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FVS Fachtagung 2003Session V

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Session VEntwicklungstendenzen bei

Fahrzeugantrieben

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Session VFVS Fachtagung 2003

Brennstoffzellen für denFahrzeugantrieb

Zusammenfassung

Der Vortrag gibt zuerst einen kurzen Überblick über alter-native Antriebsvarianten auf der Basis des Elektroantriebs,um daraus die Notwendigkeit und Einsatzperspektiven vonBrennstoffzellenfahrzeugen abzuleiten. Danach wird derHintergrund für den Einsatz der PEMFC-Technologie her-ausgearbeitet und auf ihre meistens mit den Eigenschaftender Elektrolytmembran verbundenen Probleme eingegan-gen. Dann werden mögliche Treibstoffe für die PEMFCdiskutiert. Dabei werden die Direkt-Brennstoffe Wasserstoffund Alkohol sowie die indirekten Wasserstoffspeicher, wieKohlenwasserstoffe und salzartige Hydride, behandelt. ZumAbschluss werden einige Anwendungen dargestellt.

Einleitung

Die globalen Probleme Ressourcenverfügbarkeit, vor allemdie Abhängigkeit von Mineralöl, und Umwelt (CO2-Ausstoßund klassische Schadstoffe) zwingen im Fahrzeugantriebs-bereich zu alternativen Lösungen. Eine wichtige Alternativeist das Elektrofahrzeug (EFZ). Die bisherigen EFZ-Konzepterein auf Basis von Batterien bieten aufgrund der limitiertenReichweite trotz lokaler Schadstofffreiheit und vergleichs-weise hohem Gesamtwirkungsgrade nur Nischenlösungen.Daher wurden weitere Konzepte entwickelt, die in der fol-genden Abbildung aufgezeigt werden.

Mittelfristig zeichnen sich die Lösungen des Power AssistHybrids und des Brennstoffzellenfahrzeugs ab. Bei denBrennstoffzellenfahrzeugen gibt es zwei Ansätze:

J. Garche, L. JörissenZSW

[email protected]

240

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Reines Brennstoffzellenfahrzeug und Brennstoffzelle-Batterie-Hybrid-Fahrzeug. Bei letzterem übernimmt dieBrennstoffzelle die Funktion eines on-board Ladegerätesder Batterie und dient im Wesentlichen zur Vergrößerungder Reichweite.

Brennstoffzellenfahrzeuge

Brennstoffzelle Von den verschiedenen Brennstoffzellentypen ist vor allemaufgrund des Start-up-Verhaltens und der hohen Last-dynamik die Polymerelektrolyt-Membran-Brennstoffzelle(PEMFC) am geeignetsten.

Abbildung 2:

Fahrzeugtopologien nach

Anteilen verschiedener

Antriebe

241

parallel hybrid

series hybrid

CE

CE EM

EMG

S

S

GBC D

D

combustionengine

electric motor energy storage

fuel-cellor motor-

generator-unit

integratedstarter-alternator

conventionallydriven vehicle

rangeextender

electric vehicle

electric variabletransmission

low storageseries hybrid

1

2

3

4

5

6

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Kernstück der PEMFC ist die Membran-Elektroden-Einheit(Membrane-Electrode Assembly: MEA). Die Elektroden be-stehen aus einer dünnen Schicht (ca. 25µm) Kohlenstoffmit platinhaltigen Katalysatoren. Die Membran ist bevor-zugt ein fluoriertes Polymer mit Sulfonsäure-Seitenketten,die in Verbindung mit Wasser für den Protonentransportverantwortlich zeichnen.

Die Fluorierung erfolgt um eine hohe Oxidationsstabilitätdes Polymers insbesondere an der Kathode zu erhalten.Allerdings ist die Herstellung fluorierter Polymere sehr auf-wändig und damit die Kosten (z.Zt. [noch keinen Massen-fertigung]: ca. 800€/m2) hoch. Kostengünstigere Mate-rialien, wie z.B. die Polyaryle, sind in der Entwicklung.

Die PEM weist eine nanoskalige Porenstruktur auf, die inWasser quillt, damit steigen die Porengröße und die Leit-fähigkeit. Bei Normaldruck verdampfen bei Temperaturen

Abbildung 3:

Brennstoffzellen und

deren Eigenschaften

e-T η

LastKomplexität Start-up

timeDynamik

e

SOFC750 -1.000 °C

MCFC650 °C

PAFC200 °C

DMFC80 °C-110 °C

PEFC20 °C-80 °C

AFC20 °C-90 °C

O2-

H2 O2, Luft

OH-

H+

H+

H+

CO32-

HT-FC

NT-FC

ElektrolytAnode Kathode

242

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oberhalb von etwa 60°C größere Mengen Wasser, sodassdie Leitfähigkeit der Membran stark abnimmt. Durch Er-höhung des Systemdrucks kann der Betriebspunkt jedochzu höheren Temperaturen verschoben werden. Daher liegtdie durchschnittliche Arbeitstemperatur der PEMFC bei ca. 70°C, die nur ein geringes ∆T für die Systemkühlungzulässt. Eine Arbeitstemperatur von etwa 120°C würde die Kühlergröße um den Faktor von etwa 3 reduzieren. Entsprechende Hochtemperaturmembranen, z.B. auf derBasis anorganisch gefüllter Ionomere, werden entwickelt.Der Einsatz von Polybenzimidazol basierten Composit-membranen erlaubt/erfordert Arbeitstemperaturen ober-halb von 150°C.

Da in den heute gebräuchlichen Membranen die Protonenhydratisiert sind, wird beim Protonentransport durch dieMembran Wasser entfernt. In Anodennähe verarmt dieMembran an Wasser, während in Kathodennähe Wasser-überschuss herrscht. Dieses Ungleichgewicht kann durchRückdiffusion wieder ausgeglichen werden. Bei sehr dün-

Abbildung 4:

Prinzip der PEMFC

243

2H+ + 2e- + 1/2 O2 → H2O

H2 + 1/2 O2 → H2O

H2

H2 O2

MEA

Polymer-elektrolyt-membran(gasdicht)H+(H2O)n

H2 → 2H+ + 2e-

Verbraucher

Gasraum H2 (Reformat)Anode: Pt(/Ru) auf Kohle

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nen Membranen (<25µm) reicht die Rückdiffusion geradeaus. In der Regel muss Wasser jedoch durch Gasbefeuch-tung wieder nachgeliefert werden. Die Gasbefeuchtungträgt zu nicht unerheblichen Energieverlusten bei.

Da die Spannung der PEMFC auch von der Wasserstoff-und Sauerstoffkonzentration abhängt, wird versucht diesehochzuhalten. Das erfolgt über Kompressoren, die einenZelldruck von bis zu 3 bar ermöglichen. Zur Gleichverteil-ung der Gase entlang des Stacks ist ein angemessenerDruckabfall über die Zelle erforderlich. Ferner wird zursicheren Entfernung kondensierender Wassertröpfchenauch eine relativ hohe Gaszuströmgeschwindigkeit ange-strebt. Die dazu notwendigen Nebenaggregate (Pumpen,Kompressoren) tragen weiter zu Energieverlusten derPEMFC bei.

Welcher Brennstoff?

Wasserstoff direktVom elektrochemischen Standpunkt ist für die PEMFC derWasserstoff der günstigste Brennstoff. Er lässt sich jedochschlecht speichern, was zumindestens bei PKWs ein Pro-blem werden kann. Daher ist die Frage der H2-Speicherungunmittelbar mit dem BZ-Antrieb zu diskutieren. GangbareVarianten sind die Speicherung unter hohem Druck (bis700 bar) oder als tiefkalte Flüssigkeit. Als weitere Optionbieten sich hydridbildende Metalle als Wasserstoffspeicheran. Man unterscheidet zwischen metallischen Hydriden, in denen der Wasserstoff im Metallgitter gespeichert istund somit thermisch leicht freigesetzt werden kann undsalzartigen Hydriden, die in der Regel hydrolytisch oderacidolytisch zersetzt werden. Vor allem die Flüssig- sowieDruckwasserstoffspeicherung stehen im Mittelpunkt derEntwicklungen.244

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Alkohole direktNeben dem Wasserstoff können auch Methanol und in begrenztem Umfang auch höhere Alkohole direkt in derPEMFC als Brennstoff dienen. Vor allem bedingt durchkatalysatorvergiftende Zwischenprodukte der elektrochemi-schen Alkoholoxidation (CO-ähnlich) und durch die uner-wünschte Wanderung speziell des sehr wasserähnlichenMethanols durch die Membran (Methanol-Crossover) vonder Anode zur Kathode, die wie ein Loch im Tank wirkt,kommt es zu Wirkungsgradeinbußen. Daher wird in ab-sehbarer Zeit ein Einsatz von Direktmethanol/Alkoholzellenim Fahrzeugbereich nicht gesehen.

Wasserstoff indirekt – KohlenwasserstoffeIm Prinzip sind alle Kohlenwasserstoffe auch Wasserstoff-träger. Durch entsprechende chemische Aufarbeitung (Re-formierung) kann daraus ein wasserstoffreiches Gas gewon-nen werden. In Abhängigkeit vom Kohlenwasserstoff undvom Reformierungsverfahren werden unterschiedliche Was-serstoffkonzentrationen erhalten:

Problematisch ist insbesondere die thermodynamisch nichtvermeidbare Bildung des Katalysatorgifts CO bei der Refor-mierung (ca. 8 % bei der Erdgas-Dampfreformierung), daseine mehrstufige, sehr sorgfältige Abreicherung bis zu etwa25ppm CO über zum Teil mehrstufige Shiftreaktoren und

Tabelle 1:

Wasserstoffgehalt in

Abhängigkeit vom

Treibstoff in kg

H2/kgTreibstoff

245

Fuel Steam Reforming Partial OxidationMethanol (CH3OH) 0.189 0.126Ethanol (C2H5OH) 0.263 0.219LNG (CH4) 0.503 0.377LPG (C3H8/C4H10) 0.456 0.316Gasoline (C8H15.4) 0.430 0.284Diesel Fuel (C14H25.5) 0.424 0.279

a Includes CO conversion via water gas shift reaction

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eine Feinreinigung verlangt, ehe es in der Brennstoffzellezur Reaktion kommt.

Im PKW-Bereich hat man sich hauptsächlich auf Methanolund auch auf Benzin konzentriert. Da diese Gasprozesskette(Reformer, Shift, Feinreinigung) sehr kompliziert und auf-wändig ist, hat man diese Entwicklungen vorläufig einge-stellt und konzentriert sich jetzt auf den Wasserstoff.

Wasserstoff indirekt – anorganische SubstanzenEine Reihe anorganischer Substanzen reagieren mit Wasserzu Wasserstoff. In der Diskussion sind die salzartigen Hy-dride LiH, NaH, CaH2 sowie die ternären VerbindungenLiBH4, NaBH4 und LiAlH4. In technologischer Entwicklungbefindet sich das NaH-System durch POWERBALL (NaH inKunststoffhülle eingekapselt und in Wasser gelagert wirdbei Bedarf mechanisch durch Aufbrechen der Hülle freige-setzt), das NaBH4-System durch MILLENIUMCELL (NaBH4

als stabile wässrige Lösung wird am Katalysator hydrolisiert)und das LiH/CaH2-System durch die THERMO POWERCORPORATION (LiH- oder auch CaH2-Slurry in einemKohlenwasserstoff oder Öl reagiert im Reaktor mit Wasser).DaimlerChrysler 2001 hat einen VAN mit dem NaBH4-MILLENIUMCELL-System ausgerüstet.

Die Reaktionsprodukte der salzartigen Hydride müssennach dem Einsatz entweder verworfen oder nach der Ent-fernung aus dem Fahrzeug in teilweise energieaufwändigenProzessen aufbereitet werden.

Fahrzeug-AnwendungsbeispieleDie folgenden beiden Abbildungen zeigen die Entwicklungim PKW-Bereich bei Daimler-Benz bzw. DaimlerChryslerund den anderer weltweit agierender PKW-Hersteller.

246

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Toyota und Honda haben in diesem Jahr erste Fahrzeuge in Kundenhand zur Erprobung gegeben. Neben der PKW-Entwicklung ist die Bus-Entwicklung zu nennen, bei der alsHighlight DaimlerChrysler mit einem 30 Bus-Programm(CITARO) in Europa zu erwähnen ist.

Weiterhin finden BZ für den Antrieb von Motorrädern,Scootern, Booten, Lokomotoven, Flugzeugen und Luft-schiffen Verwendung.

Abbildung 5:

DaimlerChrysler-

Entwicklungen im

PKW-Bereich

Abbildung 6:

Weitere BZ-PKW-

Entwicklungen

247

H2

Necar 3, 1997 Jeep Commander, 2000 Necar 5, 2000

Methanol

Necar 1, 1994 Necar 2, 1996 Necar 4, 1999 Necar 4 adv., 2000 Natrium, 2001

Nissan

Ford GM/Opel HondaHyundai

VWToyota

CH2EV PlusBallard / Honda

Fuel:Veh.basis:Stack:

Fuel:Veh.basis:Stack:

Fuel:Veh.basis:Stack:

Fuel:Veh.basis:Stack:

Fuel:Veh.basis:Stack:

Fuel:Veh.basis:Stack:

Fuel:Veh.basis:Stack:

CH2FocusBallard

CH2ZafiraGM/Opel

CH2Santa FéIFC

CH2XTerraBallard / IFC

CH2Kluger VToyota

CH2BoraBallard / PSI

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Ausblick

Brennstoffzellenfahrzeuge stellen aus Ressourcen- undUmweltgründen eine wichtige Alternative gegenüber derklassischen ICE-Technik dar. Bis zu Markteinführung sindinsbesondere Kostenfragen und die Frage des Brennstoffs,dessen Speicherung und der damit verbundenen Infra-struktur zu klären. Mit einer Markteinführung im PKW-Bereich wird erst im Zeitraum >2010 gerechnet.

Abbildung 7:

BZ-CITARO-Bus

248

Fuel cell systemPower: 250kW

Fueling systemFuel: hydrogenStorage: compressed

VehicleRange: > 200km

Technical DataFuel cell bus

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Session VIStrategische Bedeutung

der Biomasse zur Kraftstofferzeugung

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Konkurrenzanalyse zur energetischenBiomassenutzung: Stationär oder mobil?

Einleitung

Die politischen Strategien zum Ausbau Erneuerbarer Ener-gien (EE) fokussieren sich derzeit auf das “Verdoppelungs-ziel 2010”, das zunächst auf europäischer, später auch aufnationaler Ebene beschlossen wurde. Danach soll der AnteilEE am Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2010 inDeutschland gegenüber dem Jahr 2000 auf mindestens4,2% erhöht werden. Für das Erreichen dieses und weiter-gehender Ziele spielt die verstärkte Nutzung biogener Energieträger aus naheliegenden Gründen eine zentraleRolle: Relativ niedrige Kosten, dezentrale Verfügbarkeit, Lagerbarkeit, vielfältige Nutzungsmöglichkeiten und nichtzuletzt der politische Wunsch auf diesem Weg der Land-und Forstwirtschaft neue Einkommensquellen zu erschließen.

Andererseits sind die Nutzungspotenziale in Deutschlandebenso wie in anderen Ländern der EU begrenzt. Es stelltsich daher die Frage, ob bzw. wann es zu einer Konkur-renzsituation um die Nutzung von Bioenergieträgern fürstationäre und mobile Anwendungen kommen kann undwie dann die Prioritäten zu setzen sind. Problematisiertwurde das Thema bisher kaum, wohl auch deshalb, weilNutzungskonflikte erst längerfristig auftreten werden. Sindbestimmte Stoffströme aber z.B. durch gezielt gesetzte energiepolitische Randbedingungen erst einmal festgelegt,ist es nur schwer möglich, diese zu verändern. Insofernkommt der Frage auch strategische Bedeutung zu. Mit den

F. Staiß, H. Böhnisch, H. SeulZSW

[email protected]

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weiteren Ausführungen soll hierzu ein Diskussionsbeitraggeleistet werden.

Technische Nutzungspotenziale biogener Energieträger

Die technischen Nutzungspotenziale biogener Energie-träger sind auf europäischer und bundesdeutscher Ebenevielfach untersucht worden. Die in Abb. 1 dargestellte Struk-tur für Deutschland basiert auf einer Auswertung von 24Studien. Danach beträgt das technische Potenzial im Mitteletwa 1.260 PJ/a. Damit ließen sich 8,7% des gegenwärti-gen Primärenergieverbrauchs oder – bei einer mittlerenKonversionsrate von Biomasse in Kraftstoffe von 50 % -etwa 23 % des Kraftstoffverbrauchs decken.

Das Biomassepotenzial besteht zum überwiegenden Teil ausholzartiger Biomasse (43%), wovon etwa ein Viertel auf densog. ungenutzten Holzzuwachs entfällt. Gemeint ist damit,dass in den vergangenen 50 Jahren weniger Holz geschla-gen wurde als zuwuchs. Ebenfalls erheblich ist das Aufkom-men an Reststroh aus der Landwirtschaft und besonders dasPotenzial des gezielten Anbaus von Energiepflanzen. Derhier angegebene Betrag basiert auf der Annahme, dass inDeutschland dauerhaft auf etwa 2 Mio. ha nachwachsendeRohstoffe oder Energiepflanzen angebaut werden können,d.h. auf einer Fläche, die rund 70 % größer ist als die der-zeitigen Stilllegungsflächen in der Landwirtschaft. In der Literatur finden sich jedoch teilweise niedrigere, mit bis zu 5 Mio. ha aber auch deutlich höhere Angaben.

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Org. Abfälle aus Industrie

Bio/Grünabfälle1%

Mittelwerte

Ges. technisches Potenzial BRD 1.260 PJ/a

Haushalte2%

Gülle / Dung7%

Klär- / Deponiegas4%

Altholz7%

Industrieholz5%

Waldrestholz10%

Durchforstungsholz(Schwachholz)

9%

ungenutzter Holzzuwachs

11%Park- und

Landschaftspflegeholz1%

Restholz11%

Landschaftspflegegras1%

Energieganz-pflanzen-Mix(2 Mio ha)

31%

Deponigas

Klärgas

Org. Abfälle aus Industrie

Bio-/Grünabfälle Haushalte

Gülle / Dung

Energieganzpflanzen Mix

Landschaftspflegegras

Reststroh Raps (1Mio ha)

Reststroh Getreide

Park- und Lanschaftspflegeholz

ungenutzter Holzzuwachs

Durchforstungsholz

Waldrestholz

Industrierestholz

Altholz

Max. Wert 1.050 PJ /a

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500

Technisches Potenzial [PJ /a]

Abbildung 1:

Minimal- und Maximal-

werte (oben) sowie

Mittelwerte (unten)

des technisch nutzbaren

Bioenergieträger-

potenzials in Deutschland

(Auswertung von

Literaturangaben)

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“Freies” Biomassepotenzial für dieKraftstoffbereitstellung

Interessanter als die Betrachtung des technischen Potenzialsist die Frage, wie viel davon tatsächlich für eine Biokraft-stofferzeugung erschlossen werden kann und zu welchenKosten. Zu berücksichtigen sind dabei bereits etablierte undabsehbare Stoffströme für die Wärmebereitstellung undStromerzeugung. Hierbei handelt es sich einerseits um tra-ditionell gewachsene Strukturen wie die Holznutzung imprivaten Bereich oder im holzbe- und -verarbeitenden Ge-werbe, andererseits wurden und werden durch Förderpro-gramme auf Bundes- und Landesebene oder das Erneuer-bare-Energien-Gesetz gezielt bestimmte Anwendungenunterstützt. Eine Umlenkung dieser Stoffströme in mobileAnwendungen scheint daher – unabhängig davon, ob diessinnvoll erscheint – bestenfalls langfristig möglich.

Tab. 1 zeigt eine Abschätzung der aus heutiger Sicht fürmobile Anwendungen prinzipiell verbleibenden Anteile desBiomassepotenzials. So ist z.B. davon auszugehen, dass imZuge des durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz induzier-ten Baus von Holz(heiz-)kraftwerken in zwei bis drei Jahrendie Potenziale von Altholz praktisch vollständig erschlossensein werden.

Hinzuweisen ist weiterhin auf die Nichtverfügbarkeit desungenutzten Holzzuwachses, weil im Sinne einer konserva-tiven Abschätzung davon auszugehen ist, dass eine energe-tische Nutzung des anfallenden Restholzes nur dann mög-lich ist, wenn das (hochwertige) Stammholz geschlagenwird. Derzeit ist jedoch nicht zu erwarten, dass der Ein-schlag steigen wird. Ebenfalls konservativ angesetzt wurdemit 1,5 Mio. ha der Energiepflanzenanbau für mobile An-wendungen (s.o.). Insgesamt reduziert sich damit das für 255

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mobile Anwendungen “freie” Potenzial auf etwa die Hälfte des o.g. technischen Potenzials. Dennoch sind diedaraus erzielbaren Beiträge für die Kraftstoffversorgungbeträchtlich.

Wie realistisch die Ausschöpfung der Ressourcen ist, hängtvon zahlreichen weiteren Randbedingungen ab, nichtzuletzt von den Kosten.

Abb. 2 zeigt dazu die Kosten-Potenzial-Kurve für das “freie”Nutzungspotenzial, das mit gegenwärtigen bzw. absehba-ren Bereitstellungspreisen korreliert wurde.

Tabelle 1:

Abschätzung der

Verfügbarkeit von

Bioenergieträgern für

mobile Anwendungen

256

Art Mittelwert Bereits genutzt/ Freies[PJ/a] eingeschränkt Potenzial

verfügbar [PJ/a]

Altholz unbehandelt 25 100% Altholz behandelt 30 100 %Altholz kontaminiert 23 100 %Industrierestholz 63 80 % 13Waldrestholz 129 10 % 116Durchforstungsholz (Schwachholz) 105 100 % 0ungenutzter Holzzuwachs 127 100 % 0Park- und Landschaftspflegeholz 7 0 % 7Reststroh 127 3 % 123Lanschaftspflegegras 9 0 % 9Energiepflanzen Mix 453 1,5 Mio.ha 308Gülle/Dung 83 0 % 83Org. Abfälle Haushalte 18 20 % 15Org. Abfälle aus Industrie 17 20 % 14Klär-/Deponiegas 43 100 % 0

Gesamt 1.259 687

000

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Im Zusammenhang mit Tab. 1 folgt daraus, dass die kos-tengünstigsten Ressourcen größtenteils zur Wärme- undStromerzeugung genutzt werden. Nennenswerte Potenzi-ale für mobile Anwendungen finden sich nur bei Gülle/Dung und Reststroh aus der Landwirtschaft (insgesamt ca.200 PJ/a). Die Potenziale bei Waldrestholz und Energie-pflanzen sind jeweils etwa doppelt so groß, mit bis zu 2€ct/kWh aber deutlich teurer. Bei einem durchschnitt-lichen Konversionsgrad der Biokraftstoffbereitstellung von50 % bedeutet dies, dass sich allein der Biomasse-kostenanteil je Liter Benzinäquivalent auf 40 €ct beläuft.

Szenarien der Biomassenutzung in Deutschland

Energieszenarien, die einen Schwerpunkt auf den AusbauEE legen, gehen davon aus, dass die Biomassenutzung inden nächsten 10 bis 15 Jahren einer starken Wachstums-dynamik unterliegt, dann aber aufgrund der Potenzialgren-

Abbildung 2:

Kosten-Potenzial-Kurve

für das "freie"

Biomassepotenzial in

Deutschland

257

0 100 200 300 400 500 600 700Freies Potenzial [PJ/a]

2,50

2,00

1,50

1,00

0,50

0,00

Ber

eits

tellu

ng

spre

is [

ct/k

Wh

}

Org

. A

bfä

lle H

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. A

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(1,5

Mio

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stho

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zen nur noch langsam steigt. Ein solches Szenario ist dassog. Nachhaltigkeitsszenario, das vom Deutschen Zentrumfür Luft- und Raumfahrt und dem Wuppertal-Institut für dasUmweltbundesamt erarbeitet wurde und u.a. vomBundesumweltministerium für strategische Überlegungenherangezogen wird. Grundlage des Szenarios bildet imStrommarkt die politisch verankerte Verdoppelung des An-teils Erneuerbarer Energien auf 12,5 % bis zum Jahr 2010und das Ziel des Bundesumweltministeriums bis zum Jahr2020 etwa 20% zu erreichen (Abb. 3). Die Stromerzeugungaus Biomasse beträgt dann etwa 25 TWh, was bei einemelektrischen Wirkungsgrad der Anlagen von etwa 30 % (jenach Wärmeauskopplung bei Kraft-Wärme-Kopplungsan-lagen) einem Primärenergieeinsatz von 300 PJ/a entspricht.Jenseits des Jahres 2020 steigt die Stromerzeugung nurnoch langsam und pendelt sich bei 30-35 TWh/a ein.

Abbildung 3:

Stromerzeugung (links)

in Wärmeerzeugung

(rechts) aus Erneuerbaren

Energien im UBA-

Nachhaltigkeitsszenario;

Primärenergieverbrauch

Biomasse: 2020: ca.

700 PJ, 2050: ca. 900 PJ

258

Biomasse, BiogaseGeothermie

Endenergie für WärmeStromerzeugung

LaufwasserPhotovoltaik

WindImport EE KollektorenBiomasse (Nahw.+Einzel) Geothermie

2000 2010 2020 2030 2040 2050 1999 2010 2020 2030 2040 2050

400

350

300

250

200

150

100

50

0

400

350

300

250

200

150

100

50

0

Tw /

ha

a a

1M. Fischedick, J. Nitsch, u.a.: Langfristszenarien für eine nachhaltigeEnergienutzung in Deutschland, Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes,UBA-FB 000314, Juli 2002

Tw /

ha

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Im Wärmemarkt liegt der Schwerpunkt des Anstiegs eben-falls im Zeitraum bis 2020. Der Einsatz von Biomasse be-trägt dann etwa 400 PJ/a und steigt bis zum Jahr 2050 aufknapp 500 PJ/a.

In der Summe geht das Szenario für die stationäre Nutzungvon Biomasse bis zum Jahr 2020 von etwa 700 PJ/a bzw. biszum Jahr 2050 von etwa 900 PJ/a aus. Gemessen am o.g.technischen Potenzial verbleiben also noch rund 600 PJ/aim Jahr 2020 bzw. rd. 400 PJ/a im Jahr 2050 für den mobi-len Bereich, der im Rahmen der Studie nicht eingehenderuntersucht wird. Bei einem Konversionsgrad von 50 % kön-nten demnach im Jahr 2020 rund 300 PJ/a in Form von Biokraftstoffen bereit gestellt werden. Berücksichtigt man in einem optimistischen Fall, dass der Endenergieverbrauch im Verkehr bis dahin um 20 % zurückgeht, ließen sich etwa13 % des Bedarfs aus heimischen Bioenergieträgern decken.

Regionale Betrachtung am Beispiel des Neckar-Odenwald-Kreises

Ob sich dieser auf einer hoch aggregierten Betrachtungs-ebene abgeleitete Biokraftstoffanteil tatsächlich erreichenlässt, kann anhand kleinräumiger Betrachtungen überprüftwerden. Exemplarisch wurde dazu der Neckar-Odenwald-Kreis untersucht, eine eher ländlich geprägte Region imNorden Baden-Württembergs, die günstige Voraussetz-ungen für eine verstärkte Biomassenutzung bietet. Insge-samt leben in der Region rund 150.000 Einwohner aufeiner Fläche von 1.140 km2. Die Einwohnerdichte von 132Einwohner je km2 liegt damit etwa 50 % unter dem Bundes-durchschnitt. Rund ein Viertel der Bevölkerung lebt in viergrößeren Kommunen – Mosbach, Buchen, Walldürrn undNeckarelz – von denen Mosbach mit gut 10.000 Einwohn-ern die größte ist. Neben sechs weiteren Kommunen mit 259

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3.000 bis 5.000 Einwohnern leben insgesamt 90.000 Per-sonen in 112 Orten mit weniger als 2.800 Einwohnern.

Die Energieversorgungsstruktur ist aufgrund der geringenBevölkerungsdichte durch ein relativ schwach ausgebautesErdgasnetz gekennzeichnet. Entsprechend dominiert imWärmemarkt (Niedertemperaturwärme) Heizöl mit einemAnteil von 64 %, gefolgt von Strom (Speicherheizungen)mit 15 %, Biomasse mit 13 % (!) und Erdgas mit etwa 6 %.Der Rest verteilt sich auf Fernwärme und Kohle.

Das in der Region verfügbare Biomassepotenzial setzt sichetwa zur Hälfte aus Restholz, zu einem Sechstel aus Rest-stroh und einem Fünftel aus dem Potenzial für den Energie-pflanzenanbau zusammen. Geringe Beiträge entfallen aufBiomüll, Gülle/Dung aus der Landwirtschaft und Grünab-fälle wie Rasenschnitt (Abb. 4).

Im Vergleich zu den Biomassepotenzialen auf Bundesebeneist der Holzanteil in der Region überdurchschnittlich hoch,das Potenzial für den Energiepflanzenanbau hingegen ge-ringer (vgl. Abb. 1). Mit dem Bioenergiepotenzial von 19GJ/a je Einwohner, das ein Viertel höher liegt als im Bundes-durchschnitt, ließen sich z.B. 40 % des gegenwärtigenNutzwärmebedarfes in der Region decken. Bemerkenswert

Abbildung 4:

Potenziale der ener-

getischen Nutzung im

Neckar-Odenwald-Kreis

(gesamt 2,8 PJ/a

entsprechend

785.000 MWh)

260

Hackschnitzel aus Restholz (Industrie, Wald, Sonst.) MWh/a 154.800

Heute in Einzelöfen genutztes Holz MWh/a 250.800

Summe Holz MWh/a 405.600Stroh MWh/a 131.100

Energiepflanzen MWh/a 176.100

Grünabfälle (Rasenschnitt etc.) MWh/a 16.700

Organische Abfälle (Biomüll) MWh/a 19.300

Gülle/Dung MWh/a 36.600

Summe MWh/a 785.400

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FVS Fachtagung 2003Session VI

ist auch, dass mehr als ein Drittel des Holzaufkommensbereits genutzt wird.

Die mögliche Entwicklung der Biomassenutzung in der Region lässt sich nicht losgelöst von Veränderungen in an-deren Bereichen betrachten, die durch mehr oder wenigerintensive energiepolitische Eingriffe charakterisiert sind. Um dies abzubilden wurden insgesamt vier Szenarien entwickelt:

Szenario Status quo/Trend• Prinzip: “Im Vergleich zu heute ändert sich nicht viel.”• Energetische Sanierung von Altbauten nachrangig: bis

2050 sinkt der Nutzwärmebedarf nur um 15 %.• Die Struktur der Wärmeversorgung bleibt im Wesent-

lichen erhalten (lediglich Kesselerneuerungen, Wirkungs-graderhöhungen). Der Stromanteil im Wärmemarkt gehtdeutlich zurück. Nahwärmenetze spielen nur eine unter-geordnete Rolle.

• Erreichte CO2-Minderung im Wärmemarkt im Jahr 2020/2050: -21 %/-42 %

Szenario Angebotsoptimierung• Prinzip: “Ambitionierter Klimaschutz ohne

Wärmedämmung”• Energetische Sanierung von Altbauten nachrangig: bis

2050 sinkt der Nutzwärmebedarf nur um 15 %.• Schneller Ausbau von Nahwärmesystemen einschließlich

des Ersatzes von Einzelöfen: bis 2040 wird das gesamte Biomasseaufkommen in Heiz- und Heizkraftwerken genutzt.

• Die Nutzung von Solarthermie und Geothermie bleibt vernachlässigbar.

• Erreichte CO2-Minderung im Wärmemarkt im Jahr 2020/2050: -30%/-58 % 261

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Session VIFVS Fachtagung 2003

Szenario Grüne Wärme/Grüner Strom• Prinzip: “Reduktion des Wärmebedarfs und Nutzung

preiswerter Erneuerbarer Energien”• Umfassende energetische Sanierung von Altbauten: bis

2050 sinkt der Nutzwärmebedarf um 50 %.• Ausbau von Nahwärmesystemen einschließlich des Er-

satzes von Einzelöfen: bis 2050 wird das gesamte Bio-masseaufkommen in Heiz- und Heizkraftwerken genutzt.

• Die Nutzung von Solarthermie und Geothermie bleibt vernachlässigbar.

• Erreichte CO2-Minderung im Wärmemarkt im Jahr 2020/2050: -39 %/-86 %

Szenario Nachhaltigkeit• Prinzip: “Mobilisierung aller Optionen”• Umfassende energetische Sanierung von Altbauten: bis

2050 sinkt der Nutzwärmebedarf um 50 %.• Bis 2050 werden 70 % des Nutzwärmebedarfes durch

Nahwärme gedeckt; je zur Hälfte auf der Basis von Bio-masse und Solarenergie.

• Solare Nahwärmesysteme werden mit bis zu 70 % sola-rem Deckungsgrad realisiert (2050), Biomasseheizwerke werden solar unterstützt.

• Nennenswerte Bedeutung elektrisch betriebener Wärme-pumen mit Erdsonden als Einzelheizungen

• Erreichte CO2-Minderung im Wärmemarkt im Jahr 2020/2050: -39 %/-88 %

In den vier Szenarien werden verschiedene Anteile der imLandkreis vorhandenen Bioenergieträger für die stationäreEnergieversorgung eingesetzt. Dementsprechend nehmendie verbleibenden Potenziale für die Herstellung von Bio-kraftstoffen unterschiedlich schnell ab (Abb. 5).

262

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Um daraus die erreichbaren Anteile am gesamten Kraft-stoffverbrauch in der Region ermitteln zu können, sind An-nahmen über die Entwicklung des Personen- und Güterver-kehrsaufkommen zu treffen. In Anlehnung an andere Untersuchungen wird u.a. von folgenden Rahmendatenausgegangen:

• Der Pkw-Bestand erhöht sich langfristig von derzeit 550 Pkw je 1.000 Einwohner bis 2050 nur geringfügig auf 570.

• Die gegenwärtige Fahrleistung je Pkw von 13.800 km/a erhöht sich bis 2050 um 10 %.

• Der Kraftstoffbedarf für den Güterverkehr in der Region bleibt mit einem Anteil von 20 % bezogen auf den Pkw-Bereich konstant.

Darüber hinaus spielen die spezifischen Kraftstoffverbräucheund die erreichbaren Biomassekonversionsraten (Umwand-lung von Biomasse in Kraftstoff) eine Rolle.

Abbildung 5:

Restpotenziale zur

Kraftstofferzeugung in

Abhängigkeit der

Entwicklung in den vier

Wärmeszenarien

263

Grundlage: 4 verschiedene Wärme-szenarien für Neckar-Odenwald-Kreis

Ener

gie

geh

alt

Bio

mas

se [

MW

h/a

]

2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050

Status quo/Trend

600.000

500.000

400.000

300.000

200.000

100.000

0

Angebotsoptimierung Grüne Wärme/Grüner Strom Nachhaltigkeit

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Dafür werden zwei Varianten betrachtet:

• Variante “hoher Kraftstoffverbrauch”:Der Pkw-Flottenverbrauch sinkt von derzeit 9,0 l/100 km auf 7,8 l/100 km im Jahr 2020 und 6 l/100 km im Jahr 2050. Die Biomassekonversionsrate beträgt 50 %.

• Variante “geringer Kraftstoffverbrauch”:Der Pkw-Flottenverbrauch sinkt von derzeit 9,0 l/100 km auf 6,6 l/100 km im Jahr 2020 und 3 l/100 km im Jahr 2050. Die Biomassekonversionsrate beträgt 60 %.

Unter den gesetzten Annahmen wurde in Abb. 6 der Bio-kraftstoffbedarf ermittelt, wenn bis zum Jahr 2020 ein An-teil von 10 % erreicht werden soll. Die Gegenüberstellungzu den Angebotskurven in Abb. 5 deutet – trotz der zahlrei-chen gesetzten Annahmen – zum einen darauf hin, dass esin biomassereichen Regionen wie dem Neckar-Odenwald-Kreis auf absehbare Zeit möglich ist, relativ hohe Anteiledes Kraftstoffbedarfs zu decken und darüber hinaus in nen-nenswertem Umfang Bioenergieträger in andere Regionenzu “exportieren”, um auch dort entsprechende Beiträge zurEnergieversorgung zu erreichen.

Andererseits lässt sich dieser “Exportbedarf” anhand derStrukturdaten der übrigen Landkreise in Baden-Württem-berg allein für mobile Anwendungen auf zusätzlich die glei-che Menge abschätzen, die in der Region selbst verbrauchtwird. Je nachdem, wie sich längerfristig der Bedarf an Bio-masse zur Strom- und Wärmerzeugung entwickelt, kann esdann nicht mehr ausgeschlossen werden, dass es bereits abetwa 2015 zu einer Nutzungskonkurrenz zwischen statio-nären und mobilen Anwendungen kommt.

264

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Handlungsoptionen im Bereich derBiokraftstoffe

Die Ergebnisse der Überlegungen zum Neckar-Odenwald-Kreis sollten aufgrund der zahlreichen und zum Teil “wei-chen” Annahmen nicht überinterpretiert werden. Zudemsteht eine Übertragung auf das gesamte Bundesgebietnoch aus, wobei es auch hier Netto-Exporteure wie Meck-lenburg-Vorpommern und Netto-Importeure wie Nord-rhein-Westfalen geben würde. Andererseits: Unter den ge-genwärtigen energiepolitischen Rahmenbedingungenscheint es nicht unrealistisch, dass eine verstärkte Nutzungvon Bioenergien sehr viel eher dem Szenario “Angebots-optimierung” folgen würde als dem Nachhaltigkeitsszen-ario. Dafür spricht, dass im Unterschied zu Neubauten(Energieeinsparverordnung) nur sehr begrenzte Möglich-

Abbildung 6:

Verfügbarkeit und Bedarf

von Bioenergien für

mobile Anwendungen im

Neckar-Odenwald-Kreis

265

2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050

Jahr

“Freies”Potenzial

“Kraftstoffexport”

Bedarf Biokraftstoffe10% Anteil bis 2020

600

500

400

300

200

100

0

[GW

h/a]

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keiten bestehen bestimmte Wärmedämmstandards imGebäudebestand durchzusetzen (z.B. bei Bauteilerneuer-ungen oder Gebäudeerweiterungen). Eine aus energeti-scher und ökologischer Sicht wünschenswerte deutlicheErhöhung der energetischen Sanierungsraten lässt sich derzeit praktisch nur über monetäre Anreize wie Steuerer-leichterungen, zinsverbilligte Darlehen oder Zuschüsse er-reichen, die direkt oder indirekt die öffentlichen Haushalte belasten (z.B. CO2-Gebäudesanierungsprogramm). Ent-sprechende Instrumente sind aber unpopulär und ange-sichts des enormen Mittelbedarfes politisch nicht be-schlussfähig.

Im Unterschied zu Maßnahmen auf der Energiebedarfsseitesind die Freiheitsgrade auf der Energieversorgungsseite grö-ßer. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz, künftig vielleicht auch ein Regeneratives Wärme-gesetz. Abgesehen davon, dass derartige Regelungen öff-entliche Haushalte nicht belasten, ist es politisch sicherlichsehr viel attraktiver, sich für die Nutzung Erneuerbarer Ener-gien zu engagieren als für die Wärmedämmung bei Alt-bauten – und zwar nicht nur auf Bundes- oder Landes-ebene, sondern vor allem auch auf lokaler Ebene.

Wenn also eine angebotsoptimierte Entwicklung bei derstationären Nutzung von Biomasse eintritt, welche Hand-lungsalternativen ergeben sich dann für den Bereich derregenerativen Kraftstoffe, wenn dieser ebenfalls nennens-wert weiterentwickelt werden soll?

1. “Verstärkter Import”Naheliegend ist zum einen der verstärkte Import, unabhän-gig davon, ob die Kraftstoffe biogenen Ursprungs sind oderaus anderen erneuerbaren Ressourcen gewonnen werden.In diesem Fall wird die bestehende Importabhängigkeit des266

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Kraftstoffmarktes nicht reduziert, es kann jedoch eine Di-versifizierung nach Regionen erreicht werden. Eine Erhö-hung der inländischen Wertschöpfung erfolgt dadurchwahrscheinlich nicht.

2. “Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien”Die verstärkte Nutzung anderer heimischer Ressourcen wäreim Prinzip als Alternative zum Import denkbar, in Fragekommt dafür aber praktisch ausschließlich Wasserstoff, deraus überschüssiger regenerativer Stromerzeugung bereitge-stellt wird. Größere Mengen sind aus heutiger Sicht nurvorstellbar, wenn die von der Bundesregierung erarbeiteteStrategie zur Windnutzung auf See entsprechend umge-setzt werden kann. Aber selbst wenn aus der Strompro-duktion der bis 2020 erwartbaren Offshore-Windleistungvon 13.000 MW z.B. 10 % in Form von Wasserstoff oderwasserstoffreichen Energieträgern zur Verfügung gestelltwürden, ließe sich der Anteil regenerativer Kraftstoffe amgegenwärtigen Gesamtbedarf – abgesehen von den Kosten– nur um etwa einen halben Prozentpunkt erhöhen.

3. “Substitution von Biomasse in stationären Anwendungen”

Im Unterschied zum Kraftstoffmarkt besteht im Wärme-und Strommarkt prinzipiell die Möglichkeit der Substitutionvon Biomasse durch solare und geothermische Techniken.Das Potenzial hierfür ist aber vor allem aus ökonomischenGründen auf absehbare Zeit begrenzt.

4. “Wärmedämmung statt Biomassenutzung”Zur Erhöhung des inländischen Biokraftstoffanteils scheintdeshalb eher eine energiepolitische Strategie zielführend,die durch entsprechende Steuerungsinstrumente eine Ent-wicklung vermeidet, wie sie im o.g. Szenario “Angebots-optimierung” für den Strom- und Wärmemarkt dargestellt 267

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wurde und den Verlauf stärker in Richtung auf das Nach-haltigkeitsszenario lenkt. Die Möglichkeiten dazu wären im Rahmen der Debatte über Energiespar- und Effizienz-maßnahmen zu prüfen, aber auch im Bereich des Erneuer-baren-Energien-Gesetzes und dem geplanten Regenerativ-en Wärmegesetz. Dies gilt besonders hinsichtlich der Aus-wirkungen auf die “Lieferantenregionen” von Biomasse.

5. “Verbesserung der Konversionsraten Biomasse zu Kraftstoff”

Ebenfalls dürfte es lohnend sein zu prüfen, ob bzw. wiesich die Konversionsraten Biomasse zu Kraftstoff erhöhenlassen. Aufgrund der großen Bedeutung von Energiepflan-zen für den Biokraftstoffmarkt läuft dies auf die Frage hin-aus, wieviel Liter Dieselkraftstoff- oder Benzinäquivalentesich je Hektar Anbaufläche gewinnen lassen.

Wie relevant die Optionen 4. und 5. werden können, hängtentscheidend davon ab, ob zum politischen Ziel erklärtwird einen möglichst hohen Anteil regenerativer Kraftstoffeaus inländischer Produktion zu erreichen. Während imErneuerbare-Energien-Gesetz das Inlandskonzept verankertist – der Strom wird nur entsprechend vergütet, wenn dieAnlagen im deutschen Hoheitsgebiet betrieben werdenund in das deutsche Stromnetz einspeisen – gilt dies fürden Kraftstoffsektor nicht. Gegen die europäische Waren-verkehrsfreiheit ließe sich dies wohl auch kaum durchset-zen. Insofern müsste die Politik andere Maßnahmen er-greifen um die Perspektiven des deutschen Biokraftstoff-marktes abzusichern, insbesondere in der Weise, dass dieStoffströme nicht zu einseitig in stationäre Anwendungengelenkt werden. Für den Stromsektor würde dies z.B. be-deuten, die Zufeuerung von Stroh in Kohlekraftwerkenauch weiterhin nicht in den Geltungsbereich des Erneuer-bare-Energien-Gesetzes einzubeziehen und mit der Fest-268

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legung der Vergütungssätze speziell für Waldrestholz undEnergiepflanzen keine zu hohen Anreize zur Verstromungzu schaffen. Analog wären die Effekte bei der Ausgestaltungeines Regenerativen Wärmegesetzes zu berücksichtigen.

Parallel dazu müsste die Planungssicherheit für Biokraftstoff-produzenten erhöht werden. Speziell die derzeit im Mineral-ölsteuergesetz vorgesehene zeitliche Befristung der Steuer-begünstigung scheint wenig dazu geeignet neue Verfahrender Biomassekonversion weiterzuentwickeln und/oder ein-zusetzen. Dies gilt auch für die mengenbezogene Steuerbe-günstigung. Sehr viel sachgerechter ist hier eine energiebe-zogene Förderung. Darüber hinaus wäre es wichtig, quanti-tative Ziele zu setzen, etwa, dass mindestens ein 10 %-igerAnteil am Kraftstoffverbrauch aus heimischen Quellen er-reicht werden soll.

Unter den gegenwärtigen energiepolitischen Rahmen-bedingungen kann der regenerative Kraftstoffpfad in Deutschland so aussehen, dass die inländische Produktionvon Biodiesel zunächst weiter ansteigt und durch die Pro-duktion von Ethanol ergänzt wird, sofern hier Planungs-sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit gegeben sind. Beisteigender Nachfrage nach Biomasse für die Strom- undWärmeerzeugung kommt es dann längerfristig zu einemRückgang der Biokraftstoffproduktion, die durch steigendeImporte kompensiert wird (s.o. Handlungsalternative 1).

Gegen ein solches Szenario sprechen derzeit weder ökono-mische Argumente (Energiebereitstellungskosten, Wert-schöpfung in der Land- und Forstwirtschaft) noch ökologi-sche Argumente, denn so ist z.B. der CO2 -Vermeidungs-faktor von Biomasse im Stromsektor deutlich höher als imKraftstoffsektor. Es ist also vor allem die hohe Importab-hängigkeit des Kraftstoffmarktes, die Alternativen wie die 269

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Handlungsoptionen 4 und 5 überlegenswert macht. Parallelkann durch klare Zielsetzungen zum inländischen Biokraft-stoffmarkt und verlässliche Randbedingungen auch ein in-novationsfreundliches Umfeld geschaffen werden, mit dembesonders Technologien zur Konversion fester Biomasse der Weg geebnet werden kann. Gemeint ist damit z.B. dieEthanolherstellung aus Reststroh und die Herstellung was-serstoffreicher Produktgase bei der Vergasung von Biomas-se. Damit ließen sich nicht nur die bereits vorhandenenReststoffe nutzen, sondern auch die verfügbaren Anbau-flächen für Energiepflanzen gegenüber der Produktion vonBiodiesel oder Ethanol aus Zuckerrüben sehr viel effizientererschließen, weil die in Form von Kraftstoff gewinnbareEnergiemenge je Hektar Anbaufläche im Mittel um denFaktor 2 bis in günstigen Fällen um den Faktor 3 größer ist.

Allerdings besteht in diesem Bereich bislang eine technolo-gische Lücke. Zwar lassen sich Großanlagen im Raffinerie-maßstab realisieren, dezentrale Anlagen zur Produktionentsprechender Biokraftstoffe bzw. Zwischenprodukte imLeistungsbereich von wenigen 10 MW sind jedoch nochnicht Stand der Technik, weder in Deutschland noch imAusland. Das Anwendungspotenzial für derartige Anlagenist dabei durchaus beachtlich: Allein in Baden-Württembergließen sich potenzialseitig mehrere Dutzend realisieren. Hochinteressant kann eine solche Strategie aber vor allemmit Blick auf die Ressourcenlage im Ausland sein. Zu ihrerUmsetzung bedarf es entsprechender Förderung von For-schung, Entwicklung und Demonstration. Die Erfahrungenaus anderen Bereichen wie der Windenergie oder Photo-voltaik belegen jedoch auch, dass das Vorhandensein einesstabilen inländischen (Basis-)Marktes mindestens ebensowichtig ist.

270

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Zusammenfassung

Die Ausführungen zeigen, dass die in Deutschland vorhan-denen Biomassepotenziale ausreichend sind um nennens-werte Anteile des Kraftstoffverbrauchs aus ErneuerbarenEnergien zu decken. Aufgrund gewachsener Strukturen und energiepolitischer Maßnahmen fließen jedoch um-fangreiche Stoffströme in stationäre Anwendungen. Be-rücksichtigt man, dass eine Umlenkung in den mobilenBereich zum Teil weder sinnvoll noch in absehbarer Zeitmöglich ist, so reduziert sich das “freie” Potenzial für dieHerstellung von Biokraftstoffen auf etwa die Hälfte desgesamten für den Energiesektor verfügbaren Biomassepo-tenzials. Dennoch ließen sich damit über 10 % des gegen-wärtigen Kraftstoffverbrauchs decken. Im Wesentlichenhandelt es sich um Reststroh aus der Landwirtschaft, Wald-restholz und um den Anbau von Energiepflanzen, die imVergleich zu Altholz, Industrierestholz, Gülle usw. relativhohe Kosten verursachen.

Durch Instrumente wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz,verschiedene staatliche Förderprogramme oder derzeit dis-kutierte gesetzliche Regelungen für die verstärkte NutzungErneuerbarer Energien im Wärmemarkt ist absehbar, dassdie Nutzung von Bioenergieträgern im stationären Bereichin den nächsten 10 bis 15 Jahren deutlich zunehmen wird.Wie exemplarische Betrachtungen für eine ländlich gepräg-te Region in Baden-Württemberg zeigen, kann es danndurchaus zu einem Nutzungskonflikt um die knappe Res-source Bioenergie kommen. Dabei dürfte eine Dominanzstationärer gegenüber mobiler Anwendungen wahrschein-lich sein. Der damit verbundene Rückgang der inländischenBiokraftstoffproduktion müsste durch Importe regenerativerKraftstoffe aus dem Ausland kompensiert werden, wenn diedann erreichten regenerativen Anteile an der Kraftstoffver- 271

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Session VIFVS Fachtagung 2003

sorgung aufrechterhalten oder ausgebaut werden sollen.Die gegenwärtig extrem starke Abhängigkeit dieses Sektorsvon Lieferungen aus dem Ausland würde dann nur vor-übergehend reduziert. Soll dies vermieden werden, mussdie Politik entsprechende Vorgaben machen: Neben ver-schiedenen Maßnahmen in anderen Bereichen gilt es, sta-bile Randbedingungen für die inländische Biokraftstoffpro-duktion zu schaffen. In einem solchen Umfeld können sichdann auch Verfahren zur dezentralen Konversion festerBiomasse etablieren, die heute noch nicht zur Verfügungstehen. Angesichts der beträchtlichen Potenziale im Aus-land kann eine Technologieführerschaft Deutschlands per-spektivisch hochinteressant sein. Die Erfahrungen aus ande-ren Bereichen zeigen, dass dafür nicht nur die Unterstütz-ung von Forschung und Entwicklung notwendig ist, son-dern auch ein funktionsfähiger inländischer Basismarkt, indem sich Innovationen behaupten müssen, aber auch er-folgreich für den Export weiterentwickelt werden können.

272

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Regenerative Kraftstoffe aus der Sicht der Politik

Leitlinien und Rahmenbedingungen in Europa

Der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament haben am 8. Mai 2003 eine Richtlinie zur För-derung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderenerneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor beschlossen.Damit soll sichergestellt werden, dass bis Ende 2005 Otto-und Dieselkraftstoffe wenigstens 2 % an Biokraftstoffen ent-halten. Bis Ende 2010 soll ein Wert von 5,75 % erreichtwerden. Dabei handelt es sich um eine Soll-Bestimmung.Die Erfüllung dieses Wertes ist nicht einklagbar. Das Euro-päische Parlament hatte wohl versucht eine rechtlich ver-pflichtende Richtlinie zustande zu bringen, scheiterte aberam Einspruch des Rats, genauer gesagt, an den Finanz-ministern.

Da regenerative Kraftstoffe in Europa teurer sind als ihreKonkurrenten aus Mineralöl, bedarf es einer steuerlichenFörderung. Und da eine Förderung aus dem öffentlichenHaushalt eine Subvention ist, Subventionen nach dem EU-Vertrag aber prinzipiell verboten sind, braucht es eine Aus-nahmeregelung. Deshalb hat der Ministerrat eine weitereRichtlinie beschlossen, wonach auf Biokraftstoffe ein er-mäßigter Verbrauchssteuersatz angewandt werden darf.Diese steuerliche Richtlinie beschließt der Rat nach Anhö-rung des Europäischen Parlaments, das heißt im Klartext,er beschließt sie alleine. Denn in Steuerfragen hat das Par-lament kein Mitentscheidungsrecht. Steuern sind nationaleAngelegenheiten. Und eine Europasteuer gibt es –noch–nicht.

R. Linkohr MdEP Europäische Energiestiftung

[email protected]

273

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Session VIFVS Fachtagung 2003

Es ist derzeit noch zu früh, den Erfolg der Richtlinie zu be-werten. Das einzige, was ich herausgefunden habe, war die Bestätigung durch die deutsche Bundesregierung, dasssie ihr 2 %-Ziel bis 2005 einhalten wird. In diesem Jahr er-zeugt Deutschland 500.000 t Biodiesel, im nächsten Jahrsollen es 700.000 t sein. Schwieriger wird es allerdings, dasZiel von 5,75 % bis 2010 zu erreichen. Vermutlich geht esohne Importe aus den USA oder Entwicklungsländern nicht.Mehr werden wir in einem Jahr wissen, denn bis Juli 2004müssen die Mitgliedstaaten einen ersten Zwischenberichtabliefern, der dann auch veröffentlicht wird. Sie müssendarin ihre Richtwerte für 2005 bekanntgeben. Im Jahr 2006erfolgt dann die Bekanntgabe der Richtwerte für 2010.Ebenfalls im Jahr 2006 wird die Europäische Kommissioneinen Evaluierungsbericht über die erreichten Fortschrittevorlegen.

Im Jahre 2002 wurden in Europa gerade 0,3 % der Kraft-stoffe aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen. Wir sindalso von den 2 % im Jahre 2005 noch ein Stück entfernt.Dabei wurden vier Fünftel in lediglich 6 Mitgliedstaatenerzeugt, mit Frankreich an der Spitze. Nimmt man Bio-diesel allein, so liegt Deutschland vorne. Allerdings hat dieEU bereits heute eine doppelt so hohe Produktionskapazi-tät, so dass es möglich erscheint, dass wir das Zwischenziel– wenngleich mit Mühe – erreichen.

Soviel zur kurzen Geschichte dieser beiden Richtlinien.Wie muss man sie nun bewerten?

Die Förderung der regenerativen Kraftstoffe kann nur ineinem größeren Zusammenhang gesehen werden. Denndie Gründe, die zu einer bevorzugten Behandlung regene-rativer Kraftstoffe führen, sind vielfältig.

274

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FVS Fachtagung 2003Session VI

Beginnen wir mit der Klimapolitik. Wir vermuten, dass dieCO2-Emissionen im Verkehrsbereich kräftig zunehmen werden. Die Kommission schätzt in ihrem Weißbuch “DieEuropäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungenfür die Zukunft”, dass die verkehrsbedingten CO2-Emissio-nen von 1990 bis 2010 um 50 % anwachsen werden. Mitanderen Worten, ohne eine erhebliche Anstrengung imVerkehrssektor werden wir unsere Kyotoverpflichtungenschwerlich einhalten können.

Erschwerend kommt hinzu, dass die EU wieder mehr CO2

als 1990 ausstößt. Nur wenn wir alle Treibhausgase zusam-menzählen und sie in CO2-Einheiten umrechnen, kommenwir auf eine geringe Absenkung der Emissionen um etwa2 %. Wir sind also noch weit weg von dem Kyoto-Ziel vonminus 8 %, das wir bereits in 7 Jahren erreichen wollen.Und sollten wir ein höheres Wirtschaftswachstum erleben,was sich nicht nur die Regierungen wünschen, dann wirdselbst diese Einsparung schnell Makulatur!

Einsparungen im Verkehrssektor lassen sich auf drei Artenerreichen. Entweder wir fahren weniger Auto. Danach siehtes allerdings nicht aus, es sei denn, der Preis für den Kraft-stoff steigt. Gespart wird in aller Regel aber nur, wenn derKraftstoff teuer ist. Doch die Mineralölsteuer stärker als vor-gesehen anzuheben, ist eine Aufgabe, vor der Regierungennicht nur vor Wahlen zurückschrecken.

Wir könnten technische Maßnahmen beschleunigen umden Wirkungsgrad der Verbrennungsmotoren zu verbes-sern. Daran wird seit Erfindung des Verbrennungsmotorsgearbeitet und wir alle wissen, dass die Möglichkeiten nochnicht ausgereizt sind. Doch der technische Fortschritt istlangsam und lässt sich auch nicht durch Gesetze erzwin-gen. Ohnehin wird nach dem heißen Sommer 2003 der 275

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Session VIFVS Fachtagung 2003

Kraftstoffverbrauch vieler Autos zuerst einmal zunehmen,denn die Nachfrage nach energieverzehrenden Klimaan-lagen ist gewaltig.

Bleibt der Ersatz von Mineralölkraftstoffen durch regenera-tive Kraftstoffe. Doch deren Fortschritt scheitert bislang anden Kosten. Eine Möglichkeit, sie zu senken, besteht darindie Verbrauchssteuern auf regenerative Kraftstoffe zu ver-ringern. Und wird dann im Zuge dieser Förderpolitik dieProduktion zunehmen, dann dürften auch die Produktions-kosten nach unten gehen. Man kann diesen Vorgang auch“Learning by doing” nennen. Das genau wird mit diesenbeiden Richtlinien bezweckt.

Nun ist die Steuererleichterung auf dem Papier schnell be-schlossen, doch angesichts der engen Haushaltsspielräumedürfte sich die Begeisterung der Finanzminister, auf zusätz-liche Einnahmen zu verzichten, in engen Grenzen halten.Derzeit verzichten die Finanzminister in den 15 Mitglied-staaten jährlich auf schätzungsweise eine Milliarde Euro. Im Jahre 2010 könnten es 5 bis 6 Mrd.€ werden. Mög-licherweise ist dann die Schmerzgrenze der steuerlichenFörderung erreicht, es sei denn, bis dahin sind die regene-rativen Kraftstoffe billiger oder das Erdöl teurer.

Doch inzwischen haben die regenerativen Kraftstoffe einenneuen Verbündeten: Die Landwirtschaft. Wir haben eineReform der europäischen Agrarpolitik beschlossen, die ten-denziell von der finanziellen Förderung der Produktionwegkommen will. Am Ende des Weges soll eine Agrarpro-duktion stehen, die – von wenigen Ausnahmen abgesehen– zu Weltmarktpreisen erfolgt. Gefördert wird wohl weiter-hin, doch die Mittel sollen nicht in die Produktion oder indie Exportsubvention, sondern in die ländliche Entwicklungfließen, weil wir wollen, dass die Menschen in den Dörfern276

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FVS Fachtagung 2003Session VI

und Kleinstädten weiterhin eine berufliche Perspektive ha-ben. Eine solche Agrarreform halten wir für WTO-konform.

Die Interessengemeinschaft zwischen Landwirtschaft undden Erzeugern regenerativer Kraftstoffe nahm ihren Anfang,als die EU ihre Getreideüberschüsse abbauen musste undAnbauflächen stilllegte. Dafür wurden wiederum Subven-tionen bezahlt. Salopp könnte man auch sagen, bezahltwurde, wer nichts tat. Das wiederum rief die Ölsaatenher-steller auf den Plan, denen dann erlaubt wurde auf denstillgelegten Flächen nachwachsende Rohstoffe anzubauen.Das ist nebenbei auch heute der Zustand in Europa.

Nebenbei, diese Politik wirft zwei Fragen auf. Die erste be-trifft die Wirtschaftlichkeit. Nehmen wir einmal an, wir hät-ten die Landwirtschaft so reformiert, wie wir das vorhaben.Der Landwirt muss ohne Subventionen produzieren undsteht im Wettbewerb mit dem Weltmarkt. Dann wird ersich jedesmal überlegen, ob er Nahrungsmittel oder nach-wachsende Rohstoffe anbaut. Seine Entscheidung wird von der Preiserwartung bestimmt. Doch damit ist dieErzeugung nachwachsender Rohstoffe Schwankungenunterworfen, die unter Umständen zu einer Verknappungder Energierohstoffe führen könnte. In der Folge könntenVersorgungsengpässe entstehen, vor allem dann, wenn dieregenerativen Kraftstoffe einmal einen zweistelligen Markt-anteil haben sollten. Wir müssen also darauf achten, dassdie Rohstoffbasis stabil bleibt, sonst könnte es bei freiemMarkt auch zu Engpässen bei den Energierohstoffen kommen.

Das zweite Problem stellt sich mit dem Flächenbedarf.Wenn wir die heutigen Stilllegungsflächen in der EU neh-men, so kommen wir auf knapp 5 Mio.ha. Darauf lassensich Pflanzen für etwa 5 % des Dieselkraftstoffes anbauen. 277

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Jedes Prozent mehr an Biodiesel verdrängt den Anbau vonNahrungsmitteln. Nun kann man die Effizienz steigern,doch eine Verdopplung oder Vervierfachung dürfte wohlkaum möglich sein. Anders sieht es aus, wenn Flächen inOsteuropa, Rußland und Ukraine hinzugezählt werden. So ist zu erwarten, dass die regenerativen Rohstoffe einenneuen Warenstrom von Ost nach West auslösen werden.Zunehmen dürften aber auch die Importe aus USA undSüdamerika.

Die berufliche Alternative zur herkömmlichen Landwirt-schaft ist damit der Landwirt als Energieproduzent. Nunwissen wir das schon lange, doch erst im Hinblick auf dieErweiterung, vor allem um Staaten mit hohem Landwirt-schaftsanteil wie Polen, fand ein Umdenken in Richtungregenerative Kraftstoffe statt. Denn wenn im Laufe derkommenden Jahre viele polnische Bauern ihren Hof aufge-ben müssen, ist es besser, sie zu Energiewirten zu machenals sie mit einer geringen Arbeitslosenhilfe abzuspeisen undsie zu Almosenempfängern zu machen. Und was für Polengilt, das gilt auch für den Rest Europas.

Es wird geschätzt, dass in der EU der 15 ein Biokraftstoff-anteil von 1% 45.000-75.000 neue Arbeitsplätze in länd-lichen Gebieten schafft!

So ist jedenfalls davon auszugehen, dass die regenerativenKraftstoffe trotz knapper öffentlicher Kassen auch in dennächsten Jahren gefördert und an Bedeutung zunehmenwerden.

Neben der Klimapolitik gibt es aber noch weitere Gründe,die für regenerative Kraftstoffe sprechen, etwa die saubereVerbrennung. Biokraftstoffe enthalten keinen Schwefel, esentsteht also kein Schwefeldioxid und damit kein saurer 278

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Regen. Bei der Verbrennung entsteht auch weniger CO, dadie Biokraftstoffe sauerstoffreicher sind. Es entsteht lediglichetwas mehr Stickoxid, doch dieses Problem lässt sich übereinen Katalysator umso leichter lösen, als der Kraftstoffschwefelfrei ist und der Katalysator nicht vergiftet wird.Auch entstehen weniger krebserregende Partikel. Biokraft-stoffe sind also ein Beitrag zu einer umweltfreundlicherenVerkehrstechnik.

All diese Vorteile könnten auch in Geldwert ausgedrücktwerden, wenn man den Nebenwirkungen einen Preis wiebei den Treibhausgasen gäbe.

Speziell Ottokraftstoffe werden umweltverträglicher. In derVergangenheit hatten wir Bleitetraäthyl durch MTBE ersetzt.Doch mußte man erleben, dass der in unterirdischen Be-hältern lagernde Zusatzstoff MTBE das Grundwasser ver-schmutzen kann. Seine Substitution durch Bioäthanol istdeshalb ein ökologischer Fortschritt. In Kalifornien und einigen anderen US-Staaten ist MTBE deshalb, auch weil er vermutlich Krebs verursacht, gesetzlich verboten.

Neuerdings spielt die Importabhängigkeit wieder eine grössere Rolle in der Energiediskussion. Das gilt für alleenergieimportierenden Staaten der Welt. Eine anhaltendePreiserhöhung über die Marge von 25 bis 30 $ pro BarrelÖl hinaus könnte die Konjunktur abwürgen. RegenerativeKraftstoffe können dabei Erleichterung schaffen. Sie stam-men in aller Regel aus heimischen Rohstoffen und verrin-gern unsere Abhängigkeit von Ölimporten. Unsere Ölrech-nung wird geringer. Gerade in der EU müssen wir aufpas-sen, dass unsere Importabhängigkeit bei den Energieroh-stoffen nicht wieder auf den Stand von vor der ersten Öl-preiskrise steigt.

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Allerdings darf man dabei ein paar Probleme, man könntefast sagen Hindernisse, nicht übersehen. Zum einen sind die mit den regenerativen Kraftstoffen vermiedenen CO2-Mengen relativ teuer. Schätzungen liegen bei 80 bis 100 €

pro Tonne CO2. Bei der EU-Kommission geht man sogarvon höheren Werten aus. Selbst wenn es etwas wenigerwäre, so ist der Wert doch immer noch hoch. Auf dem freien Markt kostet derzeit eine Tonne vermiedenen CO2

bloße 5 €. Man kann CO2 also sehr viel kostengünstigerreduzieren als mit regenerativen Kraftstoffen. Wer also anden regenerativen Kraftstoffen festhalten will, muss dieCO2-Vermeidungskosten und damit die Herstellungskostensenken.

Zum Zweiten dürfen wir nicht vergessen, dass wir ein offe-ner Markt sind. In dem Maße, wie Europa subventionierteregenerative Kraftstoffe anbietet, wird es früher oder späterauch Importe zulassen müssen. Brasilien als der größte na-tionale Hersteller von Biokraftstoffen, wird seine Chance zunutzen wissen. Und in Brasilien wird Bioalkohol nicht sub-ventioniert. Brasilien wird bei den derzeit laufenden Ver-handlungen über ein Assoziierungsabkommen Mercosur-EUmit Sicherheit darauf bestehen, dass es Biokraftstoffe diskri-minierungsfrei auf dem europäischen Markt verkaufen darf.Nun ist nicht sicher, wie groß der brasilianische Überschussan Biokraftstoffen ist und in Zukunft sein wird, denn eigent-lich produzieren die Brasilianer für den nationalen Markt.Doch macht die derzeitige Regierung alle Anstrengungenum den Export zu fördern, was auch darin zum Ausdruckkommt, dass sie jetzt landesweit den Anbau von genetischmodifizierter Soja zugelassen haben. Damit sinken die Pro-duktionskosten für Soja. Anders als bei genetisch veränder-ten Nahrungsmitteln hätte die EU kein Argument gegenden Import von Treibstoffen, die aus GMO-Soja hergestelltwerden.280

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Erinnern möchte ich auch an das sogenannte Blair-House-Abkommen mit den USA. Dabei handelt es sich um ein Ab-kommen der EU mit den USA über Subventionen in derLandwirtschaft. Das Abkommen legt einen Grenzwert fürdie Größe der Fläche fest, für die Landwirte Subventionenfür den Anbau von nicht für Ernährungszwecke gedachtenÖlsamenpflanzen erhalten können. Das Abkommen wirftein Licht auf Konflikte, die wir in Zukunft mit den USA imZusammenhang mit nachwachsenden Rohstoffen habenkönnten.

Zum Dritten könnten wir früher oder später noch ein euro-parechtliches Problem wegen der nationalen Förderung be-kommen. Der Europäische Gerichtshof hat am 13. März2001 rechtskräftig festgestellt, dass die Verpflichtung fürElektrizitätsversorgungsunternehmen, in ihrem Versorgungs-gebiet Strom aus erneuerbaren Energiequellen abnehmenzu müssen, sie daran hindert, einen Teil ihres Bedarfs beiLieferanten anderer Mitgliedstaaten zu decken. Darin siehtder EuGH eine Behinderung des freien Warenverkehrsinnerhalb der EU. Das wirkt wie eine verbotene mengen-mäßige Einfuhrbeschränkung. Der EuGH hat dennoch diebestehenden Förderregelungen nicht in Frage gestellt, weilzur Zeit des Urteilsspruchs der Binnenmarkt für Strom nurteilweise hergestellt war. Inzwischen haben wir aber die sogenannten Beschleunigungsrichtlinien beschlossen, wonachbis zum 1. Juli 2004 alle gewerblichen und bis zum 1. Juli2007 alle Haushaltskunden ihren Strom dort kaufen kön-nen, wo sie wollen. Ferner sind die Hemmnisse für dengrenzüberschreitenden Stromhandel mit einer neuen Ver-ordnung beseitigt. Danach sind die Rechtfertigungen nichtmehr gegeben, die damals in der nur teilweisen Öffnungdes EU-Strommarktes bestanden. Ich gehe davon aus, dass2005 bei der Überprüfung der nationalen Fördersystemefür Strom aus erneuerbaren Energiequellen die Kommission 281

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einen neuen Richtlinienvorschlag für eine europaweit ein-heitliche oder zumindest einheitlichere Förderkulisse vor-schlagen wird.

Analog könnte man nun für die regenerativen Kraftstoffeund ihre nationalen Förderinstrumente folgern, dass dieunterschiedlichen Fördersätze dazu führen, dass ein Her-steller regenerativer Kraftstoffe gegenüber einem anderenim Nachbarland benachteiligt ist, sofern es keine europa-weite öffentliche Ausschreibung gibt. Daraus ergibt sichfrüher oder später der Zwang zu einer Vereinheitlichungder Fördersätze bzw. der Förderpolitik. Mittelfristig werdenwir in der EU einen Wettbewerb um niedrige Kosten be-kommen, was nicht unbedingt heißt, dass dabei Deutsch-land der Gewinner ist. Denn unsere Arbeitskosten sind undbleiben im Vergleich zu anderen Ländern hoch. Wir werdenihn nur bei besserer Technologie bestehen können.

In Zukunft wäre auch denkbar die zusätzlichen Herstel-lungskosten erneuerbarer Kraftstoffe mit Guthaben aus deneingesparten CO2-Mengen zu finanzieren. Eine solche För-dermaßnahme hätte den Reiz, dass sie sich in den Mecha-nismus des Emissionshandels einordnen ließe. Ich erinneredaran, dass wir eine Richtlinie über den innereuropäischenEmissionshandel verabschiedet haben, die am 1.1.2005 inKraft treten wird. Derzeit beraten wir eine zweite Richtlinie,die klären soll, wie Guthaben aus dem CDM- und JI-Me-chanismus in Emissionsrechte umgewandelt werden kön-nen. Nehmen wir einmal an, ein deutsches Automobilun-ternehmen baut dann in der Ukraine eine Fabrik zur Her-stellung von Bioalkohol und lässt sich die gegenüber Kraft-stoffen aus Erdöl eingesparten Mengen an CO2 zertifizie-ren, so kann es sich die Guthaben in der EU auf sein CO2-Konto anrechnen lassen und sie in Emissionsrechte umwan-deln. Das deutsche Automobilunternehmen finanziert also282

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mit seinen CO2-Guthaben die Herstellung von Bioalkoholaußerhalb der EU, der wiederum in der EU verkauft werdenkönnte. Früher oder später werden auch die Europäer ver-langen, dass ihre eigene Produktion auf diese Weise vomEmissionshandel profitiert. Diese Forderung wird umsolautstarker erhoben werden, je höher der CO2-Preis seinwird. Bei 5 € pro Tonne CO2 ist eine derartige Überlegungüberflüssig, doch steigt einmal der CO2-Preis auf 20 odernoch mehr Euro, dann stellt sich sofort die Frage, ob nichtCO2-Guthaben an Stelle der steuerlichen Fördermaßnahm-en treten könnten. Natürlich wäre auch eine Abgabe aufCO2 denkbar, doch nachdem wir uns auf die Kyoto-Mecha-nismen festgelegt haben, liegt es nahe, in der Kategorievon CO2-Guthaben zu denken. Eine Reihe von Unterneh-men stellen bereits heute solche Überlegungen an um fürden Fall vorbereitet zu sein, wenn sich für sie der Emissi-onshandel rechnet.

Ich weiß, dass derlei Überlegungen bei der Interessenge-meinschaft der Erneuerbaren nicht gut ankommen, weil siezu Recht darauf hinweisen, dass die ausschließliche Finan-zierung der Erneuerbaren über CO2-Guthaben derzeit der-en sicheres Ende bedeutet. Und dabei haben sie natürlichRecht. Die derzeitigen Fördersysteme in den verschiedenenLändern der EU, sei es das britische Ausschreibesystem, dasniederländische Zertifikatssystem oder das deutsche Fest-preissystem sind bei allen Unzulänglichkeiten immer nochbesser, weil wirksamer, als das System der CO2-Guthaben.Dennoch wäre es falsch, vor meinen Überlegungen dieAugen zu verschließen, denn mit steigendem CO2-Preiswird es vielleicht für die Erneuerbaren sogar vorteilhaftersein als mit dem derzeitigen System, das ohnehin wegender Wettbewerbsregeln der EU degressiv angelegt ist.

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Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es uns in der EU schwer fällt, die Forderungen des Kyoto-Protokolls zuerfüllen. Deutschland, Großbritannien und Luxemburgmachen aus verschiedenen Gründen eine Ausnahme. Dochinsgesamt nimmt der Ausstoß an CO2 zu. Österreich zumBeispiel emittiert heute über 8% mehr CO2 als 1990. Offen-bar ist es leichter, ein Reduktionsziel zu beschließen als eseinzuhalten. Wenn die EU an ihrem gemeinsamen Ziel fest-halten will, wird sie früher oder später jede Maßnahme imEnergiebereich daran messen müssen, wie rasch und wiekostengünstig CO2 und andere Treibhausgase eingespartwerden können. Das gilt insbesondere für die Nach-Kyoto-Phase, wenn wir weitere CO2-Reduktionen vornehmenmüssen. Die Vermeidungskosten werden hoch sein undwenn die USA weiterhin ihre Unterschrift unter das Kyoto-Protokoll verweigern, bekommen wir irgendwann einmalsogar Kostenverzerrungen zwischen USA und EU, die unsArbeitsplätze kosten werden.

Für regenerative Kraftstoffe bedeutet dies, dass sie kosten-günstiger werden müssen. Wir brauchen deshalb mehr Forschung. Und mehr Erfahrung bei der Umsetzung derForschungsergebnisse.

Das größte Problem ist offenbar der Preis der Rohstoffe, ob es sich nun um Ölsaaten, Getreide, Mais oder sonstigePflanzen handelt. Doch der Rohstoffpreis muss immer imVerhältnis zum Ölpreis gesehen werden, dessen Gestaltungsich dem Einfluss der EU weitgehend entzieht. Geht ernach oben, haben es die Biokraftstoffe leichter, geht ernach unten, gerät der Anbau zum Verlust. In Brasilienkommt das Proalcool-Programm nur deshalb ohne wesent-liche staatliche Unterstützung aus, weil der Ölpreis inzwi-schen stabil über 25$ pro Barrel liegt. Hinzu kommt, dassin einer Wettbewerbswirtschaft vor allem die Preiserwartung284

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den Landwirt zu Investitionsentscheidungen für oder gegenden Anbau nachwachsender Rohstoffe bewegt und sonstnichts. Wir müssen uns deshalb in eine Richtung bewegen,bei der wir eine stabile Anbausituation durch niedrigereKosten erwarten können.

Dabei könnte die moderne Biotechnologie helfen. Man darfdeshalb davon ausgehen, dass in den Forschungszentrender Biologen an neuartigen Pflanzen gearbeitet wird, dieeine größere Energieausbeute und damit eine weitere Kos-tensenkung erlauben. In den USA wird zum Beispiel bereitsheute Biodiesel in verschiedenen Staaten des mittlerenWestens aus genetisch veränderter Soja hergestellt. Diegrüne Biotechnologie steht erst am Anfang und wenn sieauch in Europa immer noch nicht geliebt wird, so dürftesie anderswo doch an Bedeutung zunehmen. Warum solltees nicht eines Tages möglich sein, Alkohol aus genetischveränderten Pflanzen zu gewinnen, nennen wir sie Biode-signpflanzen, die zu nichts anderem als zu diesem Zweckkonzipiert wurden? Wenn es gelingt, die Kosten der Roh-stoffe zu senken, die in Europa etwa 50% oder mehr derGesamtkosten der Biokraftstoffe ausmachen, wenn erst ein-mal die CO2-Vermeidungskosten in Rechnung gestellt wer-den, und wenn gleichzeitig der Ölpreis steigt, was länger-fristig vermutlich der Fall sein wird, dann ist es nicht auszu-schließen, dass in absehbarer Zeit auch hierzulande Bio-kraftstoffe auf wirtschaftliche Weise hergestellt werden kön-nen und sie ohne Subventionen einen zweistelligen Anteilam Kraftstoffmix haben werden.

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Dazu gehört auch die Suche nach neuen Enzymen umEthanol aus Stärke, zumeist auf der Basis von Mais, aberauch aus Pflanzenfasern und anderen Reststoffen herzustel-len. Eine Reihe europäischer Unternehmen arbeiten derzeitin den USA mit finanzieller Unterstützung des Departmentof Energy an neuen Enzymen, um in zehn Jahren eine grö-ßere Menge Bioalkohol zu einem wesentlich geringerenPreis herstellen zu können. Da Japan, Thailand, Neuseeland,Australien und China ebenfalls auf Biokraftstoffe setzen,entsteht für die Unternehmen auch ein neuer Absatzmarktfür ein neues Produkt.

Die Motivation für Biokraftstoffe ist unterschiedlich. In Bra-silien, wo fast die Hälfte des weltweit erzeugten Bioethanolserzeugt wird, war es die Ölpreiskrise von 1973, die denAusschlag für das Proalcool-Programm gab. Inzwischenfahren dort etwa 5 Mio. Autos nur mit Ethanol, etwas über10 Mio. Autos verbrennen ein Benzin/Ethanolgemisch. Inden USA steht wie in Brasilien die wachsende Abhängigkeitvon Energieimporten im Mittelpunkt. Insbesondere seitdem 11. September packt die Amerikaner eine geradezupanische Angst erpresst werden zu können. Ölimportedurch Biokraftstoffe aus heimischer Produktion zu ersetzenist deshalb zum nationalen Ziel erhoben worden. In Frank-reich war die Ethanolerzeugung hingegen immer ein Teilder Agrarpolitik. Umwelt- oder energiepolitische Gründehaben eine untergeordnete Rolle gespielt. Frankreich ist der größte europäische Hersteller von Ethanol aus Getreideund Zuckerrüben. Allerdings wird das Ethanol nicht reinoder als Benzin/Ethanolgemisch benutzt, sondern aus Ethanol und Isobutylen wird durch eine chemische Reak-tion Ethyl-Tertiär-Butylether (ETBE) gewonnen, der danndem bleifreien Benzin beigemischt wird. Auch in Schweden,Spanien, Italien und Österreich werden derzeit eine Reihevon Produktionsstätten errichtet, wobei auch dort die Land-286

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wirtschaft treibende Kraft ist. In Großbritannien, wo sichbislang auf diesem Terrain wenig bewegt hat, sind durchdas Weißbuch der Regierung neue Fakten geschaffen wor-den. Zum ersten Mal wird dort der Versuch unternommendie Energiepolitik aus der Klimapolitik abzuleiten. Es ist an-zunehmen, dass auch die regenerativen Kraftstoffe eineAufwertung erfahren.

Zusammenfassend können wir festhalten, dass die Biokraft-stoffe heute einen festen Platz in der Energie-, Umwelt-,Klima- und Agrarpolitik der EU haben. Dabei fällt auf, dassunterschiedliche Faktoren die Förderung der Biokraftstoffebegünstigen. Dabei spielt einmal die Klimapolitik, ein an-dermal die Agrarpolitik, ein drittes Mal die Importabhän-gigkeit die größere Rolle. So entstehen neue Tätigkeiten,neue Arbeitsplätze und neue Forschungsfelder. Wichtig da-bei ist, wie bei allen anfangs subventionierten Tätigkeiten,dass diese Entwicklung stetig und ohne Brüche vonstattengeht. Und dass die Kosten längerfristig auf das Marktniveaugesenkt werden. Dabei kommt den Biokraftstoffen auch dieKlimapolitik entgegen.

Und genau an diesem Punkt wird den regenerativen Kraft-stoffen ein neuer, vielleicht ihr wichtigster Bündnispartnerentstehen: Die Automobilindustrie. Denn die Autoherstellerwerden früher oder später auf der Anklagebank sitzen, weilman ihnen vorwerfen wird, dass es ihr Produkt ist, das dieTreibhausgasemissionen nach oben drückt. Um aus derEcke des Angeklagten herauszukommen müssen sich dieAutohersteller um die regenerativen Kraftstoffe bemühen.Soweit ich das beurteilen kann, sind sie klug genug damitbereits heute anzufangen. Und damit dürfte auch dem Ver-langen der EU nach einer kräftigen Ausweitung der Pro-duktion regenerativer Kraftstoffe Erfolg beschieden sein.

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