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Klinische Chemie „Enzyme“

Die Enzymdiagnostik dient der Lokalisation und Verlaufskontrolle von Erkrankungen und macht ca. 50% der Untersuchungen in der klinischen

Chemie aus.

Abb. 1: Enzyme pattern caused by acute virus hepatitis.

Kenntnisse & Wissen Phase 1b: • Sie können Enzyme unterteilen in plasmaspezifische -, Exkretions- und

Zellenzyme. • Sie kennen die Grundlagen der Enzyme (Verknüpfung & Vorwissen aus

Chemie und Biochemie). • Sie wissen über die Enzymkinetik Bescheid, kennen und verstehen die

Methoden zur Messung der Enzymaktivität. • Sie können Enzymresultate interpretieren. • Bei optisch-enzymatischen UV-Tests wissen Sie, ob es sich um eine

Extinktionszu- oder Extinktionsabnahme handelt.

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Inhaltsverzeichnis:

1. Wirkungsweise von Enzymen …………………………………………………… 5 1.1. Energiediagramm einer biochemischen Reaktion ………..…………………….. 5 1.2. Mechanismus der Enzymkatalyse ……………………………………………….. 6 2. Aktives Zentrum …………………………………………………………………... 6 3. Spezifität ……………..…………………………………………………………..…. 7 4. Nomeklatur von Enzymen (Klassifikation) ……………..……………….....…. 7 5. Messung eines Enzyms ……………...…………………………………………… 9 5.1. Direkte Bestimmung der Enzymkonzentration ………..……………………….... 9 5.2. Bestimmung der Enzymaktivität im Serum ………..…………………………..... 10 6. Bestimmung der Enzymaktivität ……………...………………..……………… 11 7. Reaktionsbedingungen für die Enzymmessung ……………..……………… 13 7.1. Temperaturabhängigkeit ………..…………………………………...…………..... 13 7.2. pH-Wert ………..…………………………………...……………………………..... 13 7.3. Konzentration und Art des Substrates ………..………………………………..... 13 7.4. Coenzyme ………..…………………………………...…………………………..... 14 7.5. Art und Konzentration des Puffers ………..………………..……...…………..... 15 7.6. Effektoren ………..…………………………………...…………........................... 15 8. Optimierte Standardmethoden ……………..……………………...…………… 15 9. Enzymaktivitätsmessung im Farbtest (kinetische Messung) …..………… 16 10. Enzymaktivitätsmessung im optisch-enzymatischen UV-Test .……..…… 17 10.1.Enzymaktivitätsmessung im gekoppelten optisch-enzymatischen UV-Test ... 19 11. Enzymatische Substratbestimmung (Enzymatischer Test) .………….…… 21 11.1.Endpunkt-Methode ……………………………………………………………….... 21 11.2.Kinetische Methode ……………………………..……………………………….... 21 Isoenzyme .…………………………………………………………………………..…… 22 12. ALAT .……………………………………….…………………………………..…… 23 13. ASAT .……………………………………….…………………………………..…… 26 14. AP .……………………………………….……………….……………………..…… 28 15. GGT .……………………………………….…………………………………....…… 30 16. CHE .……………………………………….………………………………………… 31 17. GLDH .……………………………………….………………………………….…… 33 18. LDH .……………………………………….…………………………………....…… 35 19. Lipase .……………………………………….………………………...……….…… 38 20. α-Amylase …...…………………………….…………………………………..…… 40 21. CK .……………………………………….……………………………………...…… 42

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Einleitung: Enzyme (früher Fermente genannt) sind Biokatalysatoren, die chemische Reaktionen im Körper überhaupt erst ermöglichen und diese dann auch beschleunigen. Die Gesamtheit der chemischen Umsetzungen im Organismus ist nur möglich durch die Wirkung einer Vielzahl von Enzymen. Der Zellstoffwechsel ist strikte auf Enzyme angewiesen! Chemisch gesehen sind Enzyme Proteine oder Proteide (setzen sich aus einem Protein- und einem Nicht-Protein-Anteil zusammen). Die im Blut bestimmbaren und für medizinische Fragestellungen relevanten Enzyme können unterteilt werden in:

• Plasmaspezifische Enzyme: Sie haben ihren physiologischen Wirkungsort im Plasma, z.B. Cholinesterase.

• Sezernierte Enzyme (Exkretionsenzyme): Sie sind exokriner Herkunft, d.h. sie werden von exokrinen Drüsen normalerweise nur in geringen Mengen in das Blut abgegeben. Bei einer Schädigung der Herkunftsorgane bzw. bei Obstruktion der Ausführungsgänge erfolgt ein vermehrter Übertritt ins Blut, z.B. α-Amylase (P-Amylase und S-Amylase) und Lipase.

• Zellenzyme: Sie sind intrazellulärer Herkunft und gelangen bei mehr oder weniger schweren Organschäden (also Zellschädigung) in das Blut, z.B. Transaminasen (ALAT, ASAT) und LDH.

Jede Zelle synthetisiert in ihrem RER die zelleigenen Proteine, darunter auch die Enzyme, die sie für ihre Funktionen braucht. Jede ausdifferenzierte Zelle hat ein ganz spezifisches "Paket" unterschiedlicher Enzyme, das auf ihre Funktionen angepasst ist. Damit hat auch jedes Organ eine ganz bestimmte Palette verschiedener Enzyme, also ein spezifisches, einzigartiges Enzymmuster. Diese Organspezifität der Enzyme wird in der Medizin zu diagnostischen Zwecken ausgenutzt: Werden Zellen eines Organs zerstört, so gelangen ihre Enzyme vermehrt (selten auch vermindert, z.B. CHE) ins Blut → durch ihre Erfassung (Art, Konzentration und Mengenverhältnis der gemessenen Enzyme) kann auf das geschädigte Organ geschlossen werden: (siehe auch Titelbild).

Enzym (Abkürzung) Mögliche Ursache einer Vermehrung des Enzyms im Blut

Alanin-Aminotransferase (ALT, ALAT) [früher Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT)]

Schädigungen der Leber

Aspartat-Aminotransferase (AST, ASAT) [früher Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT)]

Schädigungen der Leber und des Muskels

Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT) Krankheiten der Leber und der Gallenwege

Alkalische Phosphatase (AP, ALP) Krankheiten der Leber, der Gallenwege und des Knochens

Lipase Schädigungen der Bauchspeicheldrüse (z.B. Pankreatitis)

Kreatinphosphokinase (CK) Muskelschäden, (Herzmuskelschäden)

Kreatinphosphokinase MB-Typ (CK-MB) Herzmuskelschäden (z.B. Infarkt)

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In den Zellen sind die einzelnen Zellenzyme unterschiedlich lokalisiert (Zellmembran, Zytoplasma, Mitochondrien) – damit kann auf die Schwere und das Ausmass der Organ-/Zellschädigung gedeutet werden: Sind nur die Zellmembranenzyme vom Referenzbereich abweichend, so ist die Organ-/Zellschädigung noch nicht stark ausgeprägt; sind jedoch noch Enzyme aus Zellkompartimenten (z.B. aus den Mitochondrien) in ihrem Wert auffällig, so ist die Schädigung schon gravierender. Enzymbestimmungen im Blut sind daher häufig Teil einer Laboruntersuchung. Selten bestimmt man Enzyme in anderen Proben (Harn: Amylase, Stuhl: Chymotrypsin oder Elastase). Enzyme werden in der Labormedizin jedoch auch als Hilfsmittel bei der Bestimmung anderer Parameter (z.B. Glucose, Harnsäure) in sogenannten enzymatischen Tests eingesetzt (siehe später). Auch Antigen-Antikörper Reaktionen kann man durch Kopplung mit einer enzymatischen Farbreaktion sichtbar machen (z.B. ELISA).

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A. GRUNDLAGEN ENZYME Siehe auch Chemie & Biochemie

1. Wirkungsweise von Enzymen: Die Stoffe, die von einem Enzym umgesetzt werden, bezeichnet man als Substrate. Diese Substrate gehen mit Hilfe von Enzymen in ein Produkt über; ohne Enzyme würden diese biochemischen Reaktionen im Organismus nicht oder nur mit einer nicht messbar kleinen Geschwindigkeit ablaufen. Hier kommen die Enzyme zum Einsatz: die Reaktionen werden mit Hilfe der Enzyme ermöglicht und laufen viel schneller ab. Einfach dargestellt: Enzym (E) Substrat (S) Produkt (P)

Abb. 2: Jedes Enzym, das die Reaktion S → P katalysiert, katalysiert auch die Reaktion P → S.

1.1. Energiediagramm einer biochemischen Reaktion: In untenstehender Abbildung wird das Substrat A in das Produkt B umgewandelt. Um diese Reaktion zu ermöglichen muss Energie aufgebracht werden, um einen angeregten, energiereichen Übergangszustand zu erreichen: die Aktivierungsenergie. Mit Hilfe eines Enzyms wird diese Aktivierungsenergie herabgesetzt (Chemie-Skript S. 71) , in dem sich das Enzym an das Substrat bindet – es wird weniger Energie für die Reaktion benötigt und die Reaktion läuft viel schneller ab. Enzyme werden als Katalysatoren nur in kleinen Mengen benötigt und verlassen die Reaktion unverändert; sie können in weiteren Reaktionen agieren.

Abb. 3: Energiediagramm einer biochemischen Reaktion

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1.2. Mechanismus der Enzymkatalyse: Betrachten wir den Ablauf der Enzymkatalyse etwas detaillierter, dann ergibt sich folgender Reaktionsablauf:

Abb. 4: Das freie Enzym E (1.) bindet nacheinander die Substrate A und B (2., 3.) – Enzyme können ein Substrat oder mehrere Substrate katalysieren – zu einem Zwischenprodukt, dem Enzym-Substrat-Komplex (3. E-A-B-Komplex). Über kurzlebige Übergangskomplexe (4., 5.), dem sogenannten Enzym-Produkt-Komplex (E-C-D-Komplex), findet die Umwandlung der Substrate in die Produkte statt: Das aktive Zentrum des Enzyms macht, dass nur die Substrate A und B ins Enzym passen und dass diese Substrate in die Produkte C und D (6.) zerfallen. Das Enzym geht unverändert aus der Reaktion heraus und kann weitere Reaktionen katalysieren. Bei Reaktionen von zwei Substraten sorgt das Enzym auch für die richtige räumliche Anordnung der Reaktionspartner und erhöht dadurch die „Trefferquote“. Durch solche Mechanismen wird die Reaktion so erleichtert, dass die Reaktionsgeschwindigkeit um mehr als das 1010 -fache gesteigert werden kann.

2. Aktives Zentrum: Jedes Enzym besitzt ein aktives Zentrum, welches ein kleines Areal auf dem Enzym ist. Es ist der Ort im Enzym, an welchem die Substratbindung und die Umsetzung vom Substrat ins Produkt mit Herabsetzen der Aktivierungsenergie stattfindet.

Abb. 5: Man bezeichnet die Stelle, in die das Substrat (blau) wie ein Schlüssel ins Schloss passt, als aktives Zentrum des Enzyms (rot). Hier findet die enzymkatalysierte Reaktion statt.

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3. Spezifität:

Enzyme wirken ausserordentlich spezifisch. Sie besitzen meist eine sehr ausgeprägte Substratspezifität (ein Enzym reagiert meist nur mit einem bestimmten Substrat, z.B. das Enzym Urease spaltet nur Harnstoff). In der Regel werden selbst dem eigentlichen Substrat sehr ähnliche Substanzen nicht umgesetzt. Jedoch: Manche Enzyme reagieren zwar mit verschiedenen Stoffen, aber dann meist mit einer ganz bestimmten chemischen Gruppe oder Verbindungsart, die in diesen verschiedenen Stoffen in gleicher Weise vorkommt (z.B. Abbau von exogenen Substanzen wie Medikamente). Doch noch grösser ist ihre Wirkungsspezifität/Reaktionsspezifität: Von den vielen möglichen Reaktionen, die ein Stoffwechselzwischenprodukt eingehen kann, wird nur eine bestimmte Reaktion katalysiert.

4. Nomeklatur von Enzymen (Klassifikation): Viele Enzyme werden durch Anfügen der Nachsilbe "-ase" an den Namen ihrer Substrate oder an die Bezeichnung, die ihre Aktivität beschreibt, benannt. Dieser systematische Name eines Enzyms besteht aus:

• Name des umgesetzten Substrates • Art der katalysierten Reaktion (den 6 Hauptklassen zu entnehmen)

Beispiel: Das Enzym Creatinkinase kommt vor allem in den Muskelzellen vor und ist für die Energiebereitstellung der Zellen wichtig. Wie das Enzym zu seinem Namen kommt: Das umgesetzte Substrat ist das Creatin. Das Enzym überträgt das Phosphat von ATP auf das Substrat (Creatin) und daraus ergibt sich ein Produkt (Creatinphosphat) → dieses Vorgehen wird von den Kinasen durchgeführt → Creatinkinase.

Creatinkinase Creatin + ATP Creatinphosphat + ADP

Andere Enzyme, wie Pepsin oder Trypsin (Verdauungsenzyme) tragen Namen, die nichts mit ihren Substraten oder Reaktionen zu tun haben. Manchmal hat ein und dasselbe Enzym 2 oder mehr Namen, oder 2 verschiedene Enzyme werden identisch benannt. Wegen diesen Mehrdeutigkeiten und der ständig wachsenden Zahl neu entdeckter Enzyme wurden internationale Richtlinien zur Benennung und Klassifizierung von Enzymen eingeführt: Jedem Enzym werden eine 4-stellige Klassifizierungsnummer/Code-Nr. (EC-Nr., Bildung siehe unten) und ein systematischer Name (Bildung siehe oben) zugewiesen, wodurch die katalysierte Reaktion identifiziert werden kann, d.h. nicht das Enzym selbst, sondern die Reaktion, die es katalysiert, wird kategorisiert. Die Code-Nr. (EC-Nr.: Enzyme-Commission-Number) wird gebildet aus:

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• 1. Zahl: Sie gibt eine der 6 Hauptklassen an und bezieht sich auf die katalysierte Reaktion (Anmerkung: Die untenstehende Tabelle müssen Sie nur verstehen):

Nr.

Klasse: Katalysierte Reaktion:

Beispiel:

1

Oxidore-duktasen

Elektronentransfer (Hydrid-Ionen oder H-Atome)

• Oxidasen • Reduktasen • Peroxidasen • Dehydrogenasen (Dehydrogenasen

verwenden Cosubstrate wie NAD+ oder NADP+ als Wasserstoffakzeptor)

2

Transferasen

Gruppentransfer-Reaktion: übertragen funktionelle Gruppe auf Substrat

• Aminotransferasen (ALAT) • Kinasen (Übertragung von Phosphat von ATP

auf andere Stoffe, z.B. CK)

3

Hydrolasen

Hydrolyse-Reaktionen: Übertragung funktioneller Gruppen auf Wasser

• Esterasen (Cholinesterase) • Lipasen • Glykosidasen • Peptidasen • Phosphatasen (ALP)

4

Lyasen

Addition von Gruppen (H2O, NH3, CO2) an Doppelbindungen oder Bildung von Doppelbindungen durch Entfernung von Gruppen

• Decarboxylasen • Aldolasen (Fruktose-1,6-biphosphat-Aldolase)

5

Isomerasen

Transfer von Gruppen innerhalb eines Moleküls

• Racemasen • Epimerasen • Mutasen

6

Ligasen

Katalysieren die Bindung zwischen zwei Substraten mit gleichzeitiger Spaltung energiereicher Verbindungen (Aufbau von Bindungen unter Verbrauch energiereicher Phosphate, z.B. ATP)

• T4-DAN-Ligase

• 2. Zahl: Weitere Unterteilung der Hauptklassen in Unterklassen, je nach chemischer Bindung.

• 3. Zahl: Unter-Unterklassen • 4. Zahl: Seriennummer in der Unter-Unterklasse

Als Beispiel soll die Benennung des Enzyms Creatinkinase (CK) erläutert werden, das die folgende Reaktion katalysiert:

CK (Enzym)

Creatin (Substrat) + ATP Creatinphosphat (Produkt) + ADP Edukte Produkte

CK hat die System-Nr. (EC): 2.7.3.2. Dies bedeutet: • 1. Zahl: Hauptklasse 2 = Transferase • 2. Zahl: Unterklasse 7 = Phosphotransferase • 3. Zahl: Unter-Unterklasse 3 = H2N als Akzeptor • 4. Zahl: Seriennummer in der Unter-Unterklasse 2.

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B. ENZYMKINETIK

5. Messung eines Enzyms: Es gibt zwei prinzipiell unterschiedliche Methoden, um Enzyme im Blut nachzuweisen:

5.1. Direkte Bestimmung der Enzymkonzentration: Man kann ein Enzym im Serum mit Spezialmethoden direkt nachweisen und seine Konzentration bestimmen – im Laboralltag sagt man: Man misst die Masse des Enzyms. Das funktioniert, indem man spezielle Antikörper gegen das Enzym herstellt. Eine solche Bestimmungsmethode wird in den meisten Labors zur Bestimmung des Herz-Enzyms CK-MB (da misst man also die CK-MB-Masse) eingesetzt. Im Allgemeinen ist der direkte Enzymnachweis aber zu aufwändig, auch weil Enzyme im Serum nur in sehr geringer

Konzentration vorhanden sind und die Reagenzien teuer sind. Es kommen jedoch immer mehr Reagenzien auf den Markt, mit welchen die direkte Bestimmung der Enzymkonzentration bestimmt werden kann. Auf diese Bestimmungsmethode wird hier nicht näher eingegangen, da es sich um immunologische Bestimmungen handelt, welche turbidimetrisch gemessen werden und Sie schon in anderen Zusammenhängen kennen gelernt haben bzw. werden (siehe Labortechnik, Turbitimer).

Abb. 6: Die Darstellung symbolisiert ein Enzymmolekül im Blut. Die Enzyme liegen im Blut nur in sehr geringer Konzentration vor. Eine direkte Bestimmung, also eine Bestimmung des Enzyms selbst, ist möglich aber oft schwierig.

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5.2. Bestimmung der Enzymaktivität im Serum: Ein einziges Enzym-Molekül ist in der Lage, in einer Minute Zig-Tausende Substrat-Moleküle umzuwandeln. Das macht man sich zunutze, um Enzyme nachzuweisen: Man bietet dem Enzym im Reagenz ein geeignetes Substrat an, lässt das Enzym eine Zeit lang arbeiten und misst dann die Zig-Tausend entstandenen Produkt-Moleküle. Das ist meist leichter als das Enzym direkt nachzuweisen. Statt zu messen, wie viel Produkt entstanden ist, kann man natürlich auch messen, wie viel

Substrat verschwunden ist (siehe unten). Bei dieser Bestimmungsmethode muss man sich zwar bewusst sein, dass man so nicht die Menge des Enzyms, sondern seine Aktivität im Blut bestimmt – das ist aber kein grosses Problem. Unter geeigneten Bedingungen (siehe später) ist die Enzymaktivität zur Enzymmenge proportional.

Abb. 7: 1. Schritt: Man setzt dem Serum Substrat zu (weisse Kugeln). Unter geeigneten Bedingungen (optimaler pH-Wert, richtige Temperatur usw.) wird das Enzym damit beginnen, das Substrat umzusetzen - und zwar sehr grosse Mengen.

Abb. 8: 2. Schritt: Nach genau definierten Zeitabständen (siehe nächster Abschnitt) misst man fotometrisch bei der spezifischen Absorptionswellenlänge wie viele Substratmoleküle umgesetzt sind, also wie viele orange Kugeln (=Produkt) entstanden sind. Alternativ kann man auch die Abnahme des Substrates (der weissen Kugeln) messen. Das Ergebnis ist die Anzahl der durch die Enzyme umgewandelten Moleküle pro Zeiteinheit, also anders ausgedrückt: die Reaktionsgeschwindigkeit oder die Enzymaktivität. Auch in der Enzymkinetik gilt das Lambert-Beer'sche Gesetz.

Abb. 9: Je mehr Enzym im Serum, desto mehr Substrat wird umgesetzt. Waren zwei Enzyme im Serum, ist die Reaktionsgeschwindigkeit doppelt so hoch und es werden doppelt so viele orange Kugeln produziert. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist also proportional zur Enzymkonzentration.

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6. Bestimmung der Enzymaktivität: Bei den meisten Enzymbestimmungen wird also nicht die Enzymkonzentration (oder Masse) gemessen, sondern die Enzymaktivität. Die Enzymaktivität entspricht der Geschwindigkeit, mit der die katalysierte Reaktion abläuft. Das bedeutet, dass wir bei der Messung anders vorgehen müssen als bei der üblichen Konzentrationsmessung. Wie oben erwähnt, kann entweder das Substrat oder das Produkt gemessen werden: die Enzymaktivität kann gleichermassen über die Geschwindigkeit des „Verschwinden“ des Substrates oder über die Geschwindigkeit des „Entstehen“ des Produktes pro Zeiteinheit bestimmt werden:

Fotometrisch wird die Extinktion der Substratabnahme oder die Extinktion der Produktzunahme nach mehreren Zeitabschnitten gemessen – und zwar nicht nur 1x am Schluss, sondern in genau definierten Zeitabschnitten: Z.B wird bei der CK-Bestimmung (Handmethode von Axonlab!) die Extinktion der Produktzunahme nach 2 Min., dann wieder 1, 2, 3, 4, und 5 Min. später gemessen. Anschliessend wird die Differenz der einzelnen Extinktionsmessungen ausgerechnet: Während den einzelnen Minuten muss das Enzym immer gleich viel Substrat katalysiert haben, d.h. das Enzym muss gleichmässig „gearbeitet haben“. Die Differenz von einem Extinktionspunkt zum nächsten muss also immer gleich sein, d.h. die Zunahme bzw. Abnahme muss gleichmässig ablaufen. Diese Differenz nennt man ∆E/Min. (Delta Extinktion pro Minute). Aus den mehreren ausgerechneten ∆E/Min.–Resultaten wird der Mittelwert ermittelt, welcher mit einem entsprechenden Faktor (wird durch die Kalibration ermittelt) multipliziert wird. Jetzt erhalten wir die Enzymaktivität in U/l für das entsprechende Enzym: Die Enzymeinheit (U) ist diejenige Enzymmenge, die 1 µmol Substrat pro Minute unter definierten Standardbedingungen umsetzt - und genau das wird bei diesem Vorgehen gemessen. Sind die einzelnen ∆E/Min. nicht gleich gross, ergibt sich beim Aufzeichnen und Verbinden der Messpunkte (Extinktion gegen Zeit) keine Gerade – d.h. die Messung lief nicht linear ab, die Reaktionsbedingungen waren nicht optimal bzw. haben sich während der Messung verändert → die Messung muss wiederholt werden.

Substrat nimmt ab

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

0 1 2 3 4

Zeit

Subs

trat

Produkt nimmt zu

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

0 1 2 3

Zeit

Prod

ukt

4

Abb. 10 & 11: Auf die Enzymaktivität kann aus der Substratabnahme pro Zeiteinheit oder aus der Produktzunahme pro Zeiteinheit geschlossen werden.

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Falls sich die Gerade gegen Ende krümmt, lief die Reaktion ebenfalls nicht linear ab, denn auch hier gilt das Lambert-Beer’sche Gesetz. Die Probe muss verdünnt werden, da das zugefügte Substrat im Reagenz aufgrund einer grossen Enzymkonzentration zu schnell verbraucht wurde.

Abb. 12: ∆E/Min. entspricht der Differenz zwischen zwei Messpunkten und muss möglichst

gleich sein: Im Beispiel ist ∆E/Min. 0,08 (Produktzunahme wird gemessen).

→ Wir messen also die Aktivität und nicht die Menge des Enzyms.

Enzymeinheit: Die Enzymaktivität (also das Resultat) wird in internationalen Einheiten (Unit=U) angegeben: 1 U bezeichnet diejenige Enzymaktivität, die den Umsatz von 1 µmol Substrat pro Minute unter Standardbedingungen (pH, Temperatur usw.) katalysiert. Aus dem Substratumsatz pro Zeitintervall ergibt sich also die Reaktionsgeschwindigkeit.

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7. Reaktionsbedingungen für die Enzymmessung: Die Messung der katalytischen Enzymkonzentration/der Enzymaktivität hängt – im Gegensatz zu einfachen Konzentrationsbestimmungen von Stoffen wie etwa Albumin – stark von den Messbedingungen ab, insbesondere von der Temperatur, dem pH-Wert, der Konzentration und der Art des Substrates, von Cofaktoren, der Art und Konzentration des Puffers und dem Einfluss von Effektoren. Daher müssen die Reaktionsbedingungen für die Messung von Enzymaktivitäten verbindlich festgelegt werden, um vergleichbare Bedingungen zu schaffen – nur so können reproduzierbare Ergebnisse erzielt werden. Anmerkung: Das Einhalten der Reaktionsbedingungen muss vor allem strikte bei Handmethoden eingehalten werden – dies wird heute jedoch nur noch vereinzelt gemacht. Die heutigen Vollautomaten sowie Reagenzien gewähren, dass die Reaktionsbedingungen konstant gehalten werden. 7.1. Temperaturabhängigkeit: Sie ist von Enzym zu Enzym unterschiedlich. Eine Temperaturerhöhung um 10°C ergibt in etwa eine Verdoppelung der Reaktionsgeschwindigkeit (RGT-Regel = Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel). Heute ist die Messtemperatur moderner Analysengeräte und die Temperatur für die Befundmitteilung von Enzymaktivitäten einheitlich 37°C. Übrigens dürfen wir die Temperatur zur Reaktionsbeschleunigung bei einer enzymkatalysierten Reaktion nicht beliebig erhöhen (oft schon nicht über 40°C), da durch das Erhitzen die Raumstruktur der Enzyme zerstört wird. Obwohl bei der Denaturierung der chemische Aufbau in Form der Aminosäuresequenz erhalten bleibt, geht die katalytische Aktivität durch Strukturänderung des aktiven Zentrums verloren – die Reaktionsgeschwindigkeit sinkt. 7.2. pH-Wert: Jedes Enzym besitzt einen optimalen pH-Bereich, in welchem die enzymkatalysierte Reaktion am optimalsten abläuft. Dieser Bereich ist meistens relativ eng, wobei das eigentliche Maximum aber oft doch so breit ist, dass kleine pH-Abweichungen unter 0,2 pH-Einheiten kaum Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit haben. Durch extreme pH-Werte jedoch kann es zur irreversiblen Denaturierung von Proteinen kommen. 7.3. Konzentration und Art des Substrates: Bei Bestimmungen von Enzymaktivitäten muss stets in Gegenwart eines Substratüberschusses (d.h. bei Substratsättigung) bzw. beim Substratoptimum gearbeitet werden. Nur so ist Gewähr geboten, dass der gemessene Umsatz durch die zu bestimmende Enzymkonzentration und nicht durch das Substratangebot limitiert wird. Denn während der gesamten Reaktionszeit muss jedes Enzymmolekül ein Substratmolekül binden und umsetzen können – nur so kann die ganze Enzymaktivität erfasst werden.

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Vorsicht: Bei zu hoher Substratkonzentration kann das Enzym gehemmt werden: Substrathemmung. Als Erklärung dient die Vorstellung, dass sich die Substratmoleküle in diesem Fall gegenseitig bei der Bindung an das aktive Zentrum des Enzyms behindern: Zu viele Substratmoleküle sind vorhanden und „versperren“ so den Eingang zum aktiven Zentrum.

Abb. 13: Substrathemmung der Enzymkatalyse

Auch die Art des Substrates hat einen Einfluss: Je besser das zugefügte Substrat zum aktiven Zentrum des Enzyms in der Probe passt (je höher also die Affinität ist), desto schneller liegen Enzym-Substrat-Komplexe vor. Also werden Substrate mit hoher Affinität daher schon bei relativ niedriger Substratkonzentration rasch umgesetzt.

• Wenn das Enzym grosse Affinität zum Substrat besitzt, so ist eine kleinere Substratkonzentration nötig, da die Enzym-Substrat-Komplexe schnell vorliegen.

• Wenn das Enzym eine geringe Affinität zum Substrat besitzt, so ist eine grössere Substratkonzentration nötig, da es länger dauert bis die Enzym-Substrat-Komplexe vorliegen.

7.4. Coenzyme: Coenzyme (auch Cosubstrate genannt) werden bei katalytischen Reaktionen für die Aktivität von Enzymen oft gebraucht: Das Enzym bindet sich an das Coenzym, um dann aktiv zu werden. Coenzyme (z.B. NAD+) binden reversibel und nicht kovalent an das Apoenzym (Enzym-Molekül) und bildet zusammen mit ihm das Holoenzym (Apoenzym + Coenzym = Holoenzym). Das Coenzym wird dabei verändert, das Apoenzym geht unverändert aus der katalysierten Reaktion hervor. Coenzyme leiten sich von Vitaminvorstufen ab: z.B. hat das Coenzym Pyridoxalphosphat das Vitamin B6 (Pyridoxin) als Baustein. Liegt ein Vitamin B6-Mangel vor, so liegt auch ein Mangel des Coenzyms Pyridoxalphosphat vor → die Enzyme, welche das Pyridoxalphosphat als Coenzym benötigen, können die Reaktion nicht katalysieren. Ein Vitaminmangel kann also verschiedene Stoffwechselvorgänge beeinträchtigen und unspezifische Symptome bewirken. (Vitamine sind lebensotwendige hochwirksame Stoffe, die der Mensch in geringen Mengen mit der Nahrung aufnehmen muss, da sie nicht im Körper hergestellt werden können. Sie gehören sehr unterschiedlichen chemischen Stoffklassen an.)

Coenzyme & ihre Vitaminbausteine: • NAD+ (Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid) → Vitamin B3 • NADP+ (Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid-Phosphat) → Vitamin B3

• Pyridoxalphosphat → Vitamin B6

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7.5. Art und Konzentration des Puffers: Nicht nur der pH-Wert des Puffers, sondern auch seine chemische Natur beeinflusst die katalytische Aktivität. Z.B. ist die Aktivität der Alkalischen Phosphatase bei gleichem pH und Substrat in Diethanolamin-Puffer 2- bis 4-mal höher als in 2-Amino-2-methylpropanol-Puffer. 7.6. Effektoren: Effektoren (Ionen, kleine Moleküle, Proteine) sind Aktivatoren (positive Effektoren) oder Inhibitoren (Hemmstoffe, negative Effektoren). Aktivatoren erhöhen und Inhibitoren vermindern die katalytische Aktivität von Enzymen. Effektoren kommen z.B. auch in Antikoagulantien und Reagenzien vor:

• ATP und NADH sind Inhibitoren gewisser Enzyme des Glucoseabbaus (siehe Biochemie).

• ADP und AMP sind Aktivatoren gewisser Enzyme des Glucoseabbaus (siehe Biochemie).

• Fluorid (Antikoagulant in Fluoridröhrchen) hemmt die glykolytischen Enzyme. • Tartrat (Reagenzienzusatz) hemmt die saure Prostata-Phosphatase der

Prostata, Thrombozyten, Monozyten. • Kalziumionen (aus dem Probenmaterial) hemmen die Creatinkinase. • N-Acetylcystein (NAC) reaktiviert die Creatinkinase, die infolge Oxidation ihrer

beiden Sulfhydrylgruppen inaktiviert wurde.

8. Optimierte Standardmethoden: Aus den zuvor genannten Gründen erscheint es verständlich, dass die Vergleichbarkeit von Enzymaktivitätsbestimmungen oft eingeschränkt ist und erst erreicht werden kann, wenn in sog. optimierten Methoden all diese Einflussgrössen (pH-Wert, Substratkonzentration, Effektoren usw.) durch genaue Festlegung der Durchführungsbedingungen weitgehend ausgeschaltet werden. International sind die Bedingungen für die Messung von Enzymreaktionen nicht einheitlich, so dass eine Vielzahl sog. optimierter Testverfahren von der IFCC (Internationale Fachstelle für klinische Chemie) eingeführt wurde: Optimierte Tests sind Tests, welche standardisierte Bedingungen (pH-Wert, Substratkonzentration, Effektoren usw.) erfüllen. Durch optimierte Standardmethoden werden vergleichbare Resultate erzielt (z.B. können so im Labor die gleichen Referenzwerte wie in der Reagenzpackung erreicht werden). In den Packungsbeilegern werden optimierte Tests folgendermassen bezeichnet: "… nach den Empfehlungen der International Federation of Clinical Chemistry (IFCC) modifiziert." In einem Labor sollten optimierte Standardmethoden den anderen Methoden vorgezogen werden (gilt nicht nur bei der Bestimmung der Enzymaktivität sondern für alle Tests).

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C. METHODEN ZUR MESSUNG DER ENZYMAKTIVITÄTEN

Die Messung von Enzymaktivitäten wird mit sog. Enzymtests erfasst: In einem Enzymtest wird die Aktivität eines Enzyms gemessen. Die Messung erfolgt hier immer kinetisch, d.h. die Extinktionszu- oder Extinktionsabnahme wird kontinuierlich oder in genau definierten Zeitabständen über eine bestimmte Zeit gemessen. Oft reicht es nicht, nur ein Substrat zuzuführen – man muss zwei oder mehrere Stoffe hinzugeben. Die Enzymaktivität kann in zwei verschiedenen Verfahren erfolgen:

• mit einem Farbtest (kinetische Messung) • oder mit dem sogenannten optisch-enzymatischen (kinetischen) UV-Test

(einfach oder gekoppelt).

9. Enzymaktivitätsmessung im Farbtest (kinetische Messung): Wie auf den vorherigen Seiten schon erwähnt, ist es zur Ermittlung der Enzymaktivität entscheidend zu wissen, wie viel Substrat pro Zeiteinheit umgesetzt wurde - man kann die Produktzunahme oder aber auch die Substratabnahme im Fotometer messen. Bei der Bestimmung der Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT) wird die Produktzunahme gemessen: Bietet man diesem Enzym zwei bestimmte Substrate an, dann entsteht als Produkt ein Farbstoff, den man im Fotometer messen kann.

Abb. 14: Kinetischer Farbtest (am Beispiel der Aktivitätsmessung der GGT): Die zwei Substrate sind im Testansatz (im Reagenz) im Überschuss enthalten. Unter Wirkung der GGT aus dem Serum entstehen die zwei untenstehenden Produkte. Die Farbänderung auf Zeit des 5-Amino-2-nitrobenzoat kann man im Fotometer bei 405 nm messen und ist proportional zur Enzymaktivität.

Glycylglycin

Man beobachtet bei der Enzymaktivitätsmessung im Farbtest also den Verlauf der Zu- oder Abnahme der Farbintensität auf Zeit, welche der Enzymaktivität proportional ist.

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10. Enzymaktivitätsmessung im optisch-enzymatischen (kinetischen) UV-Test:

Im Vergleich zum obgenannten Farbtest wird hier nicht im Farbbereich gemessen, sondern im UV-Bereich. Grund dafür ist, dass wir NADH oder NADPH messen müssen (da die anderen Produkte oder Edukte nicht messbar sind), welche bei der Reaktion entstanden sind und welche ihr Absorptionsmaximum im UV-Bereich haben.

• NADH + H+ NAD+ (NADH ist die reduzierte Coenzymform von NAD+) • NADPH + H+ NADP+ (NADPH ist die reduzierte Coenzymform NADP+)

Wir schauen uns als Beispiel das Bestimmungsverfahren des Enzyms Lactatdehydrogenase (LDH) an:

a. Messreaktion: LDH L-Lactat + NAD+ Pyruvat + NADH + H+

Bei einem optisch-enzymatischen UV-Test wird bei einer entsprechenden Testreaktion die Oxidation von reduziertem Nikotinamid-adenin-dinukleotid (NADH), gemessen. Fotometrisch kann immer nur das NADH im UV-Bereich bei 340 nm (auch möglich bei 334 nm, 365 nm) gemessen werden – Grund: Würde man im Absorptionsmaximum bei 260 nm messen, so wäre dies ungünstig, weil sowohl NAD+ als auch NADH ihr Absorptionsmaximum bei 260 nm haben.

Da NADH im Gegensatz zu NAD zwischen 300 und 370 nm stark absorbiert, kann anhand der

Extinktionsänderung (Abnahme bei Oxidation von NADH, Zunahme bei Reduktion von NAD) bei einer Wellenlänge von 340 oder 366 nm der Ablauf der Reaktion verfolgt werden. Die Extinktion des NAD+ ist bei dieser Wellenlänge fast gleich null.

Abb. 16: Absorptionsspektrum von NADH (NADPH) und NAD (NADP). NADH bzw. NADPH haben bei 340 nm ein zusätzliches Absorptionsmaximum.

Abb. 15: Die Lactatdehydrogenase katalysiert die Oxidation von L-Lactat (Substrat) zu Pyruvat (Produkt) unter gleichzeitiger Reduktion von NAD+ (Coenzym) zu NADH. Die Geschwindigkeit der Bildung von NADH ist direkt proportional zur LDH-Aktivität.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 17

Page 18: Skript Enzyme

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Die Extinktionsänderung ist der Enzymaktivität proportional. NADH bzw. NAD kann direkt an der vom Enzym katalysierten Reaktion beteiligt sein. Analoges gilt für Nikotinamid-adenin-dinukleotidphosphat (NAD(P)) bzw. die reduzierte Verbindung NAD(P)H. Läuft die Reaktion von NADH zu NAD+ ab, so handelt es sich um eine Extinktionsabnahme. Wenn die Reaktion von NAD+ zu NADH abläuft, so handelt es sich immer um eine Extinktionszunahme:

a. Messreaktion: LDH L-Lactat + NAD+ Pyruvat + NADH + H+

Abb. 17: LDH: Läuft die Reaktion von NAD+ (Eduktabnahme) nach NADH (Produktzunahme) ab, so handelt es sich um eine Extinktionszunahme.

a. Messreaktion: ASAT L-Aspartat + 2-Oxoglutarat Oxalacetat + L-Glutamat b. Indikatorreaktion: MDH Oxalacetat + NADH + H+ L-Malat + NAD+

Abb. 18: ASAT: Die Reaktion läuft von NADH (Eduktabnahme) nach NAD+ (Produktzunahme) ab, so handelt es sich um eine Extinktionsabnahme.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 18

Page 19: Skript Enzyme

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10.1. Enzymaktivitätsmessung im gekoppelten optisch-enzymatischen (kinetischen) UV-Test:

Auch die Aktivität von Enzymen, welche nicht NAD+- oder NADP+ -abhängig sind, kann mit Hilfe des optischen Tests bestimmt werden. Es gibt eine Vielzahl von Enzymen, bei denen keines der in der Messreaktion auftretenden Substrate, Cosubstrate und Produkte photometrisch erfasst werden kann; denn diese Enzyme sind nicht NAD+- oder NADP+ -abhängig. Bei ihnen muss die eigentliche enzymatisch-katalysierte Reaktion mit einer NAD+- oder NADP+ -abhängigen Indikatorreaktion gekoppelt werden. Man spricht dann von einem gekoppelten optisch-enzymatischen Test. Meistens ist die Indikatorreaktion der eigentlichen Messreaktion nachgeschaltet, indem eines der Produkte der Messreaktion in der Indikatorreaktion weiterreagiert: Die Messreaktion wird von dem zu untersuchenden Enzym aus der Probe katalysiert. In der Indikatorreaktion reagiert eines der dabei gebildeten Produkte zu einem photometrisch „sichtbaren Folgeprodukt“ weiter. Einfach dargestellt:

Abb. 19: Gekoppelter optisch-enzymatischer UV-Test

Beispiel für einen gekoppelten optischen Test mit Mess- und Indikatorreaktion ist die Bestimmung der Transaminase Alanin-Aminotransferase ALAT (GPT): a. Messreaktion: ALAT L-Alanin + 2-Oxoglutarat L-Glutamat + Pyruvat b. Indikatorreaktion: LD Pyruvat + NADH + H+ Lactat + NAD+ Beispiel für einen gekoppelten optischen Test mit Hilfs-, Indikator- und Messreaktion ist die Bestimmung der Creatinkinase (CK): a. Messreaktion: CK Creatinphosphat + ADP Creatin + ATP b. Hilfsreaktion: Hexokinase ATP + Glucose Glucose-6-P + ADP c. Indikatorreaktion: Glucose-6-P- Dehydrogenase Gluc-6-P + NADP+ 6-Phosphogluconat + NADPH + H+

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 19

Page 20: Skript Enzyme

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a. Messreaktion: Erster Schritt im Ablauf einer chemischen Reaktion, wobei das zu messende Enzym hier reagiert und Produkte entstehen. b. Hilfsreaktion: Ein oder mehrere Schritte nach der Messreaktion, um die Produkte aus der Messreaktion soweit umzuwandeln, dass dessen Konzentration in der Indikatorreaktion gemessen werden kann. Hier kommen sogenannte "Hilfsenzyme" zum Einsatz: D.h. dem Reagenz zugesetzte Enzyme, die den Umsatz der Edukte in der Hilfsreaktion (=Produkte aus der Messreaktion) katalysieren. c. Indikatorreaktion: Letzter Schritt im Testablauf, in welchem die Edukte zu Produkte reagieren.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 20

Page 21: Skript Enzyme

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D. ENZYMATISCHE TESTS

11. Enzymatische Substratbestimmung (Enzymatischer Test): Enzyme sind nicht nur unter diagnostischen Gesichtspunkten interessant, sondern auch wichtige Hilfsmittel zur Bestimmung von Substratkonzentrationen, da sie sehr spezifisch sind. Substrat (Protein, Lipid, Glucose usw.), das gemessen werden soll, wird mit Hilfe von Enzymen umgesetzt, so dass die Extinktionsänderung als Mass für die Substratkonzentration fotometrisch erfasst werden kann = Enzymatischer Test. Als Beispiel die Bestimmung der Harnsäure mittels einem Enzym: Für die Harnsäure gibt es ein ideales Enzym, das ist die Uricase. Die Uricase baut Harnsäure ab. Gibt man Uricase zum Serum dazu, wird die Harnsäure abgebaut. Irgendwann ist die ganze Harnsäure abgebaut und die Extinktion ändert sich nicht mehr. Da die Harnsäure bei 290 nm Licht absorbiert, kann man den Abbau im Fotometer beobachten. Die Messung der Harnsäurekonzentration kann auf zwei verschiedene Möglichkeiten ablaufen: 11.1. Endpunkt-Methode: Dabei lässt man die Reaktion wie oben beschrieben ablaufen. Man misst die Extinktion zwei Mal: Einmal den Ausgangwert vor Zugabe des Enzyms und nach Erreichen des Endwertes. Die Differenz zwischen Ausgangswert und Endwert (multipliziert mit dem entsprechenden Faktor) entspricht der Harnsäurekonzentration. 11.2. Kinetische Methode: Diese hat folgende Grundlage: Unter geeigneten Bedingungen ist die Geschwindigkeit, mit der das Substrat (z.B. Harnsäure) abgebaut wird, proportional zur Menge vorhandenen Substrats. Man kann damit aus der Geschwindigkeit des Abbaus auf die Substratkonzentration schliessen.

Man misst hier die Extinktion zweimal während die Reaktion läuft, also während des Abfalls der Substratkonzentration. Mittels geeigneter mathematischer Formeln lässt sich aus der Differenz der beiden gemessenen Extinktionen und der verstrichenen Zeit die Ausgangskonzentration berechnen. (Anmerkung: Vollautomaten messen nicht nur 2x, sondern viel öfters, was zu genaueren Resultaten führt.)

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 21

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E. ISOENZYME Enzyme mit gleicher Substratspezifität und enzymatischer Wirkung (d.h. sie katalysieren die gleichen Reaktionen), aber mit unterschiedlicher Proteinstruktur, bezeichnet man als Isoenzyme. Bei Isoenzymen handelt es sich zum Beispiel um mitochondriale und zytoplasmatische Formen des „gleichen“ Enzyms (z.B. ASAT) oder um Enzymvarianten, die gewebespezifisch vorkommen (z.B. Knochen-ALP und plazentäre-ALP) oder auch um Enzymvarianten, die rassenspezifische Unterschiede zeigen. Beispiele:

• Das Enzym LDH (LD) hat 5 Isoenzyme (LDH-1, LDH-2, LDH-3, LDH-4, LDH-5). Die LDH setzt sich aus zwei verschiedenen genetisch determinierten Untereinheiten A und B zusammen. Das Enzym besteht jeweils aus 4 Untereinheiten, so dass fünf Kombinationen möglich sind. Alle fünf Formen katalysieren dieselbe Reaktion, sind also Isoenzyme.

• Das Enzym CK hat 3 Isoenzyme: CK-MM, CK-MB, CK-BB. Die relativen Mengen der verschiedenen Isoenzyme sind je nach Organ unterschiedlich. Die üblichen Enzymtestverfahren erfassen alle Isoenzymformen „eines Enzyms“ gemeinsam. Die Quantifizierung von Isoenzymen gewinnt zunehmende diagnostische Bedeutung und ist mittels verschiedener Methoden möglich. Die am häufigsten anzutreffenden sind:

• Immunologische Bestimmungsverfahren: Die Bestimmung erfolgt mit

hochspezifischen monoklonalen Antikörpern (z.B. CK-MB-Masse). • Elektrophoretische Trennverfahren (siehe klinische Chemie, Proteine):

Aufgrund der unterschiedlichen Proteinstruktur der Isoenzyme zeigen sie charakteristische elektrophoretische Wandereigenschaften; jedes Isoenzym weist eine eigene Bande auf. Dieses Verfahren wird für die Isoenzymbestimmung nur selten durchgeführt.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 22

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F. ENZYME IM EINZELNEN Auf den folgenden Seiten finden Sie eine Zusammenstellung der einzelnen Enzyme, welche im Labor am häufigsten bestimmt werden. Die Referenzbereiche, Probenmaterialien sowie die Präanalytik muss den Packungsbeileger entnommen werden – es wird hier nicht näher darauf eingegangen.

12. Alanin-Aminotransferase ALAT/ALT bzw. GPT (Glutamat-Pyruvat-Transaminase):

Der Name Transaminase beschreibt die physiologische Funktion des Enzyms Alanin-Aminotransferase (ALAT, früher GPT): Es ermöglicht den Transfer von stickstoffhaltigen Gruppen von einer AS auf eine andere. 12.1. Vorkommen: Die ALAT/GPT ist ein in vielen Geweben vorkommendes Zellenzym. Es ist im Zytoplasma lokalisiert, so dass es bereits bei geringgradigen Störungen der Membranpermeabilität zu einem Anstieg der ALAT im Blut kommt. Die ALAT kommt in grosser Konzentration vor allem in der Leber vor und besitzt somit grosse diagnostische Bedeutung als Leitenzym für die Erkennung, Differenzierung und Verlaufsbeurteilung von Erkrankungen der Leber und Gallenwege. In kleiner Konzentration kommt die ALAT auch in Skelettmuskel, Herz, Niere, Pankreas und Erythrozyten vor, d.h. auch bei diesen Organerkrankungen kann die ALAT im Blut erhöht sein – jedoch nur leicht! Parallele Bestimmungen von ALAT und ASAT werden zur Unterscheidung zwischen Leber- und Herz-/Muskelschäden durchgeführt: Als spezifisches Leberenzym ist ALAT nur bei hepatobiliären Erkrankungen signifikant erhöht. Erhöhte ASAT-Werte aber können sowohl mit Erkrankungen der Herz- und Skelettmuskulatur als auch des Leberparenchyms zusammenhängen. In diesem Zusammenhang werden in einigen Spitälern der sogenannte De-Ritis-Quotient (ASAT/ALAT-Quotient) ausgerechnet, um solche Einschränkungen zu machen (siehe später). ALAT ist jedoch bei Lebererkrankungen das spezifischere Enzym als ASAT; ausserdem hält die Erhöhung der ALAT-Aktivität länger an als die der ASAT-Aktivität.

Organ: Erkrankung und Verhalten der ALAT:

Leber und Gallenwege:

• bei Lebererkrankungen ↑, z.B.: Hepatitis, Zirrhose, toxische Leberschäden durch z.B. Alkohol, Lebertumor usw.

• bei Gallenwegerkrankungen ↑, z.B.: Cholestase Geringfügig erhöhte Werte der ALAT können auch durch häufigen Alkoholgenuss und die Einnahme bestimmter Medikamente bedingt sein.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 23

Page 24: Skript Enzyme

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12.2. Bestimmungsverfahren: Die Alanin-Aminotransferase katalysiert die Übertragung der Aminogruppe von L-Alanin auf 2-Oxoglutarat unter Bildung von Glutamat und Pyruvat. In der nachgeschalteten Indikatorreaktion wird das Pyruvat mit Hilfe von NADH zu Lactat reduziert; diese Reaktion wird durch die Lactatdehydrogenase (LDH) katalysiert. Gemessen wird die Absorptionsabnahme (bei 340 nm, 334 nm oder 365 nm) in der Indikatorreaktion aufgrund des NADH-Verbrauchs (die Abnahme der NADH-Konzentration ist der Enzymaktivität proportional). Es handelt sich dabei um einen gekoppelten, optisch-enzymatisch UV-Test, mittels kinetischer Messung: a. Messreaktion: ALAT L-Alanin + 2-Oxoglutarat L-Glutamat + Pyruvat b. Indikatorreaktion: LDH Pyruvat + NADH + H+ L-Lactat + NAD+

Bei der ALAT-Bestimmung (wie bei ASAT) können folgende Störungen auftreten, welchen folgendermassen entgegengewirkt wird :

• Vor dem Start der spezifischen Messreaktion mit 2-Oxoglutarat wird das Coenzym der Transaminasen (Pyridoxalphosphat) dem Reaktionsansatz zugefügt, um etwa in der Probe vorhandene inaktive Apo-ALAT (Enzym ohne gebundenes Pyridoxalphosphat = PLP; ungebunden, weil in der Probe zu wenig des Coenzyms PLP vorhanden ist und so das Enzym ALAT nicht aktiviert werden kann) durch Bildung des Holoenzyms (Apo-ALAT + Pyridoxalphosphat) zu aktivieren. Dieser Zusatz von Pyridoxalphosphat vermeidet falsch niedrige Werte in Proben von Patienten mit Myokardinfarkt, Lebererkrankungen, Intensivpatienten und Patienten mit Vitamin-B6-Mangel, die zu wenig endogenes Pyridoxalphosphat enthalten. Das Pyridoxalphosphat muss dem Reagenz zusätzlich beigefügt und separat bestellt werden – aus Kostengründen gibt es Labors, welche kein Pyridoxalphosphat zugeben und den Ansatz ohne Pyridoxalphosphat durchführen. Die Referenzwerte variieren dann einwenig. Wird dem Reagenz kein Pyridoxalphosphat zugefügt, so kann die Serumaminotransferaseaktivität bei obigen Patienten falsch vermindert sein.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 24

Page 25: Skript Enzyme

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• Lactatdehydrogenase (LDH/LD) wird zugegeben, um während der Vorinkubationszeit das in der Probe vorhandene Pyruvat zu reduzieren, damit es nicht durch Reaktion des endogenen Pyruvats konkurrierend zur Indikatorreaktion zu einem unspezifischen NADH-Verbrauch kommt. Endogenes Pyruvat kommt z.B. vermehrt bei Diabetikern vor: Durch Störungen im Glukosestoffwechsel fällt bei ihnen viel Pyruvat an, welches in der Reaktion auch NADH verbraucht und so zu falsch erhöhten Resultaten führen kann.

Abb. 20: Reaktionsablauf bei der Bestimmung der ALAT mit Pyridoxalphosphat.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 25

Page 26: Skript Enzyme

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13. Aspartat-Aminotransferase ASAT/AST bzw. GOT (Glutamat-Oxalacetat-Transaminase):

Der Name Transaminase beschreibt die physiologische Funktion des Enzyms Aspartat-Aminotransferase (ASAT, früher GOT): Es ermöglicht den Transfer von stickstoffhalten Gruppen von einer AS auf eine andere. 13.1. Vorkommen: Die ASAT/GOT ist ein in vielen Geweben vorkommendes Zellenzym, das sowohl zytosolisch (zu 1/3) gelöst als auch an mitochondriale Strukturen (zu 2/3) gebunden vorliegt. Die ASAT kommt daher erst dann stärker ins Blut, wenn Zellen vollständig zerstört sind. ASAT kommt in Leber, Herz, Skelettmuskel, Gehirn, Niere, Pankreas, Lunge und Erythrozyten vor. Diagnostische Bedeutung besitzt die ASAT für die Erkennung, Differenzierung und Verlaufsbeurteilung von Erkrankungen der Leber und Gallenwege, sowie darüber hinaus bei der Differenzialdiagnose von Erkrankungen der Skelett- und Herzmuskulatur, beim Lungeninfarkt und der hämolytischen Anämie. Geringfügig erhöhte Werte der ASAT können auch durch häufigen Alkoholgenuss und die Einnahme bestimmter Medikamente bedingt sein. Parallele Bestimmungen von ALAT und ASAT werden zur Unterscheidung zwischen Leber- und Herz-/Muskelschäden durchgeführt: Als spezifisches Leberenzym ist ALAT nur bei hepatobiliären Erkrankungen signifikant erhöht. Erhöhte ASAT-Werte aber können sowohl mit Erkrankungen der Herz- und Skelettmuskulatur als auch des Leberparenchyms zusammenhängen. Ist die ASAT stark erhöht (gleich hoch wie ALAT oder höher), so weist dies auf mitochondriale Schädigung und somit auf eine starke Zellschädigung hin.

Organ: Erkrankung und Verhalten der ASAT:

Leber und Gallenwege:

• bei Lebererkrankungen ↑, z.B.: Hepatitis, Zirrhose, toxische Leberschäden durch z.B. Alkohol, Lebertumor usw.

• bei Gallenwegerkrankungen ↑, z.B.: Cholestase

Skelettmuskel: • ↑ bei z.B.: Muskeldystrophie, Krampfanfälle, Entzündungen, schwere körperliche Anstrengung

Herz: • Herzinfarkt (keine Organspezifität!) ↑ Lunge: • Lungeninfarkt ↑ Blut: • hämolytische Anämie ↑

13.2. Bestimmungsverfahren: Die Aspartat-Aminotransferase katalysiert die Übertragung der Aminogruppe von L-Aspartat auf 2-Oxoglutarat unter Bildung von L-Glutamat und Oxalacetat. In der nachgeschalteten Indikatorreaktion wird das Oxalacetat mit Hilfe von NADH zu L-Malat reduziert; diese Reaktion wird durch die Malatdehydrogenase (MDH) katalysiert. Gemessen wird die Absorptionsabnahme (bei 340 nm, 334 nm oder 365 nm) in der Indikatorreaktion aufgrund des NADH-Verbrauchs (die Abnahme der NADH-Konzentration ist der Enzymaktivität proportional). Es handelt sich hierbei um einen gekoppelten, optisch-enzymatischen UV-Test, mitels kinetischer Messung:

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 26

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a. Messreaktion: ASAT L-Aspartat + 2-Oxoglutarat Oxalacetat + L-Glutamat b. Indikatorreaktion: MDH Oxalacetat + NADH + H+ L-Malat + NAD+ Bei der ASAT-Bestimmung (wie bei ALAT) können folgende Störungen auftreten, welchen folgendermassen entgegengewirkt wird :

• Vor dem Start der spezifischen Reaktion wird das Coenzym der Transaminasen (Pyridoxalphosphat) dem Reaktionsansatz zugefügt, um etwa in der Probe vorhandene inaktive Apo-ASAT (Enzym ohne gebundenes Pyridoxalphosphat = PLP; ungebunden, weil in der Probe zu wenig des Coenzyms PLP vorhanden ist und so das Enzym ASAT nicht aktiviert werden kann) durch Bildung des Holoenzyms (Apo-ASAT + Pyridoxalphosphat) zu aktivieren. Dieser Zusatz von Pyridoxalphosphat vermeidet falsch niedrige Werte in Proben von Patienten mit Myokardinfarkt, Lebererkrankungen, Intensivpatienten und Vitamin-B6-Mangel, die zu wenig endogenes Pyridoxalphosphat enthalten. Das Pyridoxalphosphat muss dem Reagenz zusätzlich beigefügt und separat bestellt werden – aus Kostengründen gibt es Labors, welche kein Pyridoxalphosphat zugeben und den Ansatz ohne Pyridoxalphosphat durchführen. Die Referenzwerte variieren dann einwenig. Wird dem Reagenz kein Pyridoxalphosphat zugefügt, so kann die Serumaminotransferaseaktivität bei Patienten mit Vitamin-B6-Mangel vermindert sein.

• Lactatdehydrogenase (LDH/LD) wird zugegeben, um während der Vorinkubationszeit das in der Probe vorhandene Pyruvat zu reduzieren, damit es nicht durch Reaktion des endogenen Pyruvats konkurrierend zur Indikatorreaktion zu einem unspezifischen NADH-Verbrauch kommt. Endogenes Pyruvat kommt z.B. vermehrt bei Diabetikern vor: Durch Störungen im Glukosestoffwechsel fällt bei ihnen viel Pyruvat an, welches in der Reaktion auch NADH verbraucht und so zu falsch erhöhten Resultaten führen kann.

Abb. 21: Reaktionsablauf bei der Bestimmung der ASAT mit Pyridoxalphosphat. .

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 27

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14. Alkalische Phosphatase

ALP/AP: Unter der Bezeichnung „Alkalische Phosphatase (ALP/AP)“ wird eine Gruppe von Enzymen zusammengefasst, die Phosphatester spalten und am besten bei einem pH > 7.0, also im alkalischen Milieu wirken. 14.1. Vorkommen: Die alkalischen Phosphatasen im Blut kommen vorwiegend aus dem Knochen (zu ca. 50%) und der Leber (zu ca. 50%), vor allem das Gallengansgewebe besitzt sehr viel AP-Aktivität. Bei einem Viertel der Menschen stammen ca. 10% aus dem Dünndarm. Bei Schwangeren kommt ein Teil der alkalischen Phosphatase aus der Plazenta. Alkalische Phosphatasen sind membranständige Zellenzyme. Von ihnen existieren verschiedene Isoenzyme, welche aus verschiedenen Geweben stammen und auch so benannt werden:

• Leber-AP • Knochen-AP • Dünndarm-AP (auch intestinale-AP) • Plazenta-AP

Diese AP-Isoenzyme können mit speziellen Tests einzeln gemessen werden. Je nach Methode lassen sich noch einige andere Untergruppen unterscheiden. Wenn man aber von der Alkalischen Phosphatase spricht, so ist damit die Gesamtaktivität aller im Blut befindlichen Alkalischen Phosphatasen gemeint – genauer müsste man dies "Gesamt-AP" nennen. Meist reicht die Bestimmung der Gesamt-AP aus, für spezielle Fragestellungen oder Situationen muss man einzelne AP-Isoenzyme bestimmen. Das kann eine unklare Gesamt-AP Erhöhung sein, bei der man wissen möchte, ob sie von der Leber oder vom Knochen verursacht wurde. Oder man möchte die Knochen-AP bei bekannter Lebererkrankung abschätzen. Auch wenn man den Verlauf der AP bei einer Erkrankung kontrollieren möchte gelingt dies exakter durch Bestimmung des interessierenden AP-Isoenzyms. Die Konzentration der Alkalischen Phosphatase im Blut wird meist bei Verdacht auf Leber-, Gallenwegs- oder Knochenkrankheiten bestimmt, sowie zur Beobachtung des Verlaufs dieser Erkrankungen. Bei Verschlüssen der Gallenwege findet man die höchsten Werte, bei Erkrankungen der Leber findet man weniger starke Erhöhungen. Auch Erkrankungen der Knochen können Ursache einer Erhöhung sein. Bei Kindern und in der Schwangerschaft findet man auch normalerweise höhere AP-Spiegel.

Organ: Erkrankung und Verhalten der ALP:

Leber und Gallenwege:

• bei Lebererkrankungen ↑, z.B.: Hepatitis, Lebertumor und –metastasen usw.

• bei Gallenwegerkrankungen ↑, z.B.: Cholestase Knochen:

• bei Knochenerkrankungen ↑ als Folge gesteigerter osteoblastischer Aktivität, z.B.: Morbus Paget (entzündliche Knochendystrophie), Osteomalazie (generalisierte Knochenerweichung), Knochentumoren und –metastasen

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 28

Page 29: Skript Enzyme

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14.2. Bestimmungsverfahren: Die Alkalische Phosphatase katalysiert in Gegenwart von Magnesiumionen die Hydrolyse des farblosen p-Nitrophenylphosphat zu Phosphat und p-Nitrophenol, welches im alkalischen Bereich eine gelbe Farbe aufweist, deren Farbintensität bei ca. 405 nm bestimmt wird. Die Geschwindigkeit der Bildung von p-Nitrophenol und somit deren Farbintensität ist direkt proportional zur ALP-Aktivität. Gemessen wird die Gesamt-ALP. Es handelt sich demnach um einen kinetischen Farbtest (Enzymtest): a. Messreaktion: ALP p-Nitrophenylphosphat + H2O p-Nitrophenol + Phosphat Abb. 22: Reaktionsablauf bei der Bestimmung der ALP.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 29

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15. Gamma-Glutamyltransferase y-GT/GGT:

Die γ-GT hilft Glutamyl-Reste von einem Stoff (z.B. von Glutathion) auf einen anderen (z.B. eine AS) zu übertragen, also zu transferieren. 15.1. Vorkommen: Die Gamma-Glutamyltransferase (γ-GT) findet sich gebunden an die Zellmembran (Zellenzym). Sie kommt in sehr vielen Organen vor. Die γ-GT, die man im Blut messen kann, stammt aber praktisch nur aus der Leber – und in der Leber sind es vor allem die Zellen, die die kleinen Gallengänge auskleiden (also Gallengansgewebe), auf denen man besonders viel GGT-Aktivität findet. Die GGT im Blut ist also ein sehr empfindlicher Anzeiger und somit ein Leitenzym für Erkrankungen der Leber und Gallenwege.

Organ: Erkrankung und Verhalten der ASAT:

Leber und Gallenwege:

• bei Lebererkrankungen ↑, z.B.: Hepatitis, toxische Leberschäden durch z.B. Alkohol, Leberzirrhose, Fettleber, Lebertumor und –metastasen usw.

• bei Gallenwegerkrankungen ↑, z.B.: Cholestase

Zusammen mit anderen Enzymen wie ALAT, ASAT, AP und Cholinesterase ist die γ-GT ein wertvoller Test zur Differentialdiagnose bei Lebererkrankungen. 15.2. Bestimmungsverfahren: Die Gamma-Glutamyltransferase katalysiert die Übertragung der L-γ-Glutamylgruppe von L- γ-Glutamyl-3-carboxy-4-nitranilid (Glucana) auf Glycylglycin. Dabei bilden sich L- γ-Glutamyl-Glycylglycin und 5-Amino-2-nitrobenzoat. Gemessen wird das gelbe Reaktionsprodukt 5-Amino-2-nitrobenzoat bei ca. 405 nm. Die Geschwindigkeit der Bildung von 5-Amino-2-nitrobenzoat ist direkt proportional zur γ-GT-Aktivität. Es handelt sich hierbei um einen kinetischen Farbtest (Enzymtest):

a. Messreaktion: L- γ-Glutamyl-3-carboxy-4-nitranilid + Glycylglycin γ-GT L-γ-Glutamyl-Glycylglycin + 5-Amino-2-nitrobenzoat

Abb. 23: Reaktionsablauf bei der

Bestimmung der Gamma-GT.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 30

Page 31: Skript Enzyme

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16. Cholinesterase CHE:

Die Cholinesterasen (CHE) sind eine Gruppe von Enzymen, die bevorzugt Ester des Cholins oder des Thiocholins spalten. Es wird auch der Name Pseudo-Cholinesterase verwendet. 16.1. Vorkommen: Im Körper kommen verschiedene Cholinesterasen vor. Im klinischen Gebrauch versteht man darunter aber nur die im Blut vorkommende Cholinesterase (genauer die Acylcholin-Acylhydrolase, die auch als Pseudo-Cholinesterase, unspezifische Cholinesterase, Cholinesterase II, Benzoyl-Cholinesterase oder S-Typ-Cholinesterase bezeichnet wird). Die CHE werden in der Leber synthetisiert und ins Plasma exportiert → CHE sind plasmaspezifische Enzyme. Die Serumaktivität ist von der Funktion und der Anzahl der Leberparenchymzellen abhängig. Deshalb ist die CHE-Aktivität eine Messgrösse der globalen Leberfunktion und somit ein Leitenzym für die Leber. Es führen jedoch nur schwere Leberschäden, die mit einer erheblichen Reduzierung der Proteinsynthese der einzelnen Parenchymzelle einhergehen oder die auf einer starken Verminderung der Parenchymzellmasse beruhen, zu einem Absinken des CHE-Wertes unter den unteren Referenzbereichswert.

Organ: Erkrankung und Verhalten der Cholinesterase im Blut:

Leber:

• ↓ bei z.B.: Leberzirrhose, chron. Hepatitis, Lebertumoren, -metastasen

• Insektizidvergiftung ↓ Muskelrelaxansunverträglichkeit ↓

Die Cholinesterase wird also zur Erkennung von Leberschäden oder Vergiftungen mit bestimmten Schädlingsbekämpfungsmitteln bestimmt. Muskelrelaxantien, die regelmässig bei operativen Eingriffen neben den Anästhetika eingesetzt werden, müssen durch die CHE wieder inaktiviert werden. Bei Menschen mit verminderter Cholinesteraseaktivität wirken manche bei der Narkose eingesetze Medikamente viel stärker. Um dies zu erkennen und die Dosierung der entsprechenden Medikamente anzupassen, wird die Cholinesterase auch vor Operationen gemessen. 16.2. Bestimmungsverfahren: Eine IFCC-Standardmethode ist nicht verfügbar. In gängigen Methoden hydrolisiert die Cholinesterase das Butyrylthiocholin unter Freisetzung von Buttersäure und Thiocholin. Thiocholin reduziert in der Indikatorreaktion gelbes Kaliumhexacyanoferrat (III) zu farblosem Kaliumhexacyanoferrat (II). Nach Reaktionsstart mit Butyrylthiocholin wird die Absorptionsabnahme bei 405 nm gemessen.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 31

Page 32: Skript Enzyme

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a. Messreaktion: CHE Butyrylthiocholin + H20 Buttersäure + Thiocholin b. Indikatorreaktion: 2 Thiocholin + 2OH- + 2[Fe(CN)6]3-

Dithiobis(cholin) + H2O + 2[Fe(CN)6]4-

Bedeutung der CHE-Messung im präoperativen Screening:

Succinyldicholin und ähnliche Muskelrelaxantien werden bei grösseren Eingriffen gemeinsam mit den eigentlichen Narkotika eingesetzt. Succinyldicholin macht wie Insektizide die Erregungsübertragung durch Acetylcholin unmöglich. Abgebaut wird Succinyldicholin im Blutplasma durch die CHE. Genetisch bedingt haben einige Patienten abnormale CHE-Enzyme, die das verabreichte Succinyldicholin wesentlich langsamer hydrolysieren. Die betroffenen Patienten würden deshalb bei der üblichen Narkoseführung verlängert beatmungspflichtig sein, verbunden mit den entsprechenden Risiken. Im präoperativen Screening fallen diese Patienten durch eine niedrige Serum-CHE auf und der Anästhesist kann sich auf diese Besonderheit einstellen.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 32

Page 33: Skript Enzyme

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17. Glutamat-Dehydrogenase GD/GLDH:

Ihren Namen hat die Glutamatdehydrogenase von ihrer Wirkung im Stoffwechsel: Sie hilft Glutamat unter Abspaltung von Wasserstoff letztlich in Oxoglutarat umzuwandeln. 17.1. Vorkommen: Die GLDH ist ein Zellenzym, das nur in den Mitochondrien dafür aber in allen Geweben vorkommt. Die Aktivität ist in der Leber 10-fach höher als in anderen Geweben, deshalb sind erhöhte Aktivitäten im Serum ausschliesslich leberbeding → Leitenzym. Man bestimmt die GLDH praktisch nur gemeinsam mit anderen Leberenzymen, wie der ASAT und der ALAT und beurteilt die GLDH-Werte im Vergleich zu den ASAT- und ALAT-Werten. Während die ASAT und ALAT teilweise oder ganz aus der Zellflüssigkeit der Leberzelle stammen, kommt die GLDH nur aus den Mitochondrien der Zelle. Das hat folgende wichtige Bedeutung: ASAT und ALAT werden schon bei leichteren Leberschäden erhöht sein, während die GLDH im Blut erst ansteigt, wenn die Leberzelle ganz zu Grunde gehen. Erhöhungen der GLDH bedeuten also einen schweren Leberschaden. Besonders hohe Werte entstehen bei Vergiftungen. Man muss die GLDH im Vergleich mit anderen Leberenzymen (ASAT, ALAT) beurteilen.

Organ: Erkrankung und Verhalten der GD: Leber und Gallenwege:

• ↑ z.B. bei: Hepatitis, Lebertumor, Lebermetastasen, plötzlicher Blutunterversorgung mit Sauerstoffmangel der Leber (entsteht durch Versagen des rechten Herzteils, Verstopfung der Lebervenen oder Leberarterie) usw.

• ↑ bei Pilzvergiftung • ↑ bei Galle-Stauung: Gallensteine, Tumor,

Verengungen usw. 17.2. Bestimmungsverfahren: Die Glutamat-Dehydrogenase katalysiert die reduktive Aminierung von 2-Oxoglutarat zu L-Glutamat unter gleichzeitiger Oxidation von NADH. Gemessen wird die Absorptionsabnahme (NADH) bei 340 nm oder 334 nm. Gestartet wird die Messreaktion durch Zugabe von 2-Oxoglutarat. Störeinflüsse durch die Lactatdehydrogenase (NADH-Verbrauch) werden durch den Zusatz von Oxamat im Reagenz 1 vermindert. Es handelt sich um einen optisch-enzymatischen UV-Test, mittels kinetischer Messung:

GD 2-Oxoglutarat + NH4

+ + NADH L-Glutamat + NAD+ + H2O

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 33

Page 34: Skript Enzyme

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Abb. 24: Reaktionsablauf bei der Bestimmung der

GD.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 34

Page 35: Skript Enzyme

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18. Lactatdehydrogenase LDH/LD:

Lactat-Dehydrogenase (LDH/LD) ist ein Enzym, das aus fünf Isoenzymen besteht. Das Enzym ermöglicht eine chemische Reaktion, bei der aus dem Laktat (Milchsäure) unter Abgabe eines Wasserstoffs (Hydrogenium) das Pyruvat wird. 18.1. Vorkommen: Die Lactatdehydrogenase ist ein zytosolisches (im Zytoplasma lokalisiert) Zellenzym und kommt in jeder Zelle vor – besonders hohe Konzentratonen findet man in der Leber, dem Herzen, dem (Skelett)muskel, der Niere und den Ec. Wegen ihrer universellen Verteilung führt jede Zellmembranschädigung und jeder vermehrte Zelluntergang zu einer Aktivitätserhöhung der LD im Plasma. Es genügen schon geringe Läsionen, damit die relativ kleinen LD-Moleküle in die Blutbahn gelangen. Da die LDH im Ec in ca. 160-fach höherer Konzentration vorliegt als im Plasma, darf hämolytisches Untersuchungsmaterial keinesfalls verwendet werden! Von diagnostischer Bedeutung der LDH ist vor allem der Nachweis einer Gewebsschädigung bzw. einer Hämolyse. Wegen der fehlenden Spezifität von LDH ist für eine Differentialdiagnose die Bestimmung der LDH-Isoenzyme oder anderer Enzyme wie ALP oder ALAT und ASAT notwendig.

Organ: Erkrankung und Verhalten der LDH (gesamt):

Erhöhte Isoenzyme: Hämolysen:

• ↑ bei Malaria • ↑ bei Thalassämie, Kugelzell-,

Sichelzellanämie • ↑ bei Vitamin B12- und/oder

Folsäuremangel

• LD-1,2

Lunge:

• bei Lungenkrankheiten ↑, z.B.: Lungenembolie, Lungeninfarkt, Bronchialkarzinom

• LD-3

Herz: • Herzinfarkt ↑ • LD-1, 2

Muskel: • ↑ bei Muskelerkrankungen, aber auch extremer körperlicher Anstrengung

• LD-5 Leber- und Gallenwege:

• bei Lebererkrankungen ↑, z.B.: Virushepatitis, Leberkarzinom, Vergiftungen (z.B. Knollenblätterpilz), plötzliche Durchblutungsstörungen der Leber (z.B. wegen Herzversagen)

• LD-5

Niere: • bei Nierenerkrankungen ↑ • LD-1, 2 Neoplasmen (Tumoren): ↑ • Variabel LD-1 bis LD-5 Die LD-Moleküle sind jeweils aus vier Untereinheiten aufgebaut, wobei es zwei Typen von Untereinheiten gibt. Der H-Typ (Herz) und der M-Typ (Muskel) leiten sich von zwei unterschiedlichen Genloci ab. Der H-Typ herrscht in Geweben mit hohem Sauerstoffverbrauch vor, der M-Typ in Geweben mit starker glykolytischer Aktivität, d.h. hoher Lactatproduktion. Durch Kombination ergeben sich 5 Isoenzyme:

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 35

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Typ:

Zusammensetzung:

Vorkommen: Prozent der Gesamtaktivität:

LD-1 HHHH Herz, Niere, Ec 20% LD-2 HHHM Herz, Niere, Ec 35% LD-3 HHMM Lunge, Pankreas, Milz 20% LD-4 HMMM Skelettmuskel, Leber 12,5% LD-5 MMMM Skelettmuskel, Leber 12,5% Zur Differenzierung des LD-Isoenzymmusters ist die elektrophoretische Trennung geeignet. Die Trennung und Quantifizierung der LD-Isoenzyme hat jedoch keine grosse diagnostische Bedeutung mehr.

Abb. 25: Verteilung der LDH-Isoenzyme (LDH1-LDH5) in

menschlichen Organen.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 36

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α-HBDH (α-Hydroxybutyratdehydrogenase): Hydroxybutyratdehydrogenase umfasst begrifflich die beiden Isoenzyme 1 und 2 der

Laktatdehydrogenase. HBDH bleibt nach einem Myokardinfarkt bis zu 20 Tage lang erhöht und ist somit prinzipiell für die Spätdiagnose eines Myokardinfarktes geeignet. Bei einer akuten hämolytischen Anämie kommt es bei nahezu 100% der Patienten zu einem HBDH-Anstieg. Man hat auch versucht aus dem Verhältnis Gesamt-LDH zu HBDH (also dem LDH/HBDH-Quotient)Rückschlüsse auf die Ursache einer LDH Erhöhung zu ziehen:

• Bei Lebererkrankungen findet man höhere LDH/HBDH-Quotienten als im normalen Blut. Das kommt daher, dass die Erhöhung der LDH durch LDH-5 verursacht wird, die man mit der HBDH-Messung nicht erfasst.

• Bei Herzmuskelschäden oder beim Zerfall roter Blutkörperchen findet man niedrigere LDH/HBDH-Quotienten als im normalen Blut. In diesem Fall ist die Erhöhung der LDH durch LDH-1 und LDH-2 bedingt, die man mit der HBDH-Messung sehr wohl erfasst.

Diese Untersuchung wird heute nur noch selten in den Labors durchgeführt, weil es inzwischen verlässlichere Laborwerte für die entsprechenden Erkrankungen gibt.

18.2. Bestimmungsverfahren: Gemessen wird die Gesamt-LDH. Die Lactatdehydrogenase katalysiert die Oxidation von L-Lactat zu Pyruvat unter gleichzeitiger Reduktion von NAD+ zu NADH; die Absorptionszunahme von NADH wird bei 340 nm, 365 nm oder 334 nm gemessen. Die Reaktion wird mit NAD+ gestartet. Die Geschwindigkeit der Bildung von NADH ist direkt proportional zur LDH-Aktivität und wird fotometrisch gemessen. Es handelt sich hierbei um einen optisch-enzymatischen UV-Test, mittels kinetischer Messung: a. Messreaktion: LDH L-Lactat + NAD+ Pyruvat + NADH + H+ Prinzipiell kann die LDH zwar auch unter Einsatz von Pyruvat und NADH als Substrate, d.h. in umgekehrter Reaktionsrichtung, gemessen werden, allerdings

stören hierbei endogene α-Ketosäuren (2-Oxoglutarat) aus der Probe.

Abb. 26: Reaktionsablauf bei der Bestimmung der LDH.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 37

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19. Lipase

LIPA: Die Lipase spaltet von Triglyceriden mit langkettigen Fettsäureestern bevorzugt eine der beiden endständigen Fettsäuren ab. Durch die Colipase ist die Lipase in der Dünndarmflüssigkeit vor der Wirkung der Gallensäure geschützt. 19.1. Vorkommen: Die Lipase ist ein Verdauungsenzym, welches in der Bauchspeicheldrüse gebildet, bei Bedarf in den Dünndarm abgegeben wird. Im Zusammenwirken mit den Gallensäuren und einem Coenzym (die Colipase) vermag die Lipase die Fette der Nahrung in Glycerin und Fettsäuren aufzuspalten. Normalerweise gelangen nur Spuren von Lipase ins Blut. Ausserhalb der Bauchspeicheldrüse werden geringe Lipasemengen noch in den Speicheldrüsen, der Magen und Darmschleimhaut produziert. Auch im Leber-, im Fettgewebe und in den Lc kann man Lipaseaktivitäten nachweisen. Die Lipase ist ein Exkretionsenzym. Wie die Amylase wird auch die Lipase in den Nieren glomerulär filtriert. Die Lipase wird jedoch von den Tubuluszellen nahezu vollständig rückresorbiert und zu Aminosäuren abgebaut. Die Lipase erscheint daher so gut wie nicht im Harn – lediglich bei starken Proteinverlusten (Nephrotisches Syndrom) kann es im Harn nachweisbar sein. Die Lipase besitzt ebenso wie die Pankreas-Amylase absolute Organspezifität für das Pankreas → Leitenzym. Messtechnisch hat die P-Amylase Vorteile.

Organ: Erkrankung und Verhalten der Lipase im Blut:

Pankreas: • Bei Pankreaserkrankungen ↑, z.B.: akute und chronische Pankreatitis, Pankreasgangverschluss

Niere: • Niereninsuffizienz ↑ 19.2. Bestimmungsverfahren: Für die Bestimmung der Lipase sind verschiedene Techniken möglich. In der Schule führen wir von der Firma Axonlab einen kinetischen Farbtest (Enzymtest) durch: Ein synthetisch hergestelltes Lipasesubstrat (1,2-o-Dilauryl-rac-glycero-3-glutarsäure-(6-methylresorufin)-ester) wird in einer Mikroemulsion spezifisch der Spaltung durch Lipase, unter Zusatz von Colipase und Gallensäure, zugeführt. Die Kombination von Colipase und Gallensäure stellt die spezifische Erfassung von Pankreaslipase sicher, ohne dass lipolytische Enzyme oder Esterasen reagieren. Der entstehende Methylresorufinester zerfällt spontan zu Methylresorufin. Die Geschwindigkeit der Bildung von Methylresorufin ist direkt proportional zur Lipaseaktivität und wird fotometrisch gemessen.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 38

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a. Messreaktion: 1,2-o-Dilauryl-rac-glycero-3-glutarsäure-(6-methylresorufin)-ester Lipase/Colipase 1,2-o-Dilauryl-rac-glycerin + Glutarsäure-(6-methylresorufin)-ester b. Indikatorreaktion: Spontaner Zerfall Glutarsäure-(6-methylresorufin)-ester Glutarsäure + Methylresorufin

Abb. 27: Reaktionsablauf bei

der Lipasebestimmung.

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 39

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20. alpha-Amylasen

α-Amylasen: α-Amylasen sind hydrolytische Enzyme, die glykosidische Bindungen spalten. Im Serum können bis zu 4, im Speichel bis zu 8 Isoamylasen auftreten. 20.1. Vorkommen: Die Amylase ist ein Verdauungsenzym. Sie spaltet lange Kohlenhydratketten wie pflanzliche Stärke (Amylose und Amylopektin, Vorkommen z.B. im Mehl) und Glykogen (=tierische Stärke, Vorkommen in Leber und Muskel) in die kleineren Disaccharide. α-Amylasen werden vor allem in den Speicheldrüsen (Speichel-Amylase, S-Amylase→ Leitenzym) und im Pankreas (Pankreas-Amylase, P-Amylase → Leitenzym) gebildet. Von den Speicheldrüsen wird die Amylase in die Mundhöhle abgegeben, wo mit der Verdauung der Kohlenhydrate begonnen wird. Das Pankreas gibt die Amylase normalerweise fast vollständig in den Darmtrakt ab, wo die Verdauung weiter geht. Nur geringe Spuren gehen ins Blut über. α-Amylasen sind somit Exkretionsenzyme. Geringere Mengen an α-Amylasen findet man auch in Leber, Samenflüssigkeit, Hoden, Eierstöcken, Eileiter, Muskulatur, Fettgewebe sowie in Lungengewebe. Die Amylase ist ein kleines Molekül (MG 40'000 bis 50'000) und wird als einziges Serumenzym im Harn ausgeschieden. Sie wird fast vollständig glomerulär filtriert und zu etwa 50% tubulär rückresorbiert. Die Bestimmung der α-Amylase im Blut und Urin wird hauptsächlich durchgeführt, um Pankreaserkrankungen zu diagnostizieren und die Entwicklung von Komplikationen aufzuzeigen. Bei akuter Pankreatitis steigt die Amylaseaktivität im Blut innerhalb weniger Stunden nach Beginn der Bauchschmerzen an, erreicht nach ca. 12 Stunden ein Maximum und fällt spätestens nach 5 Tagen wieder auf Werte innerhalb des Referenzbereichs. Die Spezifität der α-Amylase für Pankreaserkrankungen ist nicht sehr hoch, da erhöhte Werte auch bei verschiedenen nicht-pankreatischen Erkrankungen z.B. bei Parotitis und Niereninsuffizienz gemessen werden. Deshalb wird zur Bestätigung einer akuten Pankreatitis die zusätzlichen Bestimmungen von P-Amylase und Lipase empfohlen. Da die Amylase im Blut über die Nieren eliminiert und im Urin ausgeschieden wird, spiegelt sich ein Anstieg der Amylaseaktivität im Serum durch einen Anstieg der Amylaseaktivität im Urin wider.

Organ: Erkrankung und Verhalten der α-Amylase im Blut:

Pankreas: • bei Pankreaserkrankungen ↑, z.B.: akute und chronische Pankreatitis, Pankreasgangverschluss

Abdomen: • bei Abdomenerkrankungen ↑, z.B.: chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Extrauterinschwangerschaft

Niere: • Niereninsuffizienz ↑ Speicheldrüsen: • Parotitis ↑

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 40

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20.2. Bestimmungsverfahren: Das Substrat 4,6-Ethyliden-(Glucose7)-p-nitrophenyl-(Glucose1)-α-D-maltoheptaosid (EPS-G7) wird von α-Amylasen in verschiedene Bruchstücke zerlegt. Diese werden in einem zweiten Schritt von α-Glucosidase (Hilfsenzym aus dem Reagenz) unter Bildung von Glucose und p-Nitrophenol hydrolisiert. Die Geschwindigkeit der Bildung von PNP ist direkt proportional zur Gesamtamylaseaktivität und wird bei 405 nm fotometrisch gemessen. Es handelt sich hierbei um einen enzymatischen Farbtest (kinetische Messung):

α-Amylase 5 EPS-G7 + 5 H2O 2 Ethyliden-G5 + 2 G2-PNP 2 Ethyliden-G4 + 2 G3-PNP Ethyliden-G3 + G4-PNP α-Glucosidase 2 G2-PNP + 2 G3-PNP + G4-PNP + 14 H2O 5 PNP + 14 G G ≈ Glucose; PNP ≈ p-Nitrophenol

Medi; Bildungsgang med. Labor G. Doubt 41

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21. Gesamt-Creatinkinase CK:

Creatinkinase (CK) ist ein Enzym, das aus Isoenzymen besteht. Ihre physiologische Bedeutung liegt in der ATP-Regeneration aus Creatinphosphat: Die Creatinkinase koppelt Phosphate an Kreatin. Das Enzym ist für die Energiegewinnung der Muskelzellen wichtig. 21.1. Vorkommen der Gesamt-CK und der Isoenzyme: Die Creatinkinase kommt in jeder Körperzelle als Zellenzym vor. Besonders grosse Mengen der CK finden sich in den Muskelzellen. Die zwei Untereinheiten M (muscle) und B (brain) bilden daher folgende CK-Isoenzyme:

• CK-MM (vorwiegend in der Skelettmuskulatur) • CK-BB (ausschliesslich im Gehirn) • CK-MB (vorwiegend im Myokard)

Ausserdem gibt es noch eine mitochondriale CK (CK-MiMi). CK liegt im Serum immer als CK-MM, CK-MB und CK-BB vor. Verteilung der CK-Isoenzyme im menschlichen Gewebe:

Gewebe: Isoenzymverteilung: CK-MM: CK-MB: CK-BB:

Skelettmuskel: 96-100% 1-3% 0-1% Herz: 71-96% 4-27% 0-2% Niere: 70-100% 0% 6-30% Lunge: 27-72% 0-4% 18-69% Leber: 50% 0% 50% Pankreas: 21-29% 5-9% 66-73% Magen: 3% 2-6% 91-95% Grosshirn: 0% 0% 100% Beim Gesunden stammt die CK-Aktivität im Blut fast ausschliesslich aus der Skelettmuskulatur. Diagnostische Bedeutung besitzt die Creatinkinase bei Erkrankungen der Skelett- und Herzmuskulatur. Früher wurde die CK als Leitenzym für Muskelerkrankungen ernannt – heute sagt die CK jedoch nicht mehr viel Spezifisches aus; es gibt bessere Marker: Bei einem Myokardinfarkt wird zusätzlich noch das Troponin, Myoglobin und die CK-MB Masse bestimmt, welche viel spezifischer sind als die Gesamt-CK.

Organ: Erkrankung und Verhalten der CK: Herzmuskulatur:

• Bei Herzmuskelerkrankungen ↑, z.B.: Myokardinfarkt, Myokarditis

Skelettmuskulatur:

• Bei Skelettmuskelerkrankungen ↑, z.B.: Muskeldystrophie, multiples Trauma (Verletzungen), Intramuskuläre Injektionen, körperliche Belastung

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21.2. Bestimmungsverfahren: Die Gesamt-Creatinkinase katalysiert die Übertragung der Phosphatgruppe von Creatinphosphat auf Adenosin-5’-diphosphat (ADP) in Anwesenheit von Mg2+-Ionen und Imidazolpuffer. Dabei entstehen Creatin und Adenosin-5’-triphosphat (ATP). In einer Hilfsreaktion wird mit dem in der Messreaktion gebildeten ATP Glucose phosphoryliert. Diese Reaktion katalysiert die Hexokinase. Das entstehende D-Glucose-6-Phosphat wird dann in der Indikatorreaktion mit NADP+ oxidiert. Dieser Schritt wird durch die Glucose-6-phosphatdehydrogenase katalysiert. Die Aktivitätsbestimmung erfolgt durch Registrierung der Absorptionszunahme des gebildeten NADPH bei 340 nm, 365 nm oder 344 nm. Die Geschwindigkeit der Bildung von NADPH ist der CK-Aktivität direkt proportional. Vor dem spezifischen Start der Messreaktion mit Creatinphosphat reagiert in der Vorinkubationszeit bereits das in der Probe vorhandene ATP (mit Hilfe von pipettierter Hexokinase, Glucose und Glucose-6-P-Dehydrogenase) in der Hilfs- und Indikatorreaktion unter NADPH-Bildung. EDTA ist im Reagenz enthalten: EDTA bindet das Kalzium und die Fe3+-Ionen zu Komplexen, damit eine Hemmung der CK durch Kalzium und Fe3+-Ionen vermieden wird (Kalzium und Fe3+-Ionen sind für CK Inhibitoren). Es handelt sich hierbei um einen gekoppelten, optisch-enzymatischen UV-Test, mittels kinetischer Messung: a. Messreaktion: CK Creatinphosphat + ADP Creatin + ATP b. Hilfsreaktion: Hexokinase ATP + D-Glucose D-Glucose-6-P + ADP c. Indikatorreaktion: Glucose-6-P- Dehydrogenase D-Gluc-6-P + NADP+ D-Gluconat-6-P + NADPH + H+

Abb. 28: Reaktionsablauf bei der Bestimmung der

Gesamt-CK.

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G. ZIELSETZUNG DER ENZYM-DIAGNOSTIK &

ORGANSPEZIFISCHE ENZYMDIAGNOSTIK IM ÜBERBLICK

Die Enzymdiagnostik dient – wie schon zu Beginn erwähnt – der Lokalisation und Verlaufskontrolle von Erkrankungen. Zum näheren Verständnis müssen wir uns mit den Mechanismen der Freisetzung, der biologischen Halbwertszeit und Einflussgrössen sowie der Organspezifität von Enzymen befassen. Daraus lassen sich Strategien für die Abklärung von organspezifischen Erkrankungen ableiten.

22. Grundlagen der Enzymdiagnostik: 22.1. Zelluläre Freisetzung von Enzymen: Alle im Blut und anderen Körperflüssigkeiten messbaren Enzyme sind Proteine und daher zellulären Ursprungs, da die Proteinbiosynthese nur in den Zellen möglich ist. Daher können Enzyme ausser in Körperflüssigkeiten im Speziallabor auch in Gewebeproben bestimmt werden. Nur durch Sekretion oder aufgrund einer Zellschädigung können Enzyme aus den Zellen, in denen ihre Biosynthese erfolgt, in das Blut gelangen. Im Plasma des Gesunden sind für die meisten Enzyme nur niedrige Aktivitäten messbar, die Folge kleinster physiologischer Membrandurchlässigkeiten aller lebenden Zellen sind. Daneben hat der natürliche Zellumsatz und der geringgradige Übertritt von Enzymen aus Sekretionsflüssigkeiten in das Blut Bedeutung für diese niedrige Enzymaktivität im Blutplasma. Bei vielen Erkrankungen findet man dagegen aufgrund von Zellschädigungen oder einer verstärkten Sekretion ein mehr oder weniger organspezifisches Enzymmuster im Blutplasma erhöht. Einige wenige Enzyme werden andererseits gezielt in das Blut abgegeben und entfalten dort ihre biologische Wirkung – sie werden deshalb auch als plasmaspezifische Enzyme bezeichnet. Hierher gehören z.B. die Cholinesterase (CHE) und die Gerinnungsfaktoren mit enzymatischer Aktivität. Ihre Aktivitäten bzw. Konzentrationen im Blutplasma sind dementsprechend beim Gesunden hoch, im Krankheitsfall dagegen vermindert.

Abb. 29: Physiologische und pathologische Freisetzung von plasmaspezifischen Enzymen.

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22.2. Allgemeine Bedeutung von endogenen und exogenen Einflussgrössen: Wichtige Einflussgrössen sind diagnostische und therapeutische Massnahmen, Ernährung, Alkoholgenuss, körperliche Belastung, Schwangerschaft sowie Körperlage und Stauungstechnik bei der Blutentnahme. Wesentliche Störfaktoren (exogene Einflussgrössen) sind Hämolyse, sowie das Vorkommen bestimmter Medikamente. 22.3. Leitenzyme und Isoenzyme: Einen besonderen Beitrag zur Organlokalisation einer Erkrankung können die sogenannten Leitenzyme leisten. Diese kommen in einem bestimmten Gewebe ausschliesslich oder im interessierenden Gewebe in besonders hoher Konzentration vor. Die Erhöhung eines Leitenzyms im Plasma oder Serum weist daher auf das geschädigte Herkunftsgewebe hin. Die absolute Höhe der gemessenen katalytischen Enzymkonzentration korreliert in der Regel gut mit dem Ausmass der Gewebeschädigung.

Zusammenstellung wichtiger Leitenzyme: Leber: GLDH, ALAT, γ-GT, CHE Pankreas: P-Amylase, Lipase

Die Quantifizierung von Isoenzymen ist von diagnostischem Interesse, weil die Bestimmung eines spezifischen Isoenzyms häufig eine eindeutigere Organlokalisation erlaubt als die Bestimmung der Gesamtenzymaktivität. So zeigt die Bestimmung der Pankreas-Amylase gegenüber der α-Amylasebestimmung nur Pankreasschädigungen an, d.h. die P-Amylase ist ein Leitenzym. Durch Messung der CK-MB-Masse können wir gegenüber der Bestimmung der Gesamt-CK zuverlässiger auf Herzmuskelschäden untersuchen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die methodische Entwicklung besonders sensitiver und spezifischer immunologischer Verfahren, die die direkte Messung der Enzymkonzentration (Masse) im Bereich weniger Mikrogramm pro Liter erlauben. 22.4. Intrazelluläre Enzymlokalisation: Die diagnostisch im Blut untersuchten Enzyme finden sich in den Ursprungszellen mit unterschiedlicher Verteilung in den einzelnen Zellkompartimenten. Dies kann für die Abschätzung des Schweregrades der Zellschädigung genutzt werden, indem die Relation von Enzymen mit mitochondrialer Lokalisation zu solchen mit zytoplasmatischer Lokalisation in der Ursprungszelle untersucht wird. Bei leichteren Schäden werden fast nur Enzyme des Zytoplasmas freigesetzt, am Beispiel der Leberzelle die ALAT. Bei Zellschädigung, die zur Nekrose führen, gehen auch mitochondriale Enzyme, am Beispiel der Leber die GD, vermehrt ins Blut über. Allgemein betrachtet werden Membranenzyme, besonders solche, die nur aussen mit der Membran assoziiert sind, am leichtesten freigesetzt, während Enzyme aus den Mitochondrien, dem Zytoskelett oder kontraktilen Apparat der Zelle und aus dem Zellkern, erst bei schwerster Zellschädigung freigesetzt werden.

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22.5. Bedeutung der Halbwertszeit: Enzyme, die aufgrund eines Gewebeschadens verstärkt ins Blutplasma gelangt sind, haben dort nur eine bestimmte Lebenszeit, die durch die Halbwertszeit charakterisiert werden kann. Die Halbwertszeit ist die Zeitspanne, in der die ursprünglich erhöhte Enzymaktivität auf eine Restaktivität in halber Höhe gesunken ist. Ein Rückgang der feststellbaren Enzymaktivität entsprechend der Halbwertszeit lässt sich erst beobachten, wenn es zu keiner weiteren über das physiologische Mass hinausgehenden Sekretion oder Zellfreisetzung mehr kommt.

Plasma-Halbwertszeiten von diagnostisch wichtigen Enzymen:

ALP: 3 – 7 Tage ASAT: 12 – 22 h ALAT: 37 – 57 h GD: 16 – 18 h γ-GT: 3 – 4 Tage

Abb. 30: Verteilung von Enzymen auf verschiedene Zellkompartimente (TnI,

TnT = Troponine).

Bei akuten Organerkrankungen kann das Krankheitsstadium aus der Relation von Enzymen mit kurzer zu solchen mit langer Halbwertszeit abgeleitet werden. So spricht z.B. bei einer akuten Hepatitis die Abnahme des Quotienten ASAT/ALAT, entsprechend dem raschen Verschwinden der ASAT, die die kürzere Halbwertszeit aufweist, für ein Abklingen der Erkrankung. Die Erkrankung muss in diesem Fall am Abklingen sein, da die Halbwertszeit sich auf die Verminderung der messbaren Enzymaktivität erst dann auswirkt, wenn das untersuchte Enzym nicht mehr weiter in pathologischem Ausmass aus dem erkrankten Gewebe freigesetzt wird.

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23. Organspezifische Enzymdiagnostik: 23.1. Erkrankungen der Zellen des Blutes: Enzymdefekte der Ec sind häufig und können Glykolyseenzyme, Enzyme des Pentosephosphatzyklus und des Glutathionstoffwechsels betreffen. Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel: Er wird X-chromosomal vererbt und ist mit weltweit 100 Millionen Defektgenträgern der häufigste definierte Gendefekt überhaupt. Im Laufe des Eryhtrozytenlebens nimmt bei den betroffenen Personen die Aktivität des Enzyms durch Veränderung des pH-Optimums und der Temperaturstabilität rasch ab. Retikulozyten dagegen enthalten bei den betroffenen Personen noch normale Enzymaktivitäten. Eine durch die Enzymopathie bedingte akute Hämolyse wird häufig erst durch zusätzliche exogene Stoffwechselbelastungen der Ec ausgelöst. Zu diesen exogenen Auslösern gehören Infektionen, Azidosen, der Genuss von Saubohnen (Favismus) und die Einnahme bestimmter Medikamente (Sulfonamide). Zum Nachweis werden Ec isoliert, gewaschen und hämolysiert. Im Hämolysat wird die Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Aktivität bestimmt. Bei einer hämolytischen Anämie aufgrund des Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangels sind erniedrigte Aktivitäten zu erwarten. Nicht selten lässt sich jedoch trotz des Enzymdefekts eine nahezu normale Erythrozytenaktivität beobachten. Dies kann auf eine Retikulozytenvermehrung zurückgeführt werden. Daher sollte zur Vermeidung von Fehlinterpretationen parallel zur Enzymbestimmung immer eine Retikulozytenzählung erfolgen. Zusätzlich muss darauf geachtet werden, dass die Untersuchung nicht unmittelbar nach der Gabe von Erythrozytenkonzentrat durchgeführt wird. Therapeutisch gilt vor allem die Noxen (Schädigungen) zu vermeiden, die eine Hämolyse auslösen können. Gegebenfalls ist die Gabe von Erythrozytenkonzentrat erforderlich.

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23.2. Erkrankungen der Leber: Zur Enzymdiagnostik der Leber werden folgende Enzyme eingesetzt: ALAT, GD und γ-GT. Zur weiteren Abklärung werden zusätzlich ggf. die ASAT, CHE und die ALP benötigt. Akute Hepatitis: ALAT und ASAT steigen erheblich an und können das 30fache der oberen Referenzbereichsgrenze erreichen. Der Maximalwert wird bereits nach 1 bis 2 Tagen erreicht. Bilirubin und die GD steigen dagegen verzögert an, erreichen ihre Maximalwerte erst nach ca. einer Woche und bleiben als Zeichen der fortgesetzten Zellnekrose länger erhöht. Beim komplikationsfreien Verlauf kehren alle Enzymwerte spätestens nach vier Wochen wieder in den Referenzbereich zurück. Aufgrund der kürzeren Halbwertszeit ist der Abfall der ASAT gegenüber der ALAT rascher. Cholestase: Der parallele Anstieg von γ-GT und ALP auf ein Mehrfaches der Ausgangs- bzw. Referenzwerte ist charakteristisch für eine Cholestase. Im Unterschied zur Hepatitis steigen ALAT und ASAT bei weitem nicht so deutlich an, die GD steigt im gleichen Ausmass wie die Transaminasen und alle drei Enzyme erreichen bereits einen Tag nach einer Gallenkolik ihr Maximum. ALAT, ASAT und GD erreichen bereits nach wenigen Tagen wieder den Referenzbereich, während die γ-GT und insbesondere die ALP verlängert erhöht bleiben. Die Lokalisation dieser Enzyme in den Hepatozytenmembranen ist bevorzugt in Richtung der Gallenkanälchen und Sinusoide, sodass sie hier leicht die Blutbahn erreichen können. Persistierend hohe ALP-Aktivitäten sich Zeichen eines kompletten Gallengangverschlusses.

Abb. 31: Enzymfreisetzungen bei Cholestase

Sekundäre Leberstörung bei Schwerkranken: Multimorbide Kranke und Patienten nach grossen Operationen, nach schweren Infektionen, mit kardialen Erkrankungen und Pumpversagen (vor allem Rechtsherzinsuffizienz) zeigen trotz eigentlicher Lebergesundheit aufgrund einer sekundären Störung der Leberfunktion z.T. erhebliche Anstiege lebertypischer Enzymaktivitäten im Blutplasma.

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23.3. Erkrankungen des Knochens: Die labordiagnostische Beurteilung von Markern des Knochenaufbaus und des Knochenabbaus kann bei der Diagnose von Knochenerkrankungen, z.B. Osteoporose oder Knochentumoren, hilfreich sein. Die Hauptbedeutung liegt allerdings in der Verlaufskontrolle. Knochenspezifische alkalische Phosphatase (BAP): Das Isoenzym der ALP aus den Osteoblasten des Knochens (bone, daher BAP) gilt heute als der wichtigste klinisch-chemische Marker des Knochenaufbaus. Die Bestimmung kann als Isoenzymtrennung mit einer Lektin-Agarosegel-Elektrophorese erfolgen. Die Bestimmung ist nur sinnvoll bei Erhöhungen der Gesamt-ALP.

Osteoporose: Durch mehrjährige negative Calciumbilanz und verstärkte Osteolyse (Knochenabbau) kommt es zu einer deutlichen Reduzierung der Knochenmasse, die mit einer Reduktion der Mikroarchitektur des Knochengewebes und erhöhter Knochenbrüchigkeit einhergeht.

23.4. Erkrankungen des Pankreas und Magen-Darmtraktes:

Akute Pankreatitis: Als Ursache der akuten Pankreatitis wird die Bildung geringer Mengen enzymatisch aktiven Trypsins im Pankreasgewebe angenommen. Hierauf erfolgt die Aktivierung anderer Zymogene bzw. Proenzyme und es kommt zur Selbstverdauung (Autodigestion) des Organs. Neben allgemeinen Entzündungszeichen, vor allem einer Leukozytose, ist für die Diagnose einer akuten Pankreatitis der deutliche Anstieg von P-Amylase oder Lipase entscheidend. Die P-Amylase kann das 30fache und die Lipase das 200fache der oberen Referenzbereichsgrenze erreichen. Augrund der hohen Organspezifität und einer parallelen Freisetzungskinetik der beiden Enzyme reicht die Messung eines Enzyms aus. Beachten müssen wir, dass es mit fortschreitender Gewebezerstörung zu einem Rückgang der Enzymfreisetzung kommen kann, der nicht als Heilungsprozess fehlgedeutet werden darf. Ursache ist, dass mit fortschreitender Gewebezerstörung immer weniger Zellen vorhanden sind, aus denen noch P-Amylase oder Lipase freigesetzt werden kann. In dieser Situation kann die immunologische Messung der Phospholipase A2 im Plasma als entzündungsspezifisches Enzym hilfreich sein. Chronische Pankreatitis: Als Suchtest bei Verdacht auf eine exokrine Pankreasinsuffizienz ist die Pankreas-Elastase 1 geeignet. Bei Störungen der exokrinen Pankreasfunktion ist die im ELISA gemessene Konzentration des Enzyms im Stuhl vermindert. Sie scheint gegenüber der Chymotrypsinbestimmung im Stuhl sensitiver zu sein. Entzündliche Darmerkrankungen: Die Bestimmung der Myeloperoxidase im Stuhl scheint mit der Entzündungsaktivität im Darm bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa zu korrelieren. Ausserdem ist die PMN-Elastase, eine Serinprotease aus polymorphkernigen Granulozyten, bei Morbus Crohn im Stuhl erhöht.

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23.5. Erkrankungen der Herzmuskulatur: Bei einer Schädigung der Herzmuskelzelle werden zytosolische Komponenten und Bestandteile des kontraktilen Apparates freigesetzt. Der kontraktile Apparat ist ein Komplex bestehend aus Actin, Tropomyosin und den Troponinen C, I sowie T. Zuerst kommt es zu einer Freisetzung von zytosolischen Komponenten, insbesondere von Myoglobin, der Kreatinkinase-Isoenzyme CK-MM und CK-MB, sowie einer relativ kleinen zytosolischen Fraktion der Troponine in freier Form. Am raschesten gelangt das Myoglobin aufgrund seiner niedrigen Molekülmasse in die Blutbahn. Ca. eine

Stunde nach dem akuten Ereignis können daher im Plasma ansteigende Myoglobinkonzentrationen festgestellt werden, innerhalb von drei Stunden gefolgt von CK-MB und überwiegend der freien Fraktion der Troponine (1. Peak). Langsamer werden die weiteren zytosolischen Komponenten Aspartat-Aminotransferase ASAT und die Lactatdehydrogenase LDH freigesetzt. Zu einem massiven Anstieg der Troponine kommt es erst, wenn

aufgrund anhaltender Sauerstoffunterversorgung (Ischämie) eine

grössere Zahl von Herzmuskelzellen nekrotisieren und dabei der kontraktile Apparat zerstört wird (2. Peak).

Abb. 32: Freisetzung von Enzymen und Troponinen bei Herzmuskelschädigung

Parameter

Anstieg (nach Infarktbeginn)

Maximum (nach Infarktbeginn)

Normali-sierung

Myoglobin

1-6h 6-12h

1-2 Tage

Troponin-I

3-12h 1. Peak: 12-24h 2. Peak: 100-120 h

5-10 Tage

Troponin-T

3-12h 1. Peak: 12-24h 2. Peak: 100-120 h

5-14 Tage

CK

3-12h 12-24h

3-4 Tage

CK- MB (Aktivität)

3-12h 12-24h

ca. 2 Tage

GOT/ASAT

6-12h 18-36h

3-4 Tage

LDH (HBDH)

6-12h 48-144h (ca. 3 Tagen)

7-20 Tage

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Klinische Chemie „Enzyme“

Spezifität und Wertigkeit der Marker:

• Myoglobin ist nicht spezifisch für Herzmuskelzellen. Ein rascher Anstieg ohne Hinweise auf eine Ursache im Bereich der Skelettmuskulatur kann jedoch die Verdachtsdiagnose eines akuten Myokardinfarktes erhärten. Wird frühzeitig eine Lysetherapie zur Erzielung einer Wiederdurchblutung (Reperfusion) des infarzierten Herzmuskelareals eingeleitet, und ist diese Therapie erfolgreich, erreicht das Myoglobin schneller seinen Maximalwerte als ohne Therapie oder bei Therapieversagen.

• CK und Isoenzyme: Die Gesamt-CK ist nicht herzmuskelspezifisch. Eine realtive Herzmuskelspezifität wird durch selektive Messung des CK-MB-Isoenzyms erreicht, da der Herzmuskel das Isoenzym CK-MB zu einem wesentlich höheren Anteil besitzt als der Skelettmuskel. Aus analytischen Gründen ist dabei die Massenbestimmung mittels Immunoassay der CK-MB-Aktivitätsbestimmung überlegen. Wird innerhalb kurzer Zeit, d.h. innerhalb von ein bis zwei Stunden, ein deutlicher Anstieg der CK-MB-Masse festgestellt, dann ist dieses Ergebnis hochspezifisch für eine akute Myokardschädigung. Auch kurzfristige Reinfarkte lassen sich an einem neuerlichen Anstieg der CK-MB-Masse erkennen.

• ASAT und LDH: Beide Enzyme sind nicht einmal muskelspezifisch. Eine Bedeutung der ASAT für die Herzinfarktdiagnostik ist heute wegen der spezifischeren Marker nicht mehr gegeben. Eine Realtion der Enzymaktivitäten von CK/ASAT < 10 bei gleichzeitig deutlicher CK-Erhöhung wurde als Zeichen einer akuten Myokardschädigung angesehen. Allerdings ist dieses Verfahren wenig sensitiv, da der Quotient erst aussagekräftig ist, wenn bereits ein Anstieg der Gesamt-CK auf mehr als 120 U/l vorliegt. Weder die Gesamt-LD, noch die Isoenzymformen der LD sind aufgrund der langsamen Freisetzungskinetik für die Diagnosefindung bei einem akuten Myokardinfarkt geeignet. Die Bedeutung lag in der Spätdiagnose des Herzinfarktes, wenn der Patient erst mehrere Tage nach dem vermutlichen Ereignis untersucht wird, und in der Verlaufbeobachtung. Diese Funktion wird heute von den Troponinen I oder T erfüllt.

• Troponine: Die Troponine kommen in allen Muskelgeweben vor, allerdings gibt es von Troponin I (TnI) und Troponin T (TnT) herzspezifische Isoformen, deshalb sprechen wir auch von den kardialen Troponinen. Nur Troponin I scheint absolut spezifisch für den Herzmuskel zu sein, denn kardiales TnT scheint u.U. von regenerierenden Skelettmuskelzellen und Nierentubuluszellen exprimiert zu werden. Dagegen ist ein Problem beim TnI, dass dieses im Blutplasma in verschiedenen Formen, z.B. als freies TnI, sowie vor allem im Komplex mit Troponin C und TnT vorliegt. Diese Komplexe unterliegen zudem beim Lagern der Proben in-vitro-Umlagerungsreaktionen. Insgesamt scheint weder die Messung von TnT oder TnI aus wissenschaftlichen Gründen derzeit der Vorzug gegeben werden zu müssen. Aufgrund der langen Halbwertszeit der Troponine können sie auch für die Spätdiagnose eines Herzinfarktes herangezogen werden.

Die Kriterien für einen Herzinfarkt werden derzeit weltweit neu definiert. Dabei kommt den Laboruntersuchungen eine wesentlich wichtigere Rolle als bisher zu. Denn bisher waren klinische Symptomatik und charakteristische EKG-Veränderungen der „Goldstandard“.

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Klinische Chemie „Enzyme“

Nach neueren Kriterien der American Academy of Cardiology wird die parallele Messung eines schnellen Markers (CK-MB-Masse oder Myoglobin) und eines hoch spezifischen langsameren Markers (TnI oder TnT) empfohlen. Am

aussagekräftigsten sind die

Messergebnisse, wenn zwei

Messungen innerhalb von ein bis zwei Stunden einen deutlichen Anstieg über die Referenzbereichsgrenzen hinaus zeigen.

Abb. 33: Typischer Anstieg der Enzym-Aktivität und Protein-Konzentrationen nach akutem Myokardinfarkt. Die Masseinteilung der Ordinate entsprricht dem Vielfachen der oberen Referenzbereichsgrenze.

Die wiederholte Messung von CK-MB oder Myoglobin und TnI oder TnT mit jeweils unauffälligen Messwerten schliesst einen Myokardinfarkt mit nahezu absoluter Sicherheit aus.

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Klinische Chemie „Enzyme“

Reperfusion: Wird frühzeitig eine Lysetherapie, z.B. mit Urokinase zur Auflösung von Fibringerinnseln im infarzierten Gefäss eingeleitet, so kommt es zu einem rascheren Erreichen des Maximalwertes beim Myoglobin und weniger ausgeprägt bei der CK-MB-Masse. Bei den Troponinen bleibt der zweite Anstieg, entsprechend dem im kontraktilen Apparat gebundenen Anteil dieser Marker, aus oder er erfolgt deutlich weniger ausgeprägt. Allerdings lässt sich die Frage der Referfusion mit den Troponinen zeitlich erst später beantworten als beispielsweise mit der Myoglobinverlaufsuntersuchung.

Reinfarkt: Ein Reinfarkt kann aufgrund des Freisetzungsverhaltens und der Kinetik leichter an einem neuerlichen CK-MB-Anstieg als am Verhalten von TnI und TnT erkannt werden, insbesondere wenn die Troponine eine deutliche 2-gipflige Freisetzung gezeigt haben. Daher ist besonders die Verlaufsuntersuchung nach diagnostiziertem Herzinfarkt mittels CK-MB-Masse wichtig.

Instabile Angina pectoris: Bei der instabilen Angina pectoris muss von immer wiederkehrenden lokal eng begrenzten Herzmuskelzellnekrosen ausgegangen werden. Solche Patienten sind hoch gefährdet, einen akuten Myokardinfarkt zu erleiden. Die CK-MB-Masse bzw. mit grösserer diagnostischer Sensitivität die Troponine TnI und TnT zeigen hier öfters charakteristische Verläufe im Graubereich zwischen Referenzbereich und der Entscheidungsgrenze für einen möglichen Infarkt. Diese Verläufe korrelieren z.T. sehr gut mit den subjektiven Schermerzempfindungen des Patienten und können zu einer Risikoabschätzung beitragen. Bei Troponin positiven Personen scheint das Infarktrisiko mind. 10fach erhöht zu sein, weshalb dann klinisch eine baldige invasive Intervention erwogen wird.

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Klinische Chemie „Enzyme“

Entstehung eines Herzinfarktes:

Risikofaktoren für Herz- und Gefässerkrankungen: • Hyperlipidämien/Dyslipidämien • Hohe Serumkonzentration an Lp(a) oder Hypermomosysteinämie • Stoffwechselerkrankungen wie D. mellitus • Hypertonie • Stress • Rauchen • Bewegungsmangel • Fehlernährung (fettreich) → Folge: Adipositas • Genetische Disposition (positive Familienanamnese)

Patienten mit mehr als einem Risikofaktor sind Hochrisikopatienten für kardiovaskuläre Erkrankungen.

Durch die oben erwähnten Risikofaktoren wird das Gefässendothel geschädigt und es kommt zum Einstrom von LDL in die Gefässwandläsion. Makrophagen werden chemotaktisch angelockt und phagozytieren die LDL-Partikel, was eine Schaumzellenbildung der Makrophagen zur Folge hat. Diese sind unbeweglich und lagern sich in der Gefässwand ab. Es kommt zur Entzündungsreaktion der Gefässwand u.a. mit Aktivierung der Gerinnung, mit Proliferation (Wachstumssteigerung) der glatten Muskelzellen und schlussendlich zur Plaquesbildung. Länger bestehende Plaques verkalken. Im fortgeschrittenen Stadium verengt das Gefäss, die Elastizität geht verloren, der Blutstrom wird blockiert oder ganz abgestellt – die Folge ist eine Minderdurchblutung nachfolgender Organe (Hirn, Herz, Niere, Beine, …). Betrifft es eine Herzkranzarterie (Koronararterie) führt dies zum Myokardinfarkt. Es kann auch zur Ruptur des Plaques kommen: Das Cholesterin entleert sich ins Gefässlumen, wo sich dann ein Thrombus bildet. Der Thromus wird mit dem Blutstrom mitgerissen und kann in einer Herzkranzarterie stecken bleiben – es folgt ein Myokardinfarkt. So kann eine Beinvenenthrombose einen Herzinfarkt verursachen.

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Parameter zur Risikoabschätzung von Herz- & Gefässerkrankungen: Zur Abrundung des Themas „Herzerkrankungen“ sollen untenstehend noch kurz die Parameter zur Risikoabschätzung von Herz- & Gefässerkrankungen aufgezählt werden. Die Basis für einen Herzinfarkt ist die Atherosklerose. Mit Hilfe folgender Parameter will man das Risiko für Atherosklerose (vor allem bei Risikopatienten wie Diabetikern, Übergewicht, Rauchern, Bluthochdruck, genetische Disposition u.a.) abschätzen:

• Lipidstatus: Gefährdet sind Patienten mit erhöhtem Gesamtcholesterin und erhöhten Triglyceriden → Differenzierung von HDL-, LDL- und VLDL-Cholesterin. Ein Atherogenen Index (AI: Gesamtcholesterin/HDL) von < 5 bedeutet ein geringes Risiko für KHK.

• Homocystein: Homocystein ist eine schweflige, hochagressive AS, die beim Stoffwechsel der essentiellen AS Methionin als Zwischenprodukt resultiert und beim Gesunden mit Hilfe von Vitaminen rasch wieder weiter verstoffwechselt wird. Eine hohe Konzentration an Homocystein wirkt in einem oxidativen Prozess schädigend auf das Gefässendothel und somit atherogen. Eine Homocysteinerhöhung kommt entweder genetisch bedingt vor (Enzymdefekt), wegen eines Vitaminmangels (B6, B12, Folsäure), einer Niereninsuffizienz oder Arzneimittelinterferenzen.

• Lipoprotein (a)/Lp(a): Der Grundbaustein des Lp(a) ist ein LDL-Partikel, an dessen Oberfläche ein plasminogen-ähnliches Apolipoprotein, das Apo(a), gebunden ist. Lp(a) hat eine stark atherosklerotische Wirkung: Es kann durch Bindung an den APO-B-100-Rezeptor die Aufnahme von LDL in die Zielzellen verhindern, was zu einem Anstieg der LDL im Plasma führt. Ausserdem bindet es an Fibrin und beeinflusst somit die gerinnungshemmende Plasminwirkung. Diese Prozesse begünstigen die Atheroskleroseentstehung. Die Konzentration dieses Lipoproteins im Blut ist genetisch festgelegt und medikamentös nicht zu beeinflussen.

• hs-CRP (highsensitiv-CRP): Dies ist ein Risikomarker der Atherosklerose. Vom hs-CRP spricht man, wenn ein besonders hochsensitives Messverfahren (daher der Name hs-CRP) eingesetzt wird, wobei latexverstärkte Partikel verwendet werden. Beim hs-CRP misst man unter dem Referenzbereich von CRP (CRP: < 3 mg/l, hs-CRP: < 1 mg/l). Bei der Atherosklerosebildung handelt es sich anfänglich um sehr kleinflächige Entzündungen, die Freisetzung von CRP als Akut-Phase-Protein ist daher minimal. Die Plasmakonzentration des hs-CRP liegt bei einer Atherosklerosebildung dagegen bei über 1 mg/l.

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