Laudatio
Berg Huettenmaenn Monatsh (2020) Vol. 165 (12): 617–622
https://doi.org/10.1007/s00501-020-01055-1
© Austrian Society for Metallurgy of Metals (ASMET) and
Bergmännischer Verband Österreich (BVÖ) 2020
Zum 80. Geburtstag von Professor Johann GOLSER
Robert Galler
Lehrstuhl für Subsurface Engineering, Montanuniversität Leoben, Leoben, Österreich
Angenommen 30. Oktober 2020; online publiziert 18. November 2020
Johann Golser wurde am 27. Mai 1940 in Villach geboren
und verbrachte seine Jugendzeit in Spittal an der Drau. Sein
beruflicher Weg in das Bauwesen war ihm vielleicht schon
in die Wiege gelegt, hat sich doch sein Vater, der nach ei-
ner Arsenvergiftung den Beruf des Stuckateurs aufgeben
musste, vom Maurer bis zum Bauleiter hinaufgearbeitet.
Der angedachte Bildungsweg für Johann Golser war der
damals klassische: Volksschule, Hauptschule, Maurerlehre,
Berufsschule, wenn da nicht in der 4. Klasse Volksschule
eine entscheidende zufällige Weichenstellung für die wei-
tere Ausbildung erfolgt wäre. Der Klassenlehrer erkrankte
ein paar Monate vor Schulschluss. Die Direktorin kam in die
Klasse und entschied, dass die Schüler, die ins Gymnasium
gehen wollten, zur Vorbereitung für die Aufnahmeprüfung
in ihre Klasse übersiedeln sollten. Es folgte eine Schulnach-
richt an die Eltern. Johann Golser hörte erstmals von die-
ser Möglichkeit einer höheren Schulbildung und teilte sei-
nen Eltern umgehend mit, dass er ins Gymnasium gehen
möchte. (Abb. 1).
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. mont. R. Galler (�)
Lehrstuhl für Subsurface Engineering,
Montanuniversität Leoben,
Franz-Josef-Str. 18,
8700 Leoben, Österreich
Es folgten lange, für Johann Golser bis heute belasten-
de Gespräche und Kämpfe, da seine Eltern der Meinung
waren, dass das Gymnasium nichts für Arbeiterkinder ist
und sich die Familie diese Ausbildung nicht leisten könnte.
Letztendlich durfte er das Realgymnasium besuchen und
es folgte eine schöne Zeit mit tiefen Freundschaften, sport-
lichen Aktivitäten mit Bergsteigen, Leichtathletik und Ru-
dern, aber auch viel Arbeit. Naturwissenschaftliche Fächer
bereiteten ihm Freude, Latein hingegen war ihm ein Dorn
im Auge.
Nach Abschluss des Realgymnasiums studierte Johann
Golser an der Technischen Hochschule in Graz Bauinge-
nieurwesen, ein Studium, das er sich großteils über Feri-
alarbeit und das Geben von Nachhilfestunden selbst finan-
ziert hat.
Im 3. Semester heiratet Johann Golser seine Jugendlie-
be Sieglinde aus der Gymnasialzeit, mit der er nunmehr
seit 60 Jahren verheiratet ist. Herzliche Gratulation an die-
ser Stelle! Im zweiten Studienabschnitt zieht seine Fraumit
ihrem – heute 60 Jahre jungen – Sohn nach Graz.
Es wurde 18 Semester lang gründlich studiert, das
feucht-fröhliche Studentenleben in der Studentenstadt
Graz genossen und sportlichen Aktivitäten im Akademi-
schen Turnverein nachgegangen, bevor er im Jahr 1967
zum Diplomingenieur graduiert wurde. (Abb. 2).
Im 2. Studienabschnitt musste man zur damaligen Zeit
zwei Wahlausbildungen belegen; Johann Golser entschied
sich für zwei sehr unterschiedliche, nämlich eine statisch-
konstruktive Vertiefung und jene in Bodenmechanik und
Grundbau. Felsmechanik und Tunnelbau wurde nur in sehr
geringem Umfang angeboten; konkret wurde das Fach
Felsmechanik in den Lehrveranstaltungen zur Geologie
gestreift, Tunnelbau wurde mit einem kleinen Lehrauftrag
abgedeckt.
Bei Beendigung des Studiums hatte Johann Golser
schon fast beim Amt der Kärntner Landesregierung, Abtei-
lung Brückenbau angeheuert, aber wieder kam durch Zufall
eineWeggabelung, an der er sich für einen weiteren Schritt
in Richtung Zukunft entscheiden musste. Prof. Christian
Veder hat Johann Golser eine Assistenzstelle an seinem
Lehrstuhl für Bodenmechanik und Grundbau angeboten.
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Abb. 1: JohannundSieglindeGolser
Abb. 3: Tauerntunnel –Scherbruch
Johann Golser hat dieses Angebot jedoch nicht angenom-
men, da er gleich in die Praxis wollte. Prof. Veder nahm
ihm das nicht übel und gab ihm einen entscheidenden Rat.
Das Ingenieurbüro Pacher in Salzburg und Prof. Rabcewicz
suchten junge Ingenieure für interessante Planungs- und
Beratungsarbeiten im Bereich Grundbau, Felsbau und Tun-
nelbau. Johann Golser wurde umgehend angeheuert und
war damit im Kreis der Salzburger Geomechaniker gelan-
det, aus dem die heutige Österreichische Gesellschaft für
Geomechanik hervorging. Seine ersten Aufgaben waren
die Mitarbeit bei Projekten der Tauernautobahn, Hangsi-
cherungen, Brückenfundierungen in tiefreichend instabilen
Berghängen und Tunnelbauten. (Abb. 3).
Anfangs hatte Johann Golser Zweifel, ob dieser Fach-
bereich das Richtige für ihn wäre, da es fast aussichtslos
schien, in absehbarer Zeit jene Erfahrung zu sammeln, die
Prof. Pacher bei der treffsicheren Abschätzung von Kenn-
werten und beim raschen Finden praktischer Lösungen hat-
te. Es galt, das Verhalten des Gebirges als Reaktion auf die
Eingriffe des Tunnelbaus und Versagensphänomene zu be-
obachten, und zu versuchen, das Beobachtete zu deuten,
rechnerisch zu erfassen und die richtigen Maßnahmen zu
treffen.
Die wöchentlichen Heimfahrten nach Kärnten über zwei
Alpenpässe – Johann und seine Frau lebten eine Wochen-
Abb. 2: GraduierungzumDiplomingenieur fürBauwesenanderTUGraz
Abb. 4: FamilieGolser inPakistan
end-Ehe – führten entlang der Baustellen der Tauernauto-
bahn. Baustellenbesuche und der Einblick in das praktische
Baugeschehen waren für ihn sehr hilfreich.
Prof. Rabcewicz lebte mit seiner Frau in Mauterndorf in
einem wunderschönen Landhaus am Fanningberg etwa in
der Mitte des Weges zwischen Salzburg und Kärnten, den
Johann Golser wöchentlich zurücklegen musste. Projektbe-
sprechungen fanden sehr regelmäßig im schönen Lungau
statt. Rabcewicz und seine Frau Elisabeth erzählten immer
wieder über ihre oftmals abenteuerlichen Erlebnisse auf
Baustellen in der Türkei und in Persien. So entwickelte sich
für das spätere Berufsleben Johann Golsers eine bestim-
mende, enge und freundschaftliche Zusammenarbeit mit
Prof. Rabcewicz, dem Begründer der NATM. Ausführliche,
oft bis spät in die Nacht dauernde Fachsimpeleien waren
mit ein Grund, dass Johann Golser sich schließlich ganz
der Geomechanik und dem Tunnelbau verschrieb.
Rabcewicz hat Golser gelehrt, das Gebirge ruhig und
mit der nötigen Geduld zu beobachten, um zu verstehen,
„was der Berg mit uns vorhat“. Wie Golser sehr treffend
feststellt, wird das heute zunehmend schwierig, wenn man
als Berater in einem Tross von „Adabeis“ durch den Tunnel
getrieben wird und unmittelbar im Anschluss treffsichere
Aussagen machen soll.
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Abb. 5: Tarbela:SchieberkaverneundSchieberschacht
Gleichzeitig mit dem Wolfsbergtunnel war eine Alter-
nativlösung für große Schieberkavernen der Tunnel des
Tarbela-Damm-Projektes in Pakistan zu entwickeln. Der
US-amerikanische Planer sah einen schweren Stahlausbau
nach der ASSM vor. Das europäische Firmenkonsortium
fand keine praktikable Lösung für den Bau der bis zu
440m2 großen Kavernen mit der ASSM. Johann Golser fiel
die Aufgabe zu, die von Rabcewicz entwickelten Lösungen
im Detail zu bearbeiten.
In Begleitung seiner Frau und der damals drei kleinen
Kinder war er dann von 1969 bis 1972 beim Tarbela-Damm-
Projekt in Pakistan, dem damals weltgrößten Bewässe-
rungs- undKraftwerksprojekt, alsKonsulent für Tunnel- und
Felsbau tätig (Abb. 4). Dort wurden erstmals unter schwie-
rigen geologischen Bedingungen Hohlräume bis 440m2
Querschnittsfläche nach den Grundsätzen der NATM auf-
gefahren und direkte Vergleichemit dem Stahlausbau nach
der ASSM/American Steel Support Method bei Tunnels mit
18m Durchmesser möglich. Dort, am Fuß der Vorberge des
Himalaya, erlebte Johann Golser nach eigenen Angaben
seine schönsten Berufsjahre; es waren wohl auch die be-
reicherndsten Jahre für die gesamte Familie, denn wann
ist ein Bauingenieur schon länger zuhause? Bei diesem
Projekt konnten wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden,
die in zahlreichen Publikationen veröffentlicht und zugleich
Anlass zu Golsers Dissertationsthema wurden. Die in Tar-
bela gemachten Erfahrungen und die Zusammenarbeit mit
anderen international tätigen Bau- und Planungsfirmen
sollten seinen weiteren Werdegang entscheidend prägen.
Die damals größte Baustelle der Welt war für Golser ein
Schlüsselerlebnis und zugleich der Anstoß für seine weite-
ren weltweiten Tätigkeiten. (Abb. 5).
1973gründeteermitHerrnDipl.-Ing.Hackl das Ingenieur-
büro GEOCONSULT, nachdem sein Chef zum damaligen
Zeitpunkt nicht außerhalb des deutschsprachigen Raumes
tätig sein wollte. Es bestand auch keine Notwendigkeit, die
Auftragslage war damals exzellent. Golser und Hackl aber
packte das Fernweh. (Abb. 6).
Von 1974 bis 1983 hielt sich Johann Golser viel im fer-
nen Ausland auf und hatte das Glück, meist zu sehr an-
spruchsvollen Problemen des Untertagebaues als Experte
gerufen zu werden. Länger andauernde Aufenthalte in Ja-
pan, Korea, Taiwan, Hongkong und den USA, wo es galt,
Abb. 6: JohannGolserundErichHacklgründendieGEOCONSULT
die NATM für großangelegte Verkehrswegebauten einzu-
führen, legten den Grundstein für die heute anerkannte
Planungs- und Konsulententätigkeit von GEOCONSULT im
asiatischen Raum, wie auch auf allen anderen Kontinenten.
Zahlreiche Weiterentwicklungen, die die Neue Österreichi-
sche Tunnelbaumethode in extrem schwierige geologische
und geotechnische Verhältnisse vordringen ließ, stammen
aus dieser Zeit. In Deutschland wurde die bis dahin übliche
Deutsche Kernbauweise durch die NATM abgelöst. Bauver-
träge luden Baufirmen dazu ein, Alternativvorschläge an-
zubieten. Der Salzburger Kreis engagierte sich erfolgreich
und so konnte Golser zahlreiche NATM Lösungen ausar-
beiten und während des Baus auch begleiten. Im Zuge die-
ser Arbeiten konnte Golser erstmals eine Ulmenstollen-Lö-
sung vorschlagen, die sich aus der Deutschen Kernbauwei-
se leicht ableiten ließ. Damit konnte das Problem des ra-
schen Ringschlusses und das großer Setzungen infolge des
vorher üblichen Kalotten-Strossenvortriebes insbesondere
bei sehr breiten Querschnitten besser gelöst werden.
Eine andere Lösung für das rasche Ringschlussproblem
wurde erstmals mit der temporären Kalottensohle bei der
Giesinger Hangauffahrt in München gefunden. Die Idee
kam Golser nach seinem ersten Beratungsauftrag beim
Seikantunnel in Japan, wo mit schwerem Stahlrohrausbau
ein Kalottenringschluss hergestellt wurde. Der Prüfer für
das Los Giesinger Hangauffahrt war Prof. Kupfer von der
TU München. Nach Vorstellung der Lösung von Golser
nahmProf. Kupfer seinen Rechenschieber, schrieb eine For-
mel auf und sagte zu Golser: „Junger Kollege, Ihre Lösung
funktioniert nicht.“ Golser antwortete ihm, dass es das nicht
gibt, undwohl in der Berechnung etwas falsch seinmüsste.
Nach einigen Momenten der Totenstille teilte Prof. Kupfer
mit, dass er sich die Lösung nochmal ansehen würde und
ein paar Tage später gab er sein Okay. Anlässlich einer
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Abb. 7: JohannGolser erläutertAuffahrkonzeptevonTunnelbauwerken
Akademischen Feier in Leoben, wo Prof. Kupfer als Rektor
der TUMünchen eingeladen war, erinnerte er sich noch gut
an den jungen Ingenieur Golser aus Salzburg. (Abb. 7).
Golser hatte auch den Vorschlag gemacht, systematisch
in Kies zu ankern, Selbstbohranker gab es damals aller-
dings noch nicht. Aus Gesprächen mit seinem Freund Gru-
ber, dem damaligen Chef von GD-Anker in Kärnten, dem
Golser seine ersten Kontakte nach Japan verdankte, ergab
sich der Anstoß, dass die FirmaGD-Anker die ersten Selbst-
bohranker entwickelte; ein Produkt, das heute weltweit er-
folgreich eingesetzt wird.
Nach vielen langen Diskussionen mit japanischen Bau-
herren für Eisenbahn und Straßenbau war der Boden
für den versuchsweisen Einsatz der NATM aufbereitet.
So konnten unter praktischer Mithilfe unserer Ingenieure
mehrere schwierige Tunnelbauvorhaben, bei denen kon-
ventionelle Stahlbauten versagten, erfolgreich bewältigt
werden. Die Arbeiten in Japan waren sehr angenehm,
waren die Japaner doch sehr lernwillig, kooperativ und
vertragstreu.
Weiter ging es in den Fernen Osten im gleichen Stil nach
Taiwan, Hongkong und Korea, wo überall U-Bahnen, Stra-
ßen- und Eisenbahntunnels gebaut wurden. Die umfang-
reichen Arbeiten für mehrere Baulose der U-Bahn in Seoul,
die vor den Olympischen Spielen im Jahr 1988 fertig sein
mussten, wurden von Wulf Schubert als damaliger Mitar-
beiter von Geoconsult bravourös geleitet. (Abb. 8).
In Indien wurde die NATM beim Loktak-Hydel-Projekt
im äußersten Nordosten im Manipur State erstmals an-
gewandt. Das Projekt wurde nach einer schweren Methan-
gasexplosion zwei Jahre lang eingestellt. Nach Umplanung
von ASSM zu NATM wurde der Bau im Jahr 1978 wieder
aufgenommen und der Tunnel unter praktischer Anleitung
von Mitarbeitern von Golser mit schlagwettergeschütztem
Roadheader AM50, einer Maschine, die damals für die In-
der neuwar, undunter guter Bewetterung fertiggestellt. Der
Umstieg von konventionellen Stahlausbauten zur NATM
geht in Indien sehr langsam, das Trägheitselement von Ent-
scheidungsträgern ist sehr groß.
In denUSAwährte derWiderstand gegen die NATMund
das Festhalten an der ASSM am längsten. Der erste NATM
Abb. 8: Seoul:StationShoppingCenterMyoungDong
Tunnel war 1981 der Mt. Lebanon-Tunnel in Pittsburgh. Die
NATM-Lösung entstand im Rahmen einer Forschungsfi-
nanzierung in Konkurrenz zu einer lokalen konventionellen
Planung. Beide Lösungen wurden ausgeschrieben, der Zu-
schlag erfolgte zugunsten der wesentlich preisgünstigeren
NATM. Das lag wohl auch an der Ausführung durch eine
erfahrene österreichische Baufirma. Es folgten U-Bahn-
Baulose in Washington D.C.; mittlerweile ist die NATM
als konventionelle Baumethode auch in den USA bestens
etabliert.
1984 folgte Johann Golser dem Ruf als Professor an die
Montanuniversität Leoben und leitete dort bis zum Jahr
2006, also 22 Jahre lang, das Institut für Geomechanik, Tun-
nelbau und Konstruktiven Tiefbau als Nachfolger von Prof.
Georg Feder. Nicht nur an der Universität hat es Golser ge-
schafft, komplizierte Sachverhalte auf den Punkt zu brin-
gen. Leitgedanke in seinen Vorlesungen war: zuerst Verein-
fachen und Abschätzen und erst danach Details bearbeiten.
Größenordnungen und grundsätzliches Verständnis für die
Aufgaben schaffen die Basis für die Lösung jeglicher Pro-
bleme in der Geotechnik und im Tunnelbau. Mit seiner Lie-
be zur Technik forderte er von seinen Mitarbeitern viel; als
Ergebnis seines Wirkens an der Montanuniversität können
wir heute auf 13 Dissertationen zurückblicken. Als Rezept
für seinen Erfolg gibt Golser an, dass man in jeder Situati-
on versuchen sollte, seine Arbeit richtig und gewissenhaft
zumachen.Manchmal gibt es dann imLeben Stationen und
Kreuzungen, an denen man die richtige Entscheidung tref-
fen muss. In diesen Momenten spielen Intuition, aber auch
ein bisschen Glück eine große Rolle. (Abb. 9).
Schwerpunkte der Forschungstätigkeit von Prof. Golser
waren die Weiterentwicklung der NATM, gebirgsmechani-
sche Herausforderungen in einigen Bergbaubetrieben, die
Dimensionierung und Auslegung von Salz-Lösungskaver-
nen, der Deponiebau und die Altlastensanierung. Im Zu-
sammenhang mit der Weiterentwicklung der NATM wur-
den vor allem nachstehende Themen bearbeitet:
zeitabhängiges Verhalten von jungem Spritzbeton,
zeitabhängiges Gebirgsverhalten und Langzeitbean-
spruchung des Innenausbaus,
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Abb. 9: ExkursionzuTunnelbaustellenÖsterreichs,mitProf.Golser,2005
messtechnische Überprüfung der Spritzbetonbeanspru-
chung mittels Dehnungsmessungen und die Entwick-
lung eines Messgebers mit Dehnungsmessstreifen, die
Initialzündung für das Start-up-UnternehmenGEODATA
in Leoben. Es konnte nachgewiesen werden, dass die bis
zu diesem Zeitpunkt verwendeten hydraulischen Druck-
messdosen für die ErmittlungvonUmfangsspannungen
in einer Spritzbetonschale ungeeignet sind,
einschaliger Tunnelausbau,
erstmalige Entwicklung einfacher und kostengünsti-
ger Stauchelemente in Längsschlitzen der Spritzbeton-
schale. Beim Tauerntunnel wurden Längsschlitze ohne
Stauchelemente vorgesehen, um die Zerstörung der
Spritzbetonschale infolge zu großer Stauchungen zu
vermeiden, mit dem Nachteil, dass damit auch der Aus-
bauwiderstand der Schale stark reduziert wurde. Mit
der Entwicklung dieser Stauchelemente und dem ersten
Einsatz beim Galgenbergtunnel in Leoben wurden die-
se in der Folge bei vielen Tunnels in stark druckhaften
Strecken erfolgreich angewendet und damit das Bean-
spruchungsvermögen der Spritzbetonschale wieder voll
ausgenützt.
Die laufende Konfrontation mit aktuellen Fragestellungen
aus der Praxis ermöglichten dem Institut eine sehr anwen-
dungsorientierte Forschung.
Mit der innigen Einbindung in das österreichische Tun-
nelbaugeschehen war Prof. Golser auch mit bauvertragli-
chen Konflikten hinsichtlich Vergütung von Bauleistungen
befasst. So wurde die von ihm vorgeschlagene Vergütung
des Ausbruchs unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes
für die Sicherungsarbeiten in Form einer Matrix in die
ÖNORM B2203 aufgenommen.
Bis zurGründungdes Instituts für FelsmechanikundTun-
nelbau an der TU Graz im Jahr 1992 wurden die Vorlesun-
gen zu diesem Thema von Golser als Gastprofessor gehal-
ten. Ferner war Prof. Golser beim Studiengang Bauinge-
nieurwesen der FH Spittal in Kärnten im Entwicklungsteam
tätig und widmete sich dort als Vortragender den Fragen
des Deponiebaus.
Abb. 10: Seminar zumThemaNATM,SaoPaulo, 2014
In die Zeit seiner Aktivitäten an der Montanuniversität
Leoben fiel auch der International Tunnelling Association –
World Tunnel Congress ITA-WTC 1997, den er als Präsident
der Tagung leiten durfte.
Breiten Raum nahmen viele Seminar- und Trainingsses-
sions im fernen Ausland ein, in denen Prof. Golser versuch-
te, die wichtigsten Grundsätze des Tunnelbaus zu vermit-
teln. Die erfolgreichsten Veranstaltungen waren jene, in de-
nen Theorie, praktische Anleitung und Baustellenbesuche
kombiniert werden konnten. Die Bemühungen wurden be-
lohnt und aus vielen aus dem traditionellen Stahlausbau
kommenden Praktikern wurden begeisterte NATM-Anhän-
ger.
Insbesondere in asiatischen Ländern wurden Baustel-
lenbesuche von Bauherrenvertretern gut vorbereitet; im
Tunnel sollte es sauber sein, ohne Pfützen, nur der rote
Teppich fehlte noch. Es löste großes Erstaunen aus, wenn
Prof. Golser, hochgehoben vom Bohrwagen, den Arbeitern
vorführte, wie man in der Firste SN-Anker richtig einbaut.
Solche praktischen Fertigkeiten hatte sich Prof. Golser in
jungen Jahren in Tarbela angeeignet.
Weitere interessante Herausforderungen ergaben sich
mit den Aufgaben als Teil von Expertengruppen. Dazu ge-
hörten beispielsweise großeWasserkraftanlagen in Kolum-
bien, das kürzlich in Betrieb gegangene Neelum-Jhelum
Hydel-Projekt in Pakistan, drei verschiedene Trassenfüh-
rungsstudien für hunderte von Kilometern neuer Eisen-
bahnstrecken in den Bergen im Norden von Indien sowie
ein U-Bahn Projekt in Sao Paulo, das im Zuge politischer
Wirren in Brasilien im Moment stillsteht. (Abb. 10) Pakis-
tan wurde seit Tarbela fast zu seiner zweiten Heimat. Ein
großes Projekt in über 2000m Höhe mit Tunneln, Brücken,
Lawinenverbauten und schweren Stützbauwerken ist nach
fast einem halben Jahrhundert mit vielen konzeptuellen
Änderungen und Unterbrechungen immer noch nicht ganz
fertiggestellt und bereitet in der seit Jahren angespannten
politischen Situation immer noch Kopfzerbrechen. Nach
Empfehlungen von Johann Golser folgten die ersten berg-
männischen U-Bahnstationen inmitten der Altstadt von
Delhi sowie lange Straßen- und Eisenbahntunnels in Jam-
mu-Kashmir.
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Abb. 11: JohannGolserundseinHobby,dasSegeln
Immer noch bemüht sich Prof. Golser, zum Finden guter
Lösungen imUntertagebau etwasbeizutragen, es liegt aber
jetzt wohl an unserer Generation und den Nachfolgegene-
rationen, Materialien und Geräte sowie die Möglichkeiten
der Digitalisierung, der Datenerfassung und -auswertung
bis hin zur Künstlichen Intelligenz weiter zu entwickeln und
zu nutzen, damit die NATMweiterhin neu bleiben wird.
Die Liebe zu Land und Leuten in den Bergen des Hima-
layas und des Hindukush führten Prof. Golser schon vor
50JahrendurchAfghanistanund später zuReisenundTrek-
kingtouren nach Nepal, Kashmir, Ladakh, Sikkim und Tibet.
Mit zunehmendem Alter wurden es ausgedehnte Schiffs-
reisen um den Globus, um an das Hobby des Segelns in
den 70-er und 80-er Jahren im Mittelmeer und im Revier
Südengland und Kanalinseln anzuschließen. (Abb. 11).
Als Nachfolger von Prof. Golser an der Montanuniversi-
tät Leobenhabe ichpersönlichvon ihmdieLiebe zumUnter-
tagebau kennengelernt. Er hat mich gelehrt, dass sich der
gute Tunnelbauer immer noch dadurch auszeichnet, dass
er intuitiv das Richtige macht, indem er mit der Natur und
nicht gegen die Natur arbeitet. Mit dem Postulat „mit und
nicht gegen die Natur“, das von Paracelsus, einemder größ-
tenNaturforscher stammt, drängt sich der Vergleichmit der
Medizin auf. Golser hat uns gelehrt, dassMenschen wiedas
Gebirge sind; nicht genormt, inhomogen und anisotrop.
Was für den Mediziner das Fieberthermometer ist, sind für
den Tunnelbauer die Messungen und Beobachtungen un-
tertage. Auch in der Medizin führt nur der Weg über die
Beobachtung zum Befund, zur Diagnose und erst von hier
Abb. 12: Prof.Golser zuBesuchderMontanuniversität Leoben imRah-menderBarbarafeieram04.12.2017amZaB-ZentrumamBerg,einerUn-tertage-Forschungs-&Entwicklungs-sowieTrainings-Ausbildungsanla-ge fürdenUntertagebau
zur Therapie, welche hoffentlich zum Ziel führt. Es handelt
sich somit um eine empirisch-wissenschaftliche Vorgangs-
weise, womit wir Tunnelbauer uns mit den Medizinern in
guter Gesellschaft befinden.
Auch heute noch stellt sich weiterhin die Frage, was
wirmit Rechenergebnissen, insbesondere im tiefliegenden
Tunnelbau, anfangen können, um die Frage der Sicherheit
beantworten zu können. Nach wie vor ist die Methode der
Finiten Elemente dazu schlecht geeignet, da die Aufgaben-
stellung ja schon damit beginnt, die zulässigen Beanspru-
chungen richtig einzuschätzen und esgiltweiterhin, jemehr
man nachdenkt, destomehr ungelöste Fragestellungen tun
sich auf, an welchen wir als Nachfolger von Prof. Feder und
Prof. Golser nun beständig weiter arbeiten. (Abb. 12).
Im Namen des Lehrstuhls für Subsurface Engineering,
wie das ehemalige Institut für Geomechanik, Tunnelbau
und Konstruktiven Tiefbau mit der Emeritierung von Prof.
Golser an der Montanuniversität Leoben umbenannt wur-
de, möchte ich mich bei Prof. Golser als hervorragenden
Lehrer und Mentor für seine nationalen und internationa-
len Aktivitäten im gesamten Fachgebiet des Untertagebaus
und seine Forschungsaktivitäten an der Montanuniversität
Leoben sehr herzlich bedanken und ihm herzlich zu seinem
80-sten Geburtstag gratulieren!
Wir wünschen dir, lieber Hans, Alles Gute und ein herz-
liches Glückauf!
Robert Galler
622 © Austrian Society for Metallurgy of Metals (ASMET) and Bergmännischer Verband Österreich (BVÖ) Berg HuettenmaennMonatsh (2020), 165. Jg., Heft 12
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