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DasIndustrie 4.0Magazin

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SONDERTEIL:

ADDITIVE FERTIGUNG

Ausgabe April 2018

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ADDITIVE FERTIGUNG |

Der Sitzrahmen ist mit seinen 766Gramm insgesamt 906  Grammund somit 56 Prozent leichter als

derzeit im flugzeugbau standardmäßigeingesetzten Varianten. Bei einem AirbusA321 bedeutet dies eine Gewichtsreduk-tion von 214 Kilogramm, beim AirbusA380 sogar 557 Kilogramm. Ein A321 ver-braucht dadurch fast 10 tonnen wenigerKerosin pro Jahr, ein A380 kommt aufeine Ersparnis von 63 tonnen. Auch derAusstoß von treibhausgasen verringertsich durch den Einbau der neuen Sitze:Die kleine Maschine stößt dank der Ge-wichtsersparnis fast 29 tonnen weniger

Kohlenstoffdioxid aus. Beim zweistöcki-gen A380 fallen sogar 190 tonnen weg.

Algorithmus optimiert Design

für die Neuentwicklung setzten AndreasBastian, Principal research Scientist bei Au-todesk, und sein team auf ein recht neuesKonzept: das generative Design. Ein Soft-ware-Algorithmus entwickelte dabei aufGrundlage genauer Vorgaben der forscherselbstständig den Entwurf. So sollte derSitzrahmen mindestens die gleiche Stabilitätaufweisen wie die derzeit am Markt verfüg-baren Produkte, gleichzeitig aber viel weni-

ger wiegen. Das speziell für additive ferti-gungsmethoden entwickelte Designpro-gramm Autodesk Netfabb optimierte aufGrundlage der durch das team vorgegebe-nen Bedingungen die Gitter- und Oberflä-chenstruktur des rahmens eigenständig.Das resultat war eine verwindungssteifeStruktur. Diese brachte wiederum neue He-rausforderungen mit sich. Der computerge-nerierte Entwurf hätte sich nämlich nur sehrschwer und damit kostenintensiv mit klassi-schen fertigungsmethoden wie dem Me-tallguss reproduzieren lassen. Auch die Git-terstruktur des Sitzrahmens im rein additi-ven Verfahren, also per 3D-Metalldruck, zu

Bis zu 63 Tonnen Kerosin sparen – pro Jahr

Das große Gewicht der Maschinen treibt die Treibstoffkosten für Flugzeuge in die Höhe.Gewichtsreduktion scheint, bei all der Technik an Bord, nur schwer möglich. Im Pier 9 Tech-nology Center von Autodesk in San Francisco haben sich Wissenschaftler mit dem Problembefasst. Das Ergebnis ist ein aus Magnesium gefertigter Sitzrahmen für Verkehrsflugzeuge.Ein Airbus A380, der mit diesen Rahmen ausgestattet ist, sollte aufgrund der Gewichtsein-sparung 63 Tonnen Kerosin pro Jahr weniger verbrennen.

LuftfAHrt

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Bild:

Auto

desk

GmbH

Produktdesign ex MachinaHalle 6Stand H28

Halle 3Stand 3318

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fertigen war keine Option – bei der Verar-beitung von Metallen im 3D-Druck gibt esimmer noch starke Einschränkungen, wasdie Zahl der möglichen Materialen anbe-langt. Anders ist das beim Metallgussverfah-ren. Dabei können hunderte verschiedeneLegierungen mit den unterschiedlichstenMaterialeigenschaften verarbeitet werden.„Die additive Fertigung hat ein riesiges Po-tential, die Zukunft der Produktion zu be-stimmen. Für Produktentwickler und Kon-strukteure ist sie aber immer noch ein ex-trem neues Konzept. Das Metallgussverfah-ren wurde dagegen über Jahrtausende per-fektioniert. Zahllose Experten, Ingenieure,Gießereien und Fabriken verfügen hier übertiefgreifendes Fachwissen. Das ist unglaub-lich wertvoll, gerade auch bei besondersaufwändig zu fertigenden Bauteilen wie un-serem Sitzrahmen“, erklärt Bastian.

Verfahren kombinieren

Eine Kombination aus beiden Verfahren er-wies sich am Ende als die beste Lösung.

Denn die komplexe Struktur des Sitzes ließsich im 3D-Druckverfahren wesentlich ein-facher umsetzen, als beim klassischen Guss-verfahren. Das wiederum erlaubte die Wahldes bestmöglichen Materials. So wurden zu-nächst die Positivformen der Sitzrahmenaus Plastik gedruckt – Plastik deshalb, weiles günstiger sowie schneller und unkompli-zierter zu verarbeiten ist als Metall. Die Po-sitivform diente als Vorlage für Keramik-gussformen, die dann für die Herstellung dereigentlichen Sitze im Metallgussverfahrenverwendet wurden. Durch diese Methodelassen sich große Stückzahlen einfach undgünstig produzieren.

Magnesium statt Aluminium

Die tatsächliche Fertigung der Sitzrahmenübernahm die Gießerei Aristo Cast aus Mi-chigan. „Wir waren gleich von der Ideebegeistert. Auch wir haben dabei viel übergeneratives Design und additive Optimie-rungsmöglichkeiten im Fertigungsprozessgelernt. Beides sind für unsere Branche

noch weitgehend neue An-sätze“, sagt Paul Leonhardvon Aristo Cast. Die Projekt-verantwortlichen aus Michi-gan hatten zudem eine wei-tere Idee, um das Gewichtdes Sitzrahmens zu reduzie-ren. Sie empfahlen ihn ausMagnesium zu fertigen, an-statt auf das im Flugzeug-bau verbreitete Aluminiumzu setzen. Dies erhöhtezwar den Fertigungsauf-wand, bedeutete aber einezusätzliche Gewichtserspar-nis von 35 Prozent gegen-über der ursprünglich ge-planten Ausführung in Alu-minium. Im klassischen De-signprozess hätte diese Ent-scheidung den Herstel-lungsprozess deutlich ver-kompliziert. Bastian undsein Team ließen den Desig-nentwurf daher mit Blickauf das neue Fertigungsma-terial in Nettfab prüfen. Die-ser erneute Durchlaufzeigte, dass die Verände-rung des Materials keineEinschränkungen mit sichbrachte. Im Gegenteil, er

bestätigte die gewünschten Eigenschaf-ten des Entwurfs: vergleichbare Stabilitätbei wesentlich geringerem Gewicht. EineSerienfertigung des Leichtbau-Sitzrah-mens aus Magnesium ist somit möglich.

Verfahren mit Potenzial

Die hybride Fertigung hat in Kombinationmit innovativen Entwicklungsverfahren wiedem generativen Design großes Potential,um die Zukunft der Produktion zu bestim-men. Allerdings ist es wichtig, diesen Ansatzschon in der Entwicklungsphase miteinzu-beziehen, um seinen Nutzen zu maximieren.Die notwendigen Werkzeuge dafür stehenbereits zur Verfügung. Doch auch Experten-wissen sollte in diesem Zusammenhangnicht unterschätzt werden. �

Der Autor Mikey Wakefield ist Fusion Evangelist bei der Autodesk GmbH.

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Die Positivform dient als Vorlage für Ke-ramikgussformen. Diese werden dann fürdie Herstellung der eigentlichen Sitze imMetallgussverfahren verwendet.

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Links: Der Firmenstein nachdem Entfernen der konven-tionellen Schalung.

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Um den größstmöglichen Nutzenaus additiven Fertigungsverfahrenzu schöpfen, müssen sich Inge-

nieure kreativ mit traditionellen Methodenund Werkstoffen auseinandersetzen. Dennobwohl Unternehmen in zahlreichen An-wendungen mit 3D-Druck bereits handfesteKosten- und Zeitvorteile erzielen, bietendiese jungen Verfahren noch viel Raum fürExperimente. Als solches ist wohl der Fir-menstein zu verstehen, den sich der 3D-Druck-Anbieter Voxeljet für seinen Haupt-sitz im bayrischen Friedberg hergestellt hat.

Spielwiese für Designer

Voxeljet ist auf den 3D-Druck von komple-xen Formen und Kernen aus Sand für diemetallverarbeitende Industrie spezialisiert.Genauso wie Metall lässt sich auch Beton indiese sandgedruckten Formen gießen. Mitdem Druck von Sandformen entstehendabei, je nach Anwendung und Komplexität,sowohl wiederverwendbare als auch verlo-rene Schalungen. Der Vorteil von 3D-Druck

liegt im werkzeuglosen, kostenoptimiertenFertigungsprozess. Der Firmenstein entstandin einem gemeinsamen Projekt mit derDade Design AG, einem Spezialisten für Hig-hend-Betondesign und Formenbau.

Von CAD-Datei zum Objekt

Am Anfang stand das CAD-Design. Um an-schließend die Vorteile des 3D-Drucks aus-zunutzen, entschied sich Voxeljet für eineHybridschalung, eine Kombination aus ge-druckten und herkömmlichen Schalungs-elementen. Die 3D-gedruckten Elementebeschränkten sich dabei auf den komple-xen Teil, die Front des Firmensteins. Einfa-chere Geometrien, wie die geraden Flä-chen, werden mit konventionellen Holz-schalungen abgebildet. Der komplexe Teildes Firmensteins besteht im Wesentlichenaus der Gesteinsstruktur mit dem integrier-ten Logo, das aus der Hintergrund-struktur hervorragt. „Durch dieGestaltungsfreiheit des 3D-Drucks lassen sich selbst hoch-

komplexe Geometrien mit Hinterschnei-dungen und gewollten Unebenheiten pro-blemlos realisieren.“, sagt Tobias King, Di-rector Applications bei Voxeljet. Für denDruck wurde die fertige Datei auf ein 3D-Drucksystem des Herstellers geladen. Das3D-Drucksystem fertigte die Schalungdann über Nacht in einem Arbeitsgang imVX4000, dem größten industriellen 3D-Drucksystem mit einem zusammenhän-genden Bauraum von 4x2x1 Meter (LxBxH).Das VX4000 trägt Sand in einer Schichtvon 300 Mikrometern auf die Bauflächeauf, bevor der Druckkopf die Schichten se-lektiv mit einem Bindemittel verklebt. An-schließend wurde das Rohteil gesäubert

Nomalerweise befasst sich die IT&Pro-duction nicht groß mit Unternehmenslo-gos. Im Fall des Firmensteins von Voxeljetgeht es nicht um die Markenbotschaft, son-dern die Fertigungstechniken 3D-Druckund Betonguss. Statt von einem FestkörperMaterial abzutragen, wurden Formen ge-druckt und später mit flüssigem Beton ge-füllt – neue Formgebungstechniken undHightech-Beton als Inspiration für Produkt-entwickler und Designer.

WERKSTOFFE

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Bilder: Voxeljet AG

Rechts: Zuerst wurden dieBuchstaben abgegossen.Damit sie besser in die ge-druckte Form passen undsich leichter aus dieser lösenlassen, wurden sie mitTrennmittel beschichtet.

Bild: Voxeljet AG

Bild: Voxeljet AG

Beton aus dem Drucker

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Teil des Firmenlogos mit aufgetragenem Trennmittel

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Voxe

ljet A

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Von weitem schlicht, doch komplex geformt: Das Logo ragt mit deutlichen Hin-terschneidungen aus einer Felsformation heraus.

Bild:

Voxe

ljet A

G

und mit einer PU-Dispersion bearbeitet, um Poren zu schließen undgleichzeitig die Formenoberfläche zu versiegeln.

Das Gießen des Betonblocks

Dann verschickte Voxeljet die nachbehandelte Form zum Guss in dieSchweiz zu Dade Design. Damit sich die Sandform nach dem Gussleichter vom Beton entfernen lässt, tragen die Schweizer ein Trenn-mittel auf. Nach dem Aushärten des gedruckten Logos, wurde imzweiten Schritt der Rest des Firmensteins gegossen. Dafür verwen-dete das Unternehmen einen selbstverdichtenden Beton, UHPC oderUltra-High Performance Concrete genannt. Bereits nach rund 20Stunden war der Beton komplett ausgehärtet, und die Schalungkonnte vorsichtig entfernt werden. Nach dem Entfernen der Scha-lung war der Firmenstein so gut wie fertig. Für den letzten Schliff ver-liehen Mitarbeiter von Dade Design dem Stein eine sogenannte Be-tonkosmetik, wobei sie den Beton polierten, um eine gleichmäßigeund glatte Oberfläche zu erhalten. Das Resultat der ersten Versucheim Betonguss kann sich sehen lassen. Und die beiden Unternehmenkonnten im Projekt erste Erfahrungen sammeln, wie sich 3D-Druck-Technologie und UHPC-Beton miteinander kombinieren lassen. Zeug-nis darüber legt der fertige Stein ab, der am Eingang des Voxeljet-Verwaltungsgebäudes in Friedberg steht. �

Nach Material der Voxeljet AG.

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Simufact Additive:Additive Fertigung vonMetallteilen simulieren

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089_ITP_April_2018.pdf 26.03.2018 16:39 Seite 89

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ADDITIVE FERTIGUNG |

Kosten, Produktivitätsgewinn undZeitersparnis zählen zu den klassi-schen Kriterien einer Investitions-

entscheidung – insbesondere dann, wennes um Produktionsmittel geht. Vor allembeim Prototyping sowie bei Kleinserienspielen 3D-Drucker heute ihre Vorteile aus.Mit den Verfahren der additiven Fertigungentfällt das Herstellen von Formen und dieRüstzeit bei Maschinen. Im Vergleich zusubstraktiven Verfahren (zum Beispiel diespanende Fertigung) entfallen auch oftganze Bearbeitungsschritte. Dazu kommt,dass ein 3D-Druck meist weniger Energieverbraucht als das traditionell hergestelltePendant. Das gilt im Allge-meinen für die unterschiedli-chen Verfahren des 3D-Drucks sowie für verschie-dene Werkstoffe. Bei großenStückzahlen, in der Serien-fertigung und wenn es ummetallische Werkstoffe geht,ist der 3D-Druck hingegenim Nachteil. Dennoch gibt esimmer mehr Beispiele, wo3D-Drucker eine zentrale und sogar strate-gische Rolle in der Fertigung einnehmen.Gerade zur Verarbeitung von Kunststoffengibt es 3D-Drucker, die selbst nach indus-triellen Maßstäben präzise, hochwertig undzuverlässig arbeiten. Vor allem aber zeigt‘Additive Manufacturing’ seine Stärken, wokonventionelle Fertigung an Grenzen stößt.

Potenzial zur Disruption

Mit 3D-Druckern können Geometrien undKonstruktionen erstellt werden, die man

mit klassischenFertigungsver-fahren so nichtrealisieren kann,etwa Struktureninnerhalb von

Hohlkörpern. Oder bionische Konstruktio-nen, wie sie Knochen mit ihren Verstei-fungsstrukturen haben. Diese haben diegleichen Steifigkeits- und Lastwerte wieregulär gefertigte Bauteile, sind aberdeutlich leichter. Darüber hinaus musssich der Entwickler beim Entwurf keineGedanken um die Frage machen, ob sichdie Konstruktion überhaupt fertigen lässt.Gleichzeitig ist die iterative Schleife vonKonstruktion, Test des Bauteils und über-arbeiteter Konstruktion mit Verfahren des3D-Drucks schneller. Prozesse, die bisher

oft Wochen dauerten, können jetzt überNacht optimiert werden. Wenn die Soft-ware mitspielt, lassen sich 3D-Modelle perKlick verändern und Designs umgehenddigital simulieren. Läuft der Druck überNacht durch, können am Morgen dienächsten Tests beginnen. Der Erfolgsfak-tor für diese Disruption ist der Entwicklerselbst. Zwar sind moderne Konstruktions-und Simulationstools erforderlich, umVorteile auf generativen Verfahren zuschöpfen. Doch der Konstrukteur muss –vielleicht entgegen jahrelanger Routine –den Verbesserungen auf die Spur kom-men: Etwa Ideen für Gitterstrukturen ent-wickeln oder nach Volumenanteilen su-chen, die keine Last aufnehmen, aber bis-her auf Grund des Fertigungsverfahrensim Bauteil vorhanden waren.

3D-Druck für die IndustrieVerfahren mit Potenzial

Umfragen zufolge steht die hiesige Industrie bei der generativen Fertigung weltweit vorne.Eine Verdrängung traditioneller Produktionsmethoden ist zwar nicht in Sicht, schon garnicht in der Massenfertigung. Aber es gibt Aufgaben wie den Werkzeugbau, die bald einevom 3D-Druck getriebene Revolution erfahren könnten. Dass es dabei nicht immer Metall-druck sein muss, zeigen die Desktop 3D-Drucker von Ultimaker, die Kunststofffilamente inhoher Qualität drucken und deutlich mehr als Prototypenbau auf dem Kasten haben.

DESKTOP-3D-DRUCKER

90 IT&Production 4/2018

Die additive Fertigung ist bereitsdabei, den Werkzeugbau zu revo-lutionieren. Das Volkswagen-WerkAutoeuropa in Portugal rechnetdamit, bei den Aufwendungen fürWerkzeug und Montageeinrich-tungen durch die Umstellung auf3D-Druck im letzten Jahr 325.000Euro gespart zu haben.

Bild: Ultimaker B.V.

Halle 6Stand J01

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Neue Geschäftsmodelle

Mit 3D-Druck lassen sich Produkte sopreiswert und einfach wie nie zuvor indi-vidualisieren. Designoptionen für Schuhe,Brillen und vieles andere lassen sich alsDruckprogramme hinterlegen und denEndkonsumenten anbieten. Der Käuferwählt und ein Drucker (unter Umständensogar vor Ort) druckt das gewünschteTeil aus. Dieses Prinzip gilt auch für dieproduzierende Industrie: Bauteile, Kom-ponenten aus Plastik, aber auch Monta-gevorrichtungen oder Werkzeuge für dieProduktion können aus dem 3D-Druckerkommen. Damit entfallen wichtige Ele-mente der Logistikkette. Manches mussnicht mehr zentral produziert werden,um es dann zu verschicken. Erzeugnissekönnen an regionalen Standorten herge-stellt werden – oder im Laden selbst. Po-tential bietet auch das Ersatzgeschäft. Eskönnte künftig immer weniger auf Lagerproduziert werden, sondern nach Bedarf.Für viele Produkte entfallen die Abkündi-gungen. Solange es die CAD-Datei desBauteils gibt, druckt man es nach.

95 Prozent der Kosten gespart

Ob es um Prototypen, Kleinserien oderum echte Massenproduktion geht, dieMöglichkeiten des 3D-Drucks für Kon-struktion, Design und Innovation sindnoch beinahe unerschlossen. Doch schonheute zeigen praktische Anwendungen,wie sich die Geschäftsmodelle künftigverschieben könnten. Das Werk vonVolkswagen Autoeuropa in Portugaldruckt zum Beispiel seine Werkzeuge,Montagevorrichtungen und Halterungen

selbst. Das Resultat: 91 Prozent geringereWerkzeugentwicklungskosten und 95 Pro-zent kürzere Entwicklungszeiten. DasWerk sparte im Jahr 2016 geschätzt150.000 Euro, für 2017 rechnen die Verant-wortlichen mit einer Ersparnis von 325.000Euro. Hinzu kommt, dass sich Werkzeugeergonomischer gestalten lassen, da sichFeedback von Arbeitern viel leichter inDesign-Iterationen einbringen lässt.

Voraussetzung für 3D-Druck

Die Druckqualität bei Kunststofffilamen-ten hat längst ein Niveau erreicht, dassauch industriellen Qualitätsansprüchengenügt. Ultimaker, ein niederländischerAnbieter von Desktop-3D-Druckern kannetwa bis zu 0,02 Millimeter feine Schich-ten auftragen. Für Menschen sind dieeinzelnen Schichten praktisch nicht mehrzusehen oder zu fühlen. Das Verfahrenselbst – also die Hardware-Anforderun-gen der Drucker– ist weiterhin sehrwichtig, mittlerweile jedoch nicht mehrdas zentrale Kriterium für den Einsatzvon 3D-Druck. Oft fehlt es den produzie-renden Unternehmen schlicht an Erfah-rungen auf diesem Feld, die sich aberdurch die Zusammenarbeit mit einem ex-ternen Anbieter kompensieren ließe.Neben dem Knowhow der Mitarbeiter istdie Software der entscheidende Faktor.Zum einen muss der 3D-Drucker Datenaus den gängigen CAD-, CAM- und PLM-Lösungen verarbeiten können. Das heißteine 3D-Zeichnung muss in Scheiben (Sli-ces) geschnitten werden, die ein 3D-Dru-cker verarbeiten kann. Gängige Formatesind heute STL, 3MF und OBJ. Neben denSchnittstellen muss sich eine Slicing-

Software im professionellen Betrieb ein-fach bedienen lassen und die Hardwarepräzise steuern. Die mechanischen Be-wegungen des Extruders zu kontrollie-ren, ist komplex und Unterbrechungenbeim Druckvorgang sind kritisch. Da dieHerstellung von komplexen Werkstückenmehrere Stunden dauern kann und so oftüber Nacht geschieht, muss die Softwarederartige Herausforderungen bewälti-gen, ohne dass es zu Qualitätsverlustenkommt oder der Druck gar abgerochenwird. Die verschiedenen Kunststofffila-mente verhalten sich im Druckverfahrenunterschiedlich und Kriterien wieSchichtstärke sowie Masse des aufgetra-genen Materials beeinflussen den Druck-vorgang und müssen gesteuert werden.Die Software sollte also erkennen, mitwelchen Materialien ein Drucker be-stückt ist und die Aufträge entsprechendkonfigurieren. Für den industriellen Ein-satz sollten zudem mehrere Drucker übereine Oberfläche gesteuert werden kön-nen: Netzwerkfunktionen müssen Dru-cker auswählen, gruppieren, in der War-teschlange organisieren und Druckvor-gänge überwachen sowie Wartungsauf-träge planen können. Zudem können ak-tuelle Systeme Mitarbeiter benachrichti-gen, wenn sie gewartet werden müssen.

Innovationen aus Kunststoff

Die additive Fertiung von Metall spieltschon heute eine wichtige Rolle und giltvielen als der Erfolgsfaktor dieser Techno-logien für den industriellen Einsatz. Abernoch werden am häufigsten Polymere im3D-Druck verwendet und es gibt Szena-rien, in denen Kunststoffe konstruktions-bedingt Metalle ablösen könnten. Zudemkommen auf der Werkstoffforschungimmer wieder polymere Innovationen, diesich statt Metall verwenden lassen, ohnedie Funktionalität einzuschränken. Undnicht zuletzt lassen sich über 3D-Druckbisher unmögliche Geometrien und Struk-turen realisieren. So könnte ein ausgeklü-geltes Kunststoffteil die leichtere, stabi-lere oder einfach die günstigere Alterna-tive zu einem Metallteil sein. �

Der Autor Paul Heiden ist Senior Vice PresidentProduct Managementbei Ultimaker.

www.ultimaker.com

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| ADDITIVE FERTIGUNGDESKTOP-3D-DRUCKER

Auto-Tuning Frontleuchteneinsatz: Vom vierstelligen Betrag auf 17 Dollar pro Teil - 3D Druck ersetzt CNC-gefräste Produktion und Handarbeit.

Bild: Ult

imaker

B.V.

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Das Studio System von DesktopMetal wurde im Mai 2017 auf denMarkt gebracht und ist nach Her-

stellerangaben das erste Metall-3D-Druck-system, das für den Betrieb in Büros ausge-legt ist. Die Lösung ist eigens für die proto-typenherstellung gedacht, während dasproduction System des gleichen Herstellershohe Stückzahlen generativ produzierensoll. Das Studio System ist eine plattformbestehend aus Drucker, Debinder und Sin-terofen. Die neue technologie des dreistu-figen prozesses funktioniert mit legiertenund hochlegierten Stahlsorten sowie mitEdelstahl, Kupfer und nickel-Cobalt-Legie-rungen. in der ersten Stufe des prozesseswerden Stäbe, die aus einem in Wachs ge-fassten Metallpulver bestehen, in 50 Mikro-meter dicken Schichten auf einer Grund-platte zu einem Bauteil extrudiert. Dieses‘Green part’ wird in der Reinigungsstationautomatisch von den Wachsanteilen befreit.Anschließend erwärmt der Sinterofen dieBauteile, bis das Metall zu einem vollkom-men dichten teil ohne Eigenspannung imGefüge verschmilzt. So lassen sich Bauteilemit den Höchstmaßen 255x170x170 Millime-ter herstellen. Durch einfache Entfernungder Support-Geometrien von Hand, schnel-len Materialwechsel und den Verzicht auf

die Lasertechnologie kann das System di-rekt in Design Studios oder Büros eingesetztwerden. Um den Schwund und anderetechnologische Eigenschaften unterschied-lichen Materials auszugleichen, werden dieprozesse von einer webbasierten Softwaregesteuert, welche jede phase der prozesseautomatisiert. Anwender können über die-sen Weg aus einem 3DCAD-Modell zügigein fertiges Bauteil aus Metall erstellen.

Werkzeug und Formenbau

Built-Rite, ein amerikanischer Hersteller vonSpritzgieß-Formen in Massachusetts, hatdas Studio System als einer der ersten An-wender für Komponenten von Spritzgieß-Formen evaluiert. Ein Werkzeug besteht ausvielen komplexen Kavitäten, Einsätzen undKühlkanälen und muss wiederholten Stö-ßen und Belastungen durch Hochtempera-turpolymere standhalten. Für den testwählte Built-Rite einen bekannten Formein-satz eines Spritzgieß-Werkzeuges aus. nachder Herstellung mit dem Studio Systemwurde die oberfläche der 3D-gedrucktenFormeinsätze geschliffen, um die geforder-ten toleranzen und oberflächengüten zuerreichen. Die Mechaniker stellten anschlie-ßend fest, dass die teile wie üblich erhitzt

werden konnten, ohne dass es zu proble-men bei der toleranz oder dem Einbau inden Formaufbau kam. Anschließend wur-den einige Kavitätsoberflächen erodiert, umdie gewünschte oberflächengüte zu errei-chen. Die Bediener mussten dazu wederErodier-parameter für die prototypen ei-gens anpassen, noch lag der Elektrodenver-schleiß über dem üblichen Maß. nach Mon-tage in den Formaufbau wurden Kunst-stoffteile aus Acetal – einem abriebfesten,reibungsarmen Kunststoff – gespritzt. Dertestlauf mit circa 100 Zyklen zeigte keineFehler in den produzierten Kunststoffteilenund der 3D-gedruckte Einsatz zeigte keiner-lei Verschleißerscheinungen. im Vergleichzu dem Angebot einer externen prototy-ping-Werkstatt konnte Built-Rite mit demStudio System die Kosten um 90 prozentreduzieren, eine Zeitersparnis von 30 pro-zent erreichen und das Gewicht des Bau-teils um 41 prozent verringern. Besucher derMetav in Düsseldorf konnten sich das neueSystem von Desktop Metal auf dem Mes-sestand von Encee anschauen �

Der Autor Sebastian Trummer ist Vertriebsleiterbei der Encee CAD/CAM-Systeme GmbH.

www.encee.de

Das Büro mit WerkstattPrototypen am Schreibtisch drucken

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Die Encee CAD/CAM-Systeme GmbH inAmberg ist eines der ersten Unternehmen,das Technologie des Start-ups DesktopMetal in Deutschland anbietet. Mit demkürzlich vorgestellten Studio System desamerikanischen Herstellers können Mitar-beiter Prototypen aus Metall direkt inihren Büros additiv fertigen.

Bild: Encee CAD-CAM Systeme GmbH

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