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Zukunft

DAS MAGAZIN DER WISSENSCHAFTS-PRESSEKONFERENZ e.V.

Ausgabe II / 2012Waffen ins RessortDie Wissenschaftsjournalisten

Ein Himmel voller Drohnen?

Die Instrumentalisierung der Menschheitsgeschichte

Das ambitionierte Online-Format „Faktencheck”

Vergangenheit

Gegenwart

Ein PlädoyerWaffen ins Ressort!

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WPK-Quarterly 2II / 2012

EDITORIAL

10 Millionen Euro für verständliche Wissenschaft

In aller Unbescheidenheit steigt das „Nationale Institut für Wissenschafts-kommunikation“ (NaWik) in den Ring, um der Unverständlichkeit der Wissen-schaft zu Leibe zu rücken. Wie häufig in den zurückliegenden 35 Jahren, wenn eine neue Initiative dieser Art startete, ist von der „Bringschuld der Wissen-schaft“ die Rede und es wird der Hoff-nung Ausdruck verliehen, dadurch könne man einen positiven Beitrag zur breiten gesellschaftlichen Akzeptanz der Wissenschaft leisten. Erstaunlich ist die Kontinuität, mit der diese Überzeu-gung in den zurückliegenden 35 Jahren immer wieder ins Licht tritt. Und das, obwohl es den Sozialwissenschaften auch in vier Jahrzehnten weder the-oretisch noch empirisch gelungen ist, einen plausiblen Zusammenhang etwa zwischen verständlicher Vermittlung und gesellschaftlicher Akzeptanz her-zustellen. Entsprechend sind die ers-ten Reaktionen auf diese Initiative von Skepsis geprägt.

Es ist allerdings zu früh, um über das NaWik zu urteilen. Es hat uns einige Diskussionen gekostet, um zu entschei-den, ob dieses neue Institut für den

Wissenschaftsjournalismus relevant sein könnte. Unser Ergebnis: Vorder-gründig wohl nicht. Dass es trotzdem der Erwähnung wert ist, liegt zunächst an der Ausstattung dieses Instituts. Zehn Millionen Euro stehen bereit, um die Wissenschaftler dieser Republik in den nächsten fünf Jahren mit Medi-en-, Sprech- und Vortragstrainings zu versorgen. Dabei wird es sicher nicht bleiben. Denn es bedürfte schon eines immensen logistischen und organisato-rischen Aufwandes, um in fünf Jahren Tausende von Wissenschaftlern für solche Trainings zu gewinnen. So viele müssten es schon werden, um 10 Milli-onen unter die Leute zu bringen. Es ist deshalb zu erwarten, dass von diesem Institut weitere Impulse ausgehen für die Wissenschaftskommunikation. Wel-che das sein könnten, umreißt Martin Schneider in seinem Beitrag, der dieses Institut ausführlich vorstellt.

Waffen ins Ressort! So titeln wir in dieser Ausgabe absichtsvoll provoka-tiv. Es ist als Anregung zu verstehen, einmal ausgetretene Pfade der Wis-senschaftsbeobachtung zu verlassen und den Blick zu richten auf das, was

jenseits von dem liegt, was durch re-nommierte Wissenschaftsjournals Wo-che für Woche verlautbart wird. Mit Markus Becker, Chef der Wissenschaft bei SPIEGEL ONLINE, haben wir einen Autoren gewonnen, der in den zurück-liegenden Jahren immer wieder Mili-tärisches öffentlich verhandelt hat. Er zeigt, dass die Beobachtung von dem, was gemeinhin als geheim und öffent-lich unzugänglich gilt, durch Blogs und spezialisierte Quellen möglich ist.

Klar in die Zukunft gerichtet ist der Blick von Markus Bösch, der uns das nä-her bringt, was derzeit unter dem Stich-wort „Drohnen-Journalismus“ in ein-zelnen Fachmagazinen diskutiert wird. Bösch geht davon aus, dass unbemann-te Fluggeräte nicht lediglich ein Thema für Militärs sind, sondern längst auch ins Visier von Journalisten geraten sind, die nach neuen Wegen der Informationsbe-schaffung suchen. Seine Prognose: Die-se Maschinen stehen auf der Schwelle zu ihrem weltweiten Siegeszug! Ob sie auch für den Wissenschaftsjournalismus oder den Datenjournalismus nutzbrin-gend und profitabel einsetzbar sind, das diskutiert er in seinem Beitrag.

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WPK-Quarterly 3II / 2012

Markus Lehmkuhl

ist wissenschaft-licher Mitarbeiter

an der FU Berlin und am FZ Jülich.

Er leitet die WPK-Quarterly

Redaktion.

Editorial

Waffen ins Ressort! Ein Plädoyer

Drohnen und ihr Einsatz im Journalismus.Ein Ausblick

Die zehn Millionen schwere Vermittlungsoffensive.Das neue NaWik

Faktencheck für Kontroversen:Ein ambitioniertes Online-Format

Neue Wege im Wissenschaftjournalismus? Ein Interview

Die Untiefen der Popularisierung. Atapuerca und der Nationalismus

Ad-hoc-Recherche-Stipendien.Eine Evaluation

Impressum

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Ebenfalls eher in die Zukunft ge-richtet ist ein Projekt namens „Fakten-check“, das sein Initiator Ralf Grötker vorstellt. Der Faktencheck steht für das Experiment, Leser online-basiert in die Recherche von Hintergrundinformatio-nen einzubinden. Anders als zum Bei-spiel englischen Faktenchecks, geht es Grötker nicht darum, Kontroversen zu entscheiden. Er will stattdessen Einblick gewähren in die Faktenbasis von Positionen und Meinungen. Erste Erfahrungen mit dem Faktencheck, der unter anderem bei faz.net läuft, schil-dert er am Beispiel der Debatte um das Für und Wider der Beschneidung aus religiösen Gründen.

Weit zurück in die Vergangenheit führt uns Oliver Hochadel. Es geht nach Atapuerca, einem Ort in Spanien, der – ähnlich vielleicht dem Neandertal – zu einem Synonym für den Anfang der europäischen Menschheitsgeschichte geworden ist. Dieser bedeutende Fund-ort menschlicher Fossilien ist zugleich Angelpunkt nationaler (vielleicht auch nationalistischer) Identitätsbildung in Spanien, was durch eine unkritische Wissenschaftsberichterstattung von Journalisten nach Kräften unterstützt wird. Was Hochadel schildert, gewährt deshalb Einblicke in die „Untiefen der Popularisierung“, die zu studieren nicht allein Sache der spanischen Kollegen bleiben sollte, wie wir finden.

Das WPK-Quarterly versteht sich als Forum, das Diskussionen anregen so-wie Entwicklungen im Wissenschafts-journalismus beschreiben und reflektie-ren will. Wir hoffen wie immer, dass uns das auch mit dieser Ausgabe gelungen ist und dass wir Anregungen und Einbli-cke geben, die für das praktische Tun von Wert sein können.

Markus Lehmkuhl

Inhalt

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WPK-Quarterly 4II / 2012

Ein Plädoyer für eine größere Beachtung des Militärischen in der Wissenschaft.

Von Markus Becker

Waffen ins Ressort!

Da war er wieder, der ungehaltene Leserbriefschreiber. Als Mathematiker und Pazifist finde er es schrecklich, „dass ein Artikel mit einem solchen Thema in der Wissenschaft landet“. Das Thema war in diesem Fall Iran und seine vollmundigen Behauptun-gen über angeblich neue Waffen. Tötungsgerät habe mit Forschung nichts zu tun, meinte der Leser: Der-gleichen gehöre ins Politikressort.

Mit Sätzen dieser Art wird man als Journalist, der regelmäßig über Militär-technologie berichtet, häufig konfron-tiert, auch von äußerst gebildeten Ge-sprächspartnern. Das macht die Sache umso erstaunlicher. Denn dass Waffen und Wissenschaft nichts miteinander zu tun haben, ist so offensichtlich falsch wie weltfremd. Und dass Journalisten sich kritisch mit militärischer Forschung auseinandersetzen, sollte eigentlich im Interesse gerade von Pazifisten liegen.

Die anregende und erfreulich sach-liche Korrespondenz mit dem Leser war beendet, als ich ihn bat, mir die Berufe folgender Männer zu nennen: Robert Oppenheimer, Enrico Fermi, Edward Teller, Werner Heisenberg, Ab-dul Qadir Khan, Alfred Nobel, Kanatjan Alibekow alias Ken Alibek, Willy Mes-serschmitt, Wernher von Braun, Wil-helm Lommel und Wilhelm Steinkopf.

Die meisten Namen auf dieser Lis-te bedürfen vermutlich keiner weiteren Erläuterung – abgesehen vielleicht von Ken Alibek, der bis zu seinem Überlaufen einer der führenden sowje-tischen Biowaffen-Entwickler war, und den Chemikern Lommel und Stein-kopf, die Senfgas zur Waffe machten (das deshalb auch „Lost“ genannt wird, zusammengesetzt aus den An-fangsbuchstaben beider Namen).

Gemein ist diesen Männern, dass sie allesamt brillante Vertreter ihrer Fä-cher sind oder waren – und sich aus

den unterschiedlichsten Motiven in den Dienst der Waffenentwicklung gestellt haben. Die Liste ließe sich beliebig er-weitern um viele Tausend unbekannte Wissenschaftler und Ingenieure in aller Welt, die in diesem Moment an Waf-fen oder Dual-Use-Technologien for-schen, die sowohl zu zivilen als auch zu kriegerischen Zwecken eingesetzt werden können. Ihnen gegenüber stehen zahlreiche Wissenschaftler, die gegen die Verbreitung von Mas-senvernichtungswaffen ankämpfen – etwa bei Institutionen wie der Uno-Atombehörde IAEA, dem Institut für Transurane in Karlsruhe oder der Ge-meinsamen Forschungsstelle der EU.

Über Waffentechnologie regelmäßig zu berichten, ist möglich und geboten

Die Erfindung neuer Waffen hat die Entwicklung der Menschheit seit jeher entscheidend mitbestimmt, mindes-tens ebenso sehr wie politische Ent-scheidungen. Wahrscheinlich sogar in größerem Maße, da technologische Neuerungen den politisch-gesell-schaftlichen Entscheidungs- und Kon-trollprozessen prinzipiell vorauseilen. Das gilt insbesondere für wirklich re-volutionäre Erfindungen: Ein Politiker kann schwerlich die Erfindung von etwas nie Dagewesenem in Auftrag geben. Vielmehr sorgen Forscher für neue Möglichkeiten, die dann von den Entscheidungsträgern genutzt wer-den. Darauf, dass sie das tun, war bisher immer Verlass – insbesondere wenn es um neuartige Waffen ging, die schon aufgrund ihrer Neuartig-keit einen Vorteil gegenüber dem je-weils aktuellen Gegner versprechen.

Ein cleverer Steinzeitbewohner wird irgendwann darauf gekommen sein, einen Ast zu biegen und eine Sehne zwischen die Enden zu spannen – voilà, der Bogen war erfunden. Sein Chef wird dessen Nutzen erkannt und mehr davon verlangt haben. Schon hatte der Nachbarclan ein Problem. Ein paar Jahrtausende später ver-schmolzen Tüftler Kupfer und Zinn, das Resultat waren die ersten bronzenen Schwerter. In den Jahrhunderten da-nach ermöglichte die Metallurgie im-mer schärfere und härtere Klingen. Die Chemie führte zu Feuerwaffen, Biolo-gen verwandelten Mikroben zu Waffen, Physiker ersannen die Atombombe.

Wohl kein Politiker wäre auf die Idee gekommen, dass man mit der Spaltung von Atomkernen eine Waffe bauen könn-te, die den blutigsten Krieg der Geschich-te auf einen Schlag – oder genauer: Auf zwei Schläge – würde beenden können. Geschweige denn, dass diese Waffe ei-nes Tages in der Lage sein würde, die gesamte Zivilisation zu sprengen. Das führt allerdings keinesfalls dazu, dass die Verbreitung von Atomwaffen global zu-rückgeht. Iran steht kurz vor dem Bau der Bombe, und nicht wenige Fachleute sind überzeugt, dass die Türkei dann folgen würde, vielleicht auch Saudi-Arabien und Ägypten. Und unter den bereits vorhan-denen Nukleararsenalen wächst ausge-rechnet das in Pakistan am schnellsten.

Militärisches ist relevanter als vieles

andere, das erschöpfend behandelt wird

Das alles zeigt, dass die Staaten-gemeinschaft nur sehr bedingt in der Lage ist, die Verbreitung von Rüs-tungstechnologien effektiv zu kontrol-lieren oder gar zu unterbinden. Das ist einer der Gründe, warum es für das Wissenschaftsressort eines Massen-mediums nicht nur möglich, sondern geradezu geboten ist, über Waffen-technologie zu berichten. Ein weiterer ist, dass die Forschung an neuen Waf-fen keinesfalls an Fahrt verloren hat.

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WPK-Quarterly 5II / 2012

Mancher mag geglaubt haben, dass mit der Erfindung von Interkontinental-Atomraketen das Ende der Fahnen-stange erreicht wäre. Was könnte man mehr wollen als die Fähigkeit, ganze Städte auf einen Schlag auszuradie-ren? Doch da gibt es offenbar einiges. Nicht-autonome Roboter, allen voran fliegende Drohnen, spielen inzwischen Schlüsselrollen in der modernen Krieg-führung. Laufende und fahrende Droh-nen sind dabei, es ihnen gleichzutun. Zugleich werden militärische Roboter nicht nur immer größer und tödlicher, sondern auch kleiner, bis hin zu den Ausmaßen von Insekten. Hinzu kom-men Cyberwaffen, etwa der von den USA und Israel entwickelte „Stuxnet“-Virus, der Irans Atomprogramm sa-botieren sollte und prompt in die freie Wildbahn des Internets entkam.

Die Menschheit steht technologisch vermutlich an einer ähnlichen Schwelle wie in den vierziger Jahren, als die ers-ten Atomwaffen und die ersten Strahl-flugzeuge zum Einsatz kamen. Die Fra-gestellungen sind ähnlich wie damals: In welche Richtung werden sich diese Technologien entwickeln? Wie werden sie die Gesellschaften der Welt und die internationale Politik verändern? Wie verhindert man, dass ihre Nutzung geradewegs in die Katastrophe führt?

Auf die ethischen, juristischen und politischen Debatten, die sich daraus ergeben, sind die westlichen Gesell-schaften derzeit kaum vorbereitet. Falls die Öffentlichkeit aber überhaupt in der Lage sein soll, ihnen zu folgen und im Idealfall ein gewisses Maß an Kont-rolle auszuüben, muss sie zunächst wissen, worum es überhaupt geht.

Dieses Wissen kann nur zustande kommen, wenn die Hintergründe und Zusammenhänge vermittelt, Entschei-dungsprozesse in Wissenschaft und Wirtschaft hinterfragt werden und das Ergebnis öffentlich – also in den Medien – verhandelt wird. Und zwar nicht in Fach-blättern oder obskuren Spezialisten-Blogs, sondern in den Massenmedien.

Merkwürdigerweise würde nicht nur jeder Journalist, sondern wohl auch jeder aufgeklärte Mensch das alles so-fort unterschreiben, ginge es um das Gesundheitswesen, die Wirtschafts-,

die Außen- oder die Innenpolitik. Selbst die tatsächlichen und vermeintlichen Gefahren von Computertechnik, da-zumal ein Thema fürs Telekolleg, wer-den inzwischen mit Verve in den Mas-senmedien debattiert. Militärische und Dual-Use-Technologien aber sind dort merkwürdig unterbelichtet, obwohl sie eine weit größere Tragweite besitzen als vieles, was sonst in den großen Medien erschöpfend abgehandelt wird.

Statt gelegentlicher

Entrüstung oder billiger Waffenpornographie

ist kontinuierliche Beobachtung notwendig,

um fundiert berichtenzu können

Ebenso seltsam ist manchmal die Art der Berichterstattung. Da gibt es zum einen den Typus des wuchtigen Feuil-leton-Aufmachers, der bevorzugt dann erscheint, wenn mal wieder ein dystopi-scher Roman Bestsellerstatus erreicht hat (wie jüngst „Kill Decision“ von Daniel Suarez). Bei der Lektüre solcher Artikel beschleicht einen nicht selten das Ge-fühl, der Autor habe im Angesicht der Tö-tungstechnik und des daraus folgenden Debattenpotentials seinen persönlichen Shock-and-Awe-Moment erlebt. „Kinder, was es heute nicht alles gibt!“ würde als Überschrift oft passen. Anschließend widmet sich das Ressort wieder den Feuchtgebieten dieser Republik, bis der nächste aufrüttelnde Roman aus der Welt der Waffen die Bestsellerlisten stürmt.

Ein anderes Genre ist das meist wenig reflektierte, dafür aber umso bildgewaltigere Abfeiern der dicks-ten Bomben, schnellsten Kampfjets und geheimsten U-Boote. Es soll TV-Sender geben, die damit beachtliche Teile ihres Programms füllen. Böse Zungen nennen das Waffenporno.

Leider scheinen manche Kollegen, die Waffenporno mitunter zu Recht als solchen kritisieren, auch gleich jede

Sachkenntnis auf diesem Gebiet als an-rüchig zu empfinden. Auch das verwun-dert. Niemand käme etwa auf die Idee, einem Wirtschaftsjournalisten zu große Detailkenntnis in Finanzfragen oder gar einen Geldzählfetisch vorzuwer-fen, auch wenn Finanzjongleure ganze Volkswirtschaften ruinieren und in ärme-ren Ländern durchaus kriegsähnliche Verheerungen hinterlassen können.

Eine gewisse Sachkenntnis kann üb-rigens auch verhindern, dass man als Journalist vor dem Karren politischer Akteure landet. Zu den Evergreens auf dieser Bühne zählen die eingangs erwähnten blasbackigen Behauptun-gen iranischer Politiker und Militärs über ihre neuesten Waffen. Allzu oft posaunen Allrounder in Nachrichten-agenturen und Redaktionen solche Meldungen in die Welt hinaus, ehe sie sich einen Tag später als Märchen aus Tausendundeiner Nacht herausstellen.

Wie aber sollte der Wissenschafts-journalismus mit militärisch relevanter Forschung umgehen, die oft auch poli-tisch und gesellschaftlich relevant wird? Denn die Verantwortung verschwindet nicht durch Nichtstun. Die Antwort kann nur lauten, weder das Thema noch sei-ne Bedeutung aus den Augen zu verlie-ren. Das bedeutet zweierlei: Zum einen, die Nachricht in ihren Kontext einzubet-ten und so ihre Bedeutung zu zeigen (dazu später mehr). Zum anderen, nicht nur zweimal im Jahr tätig zu werden (und dann den wuchtigen Feuilleton-Aufmacher zu produzieren).

Informationen findet man abseits ausgetretener Pfade: Zum Beispiel in

US-Blogs!

Hält man ein Thema regelmäßig im eigenen Bewusstsein und dem des Lesers, werden Entwicklungen nach-vollziehbar, und die Redaktion kann Fachwissen aufbauen und bewahren. Für die Berichterstattung über militäri-sche oder sicherheitsrelevante Dual-

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Waffe nicht nur deshalb berichtet, weil sie besonders treffsicher, zerstörerisch oder billig herzustellen ist. Sondern weil sie dadurch Entscheidungsträ-gern neue Möglichkeiten in die Hand gibt – die, einmal genutzt, weitreichen-de Konsequenzen haben können.

Informationen dieser Art könnten üb-rigens selbst pazifistische Mathematiker spannend finden. Denn die Alternative wäre, von neuen Kriegstechnologien erst durch ihren Einsatz zu erfahren.

Use-Forschung ist das womöglich noch wichtiger als in anderen Bereichen. Denn an Informationen ist hier oft we-sentlich schwieriger heranzukommen als in der freien Forschung, die ihre Er-kenntnisse von sich aus veröffentlicht. Fachleute sitzen eher in Privatunterneh-men und Behörden als in Universitäten und Forschungsinstituten. Sie sind Journalisten gegenüber meist noch re-servierter als der berüchtigte deutsche Universitätsprofessor – speziell wenn sie den Eindruck bekommen, dass der Fragesteller am anderen Ende der Lei-tung keine Ahnung von der Materie hat.

Leichter zugänglich sind zwar die Experten an den einschlägigen Think Tanks in den USA und Europa, die zu vielen Dingen kompetent Auskunft ge-ben können. Was allerdings technolo-gische Entwicklungen angeht, sitzen sie naturgemäß nur in der zweiten Rei-he. Daneben gibt es eine kleine, aber ebenfalls sehr kompetente Szene von Militärbloggern, die in großer Mehrheit

Warum wir im anbrechenden Drohnenzeitalter leben, was das genau heißt und wieso wir in Zukunft öfter mal nach oben gucken sollten... .

Von Marcus Bösch

Der Himmel voller Drohnen

Im April 1977 stellen zwei Twens, die beide mit Vornamen Steve heißen, ei-nen der ersten Mikrocomputer vor. Er heißt Apple II, kostet 1298 Dollar und ist damit wesentlich preisgünstiger als der rudimentäre Apple I, den die bei-den Steves (Jobs und Wozniak) ein Jahr zuvor gebastelt haben. Während man den Apple I als Käufer noch selbst zusammensetzen muss und das Ge-häuse extra dazu kauft, sieht der Apple II schon aus wie ein echter Computer. Um damit aber wirklich jenseits von rei-ner Textverarbeitung und Tabellenkal-kulation etwas anzufangen, impliziert der Rechner: Programmiere mich!

Im Juni 2012 vergleicht Chris Ander-son, der Chefredakteur des US-Tech-nikmagazins Wired, den gegenwärti-gen Stand der Drohnentechnologie mit der Computersituation 1977 und ruft

das Drohnenzeitalter aus: „We´re en-tering the Drone Age.“ Er spricht hier natürlich nicht über männliche Bienen, sondern über unbemannte Luftfahr-zeuge. Die erleben seit dem 11. Sep-tember 2001 nicht nur militärisch einen Boom, sondern auch bei der Polizei, der Feuerwehr, in der Forschung, bei Unternehmen, Architekten und Privat-nutzern.

Die deutsche Bundespolizei hat Drohnen im Einsatz, um Grenzen und Gleisanlagen zu überwachen. Die Rettungsstaffel der Thüringer Feuer-wehr sucht mit einer acht-rotorigen Flugdrohne nach Vermissten, wäh-rend Thyssen Drohnen zur Kontrolle von Gaspipelines einsetzt. Die Nasa erforscht Orkane mit „GlobalHawk“-Drohnen, die Umweltschutzorganisati-on Sea Sheperd macht mit einer Droh-

ne Jagd auf Walfänger, das Schweizer Fernsehen filmt am Lauberhorn Ski-Abfahrtsrennen aus der Luft, ein ös-terreichischer Privatanbieter bietet Drohnenfotos der Stadt Wien zum Kauf an… .

Wissenschaftler der Humboldt-Uni-versität proben derweil den Einsatz von Drohnen als preiswerte Fernerkun-dungstechnologie für eine exakt do-sierte Nährstoffversorgung von Acker-flächen. Und einem Forscherteam im Fonds Regional d`Art Contemporain Centre in Orléans gelingt es Ende 2011 mit vier autonomen Quadrocop-tern aus 1500 Styroporblöcken einen sechs Meter hohen Turm zu bauen. Es handle sich hierbei um das weltweit erste Architekturobjekt, „das mittels fliegender Robotereinheiten kollabora-tiv gebaut wird“, so die Initiatoren. Will-kommen im Drohnenzeitalter.

in den USA sitzen und oft einen mili-tärisch-technischen Berufshintergrund haben. Welche enorme Bedeutung ihre Berichterstattung hat, wurde übri-gens im September 2007 deutlich, als der damalige US-Präsident George W. Bush eine Handvoll Militärblogger zu ei-ner Diskussion ins Weiße Haus einlud – ein Maß an Beachtung, um das man-cher Regierungschef lange vergeblich kämpft. Zugleich zeigt die Episode, wie groß der Abstand zur entsprechenden Berichterstattung in Deutschland ist.

Dabei wäre sie in den allermeisten Fällen leicht zu rechtfertigen, wenn es gelingt, Nachrichten aus dem Be-reich der Rüstungs- und Dual-Use-Forschung wie bereits erwähnt in ihren Kontext einzubetten – und ihnen so die Fallhöhe zu geben, die sie verdienen. Man muss dazu nicht in jedem zwei-ten Satz betonen, dass Waffen etwas Schreckliches sind und übrigens auch töten können. Das wird in dem Moment unnötig, in dem man von einer neuen

Markus Becker

ist Ressortleiter Wissenschaft bei SPIEGEL ONLINE.

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WPK-Quarterly 7II / 2012

Der Einstieg in die Drohnentechnolo-gie ist denkbar einfach. Für knapp 300 Euro kann jeder im Elektrofachhandel Einsteigermodelle wie die A.R.Drone kaufen. Die unterscheidet sich in eini-gen kleinen aber wesentlichen Punkten vom seit Jahren erhältlichen Modellhe-likopter. Die A.R. Drone fliegt durch die vier Rotoren ruhiger als ein Helikopter, gesteuert wird sie über ein Smartpho-ne. Und damit nicht genug. Die ein-gebaute Kamera filmt bei Interesse in HD-Qualität mit. Das Video – das bis jetzt leider ohne Ton aufgenommen wird – kann man wahlweise auf einen USB-Stick speichern oder direkt auf das Smartphone streamen. Dort kann es mit weiteren Apps bearbeitet und direkt publiziert werden. Die Flugdauer beträgt rund 10 bis 12 Minuten.

Drohnen für den Journalismus?!

Matt Waite ist Besitzer einer A.R.Drone 2. Der Journalismus-Professor hat im November 2011 am College of Journalism and Mass Com-munications der University of Nebras-ka-Lincoln das so genannte „Drone Journalism Lab“ gestartet. Die Idee des so genannten Drohnenjournalis-mus hat seitdem international für ei-niges Interesse gesorgt. Umfassende Presseberichterstattung bekam Waite in Deutschland für seinen Auftritt bei der Journalistenkonferenz Scoopcamp im September in Hamburg, wo Wai-te nicht nur Applaus für einen kleinen Rundflug über den Sitzreihen der an-wesenden Journalisten einheimste, sondern auch viel Gehör für seine These fand, dass unbemannte Luft-

fahrzeuge in Zukunft fester Bestandteil des Journalismus würden.

Herausfinden will Waite mit Kolle-gen, wie man unbemannte Fluggeräte gewinnbringend für den Journalismus nutzen kann. Unterstützt wird er dabei von der Knight Foundation, die ihm im Sommer 2012 eine 50.000 Dollar-För-derung zuerkannte. Neben schönen Bildern und Videos aus ungewöhnli-chen Blickwinkeln, die sich im Vergleich zu Helikopteraufnahmen günstig und schnell umsetzen lassen, geht es Waite aber um mehr. Vorantreiben will er vor allem Versuche, Daten via Drohne zu sammeln und zu verarbeiten. Denkbar wäre zum Beispiel, eine mit Sensoren ausgestattete Drohne autark über ein radioaktiv verseuchtes Gebiet zu schi-cken, die zeitnah eine Gefährdungs-karte erstellen könnte. „Durch Drohnen bekommen wir mehr Informationen und andere Perspektiven auf Ereignisse...in zehn Jahren wird es sie überall ge-ben“ sagt Waite im Interview mit dem Medium Magazin (Oktober / Novem-berausgabe). Neben den technischen Gegebenheiten, stehen aber zahlreiche rechtliche und ethische Fragen an, die beantwortet werden müssen.

Noch gibt es rechtliche Hürden für den Einsatz

von Drohnen

Denn im Moment gestaltet sich die Situation für angehende Drohnenjour-nalisten noch etwas schwierig. Die US-amerikanische Luftfahrtaufsicht FAA beschäftigt sich unter anderem mit den Drohnenflügen des iPad-Ma-

gazins „The Daily“. Redakteure des Magazins hatten im Juni 2011 eine MicroDrone MD4-1000 über ein nach einem Sturm verwüstetes Gebiet in Alabama geflogen und die Aufnahmen zur Berichterstattung genutzt. Da das Magazin einen kommerziellen Zweck verfolge, sei dies nicht zulässig, so die Argumentation der FAA. Seit Mai 2011 vergibt auch die Filmkommission in Kalifornien keine Erlaubnis mehr für Luftaufnahmen mittels Drohnen. Das sei zu riskant. Derweil bleiben die Re-geln für Hobbypiloten weniger streng. Und auch kommerzielle Drohnenflie-ger müssen sich einfach nur noch ein bisschen gedulden.

Der Kongress hat den Weg für eine Modernisierung des Luftverkehrssys-tems freigeräumt. Für 63,4 Milliarden US-Dollar soll die FAA für das Zeital-ter unbemannter Fluggeräte bereit ge-macht werden. Ab dem 30. September 2015 wird der Himmel für unbemannte Fluggeräte – egal ob militärisch, kom-merziell oder privat genutzt – geöffnet. Aller Voraussicht nach wird das interna-tional Nachahmer finden.

Einen ersten Schritt hat der Deutsche Bundestag Anfang des Jahres 2012 mit der Verabschiedung eines neuen Luft-verkehrsgesetzes getan. Künftig sollen „bemannte und unbemannte Luftfahrt-geräte gleichberechtigt am Luftverkehr teilnehmen“ so steht es im Gesetzent-wurf des Verkehrsministers. Das Ge-setz schafft also die Grundlage, dass künftig neben den herkömmlichen, von Piloten gesteuerten Flugzeugen auch unbemannte Drohnen über Deutsch-land fliegen können.

Bislang zuständig für die Vergabe so genannter Aufstiegserlaubnisse sind die Landesluftfahrtbehörden. Einen Zulassungskatalog für Drohnen gibt es

Grafik: Ulla Schmidt

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WPK-Quarterly 8II / 2012

allerdings noch nicht. Trotzdem habe die Mehrheit der 500 Antragsteller in den vergangenen zwei Jahren eine Er-laubnis bekommen, so das Verkehrs-ministerium. Genehmigungsfrei ist der Einsatz von Drohnen zu Sport- und Freizeitzwecken. Im heimischen Gar-ten darf also jeder eine Drohne aus dem Elektromarkt ausprobieren. An geltendes Recht muss er sich trotzdem halten. Privat- oder Firmengrundstücke zu überfliegen ist und bleibt Hausfrie-densbruch. Und natürlich gelten die allgemeinen Grundsätze des Daten-schutzes und Persönlichkeitsrechts weiter – zumindest auf dem Papier.

namens Tim Pool. Der 1986 in Chi-cago geborene Journalist hat es im angelsächsischen Raum zu etwas Be-rühmtheit gebracht, weil er die Occupy Wallstreet-Proteste via Smartphone und Zusatzbatterie live gestreamt hat. Seine 21-stündige Übertragung wurde unter anderem von NBC, Reuters und Al Jazeera aufgegriffen. Die Zuschauer seines Livestreams konnten den Pro-testen aus der Ich-Perspektive folgen und währenddessen mit Pool chatten. In einem weiteren Schritt hat Pool auch eine handelsübliche A.R.Drone zur Be-richterstattung genutzt. Durch einen Software-Hack war es ihm möglich, mittels seines „OccuCopter“ Livevideos aus der Luft zu streamen. Und das via Smartphone und Drohne im Gegen-wert von rund 1000 Euro.

Spinnt man diesen Gedanken noch etwas weiter, ist es nicht unwahr-scheinlich, dass Chris Andersons Vo-raussagung des Drohnenzeitalters schon sehr bald Wirklichkeit wird. Wäh-rend man an der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik der Universität der Bundeswehr unter dem Schlagwort „Precision Farming“ an einem praxis- tauglichen Drohnenprototypen baut, der mit einem GPS gestützten Flug-führungssystem und Fernerkundungs-sensoren ausgestattet verschiedene Verteilungsdichten und Vegetations-zustände automatisch erfassen kann, schätzt das US-Magazin „Wired“, dass allein in den USA pro Monat rund 1000 neue Hobby-Drohnen aufsteigen.

Die aktive Community „DIY Drones“ hat bereits 23.000 Mitglieder und auch in Deutschland treiben Nerds und Bast-ler die Entwicklung voran. Bei einem so genannten Hackathon Anfang Oktober in Berlin arbeiteten sich 60 Entwickler an der Software der A.R. Drone ab.

Sie ermöglichten zum Beispiel, dass man die Drohne per Sprachsteuerung manövriert.

Als Sieger der Veranstaltung ging ein Programmierer nach Hause, der es mittels einer Modifikation der Soft-ware möglich machte, dass die Droh-ne autark einem markierten Ziel folgt. Vielleicht wird das ja in zehn Jahren Standard. Dass der Himmel dann vol-ler Drohnen sein wird, erscheint derweil so sicher wie der Siegeszug des Perso-nalcomputers 1977.

Drohnenjournalismus http://www.drohnenjournalismus.de

Drohnenjournalismushttp://training.dw-world.de/ausbil-dung/blogs/lab/?p=2514

Drone Journalism Labhttp://www.dronejournalismlab.org/

Society of Drone Journalistshttp://www.dronejournalism.org/

Knight Foundation grant to help UNL drone journalism lab take flighthttp://www.siliconprairienews.com/2012/06/knight-foundation-grant-to-help-unl-drone-journalism-lab-take-flight

How I Accidentally Kickstarted the Dome-stic Drone Boomhttp://www.wired.com/danger-room/2012/06/ff_drones/all/

Bundestag verabschiedet „Drohnengesetz“http://www.heise.de/newsticker/meldung/Bundestag-verabschiedet-Drohnengesetz-1424100.html

Drones Will Be Admitted to Standard US Airspace By 2015http://www.popsci.com/technology/article/2012-02/under-newly-autho-rized-airspace-rules-drones-will-fly-alongside-piloted-planes-2015

NASA-Drohnen erforschen Stürmehttp://drohnenreport.de/nasa-drohnen-erforschen-wirbelsturme/Livestreaming Journalists Want to Occupy the Skies With Cheap Drones

http://www.wired.com/threatle-vel/2012/01/occupy-drones/

Hackathonhttp://nodecopter.com/

Marcus Bösch

arbeitet als freier Journalist und Do-

zent. Zusammen mit Lorenz Matzat

betreibt er die Seite Drohnen-

journalismus.de.

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Diskutiert werden rechtliche und ethisch-moralische Fragen auch von der Community. Matthew Schroyer, der ne-ben Waite zu den führenden Köpfen der Drohnenjournalismus-Szene gehört, hat auf seiner Website Dronejournalism.org einen „Drone Journalism Code of Ethics“ formuliert und zur Diskussion gestellt.

Relativ losgelöst von der Debatte werden Drohnen in Deutschland – mit Aufstiegsgenehmigung – seit einigen Jahren bereits ganz selbstverständlich bei Fernsehproduktionen eingesetzt. Beim WDR kamen Drohnen bislang 10 bis 15 Mal zum Einsatz, berichtet das Medium Magazin. Aufnahmen von Drohnen konnten Zuschauer der Sen-dungen „Quarks & Co.“ oder der „Lo-kalzeit“ sehen.

In Deutschland treiben Nerds und Bastler die

Technologie voran

Einen deutlichen Schritt weiter in Richtung Zukunft des Journalismus geht unterdessen ein junger Mann

Grafik: Ulla Schmidt

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WPK-Quarterly 9II / 2012

Die Klaus Tschira Stiftung eröffnet das „Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik)”.

Von Martin Schneider

Die 10 Millionen schwere Vermittlungsoffensive

Zurückhaltung und falsche Beschei-denheit kann man ihm nicht vorwerfen, dem Auftritt des „Nationalen Zentrums für Wissenschaftskommunikation“ NaWik, das am 17. Oktober eröffnet wurde. 10 Millionen Euro lässt sich die Klaus Tschira Stiftung ihr Engagement am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) kosten, um Wissenschaftlern das Einmaleins des guten Kommuni-zierens beizubringen. Das hochkom-fortable „backing“ des SAP-Gründers evoziert schon vereinzelt das Wort von der „TSG Hoffenheim der Wissen-schaftskommunikation“, die nun die „Szene“ aufmischen könnte. Gleich-zeitig entsteht am KIT ein neuer Stu-diengang „Wissenschaft – Medien – Kommunikation“, der mit dem NaWik verwoben ist. Hier sollen sowohl künf-tige Pressesprecher, aber auch Wis-senschaftsjournalisten ihr Handwerk lernen. Entsteht in Karlsruhe ein neu-es Zentrum für Wissenschaftskom-munikation – und wie weit berührt es den Wissenschaftsjournalismus in Deutschland? Welches Bild vom Jour-nalismus steht dahinter?

Wie immer hilft es, zunächst mal genauer hinzuschauen, was da eigent-lich genau entstehen soll. Bleiben wir zunächst beim NaWik (http://www.nawik.de). Das Institut möchte Wis-senschaftlern – forschenden wie noch studierenden – beibringen, sich klarer und zielgruppengerechter auszudrü-cken. Dafür soll geeignetes Handwerk-zeug bereitgestellt werden: Schreib-, Vortrags-, Interview- und Medientrai-ning zum Beispiel, aber auch Anleitun-gen zum Bloggen oder der Umgang mit Social Media im Allgemeinen. Ein umfangreiches Angebot ohne Frage – aber keines, das es nicht an den meis-ten deutschen Universitäten oder bei anderen Anbietern auch schon gäbe. Für Besonderheit sorgt allerdings der im Namen zum Ausdruck gebrachte

„nationale“ Anspruch des Instituts. Der klingt zwar irgendwie hochoffiziell und politisch – ist allerdings schnell erklärt: Das NaWik bietet seine Kurse nicht nur vor Ort in Karlsruhe an – sie sind bun-desweit buchbar (in der Regel für 100 Euro pro zweitägigem Kurs).

Was tatsächlich eine neue Dimensi-on darstellt, ist die finanzielle Ausstat-tung, die eine Struktur und Konzent-ration ermöglicht, wie sie auf diesem Gebiet tatsächlich einzigartig ist. Der-zeit fünf fest angestellte Dozenten ent-wickeln Kursmodule, die Kurse selbst sollen dann auch von zusätzlichen frei-en Mitarbeitern durchgeführt werden.

Damit entsteht zwar ohne Fra-ge ein neuer Player auf dem Gebiet „Kommunikationstraining für Wis-senschaftler“. Eine wie auch immer geartete „Gefahr“ oder auch nur Kon-kurrenz für guten Wissenschaftsjour-nalismus, wie er hier und da schon befürchtet wurde, ergibt sich daraus natürlich in keiner Weise. Wie auch? Käme irgend jemand auf die Idee, Implikationen für den politischen Journalismus zu wittern, nur weil Po-litiker Rhetorikunterricht nehmen? Oder eine Herausforderung für den Wirtschaftsjournalismus, weil die DAX Vorstände neue Medienbera-ter einstellen? Dass man im Fall des Wissenschaftsjournalismus über-haupt auf die Idee kommen kann, hat natürlich mit der Geschichte un-serer Profession zu tun. Die ersten Protagonisten unseres Faches wa-ren selbst Wissenschaftler, die ihre Hauptaufgabe darin sahen, das, was sich in der Wissenschaft tat, in ver-ständlichen Worten einer breiten Öf-fentlichkeit schmackhaft zu machen. Die meisten Wissenschaftler sahen dies weder als ihre Aufgabe an noch waren sie dazu in der Lage. Auch wenn dieses antiquierte Bild des Wis-senschaftsjournalisten in der Wis-

senschaftler-Gemeinde immer noch sehr verbreitet zu sein scheint – hier im WPK-Quarterly muss man nicht eigens erwähnen, dass es längst ob-solet ist.

Umgekehrt gesehen, könnten Wis-senschaftler, die sich zielgruppenge-recht und verständlich ausdrücken können, sogar ein Gewinn für Journa-listen sein. Jeder Wissenschaftsjour-nalist ist froh, wenn er im Interview einem Forscher gegenüber sitzt, der auch mal zwei Sätze gerade aus reden kann und weiß, für welches Publikum er gerade einen O-Ton gibt. Vor allem die audiovisuellen Medien suchen ge-radezu nach Wissenschaftlern, die für ihre Sache „brennen“ und als Pro-tagonist eines Hörfunkfeatures oder Fernsehbeitrags aufgebaut werden können. Und wenn Wissenschaftler als bessere Verkäufer ihrer selbst auf-treten, wird eine journalistische Heran-gehensweise, die zum Beispiel nach dahinter versteckten Interessen sucht, wichtiger und interessanter.

Hat die Wissenschaft tatsächlich ein

Vermittlungsproblem?

Aus journalistischer Sicht noch rele-vanter ist die Frage, welche Auffassung über das Verhältnis Wissenschaft und Gesellschaft (und dem daraus folgen-den Verständnis von Wissenschafts-kommunikation) hinter der Gründung des Instituts zu stehen scheint. Ist es denn – die Frage sei erlaubt – tatsäch-lich so, dass die Wissenschaft nach wie vor ein „Vermittlungsproblem“ hat, und dass durch besseres Kommunizieren etwaige Akzeptanzprobleme in der Ge-sellschaft ausgeräumt werden? Dass es bei der Gründung des NaWik letzt-lich (auch) um Akzeptanzbeschaffung geht, daran ließ Stifter Klaus Tschira bei der Institutseröffnung keinen Zweifel. Er wolle mit dem Institut erreichen, dass die Wissenschaft ihrer „Bringschuld“ besser nachkomme. Das sei zum einen geboten, weil die Forschung aus öf-

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WPK-Quarterly 10II / 2012

fentlichen Haushalten gefördert werde, und zweitens „weil die Wirtschaft zur Umsetzung der wissenschaftlichen Er-kenntnisse ein positives Meinungsklima braucht.“

In diversen Blogs (http://wis-senschaftkommuniziert.wordpress.com/2012/10/18/das-nawik-ist-eroff-net-beatrice-bleib-stark/, http://welt-amsonnabend.wordpress.com/) wird zu Recht die Frage aufgeworfen, ob diese One-Way-Kommunikationsstrategie nicht endlich einem dialogischen Modell weichen müsse. „Es ist der Anspruch auf Deutungshoheit, den die Wissen-schaft nicht verlieren will“, kritisiert etwa Stifterverbands-Pressesprecher Micha-el Sonnabend in seinem Blog (http://weltamsonnabend.wordpress.com/), „es geht um die Verteidigung von Pfrün-den, und das ist der denkbar schlech-teste Antrieb, um mit dem Bürger ins Gespräch zu kommen. Denn wer wirk-lich kommunizieren will, hört erst einmal zu. Und genau das geschieht nicht.“

Das NaWik zielt auf die Vermittlung eines zeitgemäßen Verständnisses von

Wissenschafts-kommunikation

Auch Sonnabends Chef Volker Meyer-Guckel, Generalsekretär des Stifterverbands, beklagte in einem nachlesenswerten Vortrag auf der diesjährigen GDNÄ-Tagung (http://wissenschaftkommuniziert.word-press.com/2012/09/24/marketing-oder-kommunikation-wie-wissen-schaft-kommuniz ieren-sol l te/ ) , dass die Wissenschaftskommunika-tion im Grunde größtenteils schlicht „Wissenschaftsmarketing“ sei – und damit viele Chancen verspiele. „Das große Versäumnis der Wissenschaft ist, dass sie immer noch ausschließ-lich in eine Richtung kommuniziert. Das Gegenüber – die Gesellschaft – hat die Botschaften freundlich entge-genzunehmen. Gegenrede, Wider-

spruch, Diskussion sind nicht vorge-sehen“.

Tatsächlich kann man fragen, ob es sich nicht gerade ein neues „na-tionales“ Institut für Wissenschafts-kommunikation zur Aufgabe machen sollte, Wissenschaftlern ein anderes, zeitgemäßes Bild von Wissenschafts-kommunikation zu vermitteln, anstatt das alte Klischee von der Wissen-schaft zu bemühen, die sich einfach nicht verständlich genug ausdrückt, um von den „Menschen da draußen“ akzeptiert zu werden.

Institutsleiter Carsten Könneker, der im Hauptberuf weiter Chefredak-teur von Spektrum der Wissenschaft bleibt, gibt zu, dass das derzeitige Angebot des NaWik auf den ersten Blick (noch) nicht einen solchen of-feneren, zeitgemäßeren Ansatz ver-mittelt. Er mahnt aber Geduld an, da das Institut ja gerade erst gestartet sei und sein Programm nun in den nächsten Monaten erst entwickle. „Es wäre tatsächlich völlig anachro-nistisch, heute mit einem solchen eindimensionalen Verständnis von Wissenschaftskommunikation zu starten und die Wissenschaftler nur zu einem besseren Frontalunter-richt befähigen zu wollen“, macht er Hoffnung darauf, dass gerade die-ser dialogische Aspekt noch ausge-baut wird. Und auch Vize-Direktorin Beatrice Lugger hob bei der NaWik-Eröffnung ausdrücklich eine Verbes-serung des ehrlichen Dialogs mit der Gesellschaft hervor, für den ihrer Auffassung nach das NaWik stehe. Wie genau dies erreicht werden soll, bleibt allerdings abzuwarten.

Dabei ist jedes Institutsprogramm nur so gut wie die Menschen, die da-hinter stehen. Und da gibt es Grund zur Hoffnung. Mit Könneker und Lug-ger stehen zwei journalistisch erfah-rene Direktoren an der Spitze des Instituts, die zumindest eine klare Vorstellung von der Rollenverteilung auf dem Gebiet der Wissenschafts-kommunikation haben.

So markierte Könneker in seiner Rede zur Eröffnung des NaWik vor allem die Vermittlung eines solchen differenzierten Rollenverständnis-ses als wichtige Mission des NaWik. „Wir wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am NaWik auch

dafür sensibilisieren, welche Rolle sie im medialen Betrieb innehaben – und worin die jeweils anderen Rollen der Öffentlichkeitsarbeiter einerseits sowie der Wissenschaftsjournalisten andererseits bestehen“. Könneker sieht hierin sogar ein – wenn nicht das entscheidende – Alleinstellungs-merkmal des NaWik. Das Vermitteln der Rollenbilder sei heute nötiger sind denn je, weil es heute viel mehr Möglichkeiten für Wissenschaftler gebe, sich zu äußern. Und das führe beinahe zwangsläufig dazu, dass sie den anderen „Playern“ auf dem Ge-biet der Wissenschaftskommunikati-on in die Quere kämen. Wenn dieses Rollenverständnis bei den Wissen-schaftlern ankommt, die durch die Schule des NaWik gehen, wäre si-cher viel gewonnen.

Bei den Wissenschaftlern

scheint ein differenziertes Bild von Wissenschafts-

kommunikation immer noch zu fehlen

Dass die Institutsleitung ein klares Bild von diesen Rollen hat, auch da-ran ließ Könneker bei der NaWik-Er-öffnung keinen Zweifel: „Die Aufgabe von Wissenschaftsjournalisten be-steht darin, unseren Wissenschafts-betrieb kritisch zu begleiten“, rief er den anwesenden Honoratioren ins Gedächtnis, „nicht wenige For-schende pflegen jedoch ein Bild des Wissenschaftsjournalisten als einer Art fliegenden Übersetzungsbüros. Der Journalist als Sprachrohr der Wissenschaft. Doch die Überset-zungsleistung von Fachchinesisch in gebrauchsfertiges Alltagsdeutsch ob-liegt den Forschenden selbst!“

So selbstverständlich dies für Le-ser des WPK-Quarterly sein mag – bei den Wissenschaftlern selbst scheint dieses differenzierte Bild

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WPK-Quarterly 11II / 2012

der „wissenschaftskommunikativen Landschaft“ noch nicht so recht an-gekommen zu sein. Anders ist auch die Kurzbeschreibung des neuen BA/MA-Studiengangs „Wissenschaft – Medien – Kommunikation“ nicht zu er-klären, der am KIT in diesem Semes-ter entsteht und der mit dem NaWik verwoben ist. „Die Studierenden werden dazu befähigt, komplexe Sachverhalte aus Naturwissenschaft und Technik für diverse öffentli-che Zielgruppen und unter Nutzung verschiedener medialer Kanäle aufzubereiten und verständlich zu machen“, heißt es dort. Könneker, der selbst an diesem Studiengang lehren wird, weiß, dass eine sol-che Beschreibung geeignet ist, die Stirn des Wissenschaftsjournalisten in tiefe Falten zu legen. Aus Sorge nämlich, dass hier Wissenschafts-marketing, Wissenschafts-PR und Wissenschaftsjournalismus in einen Topf geschüttet, gut durchgerührt, und anschließend an die Studieren-den verabreicht werden könnten, aus denen dann später mal – ja was ei-gentlich genau? – „Wissenschafts-kommunikatoren“, irgendwie halt, werden sollen.

Genau das will Könneker allerdings verhindern helfen. „Es ist ja gar keine Frage, dass man nicht Wissenschafts-PR und Wissenschaftsjournalismus gleichzeitig lehren und lernen kann“, lässt Könneker keinen Zweifel, „spä-testens im Master-Studiengang muss es hier eine Spezialisierung geben“. Bleibt zu hoffen, dass dies tatsächlich auch geschieht. Nicht aus einer rein akademischen Attitüde heraus, son-dern allein schon, um den hoffnungs-voll gestarteten Studierenden (aus 350 Bewerbern wurden 50 ausge-wählt) ein realistisches Bild von ihrem künftigen Berufsfeld zu vermitteln und sie auf klare Berufsbilder vorzuberei-ten. Denn wer heute noch mit einem diffusen Bild von „Verständlichma-chen“ von Forschung in den Wissen-schaftsjournalismus strebt, der wird zumindest da nicht weit kommen. Viel wird auch hier davon abhängen, wel-che Personen an dem Studiengang lehren werden.

Zwei Lehrstühle sind noch zu beset-zen, das Curriculum des Masterstudi-engangs ist noch nicht entwickelt.

Dass grundsätzlich beide Berufs-gruppen – zukünftige Pressestel-len-Mitarbeiter und Journalisten – zunächst mal unter einem Dach stu-dieren und dazu das NaWik an den Studiengang angedockt ist, darin ver-mag Könnecker allerdings durchaus Chancen zu sehen, wie er bei der NaWik-Eröffnung ausführte: „Es gibt hier deutschlandweit die einmalige Möglichkeit, das Miteinander der drei Wissenschaft darstellenden Berufs-gruppen – Öffentlichkeitsarbeiter und Journalisten am KIT sowie eben die Wissenschaftler selbst am NaWik – in räumlicher Nähe und gemäß ihrer jeweils unterschiedlichen Rollen ganz praktisch einzuüben.“ Er erhofft sich davon sogar „auch eine Beruhigung der in den letzten Jahren speziell von Journalisten und zwar aus guten Gründen intensiv geführten Abgren-zungsgefechte gegenüber den insti-tutionellen Kommunikatoren“. Sicher ist: Je „eingeübter“, sprich: Gefestig-ter die Rollenbilder sind, desto we-niger sind derartige „Abgrenzungs-gefechte“ (gab es die eigentlich wirklich?) nötig. So gesehen, könnte tatsächlich eine Chance darin liegen, schon angehenden Kommunikatoren und Journalisten die verschiedenen Profile ihres Berufs ins Stammbuch zu schreiben.

Gerade weil die Wissenschaft selbst immer besser lernt,

sich gut zu „verkaufen“, müssen sich

Wissenschafts-journalisten auf ihre eigenen Tugenden

besinnen

Bei Politikern sind es die klassi-schen 100 Tage, die man ihnen nach Amtsantritt lässt, um zu schauen, wie sich ihr Schaffen entwickelt. Im Fall des NaWik sollte man vielleicht noch ein paar Tage drauf geben, eh man

etwas nachhaltiger beurteilen kann, welchen „Impact“ die Aktivitäten des Instituts haben und ob sich die von Carsten Könneker gesetzten Ansprü-che verwirklichen lassen. In jedem Fall zeigen die Aktivitäten des NaWik wieder einmal, wie wichtig es für Wis-senschaftsjournalisten ist, noch kon-sequenter und selbstbewusster ihre Rolle im zweiten Teil ihrer Berufsbe-zeichnung zu sehen (wie dies bei zu-sammengesetzten Hauptwörtern ja ei-gentlich auch semantische Regel ist). Gerade weil die Wissenschaft selbst immer besser lernt, sich gut zu „ver-kaufen“, müssen sich Wissenschafts-journalisten auf ihre eigenen Tugen-den besinnen. Bei einem auf diese Weise geschärften Profil ist dann auch endgültig kein „Abgrenzungsgefecht“ mehr nötig – und der Wissenschafts-journalismus wird zu einem Ressort wie jedes andere auch.

Links zu Blogs, die sich dem Thema annehmenhttp://wissenschaftkommuniziert.word-press.com/2012/10/18/das-nawik-ist-eroffnet-beatrice-bleib-stark/

http://weltamsonnabend.wordpress.com/

http://www.scilogs.de/wblogs/blog/relativ-einfach/outreach/2012-10-17/stufe-wissenschaftskommunikation

http://scienceblogs.de/erklaer-fix/2012/10/19/wissenschaftskommu-nikation-kommunizieren-mal-wieder/

http://wissenschaftkommuniziert.wordpress.com/2012/09/24/marketing-oder-kommunikation-wie-wissenschaft-kommunizieren-sollte/

leitet zusammen mit Helmut Riedl

die Wissen-schafts-Redak-tion des SWR in

Baden-Baden.

Martin Schneider

}

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WPK-Quarterly 12II / 2012

Ein neues Online-Format für investigative Recherche mit Leserpartizipation.

Von Ralf Grötker

Faktencheck für Kontroversen

„Faktencheck!?“ In Deutschland mö-gen viele dabei an den Online-Auftritt der TV-Show „Hart aber Fair“ denken. Ausgewählte Experten überprüfen hier im Nachgang Behauptungen, die während der Sendung gefallen sind. Schade eigentlich, dass der Begriff „Faktencheck“ in Deutschland derart gekidnappt wurde. Denn dass ein Fak-tencheck weitaus mehr zu bieten hat, als ein Nischendasein im Schatten ei-ner Polit-Show zu fristen, zeigen die großen Vorbilder in den US-Medien, vor allem Politifact und der Fact-Checker der Washington Post. Beide nehmen hauptsächlich Aussagen und Verspre-chen von Spitzenpolitikern unter die Lupe und bewerten diese. Obgleich ausschließlich Online-Formate, sind die neuen Fact-Checker in den vergange-nen Jahren zum Inbegriff des kritischen und rechercheintensiven Journalismus geworden.

Mit zur Familie gehört auch der Reali-ty Check des Guardian. Abgesehen da-von, dass hier hauptsächlich britische Themen verhandelt werden, sticht der Reality Check noch in einer anderen Hinsicht heraus: Er ist als Live-Recher-che angelegt. Leser können dem Gang der Ermittlungen über den Verlauf eines oder mehrerer Tage folgen und dabei auch selbst Beiträge einbringen, entwe-der via eines Online-Forums oder durch Twitter-Nachrichten.

Der in diesem Oktober gestartete Faktencheck unserer Online-Plattform „Debattenprofis“ (vormals „Fürund-Wider.org“: Siehe Bericht im WPK-Quarterly I/2011) verfolgt die gleiche Zielsetzung: Live-Recherche mit Le-serbeteiligung. Der Faktencheck wird gemeinsam mit den Medienpartnern faz.net, Telepolis und Freitag.de reali-siert und durch die Robert Bosch Stif-tung gefördert (siehe Interview in die-ser Ausgabe). Inhaltlich verfolgen wir eine etwas andere Linie als das briti-sche Vorbild. Anstelle einfacher Fakten geht es um evidenzbasierte Politikbe-ratung. Es geht also um eine Rationali-

sierung gesellschaftspolitischer Streit-fragen mit Hilfe von wissenschaftlicher Expertise. Dem zugrunde liegt die Problemwahrnehmung, dass es für Leser (aber auch für Journalisten) trotz umfangreich verfügbarer Informatio-nen manchmal sehr mühevoll ist, sich einen Überblick über eine Kontroverse zu verschaffen. Denn einzelne Artikel oder auch Wikipedia-Einträge bilden unterschiedliche Interpretationen ver-fügbaren Wissens oder Unsicherhei-ten nur sehr begrenzt ab. Sie können kaum Einblicke verschaffen in die Hintergründe kontroverser Positionen oder Meinungen. Davon abgesehen begegnet die Öffentlichkeit den etab-lierten Experten und ihren Organisatio-nen oft mit Misstrauen – siehe die leid-liche Diskussion um den Klimawandel. Der Faktencheck von Debattenprofis setzt in dieser Situation auf den Ansatz einer „Open Expertise“. Das heißt: Größtmögliche Transparenz in der Re-cherche, faire Berücksichtigung von Meinung und Gegenmeinung, Ermög-lichung öffentlicher Partizipation und Offenheit hinsichtlich von Schlussfol-gerungen und Bewertungen.

Verschiebung von Fronten

„Wir benötigen ein Verfahren, das ich als Faktencheck bezeichnen möch-te: Dabei konfrontieren wir die wissen-schaftlichen Ergebnisse miteinander.“ Auf diese Weise, meinte Heiner Geis-sler vor kurzem im Interview mit dem New Scientist, ließen sich politische Fehler wie beim Atommülllager Asse vermeiden. Im besten Fall bleibt der Faktencheck nicht bei der Konfrontation stehen, sondern kann durch die Gegen-überstellung von Argumenten und Ge-genargumenten eine Verschiebung von althergebrachten Fronten herbeiführen.

Ein Beispiel: Ein im Frühjahr 2011 ähnlich dem Faktencheck gestalteter Stakeholder-Dialog zur Notwendig-keit einer Gesetzesreform in Sachen Sterbehilfe zeigte, dass die meisten Meinungsverschiedenheiten nicht in ethischen Überzeugungen begründet lagen. Vielmehr herrschte Uneinigkeit darüber, ob mehr Gesetze tatsächlich zu größerer Rechtssicherheit führen oder nicht eher größere Unübersicht-lichkeit erzeugen. Das wiederum könne Ärzte dazu veranlassen, aus Furcht vor strafrechtlichen Konsequenzen zuwei-len Maßnahmen zu unterlassen, die sie medizinisch für angezeigt halten.

Ein anderes Beispiel: Der Fakten-check zum Thema „Beschneidung“. Hier ging es um die Frage, ob die religi-öse Beschneidung (also die Beschnei-dung minderjähriger Jungen ohne medizinische Indikation) aus medizi-nethischer Sicht überhaupt vertretbar ist. Die aus der Debatte sattsam be-kannten Argumente für und gegen die religiöse Beschneidung als solche tra-ten schnell in den Hintergrund. Ganz andere Bedenken wurden deutlich. So könne die Übernahme von Dienstleis-tungen, die wie die religiöse Beschnei-dung nicht medizinisch indiziert sind, zum Beispiel einer problematischen Instrumentalisierung der Medizin Vor-schub leisten.

Anders als seine angelsächsischen Vorbilder, kann und will der Faktencheck die Debattenthemen, die er aufgreift, nicht unbedingt entscheiden. Vielmehr geht es darum, die argumentativen Folgelasten aufzuzeichnen, die mit den jeweiligen Positionen verbunden sind. Dabei hilft auch das besondere Format des Faktencheck: Argumentkarten be-gleiten den Gang der Recherche und helfen, auch bei komplexen Themen den Überblick zu behalten.

Argumentkarten

Vom Ansatz her ähneln Argument-karten Mindmaps: Beides sind grafi-sche Darstellungen von Textelemen-ten. Grafische Darstellungen dieser Art haben Vorteile gegenüber rein linearen Präsentationen: Die baum- oder netz-werkartige Struktur erlaubt es, ein-

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WPK-Quarterly 13II / 2012

facher zwischen den verschiedenen Ebenen oder Zweigen zu navigieren und einzelne Punkte zu fokussieren. Anders als Mindmaps sind Argument-karten jedoch keine Darstellung von Themen und Unterthemen. Statt-dessen stellen sie eine idealisierte Beweiskette dar. Sinn und Zweck ei-ner Argumentkarte ist es, den voran schreitenden Überlegungsprozess zu unterstützen. Hilfreich sind Argument-karten dabei vor allem auch deshalb, weil sie eine Versachlichung der Dis-kussion unterstützen und die Möglich-keit des punktgenauen Ergänzens von Inhalten bieten.

Eine Frage, die das Experiment „Faktencheck“ beantworten soll, ist diese: Lässt sich die Qualität von Fo-renbeiträgen in Online-Medien durch den Einsatz von Argumentkarten so sehr verbessern, dass diese zum Zwe-cke einer „kollaborativen Recherche“ genutzt werden können? Menschlich oder technisch unmöglich sollte so et-was nicht sein. Schließlich zeigen zahl-reiche Foren in US-amerikanischen Online-Magazinen (wie Slate oder The Atlantic), dass eine qualitativ ganz an-dere Art von Forendiskussion möglich

ist, als wir sie bei deutschen Online-Medien finden.

Erste Resultate

Zunächst haben wir uns von der Live-Recherche wie sie der Guardian praktiziert verabschiedet. Neben ver-fahrenstechnischen Gründen spielte dabei die Vermutung eine Rolle, dass es wahrscheinlich einfach nicht ausrei-chend Leser gibt, die bereit sind, über mehrere Tage immer wieder ein- und denselben Artikel aufzurufen, um nach Fortschritten Ausschau zu halten. Nur noch die Übertragung der Leserbeiträge in die Argumentkarte geschieht deshalb live. Der Haupttext hat die Form eines Recherche-Tagebuches, welches die wechselnden Positionierungen der Re-chercheure dokumentiert, die sich mit der sich verändernden Informationslage einstellen. Gleichzeitig erlaubt es diese Form, sich meinungsmäßig sozusagen mehr in die Kurve zu legen – weil die ei-gene Meinung ja oft durch den nächsten Eintrag wieder relativiert wird.

Das Thema des ersten Fakten-checks war die bereits erwähnte „Be-schneidungsethik“. Was die Anzahl von Kommentaren betrifft und auch die An-zahl der Empfehlungen via Twitter und anderer Dienste, war der Beitrag ein er-freulicher Erfolg. Zumindest einige der Forenbeiträge bezogen sich auch expli-zit auf die Argumentkarte. Vor diesem Hintergrund überraschend war es dann, dass der zweite Faktencheck zu Organ-Tauschringen nur wenig Resonanz fand. Möglicherweise lag es am Thema. Organ-Lebendspenden – meist geht es dabei, wie im Fall von Steinmeier und seiner Frau, um eine Niere – sind an sich schon eine wenig populäre Sache. Umso mehr gilt das für Vorschläge, die

Spenden-Praktiken mithilfe von Tausch-ketten, wie sie in den USA und den Nie-derlanden üblich sind, zu verbessern. Was die Anzahl der Verlinkungen und Stellungnahmen von Experten betrifft, die sich persönlich bei uns gemeldet haben, musste sich der Faktencheck Organ-Tauschring dennoch nicht hinter der erfolgreichen „Beschneidungsethik“ verstecken – was ein deutliches Zei-chen dafür ist, dass die betreffenden Fachöffentlichkeiten den Faktencheck aufmerksam verfolgen.

Ob das Projekt über die Förderung durch die Robert Bosch Stiftung hinaus eine Zukunft haben wird, hängt vor al-lem von der Finanzierungsform ab. Aus dem Budget einer Online-Redaktion lässt sich der mehrtägige Aufwand, der mit einem Faktencheck einher geht, kaum bestreiten. Ein Zusammen-schluss von Redaktionen könnte dies eher leisten – womöglich unterstützt durch ein Konsortium von Sponsoren. Ob es möglich ist, dergleichen aufzu-bauen, ist noch ein offener Punkt auf der Agenda des Faktenchecks. Das Projekt läuft noch bis Februar 2013.

Homepage des Faktencheckwww.debattenprofis.de

Faktencheck abonnierenhttp://tinyurl.com/cy973gt

https://twitter.com/debattenprofis

Im Text erwähnte Linkshttp://www.politifact.com/

http://www.washingtonpost.com/blogs/fact-checker

http://www.guardian.co.uk/politics/reality-check

ist freier Wissenschafts-

journalist u.a. für brand eins

und Technology Review.

Ralf Grötker

}

© David Ausserhofer

Eine Argumentkarte stellt Gründe dar, die eine Behauptung oder einen Vorschlag untermauern oder entkräften. Auf diese Weise ergibt sich ein übersichtliches Gesamtbild als Grundlage für Entschei-dungsfindung und Bewertung.

Grafik: Ralf Grötker

Behauptung

!

Pro

Pro Con Con Con

Pro

Con

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WPK-Quarterly 14II / 2012

Mit bis zu 15.000 Euro fördert die Robert Bosch Stiftung neue Ideen für einen zukunftsfähigen Wissenschaftsjournalismus.

Eine dieser Ideen ist der Faktencheck, den wir in dieser Ausgabe vorstellen. Das WPK-Quarterly sprach mit dem Projektmanager Patrick Klügel über

das Förderprogramm, das noch bis Ende März 2013 läuft.

Neue Wege im Wissenschaftjournalismus?

An wen richtet sich das Programm? Mit dem Programm „Neue Wege im

Wissenschaftsjournalismus“ wollen wir allen denjenigen schnell verfüg-bare Anschubförderung geben, die mit einer richtig guten Idee nachhaltig zur Qualität im Wissenschaftsjourna-lismus beitragen. Bewerben können sich freie Journalisten, Journalisten-verbände, Kooperationsprojekte – das ist relativ offen. Es zählt das Projekt.

Warum gibt es dieses Programm?Der Journalismus verändert sich.

Der richtige Umgang mit den Heraus-forderungen durch die neuen Medien wird ebenso diskutiert wie neue Be-zahlmodelle für den Qualitätsjourna-lismus; Stellen werden abgebaut, es herrscht eine gewisse Unsicherheit, wie die Entwicklungen weitergehen. Von dieser Umbruchphase wird auch der Wissenschaftsjournalismus nicht verschont bleiben. Aber diese Situation bietet auch Chancen: Gerade im Wis-senschaftsjournalismus gibt es gute Voraussetzungen, mit neuen Formaten konstruktiv Wege aufzuzeigen, z.B. im Bereich Datenjournalismus oder Visua-lisierung komplexer Themen oder auch durch interaktive Lesereinbindung bei kontroversen Recherchen.

Wie wird es angenommen? Wir sind sehr zufrieden. Fünf Anträ-

ge haben wir bisher bewilligt, andere

prüfen wir noch. Insgesamt haben uns seit April etwa 30 Anfragen sehr un-terschiedlicher Herkunft erreicht. Das sind freie Journalistenbüros, Journa-listenverbände, Hochschulen, aber auch engagierte Einzelpersonen und Verlage. Fördern können wir natürlich nur gemeinnützige Projekte. Im Mo-ment überlegen wir, den geförderten Projekten und allen Interessierten eine Vernetzungsmöglichkeit zu bie-ten – denn schließlich sollen die guten Ideen ja nachgeahmt und weiterentwi-ckelt werden!

Kann man die Anträge irgendwie in-haltlich gruppieren? Gibt es Schwer-punkte?

Es gibt einen eindeutigen Online-Schwerpunkt. Hier liegt sicherlich im

Moment großes Potential, z.B. bei un-abhängigen Portalen zu bestimmten wissenschaftlichen Themen. Viele An-träge beschäftigen sich mit den neuen vielfältigen Möglichkeiten der Interak-tion mit den Lesern/Usern. Der Kon-takt mit der Zielgruppe scheint schon ein Zukunftsthema zu sein. Aber wir fördern z.B. auch ein Projekt, das hochqualitativen Wissenschaftsjour-nalismus ins Privatradio bringt – das ist ziemlich einzigartig.

Wie wird ausgewählt und wer wählt aus? Gibt es jemanden in der Stif-tung, der das letzte Wort hat?

Der Auswahlprozess ist wie meis-tens in der Robert Bosch Stiftung zweistufig: Inhaltlich passende Pro-jekte, die die Ausschreibungskriteri-en erfüllen, laden wir nach einer for-malen Prüfung und gegebenenfalls Beratung zur Antragstellung ein. Der ausführliche Antrag wird von einem unabhängigen Beirat begutachtet, der der Stiftung eine Empfehlung gibt. Die Entscheidung über eine Förderung liegt letztlich bei der Ge-schäftsführung.

Mit Patrick Klügel sprach Markus Lehmkuhl

Patrick Klügel leitet den Programmbereich Gesundheit und Wissenschaft bei der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart. }

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WPK-Quarterly 15II / 2012

Das spanische Atapuerca steht für spektakuläre Fossilienfunde – und eine unhinterfragte Allianz von Paläoanthropologen und Medien.

Von Oliver Hochadel

Die Untiefen der Popularisierung

Wenn die Sportredakteure von El País den Spielstil einer Fußballmann-schaft als besonders altmodisch kritisie-ren wollen, benutzen sie gerne das Wort „Atapuerca“. Das mag einem spanisch vorkommen. Und das ist es auch. Ata-puerca, der kleine Berg in der Nähe vor Burgos, ist in Spanien längst so bekannt wie das Neandertal in Deutschland.

Atapuerca ist in den letzten Jahren zu einem Synonym für etwas Uraltes geworden – und damit auch zum ima-ginären Anfang der spanischen Ge-schichte. In populären Darstellungen begann diese lange Zeit mit den be-rühmten Höhlenmalereien von Altami-ra. Seit etwa dem Jahr 2000 lautet der Untertitel vieler Bücher zur „Geschichte Spaniens“ aber „Von Atapuerca bis ...“.

Diese neue Konstruktion nationaler Geschichte verdankt sich einer lang-jährigen Allianz zwischen spanischen Paläoanthropologen und spanischen Medien. Für El Mundo ist Atapuerca “das berühmteste Wissenschaftspro-jekt Spaniens”, für El País “die wich-tigste Ausgrabung Europas”, für El Periódico “die vollständigste und wich-tigste archäologische Fundstelle Eura-siens”. In spanischen Zeitungen finden sich unzählige Zitate dieser Art. Dieser “Superlativismus” ist zum wummern-den Soundtrack der Berichterstattung über Atapuerca geworden.

Was wurde denn nun gefunden? Ausgegraben wird in der Sierra de Atapuerca schon seit 1978, aber erst Anfang der 1990er-Jahre machte das Equipo de Investigación de Atapuer-ca (EIA) schlagzeilenkräftige Entde-ckungen. Besonders spektakulär war 1992 der Fund eines fast vollständigen Schädels in der Sima de los Huesos. Der Schädel schaffte es auf das Co-ver von Nature und wurde zu Ehren der spanischen Radrennfahrerlegende Miguel Indurain „Miguélon“ getauft.

Schwer zugänglich und tief im Innern des Berges gelegen, ist dieses „Erdloch

der Knochen“ der fossilienreichste Ort der Welt. Mittlerweile brachte das EIA dort über 6500 hominide Fossilien ans Tageslicht, die von mindestens 28 In-dividuen stammen. Die Überreste sind mehr als 530.000 Jahre alt und wurden der Art Homo heidelbergensis zugeord-net. Es ist nicht klar, wie es zu dieser Ansammlung kommen konnte, eine Epi-demie wäre eine mögliche Erklärung.

Schon 1994 wurde die nächste Sen-sation aus den Sedimenten befreit, diesmal an der Fundstelle Gran Dolina. Bald stand fest: Diese Fossilien müs-sen älter als 780.000 Jahre sein – also die bis dato ältesten Europas. Daraus machten die Forscher des EIA 1997 eine neue Art: Homo antecessor. Der „vorausgehende Mensch“, der Pionier Europas soll auch noch der gemein-same Vorfahr von Neandertaler und Homo sapiens sein, also einen zent-ralen Platz im menschlichen Stamm-baum einnehmen. Diese reichlich ge-wagte Interpretation fand allerdings von Beginn an keine Zustimmung bei Forschern im Ausland.

Journalisten als Sprachrohr der Wissenschaft

Der letzte große Coup war der Fund eines Unterkiefers in der Sima del Ele-fante, dem „Erdloch des Elefanten“, der im März 2008 das Cover von Nature zier-te. Und schon wieder lautete die Schlag-zeile: Der erste Europäer! Das EIA hatte seinen eigenen Rekord nochmals um etwa 400.000 Jahre übertroffen. Der Un-terkiefer soll 1,2 Millionen Jahre alt sein.

Die wissenschaftliche Bedeutung von Atapuerca steht außer Frage. Kaum weniger beeindruckend ist jedoch die gewaltige Popularisierungsindustrie,

die die Forscher um ihre Funde herum aufgebaut haben. Die Grabungen wer-den seit 1991 von Juan Luis Arsuaga, José María Bermúdez de Castro und Eudald Carbonell geleitet. Diesem Trio war schon lange vorher klar, dass ihre Forschung nur dann wirklich erfolg-reich sein würde, wenn sie eine breite Öffentlichkeit erreichen würde. In den Worten von Bermúdez de Castro: “Wir mussten ein gesellschaftliches Bedürf-nis für Paläoanthropologie wecken.“ In den Worten von Carbonell: „Ich werde mich immer darum bemühen, eine gute Beziehung und gute Kontakte mit der Presse zu haben.“

Die Atapuerca-Forscher haben ein instrumentelles Verständnis der Medi-en und sagen das auch offen. Bermú-dez de Castro und Carbonell bezeich-nen Journalisten als “unsere Freunde”. Auf die Frage, ob die Medien immer das schreiben, was er wolle, antwor-tet Carbonell etwas herablassend: „Ja, wenn sie intelligent sind.“

Braves Nachplappern entspricht nun nicht gerade dem Ideal eines kritischen Wissenschaftsjournalismus. Diesen ek-latanten Mangel an Distanz mag man kritisieren. Das tut in Spanien aber kaum jemand. Einmal – und an ver-steckter Stelle – schrieb die Archäologin Ángeles Querol etwas spitz über die Wissenschaftsjournalistin Alicia Rivera von El País, dass diese immer genau das sage, was auch die Forscher des EIA sagen. Rivera – wen wundert es – findet ihre Berichterstattung nicht zu anerkennend positiv. Zur Begründung verweist sie auf die zahlreichen Publika-tionen des EIA in Fachzeitschriften mit hohem Impact.

Wissenschaftler bestimmen über

Medieninhalte

Dass sich die spanischen Medien so willig zum Sprachrohr der Atapuer-ca-Forscher machen lassen und seit 20 Jahren das hohe Lied ihrer Erfol-ge singen, hat aber auch einen sehr konkreten historischen Grund. Anders als etwa in der Kunst laborieren die Spanier in puncto Wissenschaft an

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WPK-Quarterly 16II / 2012

einem formidablen Minderwertigkeits-komplex. Das Gefühl, im Bereich der Naturwissenschaften und Technik weit hinter anderen europäischen Nationen zurückzuliegen, lässt sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Dadurch habe Spanien gleichsam den An-schluss an die Moderne verpasst, so der Tenor. Dieses Bedürfnis, aufholen zu müssen, erklärt die enthusiastische und von nationalem Stolz durchzoge-ne Berichterstattung über Atapuerca. Endlich, so ist man versucht zu sagen, endlich haben spanische Forscher es ganz nach oben und zu internationaler Anerkennung gebracht.

Die Allianz zwischen EIA und Journalisten ist fest ge-schmiedet, immer wieder verschwimmen die Rollen so-gar. Das lässt sich etwa da-ran ersehen, dass insbeson-dere Arsuaga häufig selbst Artikel für El País verfasst. Die anderen Ko-Direktoren schreiben ihre eigenen Blogs bei anderen spanischen Ta-geszeitungen. Carbonell bei El Mundo und Bermúdez de Castro sogar zwei, bei Público (die Zeitung wurde allerdings im März 2012 ein-gestellt) und bei der Lokalzei-tung Diario de Burgos.

Wer die Popularisierung selbst in die Hand nimmt, bestimmt auch die Inhalte. Seit 1998 haben die drei Ko-Direktoren an die dreißig (!) populärwissenschaftliche Bücher (mit-)verfasst. Auch wenn es eher die Re-gel als die Ausnahme ist, dass Pa-läoanthropologen Bücher für das gro-ße Publikum schreiben, dürfte diese „Produktion“ doch einzigartig sein. Zur Öffentlichkeitsarbeit des EIA gehören auch Wanderausstellungen, die durch ganz Spanien ziehen und bislang von mehreren Millionen Menschen besucht wurden; Führungen durch die Sierra de Atapuerca und der Besuch des ar-chäologischen Parks gleich nebenan; Dokumentarfilme, für die Arsuaga zum Teil selbst das Drehbuch geschrieben hat. Der krönende Schlussstein dieser multimedialen Popularisierungsindust-rie ist das „Museum der menschlichen Evolution“, das 2010 in Burgos durch niemand geringeren als die spanische Königin selbst eröffnet wurde und das 70 Millionen Euro kostete. Hauptfinan-

zier war die Region Kastilien und Leon, die sich dadurch Impulse für den Tou-rismus erhofft.

Das EIA versucht mit dieser umfas-senden medialen Strategie, der eige-nen Arbeit öffentliche Sichtbarkeit zu verschaffen. Der hohe Bekanntheits-grad soll wiederum die Geldgeber – in der lokalen Politik, in den Ministerien für Wissenschaft und Kultur, aber gera-de auch potenzielle Sponsoren aus der Privatwirtschaft – überzeugen, weiter in die Ausgrabungen zu investieren. Und nicht zuletzt werden die eigenen For-schungsergebnisse durch die mediale Präsenz auch legitimiert.

Arsuaga, Bermúdez de Castro, Car-bonell und ihre Mitarbeiter haben sich als außerordentlich geschickte Spindok-toren in eigener Sache erwiesen. Dies zeigt sich etwa in der Wahl ihrer medi-enwirksamen Metaphern. Sie sprechen immer wieder davon, dass Atapuerca eine „Enzyklopädie der Evolution“ sei, die man gleichsam durchblättern könne, eben weil dort über einen Zeitraum von über einer Million Jahren verschiedene Menschenarten lebten. Oder eine „Zeit-kapsel“, in der sich unsere Vorgeschich-te konserviert habe und mit der man quasi in die Vergangenheit reisen kön-ne. Und last not least: Atapuerca sei ein „Zauberberg“, der noch viele Geheim-nisse in sich – pardon – berge.

Die Atapuerca-Forscher wissen „Geschichten“ zu erzählen, sprich: Ihre Ergebnisse in die Logik der Me-dien einzupassen. Diese Geschichten handeln zum einen von „unseren“ Ur-sprüngen. Obwohl die Forscher immer

von den „ersten Europäern“ und nicht von den „ersten Spaniern“ reden, geht mit diesem „unser“ doch eine nationa-le Identitätskonstruktion einher. Homo antecessor war ja schließlich der erste Bewohner der iberischen Halbinsel. Und nur aufgrund dieser imaginierten Konti-nuität konnte Atapuerca zum Beginn der spanischen Geschichte werden.

Die Geschichten, die das EIA erzählt, handeln darüber hinaus aber gerade auch von den Extremen menschlicher Existenz, von äußerster Brutalität und herzerwärmender Güte. Die Kratzspuren auf den Fossilien von Homo anteces-sor legen nahe, dass dieser ein eifriger

Kannibale war – und es wohl insbesondere auf Kinder und Heranwachsende abgesehen hatte, um die feindliche Grup-pe demographisch entschei-dend zu schwächen. Das wäre nebenbei auch noch der ältes-te Beleg für Kannibalismus in der Menschheitsgeschichte, ein weiterer „claim to fame“.

Der Gegenpol ist der Al-truismus, den die Forscher bei Homo heidelbergensis, also den Fossilien aus der Sima de los Huesos auszu-machen glauben. Als medial sehr durchschlagskräftig er-wies sich die Geschichte von Benjamina, einem Mädchen

das unter Kraniosynostose litt. Bei die-ser seltenen Krankheit verknöchern eine oder mehrere Schädelnähte zu früh, was zu einer Deformierung des Kopfes und oft auch zu einer geistigen Behinde-rung führt. Nun wurde Benjamina („das geliebte Kind“) aber trotz dieser Patho-logie ungefähr zehn Jahre alt, muss also von den Mitgliedern ihrer Gruppe aufop-ferungsvoll betreut worden sein, so die Forscher. Die spanische Presse jeden-falls war angesichts dieser prähistori-schen Fürsorge für ein missgestaltetes Mädchen tief gerührt.

Über die Kunst, Geschichten zu machen

Den Atapuerca-Forschern ist schmerzlich bewusst, dass ihre media-le Ausstrahlung im Großen und Ganzen

Das Triumvirat der Popularisierung von Atapuerca – Juan Luis Arsuaga, José María Bermúdez de Castro und Eudald Carbonell. (v.r.n.l.)

Foto: IPHES

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WPK-Quarterly 17II / 2012

auf Spanien beschränkt bleibt. Daher versuchen sie verstärkt, „internationale“ Geschichten zu erzählen. Das Para-debeispiel hierfür ist die „Taufe“ eines wunderbar gearbeiteten Faustkeils, der in der Sima de los Huesos zwischen all den Fossilien gefunden wurde. Da das Steinwerkzeug nicht benutzt worden war, interpretierte Arsuaga dies als qua-si zeremonielle Grabbeigabe. So wurde schnell – noch ein weiterer „claim to fame“ – die erste symbolische Hand-lung der Menschheitsgeschichte dar-aus, die sich vor mehr als einer halben Million Jahren ereignet haben soll. Die ersten Bestattungen werden an sich auf etwa 50.000 Jahre datiert, entspre-chend groß war die Skepsis ausländi-scher Forscher. Der PR-Clou besteht aber in der Benennung dieses rötlich schimmernden Quarzits: „Excalibur“. Der Öffentlichkeit vorgestellt wurde Ex-calibur erstmals im Januar 2003 bei der Eröffnung einer Atapuerca-Ausstellung im American Museum of Natural History in New York. Durch die Benennung des Faustkeils nach dem Schwert eines sa-genhaften englischen Königs suchten die Forscher ihren Fund international „anschlussfähig“ zu machen. Was wie-derum Stirnrunzeln in Burgos ausgelöst haben mag. Denn dort schwingt der mittelalterliche Ritter El Cid auf dem Theaterplatz in Gestalt einer Reiter-statue sein imposantes Schwert. Das Schwert gibt es sogar wirklich, es trägt den schönen Namen Tizona, ist aber eben nur in Spanien bekannt. Danach wollten die Forscher den Faustkeil of-fensichtlich nicht benennen.

Aber die vielleicht „beste“ Geschich-te ist ihre eigene. Die drei Ko-Direk-toren erzählen sie seit Jahren in den Medien und in ihren Büchern. Es ist die Geschichte junger, idealistischer Wis-senschaftler, die sich trotz widrigster Umstände nicht entmutigen lassen. In den ersten Jahren des Atapuerca-Pro-jektes fehlt es an allem: Die spanische Wissenschaft ist rückständig, schlecht ausgestattet und chronisch unterfi-nanziert. Die Arbeit in der Sierra und ihren dunklen Höhlen ist hart. Als die ersten Fossilien auftauchen, müssen sie „freundliche“ Übernahmeversuche französischer Wissenschaftler abweh-ren. Die spektakulären Fossilienfunde der 1990er-Jahre erscheinen als wohl-verdienter Lohn für die heroischen Ent-behrungen und das Durchhaltevermö-

gen. Es ist die klassische Geschichte per aspera ad astra ergänzt um die „na-tionale Karte“, die die Ko-Direktoren ge-rade in ihrer Öffentlichkeitsarbeit spie-len: Wir sind spanische Forscher und kämpfen für eine spanische Wissen-schaft. Diese Fossilien gehören uns!

Als gute Vermarkter ihrer Forschung, aber eben auch ihrer selbst, wissen die drei Ko-Direktoren um die Bedeutung der Personalisierung. Das EIA ist längst riesig, mehr als ein Dutzend spanischer Forschungseinrichtungen sind an den Ausgrabungen beteiligt. Aber das öf-fentliche Gesicht sind Arsuaga, Bermú-dez de Castro und Carbonell. Ihre Namen tauchen mit Abstand am häu-figsten in den Medien auf. Sie posieren auf den Fotos, wenn der spanische Mi-nisterpräsident oder die Königin wieder einmal Atapuerca besucht. Arsuaga inszeniert sich gern als “Naturbursche” und beschrieb sich selbst in einem In-terview mit El País einmal als “Cocktail aus Darwin und Indiana Jones”. Car-bonell hat sich längst dadurch zu einer Ikone gemacht, dass er stets mit einer Art Tropenhelm umherläuft. So wur-de er auch zum Aushängeschild der Archäologie-Reality-TV-Show „Sota Terra“ („Unter der Erde“), die seit 2010 im katalanischen Fernsehen läuft. In jeder Folge muss das Team binnen drei Tagen eine Forschungsfrage qua Schnellstausgrabung lösen, Carbonell mimt den Experten.

Wissenschafts-popularisierung als

Mittel nationaler Identitätsstiftung

Auch in Spanien kommt zumindest hinter vorgehaltener Hand die Fra-ge hoch, ob diese Selbstvermarktung nicht „zu weit“ gehe. Lesern des WPK-Quarterly (Ausgabe II 2009) mag der Vergleich mit dem Hype um das Fossil Ida in den Sinn kommen. Eine Gruppe um Jørn Hurum hatte im Mai 2009 den Fund eines 47 Millionen Jahre alten Primaten als das „missing link“, „achtes Weltwunder“ und dergleichen der Welt-öffentlichkeit angepriesen. Die Wissen-

schaftsjournalistin Alicia Rivera von El País rechtfertigt den Medienhype um Atapuerca denn auch genau so wie die Ida-Forscher: “Es gefällt mir, dass die Leute über Atapuerca und nicht immer nur über Fußball reden”.

Wissenschaft ist besser als Fußball

Letztlich halten sich die Parallelen aber doch in Grenzen. Das EIA agiert in puncto Medienarbeit wesentlich nach-haltiger, ihr Image als herausragende spanische Forscher haben sie sich über Jahre erarbeitet – durch ihre Fun-de aber eben auch durch ihre (Omni-)Präsenz in den Medien. Der größte Un-terschied zu Ida liegt aber wohl in der nationalen Einfassung des Atapuerca-Projektes. Das EIA inszeniert sich de-zidiert als spanisches Forscherteam. Und gerade wegen des modellhaften Charakters des EIA für die spanische Wissenschaft insgesamt sind die nati-onalen Medien so enthusiastisch (und handzahm). Diese Fixierung ist Fluch und Segen zugleich. Das Forschungs-projekt ist in einer nationalen Blase ge-fangen. Klar, in der Scientific Communi-ty der Paläoanthropologie ist Atapuerca eine fixe Adresse, wenn auch manchen Theorien des EIA mit großer Skepsis begegnet wird. Aber der Bekanntheits-grad Atapuercas in der breiteren Öf-fentlichkeit ist international nach wie vor recht gering – trotz Excalibur.

Oliver Hochadel

ist Wissen-schaftshistoriker, lebt in Spanien und hat viele Jahre als Wissen-schaftsjournalist gearbeitet.

}

Oliver Hochadel hat ein Buch über Atapuer-ca verfasst, das im Februar unter dem Titel: „El mito de Atapuerca” erscheinen wird.

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WPK-Quarterly 18II / 2012

Von Christoph Marty

Recherchen als Karrieresprungbrett

Die Ermordung eines Unternehmers, der zuvor vier Schüler vor gewalttätigen Jugendlichen hatte schützen wollen, gab für die freien Wissenschaftsjourna-listinnen Constanze Löffler und Beate Wagner Anlass, das sensible Thema Zivilcourage anzupacken. „Uns war schnell klar, dass wir mehr Zeit und Geld benötigen würden als uns nor-malerweise zur Verfügung steht, um das Thema in all seinen Facetten zu bearbeiten“, sagt Löffler. Auf der Wis-senswerte in Bremen hörte sie von der Vergabe sogenannter Ad-hoc-Recher-chestipendien durch die Initiative Wis-senschaftsjournalismus und bewarb sich mit Erfolg. „Mit dem Stipendium im Rücken haben wir uns einiges zu-

getraut“, erinnert sich Löffler. „Für Freie sind Stipendien die große Chance, auch mal aufwändigere Recherchen umzusetzen.“

Insgesamt waren bei der Initiative Wissenschaftsjournalismus zwischen Februar 2010 und Anfang September 2011 42 Anträge auf ein Ad-hoc-Re-cherchestipendium eingegangen – 29 wurden bewilligt, 13 abgelehnt (was einer Förderquote von etwa zwei Drittel entspricht). Die Stipendien waren mit Mitteln der Robert Bosch Stiftung finan-ziert worden. Das Ziel bestand darin, „die Umsetzung von mutigen und an-spruchsvollen Rechercheprojekten [zu] fördern und die Urteilskraft von Jour-nalisten [zu] stärken.“ Nach Auslaufen

des Förderprogramms Ende 2011 war es deshalb Zeit für ein Resümee. Dazu gab die Initiative Wissenschaftsjourna-lismus eine Evaluation in Auftrag, deren Ergebnisse nun vorliegen.

Die Analyse stützt sich auf drei Quel-len: Die Anträge auf ein Ad-hoc-Re-cherchestipendium, einen von den Ju-ry-Mitgliedern der Auswahlkommission auszufüllenden Bewertungsbogen (je-der Antrag wurde von drei Mitgliedern eines Pools aus Wissenschaftsjourna-listen sowie Mitarbeitern der Initiative Wissenschaftsjournalismus bzw. des Lehrstuhls Wissenschaftsjournalismus der TU Dortmund bewertet) sowie eine Online-Befragung der Antragsteller. Lei-der konnte kein Antragsteller, dessen Antrag abgelehnt worden war, für die Befragung gewonnen werden. Ausge-füllt wurde der Fragebogen von drei Viertel aller Stipendiaten. Die meisten Teilnehmer der Befragung waren zum Zeitpunkt der Antragstellung freiberuf-lich tätig.

Die Ergebnisse der Online-Befragung belegen, dass ein Bedarf an journalis-tischen Recherchestipendien – zumal angesichts des in den meisten Redak-

29 Stipendien hat die ausgelaufenen Inititative Wissenschaftsjournalismus zwischen 2010 und 2011 vergeben. Die nun vorliegende Evaluation zeigt: Besonders junge Freie profitierten von dem Programm.

Die Stipendien können der Karriere Auftrieb geben. Fast alle der 22 Stipendiaten berichten, dass ihr Ansehen in den Redaktionen gestiegen sei. Folgeaufträge haben immerhin noch gut die Hälfte der Stipendiaten erhalten.

Grafik: Christoph Marty IfQ

Page 19: WPK Quarterly 2012-2

WPK-Quarterly 19II / 2012

tionen vorherrschenden Sparzwangs – vorhanden ist. So mussten knapp drei Viertel der Befragten in den zwölf Mo-naten vor Antragstellung um ein Ad-hoc-Recherchestipendium eine Recherchei-dee verwerfen, weil deren Bearbeitung über den normalen Rechercheaufwand hinausging, den sie üblicherweise leis-ten können. Gleichzeitig wird der von den Redaktionen gewährte Freiraum für aufwändige Recherchen mehrheitlich als „klein“ (18,2 %) oder „sehr klein“ (40,9 %) eingeschätzt; nur etwa ein Drittel findet ihn „groß“ (36,4 %). Wichtige Kri-terien für die Beantragung eines Stipen-diums bei der Initiative Wissenschafts-journalismus waren die Möglichkeit zur Abrechnung von Recherchetagen, der zeitnahe Förderentscheid (adressiert waren zwei Wochen nach Eingang des Antrags) sowie die jederzeit mögliche Antragstellung.

Christian Meier hat gemeinsam mit Aitziber Romero und Dino Trescher gleich zwei Anträge auf ein Stipendium „durchgebracht“, wobei ein Projekt-antrag die europäische Forschungs-finanzierung zum Thema hatte. „Die Themenfelder Forschungspolitik und

Forschungsförderung haben mich schon lange gereizt“, sagt Meier. Für die Projektbearbeitung griff das Team freier Wissenschaftsjournalisten auch auf Methoden des Computer-assisted Reporting zurück. „Das Stipendium hat uns den Freiraum gegeben, das The-menfeld für uns zu erschließen.“

Die Originalität der Anträge ist von den Gutachtern überwiegend positiv bewertet worden. Das ist das Resultat einer Analyse der Bewertungsbögen, die jeder der pro Antrag drei tätigen Gutachter jeweils ausgefüllt hat. Nicht immer waren sich die Gutachter aber sicher, ob das annoncierte Veröffent-lichungsmedium die Recherche nicht auch selbst hätte finanzieren können.

Legt man das eingangs genannte Ziel als Maßstab an, so lassen sich die Ad-hoc-Recherchestipendien der Initi-ative Wissenschaftsjournalismus also durchaus als Erfolg bewerten. In Zeiten sich angleichender Lebensläufe kön-nen solche Recherchestipendien gene-rell insbesondere auch für Nachwuchs-journalisten ein Distinktionsmerkmal darstellen und dabei helfen, im Journa-lismus Fuß zu fassen.

Für Löffler und Wagner haben sich die Stipendien in jedem Fall gelohnt: Ihre Recherche erwies sich als so ergiebig, dass sie ihre Ergebnisse sogar in einem Ratgeber-Buch ver-öffentlichten. Auch für Meier und seine Kollegen war das Stipendium ein Türöffner in die Redaktionen, in denen sie zuvor noch nicht veröffent-licht hatten, z.T. ging daraus sogar eine längerfristige Zusammenarbeit hervor. „Es macht viel Spaß sich in-tensiv mit einem Thema zu beschäf-tigen“, sagt Meier. Er hat deshalb weitere Bewerbungen auf andere Stipendien laufen. }

Ganz besonders geschätzt wurden die Stipendien, weil die Antragstellung jederzeit möglich war und weil schnell entschieden wurde.

Grafik: Christoph Marty IfQ

Christoph Marty

arbeitet am IfQ in Berlin und hat die

Ad-hoc-Recher-chestipendien im

Auftrag der Ini-tiative Wissen-

schaftsjournalis-mus bewertet.

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WPK-Quarterly 20II / 2012

Layout, Design und TitelbildKatja Lösche – www.gestaltika.deTitelbild unter Verwendung des Fotos „BW RAF Tornado”, www.sxc.hu/photo/1083707 © Martin Kessel – www.kessel.co.uk

RedaktionMarkus Lehmkuhl (V.i.s.d.P.), Antje Findeklee, Volker Stollorz, Claudia Ruby, Nicole Heißmann und Christian Eßer

AdresseWPK-QuarterlyWissenschafts-Pressekonferenz e.V.Ahrstraße 45D-53175 Bonn

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung der WPK wieder.

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AutorenMarkus Lehmkuhl, Markus Becker, Marcus Bösch, Martin Schneider, Ralf Grötker, Oliver Hochadel und Christoph Marty

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