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Sozialer Wandel: Megatrends, Gestaltungsalternativen und Lebenslauffolgen

Reinhold Sackmann

1. Fragestellung

2. Megatrends und ihre Bearbeitung in Generationen und Lebensläufen

3. Megatrend Globalisierung und seine Folgen für Generationen und

Lebensläufe

4. Megatrend demographischer Wandel und seine Bewältigung in

Generationen und Lebensläufen

5. Megatrend Digitalisierung und ihr Niederschlag in Technikgenerationen

und Alltagsmacht

6. Bilanz: Chancen und Risiken von MegatrendsPräsentation beim Forum „Personal- und Organisationsentwicklung“, Wittenberg, 25.9.2018

Kontakt: [email protected]

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1. Fragestellung

Leitfrage: Wie wirkt sich gegenwärtiger sozialer Wandel auf Generationen und Lebensläufe aus?

Unterpunkte:

- Sozialer Wandel hier als erwartbarer langfristiger Wandel (= Megatrends) bei Ungewissheit diskontinuierlichen Wandels (z.B. Vereinigung, Finanzmarktkrise, Kriege)

- Generationen hier als gesellschaftsgeschichtliche Generationen, die Stellung nehmen zu „ihrer“ Zeit

- Lebenslauf als Versuch durch eine individuelle Gestaltung der Lebenszeit auf sozialen Wandel zu reagieren

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2. Megatrends und ihre Bearbeitung in Generationen und Lebensläufen

„Übersichtbarer Wandel“: Brüche + Jugend + Mediendiskurs + Kontroversen + Stile

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Ergänzung, Implizites explizierend:Feldtheorie = Teilautonomie von gesellschaftlichen Bereichen, in Relation/Konkurrenz zu anderen Feldern. Mit jeweils einem autonomen Pol, der stärker Eigenlogik folgt, und einem heteronomen Pol, der sich stärker Gesamtgesellschaft unterwirft.

2. Megatrends und ihre Bearbeitung in Generationen und Lebensläufen

„Stiller Wandel“: kontinuierliche Verschiebung + „Notwendigkeit“ + Anpassung

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2. Megatrends und ihre Bearbeitung in Generationen und Lebensläufen

Megatrends (Naisbitt 1984) = langfristige, evolutionär verlaufende, aber revolutionär verändernde Entwicklungen

Bertelsmann Stiftung (2018) nennt gegenwärtig drei Megatrends als zentral:

- Globalisierung

- Demographischer Wandel

- Digitalisierung

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3. Megatrend Globalisierung und seine Folgen für Generationen und Lebensläufen

Globalisierung = Zunahme des Anteils grenzüberschreitender Transaktionen an allen Transaktionen

In Deutschland hoher Grad an Transnationali-sierung bei Waren und Aktienkapital, deutlich geringer bei Arbeit und Investitionen. Quelle Abb. Gerhards/Rössel 1999; aber einiges bleibt lokal (Deutschmann 2016)

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3. Megatrend Globalisierung und seine Folgen für Generationen und Lebensläufen

(Inter-)Nationalisierungsgeneration (Flüchtlingsberg 2015, ca. Geburtskohorten 1990-2010)

Als politische Generation in der Formierung, deutliche Zunahme des politischen Interesses (34% 2002 > 46% 2015 (März)(Shell 2015: 157). Zu Internationalisierung gibt es in Generationseinheiten kontroverse Stellungnahmen: 2/3 Randgruppen helfen/Toleranz nimmt zu, 1/3 Nationalstolz/Festhalten an Althergebrachtem wächst ebenfalls (ebd.: 243, 250). „Refugees welcome“ und AfD bearbeiten ein Generationsthema.

Als ökonomische Generation die erste Post-Arbeitsmarktkrisengeneration, die von den halbierten Arbeitslosigkeitsraten der Hartz-Reformen profitiert, und die niedrigste Jugendarbeitslosigkeitsraten seit 1992 aufweist. Deshalb nimmt Präferenz für einen „sicheren Arbeitsplatz“ (72%) und „Möglichkeiten, eigene Ideen einzubringen“ (58%) zu (ebd.: 79). Persönliche Ansprüche steigen.

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3. Megatrend Globalisierung und seine Folgen für Generationen und Lebensläufen

Widersprüchliche Prozesse der Weltgesellschaftsbildung in Relevanz für Arbeitsmärkte

Zunehmende internationale Arbeitsteilung bewirkt Bedeutungsgewinn hochschulischer marktgängiger Qualifikationen in den Zentrumsländern (Krugmann 1995; Sackmann 2010). Eine internationale Elite wächst leicht („Internationalisierung von oben“).

Vertiefung internationaler Arbeitsteilung führt zu Bedeutungsverlust einfacher Qualifikationen in den Zentrumsländern. Ein Teil dieses bedrohten Arbeitssegments wird von zunehmenden Einwanderern erbracht („Internationalisierung von unten“).

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3. Megatrend Globalisierung und seine Folgen für Generationen und Lebensläufen

Einfache Tätigkeiten werden zurückgedrängt. Quelle: Bosch (2014): 10.

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3. Megatrend Globalisierung und seine Folgen für Generationen und Lebensläufen

Zwischenresultat Megatrend Globalisierung: Die sich seit 1971, beschleunigt nach 1990 ablaufende Globalisierung vollzieht sich kulturell am schnellsten; wirtschaftlich primär im Handel und in der Vertiefung der internationalen Arbeitsteilung; politisch dagegen am langsamsten.

Die erste darauf bezugnehmende Jugendgenerationsbildung konstituiert sich bei Jugendlichen um 2015, mit einer überwiegend Internationalisierung bejahenden Generationseinheit, aber einer wachsenden Minderheit des Retro-Nationalismus.

In den Lebensläufen wird auch auf die sich aufgrund von Verschiebungen der internationalen Arbeitsteilung und Migration ergebende Reduktion und steigende Konkurrenz um gering qualifizierte Arbeitsplätze mit einer Erhöhung des (Aus-)Bildungsniveaus reagiert. Auch dadurch gehört Deutschland zu den Globalisierungsgewinnern des Arbeitsmarktes, allerdings mit einer stärkeren Streuung der Erwerbseinkommen.

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4. Megatrend demographischer Wandel und seine Bewältigung in Generationen und Lebensläufen

Demographischer Wandel = Anstieg des durchschnittlichen Median-Alters (= demographische Alterung) und/ oder Abnahme der Gesamtbevölkerung einer politischen Einheit (Nation, Region, Kommune) (= Schrumpfung)

Hier Alterung fokussiert.

Tab.: Bevölkerung in Deutschland nach zwei Altersgruppen

Daten: Statistisches Bundesamt 2018

Relativ und absolut weniger Kinder und Jugendliche.

Relativ und absolut mehr Ältere.

Unter 20 Jahre 60 – 80 Jahre

1950 21, 081 274 9, 431 096

1960 20, 773 693 11, 557 195

2017 15, 233 792 17, 965 940

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4. Megatrend demographischer Wandel und seine Bewältigung in Generationen und Lebensläufen

Generational equity (Preston 1983)

Aber: schlecht politisch organisiert. Und wenn, dann heterogene Interessen.

Dennoch Altersausgaben häufig höher als Familienleistungen.

Aber kausal kein Zusammenhang.

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4. Megatrend demographischer Wandel und seine Bewältigung in Generationen und Lebensläufen

Randbedingung: Umbau des Staates zu einem Sozialstaat im 20. Jahrhundert, der ab 1970er Jahren an Grenzen stößt.

Quelle: Piketty 2014: 475. Starker Anstieg Staatsquote 1910-1970. Grenze bei 30-50% erreicht, kein weiterer Anstieg. Debatte verschiebt sich von der Erhöhung der Quantität zur Qualität des Staates und einer Fokussierung auf die wichtigsten Ziele.

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4. Megatrend demographischer Wandel und seine Bewältigung in Generationen und Lebensläufen

Bewältigung durch Verlängerung der Lebensarbeitszeit

Reformen, die v.a. nach 1995 eingeführt wurden, zielten auf Verlängerung.

Reduktion von Arbeitslosigkeit durch Frühverrentung, die 1973-1994 immer wichtiger wurde, wurde gestoppt.

Die neue geschlechtsneutrale Politik ersetzte das vorher geschlechtsdifferente gesetzliche Renteneintrittsalter.

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4. Megatrend demographischer Wandel und seine Bewältigung in Generationen und Lebensläufen Entwicklung des durchschnittlichen Renteneintrittsalters in Deutschland nach Region und Geschlecht (1960-2015) [Anstieg des Renteneintrittsalters seit 1996 (Sanktionen; Geschlechterangleichung; unabhängig von Konjunktur) (vgl. Sackmann 2008a)]

15

55,0

56,0

57,0

58,0

59,0

60,0

61,0

62,0

63,0

1960

1962

1964

1966

1968

1970

1972

1974

1976

1978

1980

1982

1984

1986

1988

1990

1992

1994

1996

1998

2000

2002

2004

2006

2008

2010

2012

2014

**

Männer WD Frauen WD

Männer OD Frauen OD Quelle: DRV 2016

1973: Flexibles Altersruhegeld

Seit 1996: Erhöhung des Renteneintrittsalters

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4. Megatrend demographischer Wandel und seine Bewältigung in Generationen und Lebensläufen

Folgen dieser Verlängerung der Lebensarbeitszeit

Das Instrument ist finanziell effizient, da es die erforderlichen Beitragssätze niedrig hält und zugleich die Ausgaben für Rentenzahlungen reduziert.

Es ist realistisch, da sich der Gesundheitszustand von Personen zwischen Alter 50 und 67 in den letzten Jahrzehnten verbessert hat (vgl. Unger 2016).

Es erhöht Ungleichheit, da Abschläge bei erwerbsgeminderten Personen v.a. untere Schichten treffen. Aber es reduziert Geschlechterungleichheit, da die Lebensarbeitszeit von Frauen überproportional gesteigert wird und dadurch deren Rentenanteil zunimmt.

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4. Megatrend demographischer Wandel und seine Bewältigung in Generationen und Lebensläufen

Bewältigung durch Einführung einer neuen Versicherung: Pflegeversicherung.

Konstruktionsprinzipien der 1994 gestarteten Pflegeversicherung (Rothgang 2009):

> Fast alle Erwachsenen sind Beitragszahler des staatlichen Umlagesystems (im Unterschied zur Rentenversicherung)

Auszahlungen nach Fallpauschalen bei geringer Anzahl der Kategorien (Trend im Gesundheitsbereich: Fallpauschalen)

Ambulante Dienste sollten von Privatfirmen übernommen werden, die einen Pflegemarkt etablieren. Familienpflege sollte gestärkt werden.

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4. Megatrend demographischer Wandel und seine Bewältigung in Generationen und Lebensläufen

Folgen der Pflegeversicherung:

Kommunale Sozialhilfe konnte jährlich 4 Mrd. Euro einsparen (Rothgang 2009: 127)

Pflegemarkt mit kleinen Firmen etablierte sich und wuchs. 2008 waren bereits 1,1% der Erwerbsbevölkerung im Pflegebereich tätig (Angermann/Eichhorst 2012: 12; Colombo et al. 2011). Allerdings gibt es aufgrund der niedrigen Löhne Rekrutierungsprobleme.

Das Niveau der Familienpflege ist im internationalen Vergleich betrachtet relativ hoch.

Die Versicherungsbeiträge sind moderat.

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4. Megatrend demographischer Wandel und seine Bewältigung in Generationen und Lebensläufen

Folgen für Lebensläufe

Während die Post-Adoleszenz (eine Lebenslaufphase der verlängerten Jugend im Bildungssystem ohne umfangreichen eigenen Erwerb) sich weiter ausdehnt, nimmt die Lebensarbeitszeit an zwei Lebenslaufpositionen zu:

Die Frauenerwerbsarbeit nimmt aufgrund kürzerer Familienunterbrechungen und sehr viel späterer Erwerbsaufgabe stark zu (die Beschäftigungsquote von Frauen zwischen 20 und 64 stieg in Deutschland von 56,9% 1993 auf 75,2% 2017!)

Das „Dritte Alter“ (= gesundheitlich fitte Ältere im Ruhestand) dehnt sich nicht weiter aus, da auch Männer etwas länger arbeiten.

Die starke Erhöhung der Erwerbstätigenzahl führt – anders als man in den 1980er Jahren vermutete – zu einer Abnahme der Arbeitslosigkeit, die sich seit 2005 in Deutschland mehr als halbiert hat.

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4. Megatrend demographischer Wandel und seine Bewältigung in Generationen und Lebensläufen

Zwischenergebnis Megatrend demographischer Wandel

Das von demographischer Alterung im weltweiten Vergleich extrem betroffene Deutschland hat zu einem Rückgang der Zahl Jugendlicher und einer Erhöhung der Zahl der Personen im rentenfähigen Alter geführt. Dieser Megatrend hat sich eher leise kohortenförmig vollzogen, ohne Generationszuspitzungen.

Die in den 1990er Jahren vollzogenen Reformen der Rentenversicherung (Verlängerung der Lebensarbeitszeit) und die Einführung der neuen Sozialversicherung Pflegeversicherung haben die daraus erwachsenden Probleme effizient reduziert und haben zugleich umfangreiche Erwerbsmöglichkeiten geschaffen.

Diese Erfolge waren möglich, weil sich insbesondere die Lebenslaufplanungen von Frauen und Älteren auf die neuen Realitäten eingestellt haben.

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5. Megatrend Digitalisierung und ihr Niederschlag in Technikgenerationen und Alltagsmacht

Ein dritter Megatrend ist die Digitalisierung (= die Ergänzung, seltener Ersetzung von menschlichen Handlungen oder Interaktionen durch digitale Prozesse oder Netze).

Tab: Anzahl der Internetnutzer in Deutschland, 1990-2016 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2018) 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2016

Internetnut-zer je 100 Einwohner

0,1 1,8 30,2 68,7 82,0 87,6 89,6

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5. Megatrend Digitalisierung und ihr Niederschlag in Technikgenerationen und Alltagsmacht

Internetgeneration (nach 1985 geboren, geprägt von schneller Internetausbreitung ab 2000)

Die nach 1985 geborene Internetgeneration (Sackmann/Winkler 2013) ist eine spezifische Technikgeneration, die sich von den vorgängigen Technikgenerationen (Sackmann/Weymann 1994) vorwiegend dadurch unterscheidet, dass sie sehr viel stärker soziale Medien nutzt und diese wertschätzt. Das Selbstwertgefühl dieser Generation beruht bei einigen Generationseinheiten auf einer Identifikation mit technischen Möglichkeiten.

Bei anderen Nutzungsformen wie Email, Recherche und Kauf sind die Unterschiede geringer.

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5. Megatrend Digitalisierung und ihr Niederschlag in Technikgenerationen und Alltagsmacht

Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsmärkte (Arntz u.a. 2018: 75)

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5. Megatrend Digitalisierung und ihr Niederschlag in Technikgenerationen und Alltagsmacht

Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsmärkte (Arntz u.a. 2018: 75)

Seriöse Studie von ZEW und IAB: Computerisierung hat im Gesamteffekt in den 1990er zu einer leichten Zunahme der Beschäftigung geführt. Dies gilt auch für die Digitalisierung in den letzten 5 Jahren, bzw. lässt sich anhand von Betriebsplanungen für die nächsten 5 Jahre so schätzen.

Allerdings Umschichtungen: sehr viel weniger kognitive Routine-Berufe (z.B. Buchhaltung) und etwas weniger manuelle Nicht-Routine. Sehr viel mehr analytische und interaktive Berufe. Berufswahl, Weiterbildung.

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5. Megatrend Digitalisierung und ihr Niederschlag in Technikgenerationen und AlltagsmachtMonopolbildung bei Digitalisierung

Es gibt drei Mechanismen der Monopolbildung: Skaleneffekte; Netzwerkeffekte; Feedbackeffekte. Alle drei bei Digitalfirmen.

Marktanteil (2018) Deutschland Welt

Suchmaschinen (mobil)

Google 98,4% 63,6%

Suchmaschinen (Desktop/Laptop)

Google 85,8% 78,0%

Social Media Seitenaufruf

Facebook 61,1% 65,3%

Pinterest 20,9% 13,4%

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5. Megatrend Digitalisierung und ihr Niederschlag in Technikgenerationen und Alltagsmacht

Medienwirkung von Digitalisierung

Digitalunternehmen besitzen die privaten Daten von Milliarden von Menschen, lernen mit ihnen künstliche Intelligenz und verkaufen ihr Wissen zu Werbezwecken.

Die Kommunikation im „Internet der verzerrten Wahrnehmungen“ (Ludes 2018) weist in den sozialen und a-sozialen Medien eine heile Welt der Selbstdarstellungen der Eigengruppen (z.B. in WhatsApp) aus und eine Beschleunigung von emotionalisierten Gerüchten und Mythen gegenüber näheren und ferneren Fremdgruppen auf.

Traditionale Sozialisationsinstanzen wie Familie, Schule, Peers verlieren an sozialen Kontrollchancen, wohingegen die medialen Erlebnis- und Ausdrucksweisen für viele in bestimmten Entwicklungsphasen wichtiger werden.

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5. Megatrend Digitalisierung und ihr Niederschlag in Technikgenerationen und Alltagsmacht

Zwischenresultat Megatrend Digitalisierung

Weltweit hat sich seit 1995 sehr schnell eine Digitalisierung vollzogen, die insbesondere bei der nach 1985 geborenen Internetgeneration zu Technikidentifikationen mit sozialen Medien geführt hat.

Die bisher registrierten Arbeitsmarktfolgen dieser Entwicklung führen eher zu Beschäftigungszuwächsen, wobei aber mehrere Berufsgruppen an einfachen Angestellten und FacharbeiterInnen Beschäftigungsverluste aufweisen. Im Berufswahlverhalten und in Weiterbildungen werden diese Entwicklungen im Lebenslauf kompensiert.

Digitalisierung hat aufgrund neuer Monopolmechanismen zu extremen Monopolbildungen in Deutschland und weltweit geführt. Die von Mayer-Schönberger/Ramge (2017) vorgeschlagenen Anti-Monopolpolitiken stellen deshalb ein Desiderat dar.

Soziale Medien transformieren insbesondere bei jungen Menschen öffentliche Meinungsbildung und Gruppendenken.

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6. Bilanz: Chancen und Risiken von Megatrends

Megatrends: Generationsbildungen, Lebenslaufbewältigung, gesellschaftliche Bewältigung, eine Kurzbewertung

Megatrend Generationsbil-dung

Lebenslaufbewäl-tigung

Gesellschaftliche Bewältigung

Globalisierung + + -

Demografische Alterung

- ++ +

Digitalisierung ++ + --

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Literatur

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