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DIE GESCHICHTE DER UNTERWASSERARCHÄOLOGIE

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Vor einer Einführung in die lange Geschichte der Unterwasserarchäologie sollte man sich

über das eigentliche Wesen dieses Forschungsgebiets klar werden, dem Generationen

von begeisterten Tauchern und Forschern mit zum Teil wagemutigen Unternehmungen

zu akademischen Würden und zur Anerkennung als wissenschaftliche Disziplin verholfen haben.

Und man muss die wissenschaftliche Bezeichnung „Unterwasserarchäologie“ deutlich von der

„Schatzsuche unter Wasser“ abgrenzen. Denn das einfache Suchen und Bergen von historisch

und kunstgeschichtlich interessanten Artefakten ist beinahe so alt wie der Wunsch des Menschen,

tatsächlich oder vermeintlich am Grunde eines Flusses, Sees oder des Meeres verborgene und

versunkene Schätze ausfindig zu machen.

Schon bald nach der „Entdeckung“ des Meeres durch die Jagd- und Sammlerkulturen der

mittleren Steinzeit, die etwa 8000 v. Chr. damit begannen, die marine Biomasse zu nutzen,

begann man, mitunter mehr zufällig, Objekte aus dem Wasser zu bergen. Den Assyrern gelang es,

versehentlich in den Tigris gestürzte Kunstwerke mit Hilfe von Tauchern aus dem reißenden

Strom zu retten. Wie Wandreliefs in Ninive zeigen, verfügten sie über eine recht fortschrittliche

Tauchtechnik mit Atemhilfen, vor allem für militärische Zwecke.

Doch war die Herausforderung noch zu groß und die natürliche Angst vor dem, was sich unter

dem Meeresspiegel verbergen könnte, noch zu stark, um die Tiefen zu bezwingen. So blieb

die archäologische Erforschung von Meeren, Flüssen oder Seen bis vor wenige Jahrzehnte vor

allem durch den Reiz des Unbekannten und Außergewöhnlichen motiviert. Erlebnissen und

Erzählungen der Taucher haftete daher stets etwas Geheimnisvolles an.

Das war schon in der Antike so. Herodot berichtet, wie im Jahre 420 v. Chr. ein geschickter

„Taucher“ namens Skyllias für den persischen König Xerxes versunkenes Schiffsgut aus dem Meer

barg. Doch selbst der griechische Historiker äußerte sich kritisch über dessen übertriebenen, da

unmöglichen „Rekord“ von beinahe achtzig Stadien, also rund fünfzehn Kilometern, unter Wasser!

Solch eine Leistung schien auch damals nur im Kontext des Legendenhaften vorstellbar.

Der Fortschritt der Tauchtechniken besaß großen Einfluss auf die Bergungsmethoden. Auch hier

lassen sich die Bemühungen, immer wirkungsvollere Verfahren für den Aufenthalt unter Wasser

zu erforschen, bis in die Antike zurückverfolgen. Die ersten wirklichen Tauchsysteme wurden in

Griechenland erdacht. In den Problemata physica, einer pseudo-aristotelischen Schrift aus dem

4. Jahrhundert v. Chr., finden sich Versuche Aristoteles’ beschrieben, bei denen er Gefäße derart

umdrehte und auf das Wasser setzte, dass sie nicht vollliefen und eine Luftblase enthielten. Später

entwickelte er daraus die erste Tauchglocke.

Die Geschichte um diese Tauchglocke ist mit dem berühmten Tauchgang Alexanders des Großen

verknüpft, der sich darin längere Zeit unter Wasser aufgehalten haben soll, um das zu bestaunen,

was wir heute als marine Biodiversität bezeichnen.

Die ersten „Berufstaucher“ sind aus römischer Zeit bekannt. Die so genannten urinatores retteten

gegen gute Bezahlung versunkene oder über Bord gegangene Ladung selbst aus größeren Tiefen.

Vorhergehende Seiten:Wandrelief im neuassyrischen Palast in Ninive. Das Relief, eine der ersten Darstellungen von menschlichen Aktivitäten unter Wasser, zeigt Taucher, die mithilfe von Luftsäcken atmen. Zu sehen ist der Angriff auf eine durch Gräben und Türme bewehrte Stadt.

Seite links:Der Tauchgang Alexanders des Großen in einem gläsernen Gefäß, dessen Entwurf Aristoteles zugeschrieben wird. Kleidung und Gesichtszüge dieser indischen Miniaturmalerei des 16. Jahrhunderts folgen orientalischen Vorbildern.

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Masken waren damals noch unbekannt und so füllten sie sich den Mund mit Sardinen- oder

Thunfischöl, das sie beim Tauchen ausspuckten, um so das trübe Wasser für einige Augenblicke

zu klären.

Die Erforschung des Meeres ging stets mit der Entwicklung neuer Tauchgeräte und -methoden

wie der Tauchglocke einher. Im römischen Militär unternahm man gar Versuche mit einfachen

Tauchkappen und ledernen Luftschläuchen zur Wasseroberfläche, wenn auch ohne verwertbaren

Erfolg. Selbstverständlich widmete sich auch ein Universalgenie wie Leonardo da Vinci der

Entwicklung von Tauchverfahren. Er entwarf Taucheranzüge aus Leder und luftgefüllte Säcke,

zur Wasseroberfläche mittels Schlauch verbunden, die man als Atmungshilfen auf dem Rücken

trug, sowie erste Formen von Flossen, die den Abstieg in die Tiefe beschleunigen sollten.

Neben der Erfindung immer neuerer Techniken und Geräte wuchs auch das Wissen um die

Reaktionen des menschlichen Körpers auf die Druckbelastung in unterschiedlichen Wassertiefen.

Die Anfänge der heutigen Tauch- und Überdruckmedizin gehen auf den bekannten englischen

Naturforscher Robert Boyle zurück. Bei Versuchen im Jahr 1667 beobachtete er, wie im Auge des

Versuchstieres, einer Schlange, nach plötzlicher Druckentlastung eine Luftblase verblieb. Später

erkannte man, dass in der Dekompressionskrankheit eine der größten und am weitesten

verbreiteten Gefahren des Tauchens bestand.

In der Gerätetechnik war es vor allem die von Aristoteles beschriebene Tauchglocke, die sich einer

Weiterentwicklung erfreute, und die im 18. Jahrhundert von dem englischen Astronomen und

Physiker Edmund Halley perfektioniert wurde. Sie fand regen Einsatz bei ebenso aufwendigen wie

lukrativen Bergungsaktionen, mit denen man wertvolle Waren, Bewaffnung und sonstige

versunkene Güter wieder an die Meeresoberfläche brachte. In Verbindung mit Pressluftpumpen

wurde sie ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auch in Italien bei Hafen- und Bergungsarbeiten

verwendet.

Doch boten Tauchglocken den Arbeitern unter Wasser nur begrenzte Bewegungsfreiheit. Dieser

Nachteil war es auch, der zu immer neuen Versuchen führte, sich von sperrigen Tauchgeräten zu

lösen, die den direkten Kontakt mit der Umgebung unmöglich machten. Es waren die Anfänge

einer fortschreitenden „Befreiung“, hin zu dem, was wir heute im Allgemeinen als Taucher

bezeichnen. Der Beginn der modernen Tauchtechnik lässt sich wohl im Jahr 1772 verorten, in

dem der Franzose Fréminet seine machine hydrostatergatique erfand. Sie bestand aus einem Anzug

aus starkem Leder sowie einem Helm aus Kupfer. Die Luftzufuhr erfolgte über einen Schlauch aus

Die von dem englischen Physiker und Astronomen Edmund Halley im 18. Jahrhundert entworfene Tauchglocke eignete sich für die Rettung von Waren, Waffen und sonstigen versunkenen Gütern aus dem Wasser. Im 19. Jahrhundert wurde dieses Tauchgerät um eine Pressluftpumpe erweitert und bei zahlreichen Bergungen eingesetzt.

Die Erfindung der „hydrostatischen Maschine“ des Franzosen Fréminet im Jahr 1772 stand am Anfang der Entwicklung moderner Tauchgeräte. Sie bestand aus einem Anzug aus starkem Leder sowie einem Helm aus Kupfer. Die Luftzufuhr erfolgte über einen Schlauch aus dem ebenfalls unter Wasser schwebenden Luftbehälter. Die ausgeatmete Luft wurde über einen zweiten Schlauch abgeleitet.

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einem ebenfalls unter Wasser schwebenden Luftbehälter; über einen zweiten Schlauch wurde

die ausgeatmete Luft abgeleitet.

Die ersten echten Taucher verdankten ihre Geräte jedoch den Verbesserungen von Fréminets

Apparatur durch den Deutschen Karl Heinz Klingert, der eine „Tauchermaschine“ mit direkter

Luftzufuhr von der Wasseroberfläche entwarf. Seine Erfindung wurde ein großer Erfolg und

war der Auftakt zu einer sowohl wirtschaftlichen als auch militärischen Nutzung und Weiter-

entwicklung von Tauchgeräten.

Mit solchen Geräten ausgestattete Taucher waren es auch, die die ersten archäologischen

Grabungen unter Wasser durchführten, wenn auch mit nicht gerade wissenschaftlichen

Methoden. Sie bargen die Reste der Wracks vor Antikythera (Griechenland, 1900–01) und Mahdia

(Tunesien, 1908–13) und waren an den sensationellen Entdeckungen des Epheben von Marathon

im Jahr 1925 sowie des Poseidon und des Jockeys vom Kap Artemision drei Jahre später beteiligt.

Die Taucher drangen in immer größere Tiefen vor, waren jedoch immer noch weit davon entfernt,

Bronzekopf aus dem Wrack von Antikythera, einer kleinen Insel im Süden der Peloponnes, Anfang des 20. Jahrhunderts von Tauchern der griechischen Marine geborgen. Bei dem Unternehmen handelte es sich um eine der ersten wissenschaftlich motivierten Bergungen von kunsthistorisch-archäologisch interessanten Objekten. Der Kopf wird im Allgemeinen als Bildnis eines Philosophen angesehen.

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Der „Jüngling von Marathon“. Bronzestatue aus der Schule des Praxiteles, etwa 340 v. Chr., 1925 im Golf von Marathon geborgen.

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die theoretisch mögliche Grenze von 200 m zu erreichen. Die Helmtaucheranzüge wurden mit der

Zeit flexibler und an die Arbeit unter Wasser angepasst. In den Jahren zwischen den beiden

Weltkriegen fanden sie bei Bergungen immer häufiger Verwendung.

Noch heute erinnert man sich an die Taucher der genuesischen Bergungsgesellschaft SORIMA,

die von Bord ihres Schiffes Artiglio aus nicht nur im Mittelmeer, sondern auch in den kalten

Gewässern des Atlantiks erfolgreiche Bergungsaktionen durchführten. Trotz eines tragischen

Unglücks vor der bretonischen Küste, bei dem viele Taucher ums Leben kamen, blieb das Team

der Artiglio bis nach Kriegsende weiter aktiv. Unter der Leitung des Archäologen Antonino

Lamboglia, den man getrost als den Vater der italienischen und europäischen

Unterwasserarchäologie bezeichnen kann, gelang dem Team auch eine der ersten archäologischen

Unterwassergrabungen. Es handelte sich um das Wrack von Albenga, ein römisches Handelsschiff

und eines der berühmtesten Wracks in italienischen Gewässern. Lamboglia musste auf die

verfügbaren Mittel der Artiglio zurückgreifen und so wurde ein Teil der immensen Amphoren-

ladung zerstört, als sich der Spezialgreifer in das Wrack fraß. Doch sein Fehler half ihm, jene

streng wissenschaftlichen Methoden auszuarbeiten, welche die italienische Unterwasserarchäologie

schon früh auszeichneten.

Diese Erfahrungen lieferten auch den Anstoß, sich von den mittlerweile in die Jahre gekommenen

Tauch- und Bergungstechniken zu verabschieden. Bereits in den 1930er Jahren experimentierte

die amerikanische, englische und französische Marine erfolgreich mit Geräten, die die Welt des

Tauchens in jeder Hinsicht revolutionieren sollten. Mit ihrer Hilfe war es fortan möglich, sich

völlig frei – nur mit Maske, Mundstück, Regulator und Pressluftflaschen versehen – unter Wasser

zu bewegen. Die „Aqualunge“ der Franzosen Cousteau und Gagnan war das erste dieser

Atemgeräte, das auf dem Markt erschien. Cousteau hat mit diesem Gerät und den

Dokumentationen seiner Tauchgänge Weltruhm erlangt.

Dank dieses neuartigen Tauchgeräts war es nun auch Laien möglich, unter Wasser verborgene

Schätze und Kulturgüter zu entdecken, da die Ausrüstung um ein Vielfaches einfacher zu

handhaben war. Die Kehrseite der Medaille lag in der zunehmenden Ausplünderung

archäologischer Unterwasserstätten. Schuld daran waren jedoch weniger die Fortschritte in

der Tauchtechnik als vielmehr mangelndes Verantwortungsbewusstsein und fehlende

Kontrollmöglichkeiten.

Zwar ist die Entstehung der modernen Unterwasserarchäologie nicht ausschließlich diesen

Fortschritten zu verdanken, doch haben diese wesentlich zu der Entwicklung wissenschaftlicher

Untersuchungsmethoden beigetragen. Der lange Weg hin zur modernen Unterwasserarchäologie

– oder dem Wortlaut des UNESCO-Übereinkommens folgend zu einer modernen Verwaltung des

Unterwasserkulturerbes – begann bereits lange vor den brillanten Einfällen Lamboglias. Diese

Forschungsdisziplin besitzt in Italien eine mehr als 50 Jahre alte und von viel Enthusiasmus

getragene Tradition.

Beispielhaft für dieses Engagement war die Suche nach den beiden Schiffen, die der römische

Kaiser Caligula auf dem Lago di Nemi bauen ließ. Es handelte sich um keine normalen Schiffe,

sondern um wahre schwimmende Paläste, deren Schätze über Jahrhunderte hinweg die Fantasie

der Menschen schürte und bereits Leon Battista Alberti im Jahre 1446 zu einem Bergungsversuch

veranlassten.

Es handelte sich keineswegs um ein wissenschaftliches Unternehmen, doch wurden bei dieser

Gelegenheit neue Tauch- und Bergungstechniken erprobt. Das war vor allem dem Einsatz der

tuffatori (tuffare – dt. eintauchen, ins Wasser springen) aus Genua zu verdanken. Sie waren

gewissermaßen die Vorgänger der später marangoni (marangone – dt. Kormoran) genannten

Eines der ersten im Handel erhältlichen Exemplare der von Jaques-Yves Cousteau und Emil Gagnan entwickelten Aqualunge mit Mundstück und Atemgerät. Der Lungenautomat löste eine wahre Revolution aus, da er Tauchern erstmals ermöglichte, sich frei und unabhängig im Wasser zu bewegen.

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Taucher, die an der Entstehung der Unterwasserarchäologie in Italien wesentlichen Anteil haben

sollten.

Rund hundert Jahre später unternahm Francesco De Marchi Versuche mit einem rudimentären

Helmtaucheranzug aus Holz, ohne Erfolg. Fusconi konnte 1827 mit einer Tauchglocke und

Pressluft einige Objekte an die Oberfläche schaffen, doch erst Eliseo Borghi gelang 1895 die

Bergung von Statuen und wertvollen Ausrüstungsgegenständen. Mangels Gesetzen zum Schutz

von Kulturgütern landeten diese jedoch auf dem Antiquitätenmarkt.

Schließlich war es die faschistische Regierung, die in den 1920er Jahren die Bergung der Wracks

in Angriff nahm, weniger aus wissenschaftlichem Interesse, sondern vielmehr zur Glorifizierung

der römischen Vergangenheit und der eigenen Politik. Es handelte sich um die erste wirklich

wissenschaftlich durchgeführte Kampagne mit genauen Analysen und Untersuchungen der

Fundstücke sowie deren musealer Aufbereitung. Dazu musste allerdings der See zum größten

Teil trockengelegt werden.

Stich mit dem von Annesio Fusconi erdachten System zur Bergung von „Objekten“ aus den römischen Schiffen am Grunde des Lago di Nemi. Es blieb einer der vielen erfolglosen Versuche in der Neuzeit, die vermeintlichen Schätze dieser Schiffe zu heben. Fusconi setzte eine mit Pressluft versorgte Tauchglocke ein, die von einem großen Floß aus ins Wasser gelassen wurde.

Seite links:Carlo Sbisà. „Der Taucher“ (Bildnis Umberto Nordio), 1931,Öl auf Leinwand, 105 x 92 cmTriest, Civico Museo Revoltella.

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Die Kampagne wurde von Guido Uccelli detailliert dokumentiert und es wurde direkt am Seeufer

ein Museum für die Ausstellung der beiden Wracks errichtet. Die Öffentlichkeit konnte sich der

sorgfältig konservierten und restaurierten Funde allerdings nur kurz erfreuen: Kurz vor

Kriegsende fiel das Museum aus immer noch nicht genau geklärten Umständen einem Brand

zum Opfer.

Die Zeit war reif für die Metamorphose einer einfachen und zerstörerischen „Schatzsuche“ hin

zu einer wissenschaftlichen Disziplin, die sich der Erforschung der Vergangenheit und der

Publikation ihrer Erkenntnisse verpflichtete. Es steht außer Frage, dass die Erfindung und

Verbreitung des Lungenautomaten dabei eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Erst mithilfe

dieses Tauchgeräts konnten wagemutige Archäologen in größere Tiefen vordringen und die

Methoden archäologischer Grabungen und wissenschaftlicher Untersuchungen an Land auch

unter Wasser erproben. Wie wichtig es ist, dass Archäologen die Arbeiten selbst anleiten, hatte

bereits Lamboglia immer wieder betont. Seine Mitarbeiter – in erster Linie Francisca Pallares –

waren es auch, die mit der systematischen Ergrabung einiger Wracks erste Beispiele von wirklich

wissenschaftlichen Kampagnen lieferten. An dieser Stelle sei nur an das Wrack nahe der Insel

Spargi im Nordosten Sardiniens erinnert.

Die erste systematisch angelegte archäologische Unterwasserkampagne im Mittelmeer ging

allerdings von amerikanischen Wissenschaftlern aus. Ausgangspunkt dieses wissenschaftlichen

Abenteuers war Bodrum, das antike Halikarnassos, an der Westküste der heutigen Türkei.

Eine der beiden kaiserlichen Barken aus dem Lago di Nemi, die nach Senkung des Wasserspiegels um mehr als zehn Meter zwischen 1928 und 1932 freigelegt wurden. Die Freilegung und der Bau des Schiffsmuseums wurden vom faschistischen Regime aus ideologi-schen Gründen ausdrücklich gefördert.

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Angeführt von George Bass begaben sich die Archäologen selbst unter Wasser, entwickelten

effiziente Restaurierungs- und Untersuchungsverfahren und präsentierten ihre Ergebnisse in

Publikationen sowie in den Ausstellungen im mittelalterlichen Kastell der Öffentlichkeit.

Bass' Ausgrabungen frühgeschichtlicher Funde vor dem Kap Gelidonya Burnu (Chelidionion) im

Jahr 1960 standen am Anfang einer streng nach wissenschaftlichen Methoden arbeitenden

Unterwasserarchäologie und legten den Grundstein für die weltweit wohl berühmteste

Einrichtung in dieser Forschungsdisziplin, das Institute of Nautical Archaeology, das seit 1976

der Texas A&M University angeschlossen ist.

Doch wäre es ungerecht, würde man die Fortschritte bei der Bergungstechnik und in den

Verfahren zur Holzkonservierung und -restaurierung außer Acht lassen, die in Nordeuropa, aber

auch in Großbritannien und Frankreich zu verzeichnen waren. In Schweden, Norwegen und

Dänemark hatte man seit Beginn des letzten Jahrhunderts große Anstrengungen bei der Bergung

von Schiffen der Wikingerzeit unternommen und erste Systeme und Methoden zur Konservierung

des wasserdurchtränkten Holzes entwickelt. Das bedeutendste Projekt war sicherlich die Hebung

der Vasa, jenes Flaggschiffs der schwedischen Marine, das am 10. August 1628 auf so unglückliche

Weise kurz nach dem Ablegen zur Jungfernfahrt im Fjord von Stockholm unterging.

Auch die französische Unterwasserarchäologie nimmt hier eine bedeutende Rolle ein. Im Jahr

1966 rief der damalige Kulturminister André Malraux – ein viel geachteter Intellektueller und

Schriftsteller – das Département des recherches archéologiques subaquatiques et sous-marines

(DRASSM) ins Leben und bewies damit große Weitsicht. Dieses führte seither zahlreiche wichtige

Forschungen und Grabungen durch und leistete einen wesentlichen Beitrag zur Rekonstruktion

der antiken Handelsrouten im Mittelmeer.

Dank des verstärkten Einsatzes der Aqualunge nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die

Unterwasserarchäologie enorme Fortschritte erzielen. Die Zahl der Kampagnen stieg beständig,

in verschiedenen Regionen der Welt begann man auch unter Wasser nach Kunst- und

Kulturschätzen zu forschen. Die Ergebnisse waren ermutigend, wie nicht zuletzt das anhaltende

Antonino Lamboglia zählte zu den bedeutendsten italienischen Archäologen der Nachkriegszeit. Er war insbesondere in der Entwicklung moderner Methoden zur Klassifizierung von Keramik maßgeblich. Vor allem aber war er, auch auf internationaler Ebene, ein Pionier der Unterwasserarchäologie, der in Italien die ersten wissenschaftlichen Unterwassergrabungen leitete. 1977 kam er bei einem tragischen Unfall im Hafen von Genua ums Leben.

Die Türme des mittelalterlichen Kastells von Bodrum, dem antiken Halikarnassos, an der Südwestküste der Türkei. Heute ist darin eines der weltweit wichtigsten Museen für Unterwasserarchäologie untergebracht. Hier befinden sich die Funde von Yassi Ada, Kap Gelidonya, Serçe Limani, Ulu Burun und aus anderen berühmten Wracks, die seit den 1950er Jahren von türkisch-amerikanischen Forscherteams geborgen wurden – meist unter der Leitung von George Bass, dem Gründer des Institute of Nautical Archaeology, das seit 1976 an die Texas A&M University angeschlossen ist.