SMI²LEBlick in die ZukunftBlick in die Zukunft
Der technische Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Ich sehe zweiAlternativen für unsere Zukunft. Die eine ist eine Welt mit Massenarmut
und Chaos. Die andere ist eine Gesellschaft, in der sich die von der Arbeit befreiten Menschen individuell entfalten können.
Jeremy Rifkin, US-Ökonom und Buchautor, in der Stuttgarter Zeitung vom 30.04.2005
2 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Z I T A T EDas Schlimme ist, dass wir die einfachsten Fragen mit Tricks zu lösen versuchen,darum machen wir sie auch so ungewöhnlich kompliziert. Man muss nach einfachen Lösungen suchen.Anton Pawlowitsch Tschechow
Das Leben ist ein Paradies, und alle sind wirim Paradiese, wir wollen es nur nicht wahrhaben;wenn wir es aber wahrhaben wollten,so würden wir morgen im Paradiese sein.Fjodor Michailowitsch Dostojewski, in «Die Brüder Karamasow»
Viele Menschen sehen die Dinge,wie sie sind und sagen – warum?
Ich aber träume von Dingen,die nie gewesen sind und sage:
warum nicht?Robert Francis Kennedy
Geben Sie uns ewiges Leben und wir werdenneu, majestätisch und vollwertig.
Solange wir sterblich sind,sind wir komisch und miserabel.
Walerjan Petrowytsch Pidmohylnyj, in «Die Stadt»
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 3
Sehr geehrte Leser,
Albert Einstein sagte einmal: «Mehr als die Vergangenheit interessiertmich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.» Gleichfalls meinteer, dass Gott nicht würfelt. Entsprechend sind die Rahmenbedingungenfür die Zukunft längst gelegt. Es liegt nur an uns, die Chancen zu nutzenund etwas daraus zu machen.
Dabei ist der Mensch seit Jahrtausenden gleich geblieben: ob er nun inAfrika, Süd- oder Nordamerika, Europa, Asien oder Australien lebt, ober Wladimir Putin, Barack Obama, Angela Merkel oder Julia Timo-schenko heißt – er muss essen, trinken, schlafen und irgendwann auf dieToilette.
Trotzdem suggeriert uns die Finanz- und Wirtschaftskrise, dass dieMenschheit in der Klemme steckt. Doch ist es nicht die Menschheit, dieProbleme hat, sondern das Gesellschaftssystem mit der heutigen Wirt-schaftsordnung. Dabei unterliegen wir einem Wandel, den andere seitlangem vorhergesehen hatten.
Der Russe Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski war am Beginn des20. Jahrhunderts davon überzeugt, dass die Menschheit in der Zukunftversuchen wird, den Weltraum zu erobern. Dr. Timothy Leary, einamerikanischer Psychologe und Buchautor, nannte seine Zukunftsvisionin den 1960ern SMI²LE – Space Migration, Inteligence Increase und LifeExtension. Und spätestens seit Juri Alexejewitsch Gagarin als ersterMensch im Kosmos war, sind diese Visionen keine Utopie mehr. In denArtikeln dieser Ausgabe werden Sie erfahren, dass manche Ideen schonverwirklicht sind oder dass daran tatsächlich gearbeitet wird.
Statt vor der Zukunft Angst zu haben und uns von einer Krise einschüch-tern zu lassen, sollten wir uns bewusst werden, welche Möglichkeitenexistieren. Es gibt Ansätze, die es der Menschheit ermöglichen, die Her-ausforderungen der Zukunft zu meistern.
Wir laden Sie ein, sich durch dieses Heft zu informieren, wie die Weltder Zukunft aussehen kann, denn wir werden mit unseren Kindern dortleben.
Werfen Sie mit uns einen «Blick in die Zukunft».
Jörg Drescher
I N H A LTSpace-MigrationNach den Gedanken von K. E. Ziolkowskiwird die Menschheit schon im 21. Jahrhun-dert beginnen, sich im Sonnensystem auszu-breiten.
Intelligenz imQuadrat
Vitamine fürs GehirnMit einem Beitrag von
Olesya Storozhuk zur Bildung
Life-ExtensionSeit Jahrhunderten versucht die Medizin,das größte Geheimnis der Natur zu lüften –die Alterung und den unweigerlichfolgenden Tod
GeothermieSaubere und kostenlose Energie
Mit einem Kommentar vonGünter Sölken
Auf dem Wegzu ReichtumBereits 1947 wurde davor gewarnt, dassArbeitslosigkeit durch Computerverursacht werden wird
Die neueFarbe der Arbeit
Karl Marx ist tot, Rosa Luxemburg ist tot… und die Farbe der Arbeit ist immer
noch rot. Oder doch nicht?
6
14
22
28
18
10
4 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
I N H A LTLohnt sich sozialesEngagement?Interview mit Jörg Drescher,Schriftsteller, Übersetzer und Lehrer
Geschichtsbuchaus der ZukunftWas wird man in Zukunft über unsere heutige Zeit schreiben?
Im Ostenetwas Neues?Interview mit Nasip Khamitov,Doktor der Philosophie und Schriftsteller
ZukunftsmosaikProjekte, Modelle und Ideen,was schon heute Realität ist
Von der Industrie-zur KulturgesellschaftWie Götz Werner und Ludwig-Paul Häußner die Zukunft sehen
Spaziergangdurch Utopia
Wie stellen sich Leser die Zukunft vor?
30
34
32
36
41
39
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 5
6 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Anton PERWUSCHIN
Nach den Gedanken von K. E. Ziolkowski wird die Menschheit schon im21. Jahrhundert beginnen, sich im Sonnensystem auszubreiten.
Die Prophezeiung von
Ziolkowski
Der amerikanische Schriftsteller Steven
King, der allgemein als «König des
Schreckens» bekannt ist, gestand, dass
sein größter Schock in der Kindheit die
Meldung über den Start des ersten Satel-
liten war. Die amerikanische Jugend war
Ende der 1950er Jahre von der Überlegen-
heit der USA so überzeugt, dass es ein
Schock war, als sie erfuhr, dass nicht
Amerika, sondern ein anderes Land, einen
Menschheitstraum verwirklichte. Der
Beweis war eine kleine Silberkugel, die
im Kosmos flog und dem Äther lautstark
Signale übergab: «Piep-piep-piep!»
Der Start des ersten russischen
Satelliten war keine Überraschung. Wurde
doch gerade in Russland einer der größten
Denker am Anfang des 20. Jahrhundert
geboren, der hier lebte und arbeitete –
Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski.
Der halbtaube Schullehrer aus Kaluga
war fest davon überzeugt, dass ein Haupt-
ziel der Menschheit in der Zukunft die
Eroberung des Weltraums wird. Früher
oder später würden Menschen die Erde
verlassen, um im Kosmos «Kolonien» zu
gründen. 1897 entwickelte Ziolkowski
eine Formel, die es erlaubte, die Fähigkeit
einer Rakete zu bewerten, um die
kosmische Geschwindigkeit zu erreichen.
Mit Hilfe dieser Formel, die heute den
Namen des Lehrers aus Kaluga trägt, kann
man den optimalen Treibstoff für Träger-
raketen oder Raumschiffe berechnen.
Ziolkowski prophezeite, dass Russland
die erste große Rakete bauen wird und
eine kosmische Flotte schafft. Diese
Prophezeiung sollte in Erfüllung gehen.
Nach der Oktoberrevolution von 1917
wurden die Arbeiten von Ziolkowski
berühmt. Er wurde zum «Vater» der
theoretischen Raumfahrt und sein Status
SpaceMigration
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 7
wurde oft erneuert. Der junge Flug-
ingenieur Sergei Pawlowitsch Koroljow
wurde durch die Arbeiten über die Raum-
fahrt von Ziolkowski beeinflusst.
Der Kosmos als Ziel einer
Gefechtsrakete
Die Idee eines künstlichen Mondes
(Satellit, Gefährte, ISS) ist schon vor
langer Zeit entstanden. Schon Isaak
Newton brachte in seiner Monographie
«Philosophiae Naturalis Principia
Mathematica» (1687) eine Beschreibung
einer riesigen Kanone an, mit deren Hilfe
man eine Kugel in die Umlaufbahn der
Erde schießen könnte. Stellen Sie sich vor,
Newton schrieb vom höchsten Berg,
dessen Spitze sich außerhalb der
Atmosphäre befindet. Stellen Sie sich eine
Kanone vor, die dort steht und senkrecht
in die Höhe schießt. Je größer die Ladung
ist, desto weiter wird die Kugel von der
Bergspitze fliegen. Letztlich wird bei der
Verwendung einer entsprechenden
Ladung die Kugel so schnell sein, dass sie
nicht mehr auf die Erde zurück fallen
wird, sondern den Planeten verlässt und
sich darum drehen wird. Dies heißt heute
«erste kosmische Geschwindigkeit» und
beträgt für die Erde 7,91 km/s.
Doch die Zeit verging, aber es gelang,
etwas zu bauen, um einen Satelliten in die
Erdumlaufbahn zu bringen. Die Schaffung
der großen Kanone zeigte sich allerdings
als außerordentlich arbeits- und kosten-
intensiv. Die kleinen Raketen, die vor dem
zweiten Weltkrieg gebaut wurden,
konnten nicht einmal theoretisch die erste
kosmische Geschwindigkeit entwickeln.
Das hat sich allerdings mit dem Er-
scheinen der großen ballistischen Raketen
«V-2» geändert, die Nazideutschland auf
London schießen wollten. Nach dem Sieg
der Alliierten über Hitler, bekamen die
Siegermächte die Raketentechnologie: die
USA, die UdSSR und Großbritannien.
Joseph Stalin erhielt die sowjetische
Raketentechnik, um die deutschen
Errungenschaften zu studieren. Er
versuchte, sie nachzubauen, um einen
Träger für Atomwaffen zu schaffen.
Sergei Koroljow war schnell davon
überzeugt, das die «V-2-Raketen» nicht
für den Transport von Atombomben über
größere Entfernungen geeignet wäre. Er
hat die Basiskonstruktion der Rakete voll-
ständig überarbeitet und eine «abgestufte»
Rakete entworfen, die unter dem Namen
«R-7» («Semerka» – «Sieben») in die
Geschichte einging.
1953, als die Arbeiten zu «R-7» gerade
begannen, verstand Koroljow, dass diese
Rakete auch eine Ladung in die Erd-
umlaufbahn bringen kann. Die Militärs
standen seinem Vorschlag skeptisch
gegenüber. Deshalb wandte sich Koroljow
in der UdSSR um Unterstützung an die
Akademie der Wissenschaft.
Und die Akademie unterstützte
Koroljow. Letztendlich wurde am
30. Januar 1956 die Verordnung des
Ministerrats angenommen, die vorsah, das
«Objekt D» zu schaffen. So hieß der
Satellit mit einem Gewicht von 1000 bis
1400 Kilogramm. Darunter hob sich die
wissenschaftliche Apparatur mit 200-300
Kilogramm ab. Der Termin für den ersten
Probestart auf Basis der «R-7» wurde auf
Sommer 1957 gelegt.
Als Koroljow die langersehnte Ver-
ordnung bekam, begann er sofort mit der
Realisierung seiner Pläne. In dem
Konstruktionsbüro OKB-1 wurde eine
Abteilung gebildet, die sich ausschließlich
mit der Erarbeitung eines künstlichen Erd-
satelliten beschäftigen sollte. Die
Abteilung sah sofort Variationen von
«Objekt D», von denen eine einen
Behälter mit «biologischer Ladung»
enthielt – einem Versuchshund.
«Völker, hört die Signale!»
Sergei Koroljow verfolgte die Arbeiten
seiner amerikanischen Kollegen aufmerk-
sam und fürchtete, dass sie schneller sein
könnten. Deshalb lud der Hauptkon-
strukteur sofort nach dem erfolgreichen
Test der «R-7» , die am 7. September 1957
Am 4. Oktober 1957 löste diese Kugelim Westen einen Schock aus, der zu
einer Bildungsdebatte führte
8 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
startete, seine Mitarbeiter ein, die an dem
Satellitenprojekt teilnahmen, und schlug
vor, «Objekt D» vorübergehend «einzu-
frieren», um so schnell wie möglich einen
kleinen, leichten Satelliten zu entwerfen.
Von außen sah der Satellit wie eine
Aluminiumkugel mit einem Durchmesser
von 0,58 Meter aus, die vier Antennen
hatte. Die Stromversorgung der Bord-
apparatur bestand aus einem Silber-Zink-
Akku, dessen Arbeit für 2-3 Wochen
ausreichen sollte.
Die Arbeit am sowjetischen Satelliten
wurde nicht geheim gehalten. Schon ein
halbes Jahr vor dem historischen Start
wurde in der Massenzeitschrift «Radio»
der Artikel «Künstlicher Erdsatellit»
veröffentlicht, in dem die Angaben der
Umlaufbahn des zukünftigen Sowjet-
raumschiffes standen, sowie die
Frequenzen, auf denen Radioamateure die
Signale «hören» würden.
Eine Woche vor dem Start las Sergej
Poloskow bei einem Vortrag auf
einer wissenschaftlichen Konferenz in
Washington die Raumfahrpläne der
UdSSR vor, bei der zum ersten Mal die
Bezeichnung des neuen Raumschiffes
fiel: «Sputnik». Dieses Wort wurde bald
in allen Zeitschriften der Welt wiederholt
und damit gebräuchlich.
In der Umlaufbahn
Und endlich – am 4. Oktober 1957, um
22:28:34 (Moskauer Zeit) leuchtete über
der nächtlichen Steppe von Kasachstan
das grelle Blitzlicht. Die Trägerrakete
«M1-1SP» (eine Modifikation der «R-7»,
später «Sputnik-1» genannt), die vom
Raumfahrtzentrum Baikonur startete, flog
mit Getöse nach oben. Ihr Schweif wurde
allmählich schwächer und unterschied
sich kurz danach nicht mehr vom Hinter-
grund des Sternenhimmels.
295 Sekunden nach dem Start von
«PS-1» war der Zentralblock der Rakete,
der 7,5t wog, auf eine elliptischen
Umlaufbahn in eine Höhe von 947 Kilo-
metern befördert – der Erde 288 Kilo-
meter nah. 314,5 Sekunden nach dem
Start begann die Arbeit des Satelliten und
er fing an, Signale zu senden. Im Raum-
fahrtzentrum wurden sie zwei Minuten
danach empfangen und der Satellit ver-
schwand am Horizont. Die Experten
liefen zu einem Unterstand auf die Straße
hinaus und riefen «Hurra!». Konstruk-
teure und Militärs fielen sich in die Arme.
Und schon auf der ersten Umkreisung lief
die Meldung der TASS...
Die Beobachtung der ersten Umkrei-
sung zeigten, dass der Satellit auf einer
Umlaufbahn mit der weitesten Entfernung
von der Erdoberfläche in 947 Kilometer
Höhe war. Für eine Erdumkreisung
brauchte der Satellit 96 Minuten und
10,2 Sekunden.
Um 20:07 (New-York-Zeit) empfing die
Funkstation der Firma «RSA» in New
York die Signale des sowjetischen
Satelliten. Bald verbreitete der Rundfunk
und das Fernsehen die Nachricht in den
USA. Der Sender «NBC» bot den Ameri-
kanern an, «die Signale zu hören, die alt
und neu für immer getrennt hatten.»
Das besondere Interesse des histori-
schen Starts stellt noch ein Detail dar.
Man versuchte schnell, den 1957 künst-
lich am Nachthimmel laufenden Stern als
Satellit zu beobachten. Doch in Wirklich-
keit war die spiegelnde Oberfläche des
«PS-1» als sichtbares Objekt viel zu klein;
von der Erde konnte man nur die zweite
Stufe des Zentralblocks der Rakete sehen,
der in der gleichen Umlaufbahn, wie der
Satellit schwebte.
Nach offiziellen Angaben flog «PS-1»
92 Tage lang – bis zum 4. Januar 1958. Er
machte 1.440 Erdumläufe und legte cirka
60 Mio. Kilometer zurück.
Doch gibt es Informationen, dass er
etwas früher, am 8. Dezember 1957, in der
Erdatmosphäre verglühte. Gerade an
diesem Tag hat irgendein Morgan im süd-
lichen Kalifornien ein verkohltes Bruch-
stück entdeckt. Die spätere AnalyseDie Mir umkreiste von 1986 bis zu ihrem kontrollierten Absturz 2001 die Erde
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 9
zeigte, dass es ein sich tatsächlich um
Material handelte, aus dem «PS-1»
bestanden hatte. Heute ist das von Morgan
gefundene Fragment in einem Museum
bei San Francisco ausgestellt.
Auf zu den Planeten
Der Erfolg übertraf die kühnsten Er-
wartungen. Koroljow bekam schnell den
Auftrag, einen zweiten Satellitenstart vor-
zubereiten. Am 3. November 1957 hob
«PS-2» mit einem Hund an Bord in den
Weltraum ab. Er wurde das erste Lebe-
wesen, das die Umlaufbahn der Erde ver-
ließ. Der Forschungssatellit «Objekt D»
startete erst am 15. Mai 1958.
Nachdem die sowjetischen Konstruk-
teure die Aufgabe erhielten, eine große
Weltraumrakete zu entwerfen, bereiteten
sie sich darauf vor und machten sich
daran, sich einer noch wichtigeren
Priorität zu widmen. Es gelang ihnen.
Am 2. Januar 1959 wurde die Rakete
«R-7» mit dem Forschungsapparat
«Luna-1» in den Kosmos geschossen, der
auf den Mond sollte. Doch verfehlte die
Rakete mit dem Apparat den Mond und
flog am Ziel vorbei, direkt auf die Um-
laufbahn um die Sonne, wo er zum ersten
künstlichen Planeten wurde.
«Luna-2» wurde am 12. September
1959 gestartet und schlug nach zwei
Tagen auf dem Mond, östlich des Mare
Serenitatis (Meer der Klarheit) ein.
1959 startete «Luna-3» und erfüllte den
langen Traum der Menschheit, die Rück-
seite des Mondes zu sehen.
Die neue Rakete wurde ständig verbes-
sert und bald konnte man den ersten
Kosmonauten in der Umlaufbahn feiern:
am 12. April 1961 – der Sowjetpilot Juri
Alexejewitsch Gagarin.
Danach fing das «Rennen» der Mars-
mission an. Am 1. November startete
«Mars-1» zum roten Planeten. Aber nach
fünf Monaten brach die Verbindung zur
Sonde ab und die Mission galt als
misslungen. Danach gelang es den
Amerikanern mit «Mariner-4» die ersten
Bilder vom Mars an die Erde zu senden.
Dafür landete im November 1971 die
erste Sonde «Mars-2» auf dem roten
Planeten, von der man als neue Weltraum-
errungenschaft sprechen konnte.
Große Aufmerksamkeit wurde auch der
Venus zuteil. Am 12. Februar 1961 wurde
die Sonde «Venus-1» gestartet, die dem
Planeten 100.000 Kilometer nah kam. Am
1. März 1966 erreichte die Sonde
«Venus-3» die Oberfläche des Planeten.
Später schafften sowjetische Sonden sogar
weiche Landungen auf der Oberfläche des
«Morgensterns» und übermittelten sogar
Panoramaaufnahmen. Dies ist bisher ein-
zigartig.
Die Niederlage im «Mondrennen» fügte
der sowjetischen Raumfahrt einen
schweren Schlag zu. Das Programm eines
bemannten Flugs zum Mond wurde ein-
geschränkt. Anstelle von Kosmonauten
wurden ferngesteuerte «Mondfahrzeuge»
eingesetzt. Der gesamte Weltraumzweig
der UdSSR orientierte sich auf die
Errichtung einer langfristigen Umlauf-
station. Theoretisch sollte diese Station
für eine Expedition auf den Mars
helfen, deren Entwürfe in sowjetischen
Konstruktionsbüros Anfang der 1960er
Jahre durchstudiert wurden. Doch hat der
Verfall der UdSSR diese und andere
ehrgeizigen Pläne begraben.
Allerdings überlebte nicht nur der
Raumfahrzweig, sondern entwickelte sich
am Anfang des Jahrhundert auch erfolg-
reich. Heute bauen in der Umlaufbahn
russische Spezialisten gemeinsam mit
amerikanischen Kollegen an der Inter-
nationalen Raumstation (ISS). In der
Heimat von Ziolkowski und Koroljow
fing man von Neuem an, über Flüge zum
Mond und Mars zu sprechen.
Eine der Phasen zur Vorbereitung einer
interplanetaren Expedition soll der
Versuch «Mars-500» werden. Sechs Frei-
willige werden in einem engen Modell des
Raumschiffes für 520 Tage und Nächte
eingeschlossen – genau so lange, wie die
Marsmission dauern soll. Die Wissen-
schaftler wollen prüfen, ob das Zusam-
menleben der Kosmonauten konfliktfrei
ablaufen kann und wie sich die lange
Isolation auf die Gesundheit auswirkt.
☺
Es ist immer wieder ein faszinierender Anblickvon einem anderen Standpunkt auf
uns selbst zu blicken
10 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Alexander KAMARDIN
Die Mechanismen zur Entstehung von
Alzheimer sind noch nicht endgültig
bekannt. Medikamente, die heute ver-
wendet werden, wirken allerdings gegen
die Symptome und nicht auf die Ursachen
der Erkrankung. Aber in vielen Labors der
Welt wird fieberhaft nach Stoffen gesucht,
um das verlorene Gedächtnis wieder-
erlangen zu können und den Menschen zu
helfen, sich wieder «an alles zu erinnern».
Forscher des Instituts für normale
Physiologie, RAMN, beendeten in
Zusammenarbeit mit dem Institut für
physiologische Aktivstoffe am RAN vor
kurzem ein dreijähriges Projekt. Während
dieser Zeit wurden an Tieren zehn
Verbindungen untersucht, die Grundlage
für solche Medikamente werden könnten.
Aus dieser großen Zahl sind nur zwei
übrig geblieben, aber die Wissenschaftler
zählen dies als Erfolg.
«Das Ziel der Untersuchungen ist,
potentielle Verbindungen zu finden, die
«Erinnerungen» zurück geben können, die
bisher für immer verloren schienen»,
erzählt der Laborleiter des biologischen
Gedächtnisinstituts und korrespondieren-
des Mitglied am RAMN, Konstantin
Anochin. «Doch das Problem der
Kranken besteht nicht nur darin, dass sie
keine aktuellen Informationen behalten
können. In Wirklichkeit wird ihre Persön-
lichkeit zerstört, indem sie ihre Vergan-
genheit verlieren – sie erinnern sich an
nichts, das vor kurzem war und büßen ihre
sozialen Fähigkeiten ein. Aber wenn es
eine Möglichkeit geben würde, die
Gedächtnisfunktion zu stimulieren, würde
es ein gewaltiger Fortschritt sein.»
Zum ersten Mal wurde bei diesem
Projekt von den Wissenschaftlern nicht
nur nach neuen Verbindungen gesucht, die
den gewöhnlichen Erinnerungsprozess
verbessern, sondern auch geprüft, ob die
Stoffe fähig sind, das «ehemalige»
Gedächtnis zu beeinflussen oder gar zu
stärken.
Es ist schon ziemlich lange bekannt,
dass wenn vor dem Merken (zum Beispiel
ein Student vor der Vorlesung), im
Extremfall sofort danach, ein bestimmter
Stoff gegeben wird, die Information
besser behalten werden kann. Aber im
Verlauf der Untersuchungen wurde klar:
Auch nach 6-8 Stunden nach dem
Ereignis kann der Stoff auf die Qualität
des Merkens einwirken, da gerade in
dieser Zeit im Gehirn die zweite Welle der
«Informationsspeicherung» vonstatten
geht. Im Idealfall genügt es, einmal pro
Tag eine Tablette zu nehmen, die das
Gedächtnis verbessert, und man wird
fähig, alles optimal zu behalten. Doch
diese «Superfähigkeiten» werden kaum
Inte
ligen
z im
Qua
drat
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 11
einem Kranken helfen, der an Alzheimer
leidet, aber gerade dies war das Hauptziel
der Untersuchungen.
«Es gibt eine Unzahl an Dingen, die wir
allmählich vergessen. Sie verschwinden,
wie die Kondensspur eines Flugzeuges in
der Luft», erklärt Konstantin Anochin.
«Um diesen Prozess anzuhalten und das
Spurenlöschen zu «fixieren», haben wir
während der Untersuchungen versucht,
auf das schwächer werdende Gedächtnis
im Moment ihrer «Löschung» einzu-
wirken. Als wir die Versuchstiere in eine
entsprechende Situation brachten, die sie
seit längerem vergessen hatten und sie
sich wieder zu erinnern begannen, gaben
wir ihnen in diesem Moment das Ver-
suchspräparat. Daraufhin wurde praktisch
die «gelöschte» Information stabilisiert –
wir überführten sie in ein dauerhaft lang-
fristiges Gedächtnis.
Die Verbindungen, mit denen die
Forscher am Institut für normale
Physiologie arbeiteten, waren syntheti-
sche Stoffe von Chemikern aus dem
Institut für physiologische Aktivstoffe aus
Tschernogolowka, das bei Moskau liegt.
Dort beschäftigt man sich seit mehr als
15 Jahren mit der Suche nach Medika-
menten, die auf das Gedächtnis wirken.
«Wir synthetisierten tausende Stoffe»,
sagt Sergei Batschurin. «Zuerst prüfen wir
ihre Effektivität an Computermodellen.
Ein großer Teil wird dabei aussortiert.
Einige hundert landen im «Reagenzglas»
mit Zellstoffen und nur zehn haben es
geschafft, an Tieren getestet zu werden.
Unsere Kollegen prüften eben die aus-
sichtsreichsten unter ihnen im Rahmen
dieses Projekts.»
Im Laufe der Untersuchungen wurden
nur zwei Verbindungen ausgewählt, wobei
eins von den Wissenschaftlern den
Arbeitsnamen RU-32 bekam, das einer-
seits fähig ist, auf den Speicherungspro-
zess von neuen Informationen
einzuwirken, und andererseits das
schwache und zerstörte Gedächtnis beim
Erinnerungsprozess zu verstärken. Dies
kann der Anfang einer neuen Generation
von Präparaten sein, die fähig sind, das
geschwächte Gedächtnis wieder zu
aktivieren. Wie die Projektteilnehmer
gestehen, rechneten sie nicht mit diesem
Ergebnis, sondern waren bereit, sich mit
neuen, rein wissenschaftlichen Erkennt-
nissen über den Aufbau und die Mecha-
nismen des Gedächtnisses zu begnügen,
ohne die natürlich die Suche nach einem
Mittel im Kampf gegen Alzheimer einfach
unmöglich ist. Dabei ist der Erfolg kein
Zufall. Gerade die russischen Wissen-
schaftler verfügen dank der ausgeprägten
Tradition im Bereich der Physiologie und
Erforschung des lebenden Gehirns über
Möglichkeiten, die bei der Suche nach
neuen Wegen zur Wiederherstellung des
beschädigten Gedächtnisses notwendig
sind. Sie wissen, was sie beim Tier
«fragen» müssen und wie sie es dazu
bringen, sich auch an etwas anderes zu
erinnern. Dadurch kann man bestimmen,
ob der Stoff auf neue und bisher wenig
bekannte Prozesse der «Löschung» und
«Speicherung» des alten Gedächtnisses
wirkt. Die Tests, die von einer Mehrzahl
westlicher Pharmagesellschaften ver-
wendet werden, sind sehr mechanisch.
Das chemische Screening ist mit einem
breitgefächerten «Mähdrescher» ver-
gleichbar, der nicht immer den Einfluss
eines Stoffes auf diese feine Materie, wie
dem Gedächtnis, zeigen kann.
Der Markt für diese neue Medikamen-
tenklasse zur «kognitiven Erweiterung»
(cognitive enhancing drugs – Präparate,
Ich stelle Dir immer die gleichen Fragen.Ich will Dich doch nicht ärgern.
Ich habe vergessen, dass ich schon gefragt habe.Hab’ mich bitte trotzdem lieb.
12 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
die die Lernfunktionen verstärken) ist
nicht nur auf Alzheimer begrenzt. Die
Untersuchungen von RU-32 ergaben,
dass sich dieses Mittel auch auf andere
Erkrankungen auswirken könnte, die mit
der geistigen Leistungsfähigkeit des
Menschen zu tun haben – so zum Beispiel
bei Schizophrenie, Depression oder
Folgen eines Gehirnschlags. Aber die
Hauptzielgruppe solcher Medikamente
könnten nach Meinung der Wissen-
schaftler (aus der Sicht der vergangenen
Medizin) auch vollkommen gesunde
Menschen sein, die das vierzigste Lebens-
alter überschritten haben.
«So kann es nach und nach passieren,
dass die Grenze zwischen einem schweren
Zustand und Alzheimer verschwinden
wird, obwohl eigentlich alles damit anfing
– nämlich den alltäglichen Notwendig-
keiten des Lebens», unterstellt Professor
Anochin. «Es wird darauf hinauslaufen,
dass sich Leute in einiger Zeit entscheiden
können, ob sie diese «Gedächtnis-
vitamine» nehmen oder nicht.»
Diese neuen Möglichkeiten rufen bei
Spezialisten ernsthafte Befürchtungen
hervor, wovon die neuliche Diskussion in
der größten Wissenschaftszeitschrift
«Nature» zeugt. Die Autoren wenden sich
an die Leser, unter denen hauptsächlich
Biologen und Ärzte sind, mit einer Serie
von Fragen, die versuchen, die Grenze der
zulässigen Nutzung solcher Präparate zu
bestimmen. Hier drei davon: «Würden Sie
das Präparat einem Patienten mit diesen
Symptomen empfehlen?», «Würden Sie
es selbst einnehmen?», und zuletzt: «Wie
würden Sie reagieren, wenn Sie erfahren,
dass Ihre Kollegen solche Medikamente
zur Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit
einnehmen?» Die erste Frage wurde
einheitlich positiv beantwortet, bei der
zweiten waren die Meinungen geteilt, aber
bei der dritten meinte die Mehrheit, dass
sie negativ reagieren würden.
Zum Beispiel beruhen die Befürch-
tungen auf folgender Situation: Eine
Person nimmt das Medikament, um die
Zweiuhrvorlesung besser zu behalten,
später lässt die Wirkung wieder nach und
die Person kehrt wieder in den normalen
Zustand zurück. Kann eine psychische
Abhängigkeit entstehen? Wird die Person
nicht ständig bemüht sein, diese neue
intellektuelle Leiste hoher zu legen?
Aber hier argumentieren die Anhänger
der breiten Einführung von «cognitive
enhancing drugs», dass laut Prognosen,
sich in den nächsten 20-30 Jahren die Ent-
wicklung auf den Ausbau des mensch-
lichen Potentials durch Hilfe der verschie-
densten Techniken richten wird – wie der
Nano-, Multimedia- oder Computer-
technologie. Und diese Präparate wirkt
auf das «Standardpaket» der menschli-
chen Möglichkeiten einer demokratischen
Gesellschaft ein.
Allerdings sind uns die Hauptprobleme
noch gar nicht bekannt – damit rechnet,
wer sich mit der Erforschung des mensch-
lichen Gehirns direkt beschäftigt.
«Wir wissen letztendlich nicht, wie
unser Gedächtnis «organisiert» ist und
was diese gewonnenen Erinnerungen, als
Stück unserer Vergangenheit, verursachen
können», teilt Konstantin Anochin die
Zweifel. «Diesen Prozess kann man mit
einer «chemischen Psychochirurgie» ver-
gleichen. Dennoch ist es ein Eindringen in
eine fremde Seele und der Beginn irgend-
eines Bereichs eines anderen «Ichs». Dort
wird etwas herausgenommen, durch-
gesehen, verändert, gelöscht und
«aneinandergeklebt»...»
Aber es gibt zweifellos auch offensicht-
liche Vorteile, die durch die neuen Mög-
lichkeiten für die Medizin entstehen. Die
Erforschung des menschlichen Gedächt-
nisses und der Einfluss auf die kognitiven
Prozesse dauern an. Angefangen als rein
wissenschaftliche, fundamentale und ohne
eigentliche Aufgabe, kam man zu einem
Endprodukt, das solche Ergebnisse her-
vorbrachte, die die Gesellschaft des 21.
Jahrhunderts sehr stark verändern wird.
☺
Der Anteil hochbegabter Menschen (nachdeutschen IQ-Tests mit über 130) liegt bei2,2% der Bevölkerung. Die Verteilungentspricht der gauß’schen Glockenkurve
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 13
Bildung der Zukunft
Olesya STOROZHUK
Die Frage der Bildung kann nicht allgemein betrachtet werden.
Vielmehr ist es schwierig, einen universellen Ansatz zu finden,
der angemessen erscheint und die kulturelle und historische
Eigenheiten der jeweiligen Nation mit einbezieht.
Da das Thema sehr weit gefächert ist, gehe ich von meiner per-
sönlichen Erfahrung aus und spreche über die euroatlantischen
Bildungsmuster. Dabei werde ich mich auf das traditionelle Aus-
bildungsschema der Schule und Hochschule konzentrieren.
Die Schule sollte (im weitesten Sinne) die Aufgabe der Eltern
ergänzen, das Kind in die Gesellschaft zu integrieren und grund-
legendes Wissen über die Welt zu vermitteln. Man sollte lernen,
unabhängig zu denken und den Informationsfluss zu analysieren,
der uns täglich erreicht.
Meiner Meinung nach sollte trotz aller radikaler Vorschläge
ein traditionelles Fundament in der Schuldausbildung bestehen
bleiben. Sicher, jede Generation ist «um einen Grad klüger als
die vorhergehende», aber es werden immer noch die gleichen
Kinder geboren, wie vor hundert oder zweihundert Jahren – es
ist nur die «Geschwindigkeit», die bestimmt, wie schnell ein
Mensch die Welt wahrnimmt. Eine andere Sache ist, dass die
pädagogischen Ansätze so schnell wie möglich auf die Heraus-
forderungen reagieren sollten.
Hochschulen sollten die Kenntnisse und Fähigkeiten der Stu-
denten erweitern, die in der Schule vermittelt wurden. Sie dienen
dazu, die Prozesse in der Welt besser zu verstehen und das
Wissen im jeweiligen Fachbereich zu vertiefen.
Folgende Probleme möchte ich bei der Hochschulbildung
(zumindest im postsowjetischen Raum) hervorheben: Die
Unflexibilität und theoretische Ausrichtung, das Festhalten am
formalen Bewertungsprozess und die Hierarchie zwischen Lehrern und Schülern.
Flexibilität. Hochschulen sollen Studenten mit flexiblem
Wissen ausbilden, und, was viel wichtiger ist, mit flexiblem
Bewusstsein. Die strenge Trennung in voneinander isolierte
Spezialbereiche zerstört sich selbst. Ein Student soll die Hoch-
schule mit breiten Kenntnissen und Fähigkeiten abschließen, die
ihm die Möglichkeiten geben, sich in den unterschiedlichsten
Bereichen des Lebens zu versuchen. Die Welt entwickelt sich
schneller als Universitäten Spezialisten vorbereiten können.
Doch ein Mensch, der zu lernen gelernt hat, kann auf das Leben
schnell reagieren und davon profitieren.
Benotung. Oft kann man hören: «Wir lernen nicht für Noten,
sondern fürs Leben». Aber diesen Worten fehlt in der Realität
oftmals die notwendige Substanz.
Trotz der Absurdität der Benotung (die eng mit dem Problem
der Objektivität verbunden ist), wäre es unvernünftig, sie abzu-
schaffen. Vielmehr sollte man ihr Wesen ändern: Man sollte die
Fähigkeiten eines Studenten bewerten und nicht tatsächliche
Ergebnisse. Natürlich ist es schwierig, Potentiale in Zahlen-
werten zu messen. Doch sind «mehrschichtige» Benotungen teil-
weise schon verwirklicht: Einschätzungen werden von Lehrern,
Fachkräften, Studenten selbst und deren Mitstudenten gegeben.
Die Hierarchie zwischen Lehrern und Studenten. Eine
Besonderheit der Hochschulbildung ist eine klare Trennung
zwischen dem Status von Lehrern und Studenten. Produktive
Lehrmethode sind Diskussionen, wo Lehrer zu Moderatoren
werden, um das Gespräch zu lenken und zu helfen, schwierige
Situationen oder Wissensdefizite zu überwinden. Wir sollten von
der vertikalen zur horizontalen Rolle im Bildungsbereich
wechseln, wo der Lehrer nur noch ein Mensch ist, der mehr
Wissen und größere Erfahrungen hat.
Einige Trends in Bezug auf die Hochschulbildung haben sich
inzwischen schon herauskristallisiert. Wir sollten die besten
Praktiken der «nichtformellen Ausbildung» nutzen, wie die
Betonung auf Softskills, individuelles Eingehen auf einzelne
Studenten, Interaktionen, und Open-Space-Diskussionen usw.
Die Ausbildung der Zukunft wird mit Sicherheit ein breites
Spektrum an Multimedia-Informationen bieten. Sie wird sich
international ausrichten. Dabei geht es primär um einen Kultur-
und Erfahrungsaustausch, damit wir lernen, unterschiedliche
Probleme zu lösen.
Schon heute leben und studieren viele Leute auf verschiedene
Art. Diese Studenten warten nicht auf die Gelegenheit von oben,
sondern leben nach dem Motto: «Sei die Änderung, die Du sehen
willst.» Aber um diesen Prozess zu intensivieren und zu
verbessern, bedarf es einer angemessenen Unterstützung von
Entscheidungsträgern. Dies beinhaltet breite konzeptionelle
Reformen des gesamten Systems. ☺
14 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Albert VALENTINOW
Seit Jahrhunderten versucht die
Medizin, das größte Geheimnis der Natur
zu lüften – die Alterung und den
unweigerlich folgenden Tod. Dies zu
erforschen und den Mechanismus besser
zu verstehen, dient allgemein dazu, den
Menschen von dieser bedrückenden Zeit
des Lebens zu befreien. Aber es scheint
aus Sicht des gesunden Menschen-
verstandes gar nicht nötig.
Als das Leben auf die Erde kam und die
ersten Lebewesen erschaffen wurden, sah
die Natur ihr Ableben nicht vor. Der Tod
war nicht in ihrem Drehbuch eingeplant,
weshalb die ersten Geschöpfe, wie
Mikroben, Bakterien oder Infusorien sich
bis heute über Teilung fortpflanzen. All
das ist einfach genial: da war die erste
Mikrobe, dann teilte sie sich... und es gab
zwei... aber immer noch die gleichen. Für
den Menschen, der die Welt aus seiner
Sicht des absoluten Materialismus heraus
wahrnimmt, ist es schwer, die Tatsache zu
begreifen, dass Tiere, die «heraus-
kommen», wie Matrjoschkas, sich immer
wie ein und derselben ähneln. Und nicht
nur Tiere. Eine Erdbeere hat «Härchen»,
die neue Erdbeeren bilden – und immer
wieder ergibt es die gleiche Pflanze.
Nach der Entstehung von einfachen
Lebewesen kamen kompliziertere Mehr-
zeller – und mit ihnen der Tod. Warum
wurden sie von der Natur benötigt? Auf
diese Frage antwortete der deutsche
Naturforscher Weißmann noch im
19. Jahrhundert so, wie auch Mendel und
Morgan, welche die Sowjetideologie in
den Schmutz zogen. Sie wurden breit-
flächig abgestempelt: «Mendelismus-
Morganismus-Weißmannismus ist die
öffentliche Dirne des Imperialismus».
Und doch gab Weißmann eine sehr ein-
fache Antwort auf die Kernfrage: der Tod
wird von der Natur deshalb benötigt, um
das Leben auf der Erde zu sichern, um zu
lernen, sich den jeweiligen Umweltbe-
dingungen entsprechend anzupassen und
damit auf jede Veräderungen reagieren zu
können. Doch die hemmungslose Ver-
mehrung irgendeiner Art führt dazu, dass
die Nahrung nicht mehr für alle ausreicht.
Und dann werden erwachsene Tiere an-
fangen, die schutzlosen Jungtier zu
fressen, damit sich unter anderen Bedin-
gungen jede weitere Generation vervoll-
kommnet. Diese andere Bedingung wurde
eben durch den Tod gewährleistet.
Aber dieser Prozess kann nicht plötzlich
eintreten, sondern der Organismus muss
darauf vorbereitet werden. Und für diese
Vorbereitung organisierte die Natur eine
ganze Reihe auf dem lebenswichtigen
Weg: die Alterung.
Damit wurden nun lebenswichtige Auf-
gaben in das Gleichgewicht eingebaut.
Lebewesen werden geboren, entwickeln
sich durch Hilfe der Eltern in einem
«Ausbildungszyklus», erreichen das
LifeLifeExtension
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 15
Zeugungsalter, bekommen wieder Kinder,
die sie ausbilden und beschützen, um
danach zu altern und zu sterben. Mit der
ein oder anderen Nuance haftet dieses
traurige Schema allen Lebewesen unseres
Planeten an.
«Das Altern der lebenden Organismen
ist nicht ganz zu vermeiden.» Diesen
unerwarteten Gedanken sprach das Mit-
glied der Russischen Wissenschaftsakade-
mie (RAN) und Direktor des
Forschungsinstituts für physikalisch-che-
mische Biologie an der Staatlichen
Universität Moskau (MGU) aus. «Der
überwiegende Teil der Tier- und Pflanzen-
arten altert wirklich: der Organismus
funktioniert mit der Zeit immer schlechter,
hört auf, sich zu vermehren, ist anfällig für
Krankheiten und stirbt letztendlich.
Alterung ist aus Sicht der Evolution not-
wendig: alternde Lebewesen werden
konkurrenzunfähig und überlassen ihren
Platz den Jüngeren. Um es hochwissen-
schaftlich auszudrücken: «Das Altern des
Organismus ist die Abschwächung seiner
lebenswichtigen Funktionen im Lauf der
Zeit, um die Wahrscheinlichkeit des Todes
zu erhöhen.»
Aber plötzlich zeigte sich, dass es in der
Natur auch nichtalternde Lebewesen gibt.
Dabei sind es nicht irgendwelche
Mikroorganismen, sondern ganz
«normale» Arten, die sich weder äußer-
lich, noch innerlich von den anderen
unterscheiden. Sie haben auch Gehirne,
Herzen, Blut... aber es gibt nur einen
Unterschied: in den lebenswichtigen
Schritten fehlt die Alterung. Das erwies
sich buchstäblich als phantastisches
Rätsel der Natur.
Zum Beispiel existieren Riesenschild-
kröten, die bis zu 200 Jahre alt werden,
und in deren Leben keine Alterserschei-
nungen auftreten. Sie verlieren keine
Körperkraft, keine Sehkraft oder den
Sexualreiz. Sobald sie ihr Erwachsenen-
stadium erreicht haben, bleiben sie auf
dieser Ebene stehen, aber wachsen weiter
und behalten die Fähigkeit zur Fort-
pflanzung. Und sie sterben... am Hunger.
Eine andere Erklärung hat die Wissen-
schaft bisher nicht gefunden. Ihr Panzer
wird so schwer, dass sich die Schildkröten
nicht mehr bewegen können, um Nahrung
aufzunehmen. So hat die Natur hier
scheinbar nicht zu Ende gedacht...
Aber vielleicht verurteilen wir die Natur
verfrüht. Vielleicht zwingt sie die armen
Schildkröten nicht dazu, die Hunger-
qualen zu erleiden, sondern sterben ein-
fach deshalb, weil ihre Zeit gekommen ist.
Wie auch der Albatros, der auch nicht
altert. Er lebt zirka 50 Jahre und stirbt
plötzlich – auf einmal bleibt das Herz bei
dem lebendigen Vogel stehen. Das gleiche
Bild beim Grönlandwal – er lebt zirka 200
Jahre und behält sich auch die Fort-
pflanzungsfähigkeit bei. Und der Verlust
dieser Fähigkeit ist ein sicheres Merkmal
für den Beginn des Alterns. All diese Tiere
entwickelten sich bei der Evolution sehr
langsam, die zur Anpassung an Umwelt-
bedingungen da ist – aber bei diesen
Tieren ist es nicht notwendig. Vielmehr ist
es sogar gefährlich: sie verlieren an
irgendeiner großen Evolutionsänderung
plötzlich ihre Fähigkeit.
Und was lernen wir daraus? Es zeigt
sich, dass die Natur seit langem ein
Konzept für das Leben ohne Alterung
entwickelt hat und einige Lebewesen
damit belohnt wurden. Wie viele Arten es
sind, wissen wir nicht, aber wir entdecken
sie zufällig. Warum sie dieses wünschens-
werte Geschenk bekommen haben, ist uns
auch nicht bekannt. Aber einmal entdeckt,
heißt das, dass man es vielleicht ander-
weitig nutzen kann. Nicht wie ein unbe-
absichtigtes Geschenk, sondern wie ein
wissenschaftliches Forschungsergebnis
oder einer Suche, die auf ein klar
definiertes Ergebnis gerichtet ist. Um so
mehr, weil schon einige Ausgangspunkte
vorhanden sind. So gibt es bei manchen
Fischen keine Alterung durch ein in
Genen aufgezeichnetes Programm,
sondern er beginnt durch eine noch unbe-
kannte äußerliche Notwendigkeit. Sagen
wir zum Beispiel, dass der Pazifiklachs
sofort schneller zu altern beginnt,
nachdem er gelaicht hat. Danach sterben
die Fische und ziehen dadurch zahlreiche
Krebschen an, die wiederum als Nahrung
für die Jungfische dienen. Mit anderen
Worten: durch ihren Tod versorgen sie
ihre Nachkommen. Und der Pazifiklachs
kann sein aktives Leben dank eines
Parasiten verlängern. Die Larven einer
Muschelart leben in ihm. Aber wenn
äußere Faktoren, bei manchen Lebewesen
auf die Alterung beschleunigend oder aus-
lösend, und bei anderen verzögernd
wirken, bedeutet das, dass es solche Fak-
toren für andere Lebewesen auch gibt.
Man muss sie nur finden. Wenn man weiß,
wonach man suchen muss, ist die Aufgabe
gelöst.
Aus diesem Beispiel, so folgert der
Akademiker Skulatschew, entsteht der
Alterungsprozess – ein Programm, das es
möglich macht, ihn zu verzögern oder gar
aufzuheben. Diesem globalen Ziel
Lebewesen werden geboren, entwickeln sich mitHilfe der Eltern in einem «Ausbildungszyklus»,erreichen das Zeugungsalter, bekommen wieder
Kinder, die sie ausbilden und beschützen, um da-nach zu altern und zu sterben. Mit der ein oderanderen Nuance haftet dieses traurige Schema
allen Lebewesen unseres Planeten an.
16 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
widmen sich Forschungsprojekte, die den
Namen «Skulatschew-Ion» bekamen.
18 Forschungsgruppen mit mehr als 210
Personen, einschließlich drei Mitglieder
und vier Berichterstattern der Russischen
Wissenschaftsakademie (RAN), sowie 19
Doktoren und 45 Kandidaten der Wissen-
schaft aus verschiedenen Forschungszen-
tren Russlands nehmen daran teil.
Man muss dabei betonen: es geht abso-
lut nicht um den Kampf gegen den Tod,
wie manche glauben. Die Forschungen
richten sich darauf, den Zeitpunkt des
Alterungsbeginns so weit wie möglich
hinauszuzögern, um den Menschen von
seinen bedrückenden und erniedrigenden
Leiden zu befreien, sowie die Lebensqua-
lität dieses wichtigen Abschnittes zu
verbessern, der ihm von der Natur aufer-
legt wurde.
Es scheint, dass man den Schlüssel des
Alterungsprozesses in den Genen suchen
muss. Und solche Experimente wurden
schon gemacht: Wissenschaftler haben
das Gen gefunden, bei dessen Deaktivie-
rung das Leben verlängert wird... Naja,
bisher nur bei Fadenwürmern und
Labormäusen. «Wir wollen uns nicht in
die Gene des Menschen einmischen, weil
es zu unabsehbaren Folgen führen kann»,
sagt Wladimir Skulatschew. Und er weiß,
von was er spricht. Er ist einer der führen-
den Wissenschaftler von lebendigen
Zellen auf der Welt.
Aus diesem Grund entschieden die
Forscher, sich nicht in den Alterungspro-
zess und dessen Ablauf in einer sehr
frühen Stufe einzumischen. In diesem Sta-
dium ist das Altern mit einer Ansammlung
von Radikalen im Organismus verbunden
– mit einer sehr aktiven Sauerstoffverbin-
dung, die oxidierend wirkt und faktisch
tödlich ist, wobei dies eigentlich in den
Mitochondrien geschieht. Sie sind die
Hauptorganellen einer Zelle – das Kraft-
werk, das die Energie zur Arbeit aller an-
deren Zellkomponenten liefert. Deshalb
muss man in erster Linie den Sauerstoff
«bändigen» und seine freien Radikale
neutralisieren, wenn man den Beginn der
Alterung verzögern will.
Dieses Problem ist nicht neu. Man ver-
wendet schon heute hunderte Antioxidati-
onsmittel auf der Welt, aber nicht alle von
ihnen sind wirksam, weil sie selbst auch
freie Radikale schnell zerstören. Es ist
noch kein wirkliches Antioxidationsmittel
eines Wissenschaftlers bekannt. Nach
einer langen anstrengenden Arbeit ergab
sich die Synthetisierung eines neuen
Stoffs, wobei man noch nicht dazu kam,
ihm einen Namen zu geben – derzeit SkQ.
Die Besonderheit dieses neuen Stoffs be-
steht darin, dass in seiner Zusammenset-
zung das «Skulatschew-Ion» (der Name
wurde von einem ausländischen Kollegen
vergeben) auftritt, das durch die Zellmem-
bran geht und sich im Inneren von
Mitochondrien ansammelt. Damit
«schmuggelt» sich eigentlich ein
Die Gesellschaft wird immer älter. Kinderwandern in die Städte ab und in den Dörfern
bleiben die Alten und Schwachen zurück.
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 17
Antioxidationsmittel ein. Das Ergebnis:
Das Präparat schützt das Gewebe der
Mitochondrien vor Oxidation und die
«Energieleistung» bleibt unverändert. Die
Zelle arbeitet ihr ganzes Leben lang mit
voller Kraft, so dass der Altersprozess erst
viel später beginnt.
Versuche mit Labormäusen haben dies
bestätigt. Ihnen wurde Wasser mit SkQ
zum Trinken gegeben, wobei das Präparat
im Wasser buchstäblich in einer Nano-
dosis enthalten war. Bildlich gesprochen:
im Wasser war nicht selbst das Präparat,
sondern seine Geruchsausstrahlung. Aber
das Ergebnis hat sich als wichtig er-
wiesen: die Lebenszeit dieser Mäuse hat
sich im Vergleich zu einer Kontrollgruppe
um etwa ein Drittel verlängert. Mit
anderen Worten: der Alterungsprozess
fing erst ein Drittel später an. Noch ein-
drucksvoller sind Versuche mit mutierten
Ratten, bei denen eine beschleunigte
Alterung herbeigerufen wurde. Unter
normalen Bedingungen durchlaufen
solche Tiere ihre Lebensetappen, wie
Kindheit, Erwachsenheit, Nachkommen,
Alter und Tod, viel schneller. Das neue
Präparat hielt nicht nur die beschleunigte
Alterung auf, sondern verlängerte auch
deutlich die Jungend und Lebenszeit –
Phantastisch! Sie vergrößerte sich um
drei Mal.
Außerdem heilte das neue Präparat eine
Menge von Alterskrankheiten bei den Ver-
suchstieren: Infarkte, Gehirnschläge,
Osteoporose, Störungen des Blutkreis-
laufs, Reproduktionssystem, Sehkraft,
Verhaltensänderungen – all diese traurigen
Altersleiden verschwinden unter der
Einwirkung des «Skulatschew-Ion».
Dabei drängt sich eine Frage auf: Ist mit
dem hervorragenden Präparat, das von der
modernen Wissenschaft synthetisch her-
gestellt wird, wirklich die jahrtausendealte
volkseigene Tradition zu Ende, aus
Erfahrung Heilmittel zu sammeln und
ständig in der Natur neue und immer
wirksamere Kräuter zu suchen, um daraus
Aufgüsse und Salben herzustellen, die
buchstäblich zauberhafte Eigenschaften
besitzen? Es ist unmöglich, etwas zu
schaffen, was in der Natur nicht vorgese-
hen ist – das wurde noch im 19. Jahr-
hundert gefragt. So bleiben sicher Rezepte
von irgendwelchen Heilgroßmüttern
bewahrt, die taub und 100jährig in
Dörfern sitzen, wohin ein ganzer Bezirk
um Hilfe rennt, die aus der Zeit von
uralten Vorfahren stammt und von Mutter
zu Tochter unter strenger Geheimhaltung
weitergegeben wird. Dort hängen Kräuter-
bündel, die über eine verborgene Kraft
verfügen. Die Großmutter kann zur
Heilung eines Kranken gerufen werden
und wird dann nach einer strengen Folge
Blüten und Blätter, die von Urvätern ver-
macht wurden, in das siedende Wasser aus
einem Bergbach werfen, um den Aufguss
zu vollenden. Aber den heute Geheilten
wird der Beweis über den Erfolg der
altertümlichen Medizin vorenthalten, viel-
mehr wird der Glaube an die volkseigene
Heilkunst bewahrt.
Auch dieses Toten- und Lebenswasser?
Zuerst behandelt es, heilt Wunden, lindert
Blutungen, lässt Knochen zusammen-
wachsen – kurz, es heilt den Organismus.
Aber eins macht dieses Präparat SkQ: es
befreit den Patienten von Altersleiden.
Aber wieso nur Altersleiden? Alle aufge-
führten Krankheiten kommen auch in jun-
gen Jahren vor. Doch wurde das
«Skulatschew Ion» noch nicht in anderen
Krankheitsbereichen getestet.
Aber das Lebenswasser gibt Leben
zurück. Bisher macht das Präparat von
Skulatschew nur in einem Bereich etwas:
es gibt die abnehmende Sehkraft zurück.
Es zeigte sich, dass es sich beim Grauen
Star und Dystrophie der Netzhaut erfolg-
reich anwenden lässt. Natürlich bisher nur
bei Tieren. Wobei es nicht nur prophylak-
tisch wirkt, sondern auch behandelnd, was
kein Ophthalmologe erklären konnte. Auf
der Liste der Tiere, die nach Einträufeln
von SkQ ins Auge das Augenlicht wieder-
erlangten, stehen Hunde, Katzen, Kanin-
chen und ein Pferd. In einem Film, den
Forscher aufgenommen haben, erzählen
Hunde- und Katzenbesitzer überzeugend,
wie ihre Schützlinge innerhalb von 2-3
Wochen erblindet waren und es genügte
SkQ, damit ihre Sehkraft zurückkehrte.
☺
Im alten Rom stand hinter einem siegreichen Feldherren ein Sklave und wiederholte dabei ununterbrochen die Worte:
«Memento mortis. Memento te hominem esse. Respice post te, hominem te esse memento» (Bedenke den Tod.
Bedenke, dass Du ein Mensch bist. Sieh dich um; denke daran, dass auch du nur ein Mensch bist.)
18 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Geothermische Energie ist die in Formvon Wärme gespeicherte Energie unter-halb der Oberfläche der festen Erde. ProLiter «Erdinnenraum» sind im Mittel 2,6kWh Energie gespeichert.
Der Wärmeinhalt der Erde würde unse-
ren heutigen Weltenergiebedarf für 30
Millionen Jahre decken. Mit menschli-
chen Maßstäben gerechnet sind also die in
der Erde gespeicherten Energievorräte ge-
nauso unerschöpflich wie die der Sonne.
In Mitteleuropa nimmt die Temperatur
in den obersten Erdschichten durch-
schnittlich um 3 °C pro 100 m zu. Im ober-
sten Erdmantel herrschen etwa 1.200 °C,
im Erdkern sind es wahrscheinlich
6.000 °C. Unmittelbar an der Erdober-
fläche werden die Temperaturen fast aus-
schließlich durch die Sonne bestimmt. Da
der Boden die Wärme jedoch schlecht
leitet, ist spätestens unterhalb von
15-20 m Tiefe kein Einfluss der Sonne
mehr festzustellen.
Im Vergleich zu anderen erneuerbaren
Energieträgern besitzt die Geothermie
einen bedeutenden Vorteil: Sie steht unab-
hängig von Tages- und Jahreszeit oder den
herrschenden Klimabedingungen immer
zur Verfügung.
Da sie direkt vor Ort zu finden ist,
benötigt man keine aufwendigen Trans-
portsysteme. Durch Vermeidung eines
konventionellen Verbrennungsprozesses
werden keine direkten CO2-Emissionen
verursacht; geringfügige CO2-Emissionen
ergeben sich nur durch Verwendung von
Elektroaggregaten.
Inzwischen verfügen wir über Techno-
logien, die es uns ermöglichen, die vor-
handenen Ressourcen auch praktisch
überall zu nutzen. In Deutschland wird
mit gegenwärtig rund 600 Megawatt
installierter Leistung (unter Einbeziehung
der oberflächennahen Geothermie aus
Wärmepumpen) umweltfreundliche
Wärme auf Basis der Geothermie erzeugt.
Weltweit sind zwischen 15.000 und
20.000 Megawatt (thermisch) und
8.400 Megawatt (elektrisch) Leistung
installiert. Das ist nur ein Bruchteil
dessen, was möglich wäre. Der Wärme-
strom aus der Tiefe reichte prinzipiell aus,
um unseren gesamten Wärmebedarf
decken zu können.
NUTZUNGSVERFAHREN
Oberflächennahe Geothermie
Auch die ersten hundert Meter Tiefe
lassen sich bereits geothermisch nutzen,
obwohl dort nur Temperaturen von
8-12 °C herrschen. Man benötigt zusätz-
lich nur eine Wärmepumpe, um die für die
Wärmeversorgung notwendigen höheren
Temperaturen zu erzeugen. Erdgekoppelte
Wärmepumpen sparen Primärenergie ein
und schonen so Umwelt und Klima. Das
Land Nordrhein-Westfalen fördert daher
solche Anlagen mit seinem Programm
«Rationelle Energieverwendung und
Nutzung unerschöpflicher Energie-
quellen (REN)».
Saubere Energie – kostenlos
Geothermie
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 19
Zur Wärmeerzeugung in der ober-
flächennahen Geothermie stehen folgende
Nutzungsverfahren zur Verfügung:
Grundwasserwärmepumpen:
An geeigneten Standorten lässt sich
Grundwasser über Brunnen entnehmen
und direkt zur Wärmepumpe bringen. Es
muss jedoch wieder in den Untergrund
eingeleitet werden, so dass neben Förder-
brunnen auch sogenannte Schluckbrunnen
einzurichten sind.
Erdwärmekollektoren:
In einer Tiefe von etwa 80-160 cm
werden Wärmetauscherrohre aus Kunst-
stoff horizontal im Boden verlegt. Über
eine zirkulierende Wärmeträgerflüssigkeit
wird dem Boden die Wärme entzogen und
mittels einer Wärmepumpe auf das
benötigte Temperaturniveau angehoben.
Erdwärmesonden:
Die Sonden sind senkrechte, meist 30
bis 100 m, selten auch tiefere Bohrungen,
in die gewöhnlich Kunststoffrohre
installiert werden. Sie bilden in Mittel-
und Nordeuropa die häufigsten Anlagen-
typen. Die mit einer Wärmeträgerflüssig-
keit gefüllten Sonden heizen oder kühlen
in Verbindung mit einer Wärmepumpe
einzelne Wohngebäude, Büro- und
Gewerbebauten oder sogar ganze
Wohnanlagen.
Erdberührte Betonbauteile,
Energiepfähle:
Dabei handelt es sich um statisch
notwendige Bauteile und/oder Gründungs-
pföhle sowie Schlitzwände. Bei Neu-
bauten kann man diese mit Wärme-
tauscher- rohren ausrüsten und sie in Ver-
bindung mit einer Wärmepumpe wirt-
schaftlich zum Heizen und Kühlen des
Gebäudes einsetzen.
TIEFENGEOTHERMIE
Tiefe Erdwärmesonden
Das Prinzip der über 500 m tiefen Erd-
wärmesonden wurde Anfang der 90er
Jahre erstmals in der Schweiz erprobt.
Damals wollte man alte Bohrungen, z. B.
aus der Erdöl- und Erdgassuche weiter-
nutzen. Seit 1994 wird eine fast 3000 m
tiefe Erdwärmesonde auch in Prenzlau
(Brandenburg) unter Nutzung einer schon
vorhandenen Bohrung betrieben. Die
gewonnene Energie wird in das Fern-
wärmenetz der Stadtwerke eingespeist.
Eine Wärmepumpe ist zur Aufheizung
zwischengeschaltet, um das geo-
thermische Temperaturniveau auf das der
Fernwärme anzuheben.
Moderne Wohnungen werden so ge-
baut, dass sie nur noch wenig Heizenergie
benötigen; die Heizungen werden als
Niedertemperaturanlagen ausgelegt. Des-
wegen kann man jetzt in Nordrhein-
Westfalen erstmals einen etwas anderen
Weg gehen: Das in der tiefen Erdwärme-
sonde erwärmte Wasser liefert seine Ener-
gie über Wärmetauscher in den Gebäuden
ab, kehrt dann abgekühlt in die Tiefe
zurück, um sich dort erneut zu erwärmen
und den Kreislauf zu wiederholen.
Thermalwassernutzung
In Deutschland entstanden geo-
thermische Heizwerke zuerst dort, wo es
im Untergrund Thermalwasser gibt.
Größere bekannte Vorkommen finden sich
z. B. in der Norddeutschen Tiefebene, im
Süddeutschen Molassebecken zwischen
Donau und Alpen, unter der
Schwäbischen Alb oder im Oberrheintal
aber beispielsweise auch im Aachener
Raum. Sie verfügen über Temperaturen
von ca. 40 bis knapp über 100 °C. Im
Oberrheintal und in Bayern gibt es
auch Thermalwasservorkommen mit
Temperaturen von mehr als 100°C.
Das warme oder heiße Wasser wird über
eine Tiefbohrung an die Oberfläche
gefördert, abgekühlt und über eine weitere
Bohrung wieder in den Untergrund
zurückgeleitet, und zwar in die Schicht,
aus der es auch entnommen wurde. Auf
diese Weise wird das hydraulische Gleich-
gewicht im Untergrund erhalten und das
Thermalwasservorkommen nicht leer-
gepumpt. Die aus dem Wasser gewonnene
Wärme wird in ein Fernwärmenetz
übertragen. Ein solches Wärme-
Temperaturin 0C
Druckin kbar
Dichtein g/cm²
ObereKruste <25 >0 <3,0
UntereKruste <900 ca. 9 3,3
ObererMantel 900-1.400 ca. 15 4,6
UntererMantel 1.400-2.500 ca. 400 5,7
ÄußererKern 2.500-3.000 >1.300 9,4
InnererKern 3.000-6.000 >3.500 11-13,5
20 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
versorgungssystem mit zwei Bohrungen
nennt man eine geothermische Dublette.
In Deutschland sind sie zwischen 800 und
2500 m tief. Geothermische Heizwerke
können über eine installierte Leistung von
mehr als 20 Megawatt verfügen und
mehrere tausend Wohnungen mit Wärme
versorgen.
STROM AUS GEOTHERMIE
Geothermische Kraftwerke gibt es auf
allen Kontinenten, meistens dort, wo
Dampf oder Heißwasserlagerstätten zu
finden sind. Kraftwerke produzieren mit
konventioneller Technik Strom rund um
die Uhr. Noch längst sind nicht alle
entsprechenden Ressourcen erschlossen.
Neue Technologien erweitern die
Möglichkeiten.
Niedrigere Temperaturbereiche ab etwa
100 °C konnten bisher zur wirt-schaftli-
chen Stromproduktion nicht genutzt
werden. Die Marktgemeinde Altheim in
Oberösterreich versorgt sich schon seit
Jahren mit geothermischer Wärme; seit
dem Jahr 2000 ist sie auch erster geo-
thermischer Stromproduzent nördlich der
Alpen. Durch die Entwicklung der ORC-
Turbine (Organic Rankine Cycle) ist es
jetzt möglich, das 106 °C heiße Thermal-
wasser für die Stromerzeugung zu nutzen.
Ein weiterer Schritt nach vorn sind Hot-
Dry-Rock-Kraftwerke (HDR-Kraftwerke).
In Mitteleuropa gibt es zwar keine Dampf-
oder Heißwasserlagerstätten. Aber heiß
genug ist der Untergrund auch bei uns.
Um auf Temperaturen zu stoßen, die sich
für die Stromgewinnung eignen, sind
ausreichend tiefe Bohrungen notwendig.
Das grundlegende Verfahrensprinzip
klingt relativ einfach: Das in der Tiefe
vorhandene heiße Gestein wird über Boh-
rungen erschlossen. Zwischen den
Bohrungen werden mit Wasserdruck, also
hydraulisch, Fließwege aufgebrochen oder
vorhandene aufgeweitet. So wird eine Art
unterirdischer Wärmetauscher erzeugt, in
denen sich von der Oberfläche einge-
presstes Wasser erhitzen kann, um, wieder
nach oben gefördert, eine Turbine anzu-
treiben. Die Zirkulation in HDR-Systemen
erfolgt in einem geschlossenen Kreislauf.
Dieser steht so unter Druck, dass ein
Sieden des Wassers verhindert wird.
Dampf entsteht also erst an der Turbine.
Einem Team des Europäischen
Hot-Dry-Rock-Forschungsprojekts in
Soultz-sous-Forets im französischen Teil
des Oberrheingrabens (Elsass) gelang es
in den Jahren 1994 bis 1997, die grund-
sätzliche Eignung des Verfahrens nachzu-
weisen. Soultz-sous-Forets wurde als
Standort dieses Vorhabens gewählt, weil
es im Zentrum der größten Wärmeanoma-
lie Mitteleuropas liegt. Das ermöglichte,
die Arbeiten in relativ geringer Tiefe
Montage einer Dampfturbine zur Stromerzeugung
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 21
von rund 3.500 bis 5.000 Metern
durchzuführen.
Mit den Ergebnissen, an denen auch
Wissenschaftler aus Nordrhein-Westfalen
ihren Anteil haben, hat sich die europäi-
sche Forschung weltweit an die Spitze der
HDR-Entwicklung gesetzt.
Die Schweizer Bundesregierung hat auf
Grund der ermutigenden Entwicklung
beschlossen, im Raum Basel ein erstes ei-
genes HDR-Kraftwerk zu errichten.
SPEICHERUNG VON WÄRME
UND KÄLTE
Der Erde kann nicht nur Wärme
entzogen, in ihr kann auch Wärme
gespeichert werden.
Erdwärmesondenspeicher:
Im Sommer lässt sich überschüssige
Wärme aus Gebäuden über Erdwärme-
sonden oder Energiepfähle in den Unter-
grund abführen. Von dort kann sie dann
im Winter zurück geholt werden.
Ein entsprechendes Demonstrations-
objekt wurde bereits 1992 in NRW
realisiert. Im Technologiezentrum Düssel-
dorf wird ein 6.650 m² Gebäudekomplex
mit geothermischer Energienutzung
geheizt und gekühlt. Die Erdsondenanlage
verteilt 77 Sonden mit je 35 m Tiefe auf
vier Erdsondenschächte und erzielt eine
Entzugsleistung von 117,5 kW.
Aquiferspeicher:
Verfügt man im Untergrund über eine
wasserführende Schicht, in der das Wasser
nicht oder kaum fließt, kann man nur
diese zur direkten Wärmespeicherung
nutzen. Einen solchen Aquiferspeicher
gibt es z.B. am Gebäude des Berliner
Reichstags. Dort wird im Sommer
Abwärme aus Blockheizkraftwerken über
Bohrungen in den Untergrund abgeführt,
die später während der Heizperiode
wieder zur Verfügung gestellt werden
kann.
Verkehrsflächen schnee-
und eisfrei halten
In Europa wurde 1994 eine erste Anlage
mit dem Verfahren zur Sonnenenergie-
rückgewinnung aus Straßenoberflächen
(SERSO), einem Hangviadukt einer
Bundesstraße bei Därligen am Thunersee,
Schweiz, realisiert. Dieses Straßenstück
zeichnete sich durch häufiges und
plötzliches Auftreten von Glatteis als sehr
unfallträchtig aus. Unter der Straßenober-
fläche, die sich bei Sonneneinstrahlung
aufheizt, befinden sich Rohrschlangen,
die die eingesammelte Wärme an einen
Erdwärmesondenspeicher abgeben. Dort
steht sie dann bei kritischen Winterwetter-
lagen wieder zur Verfügung und
verhindert die Glatteisbildung.
☺
Kommentar von Günter SÖLKEN, Ex-Sprecher des deutschen Netzwerk GrundeinkommenIch bin davon überzeugt, dass wir von viel zu vielen Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und die Menschheit umzingelt sind. Eines davon ist, dass wir
Energie aus Atomkraft beziehen. Dies ist eines der allergrößten Verbrechen, weil
wir – nur weil wir zu bequem sind, Energie zu sparen, eine Energiegewinnung
zulassen, die hunderte von Generationen nach uns belasten werden und zwar mit
einer Gefährlichkeit, die wir noch gar nicht abschätzen können.
Im gleichen Maße, so bin ich überzeugt, ist es ein Verbrechen, Autos für den
Straßenverkehr zuzulassen, die mehr als sechs Liter pro hundert Kilometer
verbrauchen. Das Verbrechen ist, dass wir uns weigern, die notwendigen Schritte
gegen die Klimakatastrophe zu unternehmen, unter der dann unsere Kinder und
Kindeskinder zu leiden haben.
Es hat sich leider herausgestellt, dass die viel gelobte Marktwirtschaft verantwortungsunfähig ist. Das hat sie leider zu Hauf
bewiesen. Deshalb muss jetzt mit drastischen Gesetzen eingegriffen werden. Geschieht dies nicht, ist auch dies ein Verbrechen.
Der richtige Weg kann nicht sein, der Geldwirtschaft mit Steuergeldern unter die Arme zu greifen. Dieser Gierkapitalismus,
der die Probleme auf den Finanzmärkten verursacht hat, ist keine Rettungsaktion wert. Denn er ist das eigentlich Übel.
Dies ist aber wohlgemerkt kein Plädoyer für den Sozialismus/Kommunismus und auch keine dumme Kapitalismus-
verdammung. Kapital werden wir immer brauchen, als Tauschmittel ist Geld unersetzbar. Aber es darf nicht sein, dass das
Kapital wichtiger wird als die Menschen und die Demokratie. Das ist so, als würde wir heute behaupten, dass sich ab morgen
die Sonne um die Erde dreht. Gott sei dank wissen wir, dass dies nicht der Fall ist und keine Manipulationskampagne der
Welt würde uns davon überzeugen können. Aber genauso wenig sollten wir zulassen, dass die Menschenrechte den
Bedürfnissen gieriger Verbrecher ausgeliefert werden können.
22 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Wenn es einen Vorschlag gibt, der zur
Zeit die Zustimmung von nahezu jeder-
mann erhält, dann ist es die Behauptung,
dass wir mehr Arbeitsplätze benötigen.
Ein «Heilverfahren gegen Arbeitslosig-
keit» ist versprochen, oder es wird von
allen «großen Denkern» ernsthaft danach
gesucht – diese Sucher reichen von Jimmy
Carter bis zur Kommunistischen Partei
der USA, von Ronald Reagan bis
zum Chef der Wirtschaftsabteilung an
der lokalen Universität, von den
Bircherianern bis zur neuen Linken.
Ich möchte diesen Gedanken in Frage
stellen. Ich glaube nicht dass es ein Heil-
verfahren gegen Arbeitslosigkeit gibt oder
dass es ein solches jemals geben könnte.
Ich möchte beantragen, dass Arbeitslosig-
keit keine Krankheit ist, sondern die
natürliche, gesunde Folgerung einer
technologisch weit fortgeschrittenen
Gesellschaft darstellt.
Jede Technologie und jede nationale
Spezies wie der Homo Sapiens zielen
unvermeidlich auf das, was Buckminster
Fuller als Ephemerisierung oder «Mehr-
mit-weniger-tun» bezeichnet. So «tut»
beispielsweise ein moderner Computer
(er liefert mehr Informationsteilchen), und
zwar mit weniger Hardware als die Proto-
computer der späten vierziger und
fünfziger Jahre. Ein Arbeiter an einer
modernen Lichtsetzmaschine vollbringt in
einer Stunde mehr als tausend mittelalter-
liche Mönche, die ein Jahrhundert lang
emsig Pergamentrollen abgeschrieben
haben. Die atomare Spaltung erbringt mit
einem Kubikzentimeter Material mehr, als
alle Ingenieure des 19. Jahrhunderts mit
Robert Anton WILSON (1980)
Auf dem Weg zu Reichtum
Arbeitslosigkeit ist keine Krankheit – aus diesem Grund gibt es kein «Heilverfahren» dagegen.
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 23
einer Million Tonnen erbringen konnten –
und die Kernfusion birgt noch größere
Möglichkeiten in sich.
Diese Tendenz zur Ephemerisierung
oder zum «mehr-mit-weniger-tun» basiert
auf zwei Hauptfaktoren:
1. Der Verbindungsgewinn
Der Begriff wurde von dem Ingenieur
C. H. Douglas geprägt und bedeutet ein-
fach, dass wir mit vereinten Bemühungen
mehr tun können, als wir mit der Summe
der Einzelbemühungen erreichen würden.
Fünf Leute, die zusammenwirkend
handeln, können ein kleines Auto heben –
probiert dies aber jeder für sich allein, so
wird sich der Wagen kaum von der Stelle
bewegen. So, wie sich die Gesellschaft
von winzigen Banden zu größeren
Stämmen, von Stammesverbänden zu
Stadtstaaten, von nationalen zu multi-
nationalen Verbindungen ausgeweitet hat,
so hat auch der Verbindungsgewinn
expotential zugenommen. Eine Jägerschar
der Steinzeit konnte das Parthenon nicht
errichten; ein Stadtstaat der Renaissance
konnte Neil Armstrong nicht auf den
Mond bringen. Wenn der Verbindungs-
gewinn auf Grund größerer sozialer
Einheiten zunimmt, so wird das «Mehr-
mit-weniger-tun» in zunehmenden
Ausmaßen möglich.
2. Dem Wissen selbst wohnt die stete
Erweiterung inne.
Jede Entdeckung «legt» weitere Ent-
deckungen nahe; jede Erfindung fordert
andere Erfindungen heraus. Dies ist direkt
aus den Aufzeichnungen des US-Patent-
büros ersichtlich, wo jedes Jahr mehr
Patente gewährt werden als im Vorjahr –
eine steigende Kurve, die ins Unendliche
zu klettern scheint. Wenn der Erfinder A
aus zwanzig Einzelteilen ein Was-auch-
immer bauen kann, so wird Erfinder B ein
Was-auch-immer aus zehn Einzelteilen
und Erfinder C ein solches aus fünf Ein-
zelteilen konstruieren. Hatte der Techno-
loge um 1900 einem Was-auch-immer
100 Erg entlockt, so bringt es der Techno-
loge von 1950 auf 1.000 Erg, und im Jahr
2000 werden es 100.000 Erg sein. Auch
hier geht die Tendenz stets in Richtung
«Mehr-mit-weniger-tun».
Arbeitslosigkeit wird unmittelbar durch
das technische Vermögen des «Mehr-mit-
weniger-tun» verursacht. Viele tausend
Mönche sind von Gutenberg «technolo-
gisch» zur Arbeitslosigkeit verurteilt
worden. Viele tausend Hufschmiede
haben durch Fords Motell T. «technolo-
gisch» ihre Arbeit verloren. Als Beweis
dafür, dass das «Mehr-mit- weniger-tun»
die menschliche Arbeit um so weniger
notwendig macht.
Aristoteles sagte einst, die Sklaverei
könne nur abgeschafft werden, falls
Maschinen gebaut würden, die sich selbst
bedienen. Arbeit gegen Lohn, die moderne
Äquivalente zur Sklaverei – sehr zutref-
fend von Gesellschaftskritikern als «Lohn-
sklaverei» bezeichnet –, steht mitten im
Prozess, von derartigen sich selber
bedienenden Maschinen aufgehoben zu
werden. In der Tat hat Norbert Wiener,
einer der Begründer der Kybernetik, dies
vorausgesehen und bereits 1947 davor
gewarnt, dass sich große Arbeitslosigkeit
einstellen werde, sobald die Computer-
revolution wirklich einzusetzen beginnt.
Darüber kann man diskutieren, und ich
würde meinen, dass der einzige Grund,
warum Wieners Voraussage noch nicht
völlig eingetroffen ist – obwohl die
Arbeitslosigkeit stetig zunimmt –, darin
liegt, dass die großen Zweckverbände, die
Gesellschaft und der Staat, stillschweigend
übereingekommen sind, den Lauf der
Kybernetik zu verlangsamen, sich Zeit zu
lassen und die Wirtschaft nur mit ange-
zogenen Bremsen in Gang zu halten. Dies
alles beruht darauf, dass sie Arbeitslosig-
keit immer als «Krankheit» betrachten und
sich keinerlei «Heilverfahren» gegen die
nahezu absolute Arbeitslosigkeit vorstellen
können, wie sie die vollständige
Kybernetik herbeiführen wird.
Buchbinder, Holzschnitt 1568 Aristoteles Norbert Wiener
24 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Nehmen wir für einen Augenblick an,
dass wir diesen calvinistischen Begriff-Set
ablehnen würden. Betrachten wir die
Lohnarbeit – und so betrachten sie die
meisten Leute tatsächlich – als einen
Fluch, als Belastung, als Ärgernis und
Schranke, die zwischen uns und dem, was
wir wirklich tun möchten, steht. In diesem
Fall ist deine Arbeit die Krankheit und die
Arbeitslosigkeit das Heilverfahren.
«Aber ohne Lohnarbeit werden
wir alle verhungern!?! Oder etwa nicht?»
Ganz und gar nicht. Viele weitblickende
soziale Denker haben intelligente und ein-
leuchtende Projekte ausgearbeitet, die auf
eine Gesellschaft mit steigender Arbeits-
losigkeit anwendbar wären. Hier einige
Beispiele:
1. Die nationale Dividende
Sie ist von dem Ingenieur C. H. Douglas
ausgedacht und leicht verändert von dem
Dichter Ezra Pound und von Buckminster
Fuller erneut aufgegriffen worden. Der
Grundgedanke lautet (obwohl sich
Douglas, Pound und Fuller in Einzelheiten
unterscheiden), dass jeder Bürger zum
Teilhaber an der Nation erklärt wird und
Dividenden auf das jährliche Brutto-
Sozialprodukt erhalten sollte. Die
Schätzungen darüber, wie viel auf jeden
Bürger entfallen würde, sind unterschied-
lich – aber nach dem derzeitigen Stand
des Bruttosozialprodukts darf bei größter
Zurückhaltung angenommen werden, dass
ein Anteil das Mehrfache dessen betragen
würde, was ein Wohlfahrtsempfänger
erhält – mindestens fünfmal soviel.
Kritiker klagen, dass dies von
inflationärer Wirkung sein würde.
Förderer der nationalen Dividende ent-
gegnen, dass dies nur der Fall wäre, wenn
die verteilten Dividenden das Brutto-
sozialprodukt übersteigen würden – sie
schlagen nur die Ausschüttung von
Dividenden vor, die gleich groß wie das
Bruttosozialprodukt sind.
2. Garantiertes Jahreseinkommen
Dieser Gedanke ist von dem Ökonomen
Robert Theobald und anderen vorgebracht
worden. Die Regierung würde dabei
lediglich eine Einkommensgrenze fest-
legen, die über der Armutsgrenze liegt,
und garantieren, dass kein Bürger weniger
erhält. Falls das Einkommen unter diese
Grenze sinkt oder falls man kein Ein-
kommen hat, gleicht die Regierung diese
Differenz aus.
Dieser Plan würde die Regierung
weniger kosten als das gegenwärtige
Wohlfahrtssystem mit all seiner büro-
kratischen Amtsschimmelreiterei und all
den überflüssigen Anhängseln; ein Punkt,
der von jenen Konservativen überdacht zu
werden, die sich immer über die hohen
Wohlfahrtskosten beklagen. Es würde den
Wohlfahrtsempfängern auch die ganze
Demütigung, Erniedrigung und Ent-
menschlichung ersparen, die in das gegen-
wärtige System eingebaut ist. Dies ist ein
Punkt, der von den Liberalen in Betracht
gezogen werden sollte. An einem System,
das billiger als die Wohlfahrt und für die
Armen weniger erniedrigend ist, sollte
meiner Ansicht nach außer hartgesottenen
Sadisten niemand Anstoß nehmen.
3. Negative Einkommenssteuer
Sie ist von dem mit dem Nobelpreis
ausgezeichneten Ökonomen Milton
Friedman entwickelt worden und bildet
eine weniger radikale Variante des oben
erwähnten Gedankens. Die negative Ein-
kommensteuer würde ein Minimalein-
kommen für jeden Bürger festlegen;
jedermann, dessen Einkommen geringer
als dieses Limits ausfällt, würde den
nötigen Betrag erhalten, um besagten
Aber ohne Lohnarbeit werden wir doch alle verhungern!?! Oder etwa nicht?
Buckminster Fuller
Biosphère in Montréal von Buckminster Fuller
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 25
Standard wieder zu erreichen. Friedman,
der gelegentlich als Konservativer
bezeichnet wird, sich selber aber lieber
Indeterminist nennt, weist darauf hin, dass
dies – wie Theobalds garantiertes Jahres-
einkommen – den Staat (das heißt den
Steuerzahler) weniger kosten würde als
das gegenwärtige Wohlfahrtssystem. Es
würde auch der letzten Färbung von Er-
niedrigung entbehren, die mit Regierungs-
almosen in Zusammenhang steht – denn
wenn man einen Scheck des Finanzamts
einlösen würde, wüsste niemand (nicht
einmal die Bank), ob es sich dabei um
Zusatzeinkommen auf Grund von Armut
oder um eine Rückzahlung auf Grund zu
hoher letztjähriger Steuern handelt.
4. Die RICH-Ökonomie
Letztere ist von dem Erfinder L. Wayne
Benner (Koautor von Timothy Learys
Terra II) in Zusammenarbeit mit dem
Autor dieses Aufsatzes entwickelt
worden. Es handelt sich dabei um ein
Vier-Stufen-Programm, dazu bestimmt,
die Gesellschaft auf die Kybernetik und
die Raumzeitalterzukunft auszurüsten, die
im Schnellschritt auf uns zukommt. RICH
bedeutet Rising Income through
Cybernetic Homeostasis (steigendes
Einkommen durch kybernetische
Selbstregulation).
Stufe I bedeutet die Erkenntnis, dass
Kybernetik und große Arbeitslosigkeit
unvermeidlich sind, wobei letztere zu
fördern ist. Dies kann dahingehend
geschehen, dass man jedem Arbeiter
100.000 Doller Belohnung bietet, falls er
eine Maschine erfindet, die ihn und alle
anderen, welche diese Arbeit verrichten,
ersetzen kann. Mit anderen Worten,
anstatt uns schreiend und unter Radau ins
kybernetische Zeitalter zerren zu lassen,
sollten wir mutig den Angriff wagen und
die von schwerer Arbeit befreite
Gesellschaft als utopisches Ziel sehen, das
die Menschheit immer gesucht hat.
Stufe II ist dazu bestimmt, entweder die
negative Einkommenssteuer oder das ga-
rantierte Jahreseinkommen einzurichten,
so dass die auf Stufe I bewirkte massive
Arbeitslosigkeit nicht ganze Menschen-
horden in die Erniedrigung der derzeitigen
Wohlfahrtssysteme absinken lässt.
Auf Stufe III muss das garantierte
Jahreseinkommen allmählich und ver-
suchsweise auf die Ebene der nationalen
Dividende gebracht werden. Dies würde
jedem Bürger annähernd den Lebens-
standard der wohlhabenden Mittelklasse
vermitteln. Der Grund, warum man dies
stufenweise vornehmen muss: Es gilt, jene
konservativen Ökonomen zu besänftigen,
die behaupten, dass die nationale Divi-
dende «inflationär» sei oder das Bankge-
schäft praktisch ruinieren würde, indem
sie die Zinssätze praktisch auf null senkt.
Unsere Behauptung lautet, dass dies nicht
geschehen würde, solange die ausge-
schütteten Dividenden dem nationalen
Bruttosozialprodukt gleich sind. Aber da
es sich dabei um einen revolutionären und
umstrittenen Gedanken handelt, wäre es
zugegebenermaßen vorsichtig, das
Minimal- einkommen während der ersten
zehn Jahre jährlich um vielleicht fünf Pro-
zent anzuheben. Nach der durch Stufe I
bewirkten massiven Übersättigung an
Konsumgütern sollte das Minimalein-
kommen dann versuchsweise weiter in
Richtung einer echten nationalen
Dividende ver-größert werden.
Stufe IV umfasst aus zwei Gründen
große Investitionen auf dem Gebiet der
Erwachsenenbildung. Erstens können sich
Menschen nur eine gewisse Zeit lang mit
Sex, Rauschgift oder Fernsehen
Das Dilthey-Modell
Der Nobelpreisträger für Chemie, Herold C. Urey (* 29. April 1893 in Walkerton
im US-Bundesstaat Indiana; † 5. Januar 1981 in La Jolla, Kalifornien), schlug in
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert eine Begründung für die Entstehung der
Sauerstoffhülle auf der Erde vor. Dieses Musterbeispiel für Rückkopplungseffekte
ging als «Urey-Effekt» in die Wissenschaftsgeschichte ein.
Der Effekt beschreibt den Zusammenhang zwischen der UV-Strahlung und der
Photolyse: Wasser wird durch energiereiche UV-Strahlung in Sauerstoff und
Wasserstoff gespalten. Sauerstoff ist allerdings ein wirksamer UV-Filter und je
mehr Sauerstoff in der Atmosphäre ist, desto weniger kann Photolyse stattfinden.
Dieses Wechselspiel führte zu einem Gleichgewicht, welches Leben auf der
Erde überhaupt erst ermöglichte, denn energiereiche UV-Strahlung zerstört auch
organische Moleküle.
Das Dilthey-Modell enthält durch seine Besteuerungs- und Berechnungsart eine
ähnliche Selbstregulation über Rückkopplungseffekte.
Der Kommunismus versuchte mit der Planwirtschaft, das Angebot und die
Nachfrage in Einklang zu bringen. Die freie Marktwirtschaft ist auf Wachstum
ausgerichtet und versucht das Angebot prinzipiell immer zu vergrößern und
dafür eine Nachfrage zu generieren. Dies hauptsächlich deshalb, weil die unter-
schiedliche Verteilung von Produktionsmitteln dieses Wachstum erfordern.
Durch die dynamische Ausgestaltung des Dilthey-Modells wird oben beschrie-
bener «Urey-Effekt» – eine natürliche Form der Kybernetik – auf die Wirtschaft
übertragen.
26 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
beschäftigen – nach einer Weile langwei-
len sie sich. Das ist der psychologische
Haupteinwand in bezug auf eine arbeits-
lose Gesellschaft, und die Antwort darauf
besteht in der Schulung der Leute, auf
dass sie ihr Gehirn mehr betätigen, anstatt
sich mit Sex, Drogen, Fernsehen oder
unsinnigen Jobs abzugeben, an denen die
meisten Leute heute arbeiten. Zweitens
kommen in den nächsten zwei oder drei
Jahrzehnten große Herausforderungen
und Möglichkeiten auf uns zu.
Die bemerkenswertesten sind jene,
die Timothy Leary SMI²LE-Slogen
aufleuchten: Space Migration (Aus-
wanderung ins All), Intelligence
increase (Intelligenzsteigerung), Life
Extention (Lebensverlängerung). Die
Menschheit tritt in ein völlig neues,
evolutionäres Verhältnis zu Raum und
Bewusstsein ein. Wir werden nicht mehr
auf einen einzigen Planeten beschränkt
bleiben, auch nicht auf eine Lebens-
spanne, die kürzer als ein Jahrhundert ist,
und ebenso wenig auf die stereotypen
roboterhaften Geistesprozesse, von denen
heutzutage die meisten Leute ihr Leben
bestimmen lassen. Jedermann verdient die
Chance – falls er es wünscht –, an jenem
evolutionären Sprung teilzunehmen, den
Leary als «mehr Raum, mehr Zeit und
mehr Intelligenz, um Raum und Zeit zu
genießen» bezeichnete.
Ich bin – kurz gesagt – der Ansicht, dass
die Arbeitsethik (einen Arbeitgeber
finden, der dich gegen Lohn anstellt, oder
in erbärmlicher Armut leben lässt),
veraltet ist. Es muss eine Arbeitsästhetik
entstehen, die dieses Steinzeitalter-
syndrom des Sklaven, Lohnarbeiters,
Leibeigenen, Proletariats und Lohn-
arbeiters ersetzt – jene menschliche
Arbeitsmaschine, die gar kein voll-
kommener Mensch ist, sondern, wie Marx
sagte, «ein Werkzeug, ein Automat». Von
der Roboterrolle befreit, werden die Leute
lernen, vollentwickelte Wesen im Sinne
der menschlichen Möglichkeiten zu
werden. Sie werden nicht aus wirtschaft-
licher Notwendigkeit nach Arbeit suchen,
sondern aus psychologischem Bedürfnis –
als Ventil für ihr kreatives Potential.
(«Kreatives Potential» bezieht sich auf
den angeborenen Trieb, zu spielen,
herumzubasteln, zu entdecken und zu
experimentieren, wie es bei jedem Kind
zu beobachten ist, ehe seine Geistes-
prozesse von einer autoritären Erziehung
und der dienlich-konditionierten Lohn-
Roboterei verkrüppelt werden.)
Wie Buckminster Fuller sagt, werden
sich jene Leute, die dereinst von der
Lohnsklaverei befreit sind, als erstes
fragen: «Was hat mich in meiner Jugend
am meisten interessiert, ehe man mir
sagte, dass ich meinen Lebensunterhalt
verdienen müsse?» Die Antwort auf diese
Frage, die Millionen und schließlich
Milliarden Menschen geben werden, wird
die Renaissance zum Vergleich wie eine
wissenschaftliche Hochschulausstellung
oder wie eine Kunstschau aussehen
lassen.
☺
Was hat mich in meiner Jugend am meisten interessiert, ehe man mir sagte, dass ich meinen
Lebensunterhalt verdienen müsse?
Container sind der Katalysator der Globalisierung. Mit ihnen ist es egal,
wie weit die Konsumenten und Hersteller voneinander entfernt sind.
Sie ermöglichen die weltweiteArbeitsteilung.
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 27
M E I N U N G E N
Christian GRIEMCOO bei BILLA UkraineDie Aufgabe von Führungskräften ist, eine positive Vision der Zukunft bereitzustellen
und Rahmenbedingungen zur Umsetzung zu schaffen. Dazu ist eine positive Grund-
stimmung wichtig, um authentisch zu wirken. Eine Portion Charisma ist notwendig,
damit die Führungskraft als nachahmungswürdiges Vorbild vorangeht. Sie muss Sinn
stiften können und eine positive Ausstrahlung vermitteln.
Ein angemessenes Gehalt ist als Motivation für die Arbeit zwar wichtig, doch ent-
scheidender sind nichtmonetäre Werte, wie Spaß, Lob und Anerkennung der Leistung.
Allerdings sind Menschen verschieden und die Gewichtung der Werte ist sehr unter-
schiedlich. So habe ich zum Beispiel den Eindruck, dass in der Ukraine Geld eine
höhere Bedeutung als in Deutschland hat, weil es hier viel essentieller ist.
Wladimir GONCHAROWManager bei Furshet UkraineVor kurzem las ich: «Nach Meinung einer Reihe bedeutender Wissenschaftler, hängt
das Schicksal der Zivilisation von einer kreativen Klasse ab (von der Klasse, die
schöpferisch aktiv ist und Ideen generiert). Aber sie besteht nur aus 150 Millionen
Personen. Und jede Stadt, in der sie leben werden, erwartet eine glänzende Zukunft.»
Das ist richtig, denn Kreativität war seit je her eine wichtige Triebfeder der mensch-
lichen Entwicklung. Aber man muss solchen Leuten auch die Möglichkeit geben,
schöpferisch aktiv zu werden und dann auf ihre Ideen hören. Später können wir immer
noch entscheiden, ob wir ihre Vorschläge in die Tat umsetzen.
Axel HLUCHY, Managing Director beiMetro Cash & Carry Ukraine Ltd.Für die erfolgreiche Umsetzung adaptierter Konzepte und Strategien ist eine früh-
zeitige Einbindung möglichst vieler Mitarbeiter auf allen Ebenen sehr wichtig. Somit
kommt der internen Kommunikation und der Beteiligung der Mitarbeiter eine ganz ent-
scheidende Bedeutung zu. Unternehmen die eine gut ausgeprägte interne
Kommunikationsstruktur haben, sowie eine offene, ehrliche und klare Kommunikation
zu Mitarbeitern, sehen in Krisenzeiten auch eher positive Aspekte, sich hierdurch besser
am Markt und bei den Kunden zu positionieren. Eine offene Kommunikation zu allen
Stakeholdern, Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten und anderen Geschäftspartnern
ist in Krisenzeiten somit eine vorrangige Aufgabe der Unternehmensführung und kann
durchaus als Chance begriffen werden, sich vom Wettbewerb zu differenzieren.
28 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Arbeit ist nicht gleich Erwerbsarbeit
Soziale Sicherheit, Integration durch Erwerbsarbeit, das Recht
auf Einkommen verkleidet im «Recht auf Arbeit» waren eman-
zipatorische Schritte. Aber das verkürzt verstandene «Recht auf
Erwerbsarbeit» hat sich zum «Zwang zur Arbeit» verdreht, zu
einer Arbeit dort, wo keine mehr ist, zu Beschäftigungsprogram-
men, Sozial-Dedektivismus, Stigmatisierung. Dem Arbeitsverbot
für «Arbeitslose» stehen die Arbeits platz halter mit «innerer
Kündigung» gegenüber. Es wird schlimm, wenn Institutionen
um ihr Überleben kämpfen und das Sinnen nach einer
Neuorientierung verkeilen.
Arbeit gibt es so viel, wie es Menschen gibt. Nur die rote
Erwerbsarbeit nimmt ab. Rot heisst hier: müssen, verharren im
Alten und Einverständnis mit allem Zwang, aller «Ungerechtig-
keit», wenn sie nur ein klein wenig gerechter verteilt wird. Die
neue Farbe ist die des Könnens aus dem Wollen. Der Sinn der
Arbeit ist das Schöpferische. Das kann im Kleinsten und im
Dienendsten sein, wie auch im Betreten von Neuland.
Die neue Farbe der Arbeit
Daniel HÄNI und Enno SCHMIDT
Karl Marx ist tot, Rosa Luxemburg ist tot … und die Farbe der Arbeit ist immer noch rot. Keine Frage: unter der roten
Fahne des Klassenkampfes sind viele Verdienste an der Entwicklung der Gesellschaft im 20. Jahrhundert zu verbuchen.
Doch schon Paul Lafargue, der umtriebige Schwiegersohn von Karl Marx, sagte: «Wenn die Arbeit etwas Schönes und
erbauliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen.» Dies war der Arbeitsbegriff des 19. und auch noch
des 20. Jahrhunderts. An ihm hängen die Linke, die Gewerkschaften, das Gefühl von Mangel und vor allem das Denken an
den eigenen und darum nur kleinen Vorteil. Dieser Arbeitsbegriff geht jetzt unter und wer sich an ihn klammert mit ihm.
Was ist die neue Farbe der Arbeit?
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 29
Hammer und Sichel
Der rote Arbeitskampf ist Anachronismus. Hammer und Sichel
symbolisierten Industrie und Landwirtschaft. Das Pathos bezieht
sich auf das Schaffen «im Schweisse des Angesichts».
Maschinen und optimierte Verfahren haben uns vieles davon
abgenommen. Und mehr noch: eine ökologische und nachhaltig
vernünftige Landwirtschaft hat ihren Fokus längst erweitert; hin
zu einer Arbeit aus Einsicht und Hinwendung. «Macht euch die
Erde Untertan» ist die forsche Übersetzung des Bibelwortes
durch Luther. «Macht euch die Erde zu Eigen» lautet die
genauere Übersetzung; nehmt euch ihrer an. Industrielle Land-
wirtschaft zum Beispiel führt zu unbezahlbaren Schäden an Erde,
Pflanze, Tier und Mensch. Wer es sehen will, sieht es: Neue
Arbeitsfelder sind entstanden und diese können nicht immer,
unbedingt, allein und direkt über den Verkauf von Produkten
finanziert werden.
Gefangen im Überfluss – Vollbeschäftigung eine Utopie
Wir leben faktisch im Überfluss von Waren und von freien
Produktionskapazitäten. Es hat genug für alle, nur bekommt es
nicht jeder. Die Idee der Vollbeschäftigung wird jeden Tag mehr
zur Utopie. Die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ihre Verbände
und In teressenvertreter haben sich «gegeneinander» für das
gl eich Ziel festgebunden: Beide beschwören sie die Voll-
beschäftigung mittels Wachstum. Wer da nicht Rot sieht, ist
wohl farbenblind.
Arbeiten will jeder, Einkommen braucht jeder
Da tritt eine Idee in den Vordergrund: Grundeinkommen
bedingungslos für jeden Menschen und Besteuerung des
Konsums anstelle der Arbeit. Denn Arbeit ist ein Bedürfnis. Mit
dem Grundeinkommen darf es das sein. Und Einkommen
ist nicht mehr nur Lohn, sondern eine bedingungslose
Notwendigkeit.
Es gibt viel zu tun!
Die «Erwerbs-Vollbeschäftigung» ist vorbei. Arbeit aber gibt
es in Hülle und Fülle. Sie hat eine neue Farbe: Man tut sie, weil
man darin Sinn findet. Sie ist weniger Produktorientiert und nicht
mehr unbedingt und unmittelbar mit geldlichem Lohn
verbunden; deshalb aber nicht weniger wert. Sie hat mehr mit
individuellen Fähigkeiten und auch mehr mit individuellem
Bedarf zu tun.
Auf eine Formel gebracht: Alles was Maschinen nicht können,
was nur Menschen können, ist die neue Arbeit. Sie wird nicht
besser durch weniger, sondern durch mehr Aufwand. Zum
Beispiel in Familie, Landwirtschaft, Ökologie, Pflege, Gesund-
heit, Schule, Bildung, Forschung, Entwicklung, Kulturarbeit,
Kunst, Muße, Initiativen und Projekten und nicht zuletzt in der
Persönlichkeitsentwicklung … und in Tausend und einer – Ihrer
– Sache mehr.
☺
Stellen Sie sich vor, es ist einArbeitstag und sie können tun,
was sie echt sinnvoll finden.
Daniel HÄNI (links) ist Unternehmer und Kulturraum-
schaffender, Mitbegründer und Mitglied der Geschäftsleitung
des «unternehmen mitte» in Basel. Ein großes Kultur- und
Kaffeehaus im ehemaligen Hauptsitz der Schweizerischen
Volksbank mitten in der Stadt.
Enno SCHMIDT (rechts) ist Künstler (Maler) aus Frank-
furt/Main, Mitbegründer und über viele Jahre geschäftsführen-
der Gesellschafter des Unternehmens Wirtschaft und Kunst,
Mitglied der Zukunftsstiftung Soziales Leben, der Social
Sculpture Research Unit an der Oxford Brookes University
und Lehrbeauftragter des Interfakultativen Instituts für
Entrepreneuership an der Universität Karlsruhe.
30 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Jörg, Sie sind Mitglied bei BIEN(Basic Income Earth Network) und beimDeutschen Netzwerk Grundeinkommen.Wie ist der Stand der Diskussion?
Im Juni 2008 war ich bei dem 12. inter-
nationalen Kongress von BIEN in Dublin
und hatte das Gefühl, dass die Idee eines
Grundeinkommens eine Art «neue
Religion» ist. Die Anhänger klopfen sich
gegenseitig auf die Schulter, aber haben
Angst, anderen Menschen von ihren
Überlegungen zu erzählen. Dabei schauen
sie auf die Entwicklung in Deutschland
und warten ab.
Ende Oktober war ich in Berlin auf dem
3. deutschsprachigen Kongress, der unter
anderem vom Netzwerk Grundeinkom-
men organisiert wurde. Die Diskussion ist
in Deutschland weit fortgeschritten, vor
allem, weil Götz Werner 2005 eine
Werbekampagne in überregionalen deut-
schen Zeitungen startete und damit einen
wichtigen Impuls für eine öffentliche Aus-
einandersetzung gab. Seither tritt er regel-
mäßig öffentlich auf, wobei sich das
Interesse abschwächt. Die Diskussion hat
sich tot gelaufen, weil die Argumente aus-
getauscht sind und real nichts passiert.
Warum machte Götz Werner dieseAktion?
Sie müssen wissen, dass Götz Werner
Chef einer deutschlandweiten Drogerie-
marktkette ist. Dieser Name wurde bei
jedem Bericht über seine Ideen und Vor-
schläge erwähnt. Außerdem leitet er das
Interfakultative Institut für Entrepreneur-
ship an der Universität Karlsruhe.
Das Wort «Entrepreneurship» finde ich
persönlich fürchterlich, weil niemand so
richtig weiß, was das bedeutet. Letztlich
beschäftigt man sich mit neuen Markt-
chancen, Geschäftsideen und deren
Umsetzung.
Man könnte also meinen, dass HerrWerner eine «verrückte und utopischeIdee», die das Grundeinkommen nuneinmal ist, dazu benutzte, um für sichund seine Drogeriemarktkette «kosten-günstig Werbung» zu machen. Ist er demnach ein Menschenfreund oder wares kühle Berechnung? Lohnt sich sozia-les Engagement?
Würden Sie nicht auch lieber bei einem
Händler einkaufen gehen, von dem Sie
wissen, dass er sich sozial engagiert und
der sich für Menschen einsetzt?
Götz Werner gilt als bekennender
Anthroposoph. Er schloss die Waldorf-
schule ab und in seinem Unternehmen
herrscht offenbar ein sehr positives
Arbeitsklima.
Der Baustoffhersteller Knauf unterstützt
zum Beispiel in der Ukraine auch Kinder-
gärten in den Städten, wo er seine
Betriebe gebaut hat. Hier können Sie auch
fragen, ob die Firma das allein aus
Menschlichkeit tut.
George Soros machte als Investment-
banker Milliarden Dollar und gründete
später eine Stiftung, um Sozialprojekte zu
finanzieren.
Ein weiteres interessantes Beispiel ist
Viktor Michailovich Pinchuk. Er zählt zu
einem der reichsten Menschen in Ost-
europa. Die von ihm gegründete «Viktor
Pinchuk Fondation» ist eine philan-
thropische Organisation, die in der
Ukraine Projekte unterstützt, um das Land
zu modernisieren und neue Führungs-
kräfte auszubilden...
Damit nimmt Pinchuk allerdings Ein-fluss auf die zukünftige Politik des Landes! Oder meinen Sie, dass es einGebot des Herzens ist?
Lohnt sichsoziales
Engagement?
Olesya STOROZHUK sprach mit Jörg DRESCHER
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 31
Natürlich haben solche Leute indirekten
Einfluss, aber muss das immer negativ
sein?
Selbstverständlich kann man die Frage
stellen, ob es ein Gebot des Herzens ist.
Es ist vollkommen klar, dass es neben der
edelmütigen und großzügigen Ent-
scheidung auch rationale Gründe gibt.
Keine Investition ist besser und
wirksamer, als ein gute Erinnerung für die
Nachfahren.
Soweit ich verstehe, sieht die orthodoxe
Kirche Reichtum als «Sünde» an – im
Gegensatz zur protestantischen Ethik,
nach der westliche Unternehmer leben.
Entsprechend kann man «soziales
Engagement» auch als besondere «Buß-
form für Reiche» sehen. Letztlich beruhigt
man dadurch sein Gewissen. Zusätzlich
schafft man sich auch noch einen guten
Ruf zu Lebzeiten und darüber hinaus...
Sie sind viel herumgereist und lebenseit 6 Jahren in der Ukraine. Wie sehenSie die Situation auf der Welt?
Im Prinzip ist die Situation in jedem
Land der Erde gleich. Das politische Ziel
ist in der Ukraine – wie auch in Russland
oder Deutschland – durch einen Amtseid
festgelegt. Dieser schreibt, zumindest
moralisch, vor, dass sich der Eides-
leistende für das Wohl der Bevölkerung
einzusetzen hat und den Nutzen mehren
und Schaden abwenden soll. Was sollte
sonst der Zweck eines Staates sein?
Leider ist es nun so, dass das Wohl des
Volkes nicht definierbar scheint. Man
unterliegt dem Trugschluss, sich deshalb
für das Wohl der Wirtschaft einzusetzen.
Geht es der Wirtschaft gut, so die
Annahme, geht es auch der Bevölkerung
gut. Damit werden jene ausgeschlossen,
die eben nicht «wirtschaftlich» sind – wie
Kinder, Alte, Kranke, Behinderte und
neuerdings, so jedenfalls in Deutschland,
Arbeitslose.
In den USA und Europa wurden Milli-
arden locker gemacht, um der Wirtschaft
zu helfen – direkte Hilfe für die Bevölke-
rung gibt es nicht. Ähnlich ist es in der
Ukraine. Der Internationale Währungs-
fond (IWF) stellte sogar eine Bedingung,
als es um die Zusage des Kredits für die
dringend benötigte Wirtschaftshilfe ging,
dass die sowieso schon niedrigen Sozial-
leistungen nicht erhöht werden dürfen.
Wie kamen Sie auf die Idee dieses Heftzu machen? Welches Ziel verfolgen Siedamit?
Mir geht es hauptsächlich um
Aufklärungsarbeit und um eine positive
Vision für die Zukunft. Täglich werden
wir durch die Medien mit Schreckens-
meldungen überschüttet, die jede Hoff-
nung auf eine positive Zukunft vernichten.
Dabei gibt es sehr viele gute Ideen.
Mir geht es um die Vermittlung von
Grundlagen, woher Probleme kommen
und welche Lösungsansätze existieren.
Fühlen Sie sich als Prophet einerbesseren Welt?
(lacht und dann ernst) Haben wir nicht
alle irgendwie den glauben, wenigstens
tief in uns, dass wir etwas besonderes
sind? Dass wir etwas bewegen können?
Dass wir andere Menschen irgendwie
glücklich machen können? Und dass wir
unsere Welt so verändern können, wo es
schöner ist zu leben? Hatten wir nicht
schon alle solche Momente, in denen uns
die Vorstellung klar vor Augen stand, was
für uns Lebensqualität bedeutet? Als wir
wussten, was wir uns wünschen?
Aber unsere tägliche Routine lässt uns
keine Zeit mehr darüber nachzudenken.
Es gibt nur vage Vorstellungen. Aber das
hindert uns daran, nur den kleinsten
Schritt zu wagen, unsere Träume zu
verwirklichen. Die meisten Leute haben
ihre Träume ganz verloren, weil sie durch
ihren Überlebenskampf gefangen gehalten
werden.
Welche Vorstellung haben Sie selbstvon der Zukunft?
Im Gegensatz zum Sozialismus aus der
Sowjetzeit, wo der Kommunismus als
unerreichbares Ziel propagiert wurde,
möchte ich reale Ziele.
Ein nichtmonetäres Grundeinkommen
ist sofort umsetzbar, indem jeder damit
beginnt, in seinem Umfeld, in seiner
Familie, im Berufsleben und in der Nach-
barschaft für mehr Menschlichkeit, mehr
Geduld, mehr Verständnis und mehr
Achtung vor dem Andersdenkenden zu
sorgen. Wir sollten öfters Danke sagen,
Hilfe anbieten und die Situation anderer
verstehen. Aber leider erwarten wir viel zu
oft Gegenleistungen für unser Tun, weil
wir von etwas leben müssen. Doch dabei
vergessen wir, dass auch «Luft und Liebe»
zum Leben notwendig sind.
☺
Amtseid des deutschen Bundespräsidenten
Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle desdeutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren,Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz unddie Gesetze des Bundes wahren und verteidigen,
meine Pflichten gewissenhaft erfüllen undGerechtigkeit gegen jedermann üben werde.
So wahr mir Gott helfe.
32 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
In der damals sogenannten «Europäischen Union» lebten
sieben bis acht Millionen «Illegale». Dazu zählte man Personen,
die keine Aufenthaltgenehmigung hatten. Sie waren vom
Bildungs- und Gesundheitssystem ausgeschlossen. Für sie galten
keine Arbeitsrechte, mussten Überstunden machen, bekamen
keinen Urlaub und hatten keine Möglichkeit, ihren Lohn
einzufordern.
Etwa 500.000 kamen jährlich nach Europa, um dort illegal zu
bleiben und zu arbeiten. Sie setzten dafür ihr Leben aufs Spiel.
Jedes Jahr versuchten Hunderttausende aus Afrika über das
Mittelmeer und den Atlantik nach Europa zu kommen.
Sie lebten in Plastik- und Kartonhütten. In den kälteren
Regionen wurden immer wieder Kellerquartiere entdeckt, wo sie
das System des «heißen Betts» praktizierten: Wohnraum war so
knapp und teuer, dass man sich Betten im Schichtbetrieb teilte.
In den Ländern von Nordafrika blieben Tausende in «Todes-
lagern», wenn sie nicht schon auf dem Weg nach Europa umge-
kommen waren. An den Stränden des Mittelmeers wurden immer
wieder Leichen gefunden: Menschen, die es nicht schafften –
ohne Dokumente und Namen.
Sie hatten keine andere Wahl, denn in ihrer Heimat sah es für
sie noch schlimmer aus. Jährlich kamen mehrere Millionen
Menschen an den Folgen von Armut um.
Dabei war bekannt, dass die finanziellen Mittel, die für den
Schutz der Grenzen eingesetzt wurden, in den Aufbau der
Regionen investiert werden konnten, um dort die Armut zu
bekämpfen. Statt dessen wurden sogenannte «NGOs» (Non-
Governmental Organisations) finanziert, die eine enorme innere
Bürokratie mitfinanzieren mussten. So entstanden allerdings in
den reichen Nationen dringend benötigte Arbeitsplätze, die auf
Kosten Notleidender in armen Ländern geschaffen wurden.
Schon Mitte des 20. Jahrhunderts wurde eine Idee besprochen,
wie man gegen die Folgen der technologisch bedingten Arbeits-
losigkeit und der damit verbundenen Armut vorgehen könne.
Man vertrat die Meinung, dass die damals traditionelle Verbin-
dung von Einkommen und Arbeit aufgelöst werden müsse.
Die Forderung nach einem garantierten Mindesteinkommen
erhielt unerwartete politische Unterstützung. Eine Kommission,
die aus Unternehmern, Gewerkschaftern und Persönlichkeiten
des öffentlichen Lebens bestand, sollte einen Bericht erstellen.
Darin befürworteten sie ein garantiertes Mindesteinkommen.
Doch die Idee fand kaum Resonanz. Bürger und Politiker
konnten sich nicht mit der Vorstellung anfreunden, allen
Menschen ein Einkommen zu garantieren. Trotz der Empfehlung
der Kommission glaubten viele Politiker, dass schon die Idee
eines garantierten Einkommens den Arbeitswillen senken würde.
Geschichtsbuchaus der ZukunftYulia SAMUS
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 33
Statt eines garantierten Einkommens wurden zu Beginn des
21. Jahrhunderts immer mehr gesetzliche Einschränkungen, mehr
Überwachungen und größere Repressionen gegen das eigene
Volk gefordert. Vorratsdatenspeicherung, elektronisch lesbare
Kfz-Kennzeichen, Video-Überwachung, biometrische Ausweise,
heimliche Online-Durchsuchungen bis hin zum Einsatz des
Militärs wurden geplant und realisiert.
Diese Maßnahmen schufen Arbeitsplätze, um solche
Menschen zu überwachen, die keine Arbeit hatten. Man wollte
die Menschen nicht von der Arbeit in die Freiheit entlassen, weil
es kein Konzept gab, wie die befreiten Menschen regiert werden
sollten.
L
Eines Tages in einer weit entfernten Zukunft kamen Außerirdische auf die Erde
und hatten, wie es sich für Gäste gehört, Geschenke dabei, die sie den
Menschen überreichen wollten. Es waren kleine, wunderbare Pillen gegen
die Traurigkeit.
Aber als diese hochgewachsenen Wesen ihr Raumschiff verließen,
merkten sie, dass eine große Katastrophe stattgefunden hatte. Alles war
dunkel und mit Russ bedeckt. Sie setzten sich kopfschüttelnd auf die
Steine und jeder nahm schnell eine Pille gegen die Traurigkeit.
Einer sagte: «Wir hätten so gerne gewusst, wer Du bist! Wie Du
aussiehst! Wie Du sprichst! Du Mensch!»
Plötzlich rief einer, dass er etwas gefunden hatte. Es war ein
kleiner, alter, verbeulter Filmprojektor. Das hoch-
gewachsene Wesen startete den Film, der auf das weiße
Raumschiff projiziert wurde. Es war ein alter Micky-
Maus-Film mit Donald Duck, Kater Carlo und Goofy.
Als die fremden Wesen wieder in ihr Raumschiff
gingen, sagten sie: «Diese Menschen waren
lustig, haben lustig ausgesehen und lustig
gesprochen. Wir hätten ihnen unsere Pillen
gegen die Traurigkeit völlig umsonst
geschenkt.»
Nach dem Lied «1928» von
Ludwig HIRSCH
Pillen gegen die Traurigkeit
«Boatpeople» aus Afrika
Glauben Sie, dass ein Grundein-kommen, wie es z.B. in Deutschland diskutiert wird, eine Option für dieUkraine darstellt? Glauben Sie, dass dieUkraine «reif» für diese Idee ist?
Ein Grundeinkommen befreit die
Persönlichkeit in jedem Land der Erde,
einschließlich der Ukraine. Es ist etwas
anderes, denn unreifen Persönlichkeiten
wird durch ein Grundeinkommen die
Freiheit genommen.
Wie verstehen Sie die Idee einesGrundeinkommens?
Ein Grundeinkommen ist die Möglich-
keit für jedes Mitglied einer Gesellschaft,
ihm die Angst und Sorge vor möglichem
Elend zu nehmen. Es befreit den Men-
schen, gibt ihm Selbstvertrauen und trägt
deshalb zur schöpferischen Entwicklung
der Persönlichkeit bei. Gleichzeitig befreit
es den Menschen von der Abhängigkeit
des freien Arbeitgebers. Und der freie Ar-
beitgeber wird sowohl von Konkurrenten,
als auch von Konsumenten unabhängiger,
die Ergebnis seiner Tätigkeit sind. Ein
Grundeinkommen weicht einerseits die
Einstellung zur Welt, sowie zu Rohstoffen
und Gütern auf – und andererseits zu Kon-
kurrenten und Objekten der Manipulation.
Ein Grundeinkommen kann ein Katalysa-
tor für die Schönheit der Einstellung zwi-
schen den Menschen werden. (Doch für
Menschen des täglichen Lebens, die nur
für Werte leben, um sich selbst zu erhalten
und sich fortzupflanzen, kann ein Grund-
einkommen die Schönheit der Einstellung
zu sich und der Welt zerstören).
Gibt es in der Ukraine eine Diskussionüber diese Idee?
Leider gibt es in der Ukraine keine
Diskussion über ein Grundeinkommen.
Außerdem verstehen wenige, was das
überhaupt ist. Aber eine Diskussion
darüber hat Potential und man kann mit
einer ausreichenden gesellschaftlichen
Resonanz rechnen.
War ein Grundeinkommen in der Sowjetunion Thema? Wenn ja, welcheIdee steckte dahinter?
Das Thema Grundeinkommen ging in
der Sowjetunion mit der Idee des
Kommunismus einher – eine Gesellschaft,
in der das Prinzip herrscht: «Jeder nach
seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen
Bedürfnissen.» Aber schon in den
1970/80ern glaubte kaum jemand in der
Sowjetunion an die Umsetzung dieses
Prinzips.
Wie würden Sie die Arbeitsmoral inder Ukraine beschreiben? Welche Aus-wirkungen hätte Ihrer Meinung nacheine regelmäßige, existenzsicherndeGeldzahlung auf die Arbeitsmoral in derBevölkerung?
Ich denke, dass in der Ukraine eine
Mentalität herrscht, dass die Mehrheit
trotz Grundeinkommen arbeiten möchte.
Es gibt genügend Gründe, um zu
vermuten, dass dies allgemein auf die
slawische Mentalität zutrifft.
Gibt es Unterschiede bei der Arbeits-moral zwischen der Stadt- und Land-bevölkerung? Wie ist diese historisch begründet?
Die Arbeitsmoral in den Dörfern der
Ukraine ist eher individualistisch geprägt,
während sie bei Bewohnern von Städten
mehr auf Zusammenarbeit gerichtet ist
Im Osten etwas Neues?
34 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Jörg DRESCHER sprach mit Nasip KHAMITOV
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 35
und zur kommunikativen Abstimmung
neigt. Über Jahrhunderte hinweg
versteckten sich die Menschen in den
ukrainischen Dörfern vor den Herrschern
und überlebten so. In Städten lebten eher
tapfere, leidenschaftlichere und für
Kommunikation offene Menschen.
Wie würden Sie das Gerechtigkeitsver-ständnis in der Ukraine beschreiben? Istdie Bevölkerung «solidarisch» undwürde sie jedem das Gleiche zugestehen?
Die Idee eines Grundeinkommens
stimmt mit dem Gerechtigkeitsverständnis
in der Ukraine in Bezug auf arme
Menschen überein, die durch die
Gesellschaft unterstützt werden sollen.
Die Tatsache, dass es in der Ukraine keine
offene Aggression zu Reichen gibt,
erlaubt zu vermuten, dass die Praxis eines
Grundeinkommens für alle nicht abge-
lehnt wird. Doch müssen Politiker,
Schriftsteller, Publizisten und Philosophen
ernsthaft Aufklärungsarbeit leisten, um
Neid zu neutralisieren.
Welche Rolle spielt Ihrer Meinungnach die Religion bei der Verteilungsge-rechtigkeit? Wie unterscheidet sich dasorthodoxe Christentum vom katholi-schen und protestantischen?
Die Güterverteilung und die Arbeits-
moral ist in einer Gesellschaft direkt mit
deren Religion verbunden. Allen Unter-
schieden des orthodoxen und katholischen
Christentums steht der Protestantismus
entgegen – Bereicherung (wenn auch eine
ehrliche und beabsichtigte Askese) ist in
orthodoxen und katholischen Ländern
kein eindeutiger Ausdruck von Gottes-
gaben und von Gott gewünscht.
Wie stehen Ukrainer zu staatlicherHilfe? Würden Ukrainer überhaupt Geldvom Staat annehmen oder fühlten siesich für etwas «gekauft»?
Ukrainer reagieren auf staatliche Hilfe
ironisch – sie ist viel zu gering. Was wird,
wenn die staatliche Hilfe angemessener
wird, so denke ich nicht, dass sich
Ukrainer «gekauft» fühlen werden. Es ist
eine andere Sache, dass alle, die etwas
erhalten, verstehen müssen, dass die Hilfe
ein Stipendium für die schöpferische
Entwicklung der Persönlichkeit ist.
Glauben Sie, dass die «Steuer-Ehrlich-keit» der Ukrainer zunehmen würde,wenn der Einzelne eine «Rückver-gütung» vom Staat erhält?
Ich bin davon überzeugt, dass sich die
«Steuer-Ehrlichkeit» der Ukrainer radikal
zum Positiven ändern könnte.
Welche Auswirkung könnte einGrundeinkommen, Ihrer Meinung nach,auf die Korruption haben?
Ein Grundeinkommen sprengt die
wirtschaftliche und, was das wichtigste
ist, die existenzielle Grundlage von
Korruption.
Wie hoch sollte Ihrer Meinung nachein Grundeinkommen in der Ukrainesein? Sollte es regionale Unterschiedegeben? Sollte das Grundeinkommen anBedingungen geknüpft sein?
In der Ukraine sollte ein Grundein-
kommen mindestens dem Existenz-
minimum entsprechen und nicht weniger
sein. Es soll nicht von regionalen, sozialen
oder wirtschaftlichen Unterschieden
abhängen, da es sonst kein Grundein-
kommen ist. Mit anderen Worten: Die
Staffelung eines Grundeinkommens
zerstört das Grundeinkommen. Denn ein
Grundeinkommen ist eine symbolische
finanzielle Unterstützung, die als Mittel
den Sinn hat, Einsamkeit und Ent-
fremdung zu überwinden. Das Grundein-
kommen soll Menschen vereinen und
nicht trennen, was aber unvermeidlich
passieren würde, sobald man damit
beginnt, zu unterscheiden.
☺
Nazip KHAMITOV ist Doktor der
Philosophie, Schriftsteller, leitender
wissenschaftlicher Mitarbeiter des
philosophischen Instituts (Kiew,
Ukraine), Gründer der Meta-Anthropo-
logie – Lernen über das alltägliche,
höchste und darüber gehende Dasein des
Menschen. Autor von mehr als 20 Bü-
chern, darunter: «Philosophie: Sein,
Mensch und Welt», «Einsamkeit von
Frauen und Männern», «Aphorismen
der Kraft», «Ethik: Weg zur Schönheit
der Einstellung» (letztgenanntes zusam-
men mit Swetlana Krylova).
Ein Grundeinkommen sprengt die wirtschaftlicheund, was das wichtigste ist, die existenzielle
Grundlage von Korruption.
Aus Utopia von Thomas MORUS:
Es ergab sich einst, dass ich mit dem Kardinal speisen konnte, als ein bestimmterenglischer Rechtsanwalt dort war. Ich habe vergessen, wie wir auf das Thema kamen,aber er sprach mit großer Begeisterung über die strengen Maßnahmen, die gegen Diebedurchgeführt wurden. «Wir hängen sie auf dem ganzen Platz auf», sagte er. «Ich sahungefähr zwanzig an einem einzigen Galgen. Und das fand ich gerade so sonderbar.Betrachtet man, wie viele von ihnen dahingegangen sind, fragt sich, wieso wir unsimmer noch mit so vielen Räubern herumquälen.» «Was ist daran so seltsam?», fragteich – niemals zuvor wagte ich in Anwesenheit des Kardinals frei zu sprechen. «Die Methode, wie man mit Dieben umgeht, ist beides: ungerecht und unerwünscht. Als Bestrafung ist es zu streng, und als Abschreckungsmittel ist es recht uneffektiv. EinDiebstahl ist nicht schlimm genug, um mit dem Tod bestraft zu werden. Und keine Strafeder Erde wird Menschen davon abhalten, zu stehlen, wenn es ihr einziger Weg ist, anNahrung zu kommen. In dieser Hinsicht sind Sie Engländer wie die meisten anderenNationen und erinnern mich an diese inkompetenten Schulmeister, die ihre Schüler zuschlagen bevorzugen, um sie zu unterrichten. Statt jemandem diese schreckliche Strafezuzufügen, wäre es bei weitem besser, jeden mit einer Art Lebensunterhalt zu versorgen,damit niemand zu der grausigen Not gezwungen wird, zuerst ein Dieb, und dann eineLeiche zu werden.»
36 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Alaska Permanent Fund
Der Alaska Permanent Fund (APF) ist ein staatlich eingerichteter Fonds, der die
Gewinne aus der lokalen Ölförderung Alaskas verwaltet. Der APF wurde 1976 durch
einen Volksentscheid eingerichtet. Der Regierung war zuvor vorgeworfen worden, die
Einnahmen aus dem Ölgeschäft zu schnell auszugeben. Seitdem fließen 25% der
staatlichen Rohstoffeinnahmen an den Fonds. Die Hälfte des jährlichen Gewinnes wird
nun über eine Dividende direkt an die Bewohner Alaskas ausgeschüttet. Jeder
Bewohner erhält den gleichen Betrag, über den er frei verfügen kann.
Die jährliche Auszahlung wird jedes Jahr neu berechnet und ist von den Gewinnen
der letzten fünf Jahre abhängig, sowie von der Anzahl der Berechtigten für das
entsprechende Jahr.
Antragsteller für einen Anteil an der Dividende dürfen nicht vorbestraft sein. Sie
müssen mindestens ein Kalenderjahr Einwohner Alaskas sein und zum Zeitpunkt der
Antragstellung unverbindlich die Absicht erklären, bis auf weiteres Einwohner bleiben
zu wollen. Die Erträge sind steuerpflichtiges Einkommen.
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 37
Tools for Self-Reliance
Millionen Menschen kämpfen täglich ums Überleben. Doch
diese Menschen kennen ihre Probleme selbst am Besten und
können Wege finden, sie zu lösen. Was ihnen oftmals fehlt, ist
Know-How und entsprechendes Werkzeug.
Seit 1979 bildet Tools for Self Reliance Menschen in vielen
Gemeinden in Entwicklungsländern mit dem Ziel aus, sie
selbständig und unhanghängig zu machen.
Dafür sammelt die Organisation in Großbritannien gebrauchte
Werkzeuge und mechanische Nähmaschinen. Sie werden in
Southampton repariert und an Partnerprojekte in Afrika verschickt.
Dort können sich die Menschen mit dem Equipment und Know-
how eine eigene Existenz aufbauen. In Afrika sind vor allem
mechanische Nähmaschinen gefragt, da sie ohne Strom
funktionieren und kaum reparaturanfällig sind.
Die Werkzeuge, die den Handwerkern in Afrika helfen, haben
den zusätzlichen Nutzen, dass der Sammlungs- und Reparatur-
prozess in Großbritannien den Menschen eine sinnvolle Aufgabe
gibt. Bei TFSR arbeiten viele Ehrenamtliche, Rentner, Menschen
mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen.
Megacities Project
Das Megacities Project ist ein nationenübergreifendes, gemeinnütziges Netzwerk aus Vertretern von Gemeinden, Regierungen, Wissenschaftlern,NGOs, Unternehmen und Medien, die innovative Lösungen städtischer Probleme austauschen.
Ihr Ziel ist, Städte sozialer, umweltfreundlicher und wirtschaftlich lebendigerzu gestalten. Seit 1987 sind Forschungsteams in 21 der größten Städte derWelt eingerichtet. Sie sammeln Ideen für Großstädte, wie sich die Lebensqualität verbessern lässt.
Aus kleinen Lösungsansätzen sollen größtmögliche Wirkungen und Synergien erzielt werden. Die Sichtweise besteht darin, dass jeder Ort der Weltein kleines Labor ist, an dem die geeignetesten Lösungen getestet werden. Probleme werden als Zeichen von Leben gewertet, die gemeinsam gelöst werden müssen. Und zwar von den Personen, die direkt von den Auswirkungenbetroffen sind.
Dafür stellen die Lokalorganisationen Informationen mit einer Vision bereit,damit sich die Großstadtbewohner direkt an den Lösungsprozessen beteiligenkönnen. Das Netzwerk tauscht Erfahrungen aus, um die Theorie, Methode undHandlungsstrategie zu verfeinern.
38 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Prof. Dr. Eduardo SUPLICY
«Ein Grundeinkommen ist keine Wohltätigkeit. Es ist keine bloße Unterstützung. Es
ist ein Bürgerrecht. Es ist das Recht jeder Person, um am Wohlstand der Nation
teilzuhaben», erklärt Dr. Eduardo Suplicy, Professor der Wirtschaftswissenschaften,
der den Bundesstaat São Paulo in der Regierung Brasiliens um Präsident Lula vertritt.
Es ist das Werk von Dr. Suplicy, dass im brasilianischen Gesetz, das bedingungslose
Grundeinkommen bereits verankert ist – als Ziel, für die Zukunft.
Warum setzt sich Herr Suplicy so für ein Grundeinkommen ein?
«Weil ich die Wahrheit finden will. Ich möchte einen Weg finden, absolute Armut zu
beseitigen, eine gerechte Gesellschaft aufzubauen, die Einkommensverteilung zu
verbessern und Gerechtigkeit herzustellen. Und um den Tag zu kämpfen, an dem alle
am Tisch der Brüderlichkeit Platz nehmen dürfen. Wie Martin Luther King in seiner
Rede sagte: «I have a dream»»
Curitiba
In Curitiba, Brasilien, ist das Megacities Project aktiv: Eine Institution kümmert sichum die Verwirklichung von Ideen, die aus der Bevölkerung kommen und man orientiertsich an den Vorstellungen der Bürger. Die Institution stellt Informationen zur Verfügung, die benötigt werden, um die Einwohner an Planungen zu beteiligen.
Der Ansatz von Curitiba: Man benötigt einen strategischen Ansatz um die Zustimmung aller zu erreichen – eine Vision, ein Szenario, eine Idee. Es soll ein Projektentstehen, das für alle wünschenswert ist.
Als Folge von Curitiba, das als reales Projekt in Brasilien existiert, haben die Bürgermehr Selbstvertrauen. Sie können ihre Ideen und ihre Phantasie einbringen. Die Bewohner haben nicht mehr Geld als andere, doch sie sind zufriedener und leben ohneAngst. Es herrscht Offenheit und Völkerverständigung. Sie sind der Meinung, dass dieKulturen der Völker allen Menschen gehören.
Bra
sili
en
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 39
Unser gesellschaftliches Bewusstsein ist
weit hinter den Möglichkeiten zurückge-
blieben, die sich durch die weltweite
Arbeitsteilung und die sich daraus
ergebende Produktivitätsentwicklung
bieten...
In einer globalisierten Wirtschaft, in der
wir von der Initiative und Leistung Aller
leben, ist ein Steuerwesen anachronistisch,
das in den Wertschöpfungsprozess
eingreift und somit Eigeninitiative
belastet. Eine Steuer, die den Leistungs-
beitrag des Einzelnen unbesteuert lässt,
ist die Konsumsteuer (in Form der
Mehrwertsteuer).
Sie ist die zeitgemäße Steuer der
globalen Arbeitsteilung. Eine schrittweise
Umstellung des Steuerwesens hin zu einer
reinen Konsumbesteuerung lässt sich
umso leichter durchführen, als schon jetzt
alle Steuern in den Preisen enthalten sind.
DOCH WO BLEIBT IN EINEM
VERBRAUCHSSTEUERSYSTEM das
steuerfreie Existenzminimum? Wir
bezeichnen diesen Betrag als Grund-
einkommen. Ein Grundeinkommen ist
auch deswegen zeitgemäß, weil
wir in der arbeitsteiligen Wertschöpfung
immer mehr Arbeitsschritte durch die
organisierende Tätigkeit des menschli-
chen Geistes standardisieren und von
Maschinen und mit verbesserten
Methoden produktiver ausführen lassen.
Als Folge der internationalen Arbeits-
teilung wird Erwerbsarbeit zunehmend
einkommenslos realisiert – working poor
– und Einkommen durch Kapitalerträge
zunehmend leistungslos erzielt.
Das Diktum, dass technologischer
Fortschritt und Produktivitätszuwachs in
gleichem Maß Arbeitsplätze schaffen wie
vernichten, trifft heute nicht mehr zu.
Falls wir die schwindenden Erwerbsein-
kommen durch die in der Güterproduktion
Von der Industrie-zur Kulturgesellschaft
Götz WERNER undLudwig Paul HÄUSSNER
40 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
immer weniger benötigte menschliche
Arbeit nicht finanziell neu fundieren,
werden weite Teile der Bevölkerung
verarmen. «Wir verhungern» – wie
Goethe im «Faust» formulierte –
«in der Fülle.»
Hätten wir ein bedingungsloses Grund-
einkommen zur Absicherung unserer Exi-
stenz, entfiele die Notwendigkeit für eine
Vielzahl von Regulierungsmaßnahmen,
die Arbeit und Einkommen aneinander
koppeln. Der menschlichen Produktiv-
kraft würde durch dieses Grundeinkom-
men darüber hinaus ihr Warencharakter
genommen. Je höher die «Arbeitskosten»
in Deutschland, desto höher der Druck auf
die Unternehmen zur Verlagerung der
Wertschöpfung ins preiswertere Ausland.
Dabei sind die Arbeitskosten auch deswe-
gen so hoch, weil wir eine Vielzahl gesell-
schaftlicher Aufgaben – etwa die soziale
Sicherung in der Kindheits-, Krankheits-
und Altersphase – an die immer knapper
werdende Erwerbsarbeit koppeln.
Durch ein bedingungsloses Grundein-
kommen sind Menschen nicht mehr allein
auf Erwerbseinkommen angewiesen.
Unternehmen könnten die Nettolöhne,
je nach Wettbewerbssituation, auf das
Niveau des Grundeinkommens senken –
substitutiver Aspekt. Die im Wettbewerb
stehenden Unternehmen könnten
deswegen ihre Nettopreise senken. Bliebe
die Mehrwertsteuer unverändert, ergäbe
sich ein sinkendes Preisniveau. Eine
schrittweise Erhöhung der Konsumsteuer
könnte zur weiteren Erhöhung des Grund-
einkommens genutzt werden. Sinkende
«Arbeitskosten» erhöhen die Bereitschaft
der Unternehmen, neue Mitarbeiter als
Produktivkräfte einzustellen. Wenn die
Menschen nicht mehr allein auf Erwerbs-
einkommen angewiesen sind, werden sie
eher bereit sein, weniger zu arbeiten bzw.
anders. Durch ein Grundeinkommen
würde die schöpferische Entfaltung in der
Familien-, Erziehungs-, Pflege- und
Bildungsarbeit, in Wissenschaft und
Kunst – also der Kulturarbeit im weitesten
Sinn ermöglicht.
IN EINER GRUNDEINKOMMENS-
GESELLSCHAFT könnten sich wieder
mehr junge Paare leisten, eine Familie zu
gründen und Erwerbs- wie Familienarbeit
je nach Situation zu gestalten, da das
Grundeinkommen sowohl ein implizites
Eltern- wie Kindergeld ist. Die
persönlichen Freiheitsgrade weiten sich
aus, das Subsidiaritätsprinzip greift beim
Einzelnen und stattet ihn mit der
Freiheit aus, die für bürgerschaftliches
Engagement Voraussetzung ist.
Je höher die «Arbeitskosten», desto höher derDruck auf die Unternehmen zur Verlagerung der
Wertschöpfung ins preiswertere Ausland.
Wir verhungern...
...in der Fülle
1/2009 - Blick in die Zukunft - SMI²LE - 41
Sie lehnte ihren Kopf an seine
Schultern und er legte seinen Arm um sie.
Eine warme Brise spielte mit ihren
Haaren. Er sah auf seine Uhr. Es war
exakt 9 Uhr, 9 Minuten und 18 Sekunden,
als an einem lauen Sommerabend die
Sonne unterging und dabei die Stadt, die
sich zu ihren Füßen ausbreitete, in einem
strahlenden Orange erscheinen ließ. Im
Laub der Bäume raschelte es leise. Die
Blumen auf der Wiese, auf der sie saßen,
hatten einen herrlichen Duft verströmt.
Und als die Sonne hinter den bunten
Kohlenstoffbindern, die stetig wie fleißige
Bienen die Treibhausgase zu Energie und
Sauerstoff umwandelten, zu verschwin-
den begann, erhoben sich beide, um ihren
Spaziergang fortzusetzen. Langsam
gingen sie den bewaldeten Hügel hinab.
Bastian GABRIELLI
Spaziergang durch Utopia
Durch seine enorm gewachsene
Bedeutung droht die Wirtschaft die Politik
und Kultur zu dominieren. Doch ist es
nicht das reiche Kulturleben (Forschung,
Wissenschaft, Bildung, Sport, Kunst und
Religion), aus dem das Wirtschaftsleben
seine immaterielle Fundierung immer aufs
Neue erhält?
Dem Wirtschaftsleben als Produktions-
pol steht aus sozialorganischer Sicht das
Kulturleben als Konsumpol gegenüber.
Die Polarität von Wirtschaft und Kultur
könnte wie folgt ausgedrückt werden:
Kultur – Fähigkeiten ausbilden,
ökonomische Werte verbrauchen
Wirtschaft – Fähigkeiten nutzen und
ökonomische Werte bilden
DIE PRODUKTIVE ENTFALTUNG
MENSCHLICHER POTENZIALE,
also der Mensch als Fähigkeitswesen, und
seine Bedürftigkeit hinsichtlich Nahrung,
Kleidung, Wohnung, Bildung usw., d. h.
der Mensch als Bedürfniswesen, sind als
zwei Seiten einer Medaille zu sehen. Die
Produktion ist der eine Pol, der Konsum
der Gegenpol. Erst durch die vom
Menschen organisierte Arbeit kommt
Wirtschaft zustande.
Und alle erzeugten Waren und Dienst-
leistungen werden durch den Konsum
letztlich zu Einkommen, entweder als
Erwerbseinkommen oder als Transferein-
kommen für «reine Konsumenten».
Letztere sind Kinder, Pflegebedürftige,
Kranke und Rentner, ebenso alle
Menschen, die in Form personenbezoge-
ner sozialer Dienstleistungen tätig sind.
Ferner gehören zu den «reinen Konsu-
menten» Wissenschaftler, Pädagogen,
Beamte, Politiker, Kleriker und Künstler.
Diese Menschen bedürfen einer
Einkommensbasis. Aufgrund dieser
Erkenntnis ist es Aufgabe des Staats, die
normativen Rahmenbedingungen für ein
Recht auf Einkommen zu schaffen, damit
der gegenläufig zirkuläre Prozess von
Wirtschaft und Kultur in Zukunft
kontinuierlich und gleichermaßen kräftig
verläuft. Das Grundeinkommen fundiert
diese Gesellschaftsbereiche finanziell.
Ein konsumbasiertes Steuerwesen
schöpft einen Teil der volkswirt-
schaftlichen Gesamtleistung zu Gunsten
des bedingungslosen Grundeinkommens
ab, mit dem mittelbar der Sozial- und
Kulturbereich mit finanziellen Mitteln
versehen wird. Es verflüssigt die erstarrte
Industriegesellschaft und trägt dazu bei,
den Wandel zur Informations-, Dienst-
leistungs- und letztlich zur Kultur-
gesellschaft herbeizuführen.
Der Sozialstaat industrieller Prägung
hat seinen Dienst getan, der ordnende
Rechtsstaat hat die Aufgabe, sowohl
Selbstbestimmung als auch soziale
Gerechtigkeit im Sinne des Subsidiaritäts-
prinzips zu ermöglichen. Das konsum-
steuerbasierte Grundeinkommen ist das
Fundament unserer individuellen wie
gesellschaftlichen Zukunft.
☺
42 - SMI²LE - Blick in die Zukunft - 1/2009
Unten angekommen, blieben sie kurz vor der Gedenk-
stätte für Opfer der Ausbeutung stehen, um die Stille zu
genießen. Eine Tafel erinnerte an Millionen von
Menschen, die damals durch Kriege und Flüchtlings-
wellen in Richtung der reicheren Länder um ihr Leben
gekommen waren. Daneben hing eine Zeittafel, die die
Geschichte der überstaatlichen Reformen darstellte, die
weltweit dafür gesorgt hatten, dass jeder Bürger eines
jeden Staates ein gesichertes Grundeinkommen in der
Höhe eines früheren durchschnittlichen Monatsgehalts
erhielt. So war die Ausbeutung wirkungslos geworden
und niemand wollte seitdem mehr an Krieg denken. Die
Arbeit der Menschen wurde zusätzlich bezahlt und so
arbeiteten die Leute freiwillig und gaben ihr Geld aus,
denn Sparen war überflüssig geworden. Besonders in
südlicheren Ländern ging es den Leuten jetzt viel besser.
Er nahm ihre Hand und drückte sie sanft. Sie erwiderte seine Geste und gemütlich folgten sie weiter der kleinen Straße, die sie in
die Stadt führte. Sie kamen an vielen Häusern vorbei, von denen jedes seinen eigenen Charme entfaltete. In der Ferne war eine
Katze zu erkennen, die ihre Jungen in einem Vorgarten beaufsichtigte. Ein Fahrradfahrer überholte sie. Auf ihrem Weg passierten
sie viele beleuchtete Fenster und eine große, alte Kirche, die stolz in den Himmel ragte. Auf der großen Kreuzung blieben sie erneut
stehen und warfen einen Blick auf das Denkmal, das den dortigen Platz schmückte. Es ehrte einen ehemaligen großen Internet-
konzern, der aus einer Suchmaschine hervorgegangen war. Diese Firma hatte sich selbstverwaltende Server entwickelt, über die
jeder, der wollte, mit dem weltweiten Netz verknüpft war. Sie bedurften keinerlei menschlicher Betreuung mehr und lösten somit
das Problem, dass die Bürger Angst haben mussten, dass ihre persönlichen Daten durch das Internet in falsche Hände gerieten. Für
den Staat gab es schon lange keinen Grund mehr, Daten zu sammeln. Denn seitdem jedem Weltbürger ein gutes Leben zustand,
hatte niemand mehr Interesse daran, sich in die Luft zu sprengen oder auch nur zu stehlen. Der Internetriese schenkte die Server
der Weltgemeinschaft und schuf sich damit seinen Platz in der Geschichte.
Sie bogen in eine Seitenstraße ein und setzten ihren Spaziergang weiter fort. In der Luft lag der leichte Geruch von einem Gewässer
und als sie um die Ecke bogen, sahen sie auch schon den See am anderen Ende der Stadt. Sie hauchte ihm einen Kuss auf seine
Wange. Er drehte sich zu ihr um und lächelte sie an. Sie schauten sich lange an, doch für sie gemessen wäre es nur kurz gewesen.
Langsam kamen sie wieder in Bewegung, immer weiter auf den See zu. In der Mitte dessen waren die Silhouetten von kleinen
Booten zu sehen, die im Mondlicht schimmerten. Ein Reisebüro bot exotischen Touren in den dichten Regenwald Brasiliens und in
die weißen Weiten Grönlands an. Etwas weiter stand seine Lieblingsbäckerei, in der er jeden Sonntagmorgen frische, handgemachte
Brötchen kaufen ging. Aber jetzt hatte er nur Augen und Gedanken für sie und sie gleichsam für ihn. Heute war ihr Jahrestag. Sie
hatten sich beide für Morgen Urlaub genommen, um
einen besonders schönen Abend miteinander verbringen
zu können. Glücklich miteinander kamen sie dem See
näher. Die Häuser am Straßenrand wurden wieder weni-
ger und wichen vielen grünen Pflanzen und Sträuchern,
zwischen denen Froschmännchen um ihre Weibchen
buhlten. Eine Fledermaus kreuzte kurz ihren Weg und
eine Eule ließ in der Ferne ihren Ruf vernehmen. Sie
betraten den Steg des Bootsverleihs und stiegen in ein
hölzernes Ruderboot, das sie hinaus auf den See tragen
sollte.
☺
Impressum
c/o Jörg DrescherAmurskaja 403022 Kiew
Ukrainehttp://www.iovialis.org
Texte:Anton Perwuschin, Alexander Kamardin, Albert Valentinow (für dieZeitschrift «Offene Stadt – Moskau»),Olesya Storozhuk, Yulia Samus, JörgDrescher, Robert Wilson, Günter Sölken,Landesinitiative Zukunftsenergie NRW,Daniel Häni, Enno Schmidt, Götz W.Werner, Ludwig-Paul Häußner, BastianGabrielli
Übersetzungen:Olesya Storozhuk, Yulia Samus,Jörg DrescherHilfe bei den Übersetzungen:Eric R. Eissler (Pittsburgh, USA), Paul Grosko (Montreal, Kanada), A.B.C. Group (Kiew, Ukraine), Nowitex Translation (Moskau, Russland)Bilder: Pixelio, Wikipedia, Deutsche Bundesbank, Eigenaufnahmen
A U S B L I C KWie Sie in dieser Ausgabe erfahren konnten, stehen der Menschheit enorme Veränderungen bevor. Dabei haben wir nur einen Teil
dessen beschrieben, was alles auf uns zukommen wird. Wer wird allerdings in Zukunft Gewinner, wer Verlierer sein?
Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, welchen Weg wir einschlagen werden. Wenn wir es zulassen, dass andere an unserem
Gewinn teilhaben, wird niemand zum Verlierer. Dies ist eine Organisations- und Verwaltungsaufgabe. Von der Umstellung eines
staatlichen Steuersystems werden vor allem Unternehmen profitieren, die entsprechende Software anbieten und
Kommunikationsmittel bereitstellen.
Auf der Liste der Unternehmen, die Chancen für die Zukunft haben, stehen auch Dienstleistungs- und Handelsfirmen – sofern die
Bevölkerung Geld hat, um sich etwas leisten zu können.
Anbieter von alternativen Energien und Branchen für Bau, Wärmeisolierung und Energieeinsparungen sind weitere Gewinner, wenn
man sich für ein Umdenken in der Energiepolitik entscheidet. Aber vor allem ist es ein effektives Mittel, gegen die Klimaerwärmung
– und dadurch gewinnen wieder alle.
Die Landwirtschaft, die das zum Leben notwendige produziert, hatte in Krisenzeiten noch nie Probleme, da sie sich zur Not selbst
versorgen konnte. Sie ist eigentlich nur vom Klima abhängig.
Verlierer ist schon heute, wem die Gesellschaft keine Möglichkeit gibt, zum Gewinner zu werden. Es liegt allein an uns, wem wir
diese Chance geben.
Das Team von SMI²LE
Top Related