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Topologiehttp://www.math.tu-berlin.de/Vorlesungen/WS05/Topologie/

— Vorlesungsskript, ohne Garantie —— Ich freue michuber Ruckmeldung, Korrekturen, Verbesserungsvorschlage, etc. —

Prof. Gunter M. ZieglerInstitut fur Mathematik, MA 6-2

TU Berlin, 10623 BerlinTel. 030 314-25730

[email protected]://www.math.tu-berlin.de/∼ziegler

TU Berlin, Wintersemester 2005/2006

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1 Topologische Raume 5

2 Simplizialkomplexe 9

3 Homotopiegruppen 13

4 Homologie 19

5 Euler- und Lefschetz-Zahlen 27

5.1 Abbildungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 27

5.2 Euler-Charakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . 28

5.3 Hopf-Spurformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 30

5.4 Lefschetz-Zahl und -Fixpunktsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . 31

5.5 Der Satz von Borsuk–Ulam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . 32

6 Mannigfaltigkeiten 33

6.1 Klassifikation der 2-dimensionalen Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

6.2 Uberlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 35

6.3 Einige 3-Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . 36

6.4 Mehr Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . 37

6.5 Einige Lie-Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . 38

7 Exakte Sequenzen 39

8 Zellkomplexe 45

9 Kohomologie 49

10 Mannigfaltigkeiten II: Poincar e-Dualitat 53

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Topologie – WS05/06 – TU Berlin – Gunter M. Ziegler

Vorbemerkungen

Die Topologie ist eine wichtige, klassische Disziplin der Mathematik, die sich mit interessanten Objek-ten beschaftigt (die Kleinsche Flasche, Bings Haus, Mannigfaltigkeiten, Linsenraume, Knoten . . . ). IhrStudium en detail ist aufwandig (ein riesiges Gebiet mit vielen subtilen Teil-Theorien und Methoden);hier soll es hingegen

”nur“ um eineUbersicht und Einfuhrung

”fur Anwender“ gehen.

Fur einen sehr theoretischen Teil der Mathematik wie die Topologie mag es merkwurdig klingen, wennvon Anwendungender Rede ist. In der Tat ist aber die Topologie nicht nur eine der theoretischstenund hochentwickeltsten Gebiete der sog.

”Reinen Mathematik“, mit bemerkenswerten Erfolgen und Pro-

blemlosungenin diesem Fach. Sie hat im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts auch

1. Begriffe und Konzepte bereitgestellt, die fur die gesamte Mathematik wichtig sind, etwa den Begriffder

”Kompaktheit“,

2. eine große Vielfalt von wichtigenMethoden und Hilfsmittelnzur Losung mathematischer Problemein anderen Gebieten beigesteuert — etwa eine große Vielfaltvon

”Fixpunktsatzen“, die man zum

Beispiel zum Beweis der Existenz von periodischen Losungen fur Systeme von partiellen Differenti-algleichungen einsetzen kann, und

3. wachst auch langsam die Einsicht, dass topologische Methoden auch direkt fur Anwendungen außer-halb der Mathematikanwendbarsein konnen — ich verweise etwa auf den neuen Band

”Topology

for Computing“ [Zam05].

Dies ist also eine Grundlagen-Vorlesung – primar fur Mathematiker – die sich an alle richtet, die wohlnicht in Topologie diplomieren wollen, aber topologische Begriffe, Resultate, Methoden und Konzepteverstehen wollen und eventuell als

”Handwerkszeug“ brauchen werden.

Dementsprechend werden in der Vorlesung Grundlagen der (mengentheoretischen) Topologie wie auchwesentliche Punkte der Algebraischen Topologie dargestellt. Das soll prazise und konkret genug gesche-hen, um ein sicheres Formulieren von topologischen Fakten zu ermoglichen, um solche sicher anwendenzu konnen. Ich will aber auch die Beweisideen vermitteln, aus denen man lernt, warum das alles funk-tioniert – aber ohne Durchfuhrung der komplizierteren/langeren Beweise, die jeder Hauptfach-Topologenaturlich irgendwann durcharbeiten sollte.

Einteilung (der Topologie, wie auch der Vorlesung):

– Die mengentheoretische Topologieliefert wichtige Definitionen, Begriffe und Grundlagen. Als Stu-diengebiet war sie jahrzehntelang ein wichtiges Forschungsgebiet, inzwischen sind

”die Grundlagen

geklart“. Wir werden uns nur kurz damit aufhalten, aber in diesemBereich zentrale Konzepte wieStetigkeit, Kompaktheit, Trennungsaxiome usw. kennenlernen.

– Die niedrigdimensionale Topologiebefasst sich mit der Topologie von Flachen ( =2-dimensionaleMannigfaltigkeiten) und mit den Analoga der Dimension3 und4, sowie damit zusammenhangendenFragen (z. B. Knotentheorie). Das ist brennend aktuell, unter anderem wegen der aktuellen Fortschrittevon G. Perelmann (St. Petersburg) in Bezug auf die Poincare-Vermutung und Thurstons Geometrisie-rungsvermutung (d = 3). Wir wollen hier nicht sehr tief eindringen, aber zumindest Ubersicht geben,die grundlegenden Begriffe (Mannigfaltigkeiten!) verstehen, die Hauptresultate fur Dimension2 be-schreiben und fur d = 3, 4 die wesentlichen Ergebnisse und Fragen formulieren.

– Die algebraische Topologieliefert algebraische Hilfsmittel und Kriterien fur die Unterscheidung vonRaumen, die (Nicht-)Existenz von Abbildungen etc. Diese Hilfsmittel sind allemal wichtig auch furdie niedrig-dimensionale Topologie, aber auch weituber die Topologie heraus. Man unterscheidet alsTeilgebiete dabei unter anderenHomotopietheorie(Fundamentalgruppe!),Homologietheorie(die sog.

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Homologiegruppen),Differentialtopologie(die insbesondere den Fall von glatten Mannigfaltigkeitenbehandelt).

Dieses Skript zur Vorlesung ist absichtlich sehr knapp gehalten. Es soll eine verlassliche Grundlagebilden, die einem ggf. das Mitschreiben der gesamten Vorlesung erspart — aber nicht die Vorlesungselbst. Fur detailliertere Motivation, Erklarungen, Illustrationen verweise ich erstens auf Vorlesung undUbungen, zweitens aber auch auf die angegebene Literatur: Schauen Sie doch mal auf jeden Fall in dieBucher von Janich [Jan80] und Ossa [Oss92] (auf deutsch) sowie von Stillwell [Sti93] und Munkres[Mun00, Mun84] rein!

Ansonsten — fragen Sie mich, sprechen Sie mit mir! Melden Siesich zum Beispiel auch, wenn Dinge(im Skript) unklar sind, unprazise wirken, oder nicht plausibel klingen. Ich bin auch an Tipp-, Druck-und Denkfehlern interessiert und arbeite entsprechend in die Online-Version des Skipts kontinuierlichKorrekturen ein.

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Topologie – WS05/06 – TU Berlin – Gunter M. Ziegler

1 Topologische Raume

In diesem Abschnitt versammeln wir grundlegende Definitionen, Begriffe und Konzepte sowie wich-tige Resultate der sog.mengentheoretischen Topologie. Meine wichtigsten Quelle sind dabei Munkres[Mun00] und Janich [Jan80]. Genauigkeit im Umgang mit solchen Grundlagen ist auch deshalb notig,weil wir es in der Topologie nicht nur mit

”schonen, anschaulichen“ topologischen Raumen zu tun be-

kommen, sondern unausweichlich etwa mit”unendlichdimensionalen“ Objekten wie Funktionenraumen;

und wir mussen uns eben auch absichern gegen die Pathologien der mengentheoretischen Topologie (sie-he etwa [SS70]).

Definition 1.1 (Topologischer Raum, offene Mengen). Ein topologischer Raumist ein Paar(X,O),bestehend aus einer MengeX und einer FamilieO ⊆ 2X von Teilmengen, die dieoffenen Mengendestopologischen Raums heißen, und deren Komplemente dieabgeschlossenen Mengendes Raums heißen,so dass

(T1) ∅, X ∈ O: die leere Menge und die Grundmenge sind offene Mengen(T2) jede Vereinigung von offenen Mengen ist offen,(T3) jede Schnittmenge von endlich vielen offenen Mengen ist offen.

Es folgt: endliche Vereinigungen, und beliebige Schnittmengen, von abgeschlossenen Mengen sind ab-geschlossen. Ein Durchschnitt von beliebig vielen offenenMengen, und eine Vereinigung von beliebigvielen abgeschlossenen Mengen, sind im Allgemeinen nicht offen bzw. abgeschlossen.

Konvention:O wird nicht explizit genannt, der topologische Raum wird mitX bezeichnet.

Definition 1.2 (Umgebung, Basis). Eine offene TeilmengeU ⊆ X, diex enthalt, heißt(offene) Umge-bungvon x. Die offenen Umgebungen bestimmen die Topologie (das heißt, die FamilieO der offenenMengen): eine Menge ist offen, wenn sie zu jedem ihrer Punkteeine Umgebung enthalt.

Eine UmgebungsbasisUx fur x ∈ X ist eine Menge von offenen Umgebungen so dass jede offeneUmgebung vonx eine Umgebung ausU enthalt. Eine Menge von offenen MengenB heißtBasisderTopologie, wenn sie zu jedem Punkt eine Umgebungsbasis enthalt.

Jede BasisB bestimmt eindeutig die Topologie:O ist die Menge aller Vereinigungen von Mengen ausB.(Dabei wird∅ als Vereinigung einer “leeren Menge von offenen Teilmengen” interpretiert.)

Beispiele.

1. DerRn ist ein topologischer Raum, mit der TopologieO := {U ⊆ Rn : fur jedesx ∈ U enthalt U eineε-UmgebungBε(x) vonx}

2. IstX eine Menge, so ist(X, 2X) ein topologischer Raum.2X heißt diediskrete TopologieaufX.3. Ist(X, d) ein metrischer Raum, so ist

Od :={U ⊆ X : fur jedesx ∈ U gibt es einε > 0 mit {x ∈ X : d(x, y) < ε} ⊆ U

}

eine Topologie; dieε-UmgebungenUε(x) := {x ∈ X : d(x, y) < ε}, fur x ∈ X undε > 0, bildeneine Basis.

4. Eine interessante Topologie aufZ erhalt man mitP := {A ⊆ Z : fur jedesx ∈ A enthalt A eine arithmetische Folgea + Zb, fur einb 6= 0}.

In dieser Topologie ist jede nicht-leere offene Menge unendlich. Jede Folgea + Zb ist aber auchabgeschlossen. Folgt daraus, dassZ\{−1, 1} =

⋃p∈P(0 + pZ) abgeschlossen ist?

Beispiel(p-adische Zahlen). Fur jede Primzahl definiert die Festlegung|a|p = p−ν fur a = bcp

ν mit(p, bc) = 1, und|0|p = 0 eine Norm auf den rationalen Zahlen, diep-adische Norm. Dies definiert eine

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Metrik und damit eine Topologie aufQ, in der Zahlen nah beeinander liegen, wenn sie sich”nur um hohe

Potenzen vonp unterscheiden“. Siehe Ebbinghaus et al. [EHH+92, Kap. 6].

Ubungsaufgabe.Eine MengeB ⊆ 2X von Teilmengen vonX ist Basis einer Topologie wenn gilt:

(1) jedesx ∈ X liegt in einer MengeB ∈ B, und(2) wennx im Schnitt zweierB′, B′′ ∈ B liegt, so gibt es einB ∈ B mit x ∈ B ⊆ B′ ∩B′′.

Ubungsaufgabe.Die ubliche Euklidische Metrik, dieℓ1-Metrik, die Taximetrikℓ∞, und die allgemeine-renℓp-Metriken bestimmen alle dieselbe, die “ubliche” Topologie auf demRn.

Definition 1.3 (Quadertopologie/Produkttopologie). Auf einem ProduktX :=∏

i∈I Xi von topologi-schen Raumen bilden

• die Produkte∏

i∈I Ui von offenen TeilmengenUi ⊆ Xi die Basis derQuadertopologieaufX, und• die Produkte

∏i∈I Ui von offenen TeilmengenUi ⊆ Xi, wobeiUi ⊂ Xi nur endlich oft gelten darf,

die Basis derProdukttopologieaufX.

Ist I endlich, so stimmen Quadertopologie und Produkttopologieuberein. Insbesondere ist dieublicheTopologie aufRn auch die Produkttopologie auf

∏i∈{1,...,n} R = Rn.

Definition 1.4 (Unterraum). Ist Y ⊆ X eine Teilmenge fur einen topologischen Raum(X,O), so wirddadurchY zu einemUnterraum, mit der induziertenTopologie, deren offene Mengen alsU ∩ Y furU ∈ O gegeben sind.

Beispiele.Die”ubliche“ Topologie aufRn induziert Topologien auf allen Teilmengen. Insbesondere

sind damit Topologien definiert auf demn-dimensionalen BallBn := {x ∈ Rn : ‖x‖ ≤ 1}, denEinheitswurfel In fur I := [0, 1], derEinheitssphareSn−1 := {x ∈ Rn : ‖x‖ = 1}, etc.

Definition 1.5 (Stetige Abbildung, Homoomorphismus, Einbettung). Eine Abbildungf : X → Y zwi-schen topologischen Raumen iststetigwenn das Urbildf−1(U) jeder offenen MengeU ⊆ Y offen (inX) ist.

Eine Bijektionf : X → Y heißtHomoomorphismuswennf undf−1 beide stetig sind.X undY heißendannhomoomorph; wir notieren dies mitX ∼= Y .

EineEinbettungist eine injektive stetige Abbildungf : X → Y , die einen Homoomorphismus zwischenX und dem Unterraumf(X) ⊆ Y ergibt.

Ubungsaufgabe.Zeige, dass die Teilmenge{x ∈ Rn : x1 = 0} ⊂ Rn (mit der induzierten Topologie)homoomorph ist zuRn−1 (mit der Produkttopologie).

Zeige, dass der offene Einheitsball{x ∈ Rn : ‖x‖ < 1} ⊂ Rn (mit der induzierten Topologie)homoomorph ist zuRn (mit derublichen Topologie).

Ubungsaufgabe.Man zeige: Die Produkttopologie ist die”grobste“ Topologie auf der Produktmenge∏

i Xi (also die Topologie mit der minimalen Familie offener Mengen), fur die die Projektionenπj :∏i Xi → Xj stetig sind.

UnterAbbildungenverstehen wir im Folgenden immerstetigeAbbildungen, wenn nicht explizit etwasGegenteiliges gesagt wird.

Es ist nicht a priori klar, wie man die”Dimension“ eines (gutartigen) topologischen Raums definieren

sollte. Zu zeigen ist dann, dassRm undRn fur m > n nicht homoomorph sind, und es dann auch keineEinbettungRm → Rn gibt. Dies ist nicht einfach; zu diesem Zwecke ist im Rahmen der mengentheore-tischen Topologie umfangreiche

”Dimensionstheorie“ entwickelt worden (siehe etwa Menger [Men28]).

Die”Invarianz der Dimension“ (zuerst 1911 von Luitzen Brouwer1 [Bro11] bewiesen) zeigt man am

besten mit Hilfsmitteln derHomologietheorie, insbesondere mit Hilfe lokaler Homologiegruppen.1Luitzen Egbertus Jan Brouwer, 1881–1966, Topologe,

”Intuitionist“,

http://www-groups.dcs.st-and.ac.uk/∼history/Mathematicians/Brouwer.html

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Beispiel([Mun00,§44]). Die Peano-Kurveist eine stetige, surjektive AbbildungP : [0, 1]→ [0, 1]2.

Definition 1.6 (Zusammenhangend/wegzusammenhangend). Ein topologischer RaumX istzusammenhangendwenn er nicht als disjunkte VereinigungX = A′∪A′′ von zwei nicht-leeren abgeschlossenen Teilmengengeschrieben werden kann.

Er ist wegzusammenhangend, wenn es fur jedex′, x′′ ∈ X eine stetige Abbildungf : [0, 1] → X gibtmit f(0) = x′ undf(1) = x′′, einenWeg vonx′ nachx′′.

Lemma 1.7. Jeder wegzusammenhangende Raum ist zusammenhangend.

Beispiele.Die RaumeRn, die Balle Bn := {x ∈ Rn : ‖x‖ ≤ 1}, die Einheitswurfel In fur I := [0, 1]sind wegzusammenhangend fur n ≥ 0.

Die EinheitssphareSn−1 := {x ∈ Rn : ‖x‖ = 1} ist wegzusammenhangend fur n > 1. Aber: S0 istunzusammenhangend (zwei Punkte);S−1 = ∅ ist zusammenhangend.

Ubungsaufgabe.Jeder wegzusammenhangende Raum ist zusammenhangend.

Beispiel. Die “topologist’s sine curve”S := {(x, sin( 1x)) : x > 0} ∪ {(0, y) : −1 ≤ y ≤ 1} ⊂ R2 ist

zusammenhangend, aber nicht wegzusammenhangend.

Definition 1.8 (Trennungsaxiome [Mun00, Chap. 4]). Ein topologischer RaumX heißt

(T1) T1-Raumwenn jeder Punkt abgeschlossen ist, d. h. wenn es zux′, x′′ ∈ X, x′ 6= x′′ eine offeneMengeU ′′ gibt mit x′ /∈ U ′′ undx′′ ∈ U ′′;

(T2) T2-Raum, oderhausdorffsch2, wenn es zux′, x′′ ∈ X, x′ 6= x′′ disjunkte offeneU ′, U ′′ gibt mitx′ ∈ U ′ undx′′ ∈ U ′′;

(T3) T3-Raum, oderregular, wenn jeder Punkt abgeschlossen ist (T1) und es zu jedem abgeschlossenenA′′ ⊆ X undx′ /∈ A′′, disjunkte offeneU ′, U ′′ gibt mit x′ ∈ U ′ undA′′ ⊆ U ′′;

(T4) T4-Raum, odernormal, wenn jeder Punkt abgeschlossen ist (T1) und es zu disjunkten abgeschlos-senen MengenA′, A′′ ⊆ X disjunkte offeneU ′, U ′′ gibt mit A′ ⊆ U ′ undA′′ ⊆ U ′′.

Offenbar gilt

”normal (T4) =⇒ regular (T3) =⇒ hausdorffsch (T2) =⇒ T1“.

Beispiel. Die “reelle Gerade mit verdoppeltem Nullpunkt” erfullt (T1), ist aber nicht hausdorffsch.

Satz 1.9(Urysohn-Lemma3 [Mun00, Thm. 33.1]). WennX normal ist undA, B ⊂ X disjunkte ab-geschlossene Teilmengen sind, dann kann man zwischenA undB stetig interpolieren, d. h. es gibt einestetige Abbildungf : X → [0, 1] mit f(a) = 0 undf(b) = 1 fur alle a ∈ A, b ∈ B.

Satz 1.10(Urysohns Metrisierungssatz [Mun00, Thm. 34.1]). Jeder regulare topologische Raum miteiner abzahlbaren Basis ist metrisierbar, d. h. es gibt dann eine Metrik d auf X, die die vorgegebeneTopologie erzeugt.

Definition 1.11(Kompaktheit). Ein topologischer RaumX heißtkompakt, wenn jedeUberdeckung vonX durch offene Mengen eine endliche Teiluberdeckung hat.

Eine TeilmengeC ⊆ X ist kompakt, wenn jedeUberdeckung durch offene Teilmengen vonX eineendliche Teiluberdeckung hat;aquivalent dazu: der topologische RaumC (mit der induzierten Topologieals Unterraum betrachtet) ist kompakt.

2Felix Hausdorff, 1868–1942, Topologe und Lyriker, von den Nazis in den Selbstmord getrieben,http://www-groups.dcs.st-and.ac.uk/∼history/Mathematicians/Hausdorff.html

3Pavel Samuilovich Urysohn, 1898–1924, russischer Topologe, mit 26 beim Schwimmen in Frankreich ertrunken,http://www-groups.dcs.st-and.ac.uk/∼history/Mathematicians/Urysohn.html

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Proposition 1.12(Uber Kompaktheit).

1. Jede abgeschlossene Teilmenge einer kompakten Menge (d. h., jeder abgeschlossene Teilraum eineskompakten Raums) ist kompakt.

2. Jede kompakte Teilmenge eines hausdorffschen Raums ist abgeschlossen.3. Jedes Bild einer kompakten Menge unter einer stetigen Abbildung ist kompakt.4. Eine stetige Funktionf : X → R nimmt auf jeder nicht-leeren kompakten TeilmengeC ⊆ X

Maximum und Minimum an.5. Eine TeilmengeA ⊆ Rn ist genau dann kompakt, wenn sie beschrankt und abgeschlossen ist.

Satz 1.13([Mun00, Thm. 26.6]). WennX kompakt undY hausdorffsch ist, dann ist jede bijektive stetigeAbbildungf : X → Y ein Homoomorphismus.

Satz 1.14(Satz von Tychonoff4 [Mun00, Thm. 37.3]). Jedes Produkt von kompakten Raumen (mitProdukt-Topologie) ist kompakt.

Beispiel. Damit ist[0, 1]N ein kompakter topologischer Raum.

Ubungsaufgabe.Der Einheitsball inℓ2(N) ist nicht kompakt.

Ubungsaufgabe.Das Produkt[0, 1] × [0, 12 ] × [0, 1

3 ] × · · · mit derProdukttopologieist kompakt, nachdem Satz von Tychonoff. Dieselbe Menge ist auch ein Unterraum des Raumsℓ2(N) = {(x1, x2, . . .) :∑

i≥1 x2i <∞ der quadratsummierbaren Folgen, auf dem die Topologie durch dieℓ2-Metrik definiert ist

— und dieser Unterraum ist auch kompakt. Ist das derselbe topologische Raum?

Definition 1.15(Kompakt-offene Topologie, fur Funktionenraume). SeienX undY topologische Raume.Dann macht man die MengeC(X, Y ) aller stetigen Abbildungen mit derkompakt-offenen Topologiezueinem topologischen Raum: ihre offenen Mengen sind die Vereinigungen von endlichen Schnitten derMengen vom Typ

S(C, U) := {f ∈ C(X, Y ) : f(C) ⊆ U}

fur kompakteC ⊆ X und offeneU ⊆ Y .

Die MengenC(X, Y ) bilden eine”Subbasis“ der Topologie.

Beispiel. WennX = {x} ein Punkt ist, dann istC(X, Y ) homoomorph zuY .

Ubungsaufgabe.Sei X ein topologischer Raum,I eine Menge. Dann ist die Produkttopologie auf∏i∈I X (wobei alle Faktoren gleichX sind) genau die kompakt-offene Topologie auf dem RaumXI

aller stetigen Abbildungenf : I → X, wenn manI mit der diskreten Topologie ausstattet.

4Andrei Nikolaevich Tikhonov, 1906–1993, russischer Topologe, bewies dies als Zwanzigjahriger,http://www-groups.dcs.st-and.ac.uk/∼history/Mathematicians/Tikhonov.html

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2 Simplizialkomplexe

Manche topologische Raume (und viele interessante) kann man”triangulieren“ – und damit hat man

dann ein einfaches, kombinatorisches Modell fur den Raum, einen”Simplizialkomplex“. Meine Skizze

basiert auf Munkres [Mun84] und Matousek [Mat03], wobei ich in Notation und Terminologie eher[Mat03] folge.

Definition 2.1. Ist F = {v0, v1, . . . , vk} ⊂ Rn eine Menge vonk + 1 affin unabhangige Punkten, so ist

σ = conv{v0, . . . , vk} = {λ0v0 + · · ·+ λkvk ∈ Rn : λi ≥ 0,∑k

i=0λi = 1}

ein k-dimensionaler Simplexoder kurzk-Simplex. Die Simplexeτ = conv(G) fur G ⊆ F heißen dieSeitenflachenbzw. Seitenvon σ. (Damit sindσ und∅ Seiten vonσ. Alle anderen Seiten vonσ heißendannnicht-trivial.)

Je zweik-dimensionale Simplexe sind affin isomorph, also insbesondere homoomorph (bezuglich dervom jeweiligenRn induzierten Unterraumtopologie). Eink-dimensionaler Simplex ist fur k = 0 einPunkt (

”Ecke“), fur k = 1 eine Strecke (

”Kante“), fur k = 2 ein Dreieck (

”2-Seite“), fur k = 3 ein

Tetraeder, usw. Wir schreibenV (σ) fur die Menge der Ecken vonσ. Achtung: jederk-dimensionaleSimplex hatk + 1 Ecken. Er ist homomomorph zuBk. Man fasst oft die leere Menge als Simplex derDimension−1 auf (mit0 Ecken).

Definition 2.2. Ein (geometrischer) Simplizialkomplex∆ ist eine Menge von Simplexen imRN (fur einN ≥ 0) die folgende Eigenschaften erfullt:

(K1) ∅ ∈ ∆(K2) Fur σ ∈ ∆ liegen auch alle Seitenτ ⊂ σ in ∆(K3) Fur σ, σ′ ∈ ∆ ist σ ∩ σ′ eine Seitenflache vonσ und vonσ′.

Die EckenmengeV (∆) von∆ ist die Menge allerv ∈ RN so dass{v} eine Ecke von∆ ist.

Die Dimensionvon∆, notiertdim∆, ist die maximale Dimension eines Simplexes in∆.

Ein Unterkomplexist eine nicht-leere Teilmenge von∆ die wieder ein Komplex ist, also (K2) erfullt.Dask-Skelettvon ∆ ist der Unterkomplex∆(k), der aus allen Simplexen der Dimension hochstenskbesteht.

Beispiele.Ist σ ein Simplex, so ist die Menge aller Seiten vonσ ein Komplex (den wirublicherweisewieder mitσ bezeichnen).

Die Menge aller echten Seitenflachenconv(G), G ⊂ F , von σ = conv(F ) heißt derRand∂σ von σ.Der Rand einesk-Simplex ist fur k = 0 leer, fur k = 1 besteht er aus zwei Punkten, fur k = 2 ist er einDreiecksrand, etc. Er ist homoomorph zuSk−1.

Definition 2.3. Ist ∆ ein Simplizialkomplex inRn, so ist dasPolyedervon ∆ der topologische Raum‖∆‖, der auf der Grundmenge

⋃∆ (demTragervon∆) durch die folgende Topologie gegeben ist: eine

TeilmengeA ⊆⋃

∆ ist abgeschlossen bzw. offen genau dann, wennA ∩ σ fur jeden Simplexσ ∈ ∆abgeschlossen bzw. offen ist.

Wenn∆ endlich ist, dann ist die Topologie auf‖∆‖ die vonRn auf⋃

∆ induzierte Unterraumtopologie.

Beispiel. ∆ := {∅, {0}} ∪ {{ 1n} : n ∈ N} ist ein0-dimensionaler Simplizialkomplex, und hat damit

die diskrete Topologie. Dagegen ist in der Unterraumtopologie auf⋃

∆ ⊂ R die Teilmenge(⋃

∆)\{0}nicht abgeschlossen.

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Bemerkung2.4. Die Topologie auf‖∆‖ kann alsQuotiententopologiebzgl. der surjektiven Abbildung∑σ∈∆ σ →

⋃σ∈∆ σ = ‖∆‖ von der Summe (disjunkten Vereinigung) beschrieben werden: als die

”feinste“ Topologie auf‖∆‖, bezuglich der die Abbildungπ stetig ist. (Siehe [Mun84,§20].)

Wenn wir im Folgenden von topologischen Eigenschaften (wiehausdorffsch, kompakt, zusammenhan-gend) eines Komplexes reden, dann ist immer das Polyeder desKomplexes gemeint.

Lemma 2.5. Jeder Simplizialkomplex ist hausdorffsch(T2).

Ein Simplizialkomplex ist dann und nur dann kompakt, wenn erendlich ist (d. h., aus endlich vielenSimplexen besteht).

Ein Simplizialkomplex ist genau dann zusammenhangend, wenn er wegzusammenhangend ist.

Definition 2.6. Ein topologischer RaumX heißttriangulierbar, wenn er zu einem Simplizialkomplex∆ homoomorph ist,X ∼= ‖∆‖.

Beispiele.Die BalleBn sind triangulierbar (durch den Komplex einesn-dimensionalen Simplexes).

Die SpharenSn−1 sind triangulierbar (durch den Randkomplex einesn-Simplexes).

Beispiel.Die Standard-TriangulierungdesRn hat EckenmengeZn und die Mengen{v0, . . . , vk} ⊂ Zn

als Simplexe, fur die alle Komponenten vonvj − vi (fur j > i) entweder0 oder1 sind.

Beispiele.Die”reelle Gerade mit verdoppeltem Nullpunkt“ ist nicht triangulierbar (weil sie nicht haus-

dorffsch ist).

Die MengeQ der rationalen Zahlen ist (mit derublichen Topologie) nicht triangulierbar (weil sie abzahl-bar ist, musste der zugehorige Komplex0-dimensional sein, hat dann aber die diskrete Topologie).

Beispiele(Schonflies-Theorem/Alexanders gehornte Sphare). Wennf : S1 → R2 eine Einbettung ist,dann gibt es eine Triangulierung vonR2, in derf(S1) das Bild eines Unterkomplexes ist.

Wennf : S2 → R3 eine Einbettung ist, dann gibt es nicht unbedingt eine Triangulierung vonR3, in derf(S2) das Bild eines Unterkomplexes ist.

Definition 2.7 (Simpliziale Abbildungen). Eine simpliziale Abbildungf : ∆ → ∆′ ist eine Funktionf : V (∆)→ V (∆′) mit der Eigenschaft, dass fur jeden Simplexσ ∈ ∆ das Bild der EckenmengeV (σ)die Eckenmenge eines Simplexes in∆′ ist, der dann mitf(σ) notiert wird.

Fur σ ∈ ∆ undf : ∆→ ∆′ gilt automatisch immerdim f(σ) ≤ dimσ.

Lemma 2.8. Jede simpliziale Abbildungf : ∆ → ∆′ induziert eine stetige Abbildung‖f‖ : ‖∆‖ →‖∆′‖ der zugehorigen Polyeder, durch

”lineare Fortsetzung auf die Simplexe“:

‖f‖ : λ0v0 + · · ·+ λkv

k 7−→ λ0f(v0) + · · ·+ λkf(vk).

Definition 2.9 (Abstrakter Simplizialkomplex). Ein abstrakter SimplizialkomplexK ist ein nicht-leeresSystemK ⊆ 2V von endlichen Teilmengen einer MengeV , das unter Teilmengenbildung abgeschlossenist, d. h., so dass mit jeder MengeS ∈ K auch jede Teilmenge vonS in K liegt.

Die VereinigungsmengeV (K) :=⋃

K ist die Eckenmengevon K. Die MengenS ∈ K heißen dieSeitenvonK. IhreDimensionist durchdim(S) := |S| − 1 gegeben.

Definition 2.10 (Simpliziale Abbildungen; isomorph). Eine simpliziale Abbildungf : K → K ′ zwi-schen SimplizialkomplexenK und K ′ ist eine Funktionf : V (K) → V (K ′), die Seiten vonK aufSeiten vonK ′ abbildet, d. h., so dassf(S) ∈ K ′ fur alleS ∈ K gilt.

Eine simpliziale Abbildungf : K → K ′ ist ein Isomorphismuswennf : V (K) → V (K ′) bijektiv istund eine Bijektion zwischen den Seiten vonK und vonK ′ induziert, d. h., wennK ′ = {f(S) : S ∈ K}.

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Definition 2.11. Fur jeden geometrischen Simplizialkomplex∆ ist die MengeK∆ := {V (σ) : σ ∈ ∆}der Eckenmengen der Simplexe in∆ ein abstrakter Simplizialkomplex, dasEckenschemavon∆.

Wenn ein abstrakter SimplizialkomplexK zu einem KomplexK∆ isomorph ist, dann heißt∆ eineRealisierungvonK.

Lemma 2.12. Wenn∆, ∆′ zwei Realisierungen von isomorphen KomplexenK, K ′ sind, dann sind‖∆‖und‖∆′‖ homoomorph.

Ubungsaufgabe.Jedes endliche Mengensystem definiert einen Simplizialkomplex, wenn man es um alleTeilmengen erweitert. So ist etwa

∆ := {{1, 2, 3}, {1, 4}, {2, 4}, {4, 5}, und alle Teilmengen davon

ein Simplizialkomplex. Man zeichne eine Realisierung!

Beispiele. In der kombinatorischen Optimierung studiert man abstrakte Simplizialkomplexe, die Gra-phen zugeordnet werden, darunter derUnabhangigkeitskomplexI(G) ⊆ 2V und denMatchingkomplexM(G) ⊆ 2E eines endlichen GraphenG(V, E).

DenSchachbrettkomplex∆m,n kann man als den Matchingkomplex eines vollstandigen bipartiten Gra-phen definieren,∆m,n := M(Km,n).

Beispiele.Man kann topologische Raume definieren/konstruieren, indem man kombinatorisch eine Tri-angulierung angibt. So beschreiben wir Triangulierungen von Kreisband (Zylinder), Mobiusband, Torusund der Kleinschen Flasche durch

”Identifikationen am Rand“ eines triangulierten Rechtecks.

Proposition 2.13. Fur jeden abstrakten SimplizialkomplexK erhalt man eine kanonische Realisierungwie folgt: SeiV = V (K) die Eckenmenge vonK, und seiFc(V, R) derR-Vektorraum aller Funktionenf : V → R mit endlichem Trager. SeiFc[K] ⊂ F die Teilmenge derjenigen Funktionenf ∈ F(V, R),fur die

1. der Trager{v ∈ V : f(v) 6= 0} ein Simplex ausK ist,2. alle Funktionswertef(v) nicht-negativ sind, und3. die Summe aller Funktionswerte gleich1 ist.

Dann istF [K] das Polyeder eines Simplizialkomplexes, derK realisiert.

Ubungsaufgabe.Fur eine simpliziale Abbildungf : ∆ → ∆′ von geometrischen Simplizialkomplexenist ‖f‖ genau dann ein Homoomorphismus, wenn die zugehorige simpliziale Abbildung von abstraktenSimplizialkomplexenK∆ → K∆′ ein Isomorphismus ist.

Jeder Simplizialkomplex aufn <∞ Ecken ist ein Unterkomplex eines(n− 1)-dimensionalen Simplex,kann also imRn−1 realisiert werden.

Ubungsaufgabe.Jeder endliche Simplizialkomplex der Dimensionk < ∞ kann geometrisch imR2k+1

realisiert werden.

Die”Toblerone-Triangulierung“ des Torus mit9 Ecken, und die Triangulierung mit7 Ecken (der Csasar-

Torus — siehe [Lut02]) sind imR3 realisierbar. Es ist aber nicht klar, ob jeder triangulierte Torus imR3 geradlinig dargestellt werden kann — das ist ein altes Problem, das auf Grunbaum [Gru03, p. 253]zuruckgeht. Realisierungen von Flachen imR3 sind ein aktuelles Forschungsthema — siehe die For-schergruppePolyedrische Flachenan der TU Berlin,

http://www.math.tu-berlin.de/geometrie/ps/.

Satz 2.14(Satz von Steinitz 1922 [Zie95, Lect. 3]). Jede Triangulierung vonS2 kann imR3 realisiertwerden (sogar als Randkomplex eines simplizialen konvexenPolytops).

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Page 12: Topologie 009(de)(59s)

Definition 2.15(Mannigfaltigkeit). Einen-dimensionale Mannigfaltigkeitist ein nicht-leerer hausdorff-scher RaumM in dem jeder Punktx ∈M eine Umgebung hat, die zuRn homoomorph ist.

Eine kompakte Mannigfaltigkeit (ohne Rand, wie hier definiert) heißt auchgeschlossen.

Beispiele.Genannt seien hier:1-dimensionale Mannigfaltigkeiten; die2-Sphare mitg ≥ 0 Henkeln; dieSpharenSn−1, die projektive RaumenRPn−1; der n-dimensionale TorusTn := (S1)n, die GruppenSO(n), SO(n), U(n), SU(n), sowie als nicht-kompakte BeispieleRn, SL(n), GL(n), . . .

Satz 2.16(Rado 1924/Moise 1952 [Moi77]). Alle kompakten Mannigfaltigkeiten der Dimensionn ≤ 3sind triangulierbar.

Durch Kombination von Resultaten von Casson und von Freedman (siehe [AM90, S. xvi]) erhalt manBeispiele von4-Mannigfaltigkeiten die nicht triangulierbar sind. Ob es auch Mannigfaltigkeiten der Di-mensionn > 4 gibt, die nicht triangulierbar sind, ist aber noch nicht geklart.

Minimale Triangulierungen von Mannigfaltigkeiten sind ein aktuelles Forschungsthema – siehe etwaBjorner & Lutz [BL00]. So ist etwa nicht geklart, vieviele Ecken eine Triangulierung vonSm × Sn

wirklich haben muss.

Beispiele.Die reelle projektive EbeneRP2 hat eine Triangulierung mit6 Ecken (aus dem Ikosaeder kon-struiert). Allgemeiner erhalt man aus jedem zentralsymmetrischen simplizialen Polytop der Dimensionn,in dem gegenuberliegende Ecken keine gemeinsamen Nachbarn haben, eineTriangulierung vonRPn−1,zusammen mit einer simplizialen AbbildungSn−1 → RPn−1.

Definition 2.17. Semialgebraische Mengensind die Teilmengen desRn, die man als Losungsmengenvon polynomialen Gleichungen und (strikten oder nicht strikten) polynomialen Ungleichungen erhalt.

Satz 2.18(Referenz?). Jede semialgebraische Menge ist triangulierbar.

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Topologie – WS05/06 – TU Berlin – Gunter M. Ziegler

3 Homotopiegruppen

Die Homotopiegruppen eines topologischen Raums sindalgebraischeInvarianten, mit denen man imPrinzip Raume unterscheiden kann, die nicht nur nicht homoomorph, sondern nicht einmal homotopie-aquivalent sind. Obwohl sie im allgemeinen (etwa fur Komplexe) notorisch schwer zu berechnen sind,sind sie dennoch fundamental . . . Wir beginnen mit dem Konzept der

”Homotopie“.

Definition 3.1. SeienX, Y topologische Raume. Zwei stetige Abbildungenf, g : X → Y sindhomotop,notiertf ∼ g, wenn die eine in die andere deformiert werden kann, d. h., wenn es eine stetige AbbildungH : X × I → Y gibt (eineHomotopie), die zwischenf und g interpoliert, mitH(x, 0) = f(x) undH(x, 1) = g(x) fur allex ∈ X.

Lemma 3.2. Homotopie definiert eineAquivalenzrelation auf der Menge der (stetigen) AbbildungenvonX nachY . Die Menge der Homotopieklassen wird mit[X, Y ] bezeichnet.

Beispiel. Die Homotopieklassen in[{x}, Y ] entsprechen den Wegzusammenhangskomponenten vonY .

Definition 3.3. Zwei topologische RaumeX, Y sind dannhomotopieaquivalent, notiertX ≃ Y , wennes stetige Abbildungenf : X → Y undg : Y → X gibt, so dassg ◦ f zur Identitat idX : X → X aufX homotop ist, undf ◦ g zu idY homotop ist, so dass alsof ◦ g ∼ idX undg ◦ f ∼ idY gilt.

Beispiele.Rn ≃ Bn ≃ {0}; Rn\{0} ≃ Sn−1.

In dieser Definition mussenf und g weder injektiv noch surjektiv sein. Homotopieaquivalenz ist eineAquivalenzrelation (wie der Name sagt). DieAquivalenzklassen dazu heißenHomotopietypen.

Definition 3.4. Ein topologischer RaumX ist kontrahierbar, wenn er den Homotopietyp eines Punkteshat, das heißt, wenn es fur einen (aquivalent: jeden) Punkty0 ∈ X eine Homotopie gibt zwischen derkonstanten Abbildungc : X → X, x→ y0, und der Identitat idX : X → X.

Begriffe in diesem Umfeld: Retraktion, Deformationsretraktion, starke Deformationsretraktion. Es gibtaus Perspektive der mengentheoretischen Topologie ganze Bucher dazu, siehe [Bor67], [Hu65].

Definition 3.5. Ein SimplizialkomplexK ist kollabierbar, wenn er durchelementare Kollapseauf eineeinzelne Ecke reduziert werden kann: dabei entfernt man jeweils eine nicht-maximale Seitenflache, diein nur einer maximalen Seitenflache enthalten ist, zusammen mit allen sie enthaltenden Seiten.

Der Versuch, Homotopieaquivalenz durchAquivalenz bzgl. elementaren Kollabierungs- und Antikol-labierungsschritten und Antikollabierungs-Schritten zuersetzen, ist ausfuhrlich studiert und in Buchergegossen worden (

”simple homotopy type“; vgl. [Coh73]).

Beispiel. Ein 1-dimensionaler endlicher Simplizialkomplex (endlicher Graph) ist kollabierbar, wenn ereinBaumist, also zusammenhangend ist und keine Zykel enthalt. In jedem elementaren Kollaps wird einBlatt entfernt [Terminologie aus der Graphentheorie].

Beispiel(Bings Haus).”Bings Haus“ mit zwei Zimmern (siehe etwa Hatcher [Hat02, p. 4]) ist kontra-

hierbar, aber nicht kollabierbar. Borsuks Version davon ist eine Art Kleinsche Flasche. Alternativ dazuder “dunce hat” (

”Narrenkappe“).

Definition 3.6. Fur k ≥ −1 heißt ein topologischer RaumX k-fach zusammenhangend(kurzk-zusam-menhangend), wenn er nicht-leer ist, und jede stetige Abbildungf : Sℓ → X mit 0 ≤ ℓ ≤ k zu einerkonstanten Abbildung homotop ist;aquivalent dazu: fur jedesℓ mit −1 ≤ ℓ ≤ k kann jedesf : Sℓ → Xzu einer AbbildungF : Bℓ+1 → X fortgesetzt werden.

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Fur ℓ = −1 bedeutet die Bedingung, dassX nicht-leer sein muss. Fur ℓ = 0 fordert sie Wegzusammen-hang. Ein1-zusammenhangender Raum heißt aucheinfach zusammenhangend. Er ist dann also nicht-leer, wegzusammenhangend, und jede Schleife in dem Raum lasst sich in dem Raum zusammenziehen.

Lemma 3.7. k-Zusammenhang ist eine Invariante des Homotopietyps: WennX k-zusammenhangendist, dann auch jeder zuX homotopieaquivalente Raum.

Satz 3.8.Sn ist (n− 1)-zusammenhangend, aber nichtn-zusammenhangendn ≥ −1.

Beweis.Jede stetige Abbildungf : Sk → Sn lasst sich unter Ausnutzung von Kompaktheit in eine

”gutartige“ (also etwa: stuckweise spharisch-lineare) Abbildung deformieren. Diese ist fur k < n nicht

surjektiv, und damit leicht in eine konstante Abbildung deformierbar.

Fur den zweiten Teil verwendet man algebraische Hilfsmittel, etwa den Abbildungsgrad: Dieser zahlt

”mit Vorzeichen“, wie oft ein

”generischer“ Punkt im Bild von der Abbildunguberdeckt wird. Diese

Große ist fur alle generischen Punktey ∈ Sn gleich, und sieandert sich unter Deformation nicht. Furdie Identitat ist sie1, fur jede konstante Abbildung ist sie0.

Dass die Identitat id : Sn → Sn wesentlichist, also nicht homotop zu einer konstanten Abbildung(nullhomotop), ist eine nichttriviale Aussage. Wir notieren sie wie folgt.

Korollar 3.9. Sn ist nicht kontrahierbar.

Es ist leicht zu sehen, dass dieses Korollar zumBrouwerschen Fixpunktsatzaquivalent ist:

Satz 3.10(Brouwers Fixpunktsatz). Jede stetige AbbildungBn+1 → Bn+1 hat einen Fixpunkt.

Beweis.Wennid : Sn → Sn nullhomotop ist, dann auch− id. Die Nullhomotopie liefert eine stetigeAbbildungId : Bn+1 → Sn ⊂ Bn+1, die fixpunktfrei ist — Widerspruch!Umgekehrt seif : Bn+1 → Bn+1 fixpunktfrei, und seih(x) der Schnittpunkt vonSn mit dem Strahl,der vonf(x) ausgehend durchx geht. Dann isth : Bn+1 → Bn+1 stetig, und auf dem Rand die Identitat,liefert also eine Nullhomotopie fur id.

Ohne Beweis geben wir das folgende, tiefliegendere Resultatan:

Satz 3.11(siehe Spanier [Spa66, p. 405]). SeiX ein triangulierbarer Raum. WennX fur alle k ≥ 0k-zusammenhangend ist, dann istX kontrahierbar.

Mit dem Begriff des einfachen Zusammenhangs konnen wir eines der wichtigsten Probleme der Ma-thematikuberhauptformulieren(ein Clay-Problem, und vielleicht gerade von Perelman [Per03] gelostworden . . . ):

Vermutung 3.12(Die Poincare-Vermutung). Jede einfach-zusammenhangende geschlossene3-Mannig-faltigkeit ist homoomorph zuS3.

Ubungsaufgabe.Die Menge (Gruppe)SU(2) ⊂ C2×2 ist eine einfach-zusammenhangende3-Mannig-faltigkeit. Zeige: sie ist homoomorph zuS3.

Statt topologischer Raume betrachtet man in der Topologie oft besser/einfacher Raumpaare.

Definition 3.13. Raumpaaresind Paare(X, A), wobeiX ein topologischer Raum ist, undA ⊆ X einUnterraum. Dabei kann manX mit (X, ∅) identifizieren. Ein Paar(X, {x0}) heißtpunktierter Raum;der Punktx0 ∈ X heißt dann derBasispunkt. Stetige Abbildungenf : (X, A) → (Y, B) sind stetigeAbbildungenX → Y , die zusatzlichf(A) ⊆ B erfullen mussen. Abbildungen zwischen Raumpaarenf, g : (X, A)→ (Y, B) sindhomotop, wenn esH : (X × I, A× I)→ (Y, B) gibt mit H(x, 0) = f(x)undH(x, 1) = g(x) fur allex ∈ X. Homoomorphie und Homotopieaquivalenz fur Raumpaare definiertman ebenfalls analog zu den Definitionen fur topologische Raume.

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Definition 3.14. Bezeichne wiederI = [0, 1] das Einheitsintervall, und∂I = {0, 1} seine Endpunkte.Fur einen topologischen RaumX mit Basispunktx0 ∈ X ist jede stetige Abbildungγ : (I, ∂I) →(X, {x0}) eingeschlossener Weg(eineSchleife) in X.Die Mengeπ1(X; x0) := [(I, ∂I), (X, {x0})] von Homotopieklassen von geschlossenen Wegen heißtdie Fundamentalgruppe(odererste Homotopiegruppe) von X (zum Basispunktx0). Auf ihr wird eineVerknupfung definiert durch[γ] ◦ [γ′] := [γ ∗ γ′], mit

γ ∗ γ′(t) :=

{γ(2t) fur t ∈ [0, 1

2 ]

γ′(2t− 1) fur t ∈ [12 , 1].

Ubungsaufgabe.Beweise, dassπ1(X; x0) mit dieser Verknupfung in der Tat eine Gruppe ist.

Bemerkung3.15. Die Fundamentalgruppeπ1(X; x0) ”sieht“ nur die Wegzusammenhangskomponente

des Basispunktes.

Ubungsaufgabe.WennX wegzusammenhangend ist, dann hangt die Gruppenstruktur vonπ1(X; x0)nicht vom Basispunkt ab (d. h. fur verschiedene Basispunkte erhalt man isomorphe Gruppen).

Daher schreibt man oftπ1(X) fur die Fundamentalgruppe eines (wegzusammenhangenden) RaumsX.

Beispiele.π1(Rn) ∼= {c0}; genauso fur jeden kontrahierbaren Raum.π1(Sn) ∼= {c0} fur n > 1.

Lemma 3.16. Fur PolyederX = ‖∆‖ hangt die Fundamentalgruppeπ1(X; x0) nur vom2-Skelett ab.

Beweis.Regularisierung, wie im Beweis zu Satz 3.8 skizziert: jede Schleife kann in das1-Skelett ge-druckt werden, jede Homotopie in das2-Skelett.

Satz 3.17(Stillwell [Sti93, Sect. 4.1]). Die Fundamentalgruppe eines (o.B.d.A. zusammenhangenden)von Simplizialkomplexes kann man wie folgt durch Erzeuger und Relationen darstellen: SeiT ⊆ ∆(1)

ein aufspannender Baum im1-Skelett. Fur jeden Knotenxi seiwi der eindeutige direkte Weg inT vonder Basiseckex0 zuxi.

Dann bestimmt jede Kante ineij = xixj ∈ ∆(1)\T eine Schleifewieijw−1j , und jedes Dreieckσ =

xixjxk ∈ ∆(2) ergibt eine RelationRσ. Damit ist

⟨gij : xixj ∈ ∆(1)\T

∣∣ Rσ : σ ∈ ∆(2)⟩

eine Darstellung vonπ1(∆) durch Erzeuger und Relationen.

Beweis.Jede Schleife mit Ausgangspunktx0 lasst sich in einen geschlossenen Kantenweg mit Ecken-folge x0, x1, . . . , xN−1, xN = x0 deformieren. Dieser ist homotop zu einer Verkettung von derForm(w0e01w

−11 )(w1e12w

−12 ) . . . (wN−1eN−1,Nw−1

N ), die ein Produkt von entweder trivialen Schleifen (furei,i+1 ∈ T ) oder Erzeugern der angegebenen Art ist (mitgij = g−1

ji ).

Genauso lasst sich jede Homotopie zwischen Wegen in Einzelschritte zerlegen, die einzelne Dreieckeuberstreichen. Jeder Dreiecksumlaufx0x1x2x0 lasst sich in(wieijw

−1j )(wjejkw

−1k )(wkekiw

−1i ) defor-

mieren, und dies ergibt (je nachdem, ob ein, zwei oder drei der involvierten Kanten außerhalbT liegen)eine Relation vom Typgij , gijgjk odergijgjkgki.

Beispiel. Die Fundamentalgruppen von Graphen (1-dimensionalen Komplexen) sind freie Gruppen.Insbesondere giltπ1(S

1) ∼= Z.

Proposition 3.18(Jede endlich-erzeugte Gruppe ist Fundamentalgruppe). Zu jeder endlichen Gruppen-prasentationG = 〈g1, . . . , gs | R1, . . . , Rt〉 gibt es einen endlichen zweidimensionalen Simplizialkom-plex∆G mit FundamentalgruppeG ∼= π1(∆G).

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Satz 3.19(Seifert–van Kampen [Sti93, p. 125]). Wenn sich ein RaumX als VereinigungX = X1 ∪X2

zweier offener Mengen mit wegzusammenhangendem Schnitt darstellen lasst, der gemeinsame Basis-punktx0 im SchnittX1 ∩X2 gewahlt wird, und die Fundamentalgruppen durch

π1(X1) = 〈a1, . . . , am | R1, . . . , Rn〉, π1(X2) = 〈b1, . . . , bp | S1, . . . , Sq〉

undπ1(X1 ∩X2) = 〈c1, . . . , cx | T1, . . . , Ty〉

gegeben sind, dann erhalt man die Fundamentalgruppe vonX = X1 ∪X2 als

π1(X1 ∪X2) =⟨a1, . . . , am, b1, . . . , bp

∣∣ R1, . . . , Rn, S1, . . . , Sq, U1V−11 , . . . , UxV −1

x

⟩,

wobeiUi bzw.Vi jeweils eine Prasentation vonci durch die Erzeugeraj von π1(X1) bzw. durch dieErzeugerbk vonπ1(X2) sind.

Man beachte, dass in der Beschreibung vonπ1(X1 ∪X2) die RelationenT1, . . . , Ty von π1(X1 ∩X2)keine Rolle spielen.

Korollar 3.20. π1(Sn) ist fur n > 1 trivial.

Beweis.UberdeckeSn durch zwei kontrahierbare offene Teilmengen, etwa durch offeneε-Umgebungender oberen bzw. unteren Hemisphare. Die Schnittmenge ist dann homotopieaquivalent zuSn−1, alsowegzusammenhangend fur n > 1.

Weitere Anwendung: Analyse von Knotengruppen durch Dehn (1914) und Schreier (1924); siehe Still-well [Sti93, Chap. 7]. Insbesondere kann man damit dieTorusknotenTm,n (m, n ≥ 2 teilerfremd) klas-sifizieren, derenKnotengruppen(Fundamentalgruppen der Komplemente) durch

π1(R3\Tm,n) ∼= 〈a, b | amb−n〉

gegeben sind: bis auf Reflektion des Raums, undTm,n∼= Tn,m sind die Knotengruppen nicht isomorph,

also auch die Knoten nichtaquivalent. Siehe Stillwell [Sti93, Sects. 4.2.1, 7.1].

Bemerkung3.21 (Siehe [Sti82, Sti93]). Das Wortproblemfur Gruppen (also fur ein gegebenes Wortbezuglich einer gegebenen Gruppenprasentation zu entscheiden, ob das Wort das neutrale ElementderGruppe darstellt) ist nach Novikov (1955) nicht entscheidbar. Daraus folgen weitere Nichtentscheidbar-keitsresultate in der Topologie.

Das Homoomorphie-Problem fur 2-dimensionale Komplexe ist effektiv losbar (d. h., man kennt einenAlgorithmus dafur), aber das Homotopietyp-Problem ist nicht entscheidbar: weil man das Wortproblemin Gruppen nicht losen kann, gibt es keinen endlichen Algorithmus, der zu jedem 2-dimensionalen end-lichen Simplizialkomplex entscheiden kann, ob er kontrahierbar ist.

Das Homoomorphieproblem fur die3-dimensionale Sphare ist effektiv losbar (Rubinstein und Thomp-son [Rub97]; vgl. King [Kin04]), das Homoomorphieproblem fur die 5-dimensionale Sphare ist aberunlosbar. Genauso ist das Homoomorphieproblem fur4-dimensionale Mannigfaltigkeiten unlosbar (Mar-kov 1958).

Schon in der Fruhzeit der Topologie wurde bemerkt (von Reidemeister5), dass man bei Arbeit mit derFundamentalgruppe Gefahr lauft, lediglich schwierige topologische Probleme in schwierige algebraischeProbleme zuubersetzen.

5Kurt Reidemeister, 1893-1971, Pionier der Gruppen- und Knotentheorie, und Dichter;http://www-groups.dcs.st-and.ac.uk/∼history/Mathematicians/Reidemeister.html

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Die hoheren Homotopiegruppen der Spharen werden oft alsπn(X, {x0}) := [(Sn, {e1}), (X, {{x0}})]definiert – da ist aber nicht so leicht zu sehen, wie/warum manda Elemente “addieren” kann. Mankann die Homotopiegruppen auch alsAquivalenzklassen von Abbildungen(In, ∂In) → (X, {{x0}})auffassen. Dass das dasselbe ergibt, folgt zum Beispiel ausfolgendem Satz:

Lemma 3.22. Fur jeden Raum mit Basispunkt(X, {x0}) gibt es eine kanonische Bijektion zwischen denMengen von Homotopieklassen von Abbildungen

[(Sn, {e1}), (X, {x0})] ←→ [(In, ∂In), (X, {x0})].

Beweis.Jede Abbildungg : (In, ∂In)→ (X, {x0}) bildet∂In auf{x0} ab, sie ist also automatisch auf∂In konstant.

Betrachten wir nun den Quotientenraum(In/∂In, ∗), in dem der gesamte Rand desn-Wurfel zu einemeinzigen Punkt∗ identifiziert wird. Nach Definition der Quotiententopologie induziert jede Abbildungg : (In/∂In, ∗) → (X, A) auch eine Abbildungg : (In, ∂In) → (X, A), die auf∂In konstant ist.Umgekehrt induziert aber auch jede Abbildungg : (In, ∂In) → (X, A), die auf∂In konstant isteinestetige Abbildungg : (In/∂In, ∗)→ (X, A), durchg(x) := g(∗) fur x ∈ ∂In, undg(x) := g(x) sonst.

Damit erhalten wir eine Bijektion[(In, ∂In), (X, {x0})] ←→ (In/∂In, ∗), (X, {x0})].

Schließlich ist(In/∂In, ∗) homomorph zu(Sn, {e1}).

Definition 3.23. Sei(X, {x0}) ein Raum mit Basispunkt. Diehoheren Homotopiegruppenvon X sinddefiniert als

πn(X; x0) := [(In, ∂In), (X, {x0})].

Die Verknupfung kann dann aus dem Nebeneinandersetzen vonn-Wurfeln abgeleitet werden:[γ]◦[γ′] :=[γ ∗ γ′], mit

γ ∗ γ′ (t1, t2, . . . , tn) :=

{γ(2t1, t2, . . . , tn) fur t1 ∈ [0, 1

2 ]

γ′(2t1 − 1, t2, . . . , tn) fur t1 ∈ [12 , 1].

Satz 3.24(Funktor!). Die Homotopiegruppen sind Invarianten des Homotopietyps:homotopieaquiva-lente Raume haben isomorphe Homotopiegruppen.

Jede stetige Abbildung zwischen topologischen Raumen mit Basispunktf : (X, {x0}) → (Y, {y0})induziert Gruppenhomomorphismen zwischen den entsprechenden Homotopiegruppen:

f# : πk(X; x0)→ πk(Y ; y0)

wobei id : X → X die Identitat auf πk(X; x0) induziert, und fur Abbildungenf : X → Y undg : Y → Z gilt dass(g ◦ f)# = g# ◦ f#. Dabei induzieren homotope Abbildungen denselben Gruppen-homomorphismus. Homotopieaquivalenzen induzieren Gruppenisomorphismen.

Bemerkung3.25. π0(X; x0) ist nur eine Menge mit”Basispunkt“, wahrendπ1(X; x0) eine Gruppe ist.

Die hoheren Homotopiegruppenπn(X; x0), n ≥ 2, sind sogar kommutative (abelsche) Gruppen.WennX wegzusammenhangend ist, dann hangt die Gruppeπn(X; x0) bis auf Isomorphie nicht vomBasispunkt ab, und man schreibt dafur πn(X).Der Isomorphismus ist aber nur dann kanonisch, wennX einfach-zusammenhangend ist — anderenfallsriskiert man

”Monodromieeffekte“ (Bewegung des Basispunkts entlang geschlossener Wege liefert nicht-

triviale Automorphismen der Fundamentalgruppe).

Ist X = ‖∆‖ ein Polyeder, dann hangt diek-te Homotopiegruppeπk(X; x0) jeweils nur vom(k + 1)-Skelett ab.

Homotopiegruppen”vertragen sich“ mit einigen Grundkonstruktionen von topologischen Raumen sehr

gut; dazu gehoren Produkte, aber auch sog.”Einhangungen“.

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Proposition 3.26(Homotopiegruppen von Produkten). Homotopiegruppen von Produkten:

πn(X × Y ; (x0, y0)) ∼= πn(X; x0)× πn(Y ; y0).

Definition 3.27 (Kegel/Einhangung). Der Kegel cone(X) uber einem RaumX ist das Bild des Pro-duktsX × [0, 1] (desZylindersuberX) unter derAquivalenzrelation∼, die alle Punkte(x, 1), x ∈ Xidentifiziert.

Die Einhangungsusp(X) eines RaumsX ist das Bild vonX × [−1, 1] unter derAquivalenzrelation∼,die alle Punkte(x, 1), x ∈ X miteinander identifiziert, und genauso alle Punkte(y,−1), y ∈ X.

In beiden Fallen wahlt man die feinste Topologie, unter der die Identifikationsabbildungp : X× [0, 1]→(X × [0, 1])/∼ = cone(X) bzw. p : X × [−1, 1] → (X × [−1, 1])/∼ = susp(X) stetig ist, also dieQuotiententopologie.

Der Kegelcone(X) uber einem Raum ist immer kontrahierbar. Eine Abbildungf : X → Y ist genaudann nullhomotop (also homotop zu einer konstanten Abbildung), wenn sie sich zu einer AbbildungF : cone(X)→ Y erweitern lasst.

Offenbar ist die Einhangung einer Sphare wieder (homoomorph zu) eine Sphare: susp(Sn) ∼= Sn+1.Auch ganz elementaruberlegt man sich, dass es fur jedesk einen Homomorphismus

σk : πk(X; x0)→ πk+1(susp(X); x0)

gibt. (Der naheliegende Homomorphismusi# : πk(X; x0)→ πk(susp(X); x0) ist aber trivial.)

Satz 3.28(Freudenthals Einhangungslemma [Hat02, Cor. 4.23]). SeiX ein(n−1)-zusammenhangender,triangulierbarer Raum mit Basispunktx0 (zum BeispielX = Sn).Dann istσk : πk(X; x0) → πk+1(susp(X); x0) ein Isomorphismus fur k < 2n − 1, und surjektiv furk = 2n− 1.

Das Einhangungslemma von Freudenthal ist Grundlage der Betrachtung von sog.”stabilen Homotopie-

gruppen“, d. h., stattπn(X; x0) betrachtet man das Verhalten vonπn+m(suspm X; x0) fur großem, alsodie entsprechend hohere Homotopiegruppe nach oftmaligem Einhangen.

Satz 3.29(Homotopiegruppen von Spharen I).πk(S

n) = {e} fur 0 ≤ k < n;πn(Sn) ∼= Z, mit idSn Erzeuger;πn(S1) = {e} fur n > 1;π3(S

2) ∼= Z, mit derHopf-AbbildungS3 → S2, (z1, z2) 7→ (2z1z2, z1z1 − z2z2) als Erzeuger.

In diesen Koordinaten ist die Hopf-Abbildung als AbbildungC2 ⊃ S3 → S2 ⊂ C × R gegeben. Mankann sie aber auch, zum Beispiel, als Abbildung(z1, z2) 7→ z1/z2, S3 → C ∪ {∞} ∼= CP1 auffassen.

Satz 3.30(Homotopiegruppen von Spharen II: Satz von Serre [Spa66, pp. 515/516]).π2n−1(S

n) ist fur alle geradenn ≥ 2 die direkte Summe vonZ mit einer endlichen Gruppe. Alle anderenHomotopiegruppen von Spharenπk(S

n), k > n, sind endlich,

(Beweis:”Spektralsequenzen“ von

”Faserungen“)

Die Berechnung der Homotopiegruppen der Spharen ist ein zentrales Problem der Topologie, insbeson-dere der Homotopietheorie, aber auch schwierig, und es gibtauch keine einfache Antwort. Siehe dieletzteUbungsaufgabe auf der letzten Seite der klassischen Monographie von Spanier aus dem Jahr 1966:

Ubungsaufgabe(Spanier [Spa66, p. 520]). Beweise, dass(a):π5(S

2) ∼= Z2

(b): π6(S3) ist eine Gruppe mit12 Elementen

(c): π7(S4) ∼= π6(S

3)⊕ Z(d): πn+3(S

n) ist fur n ≥ 5 eine Gruppe mit24 Elementen.

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Topologie – WS05/06 – TU Berlin – Gunter M. Ziegler

4 Homologie

Die Homologiegruppen eines topologischen Raums habenahnliche”funktorielle“ Eigenschaften wie

die Homotopiegruppen, sind aber effektiv berechenbar (siehe dastopaz-Modul vonpolymake [GJb][GJa]!), und in verschiedener Hinsicht einfacher handhabbar — auch wenn die

”geometrischen Topolo-

gen“ das nicht so wahrhaben wollen (vgl. etwa Stillwell [Sti93, p. 171]). Meine Hauptquelle fur Homo-logietheorie ist Munkres [Mun84,§5ff].

Wir entwerfen hier zunachst ganz konkret die Konstruktion von “simplizialer” Homologie von (endli-chen) Simplizialkomplexen. Es handelt sich hierbei um einedurchaus elementare und explizite Kon-struktion. Im Gegensatz zu vielen anderen Dingen, die man

”gegeben ein Simplizialkomplex“ der Reihe

nach”hinkonstruieren“ kann, ist das bemerkenswerte hier, dass das Ergebnistopologisch invariantist:

verschiedene Triangulierungen desselben Raumes haben evtl. unterschiedlich viele Ecken, Kanten, etc.— aber, wie wir sehen werden, dieselbe Homologie!

Zielvorstellung:Hk(X) ∼= Zr, wennX”r k-dimensionale Locher hat“.

Definition 4.1 (Orientierung). Sei{v0, . . . , vk} die Eckenmenge einesk-Simplexσ. Zwei lineare Anord-nungen der Eckenmenge heißenaquivalent, wenn sie sich durch eine gerade Permutation unterscheiden.Die Aquivalenzklassen heißen dieOrientierungenvon σ. (Also hat fur k > 0 jederk-Simplex genauzwei Orientierungen.) Wir schreiben[v0, . . . , vk] fur die durchv0 < · · · < vk gegebene Orientierung,und−[v0, . . . , vk] fur die umgekehrte Orientierung.

Wenn wir die Eckenmenge von∆ linear anordnen, dann ergibt dies automatisch fur jeden Simplex eineOrientierung.

Fur das Folgende fixieren wir eine abelsche GruppeG als Koeffizientenbereich: wir konstruieren die

”Homologie eines Simplizialkomplexes mit Koeffizienten inG“. Dabei ist primar anG = Z gedacht;

wichtig sind aber auchG = R, C, Q, Z2, jeweils als additiv-geschriebene Gruppe interpretiert.In demFall, dassG die additive Gruppe eines Korpers ist, werden die Kettengruppen etc., die wir jetzt definie-ren, alle zu Vektorraumen, und die Gruppenhomomorphismen zu linearen (Vektorraums-)Abbildungen,was beim Rechnen hilft. Wenn nichts anderes gesagt, nehmen wir immer an, dassG = Z gewahlt ist.Insbesondere sind in der Notation immer dann, wenn keine Koeffizientengruppe genannt ist, ganzzahligeKoeffizienten gemeint.

Definition 4.2 (Ketten). Sei∆ ein Simplizialkomplex. Einek-Kettein ∆ mit Koeffizienten inG ist eineformale Linearkombination ∑

σ∈∆(k)

cσσ

von orientiertenk-Simplexen aus∆, mit cσ ∈ G, wobei nur endlich viele Koeffizienten nicht-null seindurfen und jeder Simplex nur mit einer der beiden moglichen Orientierungen auftritt.

Die Menge allerk-Ketten in ∆ mit Koeffizienten inG ist die k-te KettengruppeCk(∆; G) von ∆.Zwei k-Ketten werden addiert, indem wir die Koeffizienten vor denselben orientierten Simplexen (mitderselben Orientierung!) addieren undcσσ = (−cσ)σ′ setzen, wennσ′ die andere Orientierung vonσist.

Fur k < 0 und fur k > dim∆ setzen wirCk(∆; G) := 0, wobei wir hier und im Folgenden “0” alsKurznotation fur die

”triviale Gruppe“({0}, +) mit genau einem Element verwenden.

Ck(∆; Z) ist eine freie abelsche Gruppe vom Rangfk, wobeifk = fk(∆) die Anzahl derk-Seiten von∆bezeichnet: Wenn wir von jedemk-Simplex eine Orientierung auswahlen, so bestimmt dies eine Basis.

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Definition 4.3 (Randabbildung). Diek-teRandabbildungist der Gruppenhomomorphismus∂k : Ck(∆; G)→Ck−1(∆; G), der durch Werte auf der Basis wie folgt definiert ist:

∂k : [v0, . . . , vk] 7→k∑

i=0

(−1)i[v0, . . . , vi, . . . , vk]

Der Rand einer Ecke ist Null,∂0[v0] = 0. Der Rand einer Kante ist”End- minus Anfangsecke“,

∂1[v0, v1] = [v1] − [v0]. Der Rand eines Dreiecks ist die Summe (Folge) seiner drei gerichteten Rand-kanten∂2[v0, v1, v2] = [v1, v2]− [v0, v2] + [v0, v1], usw.

Ubungsaufgabe.Man uberprufe, dass die Randabbildung wohldefiniert ist (man also nachgerader Per-mutation der Ecken einaquivalentes Ergebnis bekommt), und dass∂kσ

′ = −∂kσ gilt, wennσ, σ′ diebeiden Orientierungen einesk-Simplex∆ sind.

Definition 4.4 (Zykel). Die k-te Zykelgruppevon∆ (mit Koeffizienten inG) ist die Gruppe

Zk(∆; G) := ker(∂k) = {c ∈ Ck(∆; G) : ∂kc = 0}.

Die ZykelgruppeZk(∆; Z) ist eine Untergruppe einer freien abelschen Gruppe, also selbst frei [Mun84,Lemma 11.2]. Im endlich-erzeugten Fall ist der Rang der Zykelgruppe hochstens der Rang der Ketten-gruppe. Achtung: dies bezieht sich nur auf den FallG = Z von ganzzahligen Koeffizienten. Analoglasst sich das handhaben, wennG die additive Gruppe eines Korpers ist – dann haben wir es mit Vek-torraumen zu tun, und die dort betrachteten Untergruppen sind inder Tat Untervektorraume. Fur nochallgemeineresG, etwaG = Z4, darf manC(∆; G) ∼= Gfk zwar immer noch frei nennen, und eine Basis(der Kardinalitat fk) davon verwenden, aber eine Untergruppe vonGfk ist dann nicht mehr unbedingtvon der FormGr.

Beispiele: wie sehen Zykel aus.Intuition: man stelle sich das Bild einer Spharenabbildung vor, und abstrahiere . . . (vgl. Kreck [Kre])

Definition 4.5 (Rander). Die k-te Randergruppevon∆ (mit Koeffizienten inG) ist die Gruppe

Bk(∆; G) := im(∂k+1) = {∂k+1d : d ∈ Ck+1(∆; G)}.

Die RandergruppeBk(∆; G) ist eine Untergruppe vonCk(∆; G), also wieder eine freie abelsche Gruppe.

Lemma 4.6(∂2= 0). Es gilt:

Rander von Randern sind Null;d. h., alle Rander sind Zykel;d. h.,Bk(∆; G) ⊆ Zk(∆; G);d. h.,∂k ◦ ∂k+1 = 0 fur alle k.

Beweis.Es genugt, dies auf Basiselementen vonCk(∆; G) nachzurechnen:

∂k−1 ◦ ∂k[v0, . . . , vk] = ∂k−1

k∑

i=0

(−1)i[v0, . . . , vi, . . . , vk] =

k∑

i=0

(−1)i∂k−1[v0, . . . , vi, . . . , vk]

=k∑

i=0

(−1)ii−1∑

j=0

(−1)j [v0, . . . , vj , . . . , vi, . . . , vk] +k∑

i=0

(−1)ik∑

j=i+1

(−1)j−1[v0, . . . , vi, . . . , vj , . . . , vk]

=k∑

0≤j<i≤k

(−1)i+j[v0, . . . , vj , . . . , vi, . . . , vk] +k∑

0≤i<j≤k

(−1)i+j−1[v0, . . . , vi, . . . , vj , . . . , vk] = 0.

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Page 21: Topologie 009(de)(59s)

Definition 4.7 (Homologie). Sei∆ ein Simplizialkomplex. Diek-te Homologiegruppe von∆ mit Koef-fizienten inG ist

Hk(∆; G) := Zk(∆; G) /Bk(∆; G).

Die ganzzahligen HomologiegruppenHk(∆; Z) sind Quotientengruppen der Zykelgruppen — sie sindim allgemeinen nicht frei: Wir erhalten ein Ergebnis von derForm

H = Zβ ⊕ Zt1 ⊕ Zt2 ⊕ · · · ⊕ Ztr

mit ti ≥ 2 und t1 | t2 | · · · | tk. Dabei istrankH := β derRangder GruppeH: dies ist die maxima-le Anzahl von Elementen, fur die alle Linearkombinationen mitZ-Koeffizienten verschieden sind. DieGruppeT (H) := Zt1 ⊕ Zt2 ⊕ · · · ⊕ Ztr ist dieTorsionsuntergruppealler Elemente endlicher Ordnungin H. Es giltH/T (H) ∼= Zβ (Struktursatz fur endlich-erzeugte abelsche Gruppen [Mun84, Thm. 4.3]).

Wenn wir mitG die additive Gruppe eines Koeffizientenkorpershaben, dann arbeiten wir hier mit Vek-torraumen, und bekommen Quotientenvektorraume.

Lemma 4.8. Hk(∆; G) = {0} fur k > dim∆ und fur k < 0.

Hk(∆; Z) ist eine freie abelsche Gruppe, fur k = dim∆.

Proposition 4.9. Die nullte Homologiegruppe ist frei,H0(∆; G) ∼= Gβ0 .Die nullte Bettizahlβ0 ist die Anzahl der Zusammenhangskomponenten von∆.

Beweis.Z0(∆; G) = C0(∆; G) ist frei, mit Basis{[v] : v ∈ ∆(0)}.

B0(∆; G) identifiziert man mit der Untergruppe aller Ketten, fur die auf jeder Zusammenhangskompo-nente die Koeffizientensumme gleich0 ist.

Wahlt man also aus jeder Zusammenhangskomponente von∆ eine Eckev0 aus, dann bilden die entspre-chenden (Aquivalenzklassen von)[v0] eine Basis fur Z0(∆; G)/B0(∆; G) = H0(∆; G).

Bemerkung4.10. Homologie von endlichen Simplizialkomplexen ist effektivberechenbar: mit Hilfe vonganzzahlig-elementaren Zeilen- und Spaltenoperationen kann man jede ganzzahlige Matrix aufSmithNormalform (SNF)bringen. Dies ist theoretisch schnell (in Polynomzeit) zu erledigen, und auch prak-tisch effektiv (etwa intopaz implementiert).

Im Falle von Korperkoeffizienten reichen Rangberechnungen:

dimHk(∆k; F ) = dimZk(∆k; F )/Bk(∆k; F )

= dimZk(∆k; F )− dim Bk(∆k; F )

= dimker ∂k − dim im ∂k+1

= fk − rank ∂k − rank ∂k+1.

Korollar 4.11. Fur G = Z, Q oderR hat diek-dimensionale Homologie denselben Rangβk:

rankHk(∆k; Z) = dimQ Hk(∆k; Q) = dimR Hk(∆k; R) = fk − rank ∂k − rank ∂k+1.

Allgemeiner: Die”universellen Koeffiziententheoreme“ der Homologietheorie geben Rezepte dafur, wie

manHk(∆k; G) aus den GruppenHk(∆; Z) undHk−1(∆; Z) berechnen kann [Mun84, Thm. 55.1].

In einer ZerlegungHk(∆; Z) = Zβk ⊕ Zt1 ⊕ Zt2 ⊕ · · · ⊕ Ztr

heißtβk = rankHk(∆; Z) die k-te Betti-Zahlvon ∆. Die ti, mit t1|t2| . . . |tr (wie oben) heißen dieTorsionskoeffizientenderk-ten Homologiegruppe von∆.

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Definition 4.12(Reduzierte Homologie). Zur Konstruktion derreduzierten Homologiegruppendefiniertman den Rand einer Ecke nicht als Null, sondern als∂[v0] := [], entsprechend der leeren Menge.

Es ergibt sich darausC−1(∆; G) ∼= G. Der Augmentierungshomomorphismusε = ∂0 : C0(∆; G) →C−1(∆; G) ist surjektiv.

Somit gilt immerH0(∆; G) ∼= H 0(∆; G)⊕G, undH k(∆; G) = Hk(∆; G) fur k 6= 0.

Lemma 4.13(Homologie eines Kegels). Jeder Kegel hat verschwindende reduzierte Homologie:

H k(cone(∆); Z) = 0 fur alle k.

Lemma 4.14(Homologie eines Simplexrandes). Der Rand desn-Simplex hat folgende reduzierte Ho-mologie:

H k(∂σn; G) =

{G fur k = n− 1,

0 sonst.

Damit hat man auch die Homologie von kontrahierbaren Raumen bzw. der(n − 1)-Sphare berechnet,modulo topologischer Invarianz (siehe unten!).

Es istublich,H∗(∆; G) fur die Folge der Homologiegruppen von∆ zu schreiben, also

H∗(∆; G) := (H0(∆; G), H1(∆; G), . . . , Hd(∆; G))

fur d = dim∆.

Beispiele(Homologie von einigen Flachen; vgl. [Mun84,§6]).

2-Sphare: H∗(S2; Z) = (Z, 0, Z).

Torus: H∗(T ; Z) = (Z, Z2, Z).Sphare mitg Henkeln: H∗(Mg; Z) = (Z, Z2g, Z).projektive Ebene:H∗(RP2; Z) = (Z, Z2, 0).zwei verklebte projektive Ebenen:H∗(RP2#RP2; Z) = (Z, Z⊕ Z2, 0).Kleinsche Flasche:H∗(K; Z) = (Z, Z⊕ Z2, 0).projektive Ebene mit Henkel:H∗(RP2#T ; Z) = (Z, Z2 ⊕ Z2, 0).

Lemma 4.15(Orientierbarkeit von Mannigfaltigkeiten). SeiM eine zusammenhangende, geschlossene,triangulierted-dimensionale Mannigfaltigkeit.

Dann gilt entwederHd(M ; Z) ∼= Z, dann heißtM orientierbar; oder es giltHd(M ; Z) ∼= 0, dann heißtM nicht orientierbar. In beiden Fallen gilt Hd(M ; Z2) ∼= Z2.

(Die Orientierbarkeit hangt nicht von der Triangulierung ab.)

Beispiel. Die Schachbrett-Komplexe∆m,n sind in letzter Zeit intensiv studiert worden. Ihre Homologieenthalt 3-Torsion: Erst vor kurzem gelang Shareshian und Wachs [SW] der Nachweis, dass sie auchnur3-Torsion (und evtl.9-Torsion) enthalten. Siehe [Wac03].

Satz 4.16(topologische Invarianz; Funktor). Die Homologiegruppen sind Invarianten des Homotopie-typs: Sind∆, ∆′ homotopieaquivalent, so giltHk(∆; G) ∼= Hk(∆

′; G) fur alle k.

Weiter induziert jede stetige Abbildungh : ‖∆‖ → ‖Γ‖ Gruppenhomomorphismenh∗ : Hk(∆) →Hk(Γ), so dass gilt(k ◦ h)∗ = k∗ ◦ h∗. Die Identitat id : ‖∆‖ → ‖∆‖ induziert die Identitat id∗ :Hk(∆)→ Hk(∆) fur alle k.

Beweis/Ubersicht: (1) simpliziale Abbildungen induzieren Homomorphismenf# von Kettenkomple-xen, und damit Abbildungenf∗ in Homologie

(2) kettenhomotope Abbildungen ergeben denselben Homomorphismus in Homologie:f#−g# = ∂D+D∂, und damitf∗ = g∗

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Page 23: Topologie 009(de)(59s)

(3) Unterteilungen, simpliziale Approximation(4) Unterteilungsoperator(5) homotope Abbildungen sind nach geeigneter Unterteilung kettenhomotop.

Definition 4.17 (Kettenkomplex, Kettenabbildung). Ein KettenkomplexC∗ ist eine Folge(Ck)k∈Z vonabelschen Gruppen, mit Homomorphismen∂k : Ck → Ck−1, die∂k−1∂k = 0 erfullen.

EineKettenabbildungf# : C∗ → C ′∗ ist eine Familie von Gruppenhomomorphismenf#,k : Ck → C ′

k,die∂′

kf#,k = f#,k−1∂k : Ck(K)→ Ck−1(L) erfullt.

Lemma 4.18(Simpliziale Abbildungen induzieren Kettenabbildungen).Seif : K → L simplizial, dann definiert

f# : [v0, . . . , vk] 7→

{[f(v0), . . . , f(vk)] wenn dief(vi) alle verschieden sind,

0 sonst

eineKettenabbildungf# : C∗(K)→ C∗(L).

Beweis.Fallunterscheidung:∂f# = f#∂ angewandt auf[v0, . . . , vk] ergibt

k∑

i=0

(−1)i[f(v0), . . . , f(vi), . . . , f(vk)]

wenn allef(vi) verschieden sind, und ergibt0 sonst.

Lemma 4.19 (Kettenabbildungen induzieren Homomorphismen in Homologie [Mun84, Thm. 12.2]).Jede Kettenabbildungf# : C∗(K) → C∗(L) induziert vermoge f∗[c] := [f#c] Homomorphismenfk : Hk(K)→ Hk(L).

Dabei induziert die Identitat id : K → K die Identitat id∗ : H∗(K) → H∗(K), und es gilt immer(f ◦ g)∗ = f∗ ◦ g∗.

Beweis.Der wesentliche Teil ist, dassf∗ wohldefiniert ist, also das Ergebnis nicht vom Reprasentantender Homologieklasse[c] abhangt. Dazu seic + ∂c′ ein anderer Reprasentant von[c] = [c + ∂c′]; dafurerhalten wirf∗[c + ∂c′] = [f#c + f#∂c′] = [f#c + ∂f#c′] = [f#c].

Definition 4.20 (Kettenhomotopien). EineKettenhomotopiezwischen simplizialen Abbildungenf, g :K → L ist eine Familie von indexerhohenden HomomorphismenDk : Ck(K)→ Ck+1(L), dief#,k −g#,k = ∂k+1Dk +Dk−1∂k : Ck(K)→ Ck(L) erfullt — wofur wir kurzf#−g# = ∂D+D∂ schreiben.

Lemma 4.21([Mun84, Thm. 14.2]). Kettenhomotope Abbildungenf, g : K → L induzieren dieselbeAbbildungf∗ = g∗ : Hk(K)→ Hk(L) in Homologie.

Beweis.Rechnung: Sei[c] eine Homologieklasse (alsoc ein Zykel,∂c = 0), so ist

f∗[c] = [f#c] = [(g# + D∂ + ∂D)c)] = [g#c + ∂Dc + D∂c] = [g#c + ∂Dc] = [g#c] = g∗[c].

Hier gelten die erste und letzte Gleichheit nach Definition des Homomorphismus in Homologie, diezweite wegen Kettenhomotopie, die dritte wegen Homomorphismus, die vierte weilc Zykel ist, dievorletzte weil die Homologieklasse

”modulo Rander“ definiert ist.

Definition 4.22 (Unterteilung). Eine Unterteilung eines (geometrischen) Simplizialkomplexes∆ ist einKomplex∆′, fur den jeder Simplexσ′ ∈ ∆′ in einem Simplexσ ∈ ∆ enthalten ist, und so dass umge-kehrt jeder Simplexσ ∈ ∆ eine Vereinigung von endlich vielen Simplexenσ′ ∈ ∆′ ist.

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Wenn∆′ eine Unterteilung von∆ ist, so gilt⋃

∆ =⋃

∆′ (gleicher Trager), und‖∆‖ = ‖∆′‖.

Definition 4.23 (Link, offener Stern, geschlossener Stern). SeiF eine nichtleere Seitenflache in einem(abstrakten) SimplizialkomplexK. DerSternvonF ist der UnterkomplexStarK F aller SeitenG ∈ K,fur dieF ∪ G ∈ K gilt. Die Deletionvon F ist der UnterkomplexdelK F aller SeitenG ∈ K, fur dieG 6⊇ F gilt. Der Link von F ist der UnterkomplexlinkK F aller SeitenG ∈ K, fur die G ∩ F = ∅und F ∪ G ∈ K gilt. Es ist alsoStarK F ∩ delK F = linkK F ∗ ∂F . Insbesondere gilt fur EckenlinkK v = StarK v ∩ delK v.

In einem geometrischen Simplizialkomplex∆ sind Link link∆ σ und SternStar∆ σ Unterkomplexe, alsoabgeschlossene Teilmengen. Man betrachtet dort auch denoffenen Sternstar∆ σ := ‖∆‖ \ ‖del∆ σ‖.Dieser ist eine offene Teilmenge von‖∆‖. Er lasst sich auch als die Menge aller Punkte beschreiben, dieim relativ Inneren eines Simplexesτ ∈ ∆ liegen, derσ enthalt.

Die offenen Sterne der Ecken bilden eine offeneUberdeckung des Polyeders‖∆‖.

Beispiele.Die stellare Unterteilungdes KomplexesK bzgl. einer nicht-leeren SeitenflacheF erhaltman, indem manF und alleF enthaltenden Seitenflachen entfernt, und einen neuen SimplexG ∪ {vF }fur jede Seite einfugt, die mitF in einer Seite enthalten ist (so dassG 6⊇ F aberG ∪ F ∈ K gilt).Topologische Beschreibung: der offene Stern vonF wird entfernt, und ein Kegeluber StarK F ∩delK F = linkK F ∗ ∂F wird eingefugt.)

Die baryzentrische UnterteilungsdK hat die Baryzentren der nichtleeren Seiten vonK als Eckenmenge,wobei die Simplizes vonsdK den Ketten von Seitenflachen vonK entsprechen.

Fur endliche SimplizialkomplexeK kann die baryzentrische UnterteilungsdK als Folge von stellarenUnterteilungen konstruiert werden: man unterteilt alle Seitenflachen in einer geeigneten Reihenfolge, sodass fur SeitenF ⊂ G die SeiteG vor der SeiteF unterteilt wird.

Definition 4.24 (Sternbedingung). Eine stetige Abbildung von Polyedernh : ‖∆‖ → ‖Γ‖ erfullt dieSternbedingung, wenn jeder offene Stern einer Ecke in den offenen Stern einer Ecke abgebildet wird,das heißt, dass es fur jede Eckev ∈ ‖∆‖ eine Eckew ∈ Γ gibt mit

h(star∆ v) ⊆ starΓ w.

Lemma 4.25. Erfulle h : ‖∆‖ → ‖Γ‖ die Sternbedingung. Wahle fur jede Eckev ∈ ∆(0) eine beliebigeEckef(v) ∈ Γ mit h(star∆ v) ⊆ starΓ f(v). Dies definiert eine simpliziale Abbildungf : ∆ → Γ, sodassf undh homotop sind.

Verschiedene solche Abbildungenf sind immer kettenhomotop.

Definition 4.26 (Simpliziale Approximation). Einesimpliziale Approximationvon h : ‖∆‖ → ‖Γ‖ isteine simpliziale Abbildungf : ∆ → Γ, bei der fur alle Eckenv ∈ ∆ die Bedingungh(star∆ v) ⊆starΓ f(v) erfullt ist.

Satz 4.27(Simpliziale Approximation [Mun84,§16]). Wennh : ‖∆‖ → ‖Γ‖ stetig ist, dann gibt es einesimpliziale Approximationf : ∆′ → Γ, fur eine Unterteilung∆′ von∆.

Wenn∆ endlich ist, dann gibt es sogar eine simpliziale Approximation f : sdN ∆→ Γ, fur einN ≥ 0.

Beweis.Im zweiten Fall unterteilt man so oft baryzentrisch, bis dieSternbedingung erfullt ist. Dies lasstsich deshalb erreichen, weil in jeder baryzentrischen Unterteilung der Durchmesser des großten Simplexum einen konstanten Faktor schrumpft, und man daher nach endlich vielen Schritten die Lebesgue-Zahlder Uberdeckung von‖∆‖ durch die Urbilderh−1(starΓ v) der offenen Sterne im Bild unterschreitet:Die Lebesgue-Zahleiner offenenUberdeckung ist die großte Zahlλ, so dass jedeλ-Umgebung einesPunktes in einer offenen Menge derUberdeckung enthalten ist. Sie ist fur jedeUberdeckung eines kom-pakten (!) metrisierbaren Raumes positiv.

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Korollar 4.28. Jede stetige Abbildungh : ‖∆‖ → ‖Γ‖ mit dim ∆ < dimΓ ist homotop zu einerAbbildung, die nicht surjektiv ist.

Korollar 4.29. Fur m < n sind alle stetigen Abbildungenh : Sm → Sn nullhomotop.

Lemma 4.30(Unterteilungsoperator [Mun84, Thm. 17.2]). Ist ∆′ eine Unterteilung von∆, so gibt eseine eindeutige Kettenabbildungλ : C∗(∆) → C∗(∆

′) mit |λ(σ)| ⊂ |σ| fur alle σ ∈ ∆, die Ecken aufEcken abbildet,λ : [v]→ [v].

Weiter existiert eine simpliziale Approximationg : ∆′ → ∆ der Identitat. g# undλ sind bis auf Ketten-homotopie inverse Kettenabbildungen. Insbesondere sindg∗ : H∗(∆

′) → H∗(∆) undλ∗ : H∗(∆) →H∗(∆

′) inverse Isomorphismen der Homologie von∆ und∆′.

Definition 4.31 (Konstruktion vonh∗). Sei h : ‖∆‖ → ‖Γ‖ stetig, seif : ∆′ → Γ eine simplizialeApproximation, und seiλ : C∗(∆)→ C∗(∆

′) der zugehorige Unterteilungsoperator.

Dann isth∗ := f∗ ◦ λ∗ : Hk(∆) → Hk(Γ) der von h induzierte Homomorphismus in simplizialerHomologie, fur k ≥ 0.

Lemma 4.32([Mun84, Thm. 18.1]). Die Abbildungenh∗ : Hk(∆) → Hk(Γ) sind wohldefiniert, dasheißt, bei anderer Wahl der Unterteilung∆′ und der simplizialen Approximationf erhalt man dennochdieselbenGruppenhomomorphismenh∗.

Damit folgt jetzt auch die Homotopie-Invarianz der Homologie, die wir schon als Satz 4.16 behauptethatten:

Satz 4.33(Homotopie-Invarianz der Homologie [Mun84, Thms. 19.2, 19.5]). Homotope Abbildungenh, ℓ : ‖∆‖ → ‖Γ‖ induzieren kettenhomotope Abbildungenh#, ℓ# : Ck(∆

′) → Ck(Γ′) und damit

denselben Homomorphismush∗ = ℓ∗ : Hk(∆)→ Hk(Γ) in der Homologie.

Jede Homotopie-Aquivalenzh : ‖∆‖ → ‖Γ‖ induziert Isomorphismenh∗ : Hk(∆) → Hk(Γ) inHomologie.

Korollar 4.34 (Invarianz der Dimension). Die n-Spharen sind fur verschiedenen nicht homoomorph,und auch nicht homotopieaquivalent.

Die reellen RaumeRn sind fur verschiedenen nicht homoomorph.

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Topologie – WS05/06 – TU Berlin – Gunter M. Ziegler

5 Euler- und Lefschetz-Zahlen

5.1 Abbildungsgrad

Als Anwendung der Homologietheorie erhalten wir jede MengeInvarianten: die elementarsten sinddie Euler-Charakteristik eines Raumes und der Grad einer Spharenabbildung, die starkste vielleicht dieLefschetz-Zahl.Dahinter steckt eine starke Verbindung von dem, was sich aufden Simplexen (also auf den Ketten) tut,und den zugehorigen Abbildungen in der Homologie, die

”Spurformel“ von Hopf.

Die Darstellung hier basiert auf Munkres [Mun84,§§21,22].

Definition 5.1 (Abbildungsgrad). Jede stetige Abbildungh : Sn → Sn induziert einen Gruppenhomo-morphismush∗ : Hn(Sn; Z) → Hn(Sn; Z), der jedes Element vonHn(Sn; Z) ∼= Z auf seind-fachesabbildet. Das dadurch definiertedeg h := d ∈ Z heißt derGrad (oder derAbbildungsgrad) vonh.

Beachte hier: die GruppeHn(Sn; Z) ist isomorph zuZ, aber der Isomorphismus ist nicht eindeutig: dafurmussen wir einen Fundamentalzykluscn ∈ Zn(Sn; Z) auswahlen, also eine Summe allern-Simplexein der alle Simplexe konsistent orientiert sind — also eineOrientierungder Sphare. Wenncn so einFundamentalzyklus ist, dann ist−cn der andere. Der Erzeuger fur Hn(Sn; Z) ist dann[cn], und dieserwird beim IsomorphismusHn(Sn; Z) ∼= Z mit der1 ∈ Z identifiziert.

Lemma 5.2. Fur stetigeg, h : Sn → Sn gilt:

(1) Homotope Abbildungeng ∼ h haben denselben Graddeg g = deg h.(2) Die Identitat hat Grad1, alsodeg id = 1.(3) Bei Verkettung multiplizieren sich die Abbildungsgrade,deg(g ◦ h) = deg g · deg h.(4) Wenn sichh zuh : Bn+1 → Sn fortsetzen lasst, so istdeg h = 0.(5) Die Reflektionr in einer Hyperebene,(x0, x1, . . . , xn) 7→ (−x0, x1, . . . , xn), hat Graddeg = −1.(6) Die Antipodenabbildunga : x 7→ −x hat Graddeg a = (−1)n+1.

Hier wird nicht bewiesen, dass auch die Umkehrung von Teil (1) gilt: zwei Abbildungeng, h haben den-selben Graddeg g = deg h genau dannwenn sie homotop sind. Dies liegt am Zusammenhang zwischender n-ten HomotopiegruppeΠn(X; x0) und dern-ten HomologiegruppeHn(X; Z) — der Hurewicz-Homomorphismusist fur dien-Sphare ein Isomorphismus.

Beweis.(1), (2) und (3) folgen aus den allgemeinen Eigenschaften der durch stetige Abbildungen in-duzierten Homomorphismen in Homologie. Fur (4) betrachteh = h ◦ i : Sn → Bn+1 → Sn unddie zugehorigen Homomorphismenh∗ = h∗ ◦ i∗ : Hn(Sn) → Hn(Bn+1) = {0} → Hn(Sn). Fur(5) durfen wir annehmen, dassSn die

”oktaedrische“ Triangulierung tragt, die durch dien + 1 Koordi-

natenhyperebenen inRn+1 induziert wird. Der Fundamentalzyklusc ∈ Cn(Sn; Z) wird dann offenbarauf r#c = −c abgebildet. Daraus folgt auch (6), weila durch Hintereinanderausfuhrung vonn + 1Spiegelungen entsteht.

Korollar 5.3. Es gibt keineRetraktionBn+1 → Sn, d. h. keine stetige AbbildungBn+1 → Sn, die allePunktex ∈ Sn auf sich selbst abbildet (festhalt).

Dieses Korrollar istaquivalent zu der Aussage, dass dieSn nicht kontrahierbar ist (Korollar 3.9).

Beweis.Die Retraktion ware eine Fortsetzung der Identitat id : Sn → Sn, musste also nach Teil (4) desLemmas Grad0 haben, aber nach Teil (2) den Grad1.

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Daraus folgt, wie damals besprochen, der Brouwersche Fixpunktsatz 3.10. Aber wir konnen aus demAbbildungsgrad noch mehr Fixpunktsatze ableiten.

Korollar 5.4. Jede Abbildungh : Sn → Sn mit deg h 6= (−1)n+1 hat einen Fixpunkt.

Beweis.Wennh keinen Fixpunkt hat, dann konnen wir eine Homotopieh ∼ a konstruieren.

Korollar 5.5. Jede Abbildungh : Sn → Sn mit deg h 6= 1 hat bildet einen Punktx ∈ Sn auf seinenAntipodenpunkt−x ab.

Beweis.Betrachtea ◦ h.

Korollar 5.6 (Satz vom Igel;”hairy ball theorem“). Auf derSn gibt es dann und nur dann ein Tangenti-

alvektorfeld ohne Nullstelle, wennn ungerade ist.

Aquivalent: eine stetige Abbildungv : Sn → Sn mit 〈x, v(x)〉 = 0 fur alle x ∈ Sn gibt es genau dann,wennn ungerade ist.

Beweis.Fur geradesn + 1 kann man mitv(x0, x1, . . . , xn−1, xn) := (x1,−x0, . . . , xn,−xn−1) so einVektorfeld definieren.

Ein nullstellenfreies Vektorfeld kann so normiert werden,dass‖v(x)‖ = 1 gilt. Damit definiert es eineAbbildung v : Sn → Sn, die weder Fixpunkte und noch Antipodenpunkte hat, also nach den letztenbeiden Korollaren Graddeg v = 1 unddeg v = (−1)n+1 hat.

Sehr viel tiefliegender ist die Frage, fur welchen die n-Sphareparallelisierbar ist, alson linear un-abhangige nullstellenfreie Vektorfelder zulasst. Die Antwort (genau fur n ∈ {0, 1, 3, 7}!) hangt engmit der Existenz von Divisionsalgebren zusammen; die Vektorfelder bekommt man fur n = 1 aus denkomplexen Zahlen (v(z) := iz fur z ∈ S1 ⊂ R2 ∼= C), fur n = 3 aus durch Multiplikation mit denEinheiteni, j, k der nicht-kommutativen Hamilton’schen QuaternionenalgebraH, und fur n = 7 aus dernicht-kommutativen und nicht-assoziativen acht-dimensionalen Cayley’schen OktonionenalgebraO, mitS7 ⊂ R8 ∼= O. Die Nicht-Existenz von reellen Divisionsalgebren einer anderen Dimension als1, 2, 4, 8wird in der Tat mit Methoden der algebraischen Topologie bewiesen — einen anderen Beweis kennt mannicht!

Noch sehr viel tiefliegender ist die Frage, wie viele linear unabhangige Vektorfelder es denn auf dern-Sphare geben kann — diese wurde 1962 von Adams mit Hilfe der (inzwischen so benannten) Adams-Spektralsequenzen und sehr viel

”K-Theorie“ (einer verallgemeinerten Homotopietheorie) bewiesen.

Ich verweise fur eine spannende Diskussion dieser Fragen auf den”Zahlen“-Band von Ebbinghaus et

al. [EHH+92, Kap. 11].

5.2 Euler-Charakteristik

SeiK ein endlicher Simplizialkomplex. Wir hatten aus der Definition vonHk(K; G) := ker ∂k/ im ∂k+1

ja schon hergeleitet, dass

rankHk(K; G) =(rankCk(K; G) − rank ∂k

)− rank ∂k+1, (1)

und zwar gilt dies sowohl im FallG = Z, wo”rank“ den Rang der abelschen Gruppe bezeichnet, als

auch wennG die additive Gruppe eines Korpers ist: in dem Fall ist”rank“ die Dimension eines endlich-

dimensionalen Vektorraums.

Die Gleichung (1) ist ziemlich aufschlussreich:

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Page 29: Topologie 009(de)(59s)

• rank Ck(K; G) = fk ist die Anzahl derk-dimensionalen Seiten vonK. Diese hangt auch nicht vonder Koeffizientengruppe vonG ab.Die Parameterfk eines hochstensn-dimensionalen KomplexesK fasst man zumf -Vektor

f∗(K) := (f0, f1, f2, . . . , fn)

zusammen.• βk = rankHk(K; G) ist die k-te Bettizahl vonK. Diese hangt im allgemeinen durchaus von der

gewahlten Koeffizientengruppe ab; genauer/deutlicher ware alsoβk(K; G) zu schreiben.DerBetti-Vektordes KomplexesK ist damit

β∗(K; G) := (β0, β1, β2, . . . , βn).

• Es liegt nahe, von der Formel (1) alternierende Summen zu bilden, so dass sich die Range der Rand-operatoren wegheben. Dies fuhrt zur Euler-Poincare-Gleichung, die wir als nachstes angeben.

Beispiel. BezeichnetRP26 die minimale Triangulierung der projektiven Ebene auf6 Ecken (die man

durch Indetifikation gegenuberliegender Ecken des Ikosaeders erhalt), so istf(RP26) = (6, 15, 10),

β(RP26, Z) = (1, 0, 0), undβ(RP2

6, Z2) = (1, 1, 1).

Satz 5.7(Euler–Poincare-Formel). Fur jeden endlichen Simplizialkomplex der Dimensionn gilt

f0 − f1 + f2 − f3 ± · · ·+ (−1)nfn = β0 − β1 + β2 − β3 ± · · ·+ (−1)nβn (2)

Beachte: Die Summanden der linken Seite der Formel sind unabhangig vonG; das ist fur die rechte Seitenicht wahr. Die Summanden der rechten Seite hangen nicht von der gewahlten Triangulierung von‖K‖ab, sie sind topologisch invariant, was wiederum fur die Komponenten der linken Seite nicht stimmt.

Definition 5.8 (Euler-Charakteristik). DieEuler-Charakteristikeines triangulierbaren topologischen Raumsmit Homologiegruppen endlichen Ranges ist die alternierende Summe

χ(X) := β0 − β1 + β2 − β3 ± . . . =∑

i≥0

(−1)i rankHi(X; Z).

Die reduzierte Euler-Charakteristikχ(X) wird entsprechend durch die reduzierten Homologiegruppengegeben. Es ist alsoχ(X) = −1 + χ(X).

Beispiele.Jeder kontrahierbare Raum hat dieselbe Euler-Charakteristik wie derRn,

χ(X) = χ(Rn) = 1,

also die reduzierte Euler-Charakteristikχ(X) = χ(Rn) = 0.

Die Spharen haben Euler-Charakteristik

χ(Sn) = 1 + (−1)n

also reduzierte Euler-Charakteristikχ(Sn) = (−1)n.

Die reellen projektiven RaumeRPn haben Eulercharakteristik

χ(RPn) =1 + (−1)n

2=

{1 n ungerade

0 n gerade,

weil sich bei der zweiblattrigenUberlagerungsabbildungSn → RPn (vgl. Abschnitt 6.2) die Euler-Charakteristik halbiert: Jede Triangulierung vonRPn liefert eine zentralsymmetrische TriangulierungvonSn, in der jederk-Simplex inRPn genau zweik-Simplexen vonSn entspricht.

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Page 30: Topologie 009(de)(59s)

Korollar 5.9. Fur jede triangulierten-Sphare (etwa den Randkomplex eines(n + 1)-dimensionalensimplizialen Polytops) mitfi Simplexen der Dimensioni gilt

f0 − f1 + f2 ∓ . . . (−1)nfn = 1 + (−1)n.

Beispiel. Wir betrachten∆(k)n , dask-dimensionale Skelett desn-dimensionalen Simplex (1 ≤ k ≤ n).

Es gilt

fi =

{(n+1k+1

)fur 0 ≤ i ≤ k

0 sonst.

Damit istχ(∆(k)n ) =

∑ki=0(−1)i

(n+1i+1

). Vergleich mit dem Simplex ergibt, dassβ0 = 1 und ansonsten

βi = 0, außer (moglicherweise)βk. Aus der Euler–Poincare-Formel erhalt man

βk =

k∑

i=−1

(−1)k−i

(n + 1

i + 1

),

und diek-te Homologiegruppe einesk-dimensionalen Komplexes ist immer frei, also

Hi(∆(k)n ; Z) ∼=

Z fur i = 0,

Zβk fur i = k,

0 sonst.

5.3 Hopf-Spurformel

Verallgemeinerung von (1): die hier auftretenden Range kann man auch als Spur der Identitat auffassen— und dann auf Spuren von Kettenabbildungen von simplizialen Selbstabbildungen zu verallgemeinern.Das fuhrt direkt zur Hopf’schen Spurformel.

Spur einer quadratischen Matrix ist durchtraceA =∑

i aii gegeben. Wenn wirA als eineUbergangs-matrix betrachten, die Wahrscheinlichkeiten oder Haufigkeitenaij angibt, mit denen man voni nachjgeht, dann misst die Spur, wie oft man

”am Ort bleibt“. In einer solchen Interpretation (oder algebra-

isch) ist leicht zu sehen, dasstrace(AB) = trace(BA) gilt: dies ist∑

i,j aijbji. (Dto. etwa fur passendenicht-quadratische Matrizen,A ∈ Zm×n und B ∈ Zn×m.) WennB invertierbar ist, so folgt daraustrace(B−1AB) = traceA; so ist die Spur eines Endomorphismus wohldefiniert (basisunabhangig).Dies gilt auch, wenn wir etwa mit ganzzahligen MatrizenA ∈ Zn×n hantieren, die HomomorphismenfA : Zn → Zn darstellen.

Satz 5.10(Hopf-Spurformel). SeiK ein endlicher Simplizialkomplex, und seif : K → K eine simpli-ziale Abbildung, so induziert dies Endomorphismenf# : Ck(K; Z)→ Ck(K; Z). Fur diese gilt

k≥0

(−1)k trace(f#, Ck(K; Z)) =∑

k≥0

(−1)k trace(f∗, Hk(K; Z)/T (Hk(K; Z)))

im Fall von ganzzahligen Koeffizienten, wobeiT (H) := {x ∈ H : kx = 0 fur eink > 0} die Torsions-untergruppevonH bezeichnet, und

k≥0

(−1)k trace(f#, Ck(K; G)) =∑

k≥0

(−1)k trace(f∗, Hk(K; G))

im Fall eines KoeffizientenkorpersG.

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Page 31: Topologie 009(de)(59s)

Beweis.Selbstuberlegen sollte man sich, dassf∗ : Hk(X; Z) → Hk(X; Z) eine Abbildungf∗ :Hk(X; Z)/T (Hk(X; Z)) → Hk(X; Z)/T (Hk(X; Z)) induziert — weil jeder Gruppenhomomorphis-mus, wief∗, Torsionselemente auf Torsionselemente abbildet.

Als weiteres Element braucht man ein Analogon der Rangformel — wie am Beginn von Abschnitt5.2 diskutiert, aber eben mit

”Spur statt Rang“. Der Rest des Beweises findet sich dann bei [Mun84,

Thm. 22.1] fur den ganzzahligen Fall; der Korper-Fall ist einfacher, vgl. [Oss92, Satz 5.9.3].

Der Spezialfallf = id ist die Euler–Poincare-Formel 5.7.

5.4 Lefschetz-Zahl und -Fixpunktsatz

Analog zur rechten Seite der Euler–Poincare-Formel, der Euler-Charakteristik, ist die rechte Seite derHopf-Spurformel eine wichtige numerische Invariante von topologischen Selbstabbildungen:

Definition 5.11 (Lefschetz-Zahl). SeiK ein endlicher Komplex, und seih : ‖K‖ → ‖K‖ eine stetigeAbbildung. Dann heißt

Λ(h) :=∑

k≥0

(−1)k trace(h∗, Hk(K; Z)/T (Hk(K; Z)))

dieLefschetz-Zahlvonh.

Die Lefschetz-Zahl ist eine Invariante der Homotopieklasse: homotope Abbildungen induzieren diesel-ben Homomorphismen in Homologie, und haben deshalb dieselbe Lefschetz-Zahl.

Intuition: die Lefschetz-Zahl ist ein Maß fur die Euler-Charakteristik der Fixpunktmenge.

Satz 5.12(Lefschetz-Fixpunktsatz [Mun84, Thm. 22.3]). Sei K ein endlicher Komplex, und seih :‖K‖ → ‖K‖ eine stetige Abbildung. WennΛ(h) 6= 0 ist, dann hath einen Fixpunkt.

Beweis-Skizze.Seih fixpunktfrei. Die Lefschetz-Zahl ist unabhangig von der gewahlten Triangulierung,also auch invariant unter Unterteilungen vonK. Daher durfen wir zunachstK so fein unterteilen, dassfur alle Eckenv die Bedingungh(StarK v) ∩ StarK v = ∅ gilt (Kompaktheit!).

Im zweiten Schritt wirdK weiter unterteilt, so dassh eine simpliziale Approximationf : K ′ → K hat.Diese ist homotop zuh, hat also dieselbe LefschetzzahlΛ(f) = Λ(h) hat.

Nun seiλ : C∗(K) → C∗(K′) der Unterteilungsoperator. Dann istλ ◦ f# : C∗(K

′) → C∗(K′) eine

Kettenabbildung, dieh∗ induziert. Und fur diese Kettenabbildung sind alle Spuren0: Jeder Simplexσ ∈ K ergibt unterλ eine Summe von Simplexen vonK ′, deren Bilder unterf# wegen der Feinheit derUnterteilung und wegen der Sternbedingung in der simplizialen Approximation alle disjunkt zuσ sind.Die Spurformel liefert damitΛ(h) = 0.

Lemma 5.13. trace(f∗, H0(K; Z)) ist die Anzahl der Komponenten vonK, die auf sich selbst abge-bildet werden. WennK zusammenhangend ist, dann istf∗ = id∗ : H0(K; Z) → H0(K; Z) und damittrace(f∗, H0(K; Z)) = 1.

Beispiele.Λ(idK) = χ(K).Λ(const: K → K) = 1.Λ(f : Sn → Sn) = 1 + (−1)n deg(f).

Beispiel.Sein > 0. Fur h : Sn → Sn ist Λ(h) = 1+(−1)n deg h. Damit folgt aus dem LefschetzschenFixpunktsatz, dassdeg a = (−1)n+1, denn die Antipodenabbildunga ist fixpunktfrei.

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Page 32: Topologie 009(de)(59s)

Ein topologischer Raum heißtazyklisch, wenn alle seine reduzierten Homologiegruppen verschwinden,das heißt, wennH0(X; Z) ∼= Z undHk(X; Z) ∼= {0} fur allek 6= 0 ist. Jeder kontrahierbare Raum istazyklisch, aber es gibt auch azyklische Raume, die nicht kontrahierbar sind.

Korollar 5.14. WennK ein endlicher, azyklischer Komplex ist, dann hat jede stetige Abbildungh :‖K‖ → ‖K‖ einen Fixpunkt.

Dieses Korollar ist eine starke Verallgemeinerung des Brouwer’schen Fixpunktsatzes!

5.5 Der Satz von Borsuk–Ulam

Ein ausgesprochen anwendungsreiches Resultat (siehe [Mat03]!!) bekommen wir mit dem Lefschetz-Fixpunktsatz

”fast umsonst“.

Satz 5.15(Borsuk’scher Antipodensatz; Borsuk–Ulam-Satz; siehe [Mat03]). Wenn eine stetige Abbil-dungf : Sn → Sm antipodentreuist (alsof(−x) = −f(x) fur alle x ∈ Sn), dann giltn ≤ m.

Beweis.Seif : Sm → Sn stetig und antipodentreu mitm > n. Die ubliche Einbettungg : Sn → Sm

ist ebenfalls antipodentreu. Damit erhalten wir ein antipodentreuesf ◦ g : Sn → Sn.

Weiter konnen wirSn fein genug und zentralsymmetrisch so unterteilen, dassf ◦ g eine simplizialeApproximation hat. Wegen Zentralsymmetrie treten die vonΛ(f ◦g) laut Spurformel gezahlten Simplexepaarweise auf, und daraus folgtΛ(f ◦ g) ≡ 0 mod 2: die Lefschetz-Zahl ist gerade.

Es ist aber auchg : Sn → Sm null-homotop fur n < m, denn diem-Sphare ist ja(m − 1)-zusam-menhangend. Damit ist aber auchf ◦ g nullhomotop, d. h. homotop zu einer konstanten Abbildung, hatalso Lefschetz-Zahl1: Widerspruch!

Satz 5.16(Aquivalente Versionen zum Borsuk–Ulam-Satz).

(BU1) (Borsuk’s “Satz I”)Eine antipodentreue Abbildungf : Sn → Sn kann nicht nullhomotop sein.(BU2) (Borsuk’s “Satz II”)Jede Abbildungf : Sn → Rn identifiziert Antipoden, d. h. es gibtx ∈ Sn

mit f(x) = f(−x).(BU3) Jede symmetrische Abbildungf : Sn → Rn, f(−x) = −f(x), hat eine Nullstelle.(BU4) (Borsuk’s “Satz III” / Lyusternik–Schnirelman (1930) / Greene (2002))In jeder Uberdeckung

F0, . . . , Fn vonSn, in der jede MengeFi entweder offen oder abgeschlossen ist, enthalt eine derMengen zwei antipodale Punkte.

Beweis.Die Version (BU1) haben wir schon”mitbewiesen“: Wir haben ja gezeigt, dassf antipodentreu

impliziert dassΛ(f) gerade ist, wahrend jedes nullhomotopef die Lefschetz-ZahlΛ(f) = 1 hat.

Die nachsten Resultate leitet man leicht und direkt aus der Ausgangsversion (BU) von Satz 5.15 ab, etwain der Reihenfolge (BU)=⇒(BU3)=⇒(BU2).

Die Implikation (BU3)=⇒(BU4) folgt zunachst fur den Fall, dass alleFi abgeschlossensind, durchBetrachtung vonf : Sn → Rn, x 7→ (dist(x, F1), . . . , dist(x, Fn)). Nach (BU3) gibt es einx ∈ Sn

mit f(x) = f(−x) = y. Ist einyi = 0, so giltx,−x ∈ Fi. Sind alleyi 6= 0, so giltx,−x ∈ F0. DerFall eineroffenenUberdeckung folgt nun, indem man zeigt, sich jede offeneUberdeckung durch eineabgeschlossene verkleinern lasst: fur jeden Punktx ∈ Sn betrachte einen kleinen offenen Ball, dessenAbschluss in einem derFi enthalten ist. Dann verwende Kompaktheit (endliche Teiluberdeckung). DerFall einerallgemeinenUberdeckung folgt nun, weil man jede abgeschlossene antipodenfreie Menge zueiner offenen, antipodenfreien vergrossern kann: unter Verwendung von Kompaktheit existiert

ε := 12 min{max{dist(x, Fi), dist(−x, Fi)} : x ∈ Sn}} > 0

und man kannFi durch die offene Menge aller Punkte ersetzen, die vonFi Abstand< ε haben.

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Page 33: Topologie 009(de)(59s)

Topologie – WS05/06 – TU Berlin – Gunter M. Ziegler

6 Mannigfaltigkeiten

Das Studium und (soweit moglich . . . ) die Klassifikation der Mannigfaltigkeiten (vgl. Definition 2.15)sind ein Hauptthema und eine (unlosbare, vgl. Bemerkung 3.21) Hauptaufgabe der Topologie.

6.1 Klassifikation der 2-dimensionalen Mannigfaltigkeiten

Die 2-dimensionalen Mannigfaltigkeiten heißen auchFlachen. Im Folgenden betrachten wir nur zusam-menhangende Flachen, ohne Rand, und kompakt. Sie sind triangulierbar (Satz 2.16).

Beispiele sind: die SphareS2, der TorusT 2 = S1 × S1, die reelle projektive EbeneRP2, die KleinscheFlascheK2, die Sphare mitg HenkelnMg (wobeiM0 = S2, M1 = T 2 ist), die projektive Ebene mitgHenkeln, etc.

Zusatzlich um”Anfugen eines Henkels“ betrachtet man auch das

”Aufnahen einer Kreuzhaube“: man

schneidet aus der Flache eine kleine Kreisscheibe heraus, und identifiziert diegegenuberliegenden Rand-punkte, die daraus entstehen. Aufnahen einer Kreuzhaube aufS2 erzeugtRP2.

Ubungsaufgabe.Das”Anfugen eines Henkels“ reduziert die Eulercharakteristik um2. Es erhalt Orien-

tierbarkeit.Das

”Aufnahen einer Kreuzhaube“ reduziert die Eulercharakteristikum1. Die dabei entstehende Flache

ist nicht orientierbar.

Definition 6.1 (Orientierbare und nichtorientierbare Flachen vom Geschlechtg).Die FlacheMg, die man durch Anfugen vong ≥ 0 Henkeln an die2-Sphare erhalt, heißtorientierbareFlache vom Geschlechtg.

Die FlacheM ′g, die man durch Aufnahen vong ≥ 1 Kreuzhauben auf die2-Sphare erhalt, heißtnicht-

orientierbare Flache vom Geschlechtg.

Orientierbarkeit einer zusammenhangenden Flache kann man anH2(M ; Z) = Z erkennen. Wegenχ(Mg) = 2 − 2g bzw. χ(M ′

g) = 2 − g lassen sich die Flachen aus Definition 6.1 an ihrer Homolo-gie unterscheiden.

Satz 6.2(Klassifikation der 2-Mannigfaltigkeiten; vgl. Ossa [Oss92, Abschnitt 3.8]).Jede zusammenhangende, geschlossene2-Mannigfaltigkeit ist zu einer eindeutigen Flache vom TypMg

oder vom TypM ′g homoomorph.

Zusammenhangende Flachen, die bezuglichOrientierbarkeitundEuler-Charakteristikubereinstimmen,sind also homoomorph.

Insbesondere impliziert dies Relationen von der Form”drei Kreuzhauben= eine Kreuzhaube und ein

Henkel“.

Beweisskizze.Verwende, dass jede 2-Mannigfaltigkeit triangulierbar ist.

Zusammenfassung von Dreiecken ergibt eine Darstellung alseine einzige2-Zelle, mit Identifikation derKanten am Rand. Damit ist jede2-Mannigfaltigkeit gegeben durch ein Wort der Form

a1a2a3a1a−12 a4a5a3a

−14 a5 . . .

der Lange2m, in der jeder Buchstabe genau zweimal vorkommt, evtl. invertiert.

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Page 34: Topologie 009(de)(59s)

Umgekehrt stellt jedes solche Wort eine Flache dar. Beispiele:aa−1 entspricht einerS2, aa ergibtRP2.Die Flache ist orientierbar genau dann, wenn jeder Buchstabe genau einmal invertiert (und einmal nichtinvertiert) vorkommt.

Nun fuhrt man eine”Normalisierungsprozedur“ durch: in einer endlichen Folgevon Schritten, die das

Flachenwort vereinfachen, den Homoomorphietyp der Flache aber nicht verandern, wird jedes Wortentweder in die Forma1a

−11 (dieS2) gebracht, oder in

a1a2a−11 a−1

2 a3a4a−13 a−1

4 . . . a2g−1a2ga−12g−1a

−12g

mit g ≥ 1 transformiert, wasMg darstellt, oder in die Form

a1a1 a2a2 . . . agag

mit g ≥ 1 gebracht, dieM ′g ergibt.

Die Einzelschritte der Normalisierungsprozedur sind, kurz gefasst:

1. Triviale Modifikationen: zyklische Vertauschung,Umorientierung einer Kante (Ersetzung vonai durcha−1

i ),Zusammenfassen aufeinanderfolgenden Kanten (Ersetzen von zweimal auftretendemaiaj durchai),

2. Beiziehen einer Kante (Auslassen vonaia−1i ),

3. Ecken-Reduktion (ergibt Schema einer Flache mit nur einer Ecke),4. Kreuzhauben-Normierung,5. Henkel-Normierung (ergibt Schema fur Mg),6. Henkel-Elimination (ergibt Schema fur M ′

g)

Fur die Details verweise ich auf Ossa [Oss92, Abschnitt 3.8].

Bemerkung6.3. Dieser auf Brahana [Bra21] zuruckgehende Beweis ist konstruktiv: er kann zur algo-rithmischen Berechnung des Typs einer Flache (und z. B. von Homologie-Erzeugern etc.) verwendetwerden; vgl. Francis & Weeks [FW99] sowie aktuell Lazarus etal. [LPVV01].

Korollar 6.4. Zusammenhangende geschlossene2-Mannigfaltigkeiten mit derselben Homologie (mitZ-Koeffizienten) sind homoomorph.

Beweis.Es istH∗(Mg; Z) ∼= (Z, Z2g, Z), sowieH∗(M′g; Z) ∼= (Z, Zg−1 ⊕ Z2, 0).

Korollar 6.5. Die Fundamentalgruppe der orientierbaren FlacheMg vom Geschlechtg (g ≥ 0) hateine Prasentation der Form

π(Mg) ∼=⟨a1, a2, . . . , a2g : a1a2a

−11 a−1

2 a3a4a−13 a−1

4 · · · a2g−1a2ga−12g−1a

−12g = 1

⟩.

Die Fundamentalgruppe der nichtorientierbaren FlacheM ′g (g ≥ 1) vom Geschlechtg ist

π(M ′g)∼=

⟨a1, a2, . . . , ag : a1a1 a2a2 · · · agag = 1

Proposition 6.6(Abelianisierung der Fundamentalgruppe [Hat02, Sect. 2.A]). SeiX triangulierbar undzusammenhangend. Dann ist die erste HomologiegruppeH1(X; Z) vonX kanonisch isomorph zurAbe-lianisierungπ(X)ab := π1(X)/[π1(X), π1(X)] der Fundamentalgruppeπ1(X) = π1(X; x0).

Beweis.Jede Schleife reprasentiert eine Homologieklasse, und homotope Schleifen bestimmen die-selbe Homologieklasse. (Beweis entweder durch simpliziale Approximation, oder durch Prasentationder Fundamentalgruppe durch Kanten und Dreiecke bzgl. Spannbaum). Verknupfte Schleifen entspre-chen offenbar einer Summe von Homologieklassen. Also gibt es einen kanonischen Homomorphismusp : π1(X)→ H1(X; Z).

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Page 35: Topologie 009(de)(59s)

Die Kommutatoruntergruppe[π1(X), π1(X)] liegt im Kern des Homomorphismus, daH1(X; Z) abelschist. Also gibt es einen kanonischen Homomorphismusp : π1(X)/[π1(X), π1(X)]→ H1(X; Z).Der Homomorphismusp ist surjektiv, weil man zu jedem 1-Zykel eine Schleife konstruieren kann, dieihn induziert (verwende z. B. wieder Spannbaum).Der Homomorphismus ist injektiv: Siehe Hatcher [Hat02, pp.167,168], insbesondere die geometrischeErklarung am Ende des Beweises.

Also kann man die zusammenhangenden Flachen auch an ihren Fundamentalgruppen erkennen/ausein-anderhalten, dennH1(Mg; Z) ∼= Z2g undH1(M

′g; Z) ∼= Zg−1 ⊕ Z2.

Der Zusammenhang zwischen Fundamentalgruppe und Homologie hat auch ein hoherdimensionalesAnalogon: nur wird da alles einfacher, weil die hoheren Homotopiegruppen abelsch sind: In der erstenDimension, in der Homologie- bzw. Homotopiegruppe nicht-trivial sind, sind sie insbesondere isomorph— wenn der Raum einfach-zusammenhangend ist. Dies ist der Satz von Hurewicz [Spa66, p. 398]; erhat weitere Erweiterungen, etwa dass jede Abbildung zwischen einfach-zusammenhangen Raumen, diein jeder Dimension Homologie-Isomorphismen erzeugt, schon eine Homotopieaquivalenz ist (Satz vonWhitehead [Hat02, Thm. 4.5]).

6.2 Uberlagerungen

Definition 6.7 (Uberlagerungen). Eine surjektive Abbildungp : M →M heißtUberlagerung, wenn esfur jedesx ∈ M eine UmgebungUx gibt, so dass das Urbildp−1(Ux) eine disjunkte Vereinigung vonoffenen Mengen inM ist, die alle vonp homoomorph aufUx abgebildet werden.

Im Allgemeinen werden wir nurUberlagerungen von Mannigfaltigkeiten betrachten. WennM eine Man-nigfaltigkeit ist, dann auchM .

Wennp : M → M Uberlagerung einer zusammenhangenden MannigfaltigkeitM ist, so hat das Urbildp−1(x) fur jedesx ∈ M dieselbe Kardinalitat. Im Fall von|p−1(x)| = k < 0 sprechen wir von einerk-blattrigenoderk-fachenUberlagerung.

Lemma 6.8(Eulercharakteristik vonUberlagerungen). Wennp : M → M einek-facheUberlagerungist, so giltχ(M) = kχ(M).

Beispiel. Fassen wirS1 als Teilmenge vonC auf, so definiertp : S1 → S1, z 7→ zk einek-blattrigeUberlagerung (fur k > 0).

Wenn es eine nichttriviale endlicheUberlagerungπ : M → M (also mit1 < k < ∞) gibt, wie fur S1

und fur T = S1 × S1, so ist nach der Eulercharakteristik-Gleichungχ(M) = 0.

Bemerkung6.9. Die”Typen von“ zusammenhangendenUberlagerungen einer gegebenen zusammen-

hangenden MannigfaltigkeitM hangen eng mit den Untergruppen der Fundamentalgruppeπ1(M) zu-sammen, und konnen durch diese klassifiziert werden.

Grob gilt dabei:”Je kleiner die Untergruppe, desto großer die entsprechendeUberlagerung.“ Insbeson-

dere entspricht (fur gutartige Raume, etwa triangulierbare) der trivialen Untergruppe eine eindeutig be-stimmte großteUberlagerung, die einfach-zusammenhangend ist, die sogenannteuniverselleUberlage-rung, die bis auf

”Aquivalenz“ (die man genau definieren muss/kann) eindeutigist.

All dies soll hier nicht naher behandelt werden; siehe z. B. [Mun00, Chap. 13].

Beispiel.Die Flachen kann man in vielen verschiedenen Darstellungen konstruieren, zum Beispiel auchalsUberlagerungen. So erhalt man z. B.M ′

h durch Anfugen vonh−12 Henkeln anRP2 = M ′

1 (fur unge-radesh) und durch Anfugen vonh−2

2 Henkeln anK2 (fur geradesh). Aus dieser Darstellung sieht manleicht, dassM ′

h eine zweifacheUberlagerung hat, die orientierbar und damit zu einemMg homoomorphist (nach Klassifikationssatz).

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Page 36: Topologie 009(de)(59s)

Die Eulercharakteristik-Rechnung nach Lemma 6.8 ergibt dann2−2g = χ(Mg) = 2χ(M ′h) = 2(2−h),

alsog = h− 1.

Beispiel. ZweifacheUberlagerungπ : Sn → RPn, also

χ(RPn) = 12(1 + (−1)n) =

{0 n ungerade,

1 n gerade.

Proposition 6.10. Jede zusammenhangende nichtorientierbare MannigfaltigkeitM hat eine kanonischezusammenhangende orientierbare zweifacheUberlagerungp : M →M .

Beachte aber:RPn ist fur ungeradesn ≥ 1 orientierbar. In diesem Fall ist die antipodale Abbildunga : Sn → Sn orientierungserhaltend. Jedoch istSn → RPn fur jedesn > 1 die universelle (einfachzusammenhangende)Uberlagerung vonRPn. Fur n = 1 ist diese durchR → S1 ∼= RP1, x 7→ eix

gegeben.

Proposition 6.11. SeiX ein topologischer Raum, auf dem eine endliche Gruppe (von “Symmetrien”)frei operiert, also so dass

• jedemg ∈ G ein Homomorphismusϕ(g) : X → X zugeordnet ist,• ϕ(1) = idX : X → X undϕ(gh) = ϕ(g) ◦ ϕ(h) : X → X gilt,• ϕ(g)(x) 6= x gilt fur g 6= 1

Dann ist die Projektionp : X → X/G, x 7→ [x] = {ϕ(g)(x) : g ∈ G} eineUberlagerungsabbildung.

Dasselbe gilt auch im Fall von unendlichen GruppenG, wenn man fordert, dass die Gruppenaktion

”eigentlich diskontinuierlich“ ist, also so, dass jedesx ∈ X eine UmgebungUx hat, fur die die Mengen

g(Ux) alle disjunkt sind.

Beispiele.G = Z2 operiert frei aufSn, mit ϕ(0) = id undϕ(1) = a (die”antipodale Wirkung“).

G = Zp operiert frei aufS2n−1 ⊂ Cn durch die Multiplikation mitp-ten Einheitswurzeln (p ≥ 2).

G = Zp hat keine freie Operation aufS2n, fur p > 2: das geht nicht wegen Lemma 6.8, denn dannmussteχ(S2n/Zp) = 2

p gelten.

Lemma 6.12([Hat02, p. 71]). WennX wegzusammenhangend, einfach-zusammenhangend und”lokal-

wegzusammenhangend“ ist (diese Bedingung ist fur triangulierbaresX erfullt), und die GruppeG ei-gentlich diskontinuierlich und frei aufX operiert, dann istπ1(X/G) ∼= G.

Beispiel. Die GruppeG = Z operiert frei aufX = R mit ϕ(z)(x) := x + z. Wir erhaltenX/G =R/Z ∼= S1 mit π1(S

1) ∼= Z.

Die GruppeG = Z2 operiert frei aufX = R2 mit ϕ(z1, z2)(x1, x2) := (x1 + z1, x2 + z2). Wir erhaltenX/G = R2/Z2 ∼= T 2 mit π1(T

2) ∼= Z2.

6.3 Einige 3-Mannigfaltigkeiten

Wahrend die fundamentalen Fragenuber 2-Mannigfaltigkeiten mit Satz 6.2 geklart sind, stellen uns3-Mannigfaltigkeiten vor offenbar schwierige Probleme (siehe die Poincare-Vermutung 3.12). In diesemAbschnitt wollen wir hauptsachlich Beispiele von interessanten (Klassen und Konstruktionsmethodenvon)3-Mannigfaltigkeiten prasentieren.

Beispiel(Der Dodekaederraum, eine Poincare-Homologiesphare; siehe [BL00]). DenDodekaederraumΣ3 erhalt man aus dem regularen 3-dimensionalen Dodekaeder durch Verkleben jeder Seitenflache mitder gegenuberliegenden nach einer Rotation umπ/5 = 36◦. Man uberzeugt sich, dass der entstehendeRaum eine3-Mannigfaltigkeit ist, die die Homologie der 3-Sphare hat:H∗(Σ

3; Z) ∼= (Z, 0, 0, Z). Die

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Fundamentalgruppe ist aber nicht-trivial, sie hat 120 Elemente (vgl. Seifert–Threlfall [ST34,§62]). Sieist die

”binare Ikosaedergruppe“, wie man aus einer Darstellung des Dodekaederraums als Quotient der

3-Sphare sieht — siehe unten. Elementar kann man sich die Darstellung

π1(Σ3) ∼= 〈a, b : a5 = (ab)2 = b3〉

herleiten, aus der man auch sieht, dass die Abelianisierungtrivial ist. Ich verweise auf die Diskussion/Rechnung in Seifert & Threlfall [ST34,§62], die Originalreferenz von 1934. Das ganze Kapitel 9 diesesBuches ist fur uns interessant und sehr gut zuganglich.

Der 2-dimensionale Raum, den Dodekaederraums, den man durch Identifikation desRandesdes Dode-kaederraums bekommt, ist ein einfaches Beispiel eines Raums der azyklisch ist (alle reduzierten Homo-logiegruppen verschwinden), aber eine nichttriviale Fundamentalgruppe (namlich I) hat.

Die folgende Klasse von Mannigfaltigkeiten hat Tietze (1908) eingefuhrt.

Beispiele(Linsenraume). Sei1 ≤ q < p, mit teilerfremdenp undq.

Auf dem BallB3 werden die Punktex ∈ ∂B3 = S2 undϕ(x) identifiziert, wobei manϕ(x) ausx durch“Rotation um die Polachse um den Winkel2πq/p, und dann Reflektion an derAquatorebene” entsteht.

Der Quotientenraum ist eine3-dimensionale, kompakte, orientierbare Mannigfaltigkeit, derLinsenraumL(p, q). Zum Beispiel istL(2, 1) ∼= RP3.

Die Konstruktion vonL(p, q) involviert einefreie Aktion von Zp auf dem Rand∂B3 ∼= S2, so dasswir π(S2/Zp) ∼= Zp erhalten. Das Innere des3-Balles andert die Fundamentalgruppe nicht, deshalbist π1(L(p, q)) ∼= Zp, und damit auchH1(L(p, q); Z) ∼= Zp. Die Homologie der Linsenraume istH∗(L(p, q); Z) = (Z, Zp, 0, Z). Damit sind Homologie und Fundamentalgruppe unabhangig vonq!

Alternative Darstellung: Man kannL(p, q) auch als QuotientS3/Zp erhalten, wobei die Aktion durch(z1, z2) 7→ ((ξp)

qz1, ξpz2) = (e2πiq/pz1, e2πi/pz2) gegeben ist (vergleiche [Hat02, Example 2.43]).

Satz 6.13(Klassifikation der Linsenraume).Klassifikation bezuglich Homoomorphie:L(p, q) ∼= L(p, q′) genau dann, wenn

qq′ ≡ ±1 mod p oder q′ ≡ q mod p.

Klassifikation bezuglich Homotopie-Aquivalenz:L(p, q) ≃ L(p, q′) genau dann, wenn

q′ ≡ ±a2q mod p fur eina ∈ Z.

Von diesem Satz ist der”dann“-Teil jeweils elementar-geometrisch, das

”nur-dann“ ist schwierig (wo-

bei die wesentlichen Teile von Reidemeister bzw. Whiteheadgeleistet wurden); vgl. Munkres [Mun84,§§40,69].

Korollar 6.14. Die LinsenraumeL(7, 1), L(7, 2) sind homotopieaquivalent, aber nicht homoomorph!

Ein weiterer, interessanter Aspekt:L(3, 1) hat keinen orientierungsumkehrenden Homoomorphismus!

6.4 Mehr Beispiele

Weitere Konstruktionsmethoden fur 3-Mannigfaltigkeiten (alle wichtig . . . ) werden hier nur kurz ange-sprochen. Siehe (klassisch) Seifert & Threlfall [ST34, Kap. 9], und (modern) Stillwell [Sti93, Chap. 8].

Proposition 6.15(Heegaard-Zerlegungen (Heegaard 1898)).Jede orientierbare kompakte3-Mannigfaltigkeit ohne Rand lasst sich durch Verkleben von zwei Henkel-korpern vom Geschlechtg (mit Rand homoomorph zuMg) erzeugen. Die Zerlegung vonM in zweiHenkelkorper mit Rand homoomorph zuMg heißt eineHeegaard-Zerlegung vom Geschlechtg.

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Beweis.Wir hatten schon referiert, dassM triangulierbar ist. Fur eine solche Triangulierung betrachtenwir nun eine rohrenformigeε-Umgebung (“tubular neighborhood”) des1-Skeletts. Der Rand dieser Um-gebung ist eine zusammenhangende orientierbare2-Mannigfaltigkeit, also vom TypMg fur geeignetesg ≥ 0.Man uberlegt sich, dass sowohl die Umgebung als auch ihr Komplement inM homoomorph zu einemHenkelkorper ist.

Die 3-Mannigfaltigkeiten von Heegaard-Geschlecht1, die man also durch Verkleben von zwei Volltorikonstruieren kann, sind genauS3, S2 × S1, und die Linsenraume.

Proposition 6.16(Erzeugung von 3-Mannigfaltigkeiten durch Chirurgie . . . ).Jede zusammenhangende orientierbare 3-Mannigfaltigkeit kann durch Chirurgie entlang eines Knotensoder einer Verkettung (“link”) erzeugt werden: man bohrt also einen oder mehrere Volltori aus derS3

geraus, und setzt die Volltori anders (”verdrillt“) wieder ein.

Proposition 6.17(. . . und als verzweigteUberlagerungen (Hilden 1974/Montesinos 1976)).Jede zusammenhangende orientierbare 3-Mannigfaltigkeit kann alsUberlagerung mit3-facher Verzwei-gung entlang eines Knotens aus der3-Sphare erzeugt werden.

Zum Nachlesen dieser Dinge wird das Knotentheorie-Buch vonRohlfsen [Rol90] empfohlen.

Eine schone, aktuelle und sehr anschaulich-konkreteUbersichtuber (weitere) Konstruktionsmethodenfur 3-Mannigfaltigkeiten, wie etwa dieSeifert-Mannigfaltigkeitengibt Lutz [Lut03].

6.5 Einige Lie-Gruppen

Weitere interessante und wichtige Beispiele liefert die Theorie der Matrixgruppen — Gruppen, die diffe-renzierbare Mannigfaltigkeiten sind, und fur die die Gruppenoperationen stetig und differenzierbar sind,heißenLie-Gruppen.

Beispiele(Einige Lie-Gruppen).Die MatrixgruppenGL(n, R), GL(n, C), SL(n, R) undSL(n, C) (fur n ≥ 1) sind Mannigfaltigkeitender Dimensionn2, 2n2, n2 − 1 bzw.2n2 − 2.

Dabei sindGL(n, C) und SL(n, C) Beispiele fur komplexe Mannigfaltigkeiten, von denen hier nichtweiter die Rede sein wird. (Weitere Beispiele: die

”Riemannschen Mannigfaltigkeiten“Mg.)

Die MatrixgruppenO(n), SO(n), U(n) undSU(n) (furn ≥ 1) sind sogar kompakte Mannigfaltigkeiten,der Dimensionn2−1

2 , n2−12 , n2 bzw.n2− 1. Die meisten davon sind zusammenhangend (Gegenbeispiel:

O(1) ∼= S0; O(n) hat zwei Komponenten.)

Weitere Beispiele: symplektische Gruppen, Spin-Gruppen,O(n, k), insbes.O(3, 1).

SO(2) ∼= U(1) ∼= S1.

Die GruppeSO(3) ∼= RP3: Fur diese Homoomorphie ordnet man jedem Vektorv ∈ B3 eine Rotationmit der AchseRv um den Winkelπ|v| zu.

Die GruppeSO(3) hat die doppelteUberlagerungp : SU(2) → SO(3), die ein Gruppenhomomorphis-mus ist. Es istSU(2) ∼= S3. Siehe [Kno96, Satz 6.5].

In SO(3) liegt als Untergruppe die Gruppe der Rotationen (orientierungserhaltenden Symmetrien (Rota-tionen) des regularen Dodekaeders/Ikosaeder, dieIkosaedergruppeI, mit |I| = 60. DurchUberlagerungerhalt man daraus diebinare Ikosaedergruppemit 120 Elementen, deren Abelianisierung trivial ist. AlsSU(2)/I ergibt sich der Dodekaederraum als Quotient aus einerUberlagerungsabbildung.

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Topologie – WS05/06 – TU Berlin – Gunter M. Ziegler

7 Exakte Sequenzen

Definition 7.1 (Exakte Sequenzen). Eine (endliche oder unendliche) Folge von abelschen Gruppen undHomomorphismen

. . . → A1i1→ A2

i2→ A3i3→ A4 → . . .

heißt einKomplex, wenn die Hintereinanderausfuhrungik ◦ ik−1 zweier Abbildungen immer die Nullab-bildung ergibt, wenn alsoim ik−1 ⊆ ker ik gilt f ur allek.

Die Folge ist eineexakte Sequenz, wenn dabei jeweilsim ik−1 = ker ik gilt, wenn der Komplex also

”keine Homologie hat“.

Beispiel. Einekurze exakte Sequenzist eine exakte Sequenz der Form

0→ A1i1→ A2

i2→ A3 → 0

Die Exaktheitsbedingungen bedeuten dabei, dassi2 surjektiv ist, mitker i2 ∼= A2, oderaquivalent dazu,dassi1 injektiv ist, mit coker i1 ∼= A3.

Ublicherweise sind von einer kurzen exakten Sequenzen zweiTerme gegeben (evtl. mit Informationubereine Abbildung), der dritte Term ist zu rekonstruieren. Dafur muss man aber Abbildungen kennen: WennetwaA1 = A2 = Z ist, dann istA3

∼= Zn wenn i1 eine Multiplikation mit±n ist; insbesondere istA3∼= {0} im Fall vonn = 1.

Insbesondere ist die mittlere GruppeA2 durchA1 und A3 im Allgemeinen nicht bis auf Isomorphiefestgelegt: Wenn

0 → Z → A → Z2 → 0,

exakt ist, dann konnteA ∼= Z oderA ∼= Z⊕ Z2 gelten.

Ubungsaufgabe.In einer kurzen exakten Sequenz ist der Rang der mittleren Gruppe gleich der Summeder Range der beidenaußeren Gruppen.

Dto. entwickelt man die Definitionen fur exakte Sequenzen von Vektorraumen (und lineare Abbildun-gen), und fur exakte Sequenzen von Kettenkomplexen (und Kettenabbildungen).

Beispiel(Homologie eines Paars). Man fixiere eine KoeffizientengruppeG (etwaG = Z), die im fol-genden immer verwendet, aber nicht explizit notiert wird.SeiX ein Simplizialkomplex,A ⊆ X ein Unterkomplex. Dann istCk(A) eine Untergruppe vonCk(X),und die QuotientengruppeCk(X, A) := Ck(X)/Ck(A) ist wieder frei: die Simplexe vonX, die nicht inA liegen, induzieren eine Basis. Dabei ist

0 → Ck(A) → Ck(X) → Ck(X, A) → 0

eine kurze exakte Sequenz.

Der Randoperator vonC∗(X) induziert auch einen Randoperator fur C∗(X, A): Fur c ∈ Ck(X) unda ∈ Ck(A) definiert man∂[c] := [∂c], und weil∂a in Ck−1(A) liegt (A ist Unterkomplex!) erhalt man∂[c + a] = [∂c + ∂a] = [∂c], so dass der Randoperator∂ aufCk(X, A) wohldefiniert ist.

Damit erhalt man einen KettenkomplexC∗(X, A), dessen Homologie dierelative Homologie vonXmoduloA heißt.

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Beispiele(reduzierte/relative Homologie).Hk(X; G) ∼= H(X, ∅; G): gewohnliche Homologie ist (isomorph zur) Homologie relativ zur leerenMenge.

Hk(X; G) ∼= Hk(X, {x0}; G): reduzierte Homologie ist (isomorph zur) Homologie relativ zu einemBasispunkt.

Interpretationen:

(1) Die relative Homologie verwendet Zykel, deren Rand nicht mehr Null sein muss, sondern nur inAlanden muss.

(2) Die relative Homologie von(X, A) ist die reduzierte Homologie des QuotientenraumsX/A, in demA zu einem

”Basispunkt“ kontrahiert wird.

Beispiel. Es gilt

Hk(Bn, Sn−1; Z) ∼=

{Z fur k = n,

0 sonst.

Es gibt eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen:

0 → C∗(A)i→ C∗(X)

p→ C∗(X, A) → 0.

Sie bedingt, dass die Homologie vonX, vonA, und vonX moduloA, eng zusammenhangen.

Proposition 7.2 (Zick-Zack-Lemma, [Mun84, Lemma 24.1]:”Wo die langen exakten Sequenzen her-

kommen“). Jede kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen erzeugt einelange exakte Sequenz in Ho-mologie.

Satz 7.3(Lange exakte Sequenz eines Paars [Mun84, Thm. 23.3]). Ist X ein Komplex undA ⊆ X einUnterkomplex, so gibt es eine lange exakte Sequenz

. . . → Hk+1(X, A)∂∗→ Hk(A)

i∗→ Hk(X)p∗→ Hk(X, A)

∂∗→ Hk−1(A)i∗→ · · ·

wobei die Homomorphismeni∗ undp∗ durch Inklusioneni : A→ X bzw.p : (X, ∅)→ (X, A) induziertsind.

Genauso erhalt man diese lange exakte Sequenz fur reduzierte Homologie.

Woher kommt der”Randoperator“∂∗ : Hk(X, A) → Hk−1(A) ? Jede Homologieklasse inHk(X, A)

wird durch eine Kettec ∈ Ck(X) dargestellt, deren Rand inCk−1(A) liegt; also wird∂∗[c] := [∂c]abgebildet.

Proposition 7.4 (Ausschneidung (Version fur Komplexe) [Mun84, Thm. 9.1]). SindX ′ undA Unter-komplexe vonX mit X \X ′ ⊆ A (d. h.A ∪X ′ = X), so gilt

Hk(X′, X ′ ∩A) ∼= Hk(X, A).

Das heißt: die relative Homologie”sieht nicht“, was sich inA tut: wir konnen daherA abkegeln, oder

aber Teile vonA wegschneiden, ohne die relative Homologie zu verandern.

Insbesondere gilt dies fur X ′ := X\A, den durchX\A erzeugten Komplex:

Hk(X\A, X\A ∩A) ∼= Hk(X, A).

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Satz 7.5(Mayer–Vietoris-Sequenz6 [Mun84, Thm. 25.1]). IstX = A∪B fur UnterkomplexeA, B ⊂ X,so hat man eine lange exakte Sequenz

→ Hk(A ∩B) → Hk(A)⊕Hk(B) → Hk(X)∂→ Hk−1(A ∩B; Z)

und genauso fur reduzierte Homologie.

Beweis.Es gibt eine ganz naheliegende kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen, in die nur einMinuszeichen eingefugt werden muss:

0 → C∗(A ∩B)(i′⊕i′′)−→ C∗(A)⊕ C∗(B)

(i′′′,−i′′′′)−→ C∗(A ∪B) → 0.

Diese kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen induziert die Mayer–Vietoris-Sequenz.

Beispiele.Die disjunkte Vereinigungvon zwei Raumen kann man mit der Mayer–Vietoris-Sequenz be-handeln, und erhalt mit A ∩B = ∅, undHi(∅; G) = 0 fur allei:

Hk(A ⊎B; G) ∼= Hk(A; G) ⊕Hk(B; G).

Die Einpunktverheftungvon zwei Raumen kann man mit der Mayer–Vietoris-Sequenz fur reduzierteHomologie behandeln, und erhalt mit A ∩B = {x0}, undHi({x0}; G) = 0 fur allei:

Hk(A ⊎B; G) ∼= Hk(A; G) ⊕ Hk(B; G).

Damit erhalt man zum Bespiel fur ein Bouquet (Einpunktverheftung) vonn k-Spharen:

Hi(∧

n

Sk; Z) ∼=

{Zn fur i = n

0 sonst

Die EinhangungΣX = suspX = X ∗ S0 eines RaumsX lasst sich auch als Vereinigung von zweiKegeln schreiben:suspX = (X ∗ x0) ∪ (X ∗ x1). Die Mayer–Vietoris-Sequenz dafur ergibt leicht

Hk(suspX) ∼= Hk−1(X).

Allgemeiner kann man den Join mit einer Menge vonp ≥ 1 Punkten behandeln, die wir mitZp ={x0, x1, . . . , xp−1} identifizieren; dabei verwendet man entweder Mayer–Vietoris-Sequenz und Indukti-on, oder aber relative Homologie, wobei

Hk(X ∗ Zp, X ∗ x0) ∼= Hk(X ∗ {x0, x1}, X ∗ x0)p−1.

Also ergibt sichHk(X ∗ Zp) ∼= Hk−1(X)p−1.

Durch Induktion kann man damit die Raume

EnZp := Zp ∗ · · · ∗ Zp︸ ︷︷ ︸n+1 Faktoren

behandeln, die sich dadurch auszeichnen, dass sien-dimensionale, (n − 1)-zusammenhangende Kom-plexe mit einer freienZp-Aktion sind. Man erhalt

Hk(EnZp; Z) ∼=

{Z(p−1)n+1

k = n

0 sonst.

Als Spezialfalle enthalt dies die Homologie dern-dimensionalen SphareSn ∼= EnZ2, wie des vollstandi-gen bipartiten GraphenK3,3

∼= E1Z3.

6Leopold Vietoris, 1891–2002! Siehehttp://www.ams.org/notices/200210/fea-vietoris.pdf

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Genauso kann man versuchen, allgemein die Homologie eines Joins zu berechnen, indem manX ∗ Y inzwei Teile zerlegt, von denen der eine zuX der andere zuY homotopieaquivalent ist (eine Retraktiondarauf zulasst), und die Schnittmenge zuX × Y homoomorph ist. Dafur kann man problemlos eineMayer–Vietoris-Sequenz aufstellen. Das Problem liegt dann zunachst in der Bestimmung der Homologiedes ProduktsX × Y , fur die wir im Folgenden das Kunneth-Theorem angeben.

Satz 7.6(Kunneth-Theorem [Mun84, Thm. 59.3]). Fur beliebige topologische RaumeX, Y gibt es eineexakte Sequenz

0 →⊕

p+q=k

Hp(X)⊗Hq(Y ) → Hk(X × Y ) →⊕

p+q=k

Hp−1(X) ∗Hq(Y ) → 0

wobei die Torsionsprodukte”∗“ dann verschwinden, wenn man entweder Korperkoeffizienten werwen-

det, oder zumindest einer der Faktoren frei ist. Ansonsten wird auf [Mun84, p. 331] verwiesen.

Ganzahnlich zur simplizialen Version erhalt man eine Mayer–Vietoris-Sequenz im Fall derUberdeckungX = U1 ∪ U2 durch zwei offene Mengen, aber der Beweisaufwand ist in unserem Rahmen großer, weilwir nicht einfach mit simplizialer Homologie argumentieren konnen. Siehe Munkres [Mun84,§33].

Definition 7.7 (Lokale Homologie [Mun84,§35]).Die lokale HomologievonX an der Stellex0 ∈ X ist die relative HomologieHk(X, X\{x0}).

Diese Version der Definition funktioniert naturlich nicht in simplizialer Homologie: fur diese kann manaberHk(X, X\x0) definieren, wobeiX\x0 den Komplex bezeichnet, den man durch Loschen allerSimplexe erhalt, diex0 enthalten.

Aus lokaler Homologie erhalt man sofort die Invarianz der Dimension:

Korollar 7.8 (Invarianz der Dimension).Mannigfaltigkeiten unterschiedlicher Dimension konnen nicht homoomorph sein: fur innere Punktex0

einer n-dimensionalen MannigfaltigkeitX gilt Hn(X, X\{x0}) = Z, aber Hk(X, X\{x0}) = 0fur k 6= n.

Genauso ist der Rand topologisch invariant: isty0 ein Randpunkt, so giltHk(X, X\{y0}) = 0 fur allek.

Der algebraische Zugang zu Homologietheorienuber Kettenkomplexe ist auch deshalb wichtig, weil manmit dem selben formalen Apparatauchganz andere Homologietheoriendefinieren kann, in denen dannganzahnliche/analoge Resultate gelten.

Als Beispiel sei hier diesingulare Homologiegenannt und kurz”definiert“:

Definition 7.9 (Singulare Homologie [Mun84,§29]).Ein singularer k-Simplex inX ist eine stetige Abbildung∆k → X.Einesingularek-Kette mit Koeffizienten inG ist eine formale Linearkombination vonk-Simplexen inX.Die k-Simplizes inX liefern diesingulare KettengruppeSk(X; G).Nun definiert man den Rand eines Simplexes, und erhalt damit einen Randoperator∂k : Sk(X; G) →Sk−1(X; G).Nun definiert man Zyklen und Rander wie in simplizialer Theorie, und erhalt diesingularen Homologie-gruppenvonX mit Koeffizienten inG.

Die singularen Homologiegruppen werdenublicherweise auch mitHk(X; G) bezeichnet, weil (Satz,nichttrivial) fur Komplexe singulare und simpliziale Homologiegruppen kanonisch isomorph sind.

Beachte: singulare Homologiegruppen sind fur jedentopologischen Raum definiert, und es ist recht ein-fach zu zeigen, dass sie Homotopie-Invarianten sind. Dafur ist es sehr viel schwieriger, ohne Verwendung

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von Theorie singulare Homologiegruppen zu berechnen, weil schon die Kettengruppen keinen endlichenRang haben, man also keine Basen zur Hand hat.

Als Abschluss des Kapitelsuber exakte Sequenzen: Algebraischere Formulierung des Satzes von Seifertund van Kampen, eben auch als kurze exakte Sequenz (von nicht-abelschen Gruppen!):

Satz 7.10(Seifert–van Kampen [Mun00, p. 431]). Wenn sich ein RaumX als VereinigungX = X1∪X2

zweier offener Mengen mit wegzusammenhangendem Schnitt und gemeinsamem Basispunktx0 ∈ X1 ∩X2 darstellen lasst, mit Inklusionenii : Xi → X, dann ist

π1(X1) ∗ π1(X2) −→ π1(X1 ∪X2) −→ 1

exakt:π(X) ist das Bild der durch(i1, i2) induzierten surjektiven Abbildung. Deren Kern ist der Nor-malisator des Bildes vonπ1(X1 ∩X2)→ π1(X1) ∗ π1(X2)

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Topologie – WS05/06 – TU Berlin – Gunter M. Ziegler

8 Zellkomplexe

Dass das Arbeiten mit Simplizialkomplexen wegen der großenAnzahl von Simplexen in Triangulierun-gen muhsam sein kann, haben wir schon gesehen. Hier werden zwei alternative Konzepte eingefuhrt,

”CW-Komplexe“ und

”regulare CW-Komplexe“. CW-Komplexe wurden von J. H. C. Whiteheadin den

Funfziger Jahren eingefuhrt, und haben sich als Grundstruktur sehr schnell durchgesetzt – siehe [Hat02,Chap. 0]. (Dabei steht die Bezeichnung CWnicht fur die Initialen des Erfinders, sondern bezeichnet

”closure-finite“ und

”weak topology“.)

EineZelle ist ein topologischer Raum, der zuBk homoomorph ist. Dabei istk die Dimensionder Zelle,die wir auch alsk-Zellebezeichnen. StattBk konnten wir auch[0, 1]k oder einenk-Simplex als

”Modell“

verwenden — die kombinatorische Struktur von Zellen ist nicht festgelegt (das war eben bei Simplizial-komplexen anders).

Eineoffene Zelleist ein topologischer Raum, der zuintBk homoomorph (also zuRk).

Definition 8.1 (CW-Komplexe; regulare CW-Komplexe [Mun84,§38]). EinCW-Komplexist ein Hausdorff-RaumX mit einer ZerlegungX =

⊎eα in offene Zellen so dass

• Fur jede Zelleeα gibt es einecharakteristische Abbildung: eine stetige Abbildungfα : Bk → X, dieintB homoomorph aufeα abbildet, und den Rand∂Bk = Sk−1 stetig in eine endliche VereinigungMenge von Zelleneβ, die alle kleinere Dimension alsk haben mussen. Das Bildfα(Bk) wird mit eα

bezeichnet.• Eine TeilmengeA ⊂ X ist genau dann abgeschlossen, wenn jede SchnittmengeA ∩ eα abgeschlos-

sen ist.

Eine alternative (aquivalente) Beschreibung von CW-Komplexen geht wie folgt[Hat02, p. 7]: Jeder CW-KomplexX kann

”per Induktionuber die Dimension des Skeletts“ aufgebaut werden. Das0-SkelettX0

besteht aus einer Menge von Ecken (mit diskreter Topologie). Dask-Skelett erhalt man durch Anheftenvon k-Zellen in das(k − 1)-SkelettXk−1, wobei die Anheftung voneα

∼= Bk durch eine Abbildungfα : ∂Bk = Sk−1 → Xk−1 definiert wird, die im Bild nur endlich viele Zellen treffen darf.

Endliche CW-Komplexe sind kompakt. Eine Teilmenge eines Komplexes ist genau dann kompakt, wennsie abgeschlossen ist, und nur endlich viele Zellen trifft.

Beispiele.Sn: CW-Komplex mit einer0- und einern-Zelle.Mg: eine Ecke,2g Kanten, eine2-Zelle.RPn: CW-Struktur mit genau einer Zelle in jeder Dimensionk, fur0 ≤ k ≤ n. Dask-Skelett ist einRPk.CPn: eine2k-Zelle fur 0 ≤ k ≤ n, ohne ungerade-dimensionalen Zellen. Das2k-Skelett ist einCPk.

Jeder nicht-leere CW-Komplex hat mindestens eine Ecke. Er ist zusammenhangend genau dann, wenner wegzusammenhangend ist, und das stimmt genau dann, wenn das1-Skelett zusammenhangend ist.(Das1-Skelett ist ein

”(ungerichteter) Graph“’ im Sinne der Graphentheorie, der Mehrfachkanten und

Schleifen haben kann.)

Definition 8.2 (CW-Paar). Ein CW-Paarist ein Paar (X,A), bestehend aus einem CW-KomplexX undeinem UnterkomplexA.

In jedem CW-KomplexX ist dask-SkelettXk ein Unterkomplex, also ist(X, Xk) ein CW-Paar. Ge-nauso ist(Xk+1, Xk) ein CW-Paar.

CW-Komplexe sind fur viele Zwecke flexibler, und leichter handhabbarer als Simplizialkomplexe:

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Proposition 8.3(Konstruktionen [Hat02, pp. 8,9]).SindX undY CW-Komplexe, von denen einer lokal-endlich ist, so istX × Y wieder ein CW-Komplex(mit der Produkt-Topologie).

Ist (X, A) ein CW-Paar, so istX/A wieder ein CW-Komplex. Dieser hat eine Ecke als”Basispunkt“,

und sonst einek-Zelle fur jedek-Zelle vonX, die nicht inA liegt.

Ist X ein CW-Komplex, so istsuspX wieder ein CW-Komplex, mit einer(k + 1)-Zelle fur jede nicht-leerek-Zelle vonX, plus zwei zusatzliche Ecken.

Wir verwendenfk = fk(X) fur die Anzahl derk-dimensionalen Zellen vonX (wenn diese endlich ist).

Definition 8.4. Ein CW-Komplex istregular wenn die charakteristischen Abbildungenfα : Bn → eα

Homoomorphismen sind, und das Bild jeweils eine endliche Vereinigung von Zellen ist.

Jedek-Zelle wird also in einen Unterkomplex eingeklebt, der zuSk−1 homoomorph ist.

Regulare CW-Komplexe sind triangulierbar (baryzentrische Unterteilung). Sie sind durch ihre Seiten-halbordnung bis auf Homoomorphie festgelegt, also rein-kombinatorisch beschreibbar (aber typischer-weise mit sehr viel weniger Zellen als in einer Triangulierung).

Nicht jeder CW-Komplex ist triangulierbar (Beispiel/Beweis: siehe [Mun84, p. 218]).

Beispiele.Sn hat (minimale) Struktur eines regularen CW-Komplexes mit zwei Ecken, zwei Kanten,etc.: baryzentrische Unterteilung liefert die

”oktaedrische“ Triangulierung mit2(n + 1) Ecken und2n

Facetten (n-Simplexen).

Jedes konvexen-dimensionale Polytop hat die Seitenstruktur eines regularen Zellkomplexes (homoo-morph zuBn).

Lemma 8.5. Ist X ein CW-Komplex, so istHk(Xk, Xk−1; Z) ∼= Zfk , undHi(X

k, Xk−1; Z) = 0 sonst.

Definition 8.6 (Zellulare Homologie). Sei X ein CW-Komplex. Wir definieren diezellularen Ketten-gruppendurch

Dk(X; Z) := Hk(Xk, Xk−1; Z)

und denzellularen Randoperator∂k : Dk(X; Z)→ Dk−1(X; Z) durch die Verkettung

∂k : Hk(Xk, Xk−1; Z)

∂∗→ Hk−1(Xk−1; Z)

i∗→ Hk−1(Xk−1, Xk−2; Z)

wobei∂∗ der Randoperator aus der langen exakten Sequenz des Paars(Xk, Xk−1) ist, undi∗ durch dieInklusioni : (Xk−1, ∅) ⊂ (Xk−1, Xk−2) induziert ist, also aus der Paarsequenz des Paars(Xk−1, Xk−2)stammt.

Die Homologie des Kettenkomplexes(Dk(X; Z), ∂k) heißt diezellulare HomologievonX.

Lemma 8.7. Der zellulare Randoperator erfullt ∂k−1 ◦ ∂k = 0, definiert also wirklich einen Kettenkom-plex.

Beweis.Dafur betrachtet man die Verkettung∂k ◦ ∂k+1:

Hk(Xk+1, Xk; Z)

∂∗→ Hk(Xk; Z)

i∗→ Hk(Xk, Xk−1; Z)

∂∗→ Hk−1(Xk−1; Z)

i∗→ Hk−1(Xk−1, Xk−2; Z)

und bemerkt, dass die beiden mittleren Abbildungen in der langen exakten Sequenz des Paars(Xk, Xk−1)aufeinanderfolgen, also zusammen eine Nullabbildung ergeben.

Satz 8.8. Die zellulare Homologie vonX ist kanonisch isomorph zur simplizialen Homologie vonX(wennX triangulierbar ist) und zur singularen Homologie vonX.

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Genauso definiert man zellulare Homologie mit Koeffizienten, insbes. mitQ- und Z2-Koeffizienten.(Letztere ist oft leichter zu berechnen, weil man sich keineSorgenuber Orientierung der Zellen/Vorzeichenmachen muss.)

Beispiele.Die Homologie vonCPn ergibt sich sofort als

H2k(CPn; Z) ∼=

{Z fur 0 ≤ k ≤ n,

0 sonst,

weil der zellulare Kettenkomplex die Form

0 → Z → 0 → Z → . . . → Z → 0 → Z → 0

hat und somit alle Homomorphismen Nullabbildungen sind.

Fur RPn muss man etwas harter arbeiten, erhalt

Hi(RPn; Z) ∼=

Z fur i = 0,

Z2 fur ungeradesi, 0 < i < n,

Z fur ungeradesi = n,

0 sonst,

aber auch

Hi(RPn; Z2) ∼=

{Z2 fur 0 ≤ i ≤ n,

0 sonst,

was fur viele Anwendungen wichtiger und brauchbarer ist.

Beobachtung: WennX eine Zellzerlegung mitfk k-Zellen zulasst, so hat die zellulare KettengruppeDk(X; Z) ∼= Zfk den Rangfk. Die HomologiegruppeHk(X; Z) ist Quotientengruppe einer Untergrup-pe davon, hat also auch hochstens Rangfk. Es gilt also

βk ≤ fk.

Dies ist die triviale Form der sogenannten Morse-Ungleichungen, die sich deutlich verscharfen lassen.So gilt nicht nurβ1 ≤ f1, sondern sogarβ1 − β0 ≤ f1 − f0. Usw.

Ausblick: Was ist Morse-Theorie?

”Hohen-“ oder Distanzfunktionen auf Mannigfaltigkeiten liefern Morse-Funktionen; Morse-Funktionen

liefern Zellzerlegungen; der Morse-Komplex liefert Kohomologie, oder zumindest Abschatzungen (ebendurch die Morse-Ungleichungen). Die klassische Quelle dazu ist Milnor [Mil69].

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Topologie – WS05/06 – TU Berlin – Gunter M. Ziegler

9 Kohomologie

Wir beginnen mit einer algebraischen Beschreibung.

Definition 9.1 (Kokettenkomplex). Ein Kokettenkomplex

C∗ = (Ck, dk)k∈Z

ist eine Folge von abelschen GruppenCk (beachte Notation: oberer Index bezeichnet Dimension) undHomomorphismendk : Ck → Ck+1 (beachte: dimensionserhohend), mit der Bedingungdk+1 ◦ dk = 0fur allek.

Die GruppenHk(C) := ker(dk : Ck → Ck+1)/ im(dk−1 : Ck−1 → Ck)

heißen dieKohomologiegruppendes Komplexes.

Das”ko-“ in den Bezeichnungen steht dabei fur Dualisierung, weswegen insbesondere

”die Abbildungen

in die umgekehrte Richtung gehen“.

Lemma 9.2. Ist C∗ = (Ck, ∂k) ein Kettenkomplex undG eine abelsche Gruppe, und setzt manCk :=Hom(Ck, G) sowiedk(f) := f ◦ ∂k+1, so istC∗ := (Ck, dk) ein Kokettenkomplex.

Sind C und G abelsche Gruppen, so istHom(C, G) wieder eine abelsche Gruppe. Istf : C → C ′

ein Gruppenhomomorphismus, so istf∗ : Hom(C ′, G) → Hom(C, G), h 7→ f ◦ h wiederum einGruppenhomomorphismus.

Dabeiuberlegt man sich fur Rechnungen, dassHom(Zf , Z) ∼= Zf gilt, und allgemeinerHom(Zf , G) ∼=Gf . Ist weiterf : Zf → Zf ′

ein Homomorphismus, der durch die MatrixA ∈ Zf ′×f dargestellt wird,so wirdf∗ durch die transponierte MatrixAT ∈ Zf×f ′

dargestellt.

Definition 9.3 (Simpliziale/zellulare/singulare Kohomologie). SeiX ein topologischer Raum, evtl. ge-geben durch einen simplizialen oder CW-Komplex, und seiG eine Koeffizientengruppe. SeiC∗(X; Z)der zugehorige Kettenkomplex fur die (simpliziale, zellulare, bzw. singulare) Homologie vonX mitganzzahligen Koeffizienten.

Die Kohomologie des nach Lemma 9.2 gewonnenen Kokettenkomplexes

C∗(X; G) :=(Ck(X; G) := Hom(Ck(X; Z), G), dk : f 7→ f ◦ ∂k+1

)

ist dann diesimpliziale, zellulare, bzw. singulare Kohomologie vonX mit Koeffizienten inG.

Beispiel. Fur die reelle projektive Ebene haben wir eine Zellzerlegungmit genau einer Ecke, Kante und2-Zelle, und damit den zellularen Kettenkomplex

0 → Z2→ Z

0→ Z → 0,

und der gibt die Homologiegruppen

H2(RP2; Z) = 0, H1(RP2; Z) = Z2, H0(RP2; Z) = Z.

Dualisierung liefert den (zellularen) Kokettenkomplex

0 ← Z2← Z

0← Z ← 0,

und damit die Kohomologie der projektiven Ebene:

H2(RP2; Z) = Z2, H1(RP2; Z) = 0, H0(RP2; Z) = Z.

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Analog zur geometrischen Beschreibung von Ketten, Zyklen,Randern, etc. in simplizialer Theorie kannman auch Koketten, Kozyklen, Korander etc. geometrisch beschreiben.

Eine k-dimensionale Kokette ist dabei eine Funktion, die jedemk-dimensionalem Simplexσk einenWert f(σk) zuordnet. Den Korand erhalt man wie folgt:df(τk+1) = f(∂τk+1) ist die Summeuber allef -Werte vonk-Simplexen im Rand vonτk+1. Siehe [Mun84,§42].

Die”k-dimensionale Kohomologie mit Koeffizienten inG“ ist ein kontravarianter Funktorvon der Kate-

gorie der topologischen Raume (und stetigen Abbildungen) in die Kategorie der abelschen Gruppen (undstetigen Abbildungen): die ZuordnungX → Hk(X; G) ordnet jedem topologischen Raum eine abelscheGruppe zu, und jeder stetigen Abbildung einen Gruppenhomomorphismus. Allerdings geht der Homo-morphismus in die

”umgekehrte Richtung“:f : X → Y induziertHk(f) : Hk(Y ; G) → Hk(X; G).

(Im Gegensatz dazu ist”k-dimensionale Homologie mit Koeffizienten inG“ ist ein (kovarianter) Funk-

tor, dennf : X → Y induziertHk(f) : Hk(X; G)→ Hk(Y ; G).)

Kohomologie hangt (wie Homologie) nur vom Homotopietyp ab: homotope Abbildungen entsprechendemselben Homomorphismus in Kohomologie, Homotopieaquivalenzen induzieren Isomorphismen inKohomologie, und homotopieaquivalente Raume haben daher isomorphe Kohomologie.

Kohomologie kann direkt aus der Homologie berechnet werden; Raume mit isomorpher (endlich-dimen-sionaler) Homologie haben also isomorphe Kohomologie. Genauer gilt:Hk(X; Z) hat denselben Rangwie Hk(X; Z), aber dieselbe Torsionsuntergruppe wieHk−1(X; Z). Kanonischere Formulierungubereine kurze exakte Sequenz — siehe [Mun84, Cor. 45.6/Thm. 53.1].

Homologie und Kohomologie sind also allemal”ahnlich“. Das druckt sich zum Beispiel dadurch aus,

dass Homologie und Kohomologie (nicht-kanonisch) isomorph sind, wenn man Korperkoeffizientenverwendet und die Homologie endlich-dimensional ist. Warum interessiert uns Kohomologie trotzdem,wenn sie keine zusatzliche Information enthalt? Sie hat zusatzlich eine multiplikative Struktur, bildetalso einen Ring, denKohomologiering.

Definition 9.4 (Cup-Produkt). SeiR ein Koeffizientenring (etwaZ oder ein Korper). DasCup-Produktist der Homomorphismus

∪ : Hk(X; R)⊗Hℓ(X; R) → Hk+ℓ(X; R),

der durch die Diagonalabbildung

∆ : X → X ×X, x 7→ (x, x)

und die Produktabbildung

× : Hk(X; R)⊗Hℓ(Y ; R)→ Hk+ℓ(X × Y ; R)

des Kunneth-Theorems in Kohomologie [Mun84, Thm. 60.5] induziert wird.

In simplizialer Theorie kann man das Cup-Produkt durch explizite kombinatorische Formeln darstellen.Dazu reicht aber etwa der zellulare Kettenkomplex nicht aus! Siehe Munkres [Mun84, p. 292].

Proposition 9.5. SeiX ein topologischer Raum. Die Kohomologie⊕

k≥0 Hk(X; R) hat mit dem Cup-Produkt als Multiplikation die Struktur eines assoziativen Ringes mit Eins. Er ist aber nicht kommutativ,sondern erfullt

αk ∪ βℓ = (−1)kℓβℓ ∪ αk.

Jede stetige Abbildungf : X → Y induziert damit einen Ring-Homomorphismus. Homotope Abbil-dungen induzieren denselben Ring-Homomorphismus. Damit ist der Kohomologiering eine Homotopie-Invariante.

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Beispiele.H∗(RPn; Z2) ∼= Z2[t]/(tn+1) [Mun84, Thm. 68.3] undH∗(CPn; Z) ∼= Z[t2]/(t2n+2) sind

”abgeschnittene Polynomalgebren“. Daraus kann man ableiten, dass fur m < n jede AbbildungRPn →

RPm die Fundamentalgruppe trivial abbildet; daraus folgt z. B.ein zweiter Beweis des Borsuk–Ulam-Satzes 5.15; siehe [Mun84, p. 405].

Zur”versteckten“ Information in der Produktstruktur der Kohomologie siehe aktuell [Zie93] und [Fei03].

Bemerkung9.6 (de Rham Kohomologie). Auf glatten Mannigfaltigkeiten bilden die Differentialformeneinen Kokettenkomplex, mit deraußeren Ableitung als Korandoperator. Die zugehorigen Kohomologie-gruppen heißen diede Rham Kohomologiegruppen. Sie sind mitR-Koeffizienten definiert (es gibt keinenaturliche Konstruktion mitZ-Koeffizienten). Differentialformen kann man aber multiplizieren — dasaußere Produkt von Differentialformen induziert das Cup-Produkt fur de Rham Kohomologie.

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10 Mannigfaltigkeiten II: Poincar e-Dualitat

Zunachst stellen wir fest, dass man zu praktisch jeder Folge vonabelschen GruppenH0, H1, H2, . . .einen CW-KomplexX konstruieren kann, der genau diese Homologiegruppen hat (siehe Munkres [Mun84,p. 231, Problem 4]). Es gibt nur Einschrankungen vom Typ

• H0 ist immer frei,• wennX Dimensionn hat, dann istHn(X; Z) frei, undHi(X; Z) = 0 fur i > n,

Etwas entsprechendes ist fur die Homologie von Mannigfaltigkeiten nicht wahr. Fur das Folgende be-trachten wirn-dimensionale Mannigfaltigkeiten die zusammenhangend, geschlossen (kompakt, ohneRand), und triangulierbar sind. Man kann die Diskussion aufHomologie-Mannigfaltigkeitenerweitern,in denen der Link einer Ecke nur die Homologie einer Sphare haben muss (aber keine Sphare sein muss).

Lemma 10.1. SeiM eine zusammenhangende geschlossene triangulierbaren-Mannigfaltigkeit.

Dann ist entwederHn(M ; Z) = Z (wennM orientierbar ist), oderHn(M ; Z) = 0 (wennM nichtorientierbar ist).

Im ersten Fall giltHn(M ; Z) = Z, im zweiten Fall giltHn(M, Z) ∼= Z2.

Im nicht-orientierbaren Fall enthalt Hn−1(M ; Z) einenZ2-Torsionssummanden (und ist sonst frei).

Offenbar gibt es hier also substantielle Einschankungen an die moglichen Homologiegruppen. Viel weit-reichender ist das folgende Resultat.

Satz 10.2(Poincare-Dualitat [Mun84, Thm. 65.1]). SeiM eine zusammenhangende geschlossene trian-gulierbaren-dimensionale (Homologie-)Mannigfaltigkeit. Dann gilt

Hk(M ; G) ∼= Hn−k(M ; G) fur alle k

fur beliebige KoeffizientengruppenG wennM orientierbar ist, und fur G = Z2 auch im nicht-orientier-baren Fall.

Im Folgenden bezeichneβk := rankHk(M ; Z) diek-te Bettizahl vonM .

Ubungsaufgabe.Fur jeden endlichen CW-Komplex (der keine Mannigfaltigkeitsein muss) gilt

βk = rank Hk(M ; Z) = dim Hk(M ; Q) = rank Hk(M ; Z) = dimHk(M ; Q).

(Hinweis: elementare lineare Algebra!)

Man prufe dies, wie auch die Aussagen der Poincare-Dualitat, an der Homologie und Kohomologie vonMg bzw.M ′

g, die wir ja schon berechnet haben, die aber auch in zellularer Homologie direkt hergeleitetwerden kann.

Korollar 10.3. Fur orientierbaren-Mannigfaltigkeiten gilt

βk = βn−k;

die Folge der Betti-Zahlen ist also symmetrisch.

Fur nicht-orientierbare Mannigfaltigkeiten gilt dies auch, falls manZ2-Koeffizienten betrachtet, alsoβk := dimZ2 Hk(M ; Z2).

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Proof (Poincare-Dualitat). Wir betrachten eine regulare CW-ZerlegungX von M , und die dazu dualeZerlegungX∗. Jederk-Zelle σk von X entspricht eine(n − k)-Zelle σ∗

k in X∗. WennM orientiert ist,dann entspricht jeder Orientierung einerk-Zelle vonX kanonisch eine Orientierung der zugehorigendualen Zelle. (Beispiel, fur n = 2, k = 1: jeder gerichteten Kante entspricht eine duale Kante, derenRichtung man durch

”Rotation im Gegenuhrzeigersinn“ (also unter Verwendung der globalen Orientie-

rung der Flache) bestimmt.)

Damit ergibt sich zur Berechung der zellularen Homologie vonX, und der zellularen KohomologievonX∗, Komplexe

D∗ 0→ Dn → Dn−1 → . . . → D1 → D0 → 0

D∗ 0→ D0 → D1 → . . . → Dn−1 → Dn → 0

mit isomorphen GruppenDk∼= Dn−k und mit denselbenAbbildungen/Matrizen. Also ergeben die

Komplexe auch isomorphe Homologie,Hk(X; G) ∼= Hn−k(X∗; G).

Im nicht-orientierbaren Fall funktioniert das Orientieren nicht, das ist beiZ2-Koeffizienten aber auchnicht notig.

Der vorstehende Beweis ist insofern problematisch, als dieKonstruktion des”dualen Zellkomplexes“ nur

unter Vorsichtsmaßnahmen funktioniert, wie der folgende beruhmte Satz zeigt. Im Allgemeinen sind dieZellen des dualen Komplexes keine topologischen Balle, weil die Rander, in die man Zellen einklebenmusste, nur Homologie-Spharen sind (und nicht notwendigerweise topologische Spharen).

Die”Vorsichtsmaßnahmen“ sind

• Fur n ≤ 3 gibt es keine Probleme

• Arbeiten in der Kategorie von sog. PL-Mannigfaltigkeiten (vgl. Rourke & Sanderson [RS72]), oder

• Arbeiten mit Homologie-Mannigfaltigkeiten und dem”dualen Block-Komplex“, fur den zellulare

Homologie/Kohomologie immer noch funktiert (vgl. Munkres[Mun84,§64]).

Satz 10.4(Double Suspension Theorem (Edwards [Edw75], Cannon [Can79])).Fur jede beliebige Homologie3-Sphare Σ3 ist die doppelte Einhangungsusp suspΣ3 homoomorphzuS5.

Wir konnen problemlos eine Triangulierung der Poincare-Sphare konstruieren. Die doppelte Einhangungerhalten wir als Simplizialkomplex mit vier zusatzlichen Ecken. Dies ergibt also eine Triangulierung derS5, in der eine Kante als Link dieΣ3 hat; der duale Block-Komplex hat dann einen

”Block“ coneΣ3,

der eben keine Zelle ist.

Mit der Poincare-Dualitat hangen weitere wichtige Eigenschaften von Mannigfaltigkeiten und ihrer Ko-homologie zusammen. Wir geben hier eine Manifestation im Kohomologiering an.

Satz 10.5(Duale Paarung). SeiM eine zusammenhangende triangulierbare geschlossenen-Mannigfal-tigkeit. IstM orientierbar, so induziert das Cup-Produkt eine Abbildung

∪ : Hk(M ; Z)/Torsion ⊗ Hn−k(M ; Z)/Torsion → Z

die eineduale Paarungist. Genauso ist

∪ : Hk(M ; K) ⊗ Hn−k(M ; K) → K

eine nicht-degenerierte Bilinearform fur beliebigen Koeffizienten-KorperK, bzw. fur K = Z2 im nicht-orientierbaren Fall.

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Daraus ergeben sich zum Bespiel die Behauptungenuber den Kohomologie-Ring der reellen bzw. kom-plexen projektiven Raume, im vorherigen Kapitel!

Besonders interessant ist die Paarung aus Satz 10.5 fur den Fallk = n−k, alsok = n/2 (fur geradesn).Dann definiert∪ eine Bilinearform aufHn/2(M ; Z)/Torsion, die fur n ∼= 0 mod 4 sogar symmetrischist.

Dies kann man sich wieder fur 2-Mannigfaltigkeiten elementaruberlegen. Fur 4-Mannigfaltigkeitenhangt daran ein spektakulares Ergebnis der modernen Topologie. In der Formulierung verwenden wir,dass fur einfach-zusammenhangendesM die GruppeHk(M ; Z) keine Torsion hat (denn sonst mussteauchH1(M ; Z) Torsion haben.

Satz 10.6(Klassifikation der einfach-zusammenhangenden 4-Mannigfaltigkeiten; Milnor (1958) undFreedman (1986)). Die Zuordnung

δ :

Homotopietypen voneinfach-zusammenhangendenorientierbaren triangulierbaren4-Mannigfaltigkeiten

Aquivalenzklassen vonnicht-degeneriertensymmetrischen Bilinearformen(ZN ; 〈·, ·〉)

,

die jeder4-Mannigfaltigkeit die GruppeH2(M ; Z) und die darauf durch das Cup-Produkt gegebeneBilinearform zuordnet, ist injektiv und surjektiv.

Damit sind also die Homotopietypen solcher Mannigfaltigkeiten durch rein algebraisch-zahlentheoreti-sche Objekte klassifiziert.

Ich verweise auf Milnor & Husemoller [MH73] fur mehr Information in diese Richtung.

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