Fachartikel
Dipl.-lng. Jörg Ehgartner ist Universitätsassistent am
Institut für Interdisziplinäres
Bauprozessmanagement,
Forschungsbereich Bauwirt
schaft und Baumanagement,
der Fakultät für Bauingeni
eurwesen der Technischen
Universität Wien.
Toteranzen im Hochbau
Toteranzen im Hochbau
Jörg Ehgartner
Als Toleranz wird die zulässige Abweichung von vorgeschriebenen Maßen definiert , da sich Abmessungen gerade im Bauproduktionsprozess nicht genau erzeugen lassen. Herstellungsbedingte Abweichungen gegenüber Nennmaßen aus der Planung sind unvermeidbar. Die im Hochbau in der Regelangewandte Norm ist die ÖNORM DIN 18202 in der Fassung 2010. Darin sind Grenzabweichungen sowie Grenzwerte für Winkel- und Ebenheitsabweichungen angegeben. Die jeweiligen technischen Werkvertragsnormen sehen vor, dass für besondere Anforderungen an die Oberfläche zusätzliche Angaben zu machen sind.
1. Einleitung und Problemstellung Der Begriff" der "Toleranz" hat seine Wurzel im lateinischen Wort tolerare, in der Bedeutung von "erdulden" oder "ertragen". .. Toleranz ist nicht gleichbedeutend mit Nachgeben, Herablassung oder Nachsicht. Toleranz ist vor allem eine aktive Einstellung, die sich auf die Anerkennung der allgemeingültigen Menschenrechte und Grundfreiheiten anderer stützt. "1 Toleranz kann auch Duldsamkeit bedeuten.2 Der Brackhaus beschreibt Toleranz als "zulässige Abweichung von vorgeschriebenen Maßen. Da sich Abmessungen nicht mathematisch genau erzeugen lassen, is t ihnen ein Spielraum (Toleranz) nach Lage zum Nennmaß und von bestimmter Breite zuzuordnen (Toleranzfeld). "3 Das Nennmaß legt die Nulllinie fest, auf die alle Maße bezogen werden.
Bauteile können nicht exakt hergestellt werden, wobei der Genauigkeitsgrad von dem Baustoff, von der Sorgfalt der Arbeit, der Qualität des Könnens und äußeren Umständen (zB Wetter, Temperatur) abhängt. Werkstoffe, Hitfsstoffe, ungünstige Zugänglichkeil bei der Ausfilhrung und das physische Befinden der Arbeiter können die Ausfilhrung außerdem beeinträchtigen. Das Merkblatt Toterauzen im Hochbau 2000 (nach DIN 18201 und 18202 in der Fassung 1997 und 1998) besagt jedoch, dass die zulässigen herstellungsbedingten Maßabweichungen bei einer normalen und sorgfältigen Arbeit eingehalten werden können.4
2. Regelwerke 2.1. ÖNORM DJN 18202
Die DIN 18202 trägt den Titel .. Taleranzen im Hochbau - Bauwerke" und wurde 1998 als ÖNORM übernommen. Mit der Neuerung der DIN 18202 im Oktober 2005 wurde naturgemäß auch die ÖNORM DIN 18202 angepasst und 2006 herausgegeben. Am 15. 2. 2010 wurde sie aufgrund der Änderung des Vorwortes neu veröffentlicht, jedoch mit den gleichen Inhalten der DJN 18202.
Als Maßtoieranzen werden Grenzabweichungen sowie Grenzwerte filr Winket- und Ebenheilsabweichungen festgelegt, die jedoch baustoffunabhängig Gültigkeit besitzen. Materialbedingte Unebenheiten, z.B bei Fliesen, sind durch die in der
V gl Erklärung von Prinzipien der Toleranz, 28. UNESCOGeneralkonfercuz Paris (25. l 0. bis 16. II. 1995).
2 Synonymie nach Mackensen, Deutsches Wörterbuch" (I 986). 3 Vgl Brackhaus Naturwissenschaften und Technik ( 1989) 132. 4 Vgl Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Merkblatt Toleran
zen im Hochbaunach DIN 18202 (2000 ) 2.
ÖNORM dargestellten Grenzwerte nicht erfasst.5
Zeit- und lastabhängige Verfonnungen (zB durch Temperaturschwankungen) sind dabei ebenfalls normativ nicht berücksichtigt.
In der DlN werden zudem Verfahren zur Prüfung der Einhaltung der Grenzwerte und Grenzabweichungen beschrieben. Sichtbare Unebenheiten sind dabei nicht als Manget anzusehen, solange sie innerhalb der festgelegten Werte liegen.6
Die ÖNORM DIN 18202 definiert vielfach verwendete Toleranzbegriffe wie folgt:
3.1 Nennmaß I Sollmaß Maß, das zur Kennzeichnung von Größe, Gestalt und Lage eines Bauteils oder Bauwerks angegeben und in Zeichnungen eingetragen wird.
3.3 Maßabweichung Differenz zwischen Istmaß und Nennmaß
3.6 Maßtoleranz Differenz zwischen Höchstmaß und Mindestmaß
3.10 Grenzabweichung Differenz zwischen Höchstmaß und Nennmaß oder Mindestmaß und Nennmaß
Gemäß dem Merkblatt zu Toteranzen im Hochbau ist das Nennmaß .. das Maß, welches das Bauwerk oder Bauteil haben soll. "7
Nennmaß
Istmaß Maßabweichung
Höchstmaß
Abbildung 1: Bild 1 der ÖNORM DIN 18202, "Anwendung der Begriffe"
Durch die Festlegung von Grenzabweichungen sollen Begrenzungen festgelegt werden, die trotz unvermeidlicher Ungenauigkeiten bei der Fertigung und Montage das Zusammenführen der Bauteile ermöglichen, ohne Anpass- und Nacharbeiten durchfuhren zu müssen.
Vgl Zentrah wband Deutseires Buuge"·erbe, Merkblatt Toleranzcn im Hochbau nach DIN I 8202 (2007) 8.
6 Vgl Merkblau Taleranzen im Hochbau, 4 . 7 Vgl Mcrkblotl Taleranzen im Hochbau, 5.
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lOteranzen 1m Hocnoau
Spalte 1 2 3 4 5 6 7
Zeile Bezug Grenzabweichungen in mm bei Nennmaßen in m
bis 1 über1 über3 über 6 über 15
über 30') bis 3 bis 6 bis 15 bis 30
1 Maße im Grundriss, z. B. längen, Breiten, ± 10 ± 12 ± 16 ± 20 ± 24 ± 30 Achs- und Ras termaße (siehe 6.2.1)
5 Öffnungen, z. B. für Fenster, Türen,
± 10 ± 12 ± 16 Einbauelemente (siehe 6.2.5)
' ) Diese Grenzabw~ichungen kön~.en bei Nennmaßen bis etwa 60 mangewendet werden. Bei größeren Abmessungen smd besondere Uberlegungen erforderlich .
.. Abbildung 2: Tabelle 1 der ONORM DIN 18202, Zeile 1 und 5 von 6 "Grenzabweichungen"
Spalte 1 2 3 4 5 6
Zeile Bezug Stichmaße als Grenzwerte in mm bei Messpunktabständen in m bis
0 ,1 l'l 4') to•> 15•l bl
1 Nichtflächenfertige Oberseiten von
10 15 20 25 30 Decken, Unterbeton und Unterböden
2 [ ... ] Nichtflächenfertige Oberseiten von
5 8 12 15 20 Decken, Unterbeton und Unterböden
3 [ ... ) Bodenbeläge, Fliesenbeläge,
2 4 10 12 15 gespachtelte und geklebte Beläge
4 Wie Zeile 3, jedoch mit erhöhten
1 3 9 Anforderungen 12 15
5 Nichflächenfertige Wände und
5 10 15 25 30 Unterseiten von Rohdecken
Flächenfertige Wände und Unterseiten
6 von Decken, z. B. geputzte Wände,
3 5 10 20 25 Wandbekleidungen, untergehängte Decken
7 Wie Zeile 6, jedoch mit erhöhten 2 3 8 15 Anforderungen 20
') Zwischenwerte sind den Bildern 4 und 5 zu entnehmen und auf ganze mm zu runden. b) Die Grenzwerte für Ebenheilsabweichungen der Spalte 6 gelten auch für Messpunktabstände über 15 m.
Abbildung 3: Tabelle 3 der ÖNORM DIN 18202, Zeile 1 bis 7 von 7 "Grenzwerte für Ebenheitsabweichungen"
Die in Tabelle 3 der ÖNORM DIN 18202 festgelegten Werte haben ftir Decken, Estriche, Bodenbeläge und Wände, abhängig von ihrer Lage, Gültigkeit. Die Tabelle findet keine Anwendung für Absätze und Höhensprünge zwischen benachbarten Bauteilen. Diese sind laut ÖNORM DIN 18202, Punkt 5.4 gesondert zu regeln. Die ÖNORM DIN 18202, Punkt 5.4 besagt zudem, dass bezüglich der Grenzwerte für Ebenheilsabweichungen bei erhöhten Anforderungen gesonderte Grenzwerte zu vereinbaren sind.
Aufgrund möglicher zeit- und lastabhängiger Verformungen ist so fhih wie möglich die Einhaltung der Toteranzen zu überprüfen. Spätestens ist eine Überprüfung jedoch mit Übernahme oder Fertigstellung des Bauwerks durchzuführen. Das Messverfahren hat der Prüfer zu wählen und anzugeben. In welcher Form die Messpunkte zu wählen sind, ist in der ÖNORM DlN 18202 dargestellt.
Bereits in der Planung sind tedmisch notwendige ausreichende Toteranzen zu berücksichtigen, da in der Regel in der Ausführung Maßabweichungen auftreten. Bei Passungsberechnungen, zB fiir den Einbau von Fenstern, sind die Toteranzen einzubeziehen. Ein Augenmerk bei der Ausschreibung ist darauf zu legen, wenn Bauteile besondere Anforderungen zu erfiillen haben, zB hängende Schiebewände oder Türzargen. Hierftir sind in der Ausschrei-
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bung diese Anforderungen genau zu beschreiben und maximale Abweichungen anzugeben.8
2.2. Technische Werkvertragsnormen ln der ÖNORM B 221 I in der Fassung 2007, "Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonarbeiten", Punkt 4.2.2 "Angaben", wird festgelegt, dass insbesondere bezügl ich erhöhter Anforderungen an Maß-, Form- und Lagetoteranzen Angaben zu machen sind (vgl auch ÖNORM B 2206 "Mauerungs- und Versetzarbeiten" in der Fassung 2008). Laut Punkt 5.3.4.1 können diese erhöhten Anforderungen gemäß ÖNORM DIN 18202 in der Fassung 2006, Tabelle 3, auch als Toleranzklasse E2 bezeichnet werden. In der ÖNORM B 2232 " Estricharbeiten" in der Fassung 2007 werden weiters Prüfverfahren detailliert beschrieben.
Die ÖNORM B 22 10 in der Fassung 2009, "Putzarbeiten", definiert in Punkt 3.3 die Nennputzdicke als mittlere Putzdicke unter Beachtung der Toleranzen und schreibt vor, die Toteranzen der nachfolgenden Gewerke (Stahl- und Holzbau, Gebäudeabschlüsse, Fliesen, Estriche) zu beachten.
2.3. Standard-Leistungsbeschreibung Hochbau
Die Leistungsgruppe 32 (LG 32) "Konstruktiver Stahlbau" der standardisierten Leistungsbeschrei-
X Vgl Merkhla lt Taleranzen tm Hochbau, 8.
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Toteranzen im Hochbau
bung, Version 18, 2009-11, sieht vor, dass erhöhte Anforderungen als Aufzahlungspositionen festzulegen sind. In der LG 33 "Vorgehängte Fassaden" ist zB vorgesehen, dass der Ausgleich von etwaigen Ungenauigkeiten, die im Rahmen der MaßtoIeranzen des Rohbaus gemäß ÖNORM liegen, im Einheitspreis einzukalkulieren ist. Für die LG 34 "Verglaste Rohrrahmenelemente" ist geregelt, dass aufgrund der normgemäß zulässigen Maßtoieranzen vor der Ausfiihrung ein Naturmaß zu nehmen ist. Laut LG 38 "Holzfußböden" sind Positionen flir den Ausgleich des Unterbodens vorgesehen, wenn Abweichungen die angegebenen Toteranzen überschreiten.
2.4. Nulltoleranz Besonders problematisch kann aus baupraktischer Sicht die sogenannte "Nulltoleranz" sein. Dieser Ausdruck entspricht nicht der Realität, denn eine Nulltoleranz existiert nach obigen Definitionen nicht. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist darunter meistens die Festlegung der unbedingten Einhaltung einer planlieh definierten Linie (Nulllinie), die unter keinen Umständen unterschritten werden darf, zu verstehen. In diesem Fall muss die Toleranzregelung im Sinne des Schachtelprinzips bzw der Hüllbedingungen derart eingehalten werden, dass planlieh die innere Begrenzung der Maßtoleranz auf die "Nulllinie" gesetzt und damit das Nennmaß um den Betrag der festgelegten unteren Grenzabweichung nach außen gerückt wird. Die aus der unteren und der oberen Grenzabweichung definierte Maßtoleranz "sitzt" dann auf der Nulllinie.
Besonders auf die Nulltoleranz ist zu achten, wenn zB laut Bauordnung eine bestimmte Raumhöhe(§ 107 Wiener Bauordnung: 2,40 m bei Einund Zweifamilienhäusern sowie Reihenhäusern) einzuhalten ist. Sowohl in der Planung als auch in der Ausführung ist auf die Auswirkungen der Taleranzen bezüglich unbedingt einzuhaltender Abmessungen besonders Rücksicht zu nehmen.
3. Stellungnahme zur Praxis Aus baupraktischer Erfahrung ist die Maßeinheit des Poliers "cm" oder "1/2 cm". 1m industrialisierten Bauen sind Daumen- und Augenmaß unzulängliche Maßstäbe, daher werden diese von mm oder bei Serienfertigungen in der Fabrik von l /1 0 mm Maßeinheiten abgelöst. Bei Verwendung vieler und kleiner Einzelteile wi rd die Maßabweichung größer sein. Umgekehrt kann bei großen Bauteilen mit geringem manuellem Einsatz die Maßabweichung klein gehalten werden.'1
Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass bei sorgfältiger Ausführung die Einhaltung der in der ÖNORM angegebenen Toteranzen von Fachfirmen gewährleistet werden kann. Aus diesem Grund werden in vielen Fällen die Ausschreibungsunterlagen dahingehend geändert, dass die in der ÖNORM DIN 18202 angegebenen Werte als 1/2-Werte festgeschrieben werden. Der im BVergG 2006 geforderten Voraussetzungen der eindeutigen, voll-
9 Vgl dazu Schmittllfcene, Hochkonstruktton (198~ ) 384.
ständigen und neutralen Leistungsbeschreibung ist Folge zu leisten, das heißt, die Änderungen zur ÖNORM DIN 18202 sind klar und deutlich erkennbar darzustellen. Unklare Formul ierungen und Angaben bezüglich der Toteranzen können zu monetären Streitigkeiten im Rahmen der Bauausftihrung führen, da eine höhere Genauigkeit auf der Sei te der Ausführenden Mehrkosten bedeutet.
Durch eine unzureichende Kommunikation zwischen Bauherrn und Planer in der Projektentwicklungs- und Vorentwurfsphase können in der Folge offene Fragen entstehen. Äußert der Bauherr seine Vorstellungen und Wünsche bezüglich der Optik nicht unmissverständlich, kann der Planer diese Rahmenbedingungen in der Planung und Ausschre ibung nicht berücksichtigen. Für den Bauherrn werden die Auswirkungen erst mit Herstellung des Bauteils wahrnehmbar. Nachträgliche Anpassungen s ind eventuell unmöglich und - sofern doch mögl ich - sehr kostenintensiv. Auch wenn sich der Ausführende im Rahmen der Grenzabweichungen bewegt, können gewisse Vorstellungen des Bauhenn enttäuscht werden. Optische Vorste llungen eines Architekten, die ein hohes Maß an Genauigkeit und geringe Grenzabweichungen erfordern, schlagen sich im Preis nieder. Eine höhere Genauigkeit ist nur durch größere Sorgfalt und daraus folgend dw·ch höhere Aufwandswerte sowie durch zusätzliche Vermessungskontrollen (zB eine Kontrolle durch einen Geometer statt durch den Pol ier) möglich.
Komplexe Detai llösungen mit hohen Anforderungen aufgrund ästhetischer Vorstellungen müssen generell baupraktisch ausführbar sein, zudem müssen die Auswirkungen der Toteranzen bereits in der Planung berücksichtigt werden. Die Folgen sind häufig erst während der Ausfiihrung sichtbar und stellen die Projektbeteiligten vor die Tatsache, dass rasch Lösungen zu präsentieren und auszuführen sind. Nicht selten gelangen Blechabdeckungen und Sil ikonfugen, die optisch nicht den Vorstellungen des Bauherrn und des Plancrs entsprechen, zur Anwendung.
Werden Raumhöhen, die laut Bauordnung als Mindestmaß einzuhalten sind, unterschritten , kann trotz Unverhältnismäßigkeil des Rückbaus oder Neubaus eine Anpassung erforderlich werden. Der Koord inierung der unterschiedlichen Gewerke, Partien und Bautei le kommt dabe i eine große Bedeutung zu. Bei einer Generalunternehmervergabe werden dem Bauleiter des Generalunternehmers bzw bei einer getrennten Vergabe der örtlichen Bauaufsicht diese Aufgaben der Koordinierung zuteil. Wird durch die Aufsummierung von Abweichungen mehrerer Gewerke die Raumhöhe laut Bauordnung unterschritten, ste llt sich die Frage der Mitverantwortung. Durch die Ausführung der verschiedenen Gewerke durch unterschiedliche Firmen und Beteiligte ist die Ursachenforschung im Nachhinein nicht immer einfach. Besondere Aufmerksamkeit ist jenen Bauteilen zu widmen. bei denen Gewerke mit sehr unterschiedlicher Präzision und nicht einheitlichen Toteranzen aufeinandertreffen. Als Beispiel sei hier die Schnittstelle zwischen der Fassade und dem Rohbau genannt.
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Werden zB durch die Addition von Maßabweichungen Grenzwerte nicht mehr eingehalten, ist eine Fehleranalyse durchzuführen und die Mitverantwortung der Beteiligten zu klären. Ein Ausgleichen von Unebenheiten, nachträgliche Anpassungen oder Ausbesserungsarbeiten sind nur mit monetärem Mehraufwand zu bewerkstelligen. Große Bedeutung kommt in diesen Fällen der Kontrolle der einzelnen Vorleistung zu. Summieren s ich Maßabweichungen mehrerer Gewerke ausgehend von Vermessungsungenauigkeiten, folgt spätestens bei der Kontrolle der Oberfläche oder der Montage von Einbauteilen Ernüchterung. Eine Koordinierung und detaillierte Planungsabstimmung machen gemeinsame Kontrollen und Dokumentationen unumgänglich.
Weiters können Überhöhungen, die in der Berechnung der Statik und in der Planung angesetzt werden und die sich durch die Belastung ausgleichen sollen, zu Problemen führen. Wird diese Überhöhung durch fehlende Belastung nicht ausgeglichen und werden in der Planung eine mögliche raue Oberfläche sowie sonstige mögliche Verformungen nicht berücksichtigt, werden Unebenheiten noch weiter verstärkt.
4. Verantwortungsbereiche Jedem Projektbeteiligten werden Verantwortungsbereiche und Aufgaben zutei l, deren Erledigung fiir den Erfolg des Projektes von Bedeutung ist. So hat bezüglich der Taleranzen zB der Bauherr den Verwendungszweck vorzugeben, der Planer unumgängliche Taleranzen bereits in der Planung zu berücksichtigen und die ausführende Firma die vorgegebenen Taleranzen einzuhalten. In der Folge sind die Verantwortungsbereiche den Projektbeteiligten zugeordnet und in einer Übersicht dargestellt.
4.1 . Bauherr • Definition der Anforderungen bezüglich Ver-
wendungszweck und Ästhetik. Vorgegeben werden die Grenzabweichungen und Grenzwerte in der ÖNORM DIN 18202. Diese sind erfahrungsgemäß mit sorgfältiger Arbeit einzuhalten, können jedoch durchaus optisch sichtbar sein. Der Bauherr hat seine Anforderungen in Bezug auf Ästhetik und den Verwendungszweck zu definieren. Der Planer, der fiir die Ausschreibung der Bauleistung und die Planung verantwortlich ist, hat den Bauherrn bezüglich der Auswirkungen der Taleranzen zu beraten. Entscheidend ist, dass der Bauherr dem Planer seine Vorstellungen mitteilt, denn nur dann können diese Umstände der Leistungserbringung auch in der Ausschreibung definiert werden. Somit sind gegebenenfalls Gre~~abweichungen und Grenzwerte gegenüber der ONORM DIN 18202 zu verringern, die baupraktische Durchfiihrbarkeit ist jedoch zu gewährleisten. Jeder dem Vertrag gegenüber abweichende Wunsch des Bauherrn zieht Mehrkosten nach sich. Der Planer wiederum muss seinerseits mögliche Abweichungen zur ÖNORM, speziell bei Details und nicht einheitlichen Taleranzen und Genauigkeiten bei nachfolgenden Gewerken, in der Planung bereits berücksichtigen.
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loteranzen tm Hochbau
4.2. Planer10
• Beratung des Bauherrn bezüglich der Auswirkungen der Toleranzen;
• Einhaltung von Mindestabmessungen (zB laut Bauordnung: Abmessungen von Treppen, lichte Höhe von Aufenthaltsräumen);
• Überprüfung der Anforderungen (zB Abmessungen eines nutzungsgerechten Sportbeckens mit einer Überlaufkante, Venneidung von Pfützenbildung, Ebenheit und gleichmäßiges Gefalle bei Balkonen);
• Kontrolle einer möglichen Beeinträchtigung der Funktionalität des Bauwerks nach den Bestimmungen laut ÖNORM DIN 18202 (zB Entwässerung, Montage von Einbauteilen);
• Kontrolle einer möglichen Beeinträchtigung der Ästhetik nach den Bestimmungen laut ÖNORM DIN 18202 (zB Struktur, Anschlussfugen);
• Verwendung der Baustoffe (zB Fertigteile oder Ort beton, Standardmontageteile );
• Berücksichtigung von Kriechen, Schwinden, Wind- und Schneelast;
• Kontrolle der Taleranzen bei Übergängen und Schnittstellen, speziell bei Nachfolgegewerken mit unterschiedlichen Toleranzanforderungen, zB Stahlbeton - Glas, Sichtbeton - Malerarbeiten, Rohbau - Schlosserarbeiten, Rohbau - Fassade (Anmerkung: Bei der Abfolge der Arbeiten Rohbau - Putzarbeiten - Malerarbeiten kann ein Toleranzausgleich durch den Putz erfolgen; kann dieser Ausgleich nicht erreicht werden, zB ohne Putz, müssen die Taleranzen des Endzustandes bereits im Zwischenstadium (Stahlbeton] eingehalten werden);
• Ausführbarkeit der Planung; • eindeutige und klare Beschreibung der ab
weichenden Bestimmungen zur ÖNORM DrN 18202.
4.3. Ausführung11
• Angebotsphase (Kalkulant): Berücksichtigung von abweichenden Bestimmungen zur ÖNORM DIN 18202 (zB 1/2 DIN-Werte) in der Kalkulation (zB Mehraufwendungen durch höhere Genauigkeit und zusätzliche VeJmessung);
• Arbeitsvorbereitung (Bauleiter, Polier): Feststellen der zulässigen Grenzabweichungen und Grenzwerte;
• Planfreigabe: sorgfaltige Prüfung der Vorabzugspläne spezie ll auf Durchführbarkeit von Details;
• Vermessung: Vermessungstechnische Ungenauigkeiten gehen bei messtechnisch unkontrollierter Baudurchftihrung als systematische Maßabweichung durch alle Folgearbeiten bis zur Fertigstellung in das Bauwerk ein;
• Ausfiihrung (Bauleiter, Polier): Einhaltung der zulässigen Grenzabweichungen und Grenzwerte durch Kontrollen bzw Anwendung höherer Sorgfalt und zusätzlicher Vermessung (Geome-
10 Vgl dazu Bludou!Erii!Weber, Maßgerechtes Bauen' (1998) 97. 11 Vgl dazu Bludau!Erii/Weber, Maßgerechtes Bauen'. 14 0 IT.
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Teleranzen im Hochba u
ter statt Kontrolle durch den Polier) bei erhöhten Anforderungen;
• Überprüfung der Machbarkeil (gegebenenfalls Umstellung des Arbeitsablaufs oder des Bauverfahrens);
• Prüfung von vorhandenen Waagrissen (in ÖNORM festgelegte Nebenleistung, zB in ÖNORM B 2206 in der Fassung 2008, .. Mauerungs- und Versetzarbeiten");
• Vorleistungen: Feststellung der Toleranzwerte, Prüfung der Abweichungen und Vergleich der Bauwerksmaße, Wink ligkeilen und Ebenheilen mit den Planvorgaben;
• Montage von Fertigteilen. Überprüfung der Vorleistung vor der Herstellung der Fertigtei le;
• Prüf- und Wampft icht; • Ausftihrung Generaluntemehmer: Prüfung der
Abweichungen der einzelnen Baustoffe bzw Bauwerke und der gesamten Betrachtungsfläche;
• Ausführung Generalunternehmer: Abstimmung mit den Vor- und Folgeleistungen sowie Koordinierung und Sphärenzuteilung der Gewerke bei der Notwendigkeit von Ausgleichen bei Unebenheiten (zB Ausgleich einer unebenen Stahlbetondecke mit dem Einbringen des Estr ichs);
• bei fehlerhafter Vorleistung: Mitteilung von Mängeln oder berechtigter Bedenken bezüglich beigestellter Vorleistung an den Bauhen11 (siehe ÖNORM B 2110 in der Fassung 2009, Punkt 6.2.4.1 "Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bau1eistungen" ) und Anmeldung der Forderung (siehe ÖNORM B 2 110, Punkt 7.4);
• Abstimmung der Maßnahmen mit dem Bauherrn zum Ausgleich mangelhafter Leistung;
• Maßkontrolle vor Anmeldung zur Übernahme und gegebenenfalls Korrektur.
Die Toleranz T, auch Fertigungstoleranz genannt, beschreibt die DitTerenz zwischen dem größten und dem kleinsten zulässigen Maß, wobei sich die Gesamttoleranz Ts" aus den Toteranzen der Bauteil Fertigung, der Montage und der Vermessung zusammensetzt. 12 Als Faustformel wird die Vermessungsto leranzwie folgt angesetzt: Sollmaß x = 10,00 m, größtes Maß = 10,0 I m, kleinstes Maß = 9,99 m, Toleranz T = 0,02 m, Standardabweichung = 0,2 X T = 0,2 X 0,02 = 0,004 m.13
Für durchzuführende Prüfungen sind Bezugspunkte festzu legen. Da in der Normung zeit- und lastabhängige Verformungen von Bauteilen (zB Durchbiegungen) nicht berücksichtigt sind, sollten Prüfungen so früh als möglich durchgeführt werden.14
In der Ausführung is t das Zusammenspiel zwischen den Beteil igten (Baumeister, Nach- und Nebenunternehmer, örtl iche Bauaufsich t und Bauherr) von großer Bedeutung. Gemeinsame fortlaufende Kontrollen und Abstimmungen gewährleisten die Einhaltung der Grenzwerte und Grenzabweichun-
12 Vgl Sdmeider, Bautabellen flir lngCI11eure" (20 10) 14.2. 13 Vgl Schneider. Baulabellen flir Ingenieure' ' (2002 ) 14 .2. 14 Vgl Frick/Knö/1. Baukonslrukl ionslehre In (2002) 22.
gen. Wird die Einhaltung der Maßgenauigkei ten der ei nzelnen Einzelgewerke nacheinander überprüft, können Abweichungen dem Verursacher zugeordnet werden.
4.4. Örtliche Bauaufsicht • Feststellung der Toleranzwerte, Prüfung der
Abweichungen und Vergleich der Bauwerksmaße, Winkligkeilen und Ebenheilen mi t den Planvorgaben;
• Prüfung der Abweichungen der einzelnen Baustofte bzw Bauwerke und der gesamten Betrachtungsfläehe ;
• Abstimmung mi t den Vor- und Folgeleistungen sowie Koordinierung und Sphärenzuteilung der Gewerke bei der Notwendigke it von Ausgleichen bei Unebenheiten (zB Ausgleich einer unebenen Stahlbetondecke mit dem Einbringen des Estrichs);
• Abstimmung der Maßnahmen mit dem Bauherrn und den Ausführenden zum Ausgleich mangelhafter Leistung;
• Durchführung der Übernahme und Dokumentation der Mängel.
5. Baupraktische Beispiele 5.1. Montage einer Türzarge
in einer Trockenbauwand Bei einem Trockenbauausbau in einem Bürogebäude sollten Türzargen nicht als U-Profile, sondern aus optischen Gründen flach ausgefühlt werden. Laut ÖNORM B 22 12 in der Fassung 200R. "Trockenbauarbeiten" haben bezüglich Kanten und Ichsen die Grenzwerte der Tabelle 3, Zei le 7 der ÖNORM DIN 18202 Gül tigkeit. Für Messpunktabstände zwischen I und 3 m betragen die Grenzwerte zwischen 3 und 5 mm. Die ÖNORM B 5330-10 in der Fassung 2006, ,.Stahlzargen !Ur Ständerwandsysteme mit Gipsplatten" sieht Abwe ichungen von zirka ± 0,5 mm vor. Da in der Ausschreibung keine besonderen Anforderungen für die Herstellung der Trockenbauwände gestellt wurden, waren unweigerlich mit freiem Auge sichtbare Fugen die Folge. Abhi lfe leisteten optisch unvorteilhafte Sil ikonfugen.
5.2. Bodenbelag auf Estrich und Stahlbetondecke
Ein Baumeister s tellte die Stahlbetondecke, ein Subunternehmer des Baumeisters den Estrich und ein Nebenunternehmer im Auftrag des Bauherrn den Bodenbelag her. Es waren die Toteranzen lau t ÖNORM DrN 18202 einzuhalten. Vor der Herste llung des Estrichs wurden mögliche Unebenhei ten nicht dokumentiert oder kontroll iert. Der Subunternehmer beklagte Mehrstärken bei der Herstellung des Estrichs. Vor dem Verlegen des Bodenbelags äußert der Bauherr den Wunsch, Unebenheiten auf 4,00 m gemessen von maximal 0,5 mm zu erreichen. Für die Herstellung der Stahlbetondecke beträgt der Grenzwert flir Ebenheitsabweichung, bei einem Messpunktabstand von 4,00 m, 12 mm (siehe Tabelle 3, Zeile 2, Spalte 4). Für die Herstellung des Estrichs und des Bodenbelags ist die Zeile 3 der Tabelle 3 heranzuziehen, die einen
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Grenzwert für Ebenheilsabweichung von l 0 mm vorsieht. Der Bauherr hat zwei Vertragspartner: den Baumeister, der bis zur Oberkante des Estrichs verantwortlich ist, und den Bodenleger. Der Baumeister muss sich daher eine mögliche Vergütung von Mehrkosten aufgrund der Notwendigkeit des Ausgleichens von Unebenheiten der Stahlbetondecke mit dem Subunternehmer ausdiskutieren. Da dieser die Vorleistung, die Stahlbetondecke, nicht dokumentiert hat und dem Baumeister keine Mitteilung bezüglich Mehrkosten machte, stritt der Baumeister jede Mitverantwortung ab. Mit dem Vorweisen von Estrichstärken einigte man sich auf eine Vergütung von Mehrkosten. Da der Subunternehmer jedoch auch Bereiche mit Minderstärken ausführte und eine gewisse Unebenheit auszugleichen hat (unterschiedliche Grenzwerte für Stahlbeton und Estrich), werden die Mehrkosten pauschal um 70 % verringert. Die Abweichungen des Estrichs sind im Rahmen der zulässigen Werte. Demnach müssen zusätzliche Anforderungen, die erst im Zuge der Bauausführung kundgetan wurden, vom Bauherrn als Mehrkostenforderung gesondert vergütet werden.
5.3. Wandkonstruktion aus Fertigteilplatten15
Ein Hochhaus wurde an ein bestehendes I 0-stöckiges Gebäude angebaut und beide Gebäude wurden durch Querdurchgänge miteinander verbunden. Bei der Herstellung der Durchgänge musste festgestellt werden, dass das Deckenniveau der einzelnen Geschoße nicht mit jenen des Nachbargebäudes übereinstimmte. Das Deckenniveau im letzten Stock lag um 60 mm über dem Nennmaß. Die zulässige Grenzabweichung laut ÖNORM DIN I 8202, Tabelle I , Zeile 2, Spalte 6 beträgt bei einer Geschoßhöhe von 2,85 m ± 30 mm. das heißt, die Grenzabweichung laut ÖNORM DIN
15 Vgl dazu 8/udau!Er//!Weber. Maßgerechtes Bauen'. 145 (f.
Toteranzen im Hochbau
wurde nicht überschritten. Die Fertigteilwände, die jeweils über ein Geschoß reichten, wiesen eine Überlänge von + 6 mm auf. Laut DIN 18203-1 wurde das zulässige Grenzabmaß nicht überschritten. Bei der Montage wurde diese Abweichung nicht ausgeglichen. Die Maßabweichung betrug im ersten Geschoß+ 10 mm (zulässig± 16 mm laut ÖNORM DIN 18202. Tabelle I, Zeile 2, Spalte 3). Durch die Addition der Maßabweichungen in den folgenden GeschoBen resultierte eine Abweichung von 60 mm. Abhilfe kann durch ständige Nachkontrollen bei jedem einzelnen Geschoß geleistet werden. Dadurch kann ein Ausgleich stattfinden und einer Aufsummierung der Maßabweichungen entgegengesteuert werden. Gebäudeverformungen und Gebäudebewegungen können den ungünstigen Fallnoch weiter verstärken.
Zusammenfassung Als Toleranz wird die zulässige Abweichung von vorgeschriebenen Maßen definiert, da sich Abmessungen nicht genau erzeugen lassen.
Der Bauherr muss die Anforderungen bezüglich des Verwendungszwecks und der Ästhetik definieren. Der Planer hat mögliche Abweichungen bereits planlieh zu berücksichtigen, der Ersteller der Ausschreibung hat die Grenzabweichungen und -werte gegebenenfalls an die Erfordernisse anzupassen. Die Bauaufsicht hat die Einhaltung dieser vereinbarten Werte zu kontrollieren und die ausführende Firma darauf zu achten, mit normaler und sorgfältiger Arbeit die vereinbarten Werte nicht zu überschreiten. Dabei kommt der Koordinierung der unterschiedlichen Gewerke und Bauteile eine große Bedeutung zu.
Leitfaden zum Grundbuchsrecht
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Mit Fragen des Grundbuchs befassten Juristen und interessierten Laien bietet dieser Titel einen brauchbaren Arbeitsbehelf. in dem u. a. Anleitungen zur Lösung von Rechtsfragen zu finden sind. Darober hinaus werden dem Benutzer auch zahlreiche Vertragsmuster und Muster für Grundbuchseingaben sowie Muster von Urkunden, wie sie im Grundbuchsalltag immerwieder vorkommen, geboten, um das Verstandnis und die Anwendung des Grundbuchsrechts zu erleichtern. Letztlich fehlt es auch nicht an instruktiven Hinweisen. wie etwa der "Checkliste", die helfen soll, Abweisungen von Grundbuchsgesuchen zu vermeiden.
Feii/Marent/Preisl 2.Aufl. 2010
Mag. Erich Feil und Dr. Kari-Heinz Marent, beide Richter 1. R.. Fachbuchautor zahlreicher im Ltnde Verlag
erschienener Monografien und Kommentare.
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1.672 Setten. Leinen ISBN 978 -3 -70 73-1304-8 EUR 295,-
Dr. Gerhard Preisl, seit 1993 Rechtsanwalt. spezialtsiert auf Liegenschaftsrecht und Vertragssachen, Fachbuchautor.
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