Hintergrund: USA Nr. 38 / Juni 2015 | 1
Freiheit vs. Sicherheit: Die berwachungsdebatte
in den USA
Iris Froeba
Nach den Anschlgen vom 11. September 2001 hat der Kongress den USA Patriot Act1 erlassen, um
den Geheimdiensten weitreichende Handlungsspielrume im Kampf gegen den internationalen Terro-
rismus einzurumen. Auf Grundlage des Abschnitts 215 des Patriot Act hat die National Security
Agency (NSA) ber Jahre hinweg massenhaft Telefon-Metadaten von US-Brgern systematisch ge-
speichert. Das Gesetz wurde in den vergangenen Jahren immer wieder verlngert. Reformen kndigte
Prsident Barack Obama bereits im Sommer 2013 nach den Snowden-Enthllungen ber die Abhr-
praktiken der US-Geheimdienste an. Zum 1. Juni 2015 sind zwei entscheidende Abschnitte des Patriot
Act, darunter auch der umstrittene Paragraf 215, ausgelaufen.
1 Abkrzung fr: Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct
Terrorism Act of 2001
Hintergrund:
USA
Nr. 38 / 12. Juni 2015
Zusammenfassung
Der US-Senat hat Anfang Juni ein Gesetz angenommen, das die Handlungsspiel-
rume der US-Geheimdienste zuknftig einschrnken soll. 67 von 100 Senatoren
stimmten fr den sogenannten USA Freedom Act. Einige Wochen zuvor hatte
bereits das Reprsentantenhaus das neue Gesetz mit einer breiten Mehrheit (338
zu 88 Stimmen) beschlossen. Kurz nach der Entscheidung im Senat setzte Prsi-
dent Obama den Freedom Act mit seiner Unterschrift in Kraft. Anders als in Eu-
ropa oft wahrgenommen, wird die Debatte um die Geheimdienstreformen in den
USA sehr intensiv und ber die Grenzen von Washington, DC hinaus gefhrt.
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Die gesetzlichen Grundlagen fr das Sammeln von Verbindungsdaten sind von nun an im Freedom Act
festgelegt. Das neue Gesetz schreibt u.a. vor, dass - nach Verstreichen einer 6-monatigen bergangs-
frist - Telefon-Metadaten zuknftig nicht mehr bei den Geheimdiensten, sondern bei den Telefonkon-
zernen gespeichert werden sollen. Um auf die Daten zugreifen zu knnen, bentigen die Geheimdiens-
te einen Beschluss vom Foreign Intelligence Surveillance Court, der jeden Fall im Einzelnen prfen
muss.
Die Debatte um die Reform der berwachungsgesetze
spaltet die Politik. Jedoch nicht - wie gewohnt - ent-
lang der Parteilinie, sondern entlang von persnlichen
Werten und der Interpretation der Begriffe Freiheit
und Sicherheit. Whrend die Demokraten aus Rck-
sicht auf ihren Prsidenten ffentliche Diskussionen
eher vermeiden, spiegelt die interne Debatte bei den
Republikanern die gesellschaftliche Auseinanderset-
zung gut wider: Auf der einen Seite stehen Reform-
Gegner, angefhrt vom Mehrheitsfhrer Mitch
McConell (Republikanischer Senator aus Kentucky),
die an den alten Gesetzen festhalten wollen, um die
Sicherheit der USA zu garantieren. In Zeiten der Be-
drohung durch den islamistischen Terrorismus sei es
aus ihrer Sicht undenkbar, die Befugnisse der Geheim-
dienste einzuschrnken. Auf der anderen Seite stehen
Reform-Befrworter, angefhrt vom libertren Sena-
tor und Prsidentschaftsbewerber Rand Paul2 (Repub-
likanischer Senator aus Kentucky), die die Privatsphre
der Brger schtzen wollen. Gerade im Tea-Party-
Flgel der Republikanischen Partei, dessen Anhnger
der Regierung generell misstrauisch gegenberstehen, finden sich viele Reform-Untersttzer. Rand
Paul stemmte sich nicht nur gegen die Verlngerung der auslaufenden Abschnitte des Patriot Acts,
sondern auch gegen die Abstimmung ber den Feedom Act, dessen Reformen er fr unzureichend ein-
stuft. Der innerparteiliche Streit unter den Republikanern und Rand Pauls Blockade fhrten letztend-
lich dazu, dass Teile des Patriot Act in der Nacht zum 1. Juni ausliefen, ohne dass ein neues Gesetz
verabschiedet wurde. Die Datensammlung lag fr kurze Zeit komplett auf Eis, bis am 2. Juni schlie-
lich doch der Freedom Act verabschiedet wurde, der die Rahmenbedingungen neu reguliert.
Prsident Obama zeigte sich erleichtert ber die Abstimmung, kritisierte jedoch die Verzgerung. Ver-
treter der Brgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) und Edward Snowden haben
die Unterzeichnung des Freedom Acts als Meilenstein fr die Rechte der amerikanischen Brger titu-
liert. Anderen Brgerrechtsaktivisten und Mandatstrgern gehen die Reformen jedoch nicht weit ge-
nug. Das Kerngeschft der NSA wrde ungehindert weiterlaufen. Ob die Daten von den Geheimdiens-
ten oder den Telefon-Konzernen gespeichert werden, spiele keine Rolle, denn es sei immer noch nicht
geklrt, wie effektiv die Methode der Datensammlung im Kampf gegen den Terrorismus berhaupt ist.
Darber hinaus wird kritisiert, dass der Freedom Act nichts an den berwachungspraktiken der US-
2 Sohn des langjhrigen libertren Abgeordneten und Prsidentschaftskandidaten Ron Paul
Rand Paul / Quelle: Wikimedia by Gage Skidmore
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Geheimdienste im Ausland ndert. Das neue Gesetz sei zwar ein Anfang, aber der Kampf fr die Pri-
vatsphre der Brger sei noch lange nicht gewonnen.
Aufgrund der Dynamik innerhalb der Republikanischen Partei wird das Thema Geheimdienstreform
eine wichtige Rolle im Rahmen der republikanischen Prsidentschaftsnominierung spielen. Denn an-
hand dieses Themas knnen sich die Kandidaten positionieren und voneinander abheben. Whrend z.B.
Senator Marco Rubio (Republikanischer Senator aus Florida) gegen jegliche Reformen ist, ist Senator
Ted Cruz (Republikanischer Senator aus Texas) ein bekennender Befrworter des Freedom Act. Senator
Rand Paul geht noch weiter, indem er die komplette Abschaffung des Patriot Act fordert.
Die aktuelle Diskussion ber den Freedom Act zeigt, wie sehr sich die Meinungen seit den Anschlgen
vom 11. September gendert haben. Als der Patriot Act nach den Anschlgen entworfen wurde, fan-
den sich schnell Untersttzer aus beiden Parteien. Heute, fast 15 Jahre nach der Unterzeichnung des
Gesetzes, mehren sich die kritischen Stimmen. Gerade unter der jngeren Generation im Kongress und
in den amerikanischen Landtagen finden sich viele brgerrechtlich geprgte Abgeordnete, die sich fr
die Privatsphre der Brger einsetzen. Die Debatte ist emotionsbeladen und wird nicht nur in den poli-
tischen Kreisen Washingtons, sondern auch auerhalb der US-Hauptstadt gefhrt. Denn die Frage, ob
Freiheit oder Sicherheit eine grere Rolle in einer Gesellschaft spielen sollte, betrifft jeden einzelnen
Brger direkt.
Eine krzlich verffentlichte Studie des Pew Rese-
arch Instituts beschreibt die Stimmung der Bevlke-
rung zwei Jahre nach den Snowden-Enthllungen:
Die Mehrheit der Amerikaner hat das Vertrauen in
die staatlichen berwachungsprogramme und das
Vertrauen in die Sicherheit der digitalen Welt verlo-
ren. ber ein Drittel der Befragten, die von den
berwachungspraktiken der Geheimdienste wissen,
haben bereits Manahmen zum Schutz ihrer per-
snlichen Daten ergriffen. Modernen Kommunikati-
onskanlen, wie z.B. Social Media Plattformen,
steht man zunehmend kritisch gegenber.3 Auch
der Zugriff auf persnliche Daten durch Unterneh-
men bereitet den Amerikanern Sorge. ber 90% der
Befragten sind der Meinung, dass sie die Kontrolle
ber ihre persnlichen Daten und darber wie die
Daten von Unternehmen genutzt werden, verloren
haben.4
3 vgl. http://www.pewinternet.org/2015/03/16/americans-privacy-strategies-post-snowden/
4 vgl. http://www.pewresearch.org/key-data-points/privacy/
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Um diese Diskussion zu vertiefen und auf eine transatlantische Ebene zu bringen, haben die amerika-
nischen und europischen Teilnehmer der diesjhrigen Transatlantik Konferenz des transatlantischen
Dialogprogramms der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit sich intensiv ber das Zusammen-
spiel von Sicherheit, Privatsphre und Datenschutz ausgetauscht.5
Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer im Transatlantischen Dialogprogramm der FNF.
Impressum
Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit (FNF)
Bereich Internationale Politik
Referat fr Querschnittsaufgaben
Karl-Marx-Strae 2
D-14482 Potsdam
5
Die Ergebnisse der Diskussion finden Sie in englischer Sprache unter http://fnf-
northamerica.org/2015/06/09/transatlantic-conference-2015-freedom-vs-security-the-balance-of-cyber-security-privacy-
and-data-protection.
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