Workshop
Akkulturation, psychosoziale Adaptation und Bildungserfolg: Jugendliche mit albanischem, italienischem und portugiesischem Migrationshintergrund im Vergleich
Institut für Schule und Heterogenität
Prof. Dr. Andrea Haenni Hoti
Konferenz des Netzwerks Erst-, Zweit-, Interkultur – PH Zürich, 8.11.2013
1. Mutual Intercultural Relations in
Plural Societies (MIRIPS) – Projekt
2. Theoretische Grundlagen
3. Methodik
4. Ergebnisse
5. Fazit
Übersicht
Mutual Intercultural Relations in Plural Societies
• Internationale Forschungskooperation
• 23 Länder
Schweizer Studie
• Fokussiert auf Jugendliche und Schule
• Akkulturation – psychosoziale Adaptation – Bildungserfolg
1. MIRIPS-Projekt
2. Theoretische und empirische Grundlagen
Akkulturationsstrategien umfassen Einstellungen und
Verhaltensweisen einer Person, die sich in ihren alltäglichen
interkulturellen Begegnungen manifestieren. Sie sind nicht frei
wählbar, sondern beeinflusst von Machtbeziehungen zwischen
privilegierten und benachteiligten Gruppen in der Gesellschaft
(Berry, 2006, 6).
3-dimensionales Akkulturationsverständnis (Haenni Hoti et al., 2013)
Multikulturelle Orientierung
Mehrheitsorientierung (Assimilation)Minderheitenorientierung (Separation)
Forschungsfragen
1. Welche Akkulturationsstrategien verfolgen Jugendliche
mit albanischem, italienischem und portugiesischem
Migrationshintergrund?
2. Welchen Einfluss haben verschiedene Akkulturations-
strategien von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
auf ihre psychosoziale Adaptation?
3. Welchen Einfluss haben verschiedene Akkulturations-
strategien von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
auf ihren Bildungserfolg?
• n=1488 Schüler/innen der 8. Klasse• davon 24% (n=364) Schweizer/innen• Fokus auf Albaner/innen (n=289), Italiener/innen (n=160) und
Portugiesen/Portugiesinnen (n=106)• 14,4 Jahre• Städte Zürich, Basel, Bern, Luzern• 90 Klassen, davon 33 QUIMS-Klassen• 49% Mädchen• 82% in der Schweiz geboren
Instrumente• Online-Fragebogen für Schüler/innen und Klassenlehrpersonen• Lesetests für Familiensprache und Deutsch (L1 und L2)
Stichprobe
3. Methodik
Beispielitems zu Akkulturationsstrategien
Minderheitenorientierung
„Albaner sollten ihre eigenen Traditionen erhalten“
Mehrheitsorientierung
„Italiener sollten sich an die Traditionen der Schweizer anpassen“
Multikulturelle Orientierung
„Ich fühle mich als Portugiese unter Menschen aus vielen verschiedenen Ländern wohl“
5-stufige Antwortskala: „stimmt gar nicht“ bis „stimmt voll und ganz“ (α=.51 bis .72; je 5 bis 6 Items)
Häufigkeit der Zustimmung zu Akkulturationsstrategien
Minderheitenorientiert-multikulturell 34% (n=380)
Minderheitenorientiert 24% (n=265)
Multikulturell 15% (n=166)
Zustimmung zu keiner Strategie 12% (n=136)
Zustimmung zu allen Strategien 9% (n=98)
Mehrheitsorientiert-multikulturell 3% (n=33)
Mehrheitsorientiert-minderheitenorientiert
3% (n=30)
Mehrheitsorientiert 1% (n=14)
4. Ergebnisse
(alle nationalen Gruppen ohne Schweizer/innen, n=1122)
Jugendliche stimmen der Minderheitenorientierung und der multikulturellen Orientierung am stärksten zu, die Kombination beider Strategien tritt am häufigsten auf.
Die Mehrheitsorientierung ist von nachrangiger Bedeutung.
Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind Traditionen und soziale Kontakte innerhalb ihrer ethnischen Minderheit wichtig, sie interessieren sich aber auch für die kulturelle Vielfalt in ihrem Umfeld und pflegen entsprechende Sozialkontakte.
1. Welche Akkulturationsstrategien verfolgen Jugendliche mit albanischem, italienischem und portugiesischem Migrationshintergrund?
Zustimmung zur Minderheitenorientierung
Zustimmung zur Mehrheitsorientierung
Zustimmung zur multikulturellen Orientierung
Die Zustimmung zu den Akkulturationsstrategien variiert nach Identifikation (binational-mononational) und nach Migrationshintergrund.
2. Welchen Einfluss haben verschiedene Akkulturationsstrategien von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf ihre psychosoziale Adaptation?
n=1094, R2=.23Regressions-
koeffizientStandard-
fehlerP-Wert
(Intercept) 1.52 0.28 <.0001Männliches Geschlecht 0.54 0.10 <.0001Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehung: Gegenseitige Achtung
0.33 0.10 0.0008
Qualität der Schüler-Schüler-Beziehung: Gleichbehandlung
0.28 0.09 0.0016
Qualität der Schüler-Schüler-Beziehung: Vertrauensvoller Zusammenhalt
0.29 0.10 0.0033
Ausmass an interkulturellem Unterricht 0.24 0.08 0.0036Subjektives Gefühl der Sicherheit 0.71 0.09 <.0001Subjektives Gefühl der Sicherheit ^2 -0.07 0.04 0.0869Multikulturelle Orientierung 0.16 0.18 0.3684Minderheitenorientierung 0.59 0.17 0.0004Minderheitenorientierung-multikulturelle Orientierung
0.45 0.16 0.0049
Mehrheitsorientierung 0.09 0.45 0.8319Mehrheitsorientierung-multikulturelle Orientierung
0.47 0.31 0.1274
Mehrheitsorientierung-Minderheitenorientierung
0.34 0.32 0.2972
Mehrheitsorientierung-Minderheiten-orientierung-multikulturelle Orientierung
1.00 0.21 <.0001
Einflussfaktoren auf Lebenszufriedenheit
Höhere Qualität der Sozialbeziehungen in der Schule, mehr interkultureller Unterricht und mehr Sicherheit gehen mit besserer psychosozialer Adaptation der Jugendlichen einher.
Kombinationen von Akkulturationsstrategien (Integration) sind für die psychosoziale Adaptation der Jugendlichen von Vorteil, insbesondere die Zustimmung zu allen drei Orientierungen.
Auch die Minderheitenorientierung (Separation) steht in einem positiven Zusammenhang zur psychosozialen Adaptation.
Jugendliche mit albanischem, italienischem und portugiesischem Migrationshintergrund unterscheiden sich nicht hinsichtlich ihrer psychosozialen Adaptation (Lebenszufriedenheit, Selbstwirksamkeitsüberzeugung und soziokulturelle Kompetenz).
Psychosoziale Adaptation nach Migrationshintergrund
3. Welchen Einfluss haben verschiedene Akkulturationsstrategien von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf ihren Bildungserfolg?
Deutsch Lesen
Schulzu-friedenheit
Hohe Bildungs-aspiration
Schule schwänzen (15%)
Minderheitenorientierung (Separation)
Mehrheitsorientierung (Assimilation)
Multikulturelle Orientierung
Minderheitenorientierung und multikulturelle Orientierung (Integration)
Keine Orientierung (Marginalisierung)
Einfluss der Akkulturation auf Bildungserfolg
positiver Zusammenhang negativer Zusammenhang
Die multikulturelle Orientierung allein oder in Kombination mit der Minderheitenorientierung (Integration) ist die bevorzugte Akkulturationsstrategie der erfolgreicheren Schüler/innen.
Zwei- oder anderssprachig aufwachsende Jugendliche besitzen höhere Bildungsaspirationen und eine höhere Schulzufriedenheit als (nur) Deutschsprachige.
Einsprachige mit Deutsch haben einen Vorsprung beim Lesen deutscher Texte.
Albano-Schweizer/innen zeichnen sich gegenüber allen anderen Gruppen durch eine höhere Schulzufriedenheit aus.
Bildungserfolg nach Migrationshintergrund
Bewusstsein unter den Schüler/innen über die eigene
Akkulturationsstrategie(n) fördern
Kulturelle Vielfalt in der Schule als Ressource anerkennen,
Schüler/innen in ihrer (bi-)kulturellen Identität bestärken
Marginalisierung verhindern
5. Fazit
Kontakt
Prof. Dr. Andrea Haenni HotiInstitut für Schule und Heterogenität (ISH)Töpferstrasse 106004 Luzern
Tel. +41 (0)41 228 45 22E-Mail: [email protected]/forschung/ish/
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