THEMA:
PROTHETISCHE VERSORGUNG NACH AMPUTATION
DOZENT:
ANDREAS GOLCZUKORTHOS-ORTHOPÄDIETECHNIK
56841 TRABEN-TRARBACH
Script zum Seminar Bernkastel-Kues am
27.02.2016
Copyright: Andreas Golczuk
VITA
Andreas GolczukJahrgang 1969
Selbständiger Orthopädietechniker-Meister seit 2002Im Beruf seit 1985Schwerpunkt: Prothetik der unteren ExtremitätBerufliches Highlight waren u.a. die Paralympic
Games in Peking, China in 2008 mit internationalem Betreuerteam
Neue Lösungsansätze für prothetische Versorgungen
Prothesenfähigkeit des Patienten
Was kann der Patient leisten? (anatomisch/mental)
Was sind realistisch erreichbare Ziele/Perspektive?
Grundlagen
Grundlage jeder prothetischen Versorgung ist die Einstufung in die entspr. Mobilitätsklasse
Umsetzungen der Kostenträger-Richtlinien werden von verschiedenen Herstellern angeboten.
Beispiel: die Mobilitätsskala / Firma Össur
Mobi 1: Innenbereichsgeher
Anwenderprofil
Ein Mensch (Patient) der sich auch als nicht amputierter, die Hauptzeit in seiner ebenerdigen Wohnung aufhält als da wären
AKV-PatienteGeriatrische PatientenAthrosepatientenPatienten mit kadiologischen Problemen Patienten mit Atemproblemen
Alleinstehende Patienten
K2 SENSATION
Begründungshilfen – ArgumenteErhaltung der LebensqualitätReduzierung der DepressivitätAufrechterhaltung des sozialen UmfeldesReduzierung des erhöhten Sauerstoffverbrauches für ProthesenträgerErhöhung der StandsicherheitReduzierung der Folgeerkrankungen
Arthrose, Dekubitus, Frakturen nach Sturz)Erleichterung des TransfersErhaltung der RestvitalfunktionenLanges Liegen und Sitzen sprich Inaktivität führt oft zur Inkontinenz
Mobi 1: Innenbereichsgeher
Der Patient besitzt die Fähigkeit oder das Potenzial sich mit einer Prothese mit geringer Gehgeschwindigkeit fortzubewegen und dabei niedrige Umwelthindernisse, wie Bordsteine, einzelne Stufen oder unebene Böden, zu überwinden.
Gehdauer und Gehstrecke sind, aufgrund seines Zustandes, limitiert.
Mobi 2: Eingeschränkter
Außenbereichsgeher
Anwenderprofil
Patienten die trotz ihrer Amputation bedingt inder Lage sind ihr soziales Umfeld aufrecht zuerhalten und die alltäglichen Aufgaben desLebens selbständig „meistern“.
Mobi 2: Eingeschränkter Außenbereichsgeher
SURE-FLEX ASSURE
Begründungshilfen – ArgumenteErhaltung der SelbständigkeitErhaltung der LebensqualitätUnterstützung des Lebenspartners (meistens auch
geratrisch)Aufrechterhaltung seines sozialen UmfeldesUm so physiologischer der prothetische Gang ist, desto
energieeffizienter ist erReduzierung des erhöhten Sauerstoffverbrauches durch das
ProthesentragenErhöhte StandsicherheitReduzierung der FolgeerkrankungenReduzierung der Dekubitusgefahr
Mobi 2: Eingeschränkter Außenbereichsgeher
Der Patient besitzt die Fähigkeit oder das Potenzial sich mit einer Prothese, mit mittlerer bis hoher, auch veränderlicher Gehgeschwindigkeit, fortzubewegen und dabei die meisten Umwelthindernisse zu überwinden….
….Gehdauer und Gehstrecke sind, im Vergleich zum Unbehinderten, nur unwesentlich limitiert.
Mobi 3: Uneingeschränkter Außenbereichsgeher
Anwenderprofil
Patienten die ihr Leben annähernd so leben wie nicht amputierte, jedoch eine möglichst große Unterstützung (Hilfe) durch ihre Prothese benötigen um dieses zu verwirklichen und ihre Unabhängigkeit zu erhalten
Mobi 3: Uneingeschränkter Außenbereichsgeher
Begründungshilfen – ArgumenteMöglichst größte Unterstützung (Hilfe) durch die
ProtheseErhaltung der LebensqualitätErhaltung der SelbständigkeitEnergieeffizientes GehenAbsorbtion der hohen Bodenreaktionskräfte auf Grund
der hohen AktivitätReduzierung der DekubitusgefahrBewältigung der täglichen AufgabenReaktionsmöglichkeit auf außergewöhnliche
Ereignisse ohne FolgeschädenErhalt der Arbeitskraft
Mobi 3: Uneingeschränkter Außenbereichsgeher
Mobi 3: Uneingeschränkter Außenbereichsgeher
Mobi 3 mit Sonderfunktionen
ELATIONCETERUS
LP CETERUS
Der Patient besitzt die Fähigkeit oder das Potenzial sich mit einer Prothese, wie der uneingeschränkte Außenbereichsgeher fortzubewegen. Zusätzlich können, auf-grund der hohen Anforderungen, hohe Stoßbelastungen, Spannungen und Verformungen auftreten. Gehdauer und Gehstrecke sind nicht limitiert.
Mobi 4 : Uneingeschränkter Außenbereichsgeher
mit bes. hohen Ansprüchen
Anwenderprofil
Patienten wie Mobi 3, mit jedoch sehr hohen Ansprüchen auf Grund ihres sozialen Umfeldes, ihrer Familie, ihrer Aktivitäten, ihres Berufes
Mobi 4 Uneingeschränkter Außenbereichsgeher
mit bes. hohen Ansprüchen
MODULAR III RE-FLEX VSP
Ermittlung Mobilitätsgrad
Folgende Parameter sind zu beachten:
AllgemeinzustandBegleiterkrankungenGewicht/Alter/BerufHäusliches Umfeld (Alleinlebend, etc.)Motivation, die Prothese zu nutzenMuskelstatus Situation der kontralateralen Seite
Ermittlung Prothesenfähigkeit
Stumpfstellung/KontrakturenNarbenverlaufWeichteildeckungÖdemeEndbelastbarkeit des StumpfesMuskelkraft-GradBewegungsumfängeAmputationshöhe
Aufklären des Patienten
Denkbare Versorgungen dem Patienten vorstellen
Technische Ausführung erklären
Alltag mit der Prothese darstellen
Event. Kontakte zu anderen Betroffenen herstellen
Event. Kontake zu Selbsthilfegruppen herstellen
Abschließende Einstufung in Mob.-Klasse
Möglichst gemeinsam im Team (Arzt – Techniker – Physiotherapeut)
Dokumentation des ermittelten und zu erwartenden Mobilitätsgrades
Darstellung auf der Verordnung/Rezept
Fazit
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Prothese dann auch intensiv durch den Patienten genutzt und endet nicht als „Schrank-Prothese“ mit Rollstuhlversorgung
Ein angenehmer Nebeneffekt ist eine problemlose Bewilligung durch den Kostenträger, da die Versorgung nachvollziehbar ist.
Prothesenvorbereitende Maßnahmen
aus Sicht des Technikers:Frühestmögliche „Stumpf-Formung“ durch Silicon-LinerAlternativ: durch Kompressions-Wickel/Stumpf-
KompressionsstrümpfeKorrekte Lagerung des Stumpfes- z.B. durch Beinauflage beim Rollstuhl für den
Unterschenkel- z.B. durch Gewicht/Sandsack auf dem
Oberschenkelstumpf zur Prävention von Flexions- Fehlstellung
Frühestmögliche Physiotherapie zur Herstellung des muskulären Gleichgewichtes (Protagonisten/Antagonisten)
Vorteile einer frühzeitigen Liner-Versorgung
Gleichmäßige und sichere Kompression des Stumpfes
(kein Verrutschen wie bei Wickel)Prävention von PhantomschmerzenSchnelleres Erreichen der endgültigen
Stumpf-FormPatient erlernt Umgang mit Liner (Motivation)Testen des Materials auf Hautverträglichkeit
ist möglich
Praxis Techniker in Vorbereitungsphase
Mindestens alle drei Tage Volumenkontrolle Ggfls. Liner an Volumenänderung anpassenLiner sollten leihweise zur Verfügung gestellt
werdenEvent. Pflegepersonal durch Techniker in
Wickeltechnik schulen (regelmäßig)
Wichtig
Durch diese vorbereitenden Maßnahmen erhält das gesamte Reha-Team einen authentischen Eindruck von der Motivation und Mitarbeit des Patienten
Informationen für Techniker durch Arzt
Angewandte OP-Technik (Myoplastik, Länge Knochenstumpf, etc.)
Wundsituation (Ulcera, Nervenstümpfe, etc.)Stumpfendbelastung möglich? Ab wann?Bekannte/zu erwartende Problemstellen am Stumpf?Wann ist Entlassung aus KH, bzw. Reha geplant?
Endbelastung ist entscheidend für:Art der VersorgungPrävention von PhantomschmerzenFörderung des venösen RückflussesOptimierung des „Bodengefühles“, bzw. der
Sensivität
Versorgungsmöglichkeiten für Gefäßpatienten (TT-Amputation)
Gestaffelt nach dem Grad der Beeinträchtigung:
Einfache Silikon-Liner mit Distal-Anschluss/PinSilikon-Gel-Liner ohne Pin mit Kniekappe und
Ventil geeignet für Interims-Prothesen
Patienten mit guter Weichteil-Deckung ohne weitere Begleiterkrankungen
Fortsetzung Versorgungsmöglichkeiten
Unterdrucksysteme mit Ausstoß-VentilPU-Liner mit KniekappeSeal-In-System (Sonderform Silicon-Liner) ohne KniekappeHarmony-System mit PU-Liner, konfektioniertHarmony-System mit PU-Liner, nach
Gipsabdruck
Geeignet für Definitiv-Versorgungen Patienten mit problematischen Stümpfen,
diversen Begleiterkrankungen, etc.
Übersicht Liner – Modelle(Vorteile – Nachteile)
Prinzipiell bieten alle Liner: - Tragekomfort (weniger Phantom-Schmerzen, leichtes Anziehen der
Prothese) - Hautschutz (polstern, Volumenkontrolle durch Kompression) - Haftung (mit gleichmäßiger Verteilung der einwirkenden Kräfte) - als Maßanfertigung erhältlich - mit Textilbezug versehen (Langlebigkeit, Anziehhilfe)
Liner ModellübersichtFa. Össur
Original Comfort Dermo Synergy Transfemoral Sport Junior Upper-X
Liner - Typen
Silicon-Liner: (gute Weichteildeckung/MOB 1 – 2)+ günstig+ in allen Ausführungen erhältlich+ optimal für Interims-Versorgung, da
Korrekturen problemlos möglich sind+ leicht zu bedienen+ robust+ dünnwandig - keine Wasseraufnahme
Liner - Typen
Silicon-Gel-Liner: (zweckmod.Schaft/MOB 1 – 2)
+ antibakteriell beschichtet+ hautfreundliches, weiches Silicon+ Geruchsschutz durch Silber-Fäden+ weiche, dicke Distal-Kappe - keine Wasseraufnahme
Liner – Typen
Polyurethan-Liner: (alle Stumpfarten, MOB 1 – 4,
Vollkontakt-Schaft)
+ hydrostatisches Prinzip (=gleichmäßige Druckverteilung)
+ Fließfähigkeit (garantiert exakte Stumpfabformung, dadurch hoher Tragekomfort)
+ Wasseraufnahme (80 % des Eigengewichtes) - grds. Mit Kniekappe zu verwenden, dadurch
Wulstbildung im Beugebereich
Liner - Typen
Seal-In-Liner: (Vollkontakt-Schaft, MOB 1 – 4)
+ keine Kniekappe erforderlich+ große Modellpalette+ leichte Handhabung+ mit Wave-Funktion (noch leichtere Beugung) - Stumpf-Volumen muss stabil sein - nur für Definitiv-Versorgungen - nicht bei kurzen Stümpfen verwendbar
Pflege und Handhabung Liner
Seal-In Seal-In X5 TF Seal-In Dermo Seal-In Stabilo Seal-In
SEAL-IN-LINER ÜBERSICHT
Schaft - Modelle
1) Zweckmodellierter Schaft:
+ optimal für Interimsversorgungen+ Korrekturen jederzeit machbar (Verengen, Entlasten, Fenstern)+ Soft-Socket mit Trägerschaft möglich - Be- und Entlastungszonen, keine gleichmäßige Lastaufnahme - neigt zu pseudarthrotischen Bewegungen
Schaft - Modelle
2) Vollkontakt-Schaft:
+ sehr gute Lastaufnahme+ Endbelastung+ gutes Bodengefühl+ venöser Rückfluß wird verbessert+ Phantombeschwerden sind eingeschränkt - Volumenkorrekturen sind begrenzt möglich - punktuelle Entlastung ist nur begrenzt
möglich
Harmony-System(erhältlich für TT – und TF –Amp.)
+ Stoßdämpfungs-Einheit+ Torsionsmöglichkeit+ permanenter, aktiver Unterdruck durch Pumpe in
Dämpfungseinheit + verbesserte Propriozeption+ Volumenkontrolle – und Anpassung (morgens – abends) - nur bei Definitiv-Versorgungen - vor Bewilligung muss Probe-Versorgung erfolgen - Patient muss vorher andere Systeme getragen
haben
Harmony-System mit Passteilen
Initialer Bodenkontakt
Belastungs-antwort
Mittlere Standphase
Terminale Standphase
Vorschwung- phase
Der physiologische Gang
Perry 1992
Der prothetische Gang
Die Fußfeder des Flex-Foot und die aktive Ferse CarbonX folgen dem Bewegungsablauf im Gangzyklus.
Flex-Foot im Gangzyklus
Ziel:physiologische Funktionen des amputierten Fußes wiederherzustellen
Anforderung an Prothesenfuss
Wichtige Eigenschaften
Warum Stoßdämpfung?Warum tibiale Progression?Warum voller Vorfußhebel?Warum geteilte Vorfußfeder?Warum Rotation?Warum Anpassung an den Untergrund?
1. Warum Stoßdämpfung?
Initialer Bodenkontakt 0 – 3% des SZBelastungsantwort 0-10% des SZ
60% Körpergewicht
0,02 Sekunden
Schutz von Stumpf Gelenken Ligament
Vorbeugung von Rückenschmerzen und -schäden Gelenkverschleiß Weiteren Amputationen
1. Warum Stoßdämpfung?
Abrollen über die Ferse
Abrollen durch das Sprunggelenk
Die tibiale Progression wird vom M. soleus abgebremst und die Energie für das Heben der Ferse verwendet.
Einleitung der Plantarflexion
Die Schienbeinmuskulatur bringt das Schienbein nach vorne und benutzt dabei die Ferse als Drehpunkt
J. Perry
2. Warum tibiale Progression?
4. Warum geteilte Vorfußfeder?
Rotation findet in allen Gelenken während des Schrittzyklus statt!
Fehlt die Rotation oder ist sie beeinträchtig, kann kein natürliches Gangbild erreicht werden.
Je höher der Amputationslevel, desto mehr Rotationsebenen fehlen.
5. Warum Rotation?
Unterscheidung Interims-Prothese/Definitiv-Prothese
Interims-Phase: ca. 3-6 MonateZiele:StumpfformungBelastbarkeit prüfenMobilitäts-Grad definitiv ermitteln (ev.Steigerung)Optimale Paßteile ermitteln (z.B. Liner, Fuss, etc.)Längen/Höhen/Paßform ermittelnAufklärung und Einweisung f.Anwender u.UmfeldDanach: Definitiv-Prothese (alle 5 Jahre) u.
Anspruch auf WFG (Wasserfeste Gehhilfe)
Rehabilitation
Frage: Stationär oder ambulant?Dauerversorgung (besser, weil effektiver)Einbeziehung des Umfeldes (spez. Physio´s)Gangschulung: auf das System der Prothese
abgestimmt
Fortbildung
Anwender: (SHG / Infos alle 6 Monate Wartung)
Techniker: (Stand der Technik, Probeversorgung, Aufklärung Umfeld)
Fallbeispiele (Videos)
Negativ-Beispiel: (Pat. Pouliot), weil zu hoher Anspruch von seiten des Patienten; keine Mitarbeit, geht trotz Passform-Problem bis hin zu offenen Druckstellen
Positiv-Beispiel: (Pat. Feick): OKB m. C-Leg; UKB m. Proprio-Foot -> hochmotiviert u. aufmerksam trotz Doppel-Amputation
Versorgungsbeispiel Hightec-Prothese
RHEOKNEE - Össur C-LEG - Otto Bock
Hinweise zum Schluss
Da dieses Script keinen wissenschaftlichen Vortrag darstellt, sondern auf Praxiserfahrung beruht, wird auf Quellenangaben verzichtet.
Kurze Buchempfehlung:„Amputation und Prothesenversorgung der
unteren Extremität“ von Prof. Rene Baumgartner und OTM Pierre Botta, Enke-Verlag, ISBN 343297501
ORTHOS-Orthopädietechnik
Adresse:Gewerbegebiet Wolf 56841 Traben-Trarbach
Kommunikation:Tel.: 06541/4844Fax: 06541/4849Mobil: 0179/4552261Mail: [email protected]
www.orthos-ot.de
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Einladung zum Abschluss....
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