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  • VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE:

    Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

    ifeu – Institut für Energie-und Umweltforschung

  • Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbHDr. Ulrike Lehr, Dr. Christian LutzHeinrichstr. 30 D-49080 Osnabrück Tel: 0541 / 40933-280; -120 Email : [email protected]; [email protected]

    ifeu — Institut für Energie- und Umweltforschung HeidelbergDr. Martin Pehnt Wilckensstraße 3D-69120 HeidelbergTel: 06221 / 4767-0 E-Mail: [email protected]

    Osnabrück, Heidelberg2012

  • Energieeffizienz, Energieeinsparung und erneuerbare Ener-gien sind die Grundpfeiler eines zukünftigen Energiesys-tems, das Deutschland mit der Energiewende ansteuert.Ergebnisse aktueller Studien zeigen, dass sowohl verstärk-te Energieeffizienz als auch der Ausbau der erneuerbarenEnergien mit positiven gesamtwirtschaftlichen Ef-fekten in Form höherer Wirtschaftsleistung undzusätzlicher Arbeitsplätze verbunden sind. Sie führenzum einen zu zusätzlichen Investitionen und senkenzum anderen langfristig die Energiekosten. Auf regio-

    naler Ebene schaffen sie zusätzliche Wertschöpfungund Arbeitsplätze. Viele Chancen eröffnet die internatio-nale Dimension. Weltweit werden die Staaten über kurzoder lang ihre Energiesysteme umbauen. Der damit ver-bundene Wechsel eröffnet hervorragende Exportmög-lichkeiten. Wenn Deutschland in den kommendenJahren beweisen kann, dass die Energiewende in einemführenden Industrieland bei weiter wachsendem Wohl-stand gelingen kann, werden viele andere Länder diedeutschen Lösungen nachfragen.

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    1 Zusammenfassung

    Wettbewerbsfähigkeit, Energiesicherheit und Klimaschutzsind die Zielgrößen europäischer und nationaler Energie-politik, beispielsweise des Energiekonzepts vom Herbst2010 mit Anpassungen im Sommer 2011 oder der nationa-len Klimaschutzinitiative. Die Einsparung von Energie-rohstoffen, deren effizientere Umwandlung und der Um-stieg auf erneuerbare Energieträger sind Kernbestandteiledes Energiekonzepts. Die Europäische Union verfolgtlangfristig vergleichbare Ziele. Und auch global ist aufDauer ein entsprechender Wandel notwendig, um dieErderwärmung auf maximal 2 °C gegenüber dem vorin-dustriellen Niveau zu begrenzen und gleichzeitig allenMenschen den Zugang zu Energie zu gewährleisten. Diesist bei der Klimakonferenz in Durban im Dezember 2011im Grundsatz von allen Staaten anerkannt worden.

    Wenngleich die Ziele also gesetzt sind, wird über denWeg dorthin und die Implikationen der verstärkten Ener-gieeffizienz und des Ausbaus erneuerbarer Energien fürdie gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschlandtrefflich gestritten. Wer trägt die zusätzlichen Kosten?Wird alles nicht viel zu teuer? Wem nutzt die Energie-wende? Bieten sich neue Chancen? Diese Fragen gilt esfür verschiedene mögliche Politiken und Zukunftsszena-rien zu beantworten.

    Energieeffizienz als Maßnahme zur Senkung des notwen-digen Energieeinsatzes bei der Produktion von Güternund Dienstleistungen, der Gewährleistung von Mobilitätund der Befriedigung von Konsumbedürfnissen, und derAusbau der Nutzung erneuerbarer Energieträger zurDeckung des verbleibenden Energiebedarfs sind unab-dingbar miteinander verknüpft. Dennoch sind diese bei-den Säulen der Energiewende bislang überwiegend ein-zeln betrachtet worden. Möglichkeiten, Akteure, Maßnah-men und Hemmnisse im Bereich der Energieeffizienzunterscheiden sich bei näherem Hinsehen erheblich vomBereich der erneuerbaren Energien. Dennoch sind gerademit Blick auf die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen auchÄhnlichkeiten in den Chancen und Möglichkeiten sowiein den Wirkungsmechanismen festzustellen.

    Daher wird im Folgenden eine Zusammenschau derwesentlichen Einflussfaktoren der gesamtwirtschaftlichenWirkungen einer verstärkten Energieeffizienz und desAusbaus erneuerbarer Energien versucht. Diese Zusam-menschau basiert auf Ergebnissen zweier im Jahr 2011 ab-geschlossener Forschungsprojekte für das BMU. In beidenProjekten wurde das makroökonomische Modell PANTARHEI der GWS eingesetzt, mit dem im Jahr 2010 auchdie gesamtwirtschaftlichen Effekte im Rahmen der Energie-szenarien bestimmt wurden (Prognos, EWI, GWS 2010).

    2 Einleitung

  • Ein Konsortium von GWS, Osnabrück, DIW, Berlin,DLR, Stuttgart, ISI, Karlsruhe und ZSW, Stuttgart hat die„kurz- und langfristigen Auswirkungen des Ausbaus dererneuerbaren Energien auf den deutschen Arbeitsmarkt“ermittelt (BMU 2011a). Dabei wird zum einen jährlich dieBeschäftigung im Sektor „Herstellung und Betrieb vonAnlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien“ ermittelt.Ebenfalls jährlich werden die Kosten und Nutzen desAusbaus erneuerbarer Energien in einem Konsortium ausFhG-ISI, DIW, IZES und GWS untersucht (BMU 2010b).Zum anderen wird die zukünftige Entwicklung inklusiveder internationalen Märkte für die jeweiligen Technolo-gien abgeschätzt.

    Im Rahmen der Weiterentwicklung der Nationalen Klima-schutzinitiative hat ein Konsortium aus IFEU, Heidelberg,Fraunhofer ISI, Karlsruhe, Prognos, Berlin und GWS,Osnabrück volkswirtschaftliche Effekte der Energieeffizienzermittelt (IFEU et al. 2011). Auch hier wurden die zukünf-tige Steigerung der Energieeffizienz und die zukünftigenChancen auf den Weltmärkten abgeschätzt. Die deutscheWirtschaft ist traditionell exportorientiert und wettbe-werbsfähig auf den internationalen Märkten.

    Eine wichtige Frage in beiden Untersuchungen war daher:Was kann es der Volkswirtschaft bringen, wenn deutscheUnternehmen es schaffen, auch bei neuen Technologienihre derzeitige Marktführerschaft zu erhalten oder sogarauszubauen?

    Bevor wir auf die Ergebnisse der Untersuchungen im Ein-zelnen eingehen, vorab ein Hinweis zur Vergleichbarkeitder analysierten Effekte und Resultate. Gesamtwirtschaft-liche Effekte von Politikmaßnahmen werden grundsätzlichdurch den Vergleich zweier Szenarien analysiert, von de-nen eines die Maßnahmen enthält und das andere alsReferenz ohne die zu analysierenden Maßnahmen dient.Bei den erneuerbaren Energien bietet es sich an, ein Aus-bauszenario mit einer hypothetischen, rein auf fossilenEnergieträgern basierten Welt zu vergleichen, da in derVergangenheit und nahen Zukunft der Ausbau erneuer-barer Energien nicht ohne politische Zielsetzungen undWillensbildung geschehen ist und geschehen wird. Einähnlicher Vergleich für gesteigerte Energieeffizienz ist un-gleich schwieriger, da in den meisten Fällen bereits dieReferenzentwicklung eine zunehmende Effizienz enthält.Wir betrachten deshalb üblicherweise den komplettenAusbau erneuerbarer Energien und eine gegenüber derohnehin im Zuge des technologischen Fortschritts wach-sende zusätzlich gesteigerte Energieeffizienz. Mit demVergleich zu einem hypothetischen „Frozen Efficiency“Szenario sind aber zumindest für Teilbereiche die gesamt-wirtschaftlichen Effekte der autonomen Effizienzsteigerun-gen quantifiziert. Daher kommt es im Folgenden auchnicht darauf an, die absolute Höhe der Effekte zu verglei-chen, sondern die verschiedenen Wirkungskanäle zu ana-lysieren und eventuell gemeinsame Wirkungsrichtungenfestzustellen.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE4

    3.1 Vorgehensweise

    Gesamtwirtschaftliche Effekte energie- und umweltpoliti-scher Maßnahmen werden mit komplexen Modellsyste-men erfasst. Dies gilt für die Energieszenarien für dasEnergiekonzept der Bundesregierung ebenso wie für ener-gie- und klimapolitische Entscheidungen der EU. ZurBeurteilung der Auswirkungen politischer Maßnahmenoder veränderten Verhaltens der Wirtschaftssubjekte wer-den dazu, wie erwähnt, zwei unterschiedliche Zukunfts-entwicklungen gegenübergestellt: Die gesamtwirtschaftli-che Entwicklung mit allen vorgeschlagenen Maßnahmenund Veränderungen wird mit einer Referenzentwicklungohne diese verglichen, um die Effekte der Maßnahmen

    anhand der Nettogrößen nach allen Anpassungsprozessenableiten zu können. Dabei werden neben den direktenEffekten der mit den Maßnahmen verbundenen Investi-tionen und Ausgaben sowie Energieeinsparungen auf dieBudgets der Unternehmen und der privaten und öffent-lichen Haushalte auch sogenannte Zweitrundeneffekte be-rücksichtigt, die sich in vor- und nachgelagerten Bereichender Volkswirtschaft ergeben.

    Zur Untersuchung dieser Effekte ist in den weiter obenzitierten Untersuchungen das Modell PANTA RHEI ein-gesetzt worden. Das Modell ist eine zur Analyse umwelt-ökonomischer Fragestellungen erweiterte Version desmakroökonometrischen Simulations- und Prognose-

    3 Gesamtwirtschaftliche Effekte auf nationaler Ebene

  • modells INFORGE der GWS mbH. PANTA RHEI er-fasst den langfristigen Strukturwandel in der wirtschaft-lichen Entwicklung sowie die umweltökonomischen In-terdependenzen. Neben der umfassenden ökonomischenModellierung wird der Energieeinsatz mit einem besonde-ren Schwerpunkt auf dem Einsatz erneuerbarer Energiendetailliert erfasst. Alle Modellteile sind konsistent mitein-ander verknüpft. Die Nutzung eines umfassenden gesamt-wirtschaftlichen Modells, das auch die Vorleistungsstruk-tur der Wirtschaft abbildet, hat den Vorteil, dass das kom-plexe Zusammenwirken verschiedener Effekte vollständigin den Kategorien der amtlichen Statistik erfasst wird,und dabei keine Auswirkungen unberücksichtigt bleiben.

    3.2 Erneuerbare Energien

    Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Ausbausder erneuerbaren Energien auf das Bruttoinlandsprodukt,die Investitionen, das Preisniveau sowie die Beschäftigungwerden immer wieder kontrovers diskutiert.

    Zunächst ergibt sich aus den Investitionen in Anlagenund deren Betrieb die direkte Beschäftigung bei Herstel-lern, Betreibern und Dienstleistungsunternehmen. Diesefragen ihrerseits Güter in anderen Wirtschaftssektorennach und schaffen so indirekte Beschäftigung in denVorleistungs- und Zulieferunternehmen. Aus der Summe

    der direkten und indirekten Beschäftigung resultiert diesog. Bruttobeschäftigung, die seit einigen Jahren jährlichveröffentlicht wird (vgl. BMU 2008, 2009a, 2010a, 2011b).

    Diesen positiven Impulsen steht eine Reihe von negati-ven Einflüssen aus Substitutions- und Budgeteffekten ge-genüber. Zum einen ersetzen Investitionen in erneuerbareEnergien oder Energieeffizienz z.B. Investitionen in kon-ventionelle Strom- und Wärmekraftwerke. Zum zweitenhaben etwa Verbraucher zunächst höhere Kosten für Stromoder Wärme aus erneuerbaren Energien im Rahmen ihrerbegrenzten Budgets, im Strombereich etwa durch dieUmlage aus dem EEG. Entsprechende Ausgaben gehenzurück. Positiv können sich mit Blick auf den Außenhan-del neue Exportchancen auswirken, ebenso wie Importekonventioneller Energieträger zurückgedrängt werden.Nettoeffekte, mit denen die Frage beantwortet wird, wasdenn „unterm Strich“ herauskommt, lassen sich letztlichnur durch Modellsimulationen berechnen.

    Im Jahr 2010 waren mit der Herstellung von Anlagen zurNutzung erneuerbarer Energien (EE), deren Betrieb undWartung, der Bereitstellung biogener Brenn- und Kraft-stoffe sowie in der Forschung, Beratung und Verwaltungmehr als 367.000 Personen beschäftigt. Diese Zahl hat sichdamit seit der ersten systematischen Abschätzung für 2004(160.500) mehr als verdoppelt.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE 5

    Der Ausbau erneuerbarer Energien löst eine Vielzahl von Nachfrage-, Substitutions- und Budgeteffekten aus.Die Bilanz dieser Effekte kann nur im Rahmen integrierter Modelle bestimmt werden.

    Methodische Übersicht: Beschäftigungseffekte der erneuerbaren Energien(BMU 2006)

    Ausbau EE

    Nachfrage durch Investitionen

    und Anlagenbetrieb

    Abb. 1

    „Substitutionseffekt“

    „Budgeteffekt“

    Exporte/Importe

    Preisrelationen

    Außenhandel

    EE

    Nicht-EE

    ++

    -- +

    - +

    Bruttoeffekt

    (positive Effekte)

    - negativer Effekt

    Nettoeffekt

  • Damit war im Jahr 2010 etwa jeder 100. Arbeitsplatz inDeutschland von den erneuerbaren Energien abhängig.Bis zum Jahr 2030 lässt sich unter den in den Szenariengegebenen Annahmen die Bruttobeschäftigung durch er-neuerbare Energien in einer Größenordnung von 500.000bis 600.000 Personen abschätzen. Zu den Rahmenbedin-gungen gehören unter anderem auch bestimmte Annah-men zum weltweiten Ausbau erneuerbarer Energien sowiezur Realisierung von Exportchancen (vgl. weiter unten).Darüber hinaus müssen die inländischen Rahmenbedin-gungen stabil und verlässlich bleiben. Dieser Bruttoeffektdes Ausbaus der erneuerbaren Energien zeigt die wachsen-de Bedeutung der noch jungen Branche für den deutschenArbeitsmarkt.

    Für die Ermittlung der Nettowirkungen werden dieselbenAnnahmen getroffen. Über weite Strecken wurde auf diein (BMU 2009b) abgeleiteten Szenarien zurückgegriffen.Dies gilt insbesondere für das erwartete Preisniveau derfossilen Energieträger, den Ausbau der erneuerbaren Ener-gien im Inland und die Exporttätigkeit (vgl. Kapitel 5) derHersteller von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien.

    1. Preisniveau fossiler Energieträger: Hier wurden zwei unterschiedliche Preispfade betrach-tet: Preispfad A weist ein höheres Niveau der Preise

    für importiertes Öl, Erdgas und importierte Steinkohleauf als Preispfad B. Das Preisniveau der fossilen Ener-gieträger führt zu unterschiedlichen Strompreisen. Derjeweilige Preispfad beeinflusst somit die Differenz-kosten der erneuerbaren Energien zu konventionellenEnergieträgern: hohe fossile Energieträgerpreise verrin-gern die Differenzkosten. Im Folgenden werden beidePreispfade betrachtet.

    2. Ausbau der erneuerbaren Energien: Der Zubau folgt im Wesentlichen den Annahmen desEE-Leitszenarios 2009 (BMU 2009b), das allerdings beimPV-Zubau an die aktuelle Entwicklung angepasst wurde(vgl. BMU 2011d). Die Differenzkosten zu allen Men-gengerüsten wurden mit beiden Preispfaden unterlegt.

    Das „Nullszenario“ beschreibt eine konsistente hypotheti-sche Entwicklung der Energieerzeugung ohne erneuerbareEnergien ab dem Jahr 2000 und umfasst den dann not-wendigen Zubau fossiler Kraftwerke und Wärmeerzeugerund die hiermit verbundenen Investitionen. ErneuerbareEnergien liefern in diesem Szenario nur einen sehr be-grenzten Beitrag zur Wärme- und Stromversorgung, beimStrom vornehmlich über die sogenannte große Wasser-kraft, die bereits vor Inkrafttreten des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) wettbewerbsfähig war.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE6

    Windenergie

    Biomasse

    Solarenergie

    Wasserkraft

    Geothermie

    Entwicklung der Bruttobeschäftigung durch erneuerbare Energienin Deutschland

    0 20.000 40.000 60.000 80.000 100.000 120.000 140.000

    Öffentlich geförderteForschung/Verwaltung

    7.5006.500

    4.5003.400

    13.30014.500

    10.3001.800

    7.6007.8008.1009.500

    120.90080.600

    49.20025.100

    122.000

    119.50056.800

    96.100102.100

    85.70063.900

    Angaben für 2009 und 2010 Abschätzungen; Abweichungen in den Summen durch Rundungen;Quelle: O’Sullivan/Edler/van Mark/Nieder/Lehr:„Bruttobeschäftigung durch erneuerbare Energien im Jahr 2010 – eine erste Abschätzung“,Stand: März 2011; Zwischenbericht des Forschungsvorhabens „Kurz- und langfristige Auswirkungen des Ausbaus erneuerbarer Energien auf

    den deutschen Arbeitsmarkt“; Bild: BMU/Christoph Busse/transit

    2004

    160.500Arbeitsplätze

    2007

    277.300Arbeitsplätze

    2009

    339.500Arbeitsplätze

    2010

    367.400Arbeitsplätze

    Anstieg: rd. 129%

    Abb. 2

    128.000

  • Dem Nullszenario mit Preisbasis A oder B wird nun eineEntwicklung mit unterschiedlichem inländischem Ausbauauf derselben Preisbasis gegenübergestellt, um die gesamt-wirtschaftlichen Auswirkungen verschiedener Umsatzent-wicklungen aus der Differenz der Simulationsergebnisse zuermitteln. Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Beschäf-tigung im Vergleich zu den jeweiligen rein fossil basiertenReferenzszenarien für den hohen und den niedrigen Preis-pfad für fossile Energieträger. Die Nettobeschäftigungs-wirkungen, die für das Jahr 2010 mit rund 80.000 abgeschätztwerden (vgl. BMU 2011d, S.32), gehen mit dem unter-stellten Rückgang des PV-Zubaus und den damit verbun-denen Investitionsimpulsen auf eine Größenordnung von10.000 bis 35.000 Beschäftigten in den Jahren 2015 und 2020zurück. Im weiteren Verlauf der Entwicklung steigen dieNettoeffekte deutlich auf eine Größenordnung von 100.000Beschäftigte im Jahr 2025 bzw. 160.000 im Jahr 2030.

    Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass der Ausbau erneu-erbarer Energien im Vergleich zu einem Szenario ohnediesen Ausbau positive Wirkungen auf Bruttoinlands-produkt und Beschäftigung über den gesamten Betrach-tungszeitraum bis zum Jahr 2030 hat.

    Dies wird vor allem durch drei Wirkungskanäle ausgelöst:

    • Zusätzliche Investitionen im Vergleich zu einemalternativen (konventionellen) Energiesystem lösen viel-fache positive Effekte über sogenannte Multiplikator-effekte aus. Auch Betrieb und Wartung von Anlagenführen über den gesamten Einsatzzeitraum zu Wert-schöpfung vor Ort.

    • Über die nächsten Jahre sind die Kosten der Strom-erzeugung aus erneuerbaren Energieträgern zunächsthöher als im konventionellen Kraftwerkspark. Lang-fristig werden diese Erzeugungskosten aber weiter deut-lich sinken, sodass – je nach Annahmen – ab etwa 2027damit zu rechnen ist, dass die Nutzung der erneuerba-ren Energien die Stromkosten senken wird. Nimmtman die Wärme hinzu, tritt der Energiekosten senkendeEinfluss bereit 2023 ein. Eine schnelle Marktintegrationder erneuerbaren Energieträger wird diesen Prozessbeschleunigen.

    • Damit verbunden ist ein deutlicher Rückgang derImporte fossiler Energieträger, die durch den Einsatzder heimisch bereitgestellten erneuerbaren Energieträgerersetzt werden.

    Die positiven Beschäftigungseffekte werden in allerersterLinie in den Branchen der EE auftreten, daneben werdenaber auch in einigen Zulieferindustrien wie der Metall-erzeugung und unternehmensbezogenen Dienstleistungenweitere Arbeitsplätze entstehen.

    Wichtig ist die Bedeutung der politischen Rahmenbedin-gungen für die weitere positive Entwicklung der erneuer-baren Energien. Nur bei Fortsetzung der Förderung derEE bleiben auch die ökonomischen Vorteile bestehen.Dabei wird es ist in Zukunft vor allem auf die Marktinte-gration der erneuerbaren Energien ankommen.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE 7

    200

    180

    160

    140

    120

    100

    80

    60

    40

    20

    0

    Nettobeschäftigungseffekte des Ausbaus erneuerbarer Energienbei unterschiedlichen Preispfaden und verhaltenem Exportpfad

    2015

    Abb. 3

    Ab

    wei

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    en g

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    in 1

    000

    hoher Preis für fossile Energieträger

    niedriger Preis für fossile Energieträger

    2020 2025 2030

  • 3.3 Energieeffizienz

    Energieeffizienz bedeutet, den zur Erbringung einerDienstleistung, zur Produktion von Waren oder Bereit-stellung von Energie notwendigen Energieeinsatz in einSystem zu reduzieren. Es gibt nicht ausgeschöpfte wirt-schaftliche Potenziale in großem Umfang. Diese Tatsacheist zunächst verblüffend, da man sich auch vorstellenkann, dass ineffizienter Umgang mit Energie unnötigeMehrkosten verursacht, die Verbraucher und Unterneh-men aus eigenem Antrieb reduzieren sollten. Es liegenjedoch unzählige Hemmnisse vor, beispielsweise Infor-mationsdefizite, Zuständigkeitsprobleme und gespalteneAnreizsysteme („Mieter-Vermieter“- oder „Investor-Nutzer“-Dilemma), die in vielfältigen Studien untersuchtwurden.

    Aus theoretischer Sicht ist die Existenz von einzelwirt-schaftlich sinnvollen Effizienzmaßnahmen, die nicht er-griffen werden, nicht unumstritten. In einer idealen Modell-welt, in der jedes Wirtschaftssubjekt, also Haushalte undUnternehmen, seinen Nutzen bzw. Gewinn bei vollkom-mener Information maximiert, kann es keine ungenutztenwirtschaftlichen Effizienzpotenziale geben. „There is nosuch thing as a free lunch“, wie Volkswirte betonen. Nun

    ist nicht erst seit Ausbruch der Wirtschafts- und Finanz-krise offensichtlich, dass die reale Welt von der Modell-welt „ohne Luftwiderstand“ deutlich abweicht. Im Bereichder Energiepolitik ist dies schon seit vielen Jahren bekannt.

    Das Szenario „Effizienz ambitioniert“, also das zur Analyseuntersuchte Szenario mit ehrgeizigen Energieeffizienz-Maß-nahmen, setzt diese mit einer beschleunigten Geschwin-digkeit unter der Voraussetzung optimaler politischerRahmenbedingungen um, ohne dass die Investoren öko-nomisch irrational handeln. Verglichen wird das Potenzialmit einer Referenzentwicklung, die ebenfalls bereits einezunehmende Effizienz enthält. Vergleichbar wurde auch inden Energieszenarien zum Energiekonzept der Bundesre-gierung vorgegangen.

    Stellt man sich hingegen die Frage nach den gesamtwirt-schaftlichen Auswirkungen von Effizienzanstrengungen„überhaupt“, so muss man die Referenzentwicklung durcheine – hypothetische – Entwicklung ersetzen, bei welcherausgehend vom heutigen Stand keinerlei weitere Effizienz-steigerung mehr stattfinden wird. Hierzu wird ein „FrozenEfficiency“-Szenario definiert, also ein Szenario, in demkeine zusätzliche Effizienzsteigerung erfolgt.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE8

    10.000

    9.000

    8.000

    7.000

    6.000

    5.000

    4.000

    Endenergiebedarf in den drei betrachteten Szenarien

    1990

    Abb. 4

    2000 2010 2020 2030 2040

    En

    den

    erg

    ie (

    PJ/

    a)

    keineEffizienzentwicklung

    Referenz-Effizienzsteigerung

    zusätzl. attraktiveEinsparpotenziale

    Szenario „Frozen Efficiency“Referenz-SzenarioSzenario „Effizienz ambitioniert“

  • Für die Erschließung der Effizienz-Maßnahmen des Szena-rios „Effizienz ambitioniert“ sind zusätzliche Investitionengegenüber der Referenz von jährlich rund 12 Mrd. Euro(2010-2020) bzw. 18 Mrd. Euro (2020-2030) erforderlich,kumuliert rund 300 Mrd. Euro. Diese Mehrinvestitionensind nicht mit Mehrkosten zu verwechseln. Durch dieEnergiekosteneinsparungen führen die meisten Maßnah-men über die gesamte Abschreibungs- bzw. Lebensdauerder Produkte gerechnet zu Kostenentlastungen.

    Insgesamt zeigt die Verbesserung der Effizienz ebenfallspositive ökonomische Effekte. Die Bruttoproduktion, dasBruttoinlandsprodukt und seine einzelnen KomponentenKonsum, Investitionen und Außenhandel liegen durchden verstärkten Einsatz von Effizienztechnologien imSzenario „Effizienz ambitioniert“ über den gesamten Zeit-raum höher als im Referenzszenario. Natürlich überträgtsich die höhere Produktion nicht in gleichem Umfang in

    eine höhere Wertschöpfung (BIP), da ein Teil der zusätz-lichen Produktion und der zusätzlich eingesetzten Vorpro-dukte entsprechend der deutschen Produktions- und Han-delsstruktur importiert wird (vgl. Anstieg der Importe).Ein erheblicher Teil des beobachteten zusätzlichen BIP-Aufkommens entfällt mit gut 16,2 Mrd. Euro im Jahr 2030auf den privaten Konsum. Dies leitet sich zunächst ausdem zusätzlichen Konsum von energieeffizienten Güternab, beinhaltet jedoch darüber hinaus Zweitrundeneffektedurch die steigende Beschäftigung und den Anstieg derverfügbaren Einkommen durch die Einsparung von Ener-giekosten. Ausrüstungen und Bauten werden natürlichbesonders angestoßen.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE 9

    Ökonomische Kenngrößen im Szenario „Effizienz ambitioniert“,Abweichungen zur Referenz

    Tab. 1

    Szenario „Effizienz ambitioniert“

    Komponenten des preisbereinigten BIP

    Bruttoinlandsprodukt

    Privater Konsum

    Staatskonsum

    Ausrüstungen

    Bauten

    Exporte

    Importe

    Arbeitsmarkt

    Erwerbstätige (Inland) in 1.000

    Energieverbrauch

    Primärenergieverbrauch

    Endenergieverbrauch

    Bruttostromerzeugung

    Abweichung in Mrd. 5

    absolute Abweichungen

    Abweichungen in PJ

    2011

    6,4

    2,0

    0,1

    3,6

    3,0

    0,1

    2,4

    67

    -96

    -69

    -21

    Absolutwerte Abweichung in %

    2015

    9,9

    5,4

    -0,1

    3,8

    3,2

    0,3

    2,7

    83

    -417

    -305

    -95

    2020

    17,8

    10,6

    -0,1

    5,7

    5,1

    0,5

    3,9

    128

    -773

    -591

    -168

    2025

    21,0

    13,5

    -0,2

    6,9

    3,9

    0,6

    3,6

    130

    -986

    -800

    -193

    2030

    23,6

    16,2

    -0,3

    8,1

    2,8

    0,6

    3,8

    128

    -1094

    -921

    -208

    2011

    0,3

    0,2

    0,0

    1,4

    1,4

    0,0

    0,2

    0,2

    -0,7

    -0,8

    -1,0

    2015

    0,4

    0,4

    0,0

    1,4

    1,5

    0,0

    0,2

    0,2

    -3,2

    -3,5

    -4,2

    2020

    0,7

    0,8

    0,0

    1,9

    2,5

    0,0

    0,3

    0,3

    -6,2

    -7,1

    7,7

    2025

    0,8

    1,0

    0,0

    2,2

    2,0

    0,0

    0,3

    0,3

    -8,7

    -10,0

    -9,6

    2030

    0,8

    1,2

    -0,1

    2,4

    1,5

    0,0

    0,2

    0,3

    -10,2

    -11,7

    -11,0

  • Die positiven Effekte lassen sich als Ergebnis verschiede-ner Wirkungsmechanismen interpretieren:

    • Zusätzliche Investitionen bedeuten zusätzlicheProduktion und somit zusätzliche Beschäftigung.

    • Energieeinsatz wird durch Kapitaleinsatz ersetzt.Dieser wird teilweise auch aus dem Ersparten ent-nommen (das langfristig durch die eingespartenEnergiekosten wieder aufgefüllt wird).

    • Auf der anderen Seite steigen die Abschreibungenund damit die Kapitalkosten der Unternehmen durchdie höheren Investitionen. Die Haushalte und derStaat müssen höhere Investitionen und Ausgabenfinanzieren.

    • Teilweise wird Wertschöpfung im Ausland, beispiels-weise in den Lieferländern von Erdöl, durch regionaleWertschöpfung beispielsweise im Baugewerbe oderMaschinenbau ersetzt. Energieimporte werden redu-ziert und somit langfristig die Energiesicherheit posi-tiv beeinflusst.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE10

    170

    165

    160

    155

    150

    145

    140

    Jährliche Energiekosten in den beiden Szenarien

    2015

    Abb. 5a

    Energiekosten ReferenzEnergiekosten Effizienz ambitioniert

    Jäh

    rlic

    he

    En

    erg

    ieko

    sten

    (M

    rd. E

    uro

    )

    2020 2025 2030

    eingesparte EnergiekostenEffizienz ambitioniert vs.Referenz

    25

    20

    15

    10

    5

    0

    Jährliche Differenz-Investitionen in Energieeffizienz(Zusatzkosten des Szenarios „Effizienz ambitioniert“ versus „Referenz“)

    2015

    Abb. 5b

    Jäh

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    Mrd

    . Eu

    ro)

    2020 2025 2030

  • • Durch die frühzeitige Etablierung eines Leitmarktesfür Effizienztechnologien kann ein Wettbewerbs-vorteil inländischer Firmen entstehen. Dies kanndurch zusätzliche Chancen auf dem Weltmarkt undzusätzliche Exporte der betreffenden Produktions-bereiche abgebildet werden (vgl. Kapitel 5).

    • Mit dem Baugewerbe und den unternehmensbezoge-nen Dienstleistungen, aber auch, wenngleich in etwasgeringerem Maße, mit dem Maschinenbau, werdenImpulse auf beschäftigungsintensive Wirtschafts-bereiche ausgeübt.

    • Die eingesparten Energiekosten erhöhen die Produk-tivität und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Un-ternehmen.

    • Die eingesparten Energiekosten steigern das zur Ver-fügung stehende Budget der Haushalte und damit dieAusgabebereitschaft für andere Güter (Zweitrunden-effekte).

    Hauptimpuls sind dabei kurzfristig die zusätzlich ausge-lösten Investitionen. Insbesondere im Gebäudebereich istder inländische Wertschöpfungsanteil hoch, im Jahr 2020liegt der Beschäftigungsimpuls im Vergleich zum Refe-renzszenario bei 35.000 Beschäftigten. Im ProduzierendenGewerbe profitieren vor allem der Fahrzeugbau sowie dieSektoren Maschinenbau, Elektrotechnik und Mess-,Steuerungs- und Regelungstechnik. Insgesamt erfährt dasProduzierende Gewerbe einen Zuwachs an Beschäftigungvon knapp 14.000. Die durch die zusätzlichen Energieeffi-zienzmaßnahmen ausgelöste Mehrbeschäftigung liegt ineiner Größenordnung von 130.000 zusätzlichen Erwerbs-tätigen pro Jahr. Längerfristig steigt die Bedeutung dereingesparten Energiekosten für die Ergebnisse immermehr an. Im Jahr 2030 werden Energiekosten in Höhevon ca. 21 Mrd. Euro eingespart, wobei der größte Teildann auf den Verkehrsbereich entfällt.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE 11

    Sektorale Arbeitsmarkteffekte im Maßnahmenszenario– absolute Abweichungen der Beschäftigung in 1000 zum Referenzszenario.

    -5 40

    Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

    Bergbau u. Gewinnung von Steinen u. Erden

    Verarbeitendes Gewerbe

    Energie- und Wasserversorgung

    Baugewerbe

    Handel; Instandhaltung/Reparaturvon Kfz/Gebrauchsgütern

    Gastgewerbe

    Verkehr und Nachrichtenübermittlung

    Kredit- und Versicherungsgewerbe

    Grundstückswesen, Unternehm.dienstleister

    Sonstige Dienstleister

    Abb. 6

    0 5 10 15 20 25 30 35

    2011 2015 2020 2025 2030

  • Die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen des Szenarios„Effizienz ambitioniert“ können sogar noch besser ausfal-len. Aus verschiedenen Gründen sind die oben genann-ten Zahlen eher als konservativ einzuschätzen. Erstensenthält bereits das Referenzszenario (insbesondere imGebäudebereich) erhebliche Effizienzeffekte, die auchbereits Beschäftigung etwa in der Bauwirtschaft sichern.Für den Gebäudebereich werden diese positiven Beschäf-tigungseffekte der Referenz im Vergleich zum „FrozenEfficiency“ Szenario auf 60.000 bis 70.000 pro Jahr abge-schätzt. Zweitens erhoffen sich deutsche Unternehmengerade im Bereich Energieeffizienz umfangreiche Export-chancen (vgl. Kapitel 5). Drittens sind eine ganze Reihevon Annahmen z.B. zur Entwicklung der internationalenEnergiepreise getroffen worden. Je höher die Energiepreisetatsächlich steigen werden, desto größer werden die ge-samtwirtschaftlichen Effekte ausfallen. Viertens liegen z.B.auch im Bereich der Verkehrsverlagerung zusätzliche Effi-zienzpotenziale, die noch erschlossen werden können.Nicht zuletzt reduziert eine ambitionierte Effizienzstrategiedie Energiesteuerbelastungen der Nachfrager, was auchpolitischen Gestaltungsspielraum für neue zielgerichteteInstrumente schaffen wird.

    Die Einsparungen im Szenario „Effizienz ambitioniert“haben noch eine weitere volkswirtschaftliche Dimension:

    Deutschland stützt als ressourcenarmes Industrielandeinen erheblichen Anteil seiner Energieversorgung aufImporte. Insgesamt beträgt der Anteil der Nettoimporteam Primärenergieverbrauch über 70%. Derzeit gibt Deutsch-land 11% seiner Importaufwendungen für Energie aus. Inden Jahren 2009 belief sich diese Summe auf 76 Mrd. Euro,in 2010 waren es bereits 91 Mrd. Euro (Statistisches Bun-desamt 2011). Im Vergleich zum Referenzszenario liegendie Energieimporte im Szenario „Effizienz ambitioniert“im Jahr 2030 um rund 4 Mrd. Euro niedriger.

    Wenngleich Importe an sich im Zuge internationaler Ar-beitsteilung notwendig und sinnvoll sind, verbindet dieöffentliche Diskussion mit dem Import von Öl und Gasdie Abhängigkeit von Ländern, deren Zuverlässigkeit sieeher nach Konflikten beurteilt, wie etwa dem Gas-Streitzwischen Russland und der Ukraine. Diese Verunsiche-rung bezüglich der vom Ausland bereitgestellten Mengenwird erhöht durch eine erhebliche Preisunsicherheit, wiesie in den Preisanstiegen und -rückgängen der jüngerenVergangenheit sichtbar wird. In der Nutzung von Effizienz-potenzialen steckt die sicherste „Energiequelle“, denn sieschützt vor Preis- und Mengenrisiken.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE12

    Der Ausbau erneuerbarer Energien führt auch zu einerStärkung der Wertschöpfung vor Ort. Die Unternehmens-gewinne, die Nettoeinkommen der vor Ort in Zusammen-hang mit den EE-Anlagen Beschäftigten – vom Planer,Anlagenhersteller bis zum Betreiber einer Anlage – unddie gezahlten Steuern sind Bestandteile dieser kommuna-len Wertschöpfung (Hirschl et al. 2011).

    Auf regionaler Ebene ist am Beispiel der Windenergie anLand durchgerechnet worden, in welchen Regionen wel-che Arbeitsmarkteffekte durch den EE-Ausbau ausgelöstwerden (BMU 2011c). Erste Ergebnisse zeigen, dass dieBruttobeschäftigung durch die Nutzung von Windenergiean Land im Jahr 2009 von einem Nord-Süd-Gefälle ge-prägt ist, das auch die Windverhältnisse widerspiegelt.Allerdings zeigen sich Abweichungen von diesem Grund-muster. So profitieren die Bundesländer Sachsen-Anhaltund Brandenburg deutlich von der Entwicklung der

    Windkraftindustrie an Land, was sich insbesondere in derrelativen Bedeutung bemerkbar macht.

    Zum anderen ist erkennbar, dass in den wirtschaftsstarkenBundesländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württembergund Bayern die relative Bedeutung der Windkraft „on-shore“ zwar eher gering ist. Gleichwohl sind über einDrittel der direkten und indirekten Beschäftigung diesenBundesländern zuzuordnen. Deren Beteiligung an derHerstellung von Windkraftanlagen in Deutschland ist vorallem der Nachfrage nach Lieferungen von speziellenKomponenten und der hohen Wettbewerbsfähigkeit beivielen Investitionsgütern und Vorleistungen zu verdanken.Nordrhein-Westfalen kann dabei besonders von derräumlichen Nähe zu den Herstellern und zusätzlich durchSpezialisierung im Bereich Metallerzeugnisse profitieren.Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass die installiertenLeistungen in diesem Bundesland inzwischen gleichauf

    4 Stärkung der regionalen Wertschöpfung

  • mit Schleswig-Holstein sind. Auch andere Bundesländerwie Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringenheben sich dadurch hervor, dass viel dauerhafte Beschäfti-gung durch Betrieb und Wartung von Windkraftanlagenentsteht.

    Derzeit wird die für die Windenergie an Land entwickelteMethodik zur Abschätzung der regionalen Arbeitsmarkt-effekte durch den EE-Ausbau evaluiert und auf die übrigenTechnologien übertragen. Hierbei zeigt sich, dass sich dieEE-Technologien nicht nur im Hinblick auf die Standorteder Produzenten von Anlagen und Komponenten deut-

    lich unterscheiden. Beispielsweise entfällt bei der Photo-voltaik ein nicht unerheblicher Beschäftigungsimpuls aufdie Installation der Anlagen, welche zu einem Großteilvom lokalen Handwerk vor Ort erbracht wird. Arbeits-markteffekte durch die Nachfrage nach Biomassebrenn-stoffen und Biokraftstoffen sind hingegen in erster Liniein ländlichen Regionen zu verorten. Ergebnisse der For-schungsarbeiten für eine daten- und modellbasierte Loka-lisierung der Bruttobeschäftigung auf Ebene der Bundes-länder für alle EE-Technologien werden für das laufendeJahr 2012 erwartet.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE 13

    Regionale Bruttobeschäftigung 2009 nach Bundesländern fürWindkraft an Land (Distelkamp et al. 2011)

    Abb. 7

    Beschäftigte je 1.000Beschäftigte insgesamt

    1,2 - 1,7 (6)

    1,8 - 3,3 (6)

    3,4 - 9,1 (4)

  • Bei der Energieeffizienz spielen regionale Unterschiedekeine große Rolle. Wichtig ist allerdings auch hier diewachsende Erkenntnis, dass Maßnahmen vor Ort zu posi-tiven Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekten führen.Besonders davon profitieren Maßnahmen im Gebäude-sektor. Einerseits erfolgt hier eine Substitution von Ener-gieverbrauch durch Investitionen in die Gebäudehülle,Anlagentechnik etc. Ein Großteil der Wertschöpfung ver-bleibt bei diesen Maßnahmen beim lokalen Handwerk.Andererseits ist insbesondere die Bauwirtschaft voneinem niedrigen Importanteil, aber einer hohen Arbeits-intensität geprägt. Auch die Zweirunden- und Budget-

    effekte durch mittelfristig eingesparte Energiekosten wir-ken sich bei allen wirtschaftlichen Effizienzmaßnahmenpositiv auf die regionale Wirtschaft aus.

    Zunehmend ergreifen Regionen und Kommunen diewirtschaftlichen Chancen, die sich aus Investitionen inerneuerbare Energien und Energieeffizienz ergeben. DerGrundgedanke von weitmöglichst geschlossenen Stoff-und Finanzierungskreisläufen durch Energieeffizienz underneuerbare Energien wird beispielsweise in sog. „Null-emissionskommunen“ angestrebt (siehe IFEU et al. 2011).

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE14

    Klimaschutz, knapper werdende Ressourcen und Planun-gen in aller Welt treiben die globalen Märkte für erneuer-bare Energien und Energieeffizienz. Auf welchem Wegegenau die Emissionen von Treibhausgasen reduziert wer-den sollen, ist zwar auch nach der Klimakonferenz inDurban weiter unklar. Zugleich signalisieren aber die ho-hen internationalen Energiepreise, dass Energieeinsparungund die Entwicklung neuer Energietechnologien auch auseinzelwirtschaftlichen Interessen zukünftig weiter voran-getrieben werden. China, das bereits heute bei der Instal-lation erneuerbarer Energien führend ist, hat die Dring-lichkeit der Thematik erkannt und sich im 12. Fünfjahres-plan ehrgeizige Ausbauziele gesetzt. Der zuständigeSiemens-Vorstand Barbara Kux sieht im Handelsblatt vom15.12.2011 „mit und ohne Durban einen wachsendenMarkt für grüne Technologien“.

    Wie genau sich die Marktchancen deutscher Unterneh-men in Zukunft entwickeln werden, hängt von vielenUnsicherheiten ab. Aktuelle Zukunftsszenarien der Inter-nationalen Energieagentur (2011) oder die Roadmap 2050der Generaldirektion Energie der EU-Kommission (2011)verdeutlichen, dass unterschiedliche „Zukünfte“ denkbarsind. In allen diesen Zukunftsszenarien nehmen aberEnergieeffizienz und erneuerbare Energien eine wichtigeRolle ein. Ihre Bedeutung steigt gegenüber heute über-durchschnittlich. Wichtig ist auch, dass es sich vielfachum Bereiche handelt, in denen Investitionsgüter denEinsatz fossiler Energieträger verdrängen. Hier sind deut-sche Unternehmen in vielen Bereichen bereits heute her-

    vorragend aufgestellt. Wenn also der Bedarf nach entspre-chenden Gütern weltweit stark steigt, sind auch dieChancen für deutsche Unternehmen gut. Ein Blick auftraditionelle Exportbranchen wie Maschinenbau, Elektro-technik oder Fahrzeugbau gibt auch Hinweise darauf, mitwelcher Art von Produkten hohe Weltmarktanteile vondeutschen Unternehmen erreicht und gehalten werdenkönnen. Die Produkte müssen innovativ und qualitativhochwertig sein. Massenproduktion wird in den kom-menden Jahrzehnten in den aufstrebenden asiatischenVolkswirtschaften günstiger bleiben als in Deutschland.

    5.1 Erneuerbare Energien

    Die Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen hat in derVergangenheit einen immer größeren Anteil an der Ver-wendung von Gütern ausgemacht. Exporte haben sichzunehmend zur tragenden Säule der wirtschaftlichenEntwicklung ausgebildet.

    Als Datengerüst für den zukünftigen weltweiten Ausbauder erneuerbaren Energien wird das Szenario „Energy[R]Evolution“ (Krewitt et al. 2008) verwendet. DiesesSzenario stellt eine konsistente Entwicklung nach Welt-regionen und EE-Technologien differenziert dar. Es bautauf den wirtschaftlichen Potenzialen der erneuerbarenEnergien weltweit auf. Mit einem Primärenergieverbrauchaus erneuerbaren Energien von 271 EJ/a im Jahr 2050 liegtes in einer ähnlichen Größenordnung wie das BLUE MapSzenario der IEA (2010), welches etwa 268 EJ/a EE-PEV

    5 Chancen für deutsche Unternehmen auf den Weltmärkten

  • in 2050 erreicht. Es überschreitet die im Kernenergie undCCS geprägten 450 ppm Szenario der IEA (2011) erreich-ten Anteile der erneuerbaren Energien, bleibt aber hintereinem Greenpeace Szenario von 2010 zurück. Letztlichstellt dieses Szenario einen guten Rahmen zur Abschät-zung eines gemäßigt-optimistischen weltweiten Ausbausdar.

    Aus der mengenmäßigen Marktentwicklung können diezu erwartenden Investitionsvolumina eines wachsendenglobalen Marktes erneuerbarer Energien abgeleitet werden.Bereits heute werden jährlich rund 150 Mrd. Euro2005/a inEE-Technologien investiert. Davon fließt ein Teil mit rund60 Mrd. Euro2005/a in die (große) Wasserkraft, die oftmalsnicht den neuen EE-Technologien zugerechnet wird.Weitere 30 Mrd. Euro2005/a trägt die Windindustrie bei.Bis 2030 wird, bei etwa gleichbleibenden Investitionen fürWasserkraft, das jährliche Investitionsvolumen auf knapp600 Mrd. Euro2005/a, und bis 2050 auf knapp 900 Mrd.Euro2005/a steigen. Den weitaus größten Anteil von 55%werden dann die solaren Technologien bewirken, gefolgtvon der Windenergie (vgl. Abbildung 8).

    Die regionale Struktur der Investitionen bildet eine wich-tige Ausgangsbasis der Abschätzung des internationalenHandels mit EE-Anlagen und damit der ExportchancenDeutschlands in diesem Bereich. Deutschland hat durchräumliche Nähe, etablierte Handelsbeziehungen und poli-tische Nähe in bestimmten Weltregionen vorteilhafte Be-ziehungen aufgebaut. Die wesentlichen EE-Investitionenwerden derzeit in drei Regionen getätigt. Dies sind OECD-Europa mit besonderer Bedeutung von Deutschland,OECD-Nordamerika und -China. In diesen drei Regionenwurden im Jahr 2008 rund 87% der Windenergieleistung,86% der Photovoltaikleistung und 93% der Solarkollektor-leistung installiert. Rund zwei Drittel der Gesamtinvesti-tionen (einschließlich der „großen“ Wasserkraft) fallen aufdiese Regionen. Die Einzelmärkte zeigen jedoch beträcht-liche strukturelle Unterschiede.

    Von zentraler Bedeutung für eine deutliche Steigerung desjährlichen EE-Zubaus ist eine rasche Ausweitung der EE-Investitionen auf die noch „unterentwickelten“ Marktre-gionen der Welt unter Beibehaltung des hohen Zubau-niveaus in den oben genannten Regionen.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE 15

    1.000

    900

    800

    700

    600

    500

    400

    300

    200

    100

    0

    Jährliche globale Investitionsvolumina zur Strom- und Wärmebereitstellungaus erneuerbaren Energien

    2004

    Abb. 8

    Mrd

    . Eu

    ro/J

    ahr

    (200

    8)

    2005

    2006

    2007

    2008

    2010

    2015

    2020

    2025

    2030

    2035

    2040

    2045

    2050

    Geothermie, Wärme

    Solare Wärme

    Biomasse, Wärme

    Wellenenergie

    Geothermie Strom

    Solarthermie, Kraftwerke

    Fotovoltaik

    Biomasse, Strom

    Wind

    Wasser

    6081

    104133

    154

    224

    345

    419

    509

    590

    636

    694

    793

    891

  • Aus dem Vergleich der weltweiten Exporte im Zeitablaufin verschiedenen Szenarien wird die Bandbreite deutlich,zu der die verschiedenen Annahmen führen (Abbildung 9).Das verhaltene Szenario unterscheidet sich insgesamt ummehr als 10 Mrd. Euro vom optimistischen Szenario in2020. In 2030 fallen diese Unterschiede bereits erheblichdeutlicher aus. Die optimistische Variante liegt mit knapp50 Mrd. Euro 2005 um ca. 16 Mrd. Euro über der verhalte-nen Variante. Die optimistische Variante stellt mehr alseine Versiebenfachung des Exportniveaus von 2007 dar,bei einem Anwachsen des Welthandels auf das Neunfache.

    Vergleicht man die beiden Szenarien, die sich nur durchdie Exportannahme des optimistischen Export und denverhaltenen Exports unterscheiden, so sieht man deutlichdie positiven Auswirkungen der exportorientierten Sze-narien auf die Beschäftigung (Abbildung 10). Insbeson-dere um 2015, wenn die zusätzlichen Kosten des Ausbausnoch recht hoch sind, spielt der Außenhandel eine be-deutende Rolle. Der Unterschied in der Beschäftigungliegt hier bei mehr als 50.000.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE16

    50

    45

    40

    35

    30

    25

    20

    15

    10

    5

    0

    EE-Technologieexporte im Zeitablauf, in Mrd. Euro 2005

    2007

    Abb. 9

    Mrd

    . Eu

    roverhalten

    optimistisch

    2020 2030

    6,58 6,58

    19,88

    32,91 32,71

    47,77

    200

    180

    160

    140

    120

    100

    80

    60

    40

    20

    0

    Auswirkung verschiedener Exportszenarien auf die Beschäftigung (in 1000)

    2010

    Abb. 10

    Bes

    chäf

    tig

    un

    g (

    in 1

    .000

    )

    Preispfad B Export verhalten

    Preispfad B Export optimistisch

    2015 2020 2025 2030

  • 5.2 Energieeffizienz

    Bei der Energieeffizienz ist das Vorgehen zur Bestimmungder zukünftigen Exporte ähnlich wie bei den erneuerbarenEnergien. Die Schätzung der Zukunftsentwicklung derHandelsanteile orientiert sich auch an den Erfahrungenherkömmlicher Wirtschaftsbereiche. Zum Beispiel liegendie Handelsanteile für den Maschinenbau je nach Ziel-region zwischen 20% und 50%.

    Die Handelsanteile Deutschlands an dem zukünftigenWeltmarkt für Effizienzprodukte werden in zwei Szena-rien basierend auf einer Analyse des relativen Patentanteils(RPA) berechnet. In der optimistischeren Variante wirdunterstellt, dass Deutschland – unter anderem durch denAusbau von Energieeffizienz im Land – seinen technischenWettbewerbsvorteil auf den Märkten für energieeffizienteProdukte halten und ausbauen kann. Im Bereich desMaschinenbaus sinken die Handelsanteile nur leicht, fürdie Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik werdenleicht steigende Marktanteile unterstellt. Die weniger opti-mistische Variante geht von deutlich fallenden Handelsan-teilen aus. Beispielsweise gehen die deutschen Handelsan-teile im Maschinenbau von derzeit ca. 20% auf 15% in2030 zurück, bei den Elektrogeräten sinken die Handels-anteile auf 8%.

    Das gesamte Handelsvolumen wird basierend auf Szena-rien der IEA modelliert, die die zusätzlich nowendigenInvestitionen in Energieeffizienz ableiten, um vom„Current Policy“-Szenario zum „450 ppm“-Szenario zu ge-langen (bis 2035 Industrie 1400 Mrd. Dollar2009, Gebäude5600 Mrd. Dollar2009). Dieses 450 ppm-Szenario bildeteine Entwicklung ab, in der das 2-Grad-Ziel erreicht wer-den kann.

    Daraus ergibt sich ein preisbereinigtes Exportvolumen desoptimistischen Szenarios von bis zu 12,5 Mrd. Euro in 2030,oder bis zu 10 Mrd. Euro zusätzlicher Exporte im pessi-mistischen Szenario (Abbildung 11). Insgesamt bedeutetdas optimistische Szenario je nach Exportbereich Steige-rungen von bis zu 7% im Exportvolumen.

    Die Bruttoproduktion und das Bruttoinlandsprodukt lie-gen durch die zusätzlichen Exporte deutscher Unterneh-men über die gesamte Zeit höher als in der Referenz. Je-doch lässt sich eine höhere Produktion nicht automatischin eine gleiche Steigerung der Wertschöpfung (BIP) über-setzen. Zum einen wird ein Teil der zusätzlichen Produk-tion aus dem Ausland eingekauft, was in den höherenImporten sichtbar wird. Zum anderen steigt auch derEinsatz von Vorprodukten mit anderen Beschäftigungs-intensitäten. Insgesamt nimmt die Nettobeschäftigung um61.000 Erwerbstätige zu.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE 17

    14

    12

    10

    8

    6

    4

    2

    0

    Zusätzliche Exporte von Effizienzprodukten und -dienstleistungen nachSektoren in Mrd. Euro 2009, optimistische und verhaltene Variante

    2011

    Abb. 11

    Mrd

    . Eu

    ro 2

    009

    2012

    2013

    2014

    2015

    2016

    2017

    2018

    2019

    2020

    2021

    2022

    2023

    2024

    2025

    2026

    2027

    2028

    2029

    2030

    Mess-, Steuerungs- undRegelungstechnik, verhalten

    Elektrogeräte, verhalten

    Maschinenbau, verhalten

    Mess-, Steuerungs- undRegelungstechnik, optimistisch

    Elektrogeräte, optimistisch

    Maschinenbau, optimistisch

  • Energieeffizienz und erneuerbare Energien sind auch mitweiteren Effekten verbunden, die ihren Einsatz zusätzlichattraktiv machen. Zum einen führen sie zu verringertenEmissionen von Treibhausgasen und anderen Luftschad-stoffen. Der Ausbau der Erneuerbaren wird allein im Jahr2030 voraussichtlich insgesamt knapp 200 Millionen t CO2einsparen (BMU 2011a). Die energiebedingten Treibhaus-gasemissionen liegen im Szenario „Effizienz ambitioniert“im Jahr 2030 um 20% oder 82 Millionen Tonnen niedrigerals im Referenzszenario. Auch verschiedene Studien fürUnternehmensverbände wie ZVEI (2010), VDMA (2009)oder McKinsey (2009) weisen vergleichbare wirtschaftlicheEmissionseinsparpotentiale aus.

    Die Vermeidung dieser sogenannten „externen Kosten“fossiler Energieträger in Form zukünftigen Klimawandels,Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung, Materialschäden,Lärm oder zusätzlicher Landnutzung erhöht die Wohlfahrtheutiger und vor allem zukünftiger Generationen (BMU2010c, 2011f). Beispielsweise beziffern sich die vermiedenenKosten des Ausbaus erneuerbarer Energien für 2010 auf5,8 Mrd. Euro im Strombereich und 2,6 Mrd. im Wärme-bereich.

    Auch wenn heute noch nicht alle diese Wohlfahrtsaspekteangemessen betrachtet werden können, wird dies in Zu-kunft eine größere Rolle spielen. Bemühungen um eineverbesserte Wohlfahrtsmessung, wie sie von der Stiglitz-Kommission (2009) im Auftrag des französischen Präsi-denten Sarkozy eingefordert worden sind, beschäftigeninzwischen eine Enquete-Kommission des deutschenBundestages ebenso wie die Europäische Kommission,die OECD (2011) und die UNEP (2011), die alle an einerverbesserten Wohlfahrtsmessung arbeiten.

    Nicht zu unterschätzen ist die steigende Energiesicher-heit, die durch den vermehrten Einsatz von Energieeffi-zienz und erneuerbaren Energien erreicht wird. Zum einensinkt die Abhängigkeit von den Energielieferungen ausdem Ausland, was sich unmittelbar in niedrigeren Import-kosten niederschlägt (vgl. BMU 2011e). Zum anderen kann

    sich Deutschland damit zunehmend von den Schwankun-gen bei den internationalen Energiepreisen abkoppeln.Wenn man bedenkt, dass starke Energiepreisaufschlägemit den meisten Rezessionen der letzten 40 Jahre in Ver-bindung gebracht werden, können Ausgaben in diesem Be-reich durchaus als Versicherungsprämie betrachtet werden.

    An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die mög-lichen Effekte der EE-Förderung (vgl. Abbildung 1) auchvon der allgemeinen Lage der Volkswirtschaft und denFinanzierungsmöglichkeiten bestimmt sind. In einerKrisensituation wie dem Jahr 2009 und generell in Phasendeutlicher Unterbeschäftigung einer Volkswirtschaft sinddie Substitutionseffekte gering, d.h. die positiven Netto-effekte der EE-Förderung besonders hoch. Das EEG hatim Krisenjahr 2009 ähnlich wie die Abwrackprämie diedeutsche Volkswirtschaft massiv gestützt. In einer Phaseder Vollbeschäftigung wäre die Verdrängung anderer In-vestitionen deutlich größer. Zugleich ist vor allzu mecha-nistischen Vorstellungen der gesamtwirtschaftlichen Ent-wicklung zu warnen. Einzelwirtschaftlich attraktive Inves-titionen in erneuerbare Energien locken auch Kapital-geber aus dem Ausland an. Vereinfachte Annahmen, dassEE-Investitionen nur andere Investitionen verdrängen,gelten wohl im Lehrbuch für eine geschlossene Volks-wirtschaft, nicht aber in einer globalisierten Welt, in derKapitalgeber attraktive Investitionsmöglichkeiten suchen.

    Schließlich hat die deutsche Energiewende auch Vorbild-funktion für viele Länder auf der Welt, die mit großemInteresse die deutsche Energiepolitik beobachten. Dassdie wirtschaftlich erfolgreiche Industrienation Deutsch-land die umfassende Energiewende anstrebt, führt zwarauch zu Skepsis in anderen Teilen der Welt. Eine erfolg-reiche Umsetzung der Energiewende im Inland wird aberdie beste Werbung für vergleichbare Konzepte in vielenTeilen der Welt sein. Dann hat Deutschland in den kom-menden Jahren bereits die Technologien zur Marktreifeentwickelt, die andere Länder erst noch einführen möch-ten.

    VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE18

    6 Weitere positive Wirkungen

  • VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE 19

    Energieeffizienz und erneuerbare Energien sind die Grund-pfeiler des zukünftigen Energiesystems. Wie die Auswer-tung aktueller Forschungsprojekte zeigt, können sie dau-erhaft unseren Wohlstand steigern. Sowohl eine Steige-rung der Energieeffizienz als auch der Ausbau der Erneu-erbaren Energien erhöhen das Bruttoinlandsprodukt undschaffen zusätzliche Arbeitsplätze. Dies wird insbesonderedurch zusätzliche Investitionen und langfristig durch sin-kende Energiekosten hervorgerufen. Während die Branchender erneuerbaren Energien naturgemäß besonders profitie-ren, schaffen Effizienzmaßnahmen besonders im Baube-reich zusätzliche Arbeitsplätze. Auch auf regionaler Ebeneschaffen sie zusätzliche Wertschöpfung und Arbeitsplätze.

    Besonders spannend ist die internationale Dimension.Weltweit werden die Staaten über kurz oder lang ihre

    Energiesysteme umbauen. Der damit verbundene Wechselvon fossilen Energieträgern auf Investitionsgüter, sowohlauf erneuerbare Energien als auch auf Effizienztechnolo-gien, kommt der deutschen Volkswirtschaft entgegen underöffnet langfristig hervorragende Exportmöglichkeiten.Wenn Deutschland in den kommenden Jahren beweisenkann, dass die Energiewende in einem führenden Indus-trieland gelingen kann, werden viele andere Länder diedeutschen Lösungen nachfragen.

    Die Energiewende führt über die rein ökonomische Be-trachtung hinaus zu einer ganzen Reihe positiver Neben-wirkungen auf den Wohlstand. Negative Begleiterschei-nungen des bisherigen Energiesystems wie Klimawandeloder Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung werdendeutlich reduziert. Die Energiesicherheit steigt.

    7 Ergebnis: Günstige Aussichten für die Zukunft

  • VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER ENERGIEWENDE20

    BMU (2006) Staiß, F., Kratzat, M. (ZSW), Nitsch, J.,Lehr, U. (DLR), Edler, D. (DIW), Lutz, C. (GWS): Erneuerbare Energien: Arbeitsplatzeffekte – Wirkungendes Ausbaus erneuerbarer Energien auf den deutschenArbeitsmarkt, Forschungsvorhaben im Auftrag desBundesministeriums für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit (BMU), Juni 2006.

    BMU (2008) Kratzat, M. (DLR), Edler, D. (DIW),Ottmüller, M. (ZSW), Lehr, U. (DLR): Bruttobeschäftigung 2007 – eine erste Abschätzung,Forschungsvorhaben im Auftrag des Bundesministeriumsfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU),März 2008.

    BMU (2009a) O’Sullivan, M. (DLR), Edler, D. (DIW),Ottmüller, M. (ZSW), Lehr, U. (GWS): Bruttobeschäftigung 2008 – eine erste Abschätzung,Forschungsvorhaben im Auftrag des Bundesministeriumsfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU),März 2009.

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