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Menschliches Leistungsvermögen
Flugleistungen und Flugvorbereitung
Masse und Schwerpunkt
Advanced PPL-Guide
Band 6
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1 | Flugphysiologie Advanced PPL-Guide
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und Konzentration eingeschränkt werden. Oberhalb der physiologischen Grenzen hilft ein G-Anzug, wie er in der militärischen Jetfliegerei verwendet wird.
Die Toleranz gegenüber Beschleunigungen in der x-Achse (durch die Brust) hingegen ist wesentlich größer. Der Körper toleriert hier positive Beschleunigungen bis zu 17 g (z.B. beim Windenstart von Segelflugzeugen) und negative Belastungen von -12 g (beispielsweise bei einer Flugzeugträgerlandung).
Gradlinige Beschleunigungen
Beschleunigungen können zu den oben genannten Faktoren auch Illusionen hervorrufen. Eine positive Beschleunigung beim Start und während des Anfangs-steigfluges in der x-Achse kann den Eindruck eines Steigfluges vermitteln. Der Reflex verlangt nun, das Höhenruder nachzudrücken. Diesem darf vor allem in niedrigen Höhen auf keinen Fall nachgegeben werden.
Umgekehrt bewirkt ein Sinkflug die Illusion einer Ver-zögerung. Wird zur Kompensation derselben nachge-drückt, besteht die Möglichkeit, eine ohnehin schon hohe Geschwindigkeit weiter zu erhöhen und dabei Betriebsgrenzen zu überschreiten. Dieses Phänomen wird als Schwerkraft-Illusion oder Somatogravic Illusi-on bezeichnet.
Beschleunigungen im Kurvenflug
Wird von einer länger anhaltenden Steilkurve mit einer hohen g-Belastung in der z-Achse in eine flachere Kurve mit einem geringeren Lastvielfachen übergegangen, kann die Illusion einer Kurve in Gegenrichtung entste-hen. Der Reflex befiehlt nun ein vermeintliches Aufrich-ten des Flugzeuges, was zu einer erneuten Zunahme der Querlage führt. Aus diesem Dreh-Illusion oder Somatogryral-Illusion genannten Mechanismus kann die berüchtigte „Todesspirale“ oder „Graveyard Spiral“ resultieren.
Ebenso kann es bei einem konstanten und koordinier-ten engen Kurvenflug zu dem Eindruck eines Steigfluges kommen. Ein Nachdrücken des Höhenruders begünstigt hier die Einleitung einer Steilspirale (vgl. Band 2: Aero-dynamik). Diese Erscheinung wird Elevator-Illusion genannt.
Beim Beenden einer koordiniert durchgeführten Kurve kann es zum Eindruck kommen, das Luftfahrzeug be-finde sich im Sinkflug und leitet eine entgegengesetzte Kurvenbewegung ein. Diesem Gefühl darf ebenfalls nicht nachgegeben werden, nach einigen Sekunden hat sich dieses Gefühl wieder reguliert.
Kombinierte Beschleunigungen
Sind Beschleunigungen in zwei oder gar drei Achsen im Spiel, wird das Erkennen und Korrigieren einzelner Fehlempfindungen schwierig. Die gleichzeitige Reizung
aller Bogengänge kann das Gehirn nicht auswerten. Bei einer gleichzeitigen Kopfdrehung und dem Einleiten einer Kurve kann es beispielsweise zu einem massiven Drehschwindel (Vertigo) kommen.
Maßnahmen und Vorbeugung
Der Kopf sollte unter der Einwirkung von Beschleunigen so wenig wie möglich bewegt werden. Im Idealfall wer-den Bewegungen auf die Augen beschränkt. Des Weite-ren sollte sich auf die Anzeigen der Instrumente kon-zentriert werden.
Tritt eine räumliche Desorientierung ein, kann es meh-rere Minuten dauern, bis ein korrektes Bild der Fluglage wieder hergestellt ist. Befindet sich ein zweiter Pilot an Bord, sollte die Kontrolle übergeben werden, bis die Position des „oben“ und „unten“ eindeutig geklärt ist.
1.4.4 Kinetose
Kinetose (auch Bewegungs- oder Luftkrankheit ge-nannt) kann bei der Fortbewegung in einem Verkehrs-mittel auftreten und zu folgenden Symptomen führen:
Müdigkeit
Schwindel
Pulserhöhung
Kopfschmerzen
Übelkeit
Erbrechen
Ursächlich für diesen Effekt ist vermutlich ein Konflikt zwischen den üben den Gleichgewichtssinn im In-nenohr wahrgenommenen Bewegungen (Beschleuni-gungen) und den Eindrücken anderer Sinnesorgane (wie den Augen), bzw. den abgespeicherten Erfahrun-gen des Gehirns.
Maßnahmen und Vorbeugung
Viel häufiger als der Flugzeugführer sind normalerweise die Mitreisenden von der Kinetose betroffen. Ist die Anfälligkeit im Vorfeld bekannt, sollte in ausreichen-dem Abstand vor dem Flug auf den Konsum von Alko-hol und anderen Drogen verzichtet werden. Ein ausge-ruhter Reiseantritt ohne vorheriges schweres Essen vermindert die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung. Mitreisende können vor Antritt eines Fluges auch auf medikamentöse Behandlungen zurückgreifen. Bei län-geren Flügen sollten Turbulenzen und schnelle Rich-tungsänderungen vermieden werden.
Ist die Kinetose bereits eingetreten, sollte der Blick ohne weitere Kopfbewegungen auf einen fernen Punkt gerichtet werden. Falls die Turbulenzen lokal begrenzt sind, sollte ein Wechsel der Flughöhe oder ein laterales Ausweichen in Erwägung gezogen werden. Eine gute
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Standard Edition 1 | Flugphysiologie
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Frischluftversorgung kann die Beschwerden ebenfalls lindern.
Auch Flugangst kann eine Kinetose begünstigen. Ein sicheres Auftreten der Besatzung und solide Informati-onen zum Flugverlauf können dem vorbeugen. Eine Kinetose insbesondere in Verbindung mit Flugangst kann unter Umständen auch zu einer Hyperventilation führen.
Wird regelmäßig geflogen, kann eine Gewöhnung (Ha-bituation) eintreten und der Effekt somit vermindert, bzw. vollständig beseitigt werden. Medikamente gegen die Symptome von Kinetose erzeugen Müdigkeit und
dürfen nur von Passagieren, keinesfalls aber von der Besatzung genommen werden.
1.4.5 Optische Täuschungen
Eine sehr anschauliche Form von Sinnestäuschungen bietet die optische Wahrnehmung, die zahlreichen Fehlern unterworfen ist. Die daraus resultierenden Illusionen basieren auf der vom Gehirn beeinflussten subjektiven Wahrnehmung.
Im Folgenden werden einige optische Täuschungen vorgestellt, welche für die Wahrnehmungsfehler sensi-bilisieren sollen.
Abb. 17: Bei dieser optischen Täuschung erscheinen die Trennlinien zwischen den schwarzen und weißen Quadraten gekrümmt zu sein – sie sind aber gerade.
Abb. 18: Hier sollen die Farben der Schrift nacheinander laut gesprochen werden. Durch einen Widerspruch der linken rationalen und der rechten bildhaften Gehirnhälfte funktioniert dies jedoch nicht ohne Verzögerungen.
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Standard Edition 2 | Flugpsychologie
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2 Flugpsychologie
Die Psychologie im Allgemeinen beschreibt als empirische Wissenschaft das menschliche Verhalten und seine Entwicklung. Dabei werden insbesondere auch die den Menschen beeinflussenden inneren und äuße-ren Ursachen und deren spezielle Wirkung betrachtet. Im Rahmen dieser Forschung werden allgemein gül-tige Gesetze vorwiegend auf der Grundlage empirischer Forschungen aufgestellt, bzw. verifiziert. Betrach-tet werden grundlegende psychische Funktionsbereiche wie die Wahrnehmung, das Gedächtnis, das Be-wusstsein, Emotionen, Sprache und die Psychomotorik.
Für den Piloten ist es wichtig zu wissen, wie bestimmte Entscheidungsprozesse im Gehirn ablaufen und wie aufgrund dessen eine Situation im Flugbetrieb bewertet werden kann. Dabei geht es um die Kenntnis von Fehlern, Emotionen und weiteren Faktoren, die einen Entscheidungsprozess beeinflussen können. Nur mit Hilfe dieser Kenntnisse können Verhaltensstrategien entwickelt werden, die zu einer Erhöhung der Sicher-heit im Luftfahrtbereich beitragen.
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2.1 Informationsverarbeitung
Als Informationsverarbeitung sollen hier ganz allgemein Prozesse verstanden werden, durch die neue Informationen (Wissen) aufgenommen und verarbeitet werden. Das Gehirn spielt dabei eine ganz entscheidende und koordinierende Rolle, aber auch andere Bereiche des Körpers wirken an diesem Prozess mit. Die neuen Reize müssen zunächst durch die Sinnesorgane (vgl. Kapitel 1.3) aufgenommen werden, bevor sie emotionalisiert, abgespeichert und bei Bedarf ggf. wieder abgerufen werden können.
Diese komplexen Prozesse können im Folgenden nicht annähernd exakt beschrieben werden, es soll vielmehr ein Eindruck von den Vorgängen entstehen, welche insbesondere die Entscheidungsfindung beeinflussen. Dies soll helfen, eine kritische Haltung zu den eigenen Fähigkeiten einzunehmen und mögliche Ursachen besser einschätzen zu kön-nen.
2.1.1 Das Gehirn
Das Gehirn ist der zentrale Ort, an dem Informationen verwaltet, koordiniert und gespeichert werden. Als Teil des menschlichen Nervensystems reagieren viele Milli-arden Nervenzellen von der Geburt an auf Reize von außen und ändern die Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen (Synapsen). Chemische Botenstoffe über-tragen dabei die elektrischen Impulse zwischen den einzelnen Nervenzellen.
Das menschliche Gehirn hat gegenüber den Gehirnen von beispielsweise Hunden oder Katzen einen deutlich höheren Grad der Differenzierung und Organisation erreicht. Sowohl die Größe als auch vor allem die Struk-tur des Gehirns können Aufschluss über die Lernfähig-keit eines Tieres geben. Dabei muss allerdings berück-sichtigt werden, dass Lernen auch in den meisten Be-reichen des Nervensystems stattfindet.
Durch die hohe Aktivität des Gehirns hat es einen sehr großen Sauerstoff- und Energiebedarf um seine Leis-tungsfähigkeit erhalten zu können. Etwa 20% des ge-samten menschlichen Blutes werden in jeder Minute für eine ausreichende Versorgung benötigt, wobei mehr als 50% der freigesetzten Glukose aufgezehrt wird. Aufgrund der schlechten Speicherkapazität von Energie können bereits nach einer kurzzeitigen Unter-brechung der Sauerstoffversorgung ernste Hirnschäden auftreten.
Aufbau des Gehirns
Vereinfacht kann das Gehirn in die Teile Großhirn, Kleinhirn, Zwischenhirn und Hirnstamm unterteilt wer-den. Das Großhirn ist der am höchsten entwickelte Gehirnbereich und wird wiederum in zwei Hemisphä-ren geteilt, die durch einen dicken Nervenstrang (Bal-ken) und mehrere kleinere Nerven miteinander ver-bunden sind.
Die Oberfläche des Großhirns bildet die etwa 2-4 mm dicke und aus zahlreichen Windungen bestehende Großhirnrinde (Cortex). Ferner findet eine Unterteilung in verschiedene Lappen statt: den Frontallappen, den
Parietallappen, den Temporallappen und den Okzipi-tallappen.
Abb. 26: Die Lappen des Großhirns mit ihren hauptsächlichen Funktionen.
Das aus drei Teilen bestehende Kleinhirn ist vor allem für das Gleichgewicht und die Koordination der Mus-kelbewegung zuständig. Wahrscheinlich ist es auch am eher unbewussten Lernen beteiligt. Die vier Teile des Zwischenhirns sind für viele Bereiche Schaltzentrale: für die sensorischen und motorischen Funktionen, das vegetative Nervensystem sowie das Hormonsystem. Darüber hinaus koordiniert es Körperwerte wie Blut-druck und pH-Wert.
Der Hirnstamm besteht aus dem Mittelhirn, der Brücke (Pons) und dem Nachhirn. Hier werden Sinneseindrü-cke verarbeitet und Reflexe wie die Atmung, der Stoff-wechsel und der Herzschlag gesteuert.
Stark vereinfacht lässt sich das Gehirn in zwei Hälften teilen:
Linke Gehirnhälfte Rechte Gehirnhälfte
Sprache / Rechnen Körper- und Bilderspra-che
Ratio-Logik Intuition / Gefühl
Regeln / Gesetze Kreativität / Spontaneität
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Linke Gehirnhälfte Rechte Gehirnhälfte
Konzentration Sprunghaftigkeit / Neu-gier / Risiko
Analyse Synthese
Wissenschaft Kunst / Musik
Einzelschritte Ganzheitlichkeit
Einzelheiten Zusammenhänge
Zeitempfinden Raumempfinden
2.1.2 Das Gedächtnis
Das Gedächtnis ermöglicht es dem Menschen, Informa-tionen und Eindrücke abzuspeichern, zu ordnen und auch wieder abzurufen. Entscheidend sind dabei Lern-prozesse, die bewusst oder unbewusst ablaufen kön-nen und eine unterschiedliche Qualität aufweisen.
Es kann in Bezug auf die Speicherdauer grundsätzlich zwischen dem sensorischen, dem Kurzzeit- und dem Langzeitgedächtnis unterschieden werden.
Abb. 27: Die verschiedenen Gedächtnisarten des Menschen und die Zusammenhänge.
Im sensorischen Gedächtnis werden Informationen unmittelbar nach der Wahrnehmung über die Sinnes-organe zwischengespeichert. Ein Großteil dieser Infor-mationen geht jedoch schon nach wenigen Zehntelse-kunden wieder verloren und geht nicht in einen ande-ren Gedächtnisteil über. Visuelle Informationen halten sich mit etwa 15 Millisekunden dabei durchschnittlich deutlich kürzer als auditive Informationen mit etwa 2
Sekunden. Die Prozesse im sensorischen Gedächtnis laufen nicht bewusst ab und sind nicht steuerbar.
Das Kurzzeitgedächtnis (auch Arbeitsgedächtnis) kann als Zentrum der Informationsverarbeitung angesehen werden. Es verfügt über eine begrenzte Menge an bewussten Informationen, die jederzeit abgerufen und weiterverarbeitet, bzw. zur Generierung neuer Infor-mationen genutzt werden können. Allerdings ist die Verweildauer im Kurzzeitgedächtnis ohne eine stetige Wiederholung auf wenige Sekunden beschränkt.
Im Kurzzeitgedächtnis werden sich in der Praxis bei-spielsweise Zahlenkombinationen wie Telefonnum-mern oder Frequenzen gemerkt. Zwischen der Wahr-nehmung und der Verwendung dieser Informationen liegen nur wenige Sekunden (das Eingeben in ein Tele-fon oder Funkgerät), nach denen die Information wie-der vergessen werden kann.
Das Langzeitgedächtnis speichert alle Informationen dauerhaft und wird dabei wiederum in mehrere Regio-nen eingeteilt. Die Kapazität und auch die Speicherdau-er scheinen nahezu unbegrenzt zu sein. Damit eine Information in das Langzeitgedächtnis übernommen wird, bedarf es hierfür eines Reizes. Dieser kann bei-spielsweise eine stetige Wiederholung, eine große Anzahl von Assoziationen oder eine große emotionale Bedeutung sein.
Leider stehen die Informationen aus dem Langzeitge-dächtnis nicht vollständig jederzeit zur Verfügung. Ein Großteil der Informationen lässt sich nicht problemlos abrufen, weil sie beispielsweise mit widersprüchlichen Verweisen abgelegt, als nebensächlich eingestuft oder verdrängt wurden.
2.1.3 Das Lernen
Unter dem Begriff Lernen wird ganz allgemein der Er-werb von geistigen, körperlichen oder sozialen Kennt-nissen und Fähigkeiten verstanden. Diese können wie-derum eine dauerhafte (aber nicht unbedingt lebens-lange) Veränderung eines Verhaltens bewirken. Kennt-nisse können beispielsweise durch Übung oder stark emotionale Ereignisse gewonnen werden, auch ge-machte Erfahrungen spielen eine große Rolle. Auf diese Weise können auch fliegerische Fähigkeiten stetig aus-gebaut und ggf. korrigiert werden.
Die Lernfähigkeit von Menschen ist eine wichtige Vor-aussetzung zur Anpassung in der Geschichte gewesen. Erfahrungen müssen nicht immer wieder neu gemacht werden, sondern können weitervermittelt und aufge-nommen werden, wodurch Verhaltensmuster direkt angepasst werden können. Eine Bedingung hierfür ist die Fähigkeit zur Erinnerung und die Möglichkeit zum Abrufen gespeicherter Informationen, also deren prak-tischer Anwendung.
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3 | Verhaltensstrategien Advanced PPL-Guide
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3.1.5 Das SHEL(L)-Konzept
Das von der Europäischen Gemeinschaft entwickelte SHELL-Konzept soll helfen, das Zusammenwirken ver-schiedener Faktoren während eines Fluges zu verste-hen und zu analysieren. Im Mittelpunkt dieses Modells steht der Pilot, um ihn herum sind die Faktoren plat-ziert, die ihn bei der Durchführung eines Fluges beein-flussen.
Das SHEL(L)-Konzept
S oftware – die Luftfahrzeugbedienung
H ardware – die Luftfahrzeugausstattung
E nvironment – die Umgebungseinflüsse
L iveware – der Mensch
Abb. 28:: Das SHELL-Konzept: Zentral ist der Pilot angeordnet, um ihn herum die beeinflussenden Faktoren.
Im Zentrum des Systems steht der Pilot (Liveware) als flexibelster Teil des Konzepts. Er muss die anderen Faktoren mit einbeziehen und sein Verhalten ggf. ent-sprechend anpassen. Gleichzeitig ist der Pilot selbst ein sehr variabler Faktor, schließlich hat jeder Mensch unterschiedliche Fähigkeiten und physiologische Vo-raussetzungen.
Dennoch müssen einige Voraussetzungen in jedem Fall gegeben sein: Der Mensch benötigt bestimmte Res-sourcen (Essen, Trinken, Sauerstoff) und muss physisch sowie psychisch in einer guten Verfassung sein. Damit der Pilot innerhalb seiner Grenzen die optimale Leis-tung bringen kann, müssen die anderen Faktoren mög-lichst optimal auf ihn abgestimmt sein.
Software
Software meint die Arbeitsanweisungen, die Compu-terprogramme und Symbole in einem Luftfahrzeug. Beschriftungen, Anweisungen und Hinweise müssen deutlich, verständlich und klar formuliert sein. Insbe-sondere Warnhinweise müssen für möglichst alle Per-
sonen schnell verständlich sein. Signalfarben (rot – orange – grün) unterstützen diese Wirkung.
Arbeitsanweisungen wie Checklisten und Handbücher müssen strukturell klar und verständlich gegliedert sein und dürfen keine Fragen offen lassen. In Ausnahme- und Gefahrensituationen müssen sie schnell erreichbar und nahezu intuitiv erfasst werden können.
Hardware
Die Arbeitsumgebung des Piloten wird als Hardware bezeichnet – beispielsweise das Instrumentenbrett, die Sitze, die Systeme und die Bildschirme. Gerade in Pha-sen hoher Arbeitsbelastung müssen schnell die not-wendigen Schritte eingeleitet werden und bestimmte Systeme problemlos erreichbar sein. Ebenso ist eine ergonomische Sitzposition gerade bei Langstreckenflü-gen wichtig um die physische Fitness des Piloten zu erhalten.
Die Darstellung auf den Instrumenten oder Bildschir-men muss ein schnelles Erfassen der wichtigsten In-formationen zulassen. Das durch EFIS-Systeme ermög-lichte „Glas-Cockpit“ basiert so auf dem Prinzip, dass nur die Informationen übersichtlich angezeigt werden, die aktuell auch benötigt werden. Auf diese Weise filtert das System die zahlreichen Daten bereits vor der Aufnahme durch den Menschen und trägt so zu einer Entlastung bei.
Environment
Während eines Fluges wirken zahlreiche Umweltein-flüsse auf die gesamte Flugzeugbesatzung: Lärm, Sau-erstoffmangel in zu großer Höhe, Sonneneinstrahlung, starke Beschleunigungen und das „Jet Leg“ sind nur einige davon. In Abhängigkeit von dem durchzuführen-den Flug müssen sich die Besatzung und auch die Passagiere gegen diese Einflüsse weitestgehend schüt-zen, beispielsweise durch eine Druckkabine und Son-nenbrillen.
In einmotorigen Kleinflugzeugen sind die Schutzmaß-nahmen meist nicht direkt vorhanden und müssen bei der Flugplanung berücksichtigt werden. Ohne eine Druckkabine und Sauerstoff muss der Flug beispiels-weise in niedrigen Höhen durchgeführt werden und ein Headset reduziert den Lärm in der Kabine bereits er-heblich.
Liveware
Die Interaktion zwischen mehreren Liveware-Kompo-nenten, also der Cockpit- und Kabinenbesatzung sowie auch den Passagieren, darf in keinem Fall unterschätzt werden und ist ein Garant für eine sichere Durchfüh-rung des Fluges. Die gesamte Besatzung muss als Team funktionieren und professionell aufeinander abge-stimmt seine Aufgaben erledigen.
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Standard Edition 3 | Verhaltensstrategien
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Ein sicherer Flugbetrieb verlangt sowohl eine starke Führungsposition als auch eine optimale Zusammenar-beit aller Besatzungsmitglieder. Auch die Passagiere müssen hier einbezogen werden. Unterstützt werden
kann dies bereits durch die Flugzeugkonstruktion, das Kabinendesign und den Service.
Résumé Kapitel 3.1
Unfallursachen
Der Faktor Mensch spielt bei mehr als 80% der Flugunfälle eine primäre Rolle
Auch bei gut ausgebildeten und in guter Befindlichkeit stehenden Piloten können Fehler auftreten
Leistungseinschränkungen
Steigt die Körpertemperatur auf über 38°C an oder fällt sie unterhalb 36°C ab, kann es zu Leistungseinschränkun-gen kommen
Sonnenbrillen dürfen die Unterscheidung verschiedener Farben nicht wesentlich verringern
Sonnenbrillen beschleunigen die Dunkelanpassung am Tage nicht
Polarisationswirkungen von Sonnenbrillen können das Ablesen von Instrumenten und Anzeigen beeinträchtigen
Tritt ein „Flicker Vertigo“ auf, sollten die Blitzlichter (Stobes) ausgeschaltet werden
Ein Headset oder Ohrstöpsel beugen einem Gehörschaden vor
Ein ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt verbessert die mentale Leistungsfähigkeit
Alkohol und Drogen
Alkohol wird schnell in die Blutbahn aufgenommen
Die Wirkung von Alkohol verstärkt sich mit zunehmender Höhe
Der Alkoholabbau beträgt etwa 0,1 Promille / h
Medikamente
Impfungen können auch nach Tagen noch beeinträchtigende Reaktionen hervorrufen
Vor der Einnahme von Medikamenten vor einem Flug sollte ein Fliegerarzt hinzugezogen werden
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4 | Flugleistungen Advanced PPL-Guide
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Abb. 38: Im Startstreckendiagramm kann die Startstrecke in Abhängigkeit von Druckhöhe, Temperatur, Flugzeuggewicht und Ge-gen- bzw. Rückenwindkomponente (gestrichelte Linien) abgelesen werden. Die Beispielrechnung geht von folgenden Werten aus: Temperatur: 14°C; Druckhöhe: 3.000 ft; Flugzeuggewicht: 725 kg; Gegenwindkomponente: 5kt. Die ermittelte Startstrecke beträgt in diesem Fall 480 m.
Auch bei ansonsten optimalen Bedingungen ist in fast allen Fällen der Wind als Faktor zu berücksichtigen. Start und Landung erfolgen normalerweise gegen den Wind. Ausnahmen können bei nur sehr geringen Windge-schwindigkeiten und einer ausreichend langen Piste gemacht werden.
Bei der Einbeziehung des Windes in die Flugleistungsbe-rechnung wird Gegenwind deutlich weniger berücksich-tigt als Rückenwind. Dies wird auch in den Tabellen und Graphen deutlich. Die Rückenwindkomponente hat stark negativen Einfluss auf die Flugleistungen, weswegen sie mit 150% berücksichtigt wird. Die Gegenwindkomponen-te wird entweder als „Reserveleistung“ gar nicht berück-sichtigt oder mit nur 50%.
Weitere Einflussfaktoren
Neben den Faktoren, welche bereits in den Flughandbü-chern berücksichtigt wurden, können weitere Umstände zu teilweise gravierenden Leistungseinbußen führen. Im Anschluss an die Berechnung mittels einer Flugleistungs-tabelle oder eines Flugleistungsdiagramms müssen des-wegen zusätzliche Korrekturen in folgender Reihenfolge angebracht werden (sofern sie im Flughandbuch noch nicht berücksichtigt wurden).
Wenn die Druckhöhe bei den Berechnungen im Flug-handbuch nicht berücksichtigt wurde, sind folgende
Aufschläge auf den bisher ermittelten Wert vorzuneh-men:
Bis 1.000 ft +10% pro 1.000 ft Höhe
1.000 ft bis 3.000 ft +13% pro 1.000 ft Höhe
Mehr als 3.000 ft +18% pro 1.000 ft Höhe
Die Temperatur wirkt sich unmittelbar auf die Dichtehö-he aus und hat großen Einfluss auf die Flugleistung. Wurde sie im Flughandbuch noch nicht berücksichtigt, sind folgende Korrekturwerte anzubringen:
+/- 1% pro 1°C Temperaturabweichung von der ICAO-Standardtemperatur der entsprechenden Druckhöhe.
Oft ist die Piste nicht vollständig eben, sondern hat eine Neigung in eine Richtung. Ein Gefälle in Startrichtung wirkt sich dabei positiv auf die Startstrecke aus, eine Steigung negativ. Es ist folgender Korrekturwert anzu-bringen:
+/- 10% pro 1% Steigung, bzw. Gefälle der Piste.
Erfolgt der Start auf einer Grasbahn muss dies ebenso berücksichtigt werden, wie der Pistenzustand. Bei feuch-tem oder sogar aufgeweichtem Untergrund hat sich der
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verantwortliche Flugzeugführer vor dem Start zusätzlich von dem Zustand der Piste zu überzeugen. Insbesondere muss darauf geachtet werden, dass aerodynamisch wichtige Flugzeugteile (Tragflächen, Leitwerke, Klappen und Fahrwerksschächte) nicht verschmutzt sind. Folgen-de Zuschläge sind zu berücksichtigen:
Pistenzustand Zu-
schlag
Grasbahn; kurzer Bewuchs +20%
Feuchter Grasboden +10%
Aufgeweichter Untergrund +50%
Beschädigte Grasnarbe +10%
Hoher Grasbewuchs +20%
Stehendes Wasser, Pfützen, Schneematsch +30%
Normalfeuchter Schnee bis 5 cm Tiefe +50%
Pulverschnee bis 8 cm Tiefe +25%
4.3.2 Die Landung
Bei der Landung wird wie beim Start zwischen Landeroll-strecke und Landestrecke unterschieden. Die Landeroll-strecke meint dabei die Strecke zwischen Aufsetzpunkt und dem vollständigen Stillstand des Luftfahrzeuges. Die Landestrecke beginnt bereits im Endanflug in 50 ft (15 m) Höhe und endet ebenfalls beim vollständigen Still-stand.
Entscheidend bei den Berechnungen ist die Landestre-cke, welche höchstens den Wert der für die Landung verfügbaren Pistenlänge haben darf. Dabei kann das
Setzen von Landeklappen zu einer geringeren Aufsetzge-schwindigkeit und somit auch zu einer geringeren Lan-gestrecke führen. Bei schnee- oder wasserbedeckter Piste muss berücksichtigt werden, dass eine Vollbrem-sung nicht durchgeführt werden kann. Wenn möglich, sollte das Flugzeug mit gezogenem Höhenruder auf der Piste ausrollen, dies verringert die Wahrscheinlichkeit von Aquaplaning.
Abb. 39: Die Landestrecke wird ab einer Höhe von 50 ft AGL gemessen, die Landerollstrecke meint ausschließlich die Distanz des Abbremsens nach dem Aufsetzen.
Landestreckendiagramm
Je nach Hersteller befinden sich im Flughandbuch Lande-streckendiagramme, bzw. -tabellen, aus denen sich die aktuell benötigte Landestrecke ermitteln lässt. Berück-sichtigt werden dabei Temperatur, Wind, Druckhöhe, Pistenbeschaffenheit und Flugzeugkonfiguration. Für Bedingungen, die von den im Diagramm oder der Tabelle angegebenen Standardbedingungen abweichen, müssen auch hier zusätzlich die angegebenen Zu- oder Abschläge berücksichtigt werden.
Abb. 40: Das Landestreckendiagramm gibt die Landestrecke in Abhängigkeit von der Druckhöhe und der Temperatur an. Des Weite-ren sind die Bedingungen und Anmerkungen zu beachten.
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Abb. 41: In diesem Landerollstreckendiagramm ist das Fluggewicht keine Variable, sondern wird in den Anmerkungen mit 685 kg angegeben. Die Landerollstrecke kann unter den oben beschriebenen Voraussetzungen in Abhängigkeit von der Temperatur, der Druckhöhe und der Gegen-, bzw. Rückenwindkomponente abgelesen werden. Im eingezeichneten Beispiel wird von einer Tempera-tur von 17°C in einer Druckhöhe von 2.000 ft und einer Rückenwindkomponente von 4 kt ausgegangen. Die so ermittelte Landeroll-strecke beträgt 890 m.
Résumé Kapitel 4.3
Startstrecke und Landestrecke
Einfluss auf die Länge der Start- und Landestrecke haben die Oberflächenbeschaffenheit (Gras, Asphalt), Nässe (höhe der Kontaminierung in mm) und die Art der Kontaminierung (Wasser, Schnee, Schneematsch etc.)
Die längste Startstrecke ist bei einer Grasbahn mit Schneematsch zu erwarten
Die kürzeste Landestrecke ist bei (leicht) ansteigendem Gelände und Gegenwind zu erwarten
Tabellarische Bestimmung
Start- und Landestrecke werden aus der Tabelle anhand der tatsächlichen Bedingungen entnommen (Temperatur, Druck, Wind)
Es ist zu beachten, ob die tatsächlichen Verhältnisse den in der Tabelle genannten Bedingungen / Verfahren ent-sprechen; ansonsten sind die abgelesenen Werte um die genannten Faktoren zu korrigieren (Oberflächenbeschaf-fenheit, Kontaminierung, Gefälle)
Graphische Bestimmung
Es wird mit den tatsächlichen atmosphärischen Bedingungen in die Graphen gegangen (Temperatur, Druck, Wind)
Die ermittelten Werte müssen ggf. um Faktoren korrigiert werden, die zur Verlängerung der Start- oder Landestre-cke führen (Oberflächenbeschaffenheit, Kontaminierung, Gefälle)
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Standard Edition 5 | Flugplanung
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Beispiel 522-1
Sie befinden sich in einer Flughöhe von 2.300 ft MSL bei einem QNH von 1.002 hPa und möchten auf FL 95 steigen. Die konstante Steigra-te beträgt 400 ft /Min.
Frage: Wie lange benötigen Sie für den Steigflug?
Antwort: 13 Min. 44 Sek.
Erläuterung: Zunächst muss die QNH-Höhe 2.300 ft MSL in eine Druckhöhe umgerechnet werden, damit die zu steigende Höhe ermittelt werden kann. Hierfür wird zunächst die Differenz zwischen der Standardeinstellung 1.013 hPa und dem aktuellen QNH gebildet und diese mit einer vereinfachten Höhenstufe von 30 ft (pro hPa) multipliziert:
Das aktuelle QNH ist kleiner als der Standardluftdruck. Die Differenz von 330 ft wird somit zur QNH Höhe addiert, um die Druckhöhe zu ermitteln:
Nun kann die zu steigende Höhe ermittelt werden:
Abschließend wird mit der oben eingeführten Formel die Steigzeit ermittelt:
Point of Descent (POD)
Der Point of Descent (auch Top of Descent – TOD) kann ebenso wie der TOC rechnerisch oder mit Hilfe eines Graphen im Flughandbuch bestimmt werden. Für die rechnerische Bestimmung müssen GS und Sinkrate bekannt sein. Zuerst muss auch hier wieder die Diffe-renz zwischen Flughöhe und Flugplatzhöhe errechnet werden, um die zu sinkende Höhendifferenz (Δh) zu ermitteln. Mit Hilfe der bereits bekannten Formeln können so Zeit und Distanz ausgehend vom Zielflug-platz bestimmt werden (ROD: Sinkrate; TSi: Sinkzeit).
Ebenso wie beim Steigflug kann mit dem Fuel, Time and Distance to Descend-Diagramm im Luftfahrthandbuch zusätzlich der Kraftstoffverbrauch im Sinkflug ermittelt werden.
5.2.3 Ausweichflugplatz
Rechtlich muss bei der VFR-Flugplanung in Deutschland kein Ausweichflugplatz berücksichtigt werden. Den-noch sollte dieser bei jedem Flug aus Sicherheitsgrün-den in die Berechnungen von Flugzeit und Kraftstoff-verbrauch einbezogen werden.
Ein Ausweichflugplatz wird angeflogen, wenn eine Landung auf dem eigentlichen Zielflugplatz nicht mög-lich ist. Dies kann unterschiedliche Gründe haben, bei-spielsweise die schlechte Wettersituation oder eine unplanmäßige Schließung, bzw. Unbenutzbarkeit des Platzes.
Rechnerisch wird also davon ausgegangen, dass der Ausweichflugplatz nach Erreichen des Zielflugplatzes angeflogen wird. Für die Berechnung von Flugzeit, Ent-fernung und Kraftstoffverbrauch zum Ausweichflug-platz genügt eine Overhead-Overhead-Berechnung ausgehend vom Zielflugplatz.
Bei der Auswahl des Ausweichflugplatzes ist bei der Vorbereitung auf folgende Faktoren zu achten:
Ausreichende Pistenlänge
Ausreichende Wetterbedingungen in der Vorhersage
Benötigter Kraftstoff am Platz verfügbar
Möglichst nah am Zielflugplatz
Flugplatz hat zur Ankunftszeit geöffnet
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