Alfred Toepfer Stiftung 19.04.2017
Pia Heckel
Institut für Psychotraumatologie Hamburg
Trauma und seine Folgen
Es ist zu erwarten, dass nahezu alle Flüchtlinge,
insbesondere minderjährige allein reisende
Flüchtlinge tiefgreifende soziale Prozesse der
Bedrohung, der Zerstörung und des Verlusts
erlitten haben.
Bei Verfolgungs- und Fluchtgeschichten, die
langwierig und lebensbedrohlich verliefen, kann es
allein durch die Dauer der Situation zu einem
chronischen Stresserleben kommen, welches in
der Zukunft zu einer strukturellen gesundheitlichen
Beeinträchtigung führen kann.
Flüchtlinge in Deutschland
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• Verlust wichtiger Bezugspersonen
• Verlust kultureller Identität
• Verlust der Heimat
• Unsicherheit der Lebensbedingungen
• Verlust Schule/Ausbildung
• Erleben der Eltern als schwach und ohnmächtig
• Parentifizierung
Traumatische Erlebnisse
als Folge der Migration
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Angst:
• zurückgeschickt zu werden – u.U. Angst der
Eltern zu erleben und immer wieder übersetzen
zu müssen!
• Im Herkunftsland in großer Gefahr zu sein
• Gerade erst hergestellte Bezüge wieder zu
verlieren
• Beziehungsabbrüche zu erleben
• Ausbildungen abbrechen zu müssen
Traumatisierung durch Begleiterscheinungen
der Asylverfahren
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Traumatogen wirkende
Ereignisse sind stets mit einem Gefühl von
Todesangst,
Ohnmacht,
Schutzlosigkeit,
schwerer Körperlicher
und/oder
Seelischer Verletzung verbunden.
Dies kann auch die Todesangst der Eltern sein!
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Große Traumata
• Am schlimmsten sind die sogenannten
menschengemachten Desaster:
Vor allem wenn es sich um nahe, womöglich eigentlich schützende Verwandte handelt wie Mütter, Väter, Großeltern. Bei Flüchtlingen sind es manchmal langjährige Nachbarn, die zu Feinden werden. Für Kinder ist das noch unverständlicher als für Erwachsene!
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Hirnanhangdrüse
Nebennierenrinde
Cortisol
Sympathisches NS
Nebennierenmark
Adrenalin - Noradrenalin
Gehirn
Erstarrung: „Freeze “-Reaktion
• Todesangst
• Muskelstarre
• Herzrasen
• Sprachlähmung
• Sympathicus
• Panikattacke
• Kapitulation
• Aufmerksamkeits-
entzug nach
aussen + innen
• Abschalten in
beide Richtungen
• Parasympathicus
• Dissoziation
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Das Überlebensprogramm Traumatogenes Ereignis
Thalamus Neurovegetative
Amygdala Reaktionen
Sprachzentrum
Hippocampus
Frontalhirn – Problemlösung
Bewältigungsstrategien Pia Heckel www.ifp-hamburg.de 11
Posttraumatische
Belastungsstörung :
• Hyperarousal (Übererregung)
• Intrusion (Unfreiwillige Erinnerungsbilder)
• Vermeidung (Verleugnung und Konstriktion)
•
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Intrusionen
• Intrusive Gedanken – Gedanken, die sich aufdrängen
• Intrusive Bilder – Bilder, die sich aufdrängen
• Intrusive Körpergefühle
• Intrusive Stimmen
• Flash-backs
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Flash-backs
• Beim flash-back bekommen ein
Gedächtnisinhalte Macht über die
Gegenwart, über alle Sinne, Verhalten
und Gefühle.
• Reize werden zu Triggern, assoziative
Verknüpfung, klassische
Konditionierung
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Umgang mit flash-backs
• Ansprechen! Kontakt halten!
• Reorientieren
• Distanzieren
• Wieder Kontrolle herstellen
• Auslöser erkennen und vermitteln
• Übungen vermitteln
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Konstriktion
• Verleugnen
• Versteinern
• Depression
• Freudlosigkeit, nichts macht mehr Freude
• Körperliche Symptome
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Dissoziative Traumafolgen
• Amnesie
• Depersonalisiation
• Derealisation
• Fugue
• Identitätsstörung
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Traumatische Erfahrungen von
Kindern
• Kinder verfügen ein Selbst- und Welt-
verständnis, das sich noch im Aufbau
befindet
• Das Situationsverständnis ist vorwiegend
personenbezogen
• Auch Naturkatastrophen werden
„persönlich“ genommen
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Traumatische Erfahrungen von
Kindern II
• Vorstellung des Kindes: Übermächtige
Eltern haben Ihren Schutz womöglich
aufgrund von eigenem Fehlverhalten
versagt
• Das Kind fühlt sich grundsätzlich selbst
verantwortlich (primär prozesshaftes
Denken)
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Zuviel - Zuwenig Intrusive Symptome
Sich aufdrängende Erinnerungen, zwanghaftes Denken
Angst, Ohnmacht, Hilflosigkeit
Körper-flash-backs
Schmerzsymptome
Übererregung, Abreaktionen, unkontrollierbare Stressreaktionen
Konstriktive Symptome
Erinnerungslücken Konzentrationsstörungen
Gefühllosigkeit, emotionale Taubheit, Lustlosigkeit
Entfremdungserleben, Depersonalisation
Erstarrung, Lähmung, Kraftlosigkeit
Gedanken
Gefühle
Körperwahr-nehmung
Verhalten
Traumafolgen im
Säuglingsalter
• Schreien, vermehrte
Schreckhaftigkeit
• Schlafstörungen
• Fütterstörungen
• Gedeihstörungen
• Gestörte Bindung
Traumafolgen im 1.-3.
Lebensjahr
• Stimmungslabilität, Hyperaktivität,
Überwachheit
• Ängste ohne Traumabezug
• Jactatio capitis (Kopf hin und her
werfen)
• Entwicklungsverzögerung
3.-6. Lebensjahr
• Somatisierungen
• Traumatisches Spiel
• Dissoziative Symptome
• Enuresis, Enkopresis
• Regression
• Dissoziales Verhalten
• Tics
6.-10. Lebensjahr
• Zunehmend chronische Traumasymptome
• Schulleistungsstörung /ADHS
• Schuldgefühle
• Pessimistische Sicht, depressive Symptome
• Selbstverletzendes Verhalten
• Risikosucher
• Zwangssymptome
10.-14. Lebensjahr
• Klassische PTBS-Symptome
• Reinszenierungen
• Ess-Störungen
• Selbstverletzendes Verhalten
• Suizidalität
• Drogenkonsum
14.-18. Lebensjahr
• Emotional defizitäre
Selbstwahrnehmung
• Soziales und schulisches Scheitern
• Misslungene Beziehungen
• Drogenkonsum
• Perversionen
• Existenzielle Zukunftsängste
20.04.2017 Pia Heckel Institut für
Psychotraumatologie 27
• Nutzungsabhängige Entwicklung Use it or loose it. Cells that fire together, wire together.
• Neues und bedeutsames hat das größte Veränderungspotential(und das von Anfang an – z.B. Stress in der Schwangerschaft).
• Das Gehirn verändert sich ständig!
Plastizität des Gehirns
• Passt sich ebenfalls der Situation an!
• Ein Kind, das im Krieg groß wird, bzw.
einige Jahre/Monate lebt, hat ein Gehirn,
das darauf eingestellt ist!
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Das Gehirn im Krieg
Verarbeitung der traumatischen
Erfahrung erfolgt im Gehirn über
• Amygdala = „Feuerwehr“
Affekte, fragmentiert,
Blockade zum Sprachzentrum
immer akut
• Hippocampus = „Archiv und Organisator“
Fakten und Ortsinformation
biographisch, episodisch, Ver- netzung mit dem Sprachzentrum
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Amygdala
• Unser implizites Gedächtnis
• Speichert hochemotional
• Speichert in der rechten Hirnhälfte
• Ist leicht triggerbar
• Alarmierbar – repräsentiert Angst
• Zeitlos im Hier und Jetzt
• Keine Verbindung zum Sprachzentrum
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Hippokampus
Repräsentiert unser explizites Gedächtnis:
biographisch
kann erzählt werden
episodisch
Hat eine Verbindung zu beiden Hirnhälften
und zum Sprachzentrum
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• Akuter und kontrollierbarer Stress fördert
das Anpassungsverhalten und die
Verschaltung im Gehirn
• Chronischer und unkontrollierbarer Stress
sorgt dafür, dass die Verschaltung im Gehirn
durch übermäßige Cortisolspiegel
verkümmert. Nicht verknüpfte Nervenzellen
sterben (unter anderem im Hippokampus,
einer wichtigen Gedächtnisregion)
Stress
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Die Erinnerung
• Niemand speichert Informationen wie ein Videorekorder
• Kinder können zeitliche Abfolgen überhaupt erst etwa ab dem 10. Lj. Genauer erinnern, dann ist der Hippokampus ausgereift.
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Einzigartigkeit
traumatischer Erinnerungen
• Sie prägen sich in erster Linie sinnlich und gefühlshaft ein
• Sie sind über die Zeit hinweg stabil und bleiben unberührt von anderen Lebenserfahrungen
• Sie können durch ähnliche Erlebnisse ausgelöst werden und jederzeit lebhaft wiederkehren
• Die Opfer können dabei häufig nicht ausdrücken, was sie gerade fühlen
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Erinnerungen,
• die vernetzt sind, können erzählt werden, sind mit der eigenen Geschichte und dem Selbstbild verbunden.
• Traumatische Erinnerungen sind oft unzusammenhängend, bestimmte Gedächtnisinhalte drängen sich auf, andere sind nicht zugänglich
• Die Amygdala arbeitet während der Stress-
situation weiter, während der Hippocampus zeitweise abschaltet.
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Psychosomatik bei Flüchtlingen
• Was ich psychisch nicht ausdrücken kann, drücke ich körperlich aus!
• Gerade bei Flüchtlingen ist der emotionale Ausdruck oft nicht möglich
• Folge: Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schlafstörungen etc.
• Folge: Ein Arztbesuch nach dem nächsten
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Umgang mit traumatisierten Kindern 1
Regeln und Rituale! Konsequent, vorhersehbar, wiederholend
Keine Details erfragen! Darüber reden kann es schlimmer machen!
Psychoedukation! Die Kinder verhalten sich normal, was sie erlebt haben, ist nicht normal!
Körperkontakt möglich? Fragen!
Stoppsignal vereinbaren
Umgang mit traumatisierten Kindern 2
• Trigger herausfinden und vermeiden
• Erlernen von Selbstberuhigungstechniken
• Kinder ermächtigen (was brauchst Du?)
• Die Arbeit an der äußeren Sicherheit und
bei Selbstverletzendem Verhalten ist vorrangig
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Stabilisierung ist wichtig, um
• sich um den Alltag kümmern zu können
• das Erlebte verarbeiten zu können
• wieder aktiv für sich zu sorgen
• an Alternativen zu arbeiten
• Handlungsstrategien zu entwickeln
Selbstwirksamkeit zu erleben
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