drey Noten einge-schränket wird:

4. den → Schneller.Der Tr.-Beginn mit der oberen Nebennote auf den

Schlag bleibt im Prinzip für die Zeit der Wiener Klassikobligatorisch. Den Tr.-Beginn mit der Hauptnoteschreibt als erster J. N. Hummel in seiner Klavierschule(1828) vor, nach ihm L. Spohr in seiner Violinschule(1832).

Literatur: P. ALDRICH: On the Interpretation of Bach's Trills,MQ XLIX, 1963; | FR. NEUMANN: Misconceptions About theFrench Trill in the 17th and 18th Cent., MQ L, 1964; | M.COLLINS: In Defense of the French Trill, JAMS XXVI,1973; | P. BADURA-SKODA: Mozart's Trills, in: Perspectiveson Mozart Performance, hrsg. v. R. L. Todd u. P. F. Wil-liams, Cambridge 1991; | CHR. SPRINGER: … Einige Aspekted. Tr.s in Instr.- u. Vokalmusik, in: Una piacente estate diSan Martino, Fs. M. Conati, = Quaderni di musica/realtà,Suppl. I, Lucca 2000.

Trillerkette Kettentriller [ital. catena di trilli; frz.chaîne de trilles; engl. continuous trill], eine Reihe fort-laufend aneinander gehängter Triller, stufenweise auf-oder absteigend; aufsteigend kann jeder einzelne Trillereinen → Nachschlag 2) bekommen.

Trillo [ital.],

1)→ Triller.

2) Um 1600 in Italien eine Gesangsverzierung in derArt eines Tremolos (→ Tremolo 4), die aus langsam be-ginnenden und allmählich im Tempo zunehmendenTonwiederholungen besteht und zuerst von G. Caccini(Le nuove musiche, 1601/02) dargestellt und beschrie-ben wurde:

Neben diesem langen Tr., den Cl. Monteverdi in sei-nen späten Opern für besondere Effekte verwendete (Ilritorno d'Ulisse, Arie des Iro), gab es noch einen kurzenTr., auch Trilletto genannt.

Tri̱o [ital.], im 18. Jh. Bez. für ein Stück mit drei Sing-stimmen und Generalbass (→ Terzett) und für die→ Triosonate. Heute heißt Tr. jedes Instrumentalstückmit drei Mitwirkenden (Streich-, Bläser-, Klavier-Tr.)bzw. das entsprechende Ensemble. Tr. ist urspr. jedochder solistische 3st. Satz (meist Bläser) als Episode im5st. Streicherensemble der frz. Opern J.-B. Lullys (inArien und Chören als Ritornelle und in Tanzsätzen).Zwischenspielartige Tr.-Abschnitte (Divertissements)im fugierten Teil der frz. Ouvertüre bringt wohl erstma-lig A. Steffani (Orlando, 1691). Georg Muffat, J. C. F.Fischer und J. S. Bach übernahmen diese Gepflogen-heit. Der frz. Tr.-Satz beeinfluss te außerdem das Con-certino (2 Violinen und Violoncello) im Concerto gros-so. Die um 1680 in die frz. Tanzsuite eingeschobenenSätze, Menuett, Passepied, Gavotte und Bourrée, tretengewöhnlich paarweise mit einem Tr. (2 Oboen und Fa-gott) oder Bordunstück (Musette) auf, das sich vomvollstimmigen, danach wiederholten Tanz abhebt. DasTr. des Menuetts bzw. Scherzos in den Symphonien derVorklassiker und Wiener Klassiker kontrastiert jedoch,ebensowenig wie das spätere Marsch-Tr., nicht mehrdurch Dreistimmigkeit, sondern durch beschaulichenCharakter und reduzierte Besetzung (oft Bläser), häufigauch durch die Subdominant- oder Dominanttonart. –In den Orgel-Tr. bei J. S. Bach, 3st. Stücke für 2 Ma-nuale und Pedal (Tr. d-Moll BWV 583 und g-MollBWV 584), wurde das Prinzip der Tr.-Sonate auf dieOrgel übertragen.Aus der »Sonata a trè« für obligates Klavier (Bass

und Oberstimme) und Violine erwuchs, in Verbindungmit der neuen Gattung der Klaviersonate, in der 2. Hälf-te des 18. Jh. das Tr. für Klavier, Violine und Violoncel-lo (J. Chr. Bach, Fr. X. Richter, G. Toeschi, E. Eichner,J. Schobert). Tr. bezeichnet hier weniger den Satz alsdie Besetzung. Das Klavier-Tr. zeigt zunächst, ähnlichder Klavier-Violin-Sonate, den Charakter eines auchdem Dilettanten zugänglichen Arrangements. Noch dieTr. von J. Haydn sind Clavier Sonaten mit begleitungeiner Violin und Violoncello. Wegen seiner alten Conti-nuo-Funktion blieb vor allem das Violoncello noch lan-ge unselbstständig. Volle Selbstständigkeit erlangt eserst bei Mozart und Beethoven, deren Tr., zusammenmit denen Schuberts, den Höhepunkt der Gattung dar-stellen. Formal in Anlehnung an das klassische Tr.brachten neue Lösungen die Tr. von R. Schumann,Mendelssohn Bartholdy, Brahms, Dvořák, Tschaikows-ky, Reger und Ravel.Das Streich-Tr. (Normalbesetzung: Violine, Viola,

Violoncello) hat ebenfalls vor allem zwei Wurzeln: 1)die Reduktion des solistischen Quartettsatzes der Diver-timenti und Quadri in Süddeutschland, der dadurch ent-stand, dass nach Wegfall des Continuos eine füllendeMittelstimme (Viola) nötig war; 2) in der Triosonate(Violinen und Bass) und in dem neuen, vorwiegend 3st.Orchestersatz der ital. Oper seit etwa 1720. Noch dieOrchester-Tr. von J. Stamitz op. 1 sind in der Besetzung

Trio 99

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U2 [juː tuː, engl. phonetisches Wort-spiel »du auch«], 1977 in Dublin gegr.irische Rockband um den SängerBono (eigentlich Paul David Hewson,

* 10. 5. 1960 Dublin) und den Gitarristen The Edge(eigentlich David Howell Evans, * 8. 8.1961 London).Ihren Durchbruch erreichte die politisch engagierteBand 1983 mit dem Album War (1983, darauf Sunday,Bloody Sunday), feierte auch mit weiteren Alben Erfol-ge in Europa und den USA und zählte bes. in den1990er Jahren zu den international erfolgreichstenRockgruppen. »U2« verbindet mus. Einflüsse aus NewWave, Rockmusik, Blues und Pop; ihre einfach aufge-bauten, melodiebetonten Lieder befassen sich mit politi-schen, persönlichen oder religiösen Themen. – Weiterewichtige Alben: The Joshua Tree (1987, darauf With orWithout You und I Still Haven't Found); Live-AlbumRattle and Hum (1988); Achtung Baby (1991); Zooropa(1993); All That You Can't Leave Behind (2000).

Literatur N. STOKES: U2, NY 1996, dt. Schlüchtern 2003; |M. CHATTERTON: U2, Ldn 2001, dt. Königswinter 2005; | M.ASSAYAS: Bono on Bono, Ldn 2005, dt. Köln 2005; | V. COGAN:U2. An Irish Phenomenon, Doughcloyne 2006; | BR. DORNER:U2 ist ihre Religion, Bono ihr Gott. Zur theologischen Rele-vanz d. Rock- u. Popmusik am Beispiel v. U2, Marburg 2007.

Ubaldus → Hucbald.

Uccellini [ut-tʃɛlˈliːni], Marco, * um 1610 Forlimpopo-li, † 10. 9. 1680 ebd.; Komp. und Violinist, nach einerklerikalen Laufbahn studierte er in Assisi Musik undwar 1641–62 capo degl'instrumentisti di Duca am Hofder Este in Modena und 1647–65 Kpm. am dortigenDom. 1665 wurde er von Isabella d'Este an den Hofvon Parma berufen, wo er auch mehrere Bühnenwerkeschrieb. U. förderte die Erweiterung der Violintechniksowie die Entwicklung der solistischen Violinmusik.

Werke Introduzione al balletto Le navi d'Enea (Parma1673) und Il Giove d'Elide fulminato (ebd. 1677); OperGli eventi di Filandro ad Edessa (ebd. 1675) (nur Lib-retti überliefert). – Sonate, Sinfonie et Correnti, libro IIfür 2–4 Instr. und B. c. (Venedig 1639); Sonate, Arie etCorrenti für 2–3 Instr. und B. c. (ebd. 1642); Sonate,Correnti, et Arie für 1–3 Instr. und B. c. op. 4 (ebd.1645); Sonate over Canzoni für V. und B. c. op. 5 (ebd.1649); Salmi … concertati … für 1–5 Vokalst., 2 V.,Theorbe und B. c. op. 6 (ebd. 1654); Ozio regio. Com-positioni armoniche sopra il Violino e diversi altri stru-menti für 1–6 Instr. und B. c. op. 7 (ebd. 1660); Sinfonieboscareccie für V., B. c. und 2 V. ad libitum op. 8 (um1665); Sinfonici concerti brevi e facili für 1–4 Instr. undB. c. op. 9 (Venedig 1667).

Literatur: S. RONCROFFI: M. U., violinista e compositore del s.XVII, Bologna 1993; | M. U. da Forlimpopoli e la sua musica,Kgr.-Ber. Forlimpopoli 1996, hrsg. v. M. CARACI VELA, Lucca1999.

Uchida [-tʃi-], Mitsuko, * 20. 12.1948 Tokio; Pianistin,wurde mit 12 Jahren Schülerin von Richard Hauser ander Wiener Musikakademie, gewann 1969 den WienerBeethoven-Wettbewerb und erlangte 1970 beim Cho-pin-Wettbewerb in Warschau sowie 1975 bei der Inter-national Piano Competition in Leeds jeweils den Zwei-ten Preis. Besondere Aufmerksamkeit erregte sie durchihre zyklische Wiedergabe aller Sonaten und der Kla-vierkonzerte W. A. Mozarts von K.-V. 175 an in Lon-don und Tokio, später auch in New York. Seit 2002 istsie Artist in Residence beim Cleveland Orchestra. U.fördert junge Künstler durch ihre Mitarbeit beim Bor-letti-Buitoni Trust und leitet seit 2002 gemeinsam mitRichard Goode das Marlboro Music Festival in Ver-mont. In ihrem weitgespannten Repertoire nehmenneben Werken der Wiener Klassik vor allem Kompos.von Fr. Schubert, Fr. Chopin, Cl. Debussy, B. Bartókund A. Schönberg einen hohen Stellenwert ein. Nebenweltweiten Auftritten als Solistin in Recitals und mitführenden Orchestern betätigt sie sich auch als gefragteKammermusikerin und Liedbegleiterin.

Uchubaldus → Hucbald.

‘Ūd [arabisch al-‘ūd »das Holz«; daraus über span. laúdu. a. dt. → Laute], die Kurzhalslaute des arabischenMittelalters (7.–13. Jh.) und der Neuzeit mit Knickhalsund aus schmalen Holzspänen zusammengefügtembauchigem Corpus. Der ‘Ūd ist im arabisch-islamischenKulturraum Musizierinstrument sowie Instrument zurDemonstration des Tonsystems. Er entstand aus dem

persischen Barbat., der mit Bünden versehen wurde,und kam wahrscheinlich im 7. Jh. aus dem heutigenIrak nach Mekka. Im 10. (bei → Fārābī) und im 11. Jh.war der ‘Ūd viersaitig, im 13. Jh. fünfsaitig in Quartengestimmt. Mit den Arabern kam der ‘Ūd imHochmittelalter nach Spanien; aus ihm entwickelte sichdie abendländische Laute. In der Neuzeit wird der ‘Ūdin den arabischen Ländern ohne Bünde gespielt; er istdort neben dem → Qānūn das wichtigste Saiteninstru-ment. Die Spielweise ist nicht akkordisch, sondern me-lodisch (wobei Haltetöne als Tonrepetitionen gespieltwerden) mit zahlreichen Verzierungen.

‘Ū̱d

U

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Überblasen [engl. overblowing], bei Blasinstrumentendie Technik, durch stärkeren Winddruck oder erhöhteLippenspannung einen der höheren → Naturtöne (stattdes Grundtons) hervorzubringen. Offene Lippenpfeifen(Flöten) sowie konische Zungenpfeifen (z. B. Oboe, Sa-xophon) schlagen durch Ü. zunächst in den 2. Naturton(Oktave) über; sie heißen daher oktavierende Instru-mente. Gedeckte Lippenpfeifen (→ gedackt) und diesich in den niedrigzahligen Teiltönen akustisch gleichverhaltenden zylindrischen Einfachrohrblattinstrumente(Klarinetten) schlagen nur in die ungeradzahligen Na-turtöne über (zunächst in den 3. Naturton, die Duodezi-me); sie heißen quintierende Instrumente. Die Überbla-stöne (deren Schwingungszahl von der theoretischenSchwingungszahl der Naturtöne abweichen kann;→ Blasquinte) klingen heller, schärfer als die Grundtö-ne. Auf manchen Instrumenten, z. B. der → Einhand-flöte und der ventillosen Trompete (→ Clarino), ist einevollständige Skala nur durch Ü. hervorzubringen. DasÜ. kann (z. B. bei Blockflöte, Oboe, Klarinette, Saxo-phon) durch kleine, nahe dem Mundstück gelegeneÜberblaslöcher erleichtert werden. Die großen Interval-le zwischen den ersten sechs Naturtönen werden aufmodernen Blechblasinstrumenten durch die → Ventile2) überbrückt. → Überschlagen 1).

übermäßig Bez. für die → Intervalle, die um einenchromatischen Halbton größer sind als die großen (z. B.c–eis statt c–e) oder als die reinen Intervalle (z. B. c–fisstatt c–f). Die → Umkehrung übermäßiger Intervalleergibt verminderte.

Überschlagen 1) bei Blasinstrumenten und der Orgel(eng mensurierte Labialstimmen) das Ansprechen eineshöheren Naturtons anstelle des beabsichtigten (→ Über-blasen). Bei der Singstimme ist Ü. svw. Umschlagen inein anderes→ Register 3), z. B. beim→ Jodeln.

2) Beim Klavierspiel gibt es neben dem Ü. der Finger(→ Fingersatz) zwei Arten des Ü. einer Hand über dieandere: das Ü. der einen (meist der linken) Hand überdie in gleicher Lage weiterspielende andere Hand, dasdurch die Kompos. festgelegt ist (so etwa bei Cembalo-stücken für zwei Manuale, z. B. in J. S. Bachs »Gold-berg-Variationen« BWV 988; auf dem Pianoforte z. B.in W. A. Mozarts Sonate KV 331, 4. Variation, Trio desMenuetts), sowie das durch die Spielpraxis bestimmteabwechselnde Ü. der Hände beim Passagen- oder Ar-peggiospiel.

U̱gav ein im Alten Testament erwähntes Instrument,dessen Gebrauchsweise und Beschaffenheit unklarbleiben. Etymologisch verweist die Wurzel ‘gv auf dashebräisch-arabische ‘agavah (»sinnliches Verlangen«);linguistisch beinhaltet die Nominalform ‘u. einen pejo-rativen Aspekt. Die Bibelübersetzungen sind sehr un-einheitlich, was auf verlorenes Wissen oder euphemis

tische Praxis hinweist. Der aramäische Targum mit ‚ab-buba (Zungen-, Flöteninstrument) und die Vulgata mitorganum verweisen auf ein Windinstrument; ähnlichdeutet der Talmud ‘u. als → Hydraulis, die im 2.–3. Jh.n. Chr., also in talmudischer Zeit in Palästina ikonogra-phisch belegt ist. C. Sachs interpretiert ‘u. als Längsflö-te, die im Alten Orient und späteren Mittleren Ostenweit verbreitet ist, räumt aber auch die Möglichkeiteiner Bedeutung für »all pipes« ein. Eine zentrale Stel-lung im Alten Testament gewinnt das Instrument da-durch, dass es mit dem Ursprungsmythos von Musikverknüpft ist (Gen 4, 21).

Ughi [ˈu:gi], Uto, * 21. 1. 1944 Busto Arsizio (Varese);Violinist, studierte u. a. bei G. Enescu und debütierte1951 in Mailand. Seit 1959 unternimmt er weltweitKonzerttourneen. Sein breites Repertoire schließt diezeitgenössische Musik ein. U. gründete 1979 das Festi-val »Omaggio a Venezia«, leitete 1999–2002 das vonihm initiierte Festival »Omaggio a Roma« (ab 2003»Uto Ughi per Roma«) und wirkt seit Jahren verdienst-voll als künstlerischer Leiter und Soloviolinist desKammerorchesters »I Filarmonici di Roma« (ehemals»Orchestra da camera di Santa Cecilia«).

Ugri̱no Verlag gegr. 1921 in Hamburg von Hans Hen-ny Jahnn (* 17. 12. 1894 Hamburg, † 29. 11. 1959 ebd.)und dem Musikschriftsteller Gottlieb Friedrich Harms(* 1893, † 1931), den Gründern der GlaubensgemeindeUgrino, mit dem Ziel, für den praktischen Gebrauch ge-eignete Werke älterer Komp. herauszubringen. NachAuflösung der Glaubensgemeinde (1933) durch dieNationalsozialisten blieb der Verlag als selbstständigesUnternehmen bestehen. 1972 wurde die Firma vom Dt.Verlag für Musik übernommen, der 1992 wiederum inBreitkopf & Härtel aufging. Im Verlag erschienen ab1923 Gesamtausgaben der Werke von D. Buxtehude, C.Gesualdo, v. Lübeck und S. Scheidt, die allerdings kei-ne wissenschaftlichen Interessen verfolgten, sondernder praktischen Verbreitung älterer Musik dienten.

Literatur J. HENGST U. H. LEWINSKI: H. H. Jahnn, U., Ausstel-lungskat. Hannover 1991; | U. SCHWEIKERT: »Orgelbauer binich auch«. H. H. Jahnn u. d. Musik, Paderborn 1994.

Uhl Alfred, * 5. 6. 1908 Wien, † 8. 6. 1992 ebd.; Komp.,war 1927–31 Schüler Fr. Schmidts in Wien, anschlie-ßend bis 1934 als Dirigent und Komp. vor allem vonFilmmusik in der Schweiz tätig. 1940 wurde er zurWehrmacht einberufen, 1943–88 lehrte er an der Wie-ner Reichshochschule (später HS) für Musik und dar-stellende Kunst, seit 1964 als Professor. – U.s von tradi-tionellen Formen und funktioneller Harmonik geprägteMusik ist durch eingängige Melodik und Rhythmik ge-kennzeichnet. – Werke: Oper Der mysteriöse Herr X.(Wien 1966); Heitere Kantate für Soli, Chor und Orch.Wer einsam ist, der hat es gut (1964); Konzertante Sin-fonie für Klar. und Orch. (1943); Vier Capricen für

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