Peter Nowak, Marlene Sator
18. November 2016, 21. Österreichische Konferenz
Gesundheitsfördernder Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen,
Baden
Verbesserung der Gespräche in der Krankenversorgung - ein zentraler Beitrag zur Reorientierung des Gesundheitswesens
GESUNDHEIT UND GESPRÄCHSFÜHRUNG
Grundorientierung
Nowak / Sator 2016 2
Gesundheit und Selbstbestimmung: Ottawa-Charter 1986
Gesundheitsförderungsdefinition:
„Gesundheitsförderung zielt auf den Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.“
Nowak / Sator 2016 3
Wie entsteht Gesundheit? Salutogenese & Gesprächsführung
» Salutogenese und Gesprächsführung mit PatientInnen in der Krankenbehandlung (Antonovsky 1987, 1996)
» Verstehbarkeit die eigene Versorgung verstehen
» Handhabbarkeit Versorgung selbstbestimmt handhaben
» Bedeutsamkeit Versorgung als sinnvoll im eigenem Leben erfahren
Gute Gespräche sind eine zentrale Grundlage für Gesundheit
Gute Gespräche sind für sich genommen eine gesundheitsfördernde Maßnahme
Gute Gespräche sind zentral für die Entwicklung von Gesundheitskompetenz
Gute Gespräche sind ein notwendiges Element zur Reorientierung des Gesundheitswesens
4Nowak / Sator 2016
Ein neuer strategischer Gesamtrahmen für Gesprächsqualität
5Nowak / Sator 2016
Strategie zur Verbesserung der Gesprächsqualität
2016
• Beschlossen Bundes-Zielsteuerungskommission am 1. Juli 2016• Öffentl. Präsentation, 13.10. 2016, ÖPGK-Jahreskonferenz• Diskussion mit Stakeholdern starten • Erste Diskussion mit der ÖÄK
2017• Vorbereitung von Umsetzungsprojekten gemeinsam mit Stakeholdern
Nowak / Sator 2016 6
2014• Maßnahme 1.3.8 des R-GZ 3, WZ 1
2014/2015
• Grundlagenarbeiten im Auftrag des BMG & HVB
2015• Entwicklung einer Strategie der Zielsteuerung Gesundheit
Warum ist gute Gesprächsqualität wichtig? Outcomes (1)
1. Verbesserter Gesundheitszustand, z.B. bei
» Diabetes (Del Canale et al. 2012),
» Krebserkrankungen (Brown et al. 2001),
» koronaren Herzerkrankungen (Benner et al. 2008),
» Depression (Loh et al. 2007),
» grippalen Infekten (Rakel et al. 2011), etc.
2. Verbessertes Gesundheitsverhalten, z.B.
» Therapietreue (Loh et al. 2007; Thompson/McCabe 2012),
» Inanspruchnahme medizinischer Versorgung (Stewart et al. 2000)
3. Höhere Zufriedenheit(Lelorain et al. 2012; Street Jr et al. 2012; Zandbelt et al. 2007)
7Nowak / Sator 2016
Outcomes: Beispiel Zufriedenheit(Stahl/Nadj-Kittler 2013; N=111.835 KH-PatientInnen)
8
Prozentualer Erklärungsbeitrag des beta-Koeffizienten
Nowak / Sator 2016
Warum ist gute Gesprächsqualität wichtig? Outcomes (2)
4. Höhere Patientensicherheit , v.a. im Zusammenhang mit» verzögerter Diagnosestellung (Gandhi 2005),
» ungeeigneten Therapien (Chen et al. 2008)
5. Weniger Klagen wegen Behandlungsfehlern 81,9 % der Klagen wegen Behandlungsfehlern sind direkt auf Kommunikationsprobleme oder andere Probleme der Betreuungsqualität zurückzuführen (Tamblyn et al. 2007)
6. Verbesserte Gesundheit und Arbeitszufriedenheit der GDA» Burnout (Graham et al. 2002; Ramirez et al. 1996; Travado et al. 2005)
7. Gesundheitsökonomische Auswirkungen, v.a. durch» unnötige psychische Belastungen
» unnötige oder nicht angewendete Behandlungen (z. B. Medikamente, Überweisungen)
» ineffiziente Abläufe (Felder-Puig et al. 2006; Thorne et al. 2005)
9Nowak / Sator 2016
Was ist gute Gesprächsqualität (1): Grundlegende Orientierung
1. Grundlegende Ausrichtung auf das Modell der partnerschaftlichen, patientenzentrierten Medizin ( somatopsychosoziales Modell)
2. Gespräch als zentrales diagnostisches und therapeutisches Instrument und essentiell für interprofessionelle Kooperation
3. Gesprächsführung ist lehr- und lernbar
4. Gespräch als Prozess, der strukturell ermöglicht und gesteuert werden kann
Nowak / Sator 2016 10
Was ist gute Gesprächsqualität?
Wissen, Fähigkeiten/ Fertigkeiten und Haltungen auf
» sprachlich-interaktiver Ebene („gute Gesprächsführung“),
» inhaltlicher Ebene („gute Fachinhalte“),
» psychosozialer Ebene („gute Beziehung“),
» auf der Ebene des Gesprächssettings („gutes Umfeld“).
(Sator et al. 2015)
Nowak / Sator 2016 11
Wie ist der Status quo in Österreich:
Ergebnisse der HLS-EU-Studie
12
Wie einfach ist es ...
… zu verstehen, was Ihr Arzt sagt?
… den Anweisungen Ihres Arztes oder
Apothekers zu folgen?
… zu beurteilen, inwieweit Informationen Ihres Arztes auf Sie zutreffen?
… mit Hilfe der Information, die Ihnen Ihr Arzt gibt, Entscheidungen bezüglich Ihrer Krankheit zu treffen?
22%
8%
23%
32%
15%
6%
18%
23%
0% 10% 20% 30%
ÖsterreichGesamtdurchschnitt8 europäische Länder
Anteil der Personen, die Schwierigkeiten haben …
Quelle: HLS-EU 2012
Nowak / Sator 2016
Wie ist der Status quo in Österreich:
Zuhören, Verstehen können, Zeit haben
13
Quelle: Bevölkerungsbefragung 2016. Erhebung des Wissensstandes der Bevölkerung zugesundheitspolitischen Themen mit besonderem Fokus auf die aktuelle Gesundheitsreform
Nowak / Sator 2016
Gesund-heits-
Outcomes
Outcomes
Wirkkette zur Verbesserung der Gesprächsqualität
verb
esse
rt
Gesprächs-qualität
Output
un
ters
tütz
enAus-/Weiter-/Fortbildung
Organisations-entwicklung
Strategie- und Kulturentwicklung
Evidenzbasierte Qualitäts-
entwicklung
Prozesse
Maß
nah
me
n
Input
14Nowak / Sator 2016
Vorläufige Umsetzungsempfehlungen
15
Strategische Öffentlichkeitsarbeit Strategische Allianzen Konsensus-Statements
evidenzbasierte Gesprächs- und Didaktik-Leitfäden
Umsetzung in Kompetenzlevel-Katalogen, Curricula, Prüfungsordnungen
Weiterqualifizierung von Leitenden, Ausbildnern Patientenschulungen
Pilotierung in der praktischen Ausbildung und im Routinebetrieb
Priorisierte Handlungsempfehlungen
un
ters
tütz
en
Aus-/Weiter-/Fortbildung
Organisations-entwicklung
Strategie- und Kultur-
entwicklung
Evidenzbasierte Qualitäts-
entwicklung
Prozesse
Nowak / Sator 2016
Pilotierung in der praktischen Ausbildung und im Routinebetrieb
Organisations-entwicklung
SPEZIFISCHE ANSATZPUNKTE FÜR ORGANISATIONSENTWICKLUNG IN GESUNDHEITSEINRICHTUNGEN
Verbesserungen in der praktischen Ausbildung und im Routinebetrieb
Nowak / Sator 2016 16
17Nowak / Sator 2016
Überblick zu möglichen Handlungsfeldern in der Organisationsentwicklung (1)
• Verankerung in der Strategie und in den Zielvereinbarungen der Einrichtung(träger)s Gewinnen Sie die ärztlichen Führungskräfte!
• Systematisches Monitoring der Gesprächsqualität auf Einrichtungs- und Abteilungsebene (Bewohner-, Patientenbefragungen)
• und darauf aufbauende Qualitätsentwicklungsprozesse
Organisationale Verankerung
• Train the Trainer/Boss Seminare für Ausbildungsverantwortliche in ausbildenden Einrichtungen role model!
• Kommunikative Kompetenzen als Ziele der praktischen Ausbildung
• Begleitende Kommunikationsausbildungen während der praktischen Ausbildung
Praktische Kommunikationsausbildung: Überwindung der Theorie-Praxis-Kluft
18Nowak / Sator 2016
Überblick zu möglichen Handlungsfeldern in der Organisationsentwicklung (2)
• Personaleinsatzplanung, die Kommunikationszeiten adäquat berücksichtigt
• kommunikative Anforderungen für einzelne Positionen
Personalmanagement
• Definition von unterschiedlichen Gesprächstypen zur Effizienzsteigerung und (interprofessionellen) Orientierung
• Welche Gespräche sind zentral? Wie sind diese in die Organisation eingebettet?
• Welche Berufsgruppe führt welche Gespräche?
• Wie kann Informationstechnologie die Gespräche unterstützen?
• Leitfäden für zentrale Gesprächssituationen und -typen und Schulungen
Qualitätsstandards für Gespräche
• Qualitätsgesicherte Gestaltung von Patienteninformation
• Gesprächs- und Entscheidungshilfen Ask me 3• Patientenschulungen für chronische Erkrankungen
• Systematische Einbindung der Selbsthilfe in die Einrichtung
Patientenbezogene Maßnahmen
19Nowak / Sator 2016
EACH, Heidelberg 7.-10.9.2016 20
Werden wir erfolgreich sein, das Gesundheitssystem
Gute Kommunikation ist essentiell für
Gesundheit!
Selbst-verständlich, sehr wichtig!
Dann sollten wir das gesamte System neu orientieren!
Hmm???
zu reorientieren?
Vielen Dank für Ihre Ausmerksamkeit!
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Literaturangaben
» Benner, J. S.; Erhardt, L.; Flammer, M.; Moller, R. A.; Rajicic, N.; Changela, K.; Yunis, C.; Cherry, S. B.; Gaciong, Z.; Johnson, E. S.; Sturkenboom, M. C. J. M.; García-Puig, J.; Girerd, X.; on behalf of the, Reach O. U. T. Investigators (2008): A novel programme to evaluate and communicate 10-year risk of CHD reduces predicted risk and improves patients’ modifiable risk factor profile. In: International Journal of Clinical Practice 62/10:1484-1498
» Brown, R. F.; Butow, P.; Dunn, S. M.; Tattersall, M. H. N. (2001): Promoting patient participation and shortening cancer consultations: a randomised trial. In: British Journal of Cancer 1273
» Chen, R. C.; Clark, J. A.; Manola, J.; Talcott, J. A. (2008): Treatment 'mismatch' in early prostate cancer: do treatment choices take patient quality of life into account? In: Cancer 112/1:61-68
» Del Canale, S.; Louis, D. Z.; Maio, V.; Wang, X.; Rossi, G.; Hojat, M.; Gonnella, J. S. (2012): The relationship between physician empathy and disease complications: an empirical study of primary care physicians and their diabetic patients in Parma, Italy. In: Acad Med 87/9:1243-1249
» Dwamena F, Holmes-Rovner M, Gaulden CM et al. Interventions for providers to promote a patient-centred approach in clinical consultations. Cochrane Database Syst Rev 2012; 12: CD003267
» Felder-Puig, Rosemarie; Turk, Eva; Guba, Beate; Wild, Claudia (2006): Das ärztlich-therapeutische Gespräch. Die Effektivität verstärkter Arzt-Patient-Kommunikation. Ein Kurz-Assessment. Bd. 1819-1320/online: 18181-6556. Ludwig Boltzmann Institut Health Technology Assessment
» Gandhi, T. K. (2005): Fumbled handoffs: One dropped ball after another. In: Annals of Internal Medicine 142/5:352-358» Graham, J.; Potts, H. W.; Ramirez, A. J. (2002): Stress and burnout in doctors. Lancet. 2002 Dec 14;360(9349):1975-6; author reply 1976.» Kern, D.E., et al., eds. Curriculum development for medical education: a six-step approach. 1998, Johns Hopkins Univ. Press: Baltimore,» MD.» Lelorain, Sophie; Brédart, Anne; Dolbeault, Sylvie; Sultan, Serge (2012): A systematic review of the associations between empathy measures and patient outcomes in
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care of depression. In: Patient Education and Counseling 65/1:69-78» Mead, Nicola; Bower, Peter (2000): Patient-centredness: a conceptual framework and review of empirical literature. In: Social Science & Medicine 51/1087-1110» Rakel, David; Barrett, Bruce; Zhang, Zhengjun; Hoeft, Theresa; Chewning, Betty; Marchand, Lucille; Scheder, Jo (2011): Perception of empathy in the therapeutic encounter:
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influence of psychosocial orientation and burnout. In: Psycho-Oncology 14/8:661-670» Zandbelt, Linda C.; Smets, Ellen M. A.; Oort, Frans J.; Godfried, Mieke H.; Haes, Hanneke C. J. M. de (2007): Medical Specialists' Patient-Centered Communication and
Patient-Reported Outcomes. In: Medical Care 45/4:330-339Nowak / Sator 2016 22
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