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Transmediales

 Erzählen

 Hrsg.: Anna E. Rentsch, Dirk Schütz, Christian Henner-Fehr 

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Das eBook „Transmediales Erzählen“ ist entstanden in Kooperation von kulturkurier inside,Kulturmanagement Network und der stARTconference.

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InhaltsverzeichnisÜber dieses eBook...................................................................................................................................................................4

Die Kunst des digitalen Erzählens (Christian Henner-Fehr)............................................................................................7

Transmedia-Storytelling in der Praxis: das wilde Dutzend (Dorothea Martin)..........................................................14

Transmediale Kommunikation: die Kunst der modernen Geschichtenerzähler und ihre digitalen Werkzeuge(Frank Tentler) ......................................................................................................................................................................16

Das Asisi Projekt (Anna E. Rentsch)...................................................................................................................................27

Wenn der Browser laufen lernte (Manuel Scheidegger).................................................................................................32

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Über dieses eBookGeschichten haben die Menschen schon immer fasziniert. Ob es um Jahrhunderte alte Märchen geht oder umHarry Potter, wir lassen uns gerne fesseln von Erzählungen, die unsere Phantasie anregen und uns so zum„Mitmachen“ auffordern. Viele von uns verbinden mit solchen Geschichten Erinnerungen an die Kindheit, indenen uns Märchen vorgelesen wurden oder wir uns irgendwo mit einem Buch verkrochen haben und längereZeit nicht mehr ansprechbar waren.

Die Zeiten haben sich geändert, Geschichten werden nicht mehr nur über das Medium Buch transportiert,sondern über eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Medienkanäle. Film, Comic oder Hörspiel, ja sogar über

Spiele lassen sich Geschichten erzählen. Während wir die verschiedenen Medienformate früher meistnebeneinander und unabhängig voneinander nutzten, erleben wir nun, wie sie sich immer mehr annähern. Alsdas Internet aufkam, sahen viele das Ende des Buches als gekommen. Weit gefehlt, unter dem StichwortMedienkonvergenz subsumieren wir eine Entwicklung, die nicht zu einem Verdrängungswettbewerb führt,sondern versucht, die verschiedenen Formate sinnvoll miteinander zu verbinden.

Das ist eine der Voraussetzungen für Transmedia Storytelling, das Erzählen einer Geschichte mit Hilfeverschiedener Medienformate, so eine zugegeben etwas saloppe Erklärung. Ist Transmedia Storytelling nuneinfach nur ein Hype, der vorübergehen wird? Wie funktioniert Transmedia Storytelling genau und handelt es

sich dabei um eine Entwicklung, die vor allem die Film- und Buchbranche interessiert und damit etwa anTheatern und Museen vorbei gehen wird?

Um diese und viele andere Fragen wird es auf der stARTconference gehen, die Mitte November 2011 zumdritten Mal in Duisburg stattfinden wird. Dieses eBook soll Ihnen einen ersten Einblick in die Welt des

 

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© Sebastian Michalke / pixelio.de

 

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Transmedia Storytelling vermitteln. Dafür haben kulturkurier inside, Kulturmanagement Network sowie dasTeam der stARTconference fünf spannende Artikel herausgesucht und hier zusammengefasst.

Christian Henner-Fehr beschreibt im ersten Beitrag dieses eBooks die theoretischen Grundlagen für TransmediaStorytelling. Wie das in der Praxis aussieht, zeigt Dorothea Martin am Beispiel von „Das wilde Dutzend”.Dahinter verbergen sich “Loge und Verlag für Rätselhaftes und Verborgenes” und die Idee, rund um dieSchreckenschronik „Die Guten, die Bösen und die Toten“ des 1899 plötzlich verschwundenen Totenfotografen Johan von Riepenbreuch eine transmediale Welt zu kreieren. Wie aber entwickelt man eine solche transmedialeWelt? Während Christian Henner-Fehr in seinem Artikel auf die theoretischen Grundlagen von TransmediaStorytelling eingeht, erklärt Frank Tentler, welche digitalen Werkzeuge sich dafür nutzen lassen. Und wie siehtdas dann in der Praxis aus? Anna E. Rentsch hat sich das Pergamon-Projekt von Yadegar Asisi angeschaut und

zeigt, wie sich Kulturgeschichte vermarkten lässt. Klingt unmöglich? Dann lassen sie sich überraschen. WelcheRolle dabei das Internet spielt, beschreibt Manuel Scheidegger, der als Gründer eines Startups eine Web-Anwendung entwickelt hat, die es jedem User möglich macht, verschiedene Webinhalte zu kombinieren und zuinszenieren.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre dieses eBooks und freuen uns, wenn wir mit diesem Dokumentauch Ihre Freunde, Kollegen und weitere Interessierte für das Thema Transmedia Storytelling begeisternkönnen.

Anna E. Rentsch (kulturkurier inside)

Dirk Schütz (Kulturmanagement Network)

Christian Henner-Fehr (stARTconference)

 

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Die Kunst des digitalen Erzählens (Christian Henner-Fehr)

Geht es um Geschichten, fällt uns allen etwas dazu ein. Ob es die Geschichten selbst sind oder Geschichten überGeschichten, meist handelt es sich um Erlebnisse, die sich durch eine besondere Atmosphäre auszeichnen unduns auch aus diesem Grund in Erinnerung geblieben sind. Wem es gelingt, seine Zuhörer auf diese Weise zuverzaubern, macht seine Geschichten unvergesslich. Davon träumen wir alle und sind deshalb bemüht, unsereInhalte, wenn es irgendwie geht, in Geschichten zu packen. Aber natürlich sind wir nicht alle erfolgreich und sogeraten viele Geschichten wieder in Vergessenheit.

Geblieben ist aber die Frage nach dem (Erfolgs)-Geheimnis von Geschichten, um die eigenen Erlebnisse„unvergesslich“ zu machen. Geschichten bedürfen einer Handlung, die sich, so können wir etwa in Aristoteles

Poetik nachlesen, durch einen Anfang, eine Mitte und ein Ende auszeichnet und nach bestimmten Regeln„funktioniert“. Zurück in der Gegenwart beschreibt Nicole Mahne in ihrem Buch „TransmedialeErzähltheorie“1 das Figurenpersonal, den Ort der Ereignisse und die Zeit, in der sie sich vollziehen als dieGrundelemente einer Geschichte. Als Ereignis definiert sie „alle Formen der Zustandsveränderung“, dieentweder passiv durch ein Geschehnis oder aktiv durch eine Handlung hervorgerufen werden. Sie „in einechronologische und kausale Ordnungsstruktur zu überführen, bildet“, so Mahne, „das Fundament für dieGestaltung von Erzählwerken“, die in ihrer medialen Äußerungsform an die Darstellungsoptionen der

Trägersubstanz gebunden sind. „Erzählmedien, wie der Roman, der Film, der Comic usw. sind demzufolgekeine neutralen Übertragungswege, sondern gestalten durch ihre internen Strukturgesetze den Erzählinhaltentscheidend mit.

1 Nicole Mahne: Transmediale Erzähltheorie (2007)

 

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Damit sind wir beim Thema Transmedia Storytelling angekommen, der Kunst, Geschichten über verschiedeneKanäle hinweg zu erzählen. In den letzten Wochen und Monaten ist vermutlich kein Tag vergangen, an dem

sich nicht irgendjemand daran gemacht hat zu erklären, was Transmedia Storytelling ist. Noch so ein Hype,werden Sie vielleicht denken. Aber vielleicht ist genau das der Grund, sich etwas genauer damit zubeschäftigen.

Was verstehen wir unter Transmedia Storytelling?

Als ich im Januar den Blogbeitrag „In zwei Minuten wissen Sie, was Transmedia Storytelling ist“2 online stellte,habe ich es mir noch leicht gemacht und mit Hilfe eines Videos den Begriff zu erklären versucht. So ganz ist das

nicht gelungen, wie die Kommentare gezeigt haben und rückblickend würde ich sagen, kratzt dieses Video nuran der Oberfläche von dem, was Transmedia Storytelling sein kann. Sein kann deshalb, weil sich heute vieleMedienproduktionen damit schmücken, eine Geschichte transmedial zu erzählen und eigentlich gar nicht soganz klar ist, wann wir von Transmedia Storytelling sprechen können und wann nicht.

Wer sich mit dem Thema beschäftigt, landet recht schnell bei einem Blogpost, das Henry Jenkins schon im Jahr2007 geschrieben hat und den Titel „Transmedia Storytelling 101“3 trägt. Jenkins, derzeit Professor an derUniversity of Southern California, hat darin eine Definition vorgeschlagen, die wohl auch heute noch Gültigkeit

besitzt:Transmedia-Storytelling beschreibt einen Prozess, der entscheidende Bestandteile einer Geschichte systematisch

2 http://bit.ly/f32kZl (26.10.2011)

3 http://bit.ly/qL6PZe (26.10.2011)

  

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über verschiedene Kanäle verteilt, um so ein einzigartiges und (plattform)-übergreifendesUnterhaltungserlebnis zu erzeugen. Idealerweise trägt jedes Medium zur Entwicklung dieser Geschichte bei.

Als er sich nun vier Jahre später indem Beitrag „Transmedia 202:Further Reflections“4 erneut mit demThema beschäftigte, konnte mandarin zwar viel Neues lesen, dieDefinition blieb aber erhalten. Fürviele bedeutet das: ich erfinde eine

unterhaltsame oder spannendeGeschichte und erzähle sie mit Hilfeverschiedener Formate, z.B. imWechsel von Text und Bild.

Vielleicht ist der Begriff TransmediaStorytelling auch irreführend, dennstrenggenommen geht es gar nichtum die eine Geschichte, sondern esgilt, eine fiktionale transmediale Weltzu kreieren, in der Dinge passieren

4 http://bit.ly/n73Pjz (26.10.2011) 

© Gerd Altmann / pixelio.de

 

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können, von denen die Autoren anfangs unter Umständen noch gar keine Ahnung haben. Jenkins spricht voneinem Prozess, aus dem heraus sich Handlungen in bestimmte vorher nicht festgelegte Richtungen entwickeln

können.Der daraus entstehende Fluss der Inhalte lässt sich auf unterschiedliche Art und Weise erzählen. Jenkinsarbeitet in seinen beiden Beiträgen verschiedene Aspekte heraus, mit denen sich beschäftigen sollte, wertransmediale Welten entwerfen möchte. Ein wichtiger Aspekt ist die Erzählstruktur. Vor allem das Fernsehenmacht deutlich, welche Ansätze möglich sind. Episodenhaften Serien, bei denen jede Folge abgeschlossen ist(siehe z.B. die Krimiserie „ Tatort“) stehen mehrteilige Filme gegenüber, deren Folgen sich unmittelbaraufeinander beziehen, etwa die in den 1960er und 1970er Jahren gezeigten Durbridge-Mehrteiler. Egal für

welchen Ansatz man sich entscheidet, die Herausforderung besteht darin, den Erzählstoff sinnvoll zuportionieren.

Mit Hilfe der Erzählstruktur Spannung erzeugen

Während früher, so Jenkins, das episodenhafte Erzählen im Vordergrund stand, habe vor allem dasamerikanische TV in der jüngeren Vergangenheit mehr auf das serielle Erzählen gesetzt. Diese Entwicklunghabe, so ist er überzeugt, das Publikum auf Transmedia Storytelling vorbereitet. Ein Beispiel für diese

Entwicklung ist die in den USA produzierte TV-Serie „LOST“, in der das serielle Element dominiert (siehedazu: Verena Schmöllers Artikel „Further Instructions“ in: „Durch das Labyrinth von LOST“). Interessant ist,dass die Ausstrahlung im deutschen Fernsehprogramm gar kein so großer Erfolg war, während sich die DVD-und Blu-Ray-Editionen sehr gut verkauften.

 

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Die meisten transmedial erzählten Geschichten weisen eine serielle Erzählstruktur auf, aber nicht jede seriellerzählte Geschichte ist transmedial, schreibt Jenkins und verweist an anderer Stelle auf die Bedeutung der

sogenannten Cliffhanger5

, die dazu dienen, verschiedene narrativ nicht abgeschlossene Folgen durchSpannungsaufbau kurz vor dem Ende einer Folge miteinander zu verknüpfen und dieZuseherInnen/LeserInnen dadurch dazu zu bringen, die nächste Folge anzuschauen oder den nächsten Bandzu lesen.

Serielles Erzählen bedeutet aber nicht automatisch, dass die Geschichte linear erzählt wird. Gerade dertransmediale Sprung in ein anderes Format erlaubt auch zeitliche Sprünge, die in Form einer Backstory häufigin der Vergangenheit spielen und zum Beispiel zusätzliche Informationen über eine oder mehrere Charaktere

enthalten. Möglich ist es etwa, zwischen zwei Staffeln einer TV-Serie einen der Charaktere ein Blog betreiben zulassen, das in der Vergangenheit spielt und dessen Entwicklung skizziert.

Diese inhaltlich begründete Beziehung zwischen – in diesem Fall – den Folgen einer TV-Serie und denBeiträgen eines Blogs ist eines der Kennzeichen von Transmedia Storytelling. Diese inhaltliche Verschränkungist nicht neu und folgt dem Prinzip der Intertextualität, das sich – wenig überraschend – nur auf das Textformatbezieht. „Jeder Text baut sich als Mosaik von Zitaten auf, jeder Text ist Absorption und Transformation einesanderen Textes“, zitiert Wikipedia die bulgarisch-französische Psychoanalytikerin und Kultur- undLiteraturwissenschaftlerin Julia Kristeva, die diesen Begriff in der Beschäftigung mit Michail BachtinsDialogizitätsmodell entwickelt hat.

5 Wikipedia: “Der Begriff steht für den offenen Ausgang einer Episode auf ihrem Höhepunkt. Den Fortgang der Handlung

beantwortet die nächste Episode.”; http://bit.ly/mZuCLI (26.10.2011)

 

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Intertextualität (Jenkins spricht von „radically intertextuality“, erläutert diesen Begriff aber nicht weiter)verneint die interpretatorische Vormachtstellung der AutorIn und geht von einem Netzwerk an Texten aus, die

erst durch die verschiedenen Verknüpfungen ihre wahre Bedeutung entfalten können. Transmedia Storytellingfunktioniert nach dem gleichen Prinzip, beschränkt sich aber nicht nur auf ein (Text)-Format, sondern nutztbeliebig viele unterschiedliche Formate.

Unterschiedliche Formate erfordern aber einen unterschiedlichen Umgang, konstatiert Jenkins und führt indiesem Zusammenhang den von Gunther Kress geprägten Begriff der Multimodalität ein. 6

Kress, Professor für Semiotik, beschäftigt sich mit der Frage, wie die neue Komplexität von „Texten“ verstandenwerden kann. Kommunikation läuft immer häufiger über mehrere Kanäle gleichzeitig (multimodal) und

benötigt neue Kompetenzen, die wir uns erst nach und nach aneignen müssen.

Von der Story zur transmedialen Story

Erst die Kombination von „radikaler Intertextualität“ und „Multimodalität“ macht aus einer Story einetransmediale Story. Aber auch nur dann, wenn beide Ansätze dazu verwendet werden, die Story anzureichern. Jenkins orientiert sich in diesem Zusammenhang an dem von Spielentwickler Neil Young eingeführten Begriffder Bedeutungserweiterung („additive comprehension“).

 Jeder zusätzliche Baustein der Geschichte muss also einen Mehrwert liefern, womit wir wieder bei derErzählstruktur und der Herausforderung, die Story entsprechend zu portionieren, jedes seiner Einzelteileinhaltlich aufzuladen und ein Stück weit „autonom“ zu gestalten, gelandet sind.

6 siehe dazu: Gunther Kress: Reading Images: Multimodality, Representation and New Media; http://bit.ly/qlP6cN (26.10.2011)

 

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Wer Transmedia Storytelling lediglich als das Erzählen einer Geschichte mit Hilfe mehrerer Formate versteht,wird dem Begriff nicht gerecht. Henry Jenkins versteht darunter das Zusammenspiel verschiedener sehr

komplexer Phänomene, das sich in folgender Formel darstellen lässt:Radikale Intertextualität + Multimodalität + Bedeutungserweiterung = Transmedia Storytelling 

Erst in diesem Fall dürfen wir von Transmedia Storytelling als der Kunst des digitalen Erzählens sprechen,wobei das erst die Grundformel ist. Aber ohne die geht es wohl kaum.

 Autor: Christian Henner lebt und arbeitet als Kulturberater in Wien. Er betreibt das Kulturmanagement Blog und ist Mitorganisator der stARTconference.

 

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Transmedia-Storytelling in der Praxis: das wilde Dutzend (Dorothea Martin)

„Das wilde Dutzend – Loge und Verlag für Rätselhaftes und Verborgenes“. Der Name ist Programm. Seit einem Jahr betreiben wir am Prenzlauer Berg in Berlin einen Verlag, der für die Öffentlichkeit als Fenster zu einerGeheimgesellschaft fungiert. Dieser geheime Orden existiert bereits seit dem Mittelalter und verfolgt das Ziel,Licht ins Dunkel bekannter und nicht so verbreiteter Mysterien in Literatur und Kultur zu bringen.

Unser Mittel dabei ist Transmedia Storytelling zwischen Realitätund Fiktion. Bücher sind ein Medium unter vielen, um die Welt von

„Das wilde Dutzend“, seiner Mitglieder und Künstler zu erzählenund weiterzuführen. Als wir im Herbst 2010 unser erstes Buch, dieverloren geglaubte viktorianische Schreckenschronik „Die Guten,die Bösen und die Toten“ des 1899 plötzlich verschwundenenTotenfotografen Johan von Riepenbreuch publizierten, boten wirdaher sofort Möglichkeiten, die über das Buch hinausgingen.Mithilfe des Online-Glossars „Dichtung und Wahrheit“ kann z.B.mehr über die einzelnen Verse erfahren werden. Zahlreiche

Veranstaltungen beleuchteten die Entstehungszeit des Buchesgenauer: Rollenspielabende erforschten das Gaslight-London Jackthe Rippers, ein Hörspiel- und Videoscreening erkundete die Kunstder viktorianischen Totenfotografie und weitere seltsame

 

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Phänomene, und Magister Koepping bewies in den Lesungen der Chronik, dass der Autor bereits früher Fanshatte.

Seit April 2011 ist nun auch die geheime Identität eines Logenmitgliedsbekannt: Adele, die literarische Detektivin der Loge. 1900 begann sie mit ihrerSuche nach Johan von Riepenbreuch und seinem Manuskript. In einerinteraktiven Story-Ausstellung konnten die Besucher von „Adeles Salon“online wie offline die Geschehnisse rund um Adeles Spurensuche im Berlindes Jahres 1900 mitschreiben: Wen sollte sie befragen, welche Orte

aufsuchen? Nach fünf Ausstellungstagen in der KunstBox Berlin zog sieweiter an den Geburtsort Johans, Stillvelde. Was sie dort erlebte wird sieAnfang Oktober zurück im Logenladen (der nach Adeles letztemArbeitszimmer gestaltet wurde) in Berlin präsentieren. Dort sind rätselhafte,geheimnisvolle und obskure Produkte zu finden, aber hier ist auch die„Heimat“ der regelmäßigen Veranstaltungen rund um die Story Welt desVerlags und seiner Werke – inklusive exklusiver Clubmitgliedschaft.

 Autorin: Dorothea Martin ist Transmedia Konzeptionerin bei imaginary friends und leitet zusammen mit ihrer KolleginSimone Veenstra den unabhängigen Berliner Verlag „Das wilde Dutzend“, in dem sie für Transmedia Konzeption und Marketing zuständig ist.

 

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Transmediale Kommunikation: die Kunst der modernen Geschichtenerzählerund ihre digitalen Werkzeuge (Frank Tentler)Die schönste Geschichte funktioniert nur, wenn auch der Rahmen stimmt.

Schon als Kind war ich begeistert von Geschichtenerzählern und ihren Auftritten. Als ich 6 oder 7 Jahre alt war,nahmen mich meine Eltern mit auf eine Kinderbuch-Ausstellung. Damals entdeckte ich, dass es eine Welt derunendlichen Fantasie gibt, die man einfach mit einem (Buch)-Deckel öffnen kann. Alleine diese Erkenntnis hättediesen Tag unvergesslich gemacht, wenn da nicht noch diese beiden Erwachsenen gewesen wären, die in einemabgedunkelten Raum in einem Lichtkegel saßen. Leise Musik klang aus dem Raum und ich ging neugierig, aberauch etwas besorgt hinein.

Nach über einer Stunde fanden mich meine Eltern wieder. Sie hatten die ganze Ausstellung nach mirabgesucht. Letztendlich fanden Sie mich auf dem Boden sitzend, meinen Kopf auf die Hände gestützt und mitoffenen Mund den beiden Erwachsenen lauschend, die für mich und die anderen Kinder den Raum in einWunderland verwandelt hatten.

Um sie herum war ein undurchschaubares Sammelsurium an Gerätschaften. Instrumente, Hölzer, Kästchen,Kokosnussschalen, Taschenlampen, Bleche und viele Dinge, die ich nicht kannte, lagen in Griffweite bereit.

Einer der beiden begann eine Geschichte zu erzählen. Begleitet wurde er von seinem Kollegen, der mit denbereit liegenden Gegenständen eine Klangkulisse erschuf, die dem Rhythmus und der Dynamik der Geschichteund der Sprache angepasst war, sie untermalte und verstärkte. Dieses Zusammenspiel bewirkte bei uns kleinenZuhörern eine Art Trance. Es bewirkte auch einen Sog, dem sich keiner entziehen konnte. Immer wieder

 

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wurden wir Zuhörer in das Weben der Geschichte einbezogen. Wir durften Geräusche machen, Fragen stellen, ja sogar Einfluss auf die Geschichte nehmen.

Als die Geschichte vorüber war, saßen wir staunend und begeistert vor diesen beiden Zauberern und keinerverließ den Raum.

So lernte ich zum ersten Mal Geschichtenerzähler kennen undlieben. Ich nervte noch tagelang meine Familie, meine Freundeund auch die Lehrer mit meinem Erlebnis und meinenVersuchen, diese Welt für sie recht erfolglos aufleben zu lassen.

Ich bin älter geworden und die Welt in der ich lebe hat sichverändert. Seit meiner Kindheit habe ich sehr vielenGeschichtenerzähler aus aller Welt gelauscht. Oft Live, aberauch – dank der sich rasant entwickelnden Medien in diesemZeitraum – in konservierter Form. Aber keine Konserve konntedieses Erlebnis eines leibhaftigen Geschichtenerzählersersetzen.

Dann kam das Social Web.Das Web der Interaktion, der Web-2.0-Tools und der vernetzten Netzwerke.

© Henning Hraban Ramm / pixelio.de

 

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Plötzlich gibt es Möglichkeiten für Geschichtenerzähler, die den bis dahin bekannten geographischen unddramaturgischen Rahmen um neue Dimensionen erweitern.

Und plötzlich sind sie wieder gefragt, die Geschichtenerzähler.Nur dass sie heute keine Instrumente mehr bedienen, oder aus Blechen Donner zaubern.Heute heißen ihre Werkzeuge YouTube oder Flickr und sie unterhalten ihre Zuhörer interaktiv undmultimedial in den virtuellen Hallen von Facebook, Twitter und Co.

Die Grundlagen für "Transmedia Storytelling" bestehen in meinem Beruf aus 4 verschiedenen Bereichen:

• ·der Kunst des Erzählens (Storytelling)

• dem technisch-kommunikativen Web-Know-How (Transmedia)

• Aufmerksamkeit und Interaktion (Social Marketing)

• Erfolgskontrolle (Monitoring Social Impact)

Erst wenn diese Bereiche zusammen spielen, wird eine Geschichte im Web zu einer nachweislichen und

nachhaltigen Erfolgsgeschichte.

Die Kunst des Erzählens

Es klingt so einfach wenn man gesagt bekommt: "Erzähl uns eine Geschichte!". Sicher, heute kommt das nichtmehr so oft vor. Eltern erzählen (hoffentlich) ihren Kindern Märchen, oder an Lagerfeuern, wenn archaischeGrundmuster bei uns wieder greifen, schwingt sich jemand zum Geschichtenerzähler auf. Aber im Grundeüberlassen wir diese Kunst den Unterhaltungsmedien, die diese in unterschiedlichster Qualität ausüben.

 

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Beginnt man mit seiner Geschichte, tritt man immer einer Erwartungshaltung gegenüber. Der Zuhörer willGefühle spüren, will sich freuen, gruseln und lachen. Er will mitgenommen werden auf eine Reise. Eine Reise

voller Abenteuer, Liebe, Hass und einem überraschenden Ende, das nicht unbedingt „Happy“ sein muss.Diese Grundmuster der Unterhaltung finden sich auch in den Geschichten wieder, die das Web erzählt. Wennwir im Web von „viralem Marketing“ sprechen, meinen wir besonders gut erzählte Geschichten, die viaMundpropaganda weitererzählt werden. Nur dass hier der Mund zumeist YouTube oder ein Weblog ist, derMarktplatz als „Tratschplatz“ von den „Social Networks“ abgelöst wurde und die Geschichte nicht durch„Stille Post“ an Inhaltsverlust leidet, sondern durch spontane Interaktion erweitert werden kann.

 Jede neue Website, jedes Event und jedes Projekt im Web braucht eine eigene Geschichte. Dafür sollte man sich

viel Zeit nehmen, diese logisch und nachvollziehbar zu entwickeln. Diese Geschichte und ihre Dramaturgieentscheiden über den Erfolg einer Aktion.

Ist die Geschichte nicht stimmig und wenig unterhaltsam, braucht man sich über die folgenden Punkte keineGedanken zu machen.

Das technisch-kommunikative Web-Know-How

Erinnern Sie sich noch an die Beschreibung des Geschichtenerzählers aus meiner Kindheit? Wie er mit

Instrumenten, Licht und Geräuscherzeugern eine Stimmung aufgebaut hat und somit seine Geschichte zueinem fesselnden Erlebnis machte? Genau das Gleiche macht der digitale Geschichtenerzähler auch, nur das erüber gänzlich andere Werkzeuge und Instrumente verfügt.

Die Werkzeuge des „Social Webs“ sind die „Web 2.0“-Angebote. Ob „Social Networks“ wie Twitter und

 

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Facebook, Social-Media-Plattformern wie YouTube und Flickr, oder Cloudsharing-Hilfen wie Dropbox undEvernote: Das moderne Web bietet Werkzeuge in Hülle und Fülle und täglich werden sie mehr und raffinierter.

Hier den Überblick zu behalten ist nicht einfach, aber wichtig. Es gibt keine Garantien mehr, dass ein fürFacebook über 3 Monate vorbereitetes Projekt dann dort überhaupt möglich ist. Ob Twitter nicht in einemhalben Jahr ein Bezahldienst ist, kann niemand sagen. Oder ob es dann noch eine Heimat für die anvisierteZielgruppe ist, auch nicht.

Das ganze Web ist in einer ewigen Beta-Phase und alles einemständigen Wandel unterworfen. Projekte kann man heute maximal

für einen Monat im Voraus planen. Alles andere ist Spekulation.Das muss man einplanen, um sich seinen Werkzeugkoffer dafürflexibel zusammenzustellen. Auch ist es bei der Arbeit manchmalbesser einen Hammer zu benutzen, als einen Schraubenzieher.

Im Web ist es ebenso wichtig, dass richtige Werkzeug zu benutzen:

• Will ich schnell Informationen verbreiten, baue ich einenTwitter-Account auf.

• Will ich eine nachhaltigere Interaktion fördern, nutze icheinen Blog und Facebook, wenn ich effektiv mitWerbung arbeiten will.

© Frank Tentler 

 

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• Will ich möglichst viele Anwendungen miteinander verknüpfen, nutze ich einen Posterous-Blog.

• Muss ich viel Videomaterial hochladen, benötige ich einen Vimeo-Pro-Account.

Hier richtige Entscheidungen zu treffen, die den Geschichtenfluss nicht unterbrechen oder stauen, verlangt vielErfahrung und permanente Weiterbildung im Web, in Netzwerken, auf Konferenzen und Kongressen. Leidergibt es dafür noch keine sinnvolle Ausbildung. Der Beruf des „Social Web Managers“ ist ein Gebiet derAutodidakten und hier herrscht eine evolutionäre Auslese.

 Jeder sollte sich aber bei einem neuen Projekt zum Thema„Technik und Werkzeuge“ folgende Fragen stellen:

• Welche „Social Networks „nutze ich?

• In welche Social-Media-Anwendungen lade ichmeine Medien?

• Welche Software zur Bild-, Ton- undVideobearbeitung nutze ich?

• Welche Audio-, Foto- und Videogeräte sind

Web-kompatibel?• Ist mein aktueller Rechner/mein aktuelles

Notebook Projekt-kompatibel?

© Frank Tentler  

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• Wie gestalte ich meinen Social-Web-Auftritt?1

Und wenn ich Teile des Projekts auslagern möchte:

• Woran erkenne ich eine Web-Schmiede, die mir das richtige Social-Web-Umfeld erstellt?

• Wie erkenne ich einen erfahrenen Web-Medienproduzenten?

• Woher bekomme ich einen Social-Media-Manager mit den nötigen Social-Web-Skills?2

Fragen, die nur auf 2 Wegen zu beantworten sind: Entweder sich die Zeit nehmen, diese Erfahrungen selbst zumachen, oder die Leistung eines Beraters einkaufen.

Aufmerksamkeit und Interaktion„Social Marketing“ - also das offene, authentische Marketing in den sozialen Netzwerken und der Aufbau einernetzübergreifenden Community3 - ist für die allermeisten Werbetreibenden eine "Terra Incognita".

Gerade Deutschland tut sich hierbei besonders schwer und hinkt, egal wie groß ein Unternehmen auch ist, demTrend immer 2-3 Jahre hinterher4. Im Falle des „Social Web“ ist das aber besonders fatal. Denn hierbei handeltes nicht um einen kurzfristigen Hype, sondern die Fortsetzung der persönlichen Interaktion ins Internet.

1 Social Websites: http://bit.ly/tentler_001 (26.10.2011)2 Social Web Skills: http://bit.ly/tentler_02(26.10.2011)3 Cloud Community: http://bit.ly/tentler_3 (26.10.2011)4 Unternehmenskommunikation und Social Web: http://bit.ly/tentler_004(26.10.2011) 

 

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Aber diese Form der Selbstdarstellung, des Erlangens einer verdienten Reputation ist für Unternehmen einextrem schwieriges Unterfangen. Die Gründe hierfür sind vielfältig, doch haben Agenturen und Marketing-

Experten durch jahrzehntelanges Frontal-Marketing verlernt, dass sie es primär mit Menschen zu tun haben,die auch als solche behandelt werden wollen.

Einfluss und nachhaltige Aufmerksamkeit erhält man im „Social Web“ nur durch einen langen Atem, Echtheit,Unterhaltungswert und Offenheit. Wenn nicht sogar Ehrlichkeit.

Die Welt der Web-Nutzer kann man grob in 3 Gruppen zusammenfassen:5

• User (95%)

• Influencer (4%)

• Celebrities (1%)

Die Preisfrage: Welcher der 3 ist für ein „Social Marketing“ die wichtigste Gruppe? Auf jeden Fall derInfluencer. Er hat zu seinem Themengebiet eine treue und ihn verehrende Fan-Gemeinde. Ist er überzeugt,stellen seine Netzwerk-Kommentare eine unbezahlbare Unterstützung für das eigene Projekt dar.

Einen Influencer zu einem Thema zu finden, ist aber nicht einfach. Denn dazu gehören lediglich 4 Prozent derSocial-Web-Nutzer, die aber das Verhalten der restlichen 96 Prozent beeinflussen können. Um sie zu finden gibt

es ein paar technische Tricks...und eine Menge Social-Web-Erfahrung kann nicht schaden.Aber wie geht man jetzt eigentlich vor, um die nötige Aufmerksamkeit für sein Projekt zu bekommen? Um es

5 User, Influencer & Celebrities: http://bit.ly/tentler_005 (26.10.2011) 

 

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einmal bildhaft auszudrücken, hier ein Beispiel:

Wenn Sie im „Social Web“ ein Musikprojekt für Jugendliche bewerben wollen, sagen Sie, dass Sie ein Fan von

 Justin Bieber sind und überzeugen Musik-2.0-Guru Gerd Leonhard, dass Ihr Projekt wirklich gut ist!Stecken Sie sich den Celebrity deutlich sichtbar ans Rever und machen sich den Influencer durch ehrlicheÜberzeugungsarbeit zum digitalen Freund. Jeder dieser Influencer sucht nach neuen und vor allem gutenIdeen. Denn er ist der Kurator für seine Follower. Sie folgen ihm, fragen ihn und verlangen von ihm, dass er sieständig mit neuer digitaler Vollwertkost aus seinem Kernthema füttert. Tut er das nicht, wird er seinen Statusverlieren, sein "Social Impact" wird schwächer und schwächer und sein eigenes Marketing funktioniert nichtmehr.

Erfolgskontrolle

Im „Social Web“ hat Quantität eine geringe Bedeutung. Das ist wie im richtigen Leben: Schwätzer und derennervige, inhaltslose Einmischung in private Unterhaltungen mögen wir nicht. Ohne inhaltliche Qualität geht imWeb jede Botschaft verloren. Hier unterhalten sich Menschen in ihren eigenen persönlichen Umgebungen undstrafen jeden ab, der sie mit einer Flut von platter Frontal-Werbung vollspamt. Was hier zählt, ist der „SocialImpact“. Darunter versteht man die nachhaltige Wahrnehmung und Einflussnahme eines Unternehmens, eines

Projekts in einem Netzwerk. Einfach gesagt: Den Grad der kompetenten sozialen Interaktion.Noch einfacher: die Tiefe der „Freundschaft“ zwischen Web-Nutzern. Denn im „Social Web“ ist ein Projektoder ein Unternehmen nicht mehr als ein normaler Web-Nutzer unter vielen, der sich seinen Respekt durchvorbildliches Verhalten und eine Mehrwert für das Netzwerk erarbeiten muss.

  

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Für das Monitoring6 eines Erfolges reicht eigentlich der gesunde Menschenverstand. Aber auch hier gibt es dieverschiedensten Tools, um ihn zu ermitteln, ihn messbar zu machen.

Wobei: Ist Freundschaft messbar? Sollte sie messbar sein?

Alleine diese Fragen zeigen schon, wie schwierig dieWanderung im Social Web zwischen den eigenenMarketingzielen und der User-Erwartungshaltung ist.

Aber es hilft alles nichts, denn ohne transmedialeKonzepte wird der User nicht erreicht.

"Den" User gibt es einfach nicht."Das" Netzwerk wird es nie geben.„Social Marketing“ ist kein "Marketing 2.0" mit "Web 2.0"-Werkzeugen.

Mit Transmedia-Kommunikation betreten wir eine völligneue Welt, die uns aber viel bekannter vorkommen muss,als alle Werbewelten, die uns Agenturen teuer verkaufenwollen.

Transmedia ist die Welt der hoch komplexen vernetzten

6 „Social Web“ Monitoring: http://bit.ly/tentler_006(26.10.2011)© Frank Tentler 

 

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und sozialen Kommunikation, die wir aber alle genauesten aus unserem Privat- und Berufsleben kennen.

Daher fällt sie Milliarden von Menschen auch so leicht und sie nutzen sie vollkommen natürlich, sozial und

ungezwungen7.Werbetreibende werden sich damit abfinden müssen. Sie werden sich ihre alten Marketing-Reflexe abtrainierenund sich wieder auf ihre menschlichen Wurzeln besinnen müssen. Umkehrbar ist diese Entwicklung nichtmehr, ganz im Gegenteil, sie wird sich permanent beschleunigen.

 Autor: Frank Tentler 8 berät Unternehmen, Kulturbetriebe, Kommunen und Behörden bei der Integration des Web 2.0 inKommunikations- und Marketing-Strategien und ist Mitorganisator der stARTconference. Heute liegt sein Schwerpunkt

auf multimedialen und nachhaltigen Marketing-Aktionen im Social Web.

7 Social Media Counter: http://bit.ly/tentler_007(26.10.2011)8 http://www.franktentler.com(26.10.2011)

 

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Das Asisi Projekt (Anna E. Rentsch)1

Das Asisi Pergamon in Berlin im Innerhof des Pergamon Museums wurde am 30.09.2011 eröffnet. Die gesamtenVorbereitungen wurden mit einer inspirierenden Social Media Strategie dem Rezipienten näher gebracht.Dahinter steckte Frank Tentler, dessen Aufgabe gemeinsam mit dem Social Media Team der asisi GmbH darinbesteht, Kulturgeschichte für einen Rezipienten, der sich bis dato weniger bis gar nicht mit der Antikebeschäftigt hat, im Social Web erlebbar zu machen. Das ist eine große Herausforderung, die so nicht zuunterschätzen ist.

Die asisi GmbH, die das Großprojekt erst möglich macht, hat sich ein Webteam aus etwa 4 Personen

zusammengestellt, wobei nicht alle mit den sozialen Medien von Anfang an professionell vertraut waren.Angeleitet werden sie durch Frank Tentler, der einmal pro Woche einen Inhouse Workshop gab, damit dieMitarbeiter das Gefühl für die sozialen Medien gewinnen können.

Beim Pergamon-Projekt geht es um ein Zukunftsmarketing der Kulturgeschichte. Dabei geht es wiederum umdie Waage von Redaktion und Kommunikation, was abhängig voneinander mit dem Ziel der nachhaltigenKundengewinnung und Kundenbindung korreliert.

1 Siehe Blogbeitrag „Das Asisi-Projekt“ http://bit.ly/u0drTQ (26.10.2011)

 

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Wir haben noch näher nachgefragt:

Interview mit Yalda Bouzrina | Stellv. Geschäftsführerin der asisi GmbH | Leiterin des Bereichs Marketing undKommunikation

1 . Seit wann nutzen Sie Social Media für den Internet-Auftritt des Asisi-Projekts und was waren dieBeweggründe?

Seit November 2010 bauen wir unsere Kompetenz in Kommunikation und Marketing im Social Webkontinuierlich aus. Bereits seit September 2010 beschäftige ich mich mit der Entwicklung einer Marketing- undPR-Strategie, da der Aufbau eigener multimedialer Kommunikationswege im Web bereits heute von

grundsätzlicher Wichtigkeit für ein Unternehmen ist und – mit der Reduzierung relevanter klassischer Medienwie Zeitungen, Radio und Fernsehen – immer schneller an Bedeutung gewinnt.

2 . Warum haben Sie sich für die genutzten Kanäle Twitter, Facebook und einen Blog sowie Vimeo undFlickr entschieden?

Wir unterscheiden in der Nutzung zwischen „Social Networks“ (Facebook, Twitter) und „Social WebApplikationen“ (Flickr, YouTube, Vimeo). Erstere dienen der Echtzeit-Kommunikation mit den Usern (Twitter,

Facebook Fanpages, …) und als Grundlage für ein Anzeigen- und App-Marketing (Facebook Adds). Zweiterenutzen wir, um Medien kostenlos zu speichern, sie zum Einbetten in Websites und Blogs zur Verfügung zustellen und sie auch für andere Wege des „Media-Sharings“ nutzbar zu machen (Social Bookmarks,Bewertungs-Button, …). So erzielen wir sehr einfach eine transmediale Verteilung unserer Inhalte, was

 

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wiederum die Grundlage des unternehmerischen „Storytelling“ ist. Die Entscheidung für diese Anwendungenfiel durch den Vergleich von Quantität (Nutzerzahlen, Speicherleistung, Ladegeschwindigkeit,…) und Qualität

(Usability, Interface-Design, Filtermöglichkeiten, Influencer-Nutzung,…).

3 . Es bildet sich somit ein recht großes Netzwerk, dasdie einzelnen Kanäle miteinander verbindet. Wiewerden Ihre Inhalte redaktionell auf die Kanäle verteiltbzw. wie sind die Kanäle miteinander verbunden?

Das stimmt. Unser mediales und interaktives Netzwerk istin kürzester Zeit sehr groß geworden.

Wir versuchen die technisch-redaktionelle Arbeitmöglichst zu standardisieren, um viel Zeit für diepersönliche Interaktion zu schaffen. Von Beginn an habenwir Themen- und Medien-Kanäle definiert, die permanentContent liefern: der Künstler und Visionär Yadegar Asisi,die Panometer in Leipzig und Dresden, die Entwicklungdes „Pergamon-Panorama“-Projekts, die Geschichte der

Panometer,… in unserem Unternehmen haben wir so vieleigenen und spannenden Content, dass dessenProduktion und Verteilung exakt geplant werden muss.

© Frank Tentler 

 

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Ein „Web-Team“ betreut das Blog und die Social-Web-Anwendungen und steht als Kompetenz-Team fürandere Abteilungen und Mitarbeiter zur Verfügung.

Ausgehend von unserem Blog verteilen wir die Beiträge automatisch in die Anwendungen. Zusätzlich werdenFacebook und Twitter persönlich betreut und dienen als ein wichtiges Standbein der „TransmediaStorytelling“-Strategie. Schnittstelle für jeden Content ist das zentrale Web-Team, das durch eine Fokussierungder Inhalte auf Themen-Websites (wie z. B. http://flavors.me/asisi_rotunde), die sich automatisch aus demvorhanden Content füttern, Highlights gebündelt hervorhebt. So werden Schwerpunkte aufgebaut, die übereinen längeren Zeitraum ein wichtiges Thema im Bewusstsein der User halten.

4 . Das Panometer Dresden GmbH und das Panometer Leipzig GmbH bilden den inhaltlichenPräsentationsort der entwickelten Ausstellungsform Yadegar Asisis. Wie stellen Sie das online dar bzw. waswollen Sie mit Ihrem Social Media Konzept erreichen?

Wir wollen mehr für die Kunst von Yadegar Asisi werben, die Botschaften und Inhalte weiter verbreiten, mehrMenschen zugänglich machen. Es ist eine kontinuierliche Herausforderung – wir sind noch in der Entwicklung– Anwendungen zu schaffen, die das 3-D-Panoramaerlebnis und die Botschaften des Künstlers in die virtuelleWelt tragen. In diesem Zusammenhang ist es ganz spannend, dass wir in der Zukunft auch unsereBildungsangebote vielen Leuten öffentlich machen können. Die Übertragung in die virtuelle Welt wird helfen,sie nutzbarer und greifbarer zu machen.

5 . Was planen Sie noch im weiteren Verlauf?

Die Welt, die die Panoramen beschreiben, wollen wir immer stärker vermitteln. Ich denke, dass wir über dieSocial Media endlich über die richtigen Kanäle verfügen, um die Menschen, die sich für uns interessieren, tief

 

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und weitreichend mitzunehmen. Das geht viel unmittelbarer und ausführlicher als in den klassischen Medien.Außerdem können wird unser Angebot stärker nach den Bedürfnissen der interessierten Menschen gestalten.Für Pergamon steht noch die spannendste Phase bis zur Eröffnung am 30. September bevor. Wir werden inunseren Kanälen darüber berichten.

Vielen herzlichen Dank für das ausführliche Interview.

Weiterführende Links:

• Webseite: www.asisi.de• Facebook: www.facebook.com/asisi• Twitter: twitter.com/#!/asisi• Flickr: www.flickr.com/photos/asisivc/ • Vimeo: vimeo.com/user4899769/videos • Webseite zur Ausstellung: www.smb.museum/pergamon-panorama_/ 

 Anna Rentsch betreut die Veranstalterplattform www.kulturkurier.de und schreibt den Blog http://blog.kulturkurier.de.  

Dabei geht sie vor allem auf die Nutzung von Facebook für das Kulturmarketing ein und berät damit Kultureinrichtungen.

 

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 Wenn der Browser laufen lernte (Manuel Scheidegger)

Das Internet ist das wichtigste Medium unserer Zeit - aber ist es tatsächlich ein Medium? Das Internet ist vollerErzählungen – aber erzählt es tatsächlich selbst? Trotzig behauptete der Publizist Ben Macintyre 2009 in derTimes Online: „The Internet is killing storytelling!“ Heute antworten wir: Natürlich nicht! Genauso wenig wie„video killed the radio star“. Nur ist hier etwas anders. Es wird nicht gefragt, ob das neue Medium Internet diealten Medien verdrängt. Es wird verneint, dass es überhaupt kann, was alte Medien können: die Kunst derErzählung.

Sicherlich wird im Netz massenweise kommuniziert, und sicherlich gibt es Tonnen von Erzählungen. Aberdiese liegen bei YouTube als Filme, bei Flickr als Fotografien, bei Soundcloud als Musik, sie sind Texte,

Textbildcollagen oder im spannenderen Fall flashanimierte Environments. Eine Masse von alten Medien, dieauch offline funktionieren: auf dem TV, dem Plattenspieler, im Buchdruck oder auf dem PC. Die eigentlicheVernetzung des Netzes findet anders statt: Sie liegt in der Bewegung der User von Content zu Content und inden Meta-Kommentaren, mit denen sie sich in gemailten Links, Bookmarkern und Social Networksaustauschen. Das Internet ist noch Multimedia. Es ist eine riesige Telekommunikationsmaschine, in derunzählige andere Medieninhalte versendet, gezeigt und besprochen werden. Das Internet könnte aber auch eineigenständiges Medium sein. Es wäre dann Transmedia: Die Nutzung aller Medien auf einmal. Genau das, waseigentlich jeder User alltäglich immer schon praktiziert, wenn er mehrere Fenster offen hat.

Internet tötet nicht das Storytelling, genauso wenig wie das bewegte Bild die Fotografie getötet hat. ImGegenteil wurde eine völlig neue Dimension des Erzählens geschaffen, wie die User sie in ihrem kreativenSurfen neu entdeckt haben. Vielleicht geht es nur darum, dieses Surfen selbst als Medium anzuerkennen und zu

 

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beginnen, es für Erzählungen zu nutzen: Der Browser wäre die Leinwand, die es zu bespielen gilt. Wie wäre esdenn, wenn Browser nicht einen Inhalt in einem Fenster auf einen Klick laden würden? Wenn stattdessenAutoren die Anzeige von Inhalten in Browsern inszenierten? Viele Fenster könnten sich magisch animiertöffnen, bewegen, einblenden, übereinander legen und mit einem musikalischen Fade-out wiederverschwinden? Web-Inhalte blieben greif- und nutzbar, aber man könnte sich auch zurücklehnen, um das ganzneue Spiel einer transmedialen Surfinszenierung zu genießen? Womöglich steht das Storytelling des Internetganz am Anfang, weil uns die antiquierten Browser noch nicht erlauben, mehr aus ihnen zu machen. Es fehlt anTools, um sie ästhetisch zu nutzen.

Mit Guido.Creative Browsing machen

wir einen Anfang. Unsere Web-Anwendung ermöglicht jedemUser, beliebige Inhalte des Web neuzusammenzustellen und mitEffekten zu inszenieren und dannvon anderen Usern durch surfen zulassen. Unsere Vision ist eine Web-Erzählung, in der der User seine

Bewegungsfreiheit nie verliert:Gestaltung aus offline Medien wieFilmen und gleichzeitig die Freiheitfür Betrachter, alle Schnipsel zu

 

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verwenden. Im Internet wird offen präsentiert, kommentiert und weiterverlinkt. User bewegen sich frei. Wirglauben, dass es höchste Zeit ist, dass sie die unendlichen Materialressourcen des Web recyclen, kreativ mixenund mit anderen teilen können. Herzlich willkommen zu browserbased Cross-Content-Storytelling – wennBrowserfenster laufen lernen.

 Manuel Scheidegger, MA Philosophie, arbeitet in Theater und Werbung und ist mit Janosch Asen Gründer von

F  arfromhomepage  , einem Berliner Startup, das diesen Herbst ein neuartiges Tool für Web-Storytelling lanciert.

 

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© Oktober 2011. Dieses eBook ist ein Gemeinschaftswerk. Das Copyright und die Verantwortung für Inhalt undformale Korrektheit der Beiträge sowie die eingefügten Links liegen bei den AutorInnen. Die Texte geben deren

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